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Wissensmanagement mit ... - Innovation Service Network

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<strong>Innovation</strong>sdienstleistungen<br />

im wissensorientierten Management<br />

von <strong>Innovation</strong>sprozessen<br />

Zur Steigerung der <strong>Innovation</strong>sfähigkeit von Unternehmungen durch<br />

Einbindung externer Leistungspotenziale<br />

Dissertation<br />

Dipl.-Ing. Reinhard Willfort<br />

Eingereicht im Oktober 2000<br />

an der Fakultät für Maschinenbau<br />

der Technischen Universität Graz


Meinen Kindern<br />

Benjamin und Selina gewidmet


DANKSAGUNG<br />

An dieser Stelle möchte ich meinen Dank an alle aussprechen, die mich bei der Er-<br />

stellung dieses Werkes unterstützt haben. Dieser Dank gilt in besonderer Weise<br />

meinem Betreuer und Erstbegutachter, Herrn O.Univ.-Prof. Dipl.-Ing. Dr. Josef W.<br />

Wohinz für die Ermöglichung dieser Arbeit und für zahlreiche konstruktive Vorschläge.<br />

Für viele hilfreiche Anmerkungen und für die konsequente Durchführung der Zweit-<br />

begutachtung bedanke ich mich herzlich bei Frau O.Univ.-Prof. Mag. Dr. Ursula<br />

Schneider.<br />

Mein besonderer Dank gilt meinen Kollegen am Institut für Wirtschafts- und Be-<br />

triebswissenschaften, Abteilung Industriebetriebslehre und <strong>Innovation</strong>sforschung für<br />

die kameradschaftliche Zusammenarbeit über die gesamte Bearbeitungszeit hinweg<br />

und für viele hilfreiche Anregungen und Hinweise. Namentlich möchte ich dabei mei-<br />

nen Kollegen und Freund Dipl.-Ing. Erich Hartlieb besonders hervorheben, der von<br />

Beginn bis zum Abschluss der Arbeit als Wegbegleiter stets <strong>mit</strong> Rat und Tat zur Seite<br />

stand.<br />

Dem Kernteam des <strong>Wissensmanagement</strong> Forum Graz und allen Mitgliedern aus der<br />

betrieblichen Praxis sei für viele wertvolle Beiträge und intensive Diskussionen gedankt.<br />

Bei allen Mitgliedern von Unternehmungen, die im Rahmen von Projekten und Di-<br />

plomarbeiten wertvolle Beiträge zu meinem Dissertationsthema geleistet haben, be-<br />

danke ich mich für die vertrauensvolle Aufnahme und für die konstruktive Zusammenarbeit.<br />

Abschließend möchte ich mich bei meiner Familie für die großartige Unterstützung<br />

bedanken. Ganz besonders gilt dieser Dank meiner Frau Renate für das Verständnis<br />

in Zeiten, in denen ich die familiäre Gemeinschaft zugunsten der wissenschaftlichen<br />

Arbeit vernachlässigt habe, vor allem aber für die liebevolle Unterstützung während<br />

der gesamten Bearbeitungszeit.<br />

Graz, im Oktober 2000 Reinhard Willfort


KURZFASSUNG<br />

Die Globalisierung der Absatz- und Beschaffungsmärkte, kürzere Produktlebenszy-<br />

klen und erhöhte Produktkomplexität sind stellvertretende Beispiele für massive Ver-<br />

änderungen im unternehmerischen Umfeld. Technologische Entwicklungen, vor al-<br />

lem in der Informations- und Kommunikationstechnologie, können zu den Auslösern<br />

dafür gezählt werden. Die Antwort darauf kann in der Auslösung geeigneter interner<br />

Veränderungsprozesse in Unternehmungen gefunden werden. Da<strong>mit</strong> wird die <strong>Innovation</strong>sfähigkeit<br />

zur zentralen Kompetenz von Unternehmungen.<br />

Die Verknüpfung von <strong>Innovation</strong>s- und <strong>Wissensmanagement</strong> <strong>mit</strong> dem Ziel, die Inno-<br />

vationsfähigkeit von Unternehmungen zu steigern, kann als eine Möglichkeit gese-<br />

hen werden, die Zukunft einer Unternehmung zu gestalten. Die <strong>Innovation</strong>sfähigkeit<br />

einer Unternehmung wird aber nicht nur durch Realisierung einer ständig lernenden<br />

Organisation positiv beeinflusst, sondern zunehmend auch von der Fähigkeit externe<br />

Ressourcen in <strong>Innovation</strong>sprozesse zu integrieren.<br />

Dabei geht es nicht nur um das Outsourcing von standardisierten Routinen, sondern<br />

vor allem um die Einbeziehung einzigartiger Ressourcen und Wissensträger. Der in<br />

dieser Arbeit vorgestellte Ansatz der <strong>Innovation</strong>sdienstleistung (IDL) kann als eine<br />

wichtige Möglichkeit zur Einbeziehung externer Leistungspotenziale in unternehmeri-<br />

sche <strong>Innovation</strong>sprozesse gesehen werden. <strong>Innovation</strong>sdienstleistungen werden<br />

vorwiegend durch immaterielle Werte, insbesondere durch Wissen begründet.<br />

Daher kann das Management von Wissen als ein möglicher Zugang zur Gestaltung<br />

des IDL-Transfers gesehen werden. Dazu wird ein Bezugsrahmen erarbeitet, der<br />

sich auf neurophysiologische Grundlagen, auf die neurobiologische und auf die kon-<br />

struktivistische Erkenntnistheorie stützt. Dieser Bezugsrahmen bildet die Grundlage<br />

für alle weiteren Ausführungen, insbesondere für die wissensbasierte Gestaltung der<br />

Kooperationsbeziehung zwischen Anbietern und Nachfragern von <strong>Innovation</strong>sdienstleistungen.<br />

Der bedarfsorientierten Einbindung von <strong>Innovation</strong>sdienstleistungen sollte eine stra-<br />

tegische Entscheidung über das Insourcing- oder Outsourcing von Ressourcen bzw.<br />

Kompetenzen vorausgehen. Dazu wird eine systematische Untersuchung der inter-<br />

nen Potenziale vorgeschlagen. Die vorgestellten Instrumente zur Analyse und Visua-<br />

lisierung unternehmensinterner Potenziale können dazu unterstützend eingesetzt<br />

werden. Weiters wird ein Ablauf dargestellt, der Gestaltungsmaßnahmen von der<br />

Bedarfsentstehung bis zum IDL-Transfer beschreibt.<br />

i


ABSTRACT<br />

The globalization of the sales and procurement markets, shorter product life cycles<br />

and increased product complexity are representative examples of substantial modifi-<br />

cations in the business surrounding field. Technological developments, particularly in<br />

the information and communication technology, can be responsible for that. The<br />

answer to it can be found in producing suitable internal modification processes in or-<br />

ganizations. Thus the innovation ability becomes the central competence of organizations.<br />

The combination of innovation and knowledge management with the aim to increase<br />

the innovation ability of organizations, can be seen as a possibility of arranging the<br />

future of an enterprise. The innovation ability of an organization, however, is positi-<br />

vely influenced not only by implementation of a constantly learning organization but<br />

also increasingly by the ability to integrate external resources into innovation<br />

processes.<br />

Not only the outsourcing of standardized routines is concerned, but particularly the<br />

inclusion of singular resources and knowledge carriers. The approach of the innova-<br />

tion service (IDL), introduced in this work, can be seen as an important possibility of<br />

including external resources into business innovation processes. <strong>Innovation</strong> services<br />

are predominantly justified by immaterial values, in particular by knowledge.<br />

Therefore knowledge management can be seen as a possibility for the transfer of<br />

innovation services. In addition, a framework is elaborated, which is based on neuro-<br />

physiological fundamentales, on the constructionalistic and the neurobiological theory<br />

of knowledge. This framework is the basis for all further arrangements, especially for<br />

the knowledge-based modelling of the relationship between supply and demand of<br />

innovation services.<br />

A strategic decision concerning the insourcing or outsourcing of resources or com-<br />

petences should precede the demand-oriented integration of innovation services. In<br />

addition, a systematic investigation of the internal potentials is suggested. The pre-<br />

sented instruments for the analysis and visualization of potentials of an organization<br />

can be used therefor. Furthermore a process is presented, which describes approaches<br />

from the requirement emergence to the transfer of innovation service.<br />

ii


INHALTSVERZEICHNIS<br />

1 EINLEITUNG 1<br />

1.1 Die Bedeutung von <strong>Innovation</strong>en in der Wissensgesellschaft 1<br />

1.1.1 Die Rolle der Informations- und Kommunikationstechnologie 3<br />

1.1.2 Fokussierung auf Kernwissensgebiete 4<br />

1.2 Angebot und Nachfrage von <strong>Innovation</strong>sdienstleistungen in der steirischen Industrie 5<br />

1.2.1 Der Begriff <strong>Innovation</strong>sdienstleistung 6<br />

1.2.2 Ergebnisse der Untersuchung 6<br />

1.3 Konkretisierung der behandelten Problemstellung 12<br />

1.3.1 Positionierung der Arbeit im Grazer Modell für industrielles Management 13<br />

1.3.2 Wissenschaftliche Methodik der Arbeit 15<br />

1.3.3 Struktur der Arbeit 17<br />

2 GRUNDLAGEN DER UNTERNEHMERISCHEN INNOVATIONSFÄHIGKEIT 19<br />

2.1 Der Begriff Management 20<br />

2.2 Der Begriff <strong>Innovation</strong> 22<br />

2.2.1 Merkmale von <strong>Innovation</strong>en 23<br />

2.2.2 Der <strong>Innovation</strong>sbegriff für diese Arbeit 25<br />

2.2.3 <strong>Innovation</strong>sprozess 25<br />

2.2.4 <strong>Innovation</strong>sfähigkeit 27<br />

2.2.5 <strong>Innovation</strong>smanagement 32<br />

2.3 <strong>Wissensmanagement</strong> und <strong>Innovation</strong>sfähigkeit 33<br />

2.3.1 Entwicklungslinien des <strong>Wissensmanagement</strong>s 35<br />

2.3.2 Basismodelle zur Differenzierung von Wissen 36<br />

2.3.3 Detailanalyse des Begriffs Wissen 38<br />

2.3.4 Der <strong>Wissensmanagement</strong>-Begriff dieser Arbeit 49<br />

3 MODELLTHEORETISCHE GRUNDLAGEN FÜR WISSENSMANAGEMENT 50<br />

3.1 Einführung in die Systemtheorie 51<br />

3.1.1 Allgemeine Eigenschaften und Merkmale von Systemen 52<br />

3.2 Neurophysiologische Grundlagen 54<br />

3.2.1 Organisationsmodelle des Gehirns 58<br />

3.3 Biologische Erkenntnistheorie 62<br />

3.3.1 Operationale Geschlossenheit 64<br />

3.3.2 Kommunikation als strukturelle Koppelung 65<br />

3.3.3 Kognition 65<br />

3.4 Konstruktivistische Erkenntnistheorie 66<br />

3.4.1 Er-Kenntnis bzw. Wissen 72<br />

3.4.2 Triviale Maschine 73<br />

3.4.3 Nicht-triviale Maschine 74<br />

3.5 Zusammenfassende Konklusionen 75<br />

3.5.1 Spezielle Zielsetzung dieser Arbeit 77<br />

iii


4 BEZUGSRAHMEN ZUR ANALYSE UND GESTALTUNG VON<br />

WISSENSSYSTEMEN 79<br />

4.1 Das Wissenssystem als soziotechnisches System 79<br />

4.2 Das technische Subsystem 81<br />

4.3 Das soziale Subsystem 86<br />

4.3.1 Wissenstransfer im sozialen Subsystem 89<br />

4.3.2 Gegenüberstellung des sozialen und des technischen Subsystems 92<br />

4.4 Beziehungen im soziotechnischen System 93<br />

4.4.1 Der Prozess der Information 94<br />

4.4.2 Der Prozess der Dokumentation 95<br />

4.4.3 Wissenstransfer über Dokumentation und Information 97<br />

4.5 Bildung eines Bezugsrahmens 100<br />

4.5.1 Die Wissensebene 103<br />

4.5.2 Die Handlungsebene 104<br />

4.5.3 Die Datenebene 105<br />

4.5.4 Kognitive Prozesse in der organisatorischen Wissensbasis 106<br />

4.6 Zusammenfassende Konklusionen 106<br />

5 DIE STÄRKUNG DER INNOVATIONSFÄHIGKEIT DURCH<br />

INNOVATIONSDIENSTLEISTUNGEN 109<br />

5.1 Ressourcenorientiertes <strong>Innovation</strong>smanagement 114<br />

5.1.1 Motivation für Outsourcing im <strong>Innovation</strong>smanagement 115<br />

5.1.2 Motivation für Insourcing im <strong>Innovation</strong>smanagement 116<br />

5.2 Der <strong>Innovation</strong>sdienstleistungs-Ansatz 117<br />

5.3 Wissensbasierte Analyse von <strong>Innovation</strong>sdienstleistungen 121<br />

5.3.1 Realisierung einer unternehmensübergreifenden <strong>Innovation</strong>splattform 125<br />

5.3.2 Datenorientierte <strong>Innovation</strong>sdienstleistungen 127<br />

5.3.3 Wissensorientierte <strong>Innovation</strong>sdienstleistungen 129<br />

5.3.4 Handlungsorientierte <strong>Innovation</strong>sdienstleistungen 131<br />

5.4 Wirkungen von <strong>Innovation</strong>sdienstleistungen auf die <strong>Innovation</strong>sfähigkeit 133<br />

5.4.1 Neuigkeitsgrad 133<br />

5.4.2 Komplexität 134<br />

5.4.3 Unsicherheit/Risiko 136<br />

5.4.4 Konfliktgehalt 137<br />

5.5 Zusammenfassende Konklusionen 137<br />

6 WISSENSBASIERTES MANAGEMENT VON INNOVATIONSPROZESSEN 139<br />

6.1 <strong>Innovation</strong> als Herausforderung für das strategische Management 140<br />

6.1.1 Marktorientierte Unternehmensstrategie 142<br />

6.1.2 Ressourcenorientierte Unternehmensstrategie 144<br />

6.1.3 Prozess der Strategieentwicklung 147<br />

6.1.4 <strong>Innovation</strong>sstrategie und Organisation 149<br />

iv


6.2 IDL im strategischen <strong>Innovation</strong>smanagement 153<br />

6.2.1 Ressourcenorientiertes <strong>Innovation</strong>smanagement 154<br />

6.2.2 Analyse der relativen Kompetenzstärke 157<br />

6.2.3 Entscheidungsgrundlage für das In-/Outsourcing von Kompetenzen 161<br />

6.2.4 Entscheidungsgrundlage für das In-/Outsourcing von Ressourcen 164<br />

6.3 Zur Gestaltung der Einbindung von <strong>Innovation</strong>sdienstleistungen 168<br />

6.3.1 Ablauf der IDL-Einbindung 168<br />

6.3.2 Managementaspekte beim IDL-Transfer 171<br />

6.4 Fallbeispiel – IDL in Produkt- und Prozessinnovation 180<br />

6.4.1 Ausgangssituation 182<br />

6.4.2 Gestaltung des IDL-Transfers 183<br />

6.4.3 Ergebnisse des IDL-Transfers 184<br />

6.5 Zusammenfassung 189<br />

7 AUSBLICK 191<br />

ANHANG 196<br />

Abbildungsverzeichnis 197<br />

Tabellenverzeichnis 199<br />

Literaturverzeichnis 200<br />

v


Einleitung 1<br />

1 Einleitung<br />

Die Tendenz zu noch rascherem Wandel, zur Erhöhung von Veränderungsge-<br />

schwindigkeiten hält nach wie vor an und betrifft alle Bereiche unserer Gesellschaft.<br />

In besonderer Weise gilt dies für Unternehmungen, denn dort verursacht die Dyna-<br />

mik im Unternehmungsumfeld eine entsprechende Dynamik in den Unternehmungen<br />

selbst (Wohinz, J.W.; Willfort, R.). 1 Die Feststellung „Das einzige, was konstant<br />

bleibt, ist die Veränderung“ klingt dramatisch, verdeutlicht aber die aktuelle Situation<br />

und Herausforderung für Unternehmungen.<br />

Die Globalisierung der Absatz- und Beschaffungsmärkte kann beispielhaft als eine<br />

von vielen gravierenden Veränderungen im Unternehmungsumfeld genannt werden.<br />

Unternehmungen, die schon bisher international tätig waren, haben bereits vor län-<br />

gerer Zeit gelernt, da<strong>mit</strong> umzugehen. Bei Unternehmungen, die sich vorrangig auf<br />

lokale Märkte konzentrieren - das sind zum Großteil kleinere und <strong>mit</strong>tlere Unternehmungen<br />

- kann die Globalisierung zu einer ernsthaften Bedrohung werden.<br />

Immer kürzere Produktlebenszyklen bei erhöhter Produktkomplexität werden zur<br />

Herausforderung des betrieblichen <strong>Innovation</strong>smanagements. Technologische Ent-<br />

wicklungen, vor allem in der Informations- und Kommunikationstechnologie, sind die<br />

Basis für viele dieser Veränderungen. Ob da<strong>mit</strong> auch die vielzitierte „explosionsartige<br />

Wissensvermehrung“ (Probst, G.; Raub, S.; Romhardt, K.) 2 verbunden ist, soll im<br />

Rahmen dieser Arbeit kritisch hinterfragt werden. Auf jeden Fall kann davon ausge-<br />

gangen werden, dass durch neue Technologien die globale Verbreitung von Daten<br />

über elektronische Medien erheblich verbessert worden ist (Becker, M.; Haberfellner,<br />

R.; Liebetrau, G.). 3<br />

1.1 Die Bedeutung von <strong>Innovation</strong>en in der Wissensgesellschaft<br />

Durch den raschen Wandel des Umfeldes wird die eigene Veränderungsbereitschaft<br />

laufend einer harten Prüfung unterzogen (Bleicher, K.). 4 Die Gestaltung unterneh-<br />

mungsinterner <strong>Innovation</strong>sprozesse kann heute als existenzentscheidender Erfolgs-<br />

¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯<br />

1 Vgl. Wohinz, J.W.; Willfort, R.: <strong>Innovation</strong>sdienstleistungen - Ein Outsourcing-Ansatz im <strong>Innovation</strong>sprozess,<br />

in: Seicht, G. (Hrsg.): JdR 2000, Wien 2000, S. 378<br />

2 Vgl. Probst, G.; Raub, S.; Romhardt, K.: Wissen managen, Frankfurt/Wiesbaden 1997, S. 21<br />

3 Vgl. Becker, M.; Haberfellner, R.; Liebetrau, G.: EDV-Wissen für Anwender - Das Informatik-<br />

Handbuch für die Praxis, 12. Auflage, Zürich 2000, S. 126<br />

4 Vgl. Bleicher, K.: Das Konzept Integriertes Management. Das St. Galler Management-Konzept, Band<br />

1, 5. Auflage, Frankfurt/New York 1999, S. 55


Einleitung 2<br />

faktor angesehen werden. „<strong>Innovation</strong>“ ist da<strong>mit</strong> nicht nur zu einem Modewort, son-<br />

dern zu einem zentralen Begriff zukunftsorientierter Unternehmungsführung gewor-<br />

den. Es geht längst nicht mehr um die Frage, ob <strong>Innovation</strong>en in einer Unterneh-<br />

mung durchgesetzt werden sollen; es geht vielmehr um die Frage, welche <strong>Innovation</strong>en<br />

wie bzw. wann möglichst erfolgreich realisiert werden können.<br />

<strong>Innovation</strong>sprozesse zu managen heißt heute nicht nur auf Veränderungen im Un-<br />

ternehmungsumfeld angemessen, zeitgerecht und zielgerichtet zu reagieren, son-<br />

dern der Zeit voraus zu sein und bei der Gestaltung der Zukunft aktiv und voraus-<br />

schauend <strong>mit</strong>zuwirken. Die <strong>Innovation</strong>sfähigkeit einer Unternehmung, die letztendlich<br />

durch die Veränderungsbereitschaft ihrer Mitarbeiter determiniert wird, kann heute<br />

als »die« Kernkompetenz jeder erfolgreichen Unternehmung gesehen werden.<br />

Mit jeder Veränderung sind Lernprozesse verbunden, die eine Anpassung an eine<br />

neue Situation erst ermöglichen. Das Unternehmensziel ist eine stets lernende Un-<br />

ternehmung, die <strong>Innovation</strong> von innen heraus als dauerhaften, organischen Prozess<br />

versteht und aktiv betreibt (vgl. Abbildung 1-1). „Organisationales Lernen“ wird da<strong>mit</strong><br />

zu einer wichtigen Zielsetzung von Unternehmungen. Die Grundlage dafür bildet die<br />

oft vernachlässigte <strong>Innovation</strong>sstrategie der Unternehmung als Teil des strategischen<br />

Unternehmungskonzeptes.<br />

Veränderung des<br />

Unternehmensumfeldes<br />

ORGANISATIONALES<br />

LERNEN<br />

Erlernen angepasster<br />

unternehmerischer Handlungen<br />

Abbildung 1-1: Kreislauf des organisationalen Lernens<br />

Eine Schlüsselrolle bei der Schaffung eines innovationsfreundlichen Klimas kommt<br />

der Unternehmenskultur zu. Sie muss allen Mitarbeitern die Unternehmungsziele<br />

ver<strong>mit</strong>teln und einen Sinn für ihre Mitarbeit geben. Voraussetzung dafür ist ein Füh-<br />

rungsstil, der ein motivierendes Umfeld schafft und da<strong>mit</strong> die Mitarbeiter zu innovati-<br />

ven Ideen und synergetischer Zusammenarbeit im Team anregt. Dadurch werden<br />

Kreativitätspotenziale in der Unternehmung freigesetzt und die Attraktivität der Unternehmung<br />

zur Gewinnung qualifizierter Mitarbeiter erhöht.


Einleitung 3<br />

Durch die Zunahme der Wissensintensität und der da<strong>mit</strong> verbundenen Spezialisie-<br />

rung gewinnen integrierte, vernetzte Managementansätze an Bedeutung. Verfolgt<br />

man die aktuelle Managementliteratur, so steht <strong>Wissensmanagement</strong> - die Führung<br />

von Unternehmungen unter dem Fokus Wissen - neben E-business an der Spitze der<br />

Management-Schwerpunkte. Das Wissen einer Unternehmung - die Wissensbasis -<br />

rückt da<strong>mit</strong> in den Mittelpunkt unternehmerischer Interventionen. Aus der Wissensbasis<br />

werden alle Aktivitäten und Prozesse in der Unternehmung gespeist.<br />

Durch diese Sichtweise rücken nach radikalen Managementkonzepten, wie z.B.<br />

Business Process Reengineering, die Mitarbeiter als „Wissensträger“ in den Mittel-<br />

punkt der Betrachtungen (Schneider, U.). 5 Unternehmungen, deren Börsenwert zum<br />

Großteil aus immateriellen Werten - dem sogenannten „Wissenskapital“ (North, K.) 6 -<br />

besteht, belegen diesen Umstand. Im <strong>Wissensmanagement</strong> werden Redundanzen<br />

nicht mehr kommentarlos eliminiert, sondern - im Gegenteil - bei Bedarf zielgerichtet<br />

aufgebaut, um nicht durch Fluktuation in den Kernbereichen der Unternehmung<br />

handlungsunfähig zu werden.<br />

Wissensintensive Wertschöpfung relativiert auch die Standortfrage und lässt<br />

Hochlohnländer, wie z.B. Österreich wieder attraktiv erscheinen. Vor allem Koopera-<br />

tionen werden immer wichtiger und lassen Unternehmungen einer Region näher zu-<br />

sammenrücken. Zahlreiche Cluster-Initiativen, wie z.B. der ACstyria (Autocluster Sty-<br />

ria), belegen diesen Trend, der da<strong>mit</strong> auch KMU‘s den Zugang zu neuen Märkten,<br />

aber auch zu komplementärem Wissen verschafft (Willfort, R.). 7<br />

1.1.1 Die Rolle der Informations- und Kommunikationstechnologie<br />

Globale Vernetzung wird im hohen Maße von <strong>Innovation</strong>en in der Informations- und<br />

Kommunikationstechnologie (IuK-Technologie) getragen (Reichwald, R.). 8 Erst da-<br />

durch wurde ein Austausch von Daten über weite Strecken hinweg in kurzer Zeit und<br />

noch dazu bei minimalen Transaktionskosten ermöglicht. Da<strong>mit</strong> wird die professio-<br />

nelle Nutzung neuer IuK-Technologien zu einer elementaren Kompetenz aller Mitar-<br />

beiter einer Unternehmung. IuK-Technologie unterstützt die Vernetzung auf sozialer<br />

Ebene auf effiziente Art und Weise und ist da<strong>mit</strong> eine „enabling technology“ für <strong>Wissensmanagement</strong><br />

und organisationale Lernprozesse.<br />

¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯<br />

5 Vgl. Schneider, U.: Reengineering und andere Managementmethoden: Vorüberlegungen zu einem<br />

temporären Ansatz der Organisation, in: Liebmann, H.-P. (Hrsg.): Vom Business Process Reengineering<br />

zum Change Management, Wiesbaden 1997, S. 189f<br />

6 Vgl. North, K.: Wissensorientierte Unternehmensführung, Wiesbaden 1998, S. 41<br />

7 Vgl. Willfort, R.: <strong>Innovation</strong> ist schöpferische Zerstörung ?!, in WING-business (1999)3, S. 4<br />

8 Vgl. Reichwald, R.: Telekooperation - Verteilte Arbeits- und Organisationsformen, Ber-<br />

lin/Heidelberg/New York 1998, S. 18


Einleitung 4<br />

Durch den verbesserten Zugang zu Daten über Internet, Intranet oder Extranet be-<br />

steht aber auch die Gefahr, dass die Benutzer dieser Systeme <strong>mit</strong> einer sprichwörtli-<br />

chen „Datenflut“ konfrontiert werden. Benutzer stehen zunehmend vor der Heraus-<br />

forderung aus dem enormen Angebot an Daten die (oft wenigen) brauchbaren her-<br />

auszufiltern, um daraus in Informationsprozessen neues Wissen generieren zu kön-<br />

nen (Schneider, U.). 9 Neue Software-Tools, wie Suchmaschinen und Email-Clients<br />

<strong>mit</strong> Filterfunktionen für unerwünschte Emails, können hier nur beschränkt Unterstützung<br />

bieten.<br />

Um diese Tatsache in den Griff zu bekommen, sind <strong>Wissensmanagement</strong>-Konzepte<br />

gefragt, die das Management von Wissen und das Management von Daten bzw. den<br />

Gebrauch neuer Technologien klar unterscheiden.<br />

1.1.2 Fokussierung auf Kernwissensgebiete<br />

Die zunehmende Spezialisierung in einzelne Wissenschaftszweige erhöht die Anzahl<br />

der Wissensgebiete. In einer Gegenüberstellung der Ausprägungen von Wissensge-<br />

bieten in den Jahren 1960 und 1992 wird dies anhand der Spezialisierung technologisch<br />

orientierter Wissensgebiete verdeutlicht (vgl. Abbildung 1-2).<br />

Abbildung 1-2: Spezialisierung in technologisch orientierten Wissensgebieten<br />

(Waldkirch, T.) 10<br />

¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯<br />

9 Vgl. Schneider, U.: Management in der wissensbasierten Unternehmung, in: Schneider, U. (Hrsg.):<br />

<strong>Wissensmanagement</strong>, Frankfurt a. M. 1996, S. 32<br />

10 Vgl. Waldkirch, T.: Technologietransfer, Vorlesungsunterlagen der ETH Zürich 1995, zitiert in: Brodbeck,<br />

H.; Birkenmeier, B.; Tschirky, H.: Neue Entscheidungsstrukturen des Integrierten Technologie-Managements,<br />

in: Die Unternehmung (1995)3, S. 111


Einleitung 5<br />

Die erforderliche Fokussierung auf wenige Kernwissensgebiete wird zu einer der<br />

strategischen Hauptaufgaben im betrieblichen <strong>Wissensmanagement</strong>. Die dadurch<br />

notwendig werdende Vernetzung <strong>mit</strong> anderen Unternehmungen, <strong>mit</strong> dem Ziel deren<br />

Kernwissensgebiete nutzen zu können, erfordert ein Umdenken in der Gestaltung<br />

von Kooperationen.<br />

Neben den externen Vernetzungen bieten aber auch interne Vernetzungen gute<br />

Möglichkeiten strategische Wissensvorteile zu erlangen. Diese Möglichkeiten stellen<br />

heute für viele Unternehmungen ungenutztes Potenzial dar. Die Bandbreite reicht<br />

vom informellen Austausch von Wissen bis zur Bildung von rechtlich verbindlichen<br />

Allianzen. Dabei gilt grundsätzlich: je größer die Organisation, desto wichtiger ist die<br />

interne Vernetzung, je kleiner, desto wichtiger ist die externe.<br />

Im betrieblichen <strong>Innovation</strong>smanagement scheint die Einbeziehung externer Res-<br />

sourcen bzw. externer Wissensquellen auf den ersten Blick eine eher kritische Maß-<br />

nahme zu sein. Die Gefahr des Wissensabflusses aus der Unternehmung und die<br />

Erhöhung der Abhängigkeit von anderen Organisationen sind Frage- und Problem-<br />

stellungen, die dabei zu Tage treten. Trotzdem ist eine zunehmende Vernetzung von<br />

Unternehmungen <strong>mit</strong> externen Partnern auch bei der Bewältigung von <strong>Innovation</strong>sprozessen<br />

zu beobachten.<br />

In einer empirischen Untersuchung, die an der Abteilung für Industriebetriebslehre<br />

und <strong>Innovation</strong>sforschung der Technischen Universität Graz durchgeführt wurde,<br />

konnten Hinweise für die steigende Relevanz der Nutzung externer Ressourcen im<br />

<strong>Innovation</strong>smanagement gewonnen werden. Zur Verdeutlichung der dabei gewonnen<br />

Erkenntnisse werden an dieser Stelle Ergebnisse der Studie auszugsweise vorgestellt.<br />

1.2 Angebot und Nachfrage von <strong>Innovation</strong>sdienstleistungen<br />

in der steirischen Industrie<br />

„<strong>Innovation</strong>sdienstleistungen für steirische Industriebetriebe - Eine Marktstudie zum<br />

Bedarfs- und Angebotspotenzial“ war der Titel einer quantitativen und qualitativen<br />

Erhebung über das Angebot an und die Nachfrage nach externen Ressourcen im<br />

<strong>Innovation</strong>smanagement (Wohinz, J.W.; Peritsch, M.; Willfort, R.). 11<br />

¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯<br />

11 Vgl. Wohinz, J.W.; Peritsch, M.; Willfort, R.: <strong>Innovation</strong>sdienstleistungen für steirische Industriebetriebe<br />

- Eine Marktstudie zum Bedarfs- und Angebotspotential, Technische Universität Graz 1998


Einleitung 6<br />

1.2.1 Der Begriff <strong>Innovation</strong>sdienstleistung<br />

Der im Rahmen dieser Studie geprägte Begriff der <strong>Innovation</strong>sdienstleistung (IDL)<br />

beschreibt eine spezifische Möglichkeit der Gestaltung von <strong>Innovation</strong>sprozessen<br />

unter Einbeziehung externer Kapazitäten. Für die Definition der <strong>Innovation</strong>sdienstlei-<br />

stung wird dabei auf den gängigen Begriff der Dienstleistung aufgebaut, bei dem in<br />

einer potenzialorientierten Betrachtung die Fähigkeit bzw. die Bereitschaft zur Erbringung<br />

von Leistungen im Vordergrund steht (Hilke, W.). 12<br />

Unter der Berücksichtigung weiterer konstitutiver Merkmale des Dienstleistungsbe-<br />

griffes nach Corsten 13 (Immaterialität der angebotenen Leistung, Vermarktung einer<br />

Fähigkeit, Einbeziehung eines externen Faktors) können <strong>Innovation</strong>sdienstleistungen<br />

folgendermaßen definiert werden (Wohinz, J.W.; Willfort, R.): 14<br />

Unter <strong>Innovation</strong>sdienstleistungen (IDL) werden spezifische Leistungspotenziale zur<br />

Unterstützung von <strong>Innovation</strong>sprozessen in Unternehmungen verstanden. Diese re-<br />

sultieren aus einer besonderen Fähigkeit eines Anbieters und werden von Unter-<br />

nehmungen im Rahmen von <strong>Innovation</strong>sprozessen extern bezogen.<br />

1.2.2 Ergebnisse der Untersuchung<br />

In Zusammenarbeit <strong>mit</strong> der Sektion Industrie der Wirtschaftskammer Steiermark<br />

wurden 40 Unternehmungen unterschiedlichster Branchen der in der Steiermark an-<br />

gesiedelten Industrie für die Erhebung des Bedarfspotenzials an <strong>Innovation</strong>sdienst-<br />

leistungen ausgewählt. Im Bereich der IDL-Anbieter wurde dieses auf das österrei-<br />

chische Bundesgebiet und teilweise auch in das angrenzende EU-Gebiet ausgedehnt.<br />

Es kamen zwei unterschiedliche Erhebungstechniken zur Anwendung, und zwar<br />

schriftliche Befragungen <strong>mit</strong>tels strukturierter Fragebögen und persönlich geführte<br />

Interviews in den Unternehmungen.<br />

¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯<br />

12<br />

Vgl. Hilke, W.: Grundprobleme und Entwicklungstendenzen des Dienstleistungs-Marketing, in: Corsten,<br />

H. (Hrsg.): Integratives Dienstleistungsmanagement, Wiesbaden 1994, S. 214<br />

13<br />

Vgl. Corsten, H.: Betriebswirtschaftslehre der Dienstleistungsunternehmungen, München 1990,<br />

S. 18<br />

14<br />

Vgl. Wohinz, J.W.; Willfort, R.: <strong>Innovation</strong>sdienstleistungen - Ein Outsourcing-Ansatz im <strong>Innovation</strong>sprozess,<br />

in: Seicht, G. (Hrsg.): JdR 2000, Wien 2000, S. 389


Einleitung 7<br />

Bei den Interviews wurden anhand von konkreten <strong>Innovation</strong>sprojekten die Erfahrun-<br />

gen der Unternehmungen abgefragt, analysiert, zu neuem Wissen aufbereitet und<br />

den Ergebnissen der Erhebung auf der IDL- Anbieterseite gegenübergestellt (vgl.<br />

Abbildung 1-3). Bei den untersuchten Projekten lag der Fokus auf Produkt- und Pro-<br />

zessinnovationen. Die aus den Recherchen gewonnenen Erkenntnisse wurden zu<br />

Handlungsempfehlungen für IDL-Anbieter, IDL-Nachfrager und für die Wirtschaftskammer<br />

in ihrer Rolle als IDL-Broker verdichtet.<br />

Neues<br />

Wissen<br />

Aufbereiten zu<br />

anwendbarem<br />

Wissen<br />

<strong>Innovation</strong>saktivitäten<br />

der Unternehmen<br />

✟ Wie komme ich effizient zu aktuellen<br />

✟ Technologien?<br />

✟ Wie komme ich zu den besten Informationen<br />

✟ zur Abschätzung der Marktchancen?<br />

✟ Wie finanziere ich am besten meine<br />

✟ <strong>Innovation</strong>sprojekte?<br />

✟ Wer hilft mir bei rechtlichen Problemen?<br />

✟ Wer unterstützt mich bei der Realisierung<br />

✟ meiner Projekte?<br />

✟ ...<br />

Analysieren<br />

Vergleichen<br />

Filtern<br />

Vorhandenes<br />

Wissen<br />

Aufnahme der<br />

<strong>Innovation</strong>saktivitäten<br />

Abbildung 1-3: Ablauf der qualitativen Erhebung auf der Nachfragerseite (Wohinz,<br />

J.W.; Peritsch, M.; Willfort, R.) 15<br />

In der Ausgangssituation dieser Marktstudie wurde vermutet, dass vor allem für die<br />

große Anzahl an kleinen und <strong>mit</strong>tleren Unternehmungen die Einbeziehung externer<br />

Kapazitäten in die <strong>Innovation</strong>saktivitäten von Bedeutung sein könnte. Diese Annah-<br />

me konnte durch die Studie bestätigt werden. Im Laufe der Untersuchung stellte sich<br />

aber heraus, dass auch <strong>mit</strong>tlere und größere Unternehmungen in sehr spezifischen<br />

Bereichen einen Bedarf an externen Ressourcen für die Bewältigung von <strong>Innovation</strong>sprozessen<br />

haben.<br />

¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯<br />

15 Vgl. Wohinz, J.W.; Peritsch, M.; Willfort, R.: <strong>Innovation</strong>sdienstleistungen für steirische Industriebetriebe<br />

- Eine Marktstudie zum Bedarfs- und Angebotspotential, Technische Universität Graz 1998,<br />

S. 11


Einleitung 8<br />

Als grundsätzliche Erkenntnisse von Seiten der Nachfrager konnten herausgearbeitet<br />

werden:<br />

? Bei allen befragten Unternehmungen konnten Bedarfspotenziale geortet werden<br />

? Das Interesse und der Umfang an <strong>Innovation</strong>sdienstleistungen hängt von der In-<br />

novationsbereitschaft in der Unternehmung ab<br />

? <strong>Innovation</strong>sschwache Unternehmungen bleiben auch in der Kontakt-Anbahnung<br />

zu IDL-Anbietern passiv<br />

? Der Erfolg von IDL-Transfers hängt sehr stark von den bisherigen Erfahrungen<br />

der beteiligten Partner im Projektmanagement ab<br />

Problemfelder<br />

Aus den persönlichen Interviews <strong>mit</strong> den <strong>Innovation</strong>sverantwortlichen in den Unter-<br />

nehmungen konnten neun typische Problemfelder im betrieblichen <strong>Innovation</strong>smanagement<br />

abgeleitet werden:<br />

? Strategische Ausrichtung<br />

? Identifikation von Marktchancen<br />

? Identifikation von Technologiechancen<br />

? Finanzierung von <strong>Innovation</strong>saktivitäten<br />

? Vermarktung von Produkten<br />

? Gewerbliche Schutzrechte<br />

? Prozessinnovationen<br />

? Technologie- und Methodentransfer<br />

? Schaffung von Personalressourcen<br />

In diesen neun Problemfeldern wurden neben dem Bedarf an <strong>Innovation</strong>sdienstlei-<br />

stungen unterschiedliche Ausprägungsformen von Verhaltensweisen im Umgang <strong>mit</strong><br />

Anbietern von <strong>Innovation</strong>sdienstleistungen aufgezeigt. Der Maßstab für die Differen-<br />

zierung der Verhaltensweisen war die Intensität <strong>mit</strong> der externe Ressourcen im <strong>Innovation</strong>smanagement<br />

gesucht und in <strong>Innovation</strong>sprojekte einbezogen wurden.<br />

Als ein wesentlicher Aspekt im Problemfeld „Strategische Ausrichtung“ konnte z.B.<br />

die Einschätzung von Kooperationen im <strong>Innovation</strong>sbereich identifiziert werden.<br />

Abbildung 1-4 zeigt beispielhaft die beobachteten Verhaltensformen von Unternehmungen<br />

bei strategischen Entscheidungen im <strong>Innovation</strong>smanagement.


Einleitung 9<br />

Einschätzung von von Kooperationen Kooperationen<br />

Geringe Intensität<br />

Der erste Weg, um einen Partner zu<br />

finden, führt zu den eigenen<br />

Interessensvertretungen; führt dieser<br />

Weg nicht zum Ziel, gibt man die<br />

Suche auf.<br />

Kooperation führt zu Wissens-<br />

Abfluss; nur wir selbst sind in der<br />

Lage, unsere Probleme zu lösen;<br />

was man selbst nicht machen<br />

kann, unterlässt man besser.<br />

Die Beteiligung an einem Unternehmensnetzwerk<br />

oder Verband ermöglicht den<br />

unkomplizierten Zugang zu Dienstleistungen<br />

und Wissen und stärkt die<br />

eigene Verhandlungsposition gegenüber<br />

den Kunden.<br />

Kooperationen werden gesucht und<br />

gepflegt; keine Anstrengung ist zu<br />

groß, um einen entsprechenden<br />

Partner zur gemeinsamen Problemlösung<br />

zu finden.<br />

Hohe Intensität<br />

Abbildung 1-4: Typische Verhaltensformen im Bereich „Strategische Ausrichtung“<br />

Häufigkeit der Nutzung von <strong>Innovation</strong>sdienstleistungen<br />

Grundsätzlich konnte festgestellt werden, dass der Zugang zu <strong>Innovation</strong>sdienstlei-<br />

stungen in der Kategorie Technologie von den Nachfragern am häufigsten genutzt<br />

wird. In Abbildung 1-5 sind die Häufigkeiten der in Anspruch genommenen Innovati-<br />

onsdienstleistungen in den sechs Kategorien dargestellt. Diese Übersicht untermau-<br />

ert die These, dass die Einbindung von externen Ressourcen durch die Komplexität<br />

von Technologien und durch fehlende Kapazitäten für viele Unternehmungen zur<br />

Notwendigkeit geworden ist.<br />

120<br />

100<br />

80<br />

60<br />

40<br />

20<br />

0<br />

Technologie<br />

Finanzierung<br />

Innov.mgt<br />

Abbildung 1-5: Häufigkeit der in Anspruch genommenen IDL in den Kategorien<br />

Markt<br />

Recht<br />

Broker


Einleitung 10<br />

Im Feld der Technologie sind Universitäten und Ingenieurbüros <strong>mit</strong> den <strong>Innovation</strong>s-<br />

dienstleistungen Forschung, Entwicklung und Prüfen die erste Adresse für IDL-<br />

Nachfrager. Die Häufigkeit der Kontakte zu Anbietern von <strong>Innovation</strong>sdienstleistun-<br />

gen hat die hohe Relevanz von öffentlich-rechtlichen Organisationen in diesem Zu-<br />

sammenhang aufgezeigt. Die Wirtschaftskammer als <strong>Innovation</strong>sdienstleister, gefolgt<br />

von Universitäten, wurde in dieser Untersuchung am häufigsten kontaktiert (vgl.<br />

Abbildung 1-6).<br />

WK, (inkl. WIFI)<br />

Universitäten<br />

Banken<br />

Außeruniv. Forschungsinstitute (JR,FZS)<br />

Ingenieurbüros oder technische Berater<br />

Lieferanten<br />

Steirische Wirtschaftsförderung<br />

Rechtsanwälte<br />

FFF<br />

Marketing-Berater<br />

Fachhochschulen<br />

Fachverlage<br />

Patentämter<br />

<strong>Innovation</strong>sagentur<br />

Management-Berater<br />

Schulungsinstitute<br />

Kooperationsplattformen<br />

Technologie- und <strong>Innovation</strong>szentren<br />

Sonstige<br />

0<br />

10 20 30 40 50 60<br />

Anzahl der Nennungen<br />

Abbildung 1-6: Häufigkeit der Kontakte zu <strong>Innovation</strong>sdienstleistern


Einleitung 11<br />

Zusätzliche Eindrücke und Konklusionen<br />

Aus den Interviews konnten auch Eindrücke über bisherige Erfahrungen und Pro-<br />

bleme der Unternehmungen <strong>mit</strong> <strong>Innovation</strong>sdienstleistern gewonnen werden. Nach-<br />

folgend sollen diese Eindrücke anhand einiger Originalaussagen wiedergegeben<br />

werden:<br />

„... Wir kumman aus an Graben aussa und do drinan san mas g´wohnt jed´n Sch...<br />

selbst zu lösen... wir sind gelegentlich a biss´l potschert im Umgang <strong>mit</strong> externen<br />

Strukturen ...“ 16<br />

„... mein Gedanke ist, wir sind ja oft schon sehr betriebsblind und übersehen viel-<br />

leicht etwas; es wäre gut wenn vielleicht jemand von außen hereinkommen würde<br />

und uns auf gewisse Sachen aufmerksam macht ...“ 17<br />

„... Es fehlt die Akzeptanz, in Betrieben wie dem unseren ... die jetzige Generation an<br />

Know-How-Trägern hat eine gewisse Abneigung gegen Theorie, hat auch a gewisse<br />

Abneigung gegen Institute wie Universitäten ... und ist eher dazu geneigt, denen zu<br />

beweisen, dass des net wahr ist, was die sagen ...“ 18<br />

... nachdem ich ein bisschen Erfahrung auf diesem Gebiet habe, kann ich Ihnen sa-<br />

gen: ein Unternehmensberater, ein Betriebsberater ist nur so gut, wie ich diese<br />

Quelle nutzen kann ...“ 19<br />

„... externe Dienstleister brauchen zu lange bis sie den Blick haben, da<strong>mit</strong> Sie aktiv<br />

ins Geschehen eingreifen können...“ 20<br />

„... Sie schaffen es nicht, dass Sie zwei Universitätsinstitute so zusammenbringen,<br />

dass sie gemeinsam an einem Projekt <strong>mit</strong> uns arbeiten ...“ 21<br />

„... bei Entwicklungsprojekten wird vom Projektmanager nur dieses eine Projekt be-<br />

treut, weil wir draufgekommen sind, dass gute Koordination unheimlich viel Geld sparen<br />

kann ...“ 22<br />

Während der Überblick über IDL-Anbieter und über die Konkurrenz in den eigenen<br />

Wissensgebieten in der Regel recht gut ist, konnte im Rahmen der Untersuchung<br />

¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯<br />

16 Aussage eines Interviewpartners aus der Holzindustrie<br />

17 Aussage eines Interviewpartners aus der Elektro- und Elektronikindustrie<br />

18 Aussage eines Interviewpartners aus der Metallindustrie<br />

19 Aussage eines Interviewpartners aus der Metallindustrie<br />

20 Aussage eines Interviewpartners aus der Maschinenbau-Branche<br />

21 Aussage eines Interviewpartners aus der Papierindustrie<br />

22 Aussage eines Interviewpartners aus dem Anlagenbau


Einleitung 12<br />

festgestellt werden, dass die Suche nach geeigneten Partnern in unternehmens-<br />

fremden Wissensgebieten sich als sehr schwierig herausstellt. In diesen Fällen ist<br />

der Weg zu Ver<strong>mit</strong>tlern von <strong>Innovation</strong>sdienstleistungen eine Möglichkeit, um geeignete<br />

Partner zu finden.<br />

Neben der Befragung der Nachfrager wurden auch auf Seite der IDL-Anbieter Unter-<br />

suchungen in der Form von Interviews durchgeführt. Die Ergebnisse dieser Erhe-<br />

bungen wurden in Anbieterübersichten und Empfehlungen für die Kooperationsgestaltung<br />

zusammengefasst.<br />

Durch die quantitative und geographische Begrenzung des Untersuchungs-Samples<br />

können aus den Ergebnissen der Studie keine statistisch abgesicherten allgemein-<br />

gültigen Aussagen abgeleitet werden. Im Vergleich zu rein quantitativen Untersu-<br />

chungen konnte aber durch die qualitativen Interviews in den Unternehmungen der<br />

direkte Zugang zu den Wissensträgern hergestellt werden. Da<strong>mit</strong> konnte während<br />

des Interviews der oft fehlende Kontext gemeinsam <strong>mit</strong> dem Gesprächspartner auf-<br />

gebaut werden. Das war vor allem bei der Abgrenzung des Begriffs der <strong>Innovation</strong><br />

sehr wertvoll.<br />

Die Ergebnisse dieser Studie gaben den Anstoß für die in dieser Arbeit behandelte<br />

Problemstellung. Diese soll im nachfolgenden Abschnitt konkretisiert werden.<br />

1.3 Konkretisierung der behandelten Problemstellung<br />

Anhand der bisherigen Ausführungen kann als Basis für die Konkretisierung der Problemstellung<br />

folgende Argumentationskette aufgebaut werden:<br />

? Die hohe Dynamik im Unternehmungsumfeld impliziert <strong>Innovation</strong>saktivitäten in<br />

den Unternehmungen<br />

? <strong>Innovation</strong>saktivitäten können leichter bewältigt werden, wenn eine starke<br />

Schwerpunktsbildung in der Unternehmung erfolgt<br />

? Die Konzentration auf unternehmerische Kernkompetenzen führt zum<br />

Outsourcing von Aktivitäten<br />

? Diese Spezialisierung hat zur Folge, dass die Wissensbasis einer Unternehmung<br />

auf wenige wichtige Wissensgebiete konzentriert werden kann<br />

? Der unternehmerische Erfolg hängt in zunehmendem Maße von der erfolgreichen<br />

„Bewirtschaftung“ der eigenen Kernkompetenzen und Wissensgebiete ab<br />

? Die Bewirtschaftung von Wissensgebieten - das <strong>Wissensmanagement</strong> - sollte<br />

zum Ziel haben, das Zusammenspiel von intern verfügbaren Wissensgebieten<br />

und extern angebotenen Wissensinhalten zu bewerkstelligen


Einleitung 13<br />

? <strong>Innovation</strong>sdienstleistungen sind Wissensinhalte, die zur Unterstützung der Bewältigung<br />

von <strong>Innovation</strong>sprozessen extern bezogen werden<br />

Da der Transfer von <strong>Innovation</strong>sdienstleistungen und das Management von Wissen<br />

offensichtlich eng <strong>mit</strong>einander verknüpft sind, soll der Schwerpunkt dieser Arbeit auf<br />

die wissensbasierte Gestaltung von <strong>Innovation</strong>sprozessen gelegt werden. Für die<br />

weitere Arbeit sind daher vorerst folgende Fragestellungen von zentraler Bedeutung:<br />

? Wie können <strong>Innovation</strong>s- und <strong>Wissensmanagement</strong> in Verbindung gebracht werden?<br />

? Welche Auswirkungen hat <strong>Wissensmanagement</strong> auf die <strong>Innovation</strong>sfähigkeit von<br />

Unternehmungen?<br />

? Kann der Transfer von <strong>Innovation</strong>sdienstleistungen durch <strong>Wissensmanagement</strong><br />

unterstützt werden?<br />

Die Klärung dieser Fragestellungen soll die Basis für eine wissensorientierte Gestal-<br />

tung der Einbindung externer Leistungspotenziale in der Form von <strong>Innovation</strong>s-<br />

dienstleistungen schaffen. In weiterer Folge soll ein konkreter Gestaltungsansatz zur<br />

Einbindung von <strong>Innovation</strong>sdienstleistungen in unternehmerische <strong>Innovation</strong>sprozesse<br />

entwickelt werden.<br />

1.3.1 Positionierung der Arbeit im Grazer Modell für industrielles Management<br />

Die Einordnung der vorliegenden Arbeit in bestehende Management-Konzepte soll<br />

am Beispiel des Grazer Modells für Industrielles Management skizziert werden.<br />

Wenngleich die Arbeit nicht speziell für die Gestaltung von <strong>Innovation</strong>sprozessen in<br />

Industrieunternehmungen ausgelegt wurde, besteht darin eine gute Möglichkeit zur<br />

Visualisierung der wesentlichen Inhalte und Themenschwerpunkte. Es zeigt eine ge-<br />

dankliche Rahmenstruktur für die wissenschaftliche Auseinandersetzung <strong>mit</strong> Problemstellungen<br />

der betrieblichen Praxis auf (Wohinz, J.W.). 23<br />

Das Grazer Modell für Industrielles Management bildet die aktuelle Situation im Indu-<br />

striellen Management in seiner netzwerkartigen Struktur ab und trägt durch seinen<br />

dynamischen Aufbau auch der Anforderung Rechnung, zukunftsorientierte Entwick-<br />

lungen <strong>mit</strong> einbeziehen zu können. In der aktuellen Ausprägung wird der grundsätzli-<br />

¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯<br />

23 Vgl. Wohinz, J.W.: Das Grazer Modell für Industrielles Management, INDUSCRIPT, Technische<br />

Universität Graz 1999/2000, S. 7


Einleitung 14<br />

che Aufbau innerhalb der Netzwerk-Struktur durch Module in drei unterschiedlichen<br />

Kategorien gebildet, die in drei konzentrisch angeordneten Zonen zusammengefasst<br />

werden:<br />

? Basismodule, als Ausdruck der gedanklichen Grundlagen des Industriellen Ma-<br />

nagements; sie bilden die Kernzone.<br />

? Funktionsmodule, als Ausdruck der unterschiedlichen funktionalen Schwerpunkte<br />

im Industriellen Management; sie sind in der Differenzierungszone zusammen-<br />

gefasst.<br />

? Kooperationsmodule, als Ausdruck der funktionsübergreifenden Ansätze zur Zu-<br />

sammenarbeit im Industriellen Management; sie sind in der Integrationszone zu-<br />

sammengefasst.<br />

Projekt-<br />

Management<br />

Funktionsmodule<br />

(Differenzierungszone)<br />

Anlagen-Mgt. Material-Mgt. Energie- u.<br />

Umwelt-Mgt.<br />

Marketing-Mgt.<br />

Produktions-Mgt.<br />

Prozess-<br />

Management<br />

Qualitäts-Mgt.<br />

Basismodule<br />

(Kernzone)<br />

Cost-Mgt./<br />

Controlling<br />

<strong>Innovation</strong>s-Mgt.<br />

Informations-Mgt.<br />

Personal-Mgt.<br />

Generic-<br />

Management<br />

Effizienz-Mgt.<br />

Wissens-<br />

Management<br />

Abbildung 1-7: Schwerpunkte der Arbeit im Grazer Modell für Industrielles Management<br />

(Wohinz, J.W.) 24<br />

In Abbildung 1-7 wird die Einbettung der Arbeit in dieses Grazer Modell für Industri-<br />

elles Management dargestellt. Dazu werden ausgehend von den Basismodulen des<br />

¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯<br />

24 Vgl. Wohinz, J.W.: Das Grazer Modell für Industrielles Management, INDUSCRIPT, Technische<br />

Universität Graz 1999/2000, S. 12


Einleitung 15<br />

Modells Schwerpunkte im strategischen und im operativen Management gesetzt.<br />

Darauf aufbauend werden in der Differenzierungs-Zone vom funktionalen Schwer-<br />

punkt <strong>Innovation</strong>smanagement aus auch die Module Informations- und Personalmanagement<br />

abgedeckt.<br />

Die Module Cost-Management/Controlling, Effizienz-Management, Produktions-<br />

Management und Qualitätsmanagement werden durch die Arbeit zwar tangiert, bilden<br />

aber keine besonderen Schwerpunkte.<br />

In der vorliegenden Arbeit sind die in der Integrationszone angeordneten Kooperati-<br />

onsmodule, <strong>mit</strong> denen über die einzelnen Funktionsmodule hinweg die Zusammen-<br />

arbeit unterstützt bzw. verstärkt werden kann, von besonderer Bedeutung. Sie zeigen<br />

mögliche Ansätze zur Überwindung von Barrieren auf, die aus einer stark angelegten<br />

Differenzierung entstehen können. Insbesondere sind dies die Kooperationsmodule<br />

Prozess- und <strong>Wissensmanagement</strong>.<br />

1.3.2 Wissenschaftliche Methodik der Arbeit<br />

Im Rahmen dieser Arbeit wurde eine Plattform zum Austausch von Wissen auf wis-<br />

senschaftlicher Ebene unter Einbindung von Partnern aus der betrieblichen Praxis<br />

<strong>mit</strong>gestaltet. Die wissenschaftliche Arbeit <strong>mit</strong> starker Fokussierung auf den Praxisbe-<br />

zug hat sich vor allem im noch relativ neuen Themengebiet des <strong>Wissensmanagement</strong>s<br />

als vorteilhaft erwiesen.<br />

Wissenschaftstheoretisch betrachtet kann ein derartiger Ansatz dem Konzept des<br />

„Frameworking“ zugeordnet werden (Porter, M.E.). 25 Frameworking als eine mögliche<br />

Form der wissenschaftlichen Arbeit baut auf die Verbindung von deduktiv gebildeten<br />

Modellen und induktiv gewonnenen Einsichten aus eigenen empirischen Beobachtungen,<br />

um daraus neue Erkenntnisse zu gewinnen.<br />

Methodologisch wird <strong>mit</strong> der Bildung von Frameworks nicht der Anspruch erhoben,<br />

einen schlüssigen, eindeutigen Erklärungsversuch zu liefern, wie es bei Modellen der<br />

Fall ist (vgl. Tabelle 1-1). Dies wäre in Anbetracht der immensen Komplexität des<br />

hier behandelten Untersuchungsfeldes ein vermessenes Ziel. Ein solches „Frame-<br />

work“ bildet vielmehr einen provisorischen, theoretischen Bezugsrahmen, der zum<br />

Ziel hat, Annahmen, Einsichten, Interpretationsmuster und Konzepte verschiedener<br />

Fachdisziplinen zum Untersuchungsgegenstand systematisch zu sammeln und zu<br />

strukturieren.<br />

¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯<br />

25 Vgl. Porter, M.E.: Towards a Dynamic Theory of Strategy, in: Strategic Management Journal,<br />

Vol. 12, Special Issue Winter 1991, S. 97ff


Einleitung 16<br />

Modellbildung (Williamson) „Frameworking“ (Porter)<br />

Vielzahl von engen Teilmodellen für spezifische<br />

Situationen<br />

Set von Tools für eine breite Fragestellung<br />

strenge Annahmen als Basis relevante Fragen als Basis<br />

beschränkte Komplexität (wenige Variablen<br />

und da<strong>mit</strong> wenig Verknüpfungen)<br />

eindeutige Aussagen mögliche Antworten<br />

große Komplexität (Vielzahl von Variablen<br />

und deren vielfältige Vernetzung)<br />

ex post Rationalisierungen ex ante Handlungsanweisungen<br />

Tabelle 1-1: Gegenüberstellung von Modellbildung und Frameworking (Osterloh, M.;<br />

Grand, S.) 26<br />

Das Betätigungsfeld, das die vorliegende Arbeit geprägt hat, wird in Abbildung 1-8<br />

skizziert. Neben der laufenden Diskussion <strong>mit</strong> Kollegen aus der wissenschaftlichen<br />

Forschung und Industrie wurden zahlreiche Praxisprojekte zum vorliegenden Thema<br />

begleitet. Recherchen im Internet, insbesondere im World Wide Web, und die Aufarbeitung<br />

von Literatur können als weitere Quellen dieser Arbeit genannt werden.<br />

Projekt: Produkt-<br />

und Prozessinnovation<br />

Betreuung div.<br />

Diplomarbeiten<br />

Projekt: Marktstudie für<br />

<strong>Innovation</strong>sdienstleistungen<br />

<strong>Wissensmanagement</strong><br />

Forum<br />

Spezifische<br />

Literaturanalyse<br />

Arbeitsfeld:<br />

<strong>Innovation</strong>sdienstleistungen<br />

und<br />

<strong>Wissensmanagement</strong><br />

Abbildung 1-8: Wissensquellen der vorliegenden Arbeit<br />

Internet-<br />

Recherchen<br />

Industriewissenschaftliches<br />

Seminar<br />

Industriearbeitskreis<br />

<strong>Wissensmanagement</strong><br />

¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯<br />

26 Osterloh, M.; Grand, S.: Modellbildung versus Frameworking: Die Positionen von Williamson und<br />

Porter, in: Wächter, Hartmut (Hrsg.): Selbstverständnis betriebswirtschaftlicher Forschung und Lehre,<br />

Wiesbaden 1995, S. 17f


Einleitung 17<br />

1.3.3 Struktur der Arbeit<br />

Die in Abbildung 1-9 dargestellte Kapitelgliederung zeigt die Struktur der vorliegen-<br />

den Arbeit. Es wurde eine Struktur <strong>mit</strong> insgesamt sieben Kapiteln gewählt, die lo-<br />

gisch aufeinander aufbauen. Ausgehend von der Beschreibung von Ausgangsituati-<br />

on, Problemstellung und Zielen werden im Kapitel 2 die wesentlichen Begriffe der<br />

Arbeit, insbesondere der Begriff <strong>Innovation</strong>sfähigkeit definiert und abgegrenzt.<br />

Kap. 2<br />

Grundlagen<br />

<strong>Innovation</strong>sfähigkeit<br />

Forschungsansatz<br />

<strong>Innovation</strong>sdienstleistungen<br />

Einführung in die Problemstellung<br />

Formulierung d. Forschungsfragen<br />

Spezielle Zielsetzung<br />

der Arbeit<br />

Wissensbasiertes Management<br />

von <strong>Innovation</strong>sdienstleistungen<br />

Ausblick<br />

Grundlagen<br />

<strong>Wissensmanagement</strong><br />

Kap. 5 Kap. 4<br />

Abbildung 1-9: Struktur der Arbeit<br />

Forschungsansatz<br />

<strong>Wissensmanagement</strong><br />

Der Begriff Wissen wird im Kapitel 3 einer Detailanalyse unterzogen. Dazu werden<br />

auf systemtheoretischer Basis ausgewählte modelltheoretische Grundlagen bespro-<br />

chen. Dabei werden neurophysiologische Grundlagen, unterschiedliche Gehirnmo-<br />

delle und darauf aufbauend die biologische und konstruktivistische Wissenstheorie<br />

besprochen.<br />

Kap. 1<br />

Kap. 3<br />

Kap. 6<br />

Kap. 7<br />

Kap. 3


Einleitung 18<br />

Die Analyse dieser Modelle und Wissenstheorien aus unterschiedlichsten Fachdiszi-<br />

plinen liefert wichtige Anhaltspunkte für den in Kapitel 4 erarbeiteten Bezugsrahmen<br />

zur Analyse und Gestaltung von Wissenssystemen. In diesem Bezugsrahmen werden<br />

die wesentlichen Erkenntnisse aus den vorangegangen Kapiteln vereinigt.<br />

Im Kapitel 5 wird dieser Bezugsrahmen zur Analyse von <strong>Innovation</strong>sdienstleistungen<br />

und zur Erarbeitung von Gestaltungsvorschlägen für den IDL-Transfer eingesetzt.<br />

Anhand des 6. Kapitels werden im Rahmen einer ressourcenorientierten Innovati-<br />

onsstrategie die Möglichkeiten der organisatorischen Einbettung von <strong>Innovation</strong>s-<br />

dienstleistungen in unternehmerische <strong>Innovation</strong>sprozesse in Theorie und Praxis<br />

vorgestellt.<br />

Eine Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse und ein Ausblick runden die Arbeit<br />

ab.


Grundlagen der unternehmerischen <strong>Innovation</strong>sfähigkeit 19<br />

2 Grundlagen der unternehmerischen<br />

<strong>Innovation</strong>sfähigkeit<br />

Wissen ist die bedeutendste Ressource für <strong>Innovation</strong>sprozesse. Durch die zuneh-<br />

mende <strong>Innovation</strong>sdynamik rückt da<strong>mit</strong> das Wissen in den Mittelpunkt der unternehmerischen<br />

Leistungserstellung.<br />

„Der Wertzuwachs entsteht heute aus der »Produktivität« und der »<strong>Innovation</strong>«. Bei-<br />

de bedeuten die Anwendung von Wissen auf die Arbeit.“ (Drucker, P.) 27<br />

In manchen Publikationen wird Wissen sogar als vierter Produktionsfaktor neben den<br />

bekannten Produktionsfaktoren Arbeit, Werkstoffe und Betriebs<strong>mit</strong>tel eingeführt<br />

(Stewart, T.A.). 28 <strong>Innovation</strong>sprozesse unter dem Fokus „Wissen“ zu betrachten,<br />

führt zu neuen oder bisher vernachlässigten Gestaltungsmaßnahmen für das Mana-<br />

gement von <strong>Innovation</strong>sprozessen in Unternehmungen. Konkrete Möglichkeiten zu<br />

einer wissensbasierten Gestaltung werden in den weiteren Ausführungen entwickelt<br />

und beschrieben.<br />

Als Voraussetzung zur Entwicklung und Anwendung von neuem Wissen sind beson-<br />

dere Fähigkeiten und Einstellungen erforderlich, die unter der Bezeichnung Innovati-<br />

onsfähigkeit zusammengefasst werden können. Die Problematik, die <strong>mit</strong> der wissen-<br />

schaftlichen Diskussion der behandelten Themenstellung verbunden ist, ergibt sich<br />

aus einer Unschärfe in den Definitionen der zwei wichtigsten Begriffe für diese Arbeit:<br />

Wissen und <strong>Innovation</strong>.<br />

In diesem Grundlagenkapitel wird daher als grundsätzliches Erfordernis für die weite-<br />

re wissenschaftliche Arbeit eine Präzisierung der verwendeten Begriffe vorgenom-<br />

men. Dies soll vor allem dazu dienen, Ver<strong>mit</strong>tlungs- und Verständigungsprobleme im<br />

weiteren wissenschaftlichen Diskussionsprozess zu reduzieren (Bierfelder, W.H.). 29<br />

Es kann und soll hier kein Anspruch auf die Vollständigkeit der Darstellungen erho-<br />

ben werden. Vielmehr geht es darum, aus dieser Bandbreite an Verwendungsmög-<br />

lichkeiten von bestimmten Begriffen für diese Arbeit sinnvolle herauszufiltern und<br />

vorzustellen.<br />

¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯<br />

27<br />

Drucker, P.: Die postkapitalistische Gesellschaft, Düsseldorf 1993, S. 19<br />

28<br />

Stewart, T.A.: Der vierte Produktionsfaktor: Wachstum und Wettbewerbsvorteile durch <strong>Wissensmanagement</strong>,<br />

München/Wien 1998<br />

29<br />

Vgl. Bierfelder, W.H.: <strong>Innovation</strong>smanagement, 3. Auflage, München/Wien 1994, S. 32


Grundlagen der unternehmerischen <strong>Innovation</strong>sfähigkeit 20<br />

2.1 Der Begriff Management<br />

Der Begriff „Management“ wurde schon in zahlreichen wirtschaftswissenschaftlichen<br />

Publikationen hinreichend definiert. Für diese Arbeit wird der Begriff des industriellen<br />

Managements in Anlehnung an das Konzept für Integriertes Management nach Bleicher<br />

in die folgenden drei Hauptfunktionen unterteilt (vgl. Abbildung 2-1):<br />

Gestaltung Lenkung Entwicklung<br />

eines institutionellen<br />

Rahmens, der<br />

es ermöglicht, eine<br />

handlungsfähige<br />

Ganzheit über ihre<br />

Zweckerfüllung<br />

überlebens- und<br />

entwicklungsfähig<br />

zu erhalten<br />

Management<br />

durch das Bestimmen<br />

von Zielen und<br />

das Festlegen, Auslösen<br />

und Kontrollieren<br />

von zielgerichteten<br />

Aktivitäten des<br />

Systems und seiner<br />

Elemente<br />

Abbildung 2-1: Die Funktionen des Managements nach Bleicher 30<br />

? Gestaltung<br />

ist teils das Ergebnis<br />

von GestaltungsundLenkungsprozessen<br />

im Zeitablauf,<br />

teils erfolgt sie<br />

in sozialen Systemen<br />

eigenständig<br />

evolutorisch durch<br />

integratives Erlernen<br />

von Wissen, Können<br />

und Einstellung<br />

bedeutet die Festlegung eines Rahmens, der die Ausbildung von Entwicklungsfähigkeiten<br />

ermöglicht.<br />

? Lenkung<br />

beinhaltet das Ausformulieren von Zielen und das Festlegen, Auslösen und Kontrollieren<br />

von zielgerichteten Aktivitäten des jeweiligen Systems und seiner Elemente.<br />

? Entwicklung<br />

umfasst insbesondere das Einleiten und Bewältigen von Veränderungsprozessen.<br />

¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯<br />

30 Vgl. Bleicher, K.: Das Konzept Integriertes Management. Das St. Galler Management-Konzept,<br />

Bd.1, 5. Auflage, Frankfurt/New York 1999, S. 54


Grundlagen der unternehmerischen <strong>Innovation</strong>sfähigkeit 21<br />

In diesem Modell werden zusätzlich drei Management-Ebenen unterschieden, in denen<br />

diese Funktionen Anwendung finden:<br />

? Die Ebene des normativen Managements<br />

Diese beschäftigt sich <strong>mit</strong> den generellen Zielen der Unternehmung, <strong>mit</strong> Prinzipien,<br />

Normen und Spielregeln, die Voraussetzung für die Lebens- und Entwicklungsfähig-<br />

keit der Unternehmung sind. Die Unternehmung soll nicht nur lebensfähig sein und<br />

ihre Identität bewahren können, sondern sie muss auch über die Voraussetzungen<br />

für ihre eigene Weiterentwicklung verfügen.<br />

? Die Ebene des strategischen Managements<br />

Sie ist auf den Aufbau, die Pflege und die Nutzung von Erfolgspositionen und Er-<br />

folgspotenzialen gerichtet, für die Ressourcen eingesetzt werden müssen. Dabei<br />

kommt der Fähigkeit, neue Potenziale zu identifizieren und zu erschließen, besondere<br />

Bedeutung zu.<br />

? Die Ebene des operativen Managements<br />

Auf dieser Ebene werden die normativen und strategischen Vorgaben in entsprechende<br />

Prozesse umgesetzt und da<strong>mit</strong> die Unternehmungsentwicklung gelenkt.<br />

Aufbauend auf den Begriff Management kann der Begriff und die Funktion des Ma-<br />

nagers definiert werden. Ein Manager wurde früher unter dem Gesichtspunkt gese-<br />

hen, dass er vor allem für die Arbeit und Leistung seiner Mitarbeiter verantwortlich<br />

ist. Der Manager war da<strong>mit</strong> der Chef, und Management bedeutete vor allem Rang<br />

und Macht zu haben.<br />

Durch neue Formen der Organisation und Zusammenarbeit verliert diese Definition<br />

zunehmend an Bedeutung. Eine zeitgemäße Definition könnte im Sinne von Drukker<br />

31 daher lauten:<br />

„Ein Manager ist verantwortlich für die Anwendung und Produktivität von Wissen.“<br />

Auch die Trennung in Arbeitnehmer und Arbeitgeber findet in der wissensorientierten<br />

Unternehmungsführung immer weniger Platz. Mitarbeiter sind nicht als Arbeitkraft zu<br />

sehen, sondern werden unter dem Gesichtspunkt „Wissen“ zu Mitdenkern. Die kör-<br />

perliche Komponente der Arbeit tritt da<strong>mit</strong> in den Hintergrund. Gesucht ist weniger<br />

die „Arbeitskraft“, sondern die „Arbeitsintelligenz“ (North, K.). 32<br />

¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯<br />

31 Drucker, P.: Die postkapitalistische Gesellschaft, Düsseldorf 1993, S. 73<br />

32 Vgl. North, K.: Wissensorientierte Unternehmensführung, Wiesbaden 1998, S. 119


Grundlagen der unternehmerischen <strong>Innovation</strong>sfähigkeit 22<br />

Der Begriff Management wird in den weiteren Ausführungen synonym für Gestaltung,<br />

Lenkung und Entwicklung auf unterschiedlichen Betrachtungsebenen verwendet.<br />

Dies betrifft insbesondere die unternehmerischen Schwerpunkte <strong>Innovation</strong>s- und<br />

<strong>Wissensmanagement</strong>.<br />

2.2 Der Begriff <strong>Innovation</strong><br />

Der Begriff „<strong>Innovation</strong>“ leitet sich aus dem lateinischen „innovatio“ - gleichbedeutend<br />

<strong>mit</strong> „Erneuerung“ - her. Demnach schließt der Begriff der <strong>Innovation</strong> zunächst jede<br />

Art von Änderungsprozessen ein. In den Wirtschaftswissenschaften erfolgte eine<br />

Spezifizierung dieser Begriffsdeutung erstmals durch den österreichischen Nationalökonomen<br />

Joseph A. Schumpeter. Er hat dieses Thema <strong>mit</strong> seinen wissenschafts-<br />

theoretischen Betrachtungen über die Gestaltung erfolgreicher Unternehmungen<br />

entscheidend geprägt.<br />

In seinem erstmals 1911 veröffentlichten Buch „Theorie der wirtschaftlichen Ent-<br />

wicklung“ legt er bereits die wesentlichen Grundlagen zum heutigen <strong>Innovation</strong>sbegriff<br />

dar. Den Begriff „<strong>Innovation</strong>“ verwendet Schumpeter erstmals 1939 (Hauschildt,<br />

J.). 33 Schumpeter 34 geht bei seinen Überlegungen von der „Durchsetzung neuer<br />

Kombinationen“ aus und meint da<strong>mit</strong> die Kombination der Produktionsfaktoren. Dabei<br />

unterscheidet er sinngemäß insgesamt fünf Fälle:<br />

1. Herstellung eines neuen, d.h. dem Konsumentenkreise noch nicht vertrauten<br />

Gutes oder einer neuen Qualität eines Gutes.<br />

2. Einführung einer neuen, d.h. dem betreffenden Industriezweig noch nicht bekannten<br />

Produktionsmethode.<br />

3. Erschließen eines neuen Absatzmarktes, d.h. eines Marktes, auf dem der betreffende<br />

Industriezweig des betreffenden Landes noch nicht eingeführt war.<br />

4. Eroberung einer neuen Bezugsquelle von Rohstoffen oder Halbfabrikaten.<br />

5. Durchführung einer Neuorganisation, wie Schaffung einer Monopolstellung oder<br />

Durchbrechung eines Monopols.<br />

Von Unternehmern durchgesetzte <strong>Innovation</strong>en sind für Schumpeter integraler Be-<br />

standteil der dynamischen Entwicklung der Wirtschaft. Sie setzen einen „process of<br />

¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯<br />

33 Vgl. Hauschildt, J.: <strong>Innovation</strong>smanagement, 2. Auflage, München 1997, S. 7<br />

34 Vgl. Schumpeter, J.A.: Theorie der wirtschaftlichen Entwicklung, 7. Auflage, Berlin 1987, S. 100f


Grundlagen der unternehmerischen <strong>Innovation</strong>sfähigkeit 23<br />

creative destruction“ (Schumpeter, J.A.) 35 in Gang. Der Erfolg von technologischen<br />

und organisatorischen <strong>Innovation</strong>en zerstört die Strukturen eines betrachteten<br />

Gleichgewichtszustandes, indem es einigen Unternehmungen besser, anderen we-<br />

niger gut gelingt, sich auf die veränderten Gegebenheiten einzustellen. Dadurch<br />

werden die Wettbewerbspositionen neu verteilt, bis sich wieder ein neuer Gleichge-<br />

wichtszustand zu bilden beginnt, der die Basis für eine neue Welle von massiven<br />

Veränderungen darstellt.<br />

Schumpeter weist darauf hin, dass zwischen „<strong>Innovation</strong>“ und „Invention“ klar zu un-<br />

terscheiden ist. <strong>Innovation</strong> wird da<strong>mit</strong> neben einer allgemeinen Grundhaltung, die als<br />

<strong>Innovation</strong>sbereitschaft bezeichnet werden kann, zu einem zielorientierten Ansatz für<br />

betriebliche Veränderungsprozesse.<br />

Schumpeter versteht das Hervorbringen von <strong>Innovation</strong>en als integralen Bestandteil<br />

wirtschaftlicher Aktivitäten und hat da<strong>mit</strong> die Basis für ein <strong>Innovation</strong>sverständnis ge-<br />

schaffen, das <strong>Innovation</strong> nicht nur als Reaktion auf Veränderungen sieht. Er geht<br />

davon aus, dass die bewusst herbeigeführte und am Markt erfolgreiche unternehme-<br />

rische <strong>Innovation</strong> ein wesentlicher Erfolgsfaktor im Wettbewerb zwischen Unternehmungen<br />

ist.<br />

2.2.1 Merkmale von <strong>Innovation</strong>en<br />

<strong>Innovation</strong>en können nach Thom 36 durch die Merkmale<br />

? Neuigkeitsgrad<br />

? Komplexität<br />

? Unsicherheit/Risiko<br />

? Konfliktgehalt<br />

gekennzeichnet werden. Zur Bewältigung von betrieblichen <strong>Innovation</strong>sprozessen,<br />

d.h. zum erfolgreichen Erreichen eines angestrebten Zustandes, ist deshalb vor al-<br />

lem <strong>Innovation</strong>sbereitschaft (Wollen) und <strong>Innovation</strong>skompetenz (Können) erforder-<br />

lich. Günstig beeinflusst wird die <strong>Innovation</strong>sfähigkeit durch ein positives Innovati-<br />

onsklima in der Unternehmung. <strong>Innovation</strong>sbarrieren hingegen können <strong>Innovation</strong>s-<br />

prozesse behindern. Für die Umsetzung von Veränderungen müssen diese erst<br />

überwunden werden (Wohinz, J.W.; Willfort, R.). 37<br />

¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯<br />

35 Schumpeter, J.A.: Capitalism, Socialism and Democracy, 4th edition, London 1952, S. 83<br />

36 Vgl. Thom, N.: Grundlagen des betrieblichen <strong>Innovation</strong>smanagements, Königstein/Ts. 1980, S. 31<br />

37 Vgl. Wohinz, J.W.; Willfort, R.: <strong>Innovation</strong>sdienstleistungen - Ein Outsourcing-Ansatz im <strong>Innovation</strong>sprozess,<br />

in: Seicht, G. (Hrsg.): JdR 2000, Wien 2000, S. 382


Grundlagen der unternehmerischen <strong>Innovation</strong>sfähigkeit 24<br />

Neuigkeitsgrad<br />

Der Neuigkeitsgrad bestimmt den Änderungsprozess am stärksten. Vielfach wird <strong>mit</strong><br />

dem Neuheitsaspekt der Fortschrittsaspekt verbunden, d.h. eine Verbesserung in<br />

bezug auf den bisherigen Zustand. Je nach Neuigkeitsgrad können <strong>Innovation</strong>en<br />

mehr oder weniger starke innerbetriebliche und umfeldbezogene Änderungen und<br />

da<strong>mit</strong> auch unterschiedlich hohe Investitionen in das Sach- und Humankapital bewir-<br />

ken. Bei steigendem Neuigkeitsgrad wachsen auch die Gestaltungsschwierigkeiten<br />

und die Anforderungen an das <strong>Innovation</strong>smanagement.<br />

Abbildung 2-2: Merkmale von <strong>Innovation</strong>en nach Thom 38<br />

Komplexität<br />

<strong>Innovation</strong>en erfordern vernetzte Handlungen. Das Auftreten von Wirkungszusam-<br />

menhängen, wie die Abfolge verschiedener Teilaktivitäten erfordert einen Gesam-<br />

trahmen und das Zusammenwirken vieler organisatorischer Einheiten. Dadurch wird<br />

das Merkmal der Komplexität entsprechend beeinflusst.<br />

Unsicherheit und Risiko<br />

Mit dem Neuigkeitsgrad und dem Fehlen von einschlägigen Erfahrungen ist un<strong>mit</strong>tel-<br />

bar die Gefahr des Scheiterns für neue Ideen verbunden. Das Risiko besteht in der<br />

Tatsache, dass ein geplantes Ergebnis unter Umständen überhaupt nicht oder nicht<br />

rechtzeitig erreicht werden kann. Der <strong>mit</strong> dem Scheitern verbundene finanzielle<br />

Schaden ist die deutlichste Ausdrucksform dafür; darüber hinaus sind zusätzliche<br />

¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯<br />

38 Vgl. Thom, N.: Grundlagen des betrieblichen <strong>Innovation</strong>smanagements, 2., völlig neu bearbeitete<br />

Auflage, Königstein/Ts. 1980, S. 31


Grundlagen der unternehmerischen <strong>Innovation</strong>sfähigkeit 25<br />

Aspekte, wie Demotivation der Beteiligten, Imageverlust, Verlust einer Marktposition,<br />

etc., von Bedeutung.<br />

Konfliktgehalt<br />

Aus den bisher genannten Sachverhalten resultiert ein hohes Maß an Wahrschein-<br />

lichkeit für das Auftreten von Konflikten. Sie können sachlich wie persönlich begründet<br />

sein und erfordern zu ihrer Lösung entsprechende Gestaltungsmaßnahmen.<br />

2.2.2 Der <strong>Innovation</strong>sbegriff für diese Arbeit<br />

Für die vorliegende Arbeit wird der <strong>Innovation</strong>sbegriff folgendermaßen präzisiert:<br />

Unter <strong>Innovation</strong> wird die erfolgreiche Umsetzung von zielgerichteten Veränderungs-<br />

prozessen in Unternehmungen verstanden.<br />

Das Betrachtungsfeld der zum Hervorbringen von <strong>Innovation</strong>en nötigen unternehme-<br />

rischen Aktivitäten erstreckt sich dabei von der Zieldefinition bis zur Realisierung von<br />

<strong>Innovation</strong>svorhaben. Der Erfolg eines Veränderungsprozesses kann an den Zielvorgaben<br />

gemessen werden, sofern diese quantifizierbar sind.<br />

Der Umfang des hier gewählten <strong>Innovation</strong>sbegriffs korreliert <strong>mit</strong> der vorgestellten<br />

Bandbreite an <strong>Innovation</strong>sdienstleistungen und schließt da<strong>mit</strong> auch Aspekte des<br />

Change-Managements <strong>mit</strong> ein.<br />

2.2.3 <strong>Innovation</strong>sprozess<br />

„Ein Prozess ist eine Art von einzelner oder zusammengesetzter Tätigkeit, die dazu<br />

führt, ein materielles oder immaterielles Produkt zu erzeugen, das den Anforderun-<br />

gen des Kunden oder Abnehmers entspricht. Ein Prozess hat einen messbaren Inund<br />

Output, fügt Wert hinzu und ist wiederholbar.“ (Kleinsorge, P.) 39<br />

Diese Prozess-Definition kann als Basis für die Erläuterung des Begriffs <strong>Innovation</strong>s-<br />

prozess verstanden werden. Die zeitlich-sachlogische Verknüpfung von Aktivitäten,<br />

die ein <strong>Innovation</strong>svorhaben verwirklichen, wird daher als <strong>Innovation</strong>sprozess bezeichnet.<br />

¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯<br />

39 Vgl. Kleinsorge, P.: Geschäftsprozesse, in: Masing, W. (Hrsg.): Handbuch Qualitätsmanagement, 4.<br />

Auflage, München/Wien 1999, S. 52


Grundlagen der unternehmerischen <strong>Innovation</strong>sfähigkeit 26<br />

Zahlreiche Autoren 40 haben den <strong>Innovation</strong>sprozess <strong>mit</strong>tels Phasenmodellen darge-<br />

stellt. In dieser Arbeit wird ein lineares Modell des <strong>Innovation</strong>sprozesses, wie es auch<br />

bei Thom zu finden ist, verwendet. Dabei wird der <strong>Innovation</strong>sprozess in drei Phasen<br />

geteilt: Ideengenerierung, Ideenakzeptierung und Ideenrealisierung (vgl. Abbildung<br />

2-3).<br />

Ideen-<br />

Ideengenerierung<br />

akzeptierung Ideenrealisierung<br />

� Suchfeldbestimmung<br />

� Ideenfindung<br />

� Ideenvorschlag<br />

� Prüfen der Ideen<br />

� Erstellung von<br />

Realisationsplänen<br />

� Entscheidung für<br />

einen zu<br />

realisierenden Plan<br />

� Konkrete Verwirklichung<br />

der Idee<br />

� Absatz der neuen<br />

Idee an Adressat<br />

� Akzeptanzkontrolle<br />

Abbildung 2-3: Phasenmodell des <strong>Innovation</strong>sprozesses (Thom, N.) 41<br />

? Ideengenerierung<br />

Am Beginn der kreativen Phase wird ein strategischer Rahmen abgesteckt, der die<br />

Suchprozesse in eine strategisch sinnvoll erscheinende Richtung lenken soll. In ei-<br />

nem nächsten Schritt werden Ideen generiert und als Vorschlag den Entscheidungsträgern<br />

vorgetragen.<br />

? Ideenakzeptierung<br />

In der Phase der Ideenakzeptierung werden die Ideen einer Prüfung unterzogen.<br />

Diese werden schließlich bis zur Erstellung von Realisationskonzepten für erfolgs-<br />

trächtige Projekte verfeinert. Die Phase endet <strong>mit</strong> einer Freigabeentscheidung zur<br />

Realisierung des Konzeptes.<br />

? Ideenrealisierung<br />

Diese Phase umfasst technische Umsetzung und die Einführung in den Markt, die<br />

<strong>mit</strong> einer Evaluierung bezüglich der Erfüllung der angestrebten Ziele endet.<br />

¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯<br />

40 Eine Auflistung weiterer Modelle ist zu finden in: Peritsch, M.: Analyse und Gestaltung wissensbasierter<br />

<strong>Innovation</strong>sprozesse, Dissertation, Technische Universität Graz 1998, S. 23-29 und die dort<br />

zitierte Literatur<br />

41 Vgl. Thom, N.: Grundlagen des betrieblichen <strong>Innovation</strong>smanagements, 2., völlig neu bearbeitete<br />

Auflage, Königstein/Ts. 1980, S. 53


Grundlagen der unternehmerischen <strong>Innovation</strong>sfähigkeit 27<br />

2.2.4 <strong>Innovation</strong>sfähigkeit<br />

„Wandel ist gesund, ... der Unternehmer sucht nach Wandel, reagiert auf Wandel<br />

und nutzt ihn als Chance.“ (Drucker, P.) 42<br />

Das Einleiten von Veränderungen und so<strong>mit</strong> das Hervorbringen von <strong>Innovation</strong>en in<br />

Unternehmungen erfordert oft die Aufgabe bestehender Prozesse und Handlungs-<br />

weisen. Dies widerspricht der Natur des Menschen, die stabile Gleichgewichtszu-<br />

stände anstrebt und versucht diese aufrechtzuerhalten (Foerster, H.v.). 43 Demgemäß<br />

sind für das Hervorbringen von <strong>Innovation</strong>en kulturelle Aspekte auf organisationaler<br />

Ebene und besondere Einstellungen und Fertigkeiten auf persönlicher Ebene gefor-<br />

dert, die unter dem Überbegriff <strong>Innovation</strong>sfähigkeit zusammengefasst werden kön-<br />

nen. Die <strong>Innovation</strong>sfähigkeit einer Organisation kann in die Faktoren Innovati-<br />

onspotenzial und <strong>Innovation</strong>sklima unterteilt werden und wird überwiegend durch die<br />

<strong>Innovation</strong>skompetenz ihrer Mitglieder determiniert.<br />

Als Kriterien zur Beurteilung der <strong>Innovation</strong>sfähigkeit von Organisationen können<br />

folgende Faktoren genannt werden: 44<br />

1. Hohe Wachstumsrate im Vergleich zu Unternehmungen der gleichen Branche<br />

2. Beachtenswerte soziale Leistungen<br />

3. Verhalten in wirtschaftlichen Krisensituationen<br />

4. Qualität von Planungsmechanismen<br />

5. Externe Beziehungen<br />

6. Rationeller Einsatz materieller Ressourcen<br />

7. Organisation der Produktion<br />

8. Geschäftsdynamik<br />

9. Umfang von Forschung und Entwicklung<br />

10. Auslandsaktivitäten<br />

11. Finanzielle Sicherung der Zukunft<br />

12. Persönlichkeit der Unternehmungsleitung<br />

<strong>Innovation</strong>spotenzial<br />

„... die Zukunft wird so sein, wie wir sie sehen und erstreben. Dies kann nur für dieje-<br />

nigen ein Schock sein, die ihr Denken von dem Prinzip leiten lassen, dass für die Zu-<br />

¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯<br />

42 Drucker, P.: <strong>Innovation</strong>s-Management für Wirtschaft und Politik, 2. Auflage, Düsseldorf 1985, S. 55<br />

43 Im Postulat der epistemischen Homöostase (Gleichgewicht der physiologischen Körperfunktionen)<br />

weist v. Foerster auf diesen Zusammenhang hin; vgl. Foerster, H.v.: Kybernetik einer Erkenntnistheorie,<br />

in Schmidt S.J. (Hrsg.): Wissen und Gewissen, 4. Auflage, Frankfurt a. Main 1997, S. 70<br />

44 Vgl. Gabler-Wirtschaftslexikon, 14. Auflage, Wiesbaden 1997


Grundlagen der unternehmerischen <strong>Innovation</strong>sfähigkeit 28<br />

kunft nur die Regeln gelten sollen, die in der Vergangenheit befolgt wurden. Für die-<br />

se Menschen ist die Vorstellung einer Veränderung unbegreiflich, den Veränderung<br />

ist der Prozess, der die Regeln der Vergangenheit auslöscht.“ (Foerster, H.v.) 45<br />

Das <strong>Innovation</strong>spotenzial ist Voraussetzung und Mittel, um <strong>Innovation</strong>sfähigkeit zu<br />

gewährleisten. Die Umsetzung des <strong>Innovation</strong>spotenzials in marktfähige Innovatio-<br />

nen erfolgt im Zuge von <strong>Innovation</strong>sprozessen, wobei die <strong>Innovation</strong>sbereitschaft von<br />

größter Bedeutung ist. Folgende Faktoren bestimmen das <strong>Innovation</strong>spotenzial einer<br />

Organisation wesentlich: 46<br />

? <strong>Innovation</strong>skompetenz der Mitarbeiter<br />

? Organisationsform<br />

? Zugang zu Daten und Wissen<br />

Auf der Ebene der Mitarbeiter einer Organisation wurden in einer von Nütten und<br />

Sauermann 47 durchgeführten Analyse Persönlichkeitsmerkmale besonders kreativer<br />

bzw. „innovativer“ Menschen erarbeitet. Eine begleitende Befragung von Führungs-<br />

kräften ergab folgende Reihenfolge und Gewichtung von Persönlichkeitsmerkmalen<br />

für sogenannte „<strong>Innovation</strong>s-Champions“ (vgl. Tabelle 2-1):<br />

Kriterien<br />

Gewicht<br />

1. Divergentes Denken (sich nicht <strong>mit</strong> einer Lösung zufrieden geben) 3<br />

2. Unkonventionelles Denken (Begeisterung für Neuerungen) 3<br />

3. Gedankenflüssigkeit (Einfallsreichtum) 3<br />

4. Originalität (ungewöhnliche Ideen) 3<br />

5. Problemaufspüren (Chancen frühzeitig erkennen) 2<br />

6. Elaboration (exaktes Ausarbeiten von Ideen) 2<br />

7. Reicher Wortschatz (passende Ausdrucksweise) 2<br />

8. Konzentrationsfähigkeit (gegenüber Sache und Partnern) 1<br />

9. Redefinition (das Wesentliche herausfinden) 1<br />

10. Realitätskontrolle (kritisches Prüfen der Vorschläge) 1<br />

11. Organisationsfähigkeit (reibungsloses Funktionieren der Abläufe) 1<br />

Tabelle 2-1: Persönlichkeitsmerkmale innovativer Mitarbeiter (Servatius, H.-G.) 48<br />

¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯<br />

45 Foerster, H.v.: Zukunft der Wahrnehmung: Wahrnehmung der Zukunft, in Schmidt S.J. (Hrsg.): Wissen<br />

und Gewissen, 4. Auflage, Frankfurt a. Main 1997, S. 203<br />

46 Vgl. Gabler-Wirtschaftslexikon, 14. Auflage, Wiesbaden 1997<br />

47 Nütten, I.; Sauermann, P.: Wie kreativ sind Ihre Mitarbeiter? in: asw (1985)5, S. 26-31<br />

48 Vgl. Servatius, H.-G.: New Venture Management, Wiesbaden 1988, S. 103


Grundlagen der unternehmerischen <strong>Innovation</strong>sfähigkeit 29<br />

Dreesmann 49 definiert auf personeller Ebene den Begriff <strong>Innovation</strong>skompetenz als<br />

die Fähigkeit <strong>mit</strong> Veränderungs- und Neuerungssituationen konstruktiv umgehen zu<br />

können. Das Fehlen von konkreten Parametern in unstrukturierten Problemsituatio-<br />

nen erfordert für die Bewältigung von <strong>Innovation</strong>sprozessen Kompetenzen, die in<br />

sechs Felder gegliedert werden können (vgl. Abbildung 2-4). Nachfolgend werden<br />

diese Gestaltungsfelder der <strong>Innovation</strong>skompetenz anhand von Fragestellungen im<br />

Detail erläutert:<br />

Fachliche<br />

Kompetenz<br />

Persönliche<br />

Kompetenz<br />

<strong>Innovation</strong>skompetenz<br />

Entscheidungs-<br />

Kompetenz Methodische<br />

Kompetenz<br />

Abbildung 2-4: Gestaltungsfelder der <strong>Innovation</strong>skompetenz<br />

Problemlösungs-<br />

Kompetenz<br />

Soziale<br />

Kompetenz<br />

1. Fachkompetenz: Habe ich genügend Fachwissen, um mich <strong>mit</strong> dem Problem<br />

angemessen auseinandersetzen zu können? Verfüge ich über grundlegende<br />

Qualifikationen? Habe ich genügend Erfahrung <strong>mit</strong> ähnlichen Herausforderungen?<br />

2. Persönliche Kompetenz: Kann ich <strong>mit</strong> der Ungewissheit in der Situation umge-<br />

hen? Wie werde ich <strong>mit</strong> Misserfolgen und Frustrationen fertig? Kann ich mich <strong>mit</strong><br />

dem <strong>Innovation</strong>svorhaben identifizieren?<br />

3. Problemlösungskompetenz: Verfüge ich über ausreichende Kreativität, d.h.<br />

kann ich mir Lösungen und Wege vorstellen? Wie verarbeite ich die Komplexität<br />

der Bedingungen und ihre Wechselwirkungen? Welche Erfahrungen kann ich mir<br />

zunutze machen?<br />

¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯<br />

49 Vgl. Dreesmann, H.: <strong>Innovation</strong>skompetenz - konzeptioneller Rahmen und praktische Erfahrungen,<br />

in: Freimuth, J.; Haritz, J.; Kiefer, B.-U. (Hrsg.): Auf dem Wege zum <strong>Wissensmanagement</strong>, Göttingen<br />

1997, S. 237


Grundlagen der unternehmerischen <strong>Innovation</strong>sfähigkeit 30<br />

4. Soziale Kompetenz: Kann ich Unterstützung und Hilfe von anderen bekommen?<br />

Sind die Vorgesetzten und Kollegen offen für meine Vorschläge? Lässt das Arbeitsklima<br />

einen offenen Austausch bei Problemen zu?<br />

5. Methodenkompetenz: Verfüge ich über methodische Hilfs<strong>mit</strong>tel und Instrumen-<br />

te? Kenne und beherrsche ich Methoden und Vorgehensweisen, um das Problem<br />

zu analysieren und zu gewichten? Wie beschaffe ich zur Erreichung einer Lösung<br />

notwendiges Wissen?<br />

6. Entscheidungskompetenz: Kann ich aktiv <strong>mit</strong>wirken und <strong>mit</strong>entscheiden? Habe<br />

ich einen Handlungsspielraum? Sehe ich Möglichkeiten, die <strong>Innovation</strong> praktisch<br />

zu realisieren?<br />

<strong>Innovation</strong>sklima<br />

Das <strong>Innovation</strong>sklima einer Unternehmung bietet spezifische Rahmenbedingungen<br />

bzw. organisatorische Voraussetzungen für das Hervorbringen von <strong>Innovation</strong>en. 50<br />

Da<strong>mit</strong> ist das <strong>Innovation</strong>sklima eine Voraussetzung für die unternehmerische Innova-<br />

tionsfähigkeit. Das <strong>Innovation</strong>sklima ist eng verwandt <strong>mit</strong> dem Organisationsklima<br />

und -niveau und wird vor allem vom Führungsstil und dem Ausmaß der informellen<br />

Kommunikation geprägt.<br />

Folgende Faktoren können als wesentliche Bestimmungsfaktoren des <strong>Innovation</strong>sklimas<br />

einer Unternehmung verstanden werden (Servatius, H.-G.): 51<br />

? Unternehmungskultur<br />

- <strong>Innovation</strong>s-Tradition der Unternehmung<br />

- Einschätzung der Bedeutung von <strong>Innovation</strong>en<br />

- Motivation der Mitarbeiter<br />

- Fähigkeit, Innovatoren an die Unternehmung zu binden<br />

- Offenheit der Kommunikation<br />

? Führungsverhalten<br />

- Zukunftsorientiertes Leitbild (Vision)<br />

- Toleranz der Führung gegenüber Unsicherheit<br />

- Förderung von <strong>Innovation</strong> durch die Führung<br />

- Karrierewege für Innovatoren<br />

- Macht von Intrapreneuren<br />

¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯<br />

50 Vgl. Gabler-Wirtschaftslexikon, 14. Auflage, Wiesbaden 1997<br />

51 Vgl. Servatius, H.-G.: New Venture Management, Wiesbaden 1988, S. 165


Grundlagen der unternehmerischen <strong>Innovation</strong>sfähigkeit 31<br />

? Verhalten gegenüber Innovatoren<br />

- Toleranz gegenüber innovativen Einzelgängern<br />

- Toleranz von Fehlern<br />

- Anerkennung für <strong>Innovation</strong>serfolge<br />

- Förderung der persönlichen Entwicklung von Innovatoren<br />

? Aufbau- und Ablauforganisation<br />

- Dezentralisierung und Begrenzung der Hierarchiestufen<br />

- Möglichkeiten zur informeller Kommunikation<br />

? Planungsprozesse<br />

- Suche nach neuen Geschäftsmöglichkeiten<br />

- Längerfristige Orientierung<br />

- Verfügbares F&E-Budget im Vergleich zu Wettbewerbern<br />

- Flexibilität der Planung<br />

- Mischung aus Planungs- und Handlungsorientierung<br />

- Einbeziehung von Linienfunktionen in den Planungsprozess<br />

? Haltung gegenüber Umsetzungsmechanismen<br />

- Einsatz relativ autonomer interner Venture-Einheiten<br />

- Offenheit gegenüber Koalitionen <strong>mit</strong> externen Gruppen<br />

- Verfügbare Ressourcen für innovative Geschäfte<br />

? Organisatorische Rahmenbedingungen<br />

- Zugriff auf relevante Daten bzw. Datenbanken<br />

- <strong>Innovation</strong>sfördernde Infrastruktur, z.B. Raumgestaltung<br />

<strong>Innovation</strong>spotenzial und <strong>Innovation</strong>sklima spannen so<strong>mit</strong> auch den Gestaltungs-<br />

raum für die <strong>Innovation</strong>sfähigkeit einer Organisation auf. Ansätze zur Beeinflussung<br />

der <strong>Innovation</strong>sfähigkeit von Unternehmungen gehen von der Personalentwicklung,<br />

der Geschäftsprozessoptimierung, über die lernende Organisation bis zum <strong>Wissensmanagement</strong><br />

(Willke, H.). 52<br />

¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯<br />

52 Vgl. Willke, H.: Systemisches <strong>Wissensmanagement</strong>. Mit Fallstudien von D. Gnewekow, u.a., Stutt-<br />

gart 1998, S. 64


Grundlagen der unternehmerischen <strong>Innovation</strong>sfähigkeit 32<br />

2.2.5 <strong>Innovation</strong>smanagement<br />

Der Begriff <strong>Innovation</strong>smanagement ist nach Hauschildt 53 in seiner funktionalen<br />

Sichtweise <strong>mit</strong> einer Vielzahl von vorwiegend dispositiven Aufgaben verknüpft. Inno-<br />

vationsmanagement ist als „Gestaltung von einzelnen <strong>Innovation</strong>sprozessen“ zu verstehen,<br />

und kann in folgende Teilfunktionen gegliedert werden:<br />

? Strategien und Ziele definieren und verfolgen<br />

? Entscheidungen treffen<br />

? Informationsflüsse bestimmen und beeinflussen<br />

? Soziale Beziehungen herstellen und gestalten<br />

? Auf die Partner in diesen sozialen Beziehungen einwirken, um die getroffenen<br />

Entscheidungen zu realisieren<br />

Das Spektrum des Managements von <strong>Innovation</strong>sprozessen unterscheidet sich also<br />

nicht wesentlich vom klassischen Management. Durch die Merkmale von Innovatio-<br />

nen schon angedeutet, handelt es sich bei <strong>Innovation</strong>saufgaben immer um risikorei-<br />

che, unsichere Aufgaben. Durch die Neuheit der Aufgabe können Folgen und Wir-<br />

kungen von Entscheidungen meist nicht vorhergesehen werden. Das Management<br />

von <strong>Innovation</strong>en unterscheidet sich da<strong>mit</strong> gravierend vom Management von Routi-<br />

neaufgaben. Auch das erhöhte Konfliktpotenzial bei der Umsetzung von <strong>Innovation</strong>en<br />

kennzeichnet <strong>Innovation</strong>smanagement.<br />

Aus einer umfangreichen, empirischen Untersuchung (Little, A.D.) 54 hat die Unternehmensberatung<br />

Arthur D. Little 55 fünf wesentliche Gestaltungsansätze im Innovati-<br />

onsmanagement abgeleitet:<br />

? Der operative Ansatz - das Management der einzelnen Produktentwicklungsvor-<br />

haben<br />

? Der entwicklungsstrategische Ansatz - das Management des Portfolios von Pro-<br />

duktentwicklungsvorhaben<br />

? Der kognitive Ansatz - das Management des Wissens über Märkte, Kunden,<br />

Wettbewerber, Technologien und Anwendungstrends<br />

? Der unternehmensstrategische Ansatz - die Abstimmung von Unternehmensstra-<br />

tegie, Produktstrategie, Technologiestrategie und Produktentwicklungsprioritäten<br />

¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯<br />

53 Vgl. Hauschildt, J.: <strong>Innovation</strong>smanagement, 2. Auflage, München 1997, S. 25<br />

54 Vgl. Little, A.D.: ADL Product <strong>Innovation</strong> Survey, Cambridge 1992<br />

55 Vgl. Little, A.D. (Hrsg.): Management erfolgreicher Produkte, Wiesbaden 1994, S. 97ff


Grundlagen der unternehmerischen <strong>Innovation</strong>sfähigkeit 33<br />

? Der organisatorische Ansatz - das Management der Human Resources, der Abläufe,<br />

Entscheidungsprozesse und Koordinationsvorgänge<br />

Aus dieser Übersicht geht hervor, dass <strong>Innovation</strong>smanagement wesentlich mehr<br />

umfasst als das Management des Entwicklungsprozesses in einer Unternehmung.<br />

Vielmehr können Technologiemanagement und Forschung und Entwicklung als Teil-<br />

bereiche des betrieblichen <strong>Innovation</strong>smanagements verstanden werden. In Ergän-<br />

zung zu den aufgelisteten Aufgaben kommt heute dem Management von innovati-<br />

onsrelevanten Ressourcen eine besondere Bedeutung zu. Das betrifft insbesondere<br />

das Management der Ressource „Wissen“.<br />

2.3 <strong>Wissensmanagement</strong> und <strong>Innovation</strong>sfähigkeit<br />

„Wir verstehen noch nicht genau, wie sich das Wissen als wirtschaftliche Ressource<br />

verhält. Wir verfügen noch nicht über ausreichend Erfahrung, um eine Theorie for-<br />

mulieren zu können. Bisher wissen wir nur, dass wir eine solche Theorie brauchen,<br />

um die gegenwärtige Wirtschaft erklären zu können“ (Drucker, P.) 56<br />

Das Hervorbringen von <strong>Innovation</strong>en ist vor allem in der Phase der Ideengenerierung<br />

<strong>mit</strong> der Entwicklung von neuem Wissen verknüpft. Aber auch in den weiteren Phasen<br />

bis zur Markteinführung ist Wissen die elementare Ressource für das erfolgreiche<br />

Umsetzen von <strong>Innovation</strong>sprozessen. Das Management von Wissen kann daher als<br />

ein wichtiger Aspekt im <strong>Innovation</strong>smanagement gesehen werden.<br />

In der Entwicklung der wissenschaftlichen Literatur zum Thema Wissensmanage-<br />

ment zeichnet sich eine breite Aufspaltung der Ansätze, die <strong>mit</strong> dem Management<br />

von „Wissen“ verfolgt werden, ab.<br />

Derzeit kann festgestellt werden, dass Arbeiten rund um das Thema Wissensmana-<br />

gement im Sinne von Beschreibungs- und Erklärungsmodellen in zahlreicher Ausfüh-<br />

rung vorliegen, Arbeiten im Sinne von Gestaltungs- und Entwicklungsmodellen sind<br />

hingegen eher weniger ausgeprägt anzutreffen (Wohinz, J.W.):. 57 Trotz dieser Viel-<br />

zahl an Beschreibungs- und Erklärungsmodellen scheint sich eine formale, zusammenhängende<br />

Begriffswelt für <strong>Wissensmanagement</strong> nicht durchzusetzen.<br />

Die Breite der derzeit vorliegenden Literatur zu diesem Thema hat zu einer Vielfalt an<br />

teilweise widersprüchlichen Begriffsdefinitionen geführt. Hervorzuheben sind dabei<br />

¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯<br />

56 Drucker, P.: Die postkapitalistische Gesellschaft, Düsseldorf 1993, S. 262<br />

57 Vgl. Wohinz, J.W.: Knowledge Systems Design, INDUSCRIPT, Technische Universität Graz<br />

1999/2000, S. 2


Grundlagen der unternehmerischen <strong>Innovation</strong>sfähigkeit 34<br />

zahlreiche Versuche Daten, Information und Wissen so zu unterscheiden, dass dar-<br />

auf aufbauend eine fruchtbare wissenschaftliche Diskussion über Wissen und Wis-<br />

sensmanagement geführt werden kann. Dies ist durch die Divergenz der Entwicklungslinien<br />

von <strong>Wissensmanagement</strong> bis heute nur in Ansätzen gelungen.<br />

Nachfolgend werden unterschiedliche Entwicklungslinien anhand einer Übersicht von<br />

Roehl dargestellt (siehe Abbildung 2-5). 58<br />

Abstraktionsgrad<br />

V. Heijst<br />

et al.<br />

1997<br />

Ingenieurwissenschaftliche<br />

Entwicklungslinie<br />

Klahr<br />

1997<br />

Rehäuser/<br />

Krcmar 1996<br />

technologieorientiert<br />

Güldenberg<br />

1997<br />

ILOI<br />

1997<br />

Wilke<br />

1995 ff.<br />

Hoffmann/<br />

Patton<br />

1996<br />

Soziologische<br />

Entwicklungslinie<br />

Schneider<br />

1996<br />

Schüppel<br />

1996<br />

Wirtschaftswissenschaftliche<br />

Entwicklungslinie<br />

Probst et al.<br />

1996 f.<br />

Wiig<br />

1994<br />

Pawlowsky<br />

et al. 1994 f.<br />

Sch<strong>mit</strong>z/<br />

Zucker<br />

1996<br />

Baecker<br />

1997 f.<br />

Nonaka et al.<br />

1991 ff.<br />

sozialorientiert<br />

Abbildung 2-5: Entwicklungslinien und Exponenten des <strong>Wissensmanagement</strong>s<br />

(Roehl, H.) 59<br />

¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯<br />

58 Eine Diskussion unterschiedlicher <strong>Wissensmanagement</strong>-Ansätze ist zu finden in: Peritsch, M.:<br />

Analyse und Gestaltung wissensbasierter <strong>Innovation</strong>sprozesse, Dissertation, Technische Universität<br />

Graz 1998<br />

59 Vgl. Roehl, H.: Kritik des organisationalen <strong>Wissensmanagement</strong>s, in: Projektgruppe Wissenschaftliche<br />

Beratung (Hrsg.): Organisationslernen durch <strong>Wissensmanagement</strong>, Frankfurt am Main 1999,<br />

S. 16


Grundlagen der unternehmerischen <strong>Innovation</strong>sfähigkeit 35<br />

2.3.1 Entwicklungslinien des <strong>Wissensmanagement</strong>s<br />

Durch die Aufarbeitung der bestehenden Konzepte des <strong>Wissensmanagement</strong>s und<br />

ihre forschungsinhaltlichen Verwurzelungen, Überlappungen und Berührungspunkte<br />

können diese zu Entwicklungslinien des <strong>Wissensmanagement</strong>s formiert werden. Ei-<br />

ne entwicklungsgeschichtliche Darstellung ermöglicht eine Zuordnung von Wissens-<br />

management-Konzepten in drei unterschiedliche Entwicklungslinien: Eine ingenieur-<br />

wissenschaftliche, eine wirtschaftswissenschaftliche und eine soziologische Entwicklungslinie<br />

(Roehl, H.). 60<br />

? Ingenieurwissenschaftliche Entwicklungslinie<br />

Diese auch als „wissenstechnisch“ (Güldenberg, S.) 61 bezeichnete Entwicklungs-<br />

linie hat ihre Wurzeln in der elektronischen Daten- bzw. Informationsverarbeitung<br />

und geht bis zum <strong>Wissensmanagement</strong> im Sinne von Effektivierung und Rationalisierung<br />

von Wissensressourcen auf instrumentell-technischer Basis.<br />

? Wirtschaftswissenschaftliche Entwicklungslinie<br />

Als zweite Entwicklungslinie ist eine wirtschaftswissenschaftliche zu identifizieren.<br />

Die grundsätzliche Ausrichtung kann auf eine ökonomische Nutzenorientierung<br />

zurückgeführt werden, wie sie Drucker 62 beschreibt.<br />

? Soziologische Entwicklungslinie<br />

Die dritte Linie ist die soziologische Entwicklungslinie des <strong>Wissensmanagement</strong>s,<br />

die der Organisation als System eigene Lernfähigkeit und spezifische Kompetenz<br />

im Umgang <strong>mit</strong> eigenem und fremdem Wissen zutraut (Willke, H.). 63<br />

Unabhängig vom gewählten Zugang zum Thema sollte der wissenschaftlichen Dis-<br />

kussion über <strong>Wissensmanagement</strong> eine klare Begriffsabgrenzung vorausgehen. Dies<br />

ist vor allem für den Begriff Wissen sehr wichtig, da die ständig wachsende Band-<br />

breite an Publikationen unter dem Titel „<strong>Wissensmanagement</strong>“ alle Optionen der In-<br />

terpretation offen lassen. Bei einem interdisziplinären, komplexen Ansatz, wie Wis-<br />

sensmanagement einer ist, kann durch die Hilfestellung der Wissenschaft die An-<br />

¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯<br />

60<br />

Vgl. Roehl, H.: Kritik des organisationalen <strong>Wissensmanagement</strong>s, in: Projektgruppe Wissenschaftliche<br />

Beratung (Hrsg.): Organisationslernen durch <strong>Wissensmanagement</strong>, Frankfurt am Main 1999,<br />

S. 15 f.<br />

61<br />

Vgl. Güldenberg, S.: <strong>Wissensmanagement</strong> und Wissenscontrolling in lernenden Organisationen,<br />

Wiesbaden 1997, S. 234<br />

62<br />

Vgl. Drucker, P.: Die postkapitalistische Gesellschaft, Düsseldorf 1993, S. 70<br />

63<br />

Vgl. Willke, H.: Systemisches <strong>Wissensmanagement</strong>. Mit Fallstudien von D. Gnewekow, u.a., Stutt-<br />

gart 1998, S. 6-7


Grundlagen der unternehmerischen <strong>Innovation</strong>sfähigkeit 36<br />

wendbarkeit und Durchdringung in der unternehmerischen Praxis positiv beeinflusst<br />

werden.<br />

2.3.2 Basismodelle zur Differenzierung von Wissen<br />

„Wenn mich niemand fragt, dann weiß ich es, wenn ich es aber jemanden erklären<br />

möchte, der mich fragt, dann weiß ich es nicht.“ (Augustin zit. in Foerster, H.v) 64<br />

Die Interpretation des Begriffs Wissens scheint eine wesentlich schwierigere Aufgabe<br />

als die Analyse des Begriffs Management zu sein. In der Tat scheint jeder für sich<br />

eine Vorstellung zu haben, was Wissen ist. Es ist uns aber <strong>mit</strong> einfachen Mitteln nicht<br />

möglich eine Definition von Wissen zu formulieren. Es fehlt eine einheitliche nach-<br />

vollziehbare Begriffskonvention, die diesem Themenkomplex zugrundegelegt werden<br />

kann. Es ist daher nicht verwunderlich, dass in den derzeit vorliegenden Publikatio-<br />

nen meist je nach fachlicher Zugehörigkeit bzw. Vorbildung des Autors seine spezifische<br />

Sichtweise von Wissen als Basis herangezogen wird.<br />

Paketmodell Interaktionsmodell<br />

S E ?<br />

S E<br />

Wissen ist Input in Prozesse<br />

Wissen ist Abbildung von Realität<br />

Fokus auf Rationalisierung<br />

Informationsmanagement<br />

Künstliche Intelligenz<br />

FOLGE<br />

Abbildung 2-6: Modelle des Wissens (Schneider, U.) 65<br />

Wissen entsteht im Prozess<br />

Wissen ist Konstruktion über Realität<br />

Fokus auf Beziehungspflege,<br />

Prozessmanagement<br />

Menschliche Intelligenz<br />

In einer grundlegenden Orientierung zeigt Schneider auf, dass es im Prinzip zwei<br />

fundamental unterschiedliche Ansätze für die Erklärung des Wissensbegriffs gibt:<br />

Das Paketmodell und das Interaktionsmodell (vgl. Abbildung 2-6).<br />

¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯<br />

64 Der Überlieferung nach war dies die Antwort von Augustin auf die Frage: Was aber ist die Zeit?, in<br />

Foerster, H.v.: Was ist Gedächtnis, dass es Rückschau und Vorschau ermöglicht?, in Schmidt S.J.<br />

(Hrsg.): Wissen und Gewissen, 4. Auflage, Frankfurt a. Main 1997, S. 299<br />

65 Vgl. Schneider, U.: Management in der wissensbasierten Unternehmung, in: Schneider, U. (Hrsg.):<br />

<strong>Wissensmanagement</strong>, Frankfurt a. M. 1996, S. 19


Grundlagen der unternehmerischen <strong>Innovation</strong>sfähigkeit 37<br />

Paketmodell<br />

Dieser Zugang zum Begriff Wissen ist <strong>mit</strong> der Sichtweise verbunden, die Wissen als<br />

Summe von Paketen versteht. Diese Pakete sind kontext- und personenunabhängig,<br />

beliebig teilbar und beschreiben eine von Personen unabhängige Realität. Wissen<br />

kann daher <strong>mit</strong> IuK-Technologie bearbeitet, gespeichert und verteilt werden. Die<br />

Weitergabe von Wissen hat in dieser Sichtweise keinen Einfluss auf das Wissen<br />

selbst. Dieses Modell kann da<strong>mit</strong> als Basis für Forschungsarbeiten zur Künstlichen<br />

Intelligenz gesehen werden.<br />

Dieser tayloristische Zugang ermöglicht auch eine Trennung von Wissensentwick-<br />

lung und Wissensverarbeitung. Der Fokus liegt dabei auf dem Wissen selbst bzw.<br />

wechselseitig auf dem Sender als Lehrender oder dem Empfänger als Lernender.<br />

Interaktionsmodell<br />

Der konstruktivistische Zugang, der vor allem in Arbeiten zur lernenden Organisation<br />

verfolgt wird, sieht Wissen nicht mehr als Paket sondern als Prozess. Es wird nicht<br />

mehr objektiv gesehen, sondern im Erfahrungshintergrund des Menschen durch Tun<br />

erworben. Wissen ist daher an den Kontext des Wissensentwicklers gebunden. Es<br />

gibt keine absolute Realität, sondern mehrere Möglichkeiten Realität in Abhängigkeit<br />

vom Erfahrungshintergrund des Menschen zu entwickeln. Wissen lässt sich dadurch<br />

nicht mehr von seinem Entstehungskontext abspalten.<br />

Parameter Paketmodell Interaktionsmodell<br />

Bedeutung des Wissens Unabhängig vom Kontext Kontextabhängig<br />

Grundprinzip tayloristisch, Wissensent-<br />

wicklung und Wissensverar-<br />

beitung laufen getrennt ab<br />

Gestaltungsansätze Informations- und Kommuni-<br />

kationstechnik<br />

konstruktivistisch, Wissen ist<br />

nur kontextspezifisch gültig<br />

und lässt sich nicht vom Ent-<br />

stehungsprozess abspalten<br />

Interaktionsprozesse zwi-<br />

schen Menschen<br />

Tabelle 2-2: Gegenüberstellung von Interaktions- und Paketmodell<br />

Da diese zwei Modelle von Grund auf verschieden sind (vgl. Tabelle 2-2), erscheint<br />

eine Vermischung bzw. weiterführende parallele Bearbeitung beider Modelle für die-<br />

se Arbeit nicht zweckmäßig. Das Paketmodell scheint aus konstruktivistischer Sicht<br />

gravierende Mängel in der Plausibilität der Abgrenzung relevanter Begriffe, wie z.B.<br />

Daten, Information und Wissen zu haben. Die Gründe dafür werden in den nachfol-


Grundlagen der unternehmerischen <strong>Innovation</strong>sfähigkeit 38<br />

genden Ausführungen, die der weiteren Begriffsabgrenzung dieser Arbeit dienen,<br />

erläutert.<br />

Das Interaktionsmodell stellt die prozesshafte Sichtweise der Wissensentwicklung in<br />

den Vordergrund und löst durch den konstruktivistischen Ansatz die Begriffsverwirrung<br />

zwischen Daten, Information und Wissen anschaulich auf.<br />

2.3.3 Detailanalyse des Begriffs Wissen<br />

Viele Diskussionen zum Thema <strong>Wissensmanagement</strong> werden <strong>mit</strong> einem Verständnis<br />

von Wissen geführt, das keine Unterscheidung zwischen Daten, Information und<br />

Wissen einräumt. Vor allem in der ingenieurwissenschaftlichen Entwicklungslinie des<br />

<strong>Wissensmanagement</strong>s wird dadurch, dass die Nutzung von IuK-Technologien als<br />

Datenverarbeitung, Informationsverarbeitung und neuerdings auch als Wissensver-<br />

arbeitung bezeichnet wird, eine krasse Vereinfachung einer für <strong>Wissensmanagement</strong><br />

relevanten Begriffswelt vorgenommen.<br />

Merkmale Computer Gehirn<br />

Arbeitsfrequenz > 1GHz < 1kHz<br />

Verarbeitung seriell parallel<br />

Rechenfehler sehr gering sehr hoch<br />

Ausfall von Elementen Leistungsausfall Leistungsabfall<br />

Speicherung Daten + Adressen Inhalt = Adresse<br />

Ablaufsteuerung Zentralprozessor Strukturdeterminiert<br />

Tabelle 2-3: Funktionsmerkmale von Computer und Gehirn im Vergleich<br />

(Spitzer, M.) 66<br />

Diese vereinfachte Sichtweise scheint aus einer Vorstellung zu kommen, die das<br />

menschliche Gehirn <strong>mit</strong> der Funktionsweise eines Computers gleichstellt. Tabelle 2-3<br />

zeigt in einer Gegenüberstellung, dass die Voraussetzungen für eine Gleichstellung<br />

auf keinen Fall gegeben sind, da es sich um zwei grundverschiedene Architekturen<br />

und Funktionsweisen handelt.<br />

Ein gravierender Unterschied ist in der Zuverlässigkeit zu sehen: Im Gegensatz zu<br />

Computer haben unsere biologischen Gehirne die Eigenschaft, beim Ausfall einzel-<br />

ner Neuronen nicht gleich völlig zu versagen (vgl. dazu auch Kapitel 3). Es kommt<br />

¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯<br />

66 Vgl. Spitzer, M.: Geist im Netz, Modelle für Lernen, Denken und Handeln, Heidelberg 1996, S. 12ff


Grundlagen der unternehmerischen <strong>Innovation</strong>sfähigkeit 39<br />

vielmehr zu einem kontinuierlichen Leistungsabfall. Beim Computer hingegen führt<br />

eine kalte Lötstelle oder ein ausgefallenes Bauteil in der Regel zum Totalausfall. Der<br />

derzeitige Stand der Gehirnforschung weißt darauf hin, dass der Erklärung der Funk-<br />

tionsweise des menschlichen „Zentralprozessors“ <strong>mit</strong> den heutigen Mitteln der Naturwissenschaft<br />

klare Grenzen gesetzt sind.<br />

Durch diesen Versuch der Trivialisierung von Wissen und <strong>Wissensmanagement</strong> sind<br />

aber nicht nur Missverständnisse vorprogrammiert, sondern wird indirekt auch die<br />

zwingend notwendig gewordene Anknüpfung der wissenschaftlichen Forschung an<br />

die betriebliche Praxis gehemmt. Der Praktiker, der an der Umsetzung von Wis-<br />

sensmanagement-Konzepten interessiert ist, kann durch die Gleichsetzung von Da-<br />

ten, Information und Wissen auch die Unterschiede zwischen <strong>Wissensmanagement</strong>,<br />

Informationsmanagement und Datenverarbeitung nicht erkennen.<br />

Die Gefahr, dass Gestaltungsmaßnahmen für <strong>Wissensmanagement</strong> auf die Imple-<br />

mentierung von neuen Tools der IuK-Technologie reduziert werden, ist groß. Es zeigt<br />

sich aber, dass diese Komponente nur eine Dimension erfolgreichen Wissensmana-<br />

gements sein kann. Lösungen zur Realisierung von Nutzenpotenzialen sollten vor-<br />

wiegend in der sorgfältigen Integration technologischer Hilfs<strong>mit</strong>tel, organisatorischer<br />

Strukturen, materieller und immaterieller Anreizsysteme, sowie unternehmenskultu-<br />

reller Aspekte zu einem ganzheitlichen Ansatz im <strong>Wissensmanagement</strong> liegen. Es<br />

wird vermutet, dass der Erfolg von <strong>Wissensmanagement</strong> zum Großteil organisatori-<br />

schen und kulturellen Ursprungs ist. Der technologische Aspekt scheint eine nur untergeordnete<br />

Rolle einzunehmen (Bullinger, H.-J.; Wörner, K.; Prieto, J.). 67<br />

Nachfolgend soll eine für diese Arbeit zweckmäßige Definition der relevanten Be-<br />

griffe für <strong>Wissensmanagement</strong> vorgenommen werden. Während dabei Daten und<br />

Wissen leicht zu unterscheiden sind, scheint die Begriffsabgrenzung zwischen Daten<br />

und Information bzw. zwischen Information und Wissen nur schwer zu gelingen. Ein<br />

weiterer Begriff, der in diesem Zusammenhang wichtig erscheint, ist der Begriff der<br />

Kommunikation. Für den Austausch oder Transfer von Wissen unter Personen muss<br />

eine Kommunikationsbeziehung aufgebaut werden. Das Modell der Kommunikation<br />

beruht dabei meist auf einer Sender-Empfänger-Beziehung bei der über Kanäle Signale<br />

ausgetauscht werden.<br />

¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯<br />

67 Vgl. Bullinger, H.-J.; Wörner, K.; Prieto, J.: <strong>Wissensmanagement</strong> - Modelle und Strategien für die<br />

Praxis, in: Bürgel, H. (Hrsg.): <strong>Wissensmanagement</strong>, Berlin/Heidelberg/New York 1998, S. 38


Grundlagen der unternehmerischen <strong>Innovation</strong>sfähigkeit 40<br />

Kommunikation und Information<br />

Der Stein der Anstoßes für die Begriffsverwirrung rund um Daten, Information und<br />

Wissen liegt scheinbar in der Interpretation des Begriffs „Information“. Dieser Begriff<br />

wird umgangssprachlich vielfältig eingesetzt und wurde auch durch den zunehmen-<br />

den Einsatz von IuK-Technologien entscheidend geprägt. In seiner ursprünglichen<br />

Verwendung des „Informierens“ liegt die Bedeutung ganz klar beim Menschen als<br />

denjenigen, der Information durch sein Bewusstsein aufnimmt. Dieser Prozess des<br />

Informierens wird heute in den Hintergrund gestellt und durch einen Informationsbe-<br />

griff ersetzt, der Information als etwas Gegenständliches, quasi als Gut oder Substanz<br />

auffasst (Lercher, H.). 68<br />

In engem Zusammenhang steht der Begriff der Information <strong>mit</strong> dem Begriff der<br />

Kommunikation. Kommunikation wird dabei als der „Austausch von Information“ be-<br />

zeichnet. Diese Vorstellung von Kommunikation als Austausch beruht auf dem Mo-<br />

dell einer Röhre: Man gibt auf der einen Seite der Röhre das Gut Information hinein,<br />

es wandert hindurch, und man zieht es auf der anderen Seite wieder heraus. Wenn<br />

man diesen Vorgang umkehrt, d.h. von der anderen Seite etwas durch diese Röhre<br />

schiebt, dann ist dieses Bild der Kommunikation vollständig.<br />

Sender Empfänger<br />

Informationskanal<br />

Abbildung 2-7: Klassisches Kommunikationsmodell<br />

Dieses Modell ist in jedem Lehrbuch der Kommunikationstheorie (z.B. in: Bächle,<br />

M.) 69 zu finden. Als Kanäle werden auf der Seite der IuK-Technologie meist Drähte,<br />

Lichtwellenleiter oder elektromagnetische Trägerwellen genannt. Diese technische<br />

Sichtweise einer „Informationstheorie“ beschäftigt sich daher weniger <strong>mit</strong> Information,<br />

sondern vielmehr <strong>mit</strong> der zuverlässigen Übertragung von Signalen über unzuverläs-<br />

sige Kanäle. Und auf diesem Gebiet wurden in den letzten Jahrzehnten hervorra-<br />

¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯<br />

68 Eine umfangreiche Aufstellung der unterschiedlichen Interpretationen des Begriffs »Information« ist<br />

zu finden in :Lercher, H.: Wertanalyse an Informationssystemen, Dissertation, Technische Universität<br />

Graz 1998, S. 15-49<br />

69 Vgl. Bächle, M.; u.a.: Gabler Wirtschaftsinformatiklexikon, Band A-K, Frankfurt ohne Jahresangabe,<br />

S. 370


Grundlagen der unternehmerischen <strong>Innovation</strong>sfähigkeit 41<br />

gende Erfolge und Verbesserungen erzielt. Das was über den Kanal läuft sind aber<br />

nicht Informationen, sondern eben nur Signale.<br />

Diese Gleichsetzung von Signal und Information hat offensichtlich zur heutigen Ver-<br />

wendung des Begriffs Information geführt, bei der „Informationen“ über IuK-<br />

Technologie übertragen oder ausgetauscht werden. Eine Fortsetzung dieser Be-<br />

griffsverwirrung findet man darin, dass aus der Sicht vieler Anbieter dieser Technologien<br />

über die selben Kanäle nun auch „Wissen“ übertragen wird.<br />

Heinz v. Foerster 70 bringt die Begriffsverfälschung bezüglich Information auf eine<br />

polemische Art und Weise auf den Punkt:<br />

„Ein weiter Fall pathologischer Semantik ist der weitverbreitete Missbrauch des Be-<br />

griffs »Information«. Dieses arme Ding wird heutzutage »verarbeitet«, »gespeichert«,<br />

»wieder herbeigeschafft«, »komprimiert«, »zerlegt« usw., so als ob es Hackfleisch<br />

wäre. Da die Fallgeschichte dieser modernen Krankheit leicht einen ganzen Band<br />

füllen könnte, greife ich nur die sogenannten »Systeme der Speicherung und Wie-<br />

derbereitstellung von Information« heraus, die etwa in der Form bestimmter fortge-<br />

schrittener bibliothekarischer Such- und Liefersysteme, computergestützter Daten-<br />

verarbeitungssysteme usw. ganz ernsthaft als Analogmodelle für das Funktionieren<br />

des Gehirns vorgeschlagen worden sind.<br />

Natürlich speichern diese Systeme keinerlei Information, sie speichern Bücher, Bän-<br />

der, Mikrofiches oder andere Dokumente, die wieder hervorgeholt werden und die<br />

nur dann die gewünschte Information liefern, wenn ein menschliches Bewusstsein<br />

sie erfasst. Diese Sammlungen von Dokumenten »Systeme der Speicherung und<br />

Wiederbereitstellung von Information« zu nennen, ist ebenso falsch wie eine Garage<br />

als »System der Speicherung und Wiederbereitstellung von Transport« zu bezeich-<br />

nen.“<br />

Der da<strong>mit</strong> zu Ausdruck gebrachte prozessuale Charakter der Information ist für die<br />

Unterscheidung von Daten, Information und Wissen von großer Bedeutung.<br />

Die hierarchische Darstellung von Zeichen, die durch Syntaxregeln zu Daten und<br />

dann durch »Anreicherung« <strong>mit</strong> einem Kontext zur Information werden, scheint eine<br />

Interpretation zu sein, die genau in das zuvor kritisierte Bild von Information passt.<br />

¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯<br />

70 Foerster, H.v.: Gedanken und Bemerkungen über Kognition, in Schmidt S.J. (Hrsg.): Wissen und<br />

Gewissen, 4. Auflage, Frankfurt a. Main 1997, S. 83


Grundlagen der unternehmerischen <strong>Innovation</strong>sfähigkeit 42<br />

„Aus Daten werden Informationen, wenn sie in einen Problembezug eingeordnet<br />

werden.“ (Rehäuser, J.; Krcmar, H.) 71<br />

Es bleibt dabei offen, wer diesen Problembezug festlegt bzw. warum der Kontext der<br />

durch Syntaxregeln der Zeichen zu Daten macht von einem weiteren Kontext, der<br />

aus Daten Information werden lässt, zu unterscheiden ist.<br />

Für die vorliegende Arbeit werden die Begriffe Daten, Information und Wissen folgendermaßen<br />

definiert:<br />

Daten<br />

Daten bestehen aus einzelnen Zeichen oder Zeichenketten, aber auch in der Form<br />

von Bildern oder Grafiken. Diese sind in der Regel auch <strong>mit</strong> Mitteln der elektroni-<br />

schen Datenverarbeitung darstellbar und speicherbar. Da<strong>mit</strong> ein Datum als solches<br />

erkannt werden kann, muss es Regeln für die Interpretation dieser Zeichenketten<br />

geben, die beim Interpreter als Kontext verfügbar sein müssen.<br />

Information<br />

Verfügbare Daten<br />

z.B. Zeitschriften,<br />

Datenbanken, WWW<br />

Organisatorische Wissensbasis<br />

Abbildung 2-8: Differenzierte Betrachtung von Daten<br />

Dokumentation<br />

Unternehmensrelevante Daten<br />

z.B. QM-Dokumente, Organigramm,<br />

Kundenkartei,<br />

Eine sachlogisch zusammenhängende Zeichenkette, die der Information des Emp-<br />

fängers dient, kann auch als Nachricht bezeichnet werden. Als eine Nachricht wird<br />

¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯<br />

71 Rehäuser, J.; Krcmar, H.: <strong>Wissensmanagement</strong> im Unternehmen, in: Schreyögg, G.; Conrad, P.:<br />

<strong>Wissensmanagement</strong>, Berlin/New York, 1996, S. 4


Grundlagen der unternehmerischen <strong>Innovation</strong>sfähigkeit 43<br />

eine Zeichenkette benannt, die nach einer vorgegebenen Regel aufgebaut ist (Hansen,<br />

W.R.; Peschanel, F.D.). 72<br />

Es ist also nur aus der Sicht des Empfängers möglich zu entscheiden, ob eine Zei-<br />

chenkette, die <strong>mit</strong>tels Signale übertragen wird, bei ihm als Nachricht ankommt und<br />

einen Informationsprozess auslöst. Fehlt ihm z.B. der grundlegende Kontext des<br />

verwendeten Zeichenvorrates, so kann diese Zeichenkette von ihm nicht interpretiert<br />

werden.<br />

Der zum Verständnis dieser Daten notwendige Kontext ist nicht standardisierbar und<br />

hängt daher vom individuellen Vorverständnis des Empfängers ab. Als Beispiel dafür<br />

können die Schriftzeichen der chinesischen Sprache genannt werden: Ein Leser, der<br />

diese Schriftzeichen nicht kennt, wird diese eher als ihm unbekannte Grafiken interpretieren.<br />

Es fehlt ihm der Kontext, der diesen Zeichenvorrat definiert.<br />

Der Versuch der Differenzierung unterschiedlicher Arten von Wissen mündet bei<br />

vielen Arbeiten zum Thema <strong>Wissensmanagement</strong> in originellen Begriffen, wie z.B.<br />

individuelles Wissen, kollektives Wissen, organisationales Wissen, implizites Wissen,<br />

explizites Wissen, analoges Wissen, digitales Wissen, sequentielles Wissen, gleich-<br />

zeitiges Wissen, um nur einige zu nennen (Sammer, M.). 73 Auf der Ebene von Daten,<br />

wo Unterschiede wesentlich einfacher erfassbar wären, wird eine Differenzierung in<br />

Verbindung <strong>mit</strong> dem Fokus „Management von Wissen“ kaum durchgeführt. Dabei<br />

wäre gerade dieser Zugang aufgrund der zunehmenden Vielfalt an Daten ein erster<br />

Schritt in Richtung Wissensorientierung.<br />

Es ist auch anzunehmen, dass <strong>mit</strong>unter die zunehmende Anzahl verfügbarer und<br />

einer Unternehmung zugänglicher Daten und die daraus entstandene Komplexität<br />

von Geschäftsprozessen wesentlich zur Notwendigkeit des <strong>Wissensmanagement</strong>s<br />

geführt hat. <strong>Wissensmanagement</strong> und (elektronische) Datenverarbeitung sollten da-<br />

her gut aufeinander abgestimmt werden. Dabei geht es in der Datenverarbeitung vor<br />

allem darum, Daten zur Verfügung zu stellen und bei Bedarf zu speichern, die für die<br />

Unternehmung von besonderer Relevanz sind.<br />

Nachfolgend wird versucht eine Differenzierung auf der Ebene von Daten einzuführen<br />

(vgl. Tabelle 2-4).<br />

¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯<br />

72<br />

Vgl. Hansen, W.R.; Peschanel, F.D.: Gabler Lexikon Innovative Informationsverarbeitung, Wiesbaden<br />

1995, S. 109<br />

73<br />

Vgl. Sammer, M.: Wissensinduktion in Organisationen, Dissertation, Montanuniversität Leoben<br />

1999, S. 47


Grundlagen der unternehmerischen <strong>Innovation</strong>sfähigkeit 44<br />

Parameter Ausprägungen<br />

Zeit aktuelle Daten veraltete Daten<br />

Gültigkeit gültige Daten ungültige Daten<br />

Entstehungsort unternehmensintern unternehmensextern<br />

Eigentum kollektive Daten persönliche Daten<br />

Tabelle 2-4: Morphologie des Begriffs Daten<br />

Besonders interessant für <strong>Wissensmanagement</strong> in Unternehmungen scheint die Abgrenzung<br />

unternehmensspezifischer Daten zu sein:<br />

Unternehmensspezifische Daten<br />

Dies sind Daten, die für die Unternehmung und seine Leistungserstellung in Ge-<br />

schäftsprozessen von besonderer Bedeutung sind. Als Beispiel kann hier die ge-<br />

samte Dokumentation des Qualitätsmanagement-Systems <strong>mit</strong> seinen Verfahrens-<br />

Arbeits- und Prüfanweisungen angeführt werden. Diese Daten werden aus der orga-<br />

nisatorischen Wissensbasis abgeleitet und dokumentiert, um im Prozess der Infor-<br />

mation einen Wissenstransfer zu anderen Wissensträgern zu ermöglichen. Da<strong>mit</strong><br />

Daten als unternehmensspezifische Daten klassifiziert werden können, müssen die-<br />

se innerhalb von Informationsprozessen von Systemelementen der organisatorischen<br />

Wissensbasis - den Mitarbeitern - auf diese Eigenschaft hin überprüft werden.<br />

Aus der in Kapitel 1 angedeuteten Dynamik der Veränderung des unternehmerischen<br />

Umfelds ist es besonders wichtig Überlegungen anzustellen, wie man die Aktualität<br />

der unternehmensrelevanten Daten sicherstellen kann. Es wird daher nicht immer<br />

sinnvoll sein eine Dokumentation bzw. Speicherung von Daten in der Unternehmung<br />

durchzuführen, wenn diese ohnehin in anderen Datenbanken, wie z.B. im Internet<br />

„online“ verfügbar sind. Vielmehr wird es meist ausreichen, dass die Wissensträger<br />

der Unternehmung <strong>mit</strong> Daten stimuliert werden, um da<strong>mit</strong> eine Erweiterung ihres<br />

Handlungsspektrums zu bewirken.<br />

Information<br />

Information wird als der Prozess verstanden, bei dem ein Individuum durch die Inter-<br />

pretation von Daten über sein Sensorium neue Erkenntnisse erlangt. Es entsteht da-<br />

durch im günstigen Fall beim Empfänger neues Wissen. Daten in der Form von stan-<br />

dardisierten Zeichen, aber auch Fotos oder Filme können als Träger „potenzieller<br />

Information“ gesehen werden. Diese haben das Potenzial im Prozess der Information<br />

beim Empfänger neues Wissen entstehen zu lassen. Da<strong>mit</strong> dies möglich wird, muss


Grundlagen der unternehmerischen <strong>Innovation</strong>sfähigkeit 45<br />

ein Kontext als Basis vorhanden sein, der eine Anknüpfung an das bestehende Wissen<br />

möglich macht.<br />

Unter diesen Gesichtspunkten muss auch der Begriff der (elektronischen) Informati-<br />

onssysteme gesehen werden. In solchen Systemen werden nach wie vor Daten ab-<br />

gelegt, die das Potenzial haben den Benutzer zu informieren. Solche „EDV-Systeme“<br />

speichern aber eben nach wie vor nur Daten in der Form von Texten, Bildern oder<br />

Filmen und nicht wie vielfach suggeriert wird „Informationen“ oder gar „Wissen“.<br />

Heinz v. Foerster 74 untermauert dies im folgenden Satz:<br />

„Wir müssen Vorträge, Bücher, Diapositive, Filme usw. nicht als Information, son-<br />

dern als Träger potenzieller Information ansehen. Dann wird uns nämlich klar, dass<br />

das Halten von Vorträgen, das Schreiben von Büchern, die Vorführung von Diaposi-<br />

tiven und Filmen usw. kein Problem löst, sondern ein Problem erzeugt: nämlich zu<br />

er<strong>mit</strong>teln, in welchen Zusammenhängen diese Dinge so wirken, dass sie in den Men-<br />

schen, die sie wahrnehmen, neue Einsichten, Gedanken und Handlungen erzeugen.“<br />

Auch neue Medien, wie das Internet <strong>mit</strong> seinen zahlreichen Diensten wie das World<br />

Wide Web, Email, News, etc., sind unter diesem Gesichtspunkt zu sehen. Es wird<br />

zwar dadurch der Zugang zu Daten erheblich verbessert, inwiefern der Benutzer sol-<br />

cher Dienste aber in der Lage ist aus diesen Daten neue Erkenntnisse zu gewinnen,<br />

wird individuell verschieden sein.<br />

Der hier verwendete Begriff der Information wird auch bei anderen Autoren zum<br />

Thema <strong>Wissensmanagement</strong> in ähnlicher Form verwendet. Nonaka/Takeuchi 75 z.B.<br />

bezeichnen Information als einen Fluss von Botschaften, der im Zusammentreffen<br />

<strong>mit</strong> den Vorstellungen eines Menschen Wissen erzeugt und deutet da<strong>mit</strong> ebenso den<br />

Prozess-Charakter der Information an:<br />

„Finally, both information and knowledge are context-specific and relational in that<br />

they depend on the situation and are created dynamically in social interaction among<br />

people.“<br />

¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯<br />

74 Foerster, H.v.: Zukunft der Wahrnehmung: Wahrnehmung der Zukunft, in Schmidt S.J. (Hrsg.): Wissen<br />

und Gewissen, 4. Auflage, Frankfurt a. Main 1997, S. 197 (Hervorhebungen im Original kursiv).<br />

75 Nonaka, I.; Takeuchi, H.: The Knowledge-Creating Company, New York/Oxford 1995, S. 59


Grundlagen der unternehmerischen <strong>Innovation</strong>sfähigkeit 46<br />

Wissen und Wissensbasis<br />

Nach der Abgrenzung von Daten und Information fällt es nicht mehr schwer den Be-<br />

griff Wissen für diese Arbeit einzugrenzen. Die Frage, wo Wissen ausschließlich ent-<br />

steht und auch vorliegen kann, wurde bei der Definition des Begriffs Information<br />

schon vorweggenommen. Wissen und dessen Entwicklung und „Speicherung“ ist<br />

eindeutig und ausschließlich an ein Individuum gebunden. Diese Interpretation stützt<br />

sich auf eine konstruktivistische Wissenstheorie, wie sie beispielsweise von Heinz v.<br />

Foerster 76 vertreten wird. Eine der wesentlichen Aussagen dazu sei nachfolgend,<br />

wegen ihrer hohen Bedeutung für die weiteren Ausführungen auch im Originaltext<br />

wiedergegeben:<br />

„Information ist natürlich der Prozess, durch den wir Erkenntnis gewinnen, und Er-<br />

kenntnisse sind die Prozesse, die vergangene und gegenwärtige Erfahrungen inte-<br />

grieren, um neue Tätigkeiten auszubilden, entweder als Nerventätigkeit, die wir in-<br />

nerlich als Denken und Wollen wahrnehmen können, oder aber als äußerlich wahr-<br />

nehmbare Sprache oder Bewegung. Keiner dieser Prozesse kann »weitergegeben<br />

werden«, wie man uns immer wieder sagt, z.B. <strong>mit</strong> Sätzen wie »...Universitäten sind<br />

Horte des Wissens, das von Generation zu Generation weitergegeben wird...« usw.,<br />

denn Ihre Nerventätigkeit ist ausschließlich Ihre Nerventätigkeit und - leider - nicht<br />

meine. Es ist kein Wunder, dass ein Bildungssystem, welches den Prozess der Er-<br />

zeugung neuer Prozesse <strong>mit</strong> der Verteilung von Gütern, genannt »Wissen«, ver-<br />

wechselt, in den dafür bestimmten Empfängern große Enttäuschung hervorrufen<br />

muss, denn die Güter kommen nie an: es gibt sie nicht!“<br />

Der hier verwendete Begriff „Erkenntnis“ soll für die weiteren Ausführungen <strong>mit</strong> dem<br />

Begriff Wissen gleichgesetzt werden. Weiters definiert Heinz v. Foerster 77 den Begriff<br />

„kognitive Prozesse“:<br />

„Die Hierarchie von Mechanismen, Transformationsoperationen und Prozessen, die<br />

von der Sinnesreizung über die Wahrnehmung von Einzelheiten zur Manipulation<br />

generalisierter interner Repräsentationen des Wahrgenommen führen, ebenso wie<br />

die umgekehrten Transformationen, die von allgemeinen Anweisungen zu spezifi-<br />

schen Handlungen führen oder von allgemeinen Begriffen zu spezifischen Äußerun-<br />

gen, möchte ich als »kognitive Prozesse« bezeichnen“<br />

¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯<br />

76 Foerster, H.v.: Zukunft der Wahrnehmung: Wahrnehmung der Zukunft, in Schmidt S.J. (Hrsg.): Wissen<br />

und Gewissen, 4. Auflage, Frankfurt a. Main 1997, S. 196 (Hervorhebungen im Original kursiv)<br />

77 Foerster, H.v.: Was ist Gedächtnis, dass es Rückschau und Vorschau ermöglicht?, in Schmidt S.J.<br />

(Hrsg.): Wissen und Gewissen, 4. Auflage, Frankfurt a. Main 1997, S. 304


Grundlagen der unternehmerischen <strong>Innovation</strong>sfähigkeit 47<br />

Auf Basis dieser Ausführungen kann der Wissensbegriff, der dieser Arbeit zugrundegelegt<br />

wird, folgendermaßen beschrieben werden:<br />

Wissen umfasst sämtliche kognitiven Prozesse des menschlichen Gehirns. Aus die-<br />

sen Prozessen können folgende Teilprozesse hervorgehoben und isoliert betrachtet<br />

werden:<br />

? Die Fähigkeit wahrzunehmen (sich zu informieren)<br />

? Die Fähigkeit aufzunehmen (zu speichern)<br />

? Die Fähigkeit Schlüsse zu ziehen (zu verknüpfen bzw. zu lernen)<br />

? Die Fähigkeit sich zu erinnern (wieder abzurufen)<br />

? Die Fähigkeit Handlungen zu steuern (Aktivierung der Motorik)<br />

Die Ausführung dieser Prozesse basiert auf den vorhandenen nutzbaren kognitiven<br />

Strukturen des Gehirns. Das Potenzial, das durch diese kognitiven Strukturen für die<br />

oben aufgeführten Teilprozesse zur Verfügung steht, kann als die persönliche Wis-<br />

sensbasis des Menschen zusammengefasst werden. Da diese Wissensbasis in die-<br />

ser Arbeit als operational geschlossenes System aufgefasst wird, gibt es auch keine<br />

Möglichkeit eine geeignete Koppelung herzustellen, die Wissen zwischen zwei<br />

Kommunikationspartnern direkt weitergibt. Ob ein „Transfer“ von Wissen von einem<br />

Sender zu einem Empfänger erfolgreich war, wird für den Sender nur durch Beobachtung<br />

von konkreten Handlungen des Empfängers erkennbar.<br />

Ergänzend sei hier noch bemerkt, dass durch die hier verwendete Definition von<br />

Wissen auch die vielfach verwendeten Begriffe, wie theoretische Kenntnisse, Erfahrungen,<br />

Hausverstand aber auch Fähigkeiten <strong>mit</strong>einbezogen werden.<br />

Für die weiteren Ausführungen ist wichtig festzuhalten, dass diese Wissensbasis<br />

nicht statisch anzusehen ist, sondern durch jede kognitive Aktivität verändert wird.<br />

Geht man von lerntheoretischen Ansätzen aus, kann da<strong>mit</strong> Lernen als rekursiv ablaufender<br />

Prozess beschrieben werden (Güldenberg, S.). 78<br />

Bei dieser Sichtweise des Begriffs Wissen wird auch von der Vorstellung Abstand<br />

genommen, dass Wissen außerhalb des menschlichen Gehirns als explizites, kodifiziertes,<br />

unpersönliches, etc. Wissen in irgend einer Form gespeichert werden kann.<br />

¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯<br />

78 Vgl. Güldenberg, S.: <strong>Wissensmanagement</strong> und Wissenscontrolling in lernenden Organisationen,<br />

Wiesbaden 1997, S. 97


Grundlagen der unternehmerischen <strong>Innovation</strong>sfähigkeit 48<br />

Auch Scheuble 79 kommt zu einem ähnlichen Schluss: „Explizites Wissen ist demnach<br />

kein anderes Wissen als implizites Wissen. Explizites Wissen ist vielmehr implizites<br />

Wissen besonderer Art: Explizites Wissen ist implizites Wissen, das auf der Basis<br />

von Zeichen übertragen werden kann.“ Eine Unterscheidung auf der Ebene von Wis-<br />

sen scheint nur insofern vorteilhaft, als dass es Wissen gibt, das <strong>mit</strong>tels Daten über<br />

den Prozess der Information zum Empfänger transferiert werden kann. Der von<br />

Sammer 80 eingeführte Begriff der „Wissensinduktion“ beschreibt diesen Vorgang<br />

sehr anschaulich. Auf den Transfer von Wissen wird im Kapitel 3 im Detail eingegangen.<br />

Zugriff auf die menschliche Wissensbasis<br />

Das menschliche Gehirn kann durch den kognitiven Prozess der Wahrnehmung über<br />

Informationsprozesse neues Wissen entwickeln. Wir wissen aber aus eigener Erfah-<br />

rung, dass die Verfügbarkeit des gesamten Wissens eines Menschen nicht zwangs-<br />

läufig permanent gegeben ist, sondern nach einer gewissen Zeitspanne nur mehr<br />

durch geeignete Stimulation wieder zugänglich ist.<br />

In den Naturwissenschaften und zwar speziell in der Sprache der IuK-Technologie<br />

könnte man eine Analogie zum permanenten Festspeicher- und flüchtigen Ar-<br />

beitspeicher <strong>mit</strong> all den zuvor erwähnten Einschränkungen anstellen. In der Sprache<br />

der Neurobiologen wird dieser Effekt durch ein Gehirnmodell beschrieben, das über<br />

ein Langzeitgedächtnis und ein Kurzzeitgedächtnis verfügt (Vester, F., vgl. dazu<br />

auch Kapitel 3). 81<br />

Organisatorische Wissensbasis<br />

Der Begriff organisatorische Wissensbasis (Duncan, R.B.; Weiss, A.) 82 wird sehr un-<br />

terschiedlich definiert. Weit verbreitet ist die Ansicht, dass dazu neben individuellen<br />

und kollektiven Wissensbeständen auch alle Daten und „Informationsbestände“ einer<br />

Organisation dazuzählen (Probst, G.; Raub, S.; Romhardt, K. oder Petrovic, O.). 83<br />

¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯<br />

79<br />

Scheuble, S.: Wissen und Wissenssurrogate, Dissertation, München, 1998, S. 26<br />

80<br />

Vgl. Sammer, M.: Wissensinduktion in Organisationen, Dissertation, Montanuniversität Leoben<br />

1999, S. 58<br />

81<br />

Vgl. Vester, F.: Denken, Lernen, Vergessen, 26. Auflage, München 1999, S. 63<br />

82<br />

Dieser Begriff geht auf Duncan und Weiss zurück, die erstmals von einer organizational knowledge<br />

base sprachen, vgl. Duncan, R.B.; Weiss, A.: Organizational Learning - Implications for Organizational<br />

Design, in: Research in Organizational Behaviour (1979)1, S. 75–123<br />

83<br />

Vgl. Probst, G.; Raub, S.; Romhardt, K.: Wissen managen, Frankfurt/Wiesbaden 1997, S. 44, oder<br />

vgl. Petrovic, O.: Wissenstransfer und neue Technologien, in: Gutschelhofer, A.; Scheff, J. (Hrsg.):<br />

Mitarbeiter Know-how, Wien 1997, S. 101


Grundlagen der unternehmerischen <strong>Innovation</strong>sfähigkeit 49<br />

In konsequenter Verfolgung der konstruktivistischen Erkenntnistheorie (vgl. Kapitel 3)<br />

wird in dieser Arbeit von dieser Ansicht Abstand genommen. Der Begriff „organisato-<br />

rische Wissensbasis“ dieser Arbeit umfasst demnach alle individuellen Wissensbe-<br />

stände, die von den Mitgliedern einer Organisation in die betriebliche Leistungser-<br />

stellung eingebracht werden können. Als kollektives Wissen kann dabei ein individu-<br />

eller Wissensbestand bezeichnet werden, über den zumindest zwei Mitglieder einer<br />

Organisation verfügen. Beim jeweiligen Individuum bzw. Wissensträger wird in Bezug<br />

auf dieses kollektive Wissen eine annähernd gleichwertige Handlungsfähigkeit er-<br />

möglicht. Daten, egal in welcher Form sie dargestellt werden, zählen nicht zur organisatorischen<br />

Wissensbasis.<br />

2.3.4 Der <strong>Wissensmanagement</strong>-Begriff dieser Arbeit<br />

Auf Basis der bisherigen Ausführungen und Erkenntnisse kann <strong>Wissensmanagement</strong><br />

als das Management der organisatorischen Wissensbasis einer Unternehmung inter-<br />

pretiert werden. Wesentliche Gestaltungsbereiche sind da<strong>mit</strong> Wissenstransfers bzw.<br />

Lernprozesse zur Veränderung der Wissensbasis. <strong>Wissensmanagement</strong> kann da<strong>mit</strong><br />

als Grundlage für die Gestaltung einer innovationsfähigen, lernenden Organisation<br />

angesehen werden. In dieser Arbeit wird <strong>Wissensmanagement</strong> als Basis und Not-<br />

wendigkeit für die Bewältigung von <strong>Innovation</strong>sprozessen in Organisationen angesehen.<br />

Die hohe Relevanz eines humanzentrierten Zugangs zum Thema <strong>Wissensmanagement</strong><br />

wurde in diesem Kapitel vor allem durch Aussagen von Heinz v. Foerster be-<br />

legt. Die dabei vertretenen Standpunkte werden im nachfolgenden Kapitel einer De-<br />

tailanalyse unterzogen. Im Rahmen dieser Analyse, die vor allem zum Ziel hat den<br />

Begriff Wissen aus unterschiedlichen Blickwinkeln aufzuarbeiten, werden ausge-<br />

wählte Modelle aus fachfremden Wissensgebieten vorgestellt und die wesentlichen<br />

Wirkungszusammenhänge diskutiert.


Modelltheoretische Grundlagen für <strong>Wissensmanagement</strong> 50<br />

3 Modelltheoretische Grundlagen für <strong>Wissensmanagement</strong><br />

„Auch der naivste der naiven Realisten wird sich irgendwann einmal fragen, wie denn<br />

all die Information, die man angeblich aus der wirklichen Welt einholt, tatsächlich in<br />

das System des Individuums hineinkommt, so dass dieses Individuum schließlich<br />

eine kognitive Abbildung (Wiedergabe, Repräsentation) davon besitzt.“ (Glasersfeld,<br />

E.v.) 84<br />

In diesem Kapitel werden modellhafte Ansätze zur Beschreibung und Erklärung von<br />

Aspekten des <strong>Wissensmanagement</strong>s vorgestellt. Die Tiefe und der Umfang der ge-<br />

wählten Darstellungen beschränkt sich auf ausgewählte Inhalte, die für den weiteren<br />

Fortgang der Arbeit von Relevanz sind. Zur Darstellung dieser Wissensgebiete wird<br />

auf die interdisziplinäre Wissenschaft der Systemtheorie aufgebaut. In Abbildung 3-1<br />

werden die wesentlichen Inhalte dieses Kapitels anhand einer systemischen Betrachtungsweise<br />

aufgelistet.<br />

Art der Systembetrachtung<br />

Nervensystem <strong>mit</strong><br />

vernetzten Neuronen<br />

Selbstorganisiertes,<br />

autopoietisches System<br />

Triviale und nichttriviale<br />

Maschine<br />

Elementare Funktionen Vertreter<br />

Neuronale Aktivität wird über Perzeptoren angeregt.<br />

Neuronale Informationsverarbeitung basiert<br />

auf elektrochemischen Reaktionen<br />

Strukturdeterminierte, lebende Systeme als Folge<br />

ihrer autopoietischen Organisation<br />

Wissen wird vom denkenden Subjekt aktiv in<br />

kreiskausalen kognitiven Prozessen aufgebaut.<br />

Kognition dient der Organisation der Erfahrungswelt<br />

des Subjekts. Dies wird durch das Zusammenspiel<br />

von Motorium und Sensorium erreicht.<br />

Abbildung 3-1: Elementare Funktionen der betrachteten Systeme<br />

Shatz, C.J.;<br />

Vester, F.<br />

Maturana, H.R.;<br />

Varela, F.J.<br />

Foerster, H.v.;<br />

Glasersfeld,<br />

E.v.<br />

Die Frage, wo Wissen entsteht, führt zum Ausgangspunkt vieler Überlegungen zum<br />

Thema Wissen, und zwar in die Wissenschaftsdisziplin der Neurophysiologie. Darauf<br />

aufbauend sind die Kognitionstheorie von Maturana/Varela 85 und die konstruktivisti-<br />

¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯<br />

84 Glasersfeld, E.v.: Wissen, Sprache und Wirklichkeit: Arbeiten zum radikalen Konstruktivismus, Wissenschaftstheorie,<br />

Wissenschaft und Philosophie, Vol. 24, Braunschweig/Wiesbaden 1987, S. 138<br />

85 Vgl. Maturana, H.R.; Varela, F.J.: Der Baum der Erkenntnis - Die biologischen Wurzeln menschli-<br />

chen Erkennens, Bern/München 1987


Modelltheoretische Grundlagen für <strong>Wissensmanagement</strong> 51<br />

sche Erkenntnistheorie von Heinz v. Foerster 86 wesentliche gedankliche Eckpfeiler<br />

des hier erarbeiteten Bezugsrahmens zur Analyse und Gestaltung von Wissenssy-<br />

stemen. Mit zunehmender Abstraktion der Betrachtungen von der empirischen Basis<br />

der Neurophysiologie aus werden weitere Wissenschaftszweige ins Spiel gebracht,<br />

die letztendlich einen Ansatz für <strong>Wissensmanagement</strong> als interdisziplinär erarbeitetes<br />

„Metawissen“ beschreiben.<br />

3.1 Einführung in die Systemtheorie<br />

Die Systemtheorie ist eine Formal-Wissenschaft, die eine einheitliche Terminologie<br />

und Methodologie anbietet, um komplexe Zusammenhänge darstellen und diskutie-<br />

ren zu können. In ihrer Funktion als interdisziplinäre Wissenschaft stellt sie quasi ei-<br />

ne „Meta-Theorie“ zur Modellierung biologischer, mechanischer aber auch sozialer<br />

Systeme zur Verfügung. Es ist dadurch möglich, Erscheinungen in ihrer Gleichartig-<br />

keit besser zu erkennen und die Prinzipien von Ganzheiten, unabhängig von der Art<br />

der Elemente, Beziehungen und Kräfte, zu untersuchen (Güldenberg, S.). 87<br />

Das Wort „System“ selbst stammt vom griechischen „systema“, was soviel bedeutet<br />

wie „aus mehreren Teilen zusammengesetztes, gegliedertes Gebilde“. 88 Im deut-<br />

schen Sprachraum versteht man unter einem System: „...ein in sich geschlossenes,<br />

geordnetes und gegliedertes Ganzes; eine Gesamtheit, ein Gefüge von Teilen, die<br />

voneinander abhängig sind, ineinandergreifen oder zusammenwirken.“ (Wahrig, G.) 89<br />

Haberfellner 90 definiert ein System als „... die Gesamtheit von Elementen, die <strong>mit</strong>einander<br />

durch Beziehungen verbunden sind.“<br />

Das Verhalten des Systems wird vom Zusammenwirken aller Elemente beeinflusst<br />

(Ulrich, H.). 91 Diese „Vernetzung“ durch Beziehungen bzw. Relationen muss nicht<br />

unbedingt in greifbarer oder sichtbarer Form vorliegen, sondern kann auch aus Wirkungen<br />

bestehen.<br />

Ein System ist so<strong>mit</strong> ein dynamisches Ganzes, das als solches bestimmte Eigen-<br />

schaften und Verhaltensweisen besitzt. Es besteht aus Elementen, welche so <strong>mit</strong>-<br />

¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯<br />

86 Vgl. die Sammlung von Aufsätzen und Vorträgen von Heinz v. Foerster, in Schmidt S.J. (Hrsg.):<br />

Wissen und Gewissen, 4. Auflage, Frankfurt a. Main 1997<br />

87 Vgl. Güldenberg, S.: <strong>Wissensmanagement</strong> und Wissenscontrolling in lernenden Organisationen -<br />

Ein systemtheoretischer Ansatz, Wien 1997, S. 51<br />

88 Vgl. o.V.: Meyers kleines Lexikon der Philosophie, Mannheim 1987<br />

89 Wahrig, G.: Deutsches Wörterbuch, 2. Auflage, Wien 1980, S. 3653<br />

90 Haberfellner, R.: Die Unternehmung als dynamisches System - Der Prozesscharakter der Unternehmungsaktivitäten,<br />

2. Auflage, Zürich 1975, S. 6<br />

91 Vgl. Ulrich, H.: Anleitung zum ganzheitlichen Denken und Handeln, zitiert in: Böhm, R.; u.a.: Systementwicklung<br />

in der Wirtschaftsinformatik, 2. Auflage, Zürich 1993, S. 2f


Modelltheoretische Grundlagen für <strong>Wissensmanagement</strong> 52<br />

einander verknüpft sind, dass keines der Elemente von anderen Elementen unab-<br />

hängig ist (vgl. Abbildung 3-2). Je nach der Betrachtungsebene kann jedes Element<br />

eines Systems wiederum als (Sub-) System betrachtet werden.<br />

Elemente<br />

E<br />

E<br />

E E<br />

(System) Umwelt<br />

E<br />

E<br />

E<br />

System<br />

Abbildung 3-2: Bestimmungsgrößen eines Systems<br />

3.1.1 Allgemeine Eigenschaften und Merkmale von Systemen<br />

E<br />

E<br />

Beziehungen<br />

E<br />

E<br />

Systemgrenze<br />

Für die Untersuchung von Systemen kann es hilfreich sein, neben der sehr allgemei-<br />

nen Definition eine weitere Differenzierung von Eigenschaften vorzunehmen. Nach-<br />

folgend werden daher einige wichtige Eigenschaften von Systemen angeführt und<br />

erläutert (Güldenberg, S. bzw. Haberfellner, R.): 92<br />

Offene oder geschlossene Systeme<br />

Die Abgrenzung eines Systems gegenüber dem Systemumfeld ist eines der charak-<br />

teristischen Kennzeichen des Systems. Wenn nun diese Systemgrenze durchlässig<br />

ist, also einzelne Systemelemente <strong>mit</strong> dem Systemumfeld Beziehungen unterhalten,<br />

so spricht man von offenen Systemen. Im gegenteiligen Fall spricht man von geschlossenen<br />

Systemen.<br />

Daraus lässt sich folgern, dass geschlossene Systeme keinem übergeordneten Su-<br />

persystem angehören können. Hingegen können offene Systeme Bestandteil eines<br />

¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯<br />

92 Vgl. Güldenberg, S.: <strong>Wissensmanagement</strong> und Wissenscontrolling in lernenden Organisationen -<br />

Ein systemtheoretischer Ansatz, Wien 1997, S. 55ff, bzw. Haberfellner, R.: Die Unternehmung als<br />

dynamisches System - Der Prozesscharakter der Unternehmungsaktivitäten, 2. Auflage, Zürich<br />

1975, S. 18ff


Modelltheoretische Grundlagen für <strong>Wissensmanagement</strong> 53<br />

umfassenderen Supersystems sein. Sie können aber auch gleichberechtigt neben<br />

anderen Systemen stehen und zu diesen Beziehungen unterhalten.<br />

Deterministische oder probabilistische Systeme<br />

Von einem deterministischen System spricht man, wenn in einem System die Syste-<br />

melemente in vollständig vorhersagbarer Weise aufeinander einwirken. Daher wird<br />

bei solchen Systemen, unabhängig davon ob es sich um statische oder dynamische<br />

Systeme handelt, eine Vorherberechnung ihres zukünftigen Verhaltens möglich sein.<br />

Adaptive oder lernfähige Systeme<br />

Adaptive Systeme haben die Eigenschaft, Veränderungen, welche außerhalb ihrer<br />

Systemgrenzen stattfinden, wahrzunehmen, und sich diesen, soweit es für sie mög-<br />

lich ist, durch Veränderungsprozesse anzupassen. Lernfähige Systeme besitzen zu-<br />

sätzlich zur adaptiven, und da<strong>mit</strong> reaktiven, eine antizipative Lernfähigkeit, welche<br />

systemexterne Veränderungsprozesse sowohl vorwegnehmen als auch beeinflussen<br />

kann.<br />

Selbstorganisierende bzw. strukturdeterminierte Systeme<br />

Diese Art von Systemen ist für die weiteren Ausführungen von besonderer Bedeu-<br />

tung. Das kennzeichnende Merkmal selbstorganisierender bzw. strukturdeterminier-<br />

ter Systeme ist, dass die einzelnen Systemelemente ohne zentrale Steuerungsin-<br />

stanz, also ohne übergeordnete Systemeinheit, überleben. Strukturdeterminierte Sy-<br />

steme können sich ausschließlich innerhalb einer bestimmten Variation ändern, welche<br />

durch die Organisation der Systeme determiniert wird.<br />

Organismen können als Vertreter dieser Systeme betrachtet werden. Strukturell ist<br />

ein Organismus <strong>mit</strong> seiner Umwelt gekoppelt. Die Umwelt wird auf mikroskopischer<br />

Ebene als besondere „Störung“ wahrgenommen. Seine Organisation bleibt unverän-<br />

dert und sichert sein Überleben, indem die Grenze zur Umwelt fortwährend aufrechterhalten<br />

wird.


Modelltheoretische Grundlagen für <strong>Wissensmanagement</strong> 54<br />

3.2 Neurophysiologische Grundlagen<br />

„Wenn wir nämlich in der Tat den Begriff der Ware <strong>mit</strong> Namen »Information«, die in<br />

einem Prozess <strong>mit</strong> Namen Kommunikation den Besitzer wechselt, aufgeben müssen,<br />

dann müssen wir auch die Strategie entwickeln, die uns erlaubt, nach Prozessen innerhalb<br />

unser selbst zu forschen.“ (Foerster, H.v.) 93<br />

In der Neurophysiologie ist Wissen untrennbar <strong>mit</strong> dem dafür zuständigen menschli-<br />

chen Organ verknüpft: dem Gehirn. Diese komplexe neuronale Struktur <strong>mit</strong> ihren<br />

mehr als 100 Milliarden Nervenzellen, die in komplizierten Mustern <strong>mit</strong>einander ver-<br />

netzt sind, ist die Zentrale aller kognitiven Prozesse. Auf dieser Betrachtungsebene<br />

verliert der Begriff der „Realität“ gänzlich an Bedeutung. Jede kognitive Aktivität kann<br />

auf ein „Feuern“ von Neuronen zurückgeführt werden.<br />

Obwohl in diesem Zweig der Wissenschaften in den letzten Jahrzehnten große Fort-<br />

schritte gemacht wurden, gibt es auf dieser Ebene noch zahlreiche „weiße Flecken“,<br />

die es zu erforschen gilt. Nachfolgend soll ein kurzer Überblick über grundlegende<br />

Funktionsweisen eines neuronalen Systems gegeben werden.<br />

Einer früheren Theorie zufolge war man der Meinung, dass sich die Nervenzellen<br />

des Gehirns im Verlauf der fötalen Reifung nach einem vorgegebenen Schaltplan<br />

quasi selbst verdrahten. Demnach müsste aber die gesamte Struktur des Gehirns in<br />

der Erbsubstanz – der DNA (Desoxyribonukleinsäure) – niedergelegt sein und erst<br />

wenn die Verschaltung komplett sei, beginne das Gehirn zu arbeiten.<br />

Neuere Forschungsergebnisse auf diesem Gebiet haben aber ergeben, dass die<br />

Gehirnentwicklung völlig anders abläuft: Die neuronalen Verbindungen bilden ein<br />

vorläufiges Muster, dass nur eine grobe Annäherung an den Endzustand darstellt.<br />

Auch wenn ein Säugling zwar <strong>mit</strong> fast allen Nervenzellen auf die Welt kommt, beträgt<br />

seine Gehirnmasse doch nur ein Viertel der eines Erwachsenen.<br />

Das Gehirn vergrößert sich danach dadurch, weil seine Nervenzellen wachsen und<br />

sich viele der Fortsätze und Verknüpfungen erst nach der Geburt bilden. Eine Ver-<br />

mehrung der Neuronen <strong>mit</strong> zunehmendem Alter würde bewirken, dass gleichzeitig<br />

auch entsprechend viele Zellen absterben und da<strong>mit</strong> auch das bis dahin aufgebaute<br />

Wissen verloren wäre (Vester, F.). 94<br />

¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯<br />

93 Foerster, H.v.: Epistemologie der Kommunikation, in Schmidt S.J. (Hrsg.): Wissen und Gewissen,<br />

4. Auflage, Frankfurt a. Main 1997, S. 273<br />

94 Vgl. Vester, F.: Denken, Lernen, Vergessen, 26. Auflage, München 1999, S. 37f


Modelltheoretische Grundlagen für <strong>Wissensmanagement</strong> 55<br />

Während der ersten Wochen der embryonalen Entwicklung müssen viele Sinnesor-<br />

gane erst <strong>mit</strong> den Verarbeitungszentren des sich ausbildenden Gehirns verbunden<br />

werden. Der Embryo ist darauf angewiesen, dass bei seiner weiteren Entwicklung<br />

genügend Neuronen <strong>mit</strong> den entsprechenden Verbindungen an den richtigen Stellen<br />

entstehen. Nach den Erkenntnissen der Gehirnforscher wird die richtige Verschal-<br />

tung des Gehirns aber nur durch bestimmte Stimulation erreicht. So müssen z.B.<br />

Kinder, um sich normal entwickeln zu können, Reize durch Berührung, Sprache und<br />

Bilder empfangen.<br />

Abbildung 3-3: Modell der neuronalen Informationsverarbeitung (Shatz, C.J.) 95<br />

¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯<br />

95 Vgl. Shatz, C.J.: Das sich entwickelnde Gehirn; in: Singer, W. (Hrsg.): Gehirn und Bewußtsein, Hei-<br />

delberg 1994, S. 10


Modelltheoretische Grundlagen für <strong>Wissensmanagement</strong> 56<br />

Dringt man noch tiefer in diese Mikrowelt ein, kann man ein Modell der Informations-<br />

verarbeitung im menschlichen Gehirn beschreiben, das in Abbildung 3-3 detailliert<br />

dargestellt ist. Ausgangspunkt der Beschreibung des Prozesses der Informationsver-<br />

arbeitung ist die kleinste Einheit: das Neuron - die Nervenzelle. Wird ein Neuron er-<br />

regt, so leitet sie Signale in Form elektrischer Impulse an andere Neuronen weiter. In<br />

der Fachsprache der Neurobiologie wird dieser Vorgang auch als das „Feuern“ eines<br />

Neurons bezeichnet. Die dadurch ausgelöste Erregungswelle - auch Aktionspotenzial<br />

genannt - pflanzt sich über die als Axon bezeichnete Nervenfaser fort und wird an<br />

den Kontaktstellen - den Synapsen - zu nachgeschalteten Zellen in Form von elek-<br />

trochemischen Signalen über<strong>mit</strong>telt. Dies geschieht dadurch, dass an der Sender-<br />

seite der Synapse Botenstoffe (Neurotrans<strong>mit</strong>ter) als Überträger des Signals freige-<br />

setzt werden. Infolge dieser elektrochemischen Bindung können auch nachgeschal-<br />

tete Neuronen erregt werden. Ist die Erregung stark genug, können auch diese<br />

nachgeschalteten Neuronen feuern (Kotulak, R.). 96<br />

Die Zusammensetzung der Trans<strong>mit</strong>ter-Substanz und der aktuelle Ladungszustand<br />

des erregten Neurons bestimmen entscheidend, wie ein Aktionspotenzial auf ein<br />

Neuron wirkt. Das Aktionspotenzial kann sowohl hemmende als auch fördernde Ef-<br />

fekte haben und so im Zusammenspiel <strong>mit</strong> anderen ankommenden Aktionspotenzia-<br />

len ein Neuron zum „Feuern“ bewegen oder davon abhalten. Die Stärke der Entla-<br />

dung einer Nervenzelle bleibt dabei immer gleich, lediglich die Impulsfrequenz ändert<br />

sich. Je höher die Frequenz der Entladungen, umso größer ist der Reiz, der das Ner-<br />

vensystem stimuliert. Das Neuron gibt dabei nur die Reizstärke, aber nie die Art des<br />

Reizes weiter. So kann ein Neuron nicht zwischen einem Reiz aus der Retina und<br />

dem einer Tastsinneszelle unterscheiden! Diesen wichtigen Aspekt bringt Heinz v.<br />

Foerster im Satz der „Undifferenzierten Kodierung“ zum Ausdruck:<br />

„Die Erregungszustände einer Nervenzelle kodieren nicht die Natur der Erregungs-<br />

ursache. (Kodiert wird nur: ›so und soviel an dieser Stelle meines Körpers‹, aber<br />

nicht ›was‹.)“ (Foerster, H.v.) 97<br />

Etwa fünfhundert Billionen an Synapsen sorgen dafür, dass wir gezielt denken und<br />

uns erinnern können. Jedes Neuron kann dazu <strong>mit</strong> bis zu zehntausend anderen Neu-<br />

ronen verbunden sein. Ein solches hochkomplexes Neuronennetzwerk wird in der<br />

Terminologie der Kognitionstheorie von Maturana/Varela als „System <strong>mit</strong> autopoieti-<br />

scher Organisation“ bezeichnet (vgl. Abschnitt 3.3).<br />

¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯<br />

96 Vgl. Kotulak, R.: Die Reise ins Innere des Gehirns, Paderborn 1998, S. 30<br />

97 Foerster, H.v.: Kybernetik einer Erkenntnistheorie, in Schmidt S.J. (Hrsg.): Wissen und Gewissen,<br />

4. Auflage, Frankfurt a. Main 1997, S. 56 (Hervorhebung im Original kursiv)


Modelltheoretische Grundlagen für <strong>Wissensmanagement</strong> 57<br />

ca. 10 2 bit/s<br />

Abbildung 3-4: Der Flaschenhals der Datenreduktion (Vester, F.) 98<br />

Interessant festzustellen ist dabei, dass nur etwa 0,1% der menschlichen Nerven-<br />

zellen eine Verbindung über sensorische Rezeptoren zur „Außenwelt“ haben. Setzt<br />

man dies in Relation zu den Häufigkeiten der internen neuronalen Vernetzung, so<br />

kann festgestellt werden, dass die Empfindlichkeit des Nervensystems auf Verände-<br />

rungen der Innenwelt 100.000 mal höher ist als die Empfindlichkeit gegenüber Ver-<br />

änderungen der Außenwelt. Dies kann als maßgebliches Indiz für die Relevanz der<br />

konstruktivistischen Erkenntnistheorie interpretiert werden.<br />

In Abbildung 3-4 wird eine weitere wichtige Eigenschaft neuronaler Informationsver-<br />

arbeitung skizziert, die in un<strong>mit</strong>telbarem Zusammenhang <strong>mit</strong> der zuvor beschriebe-<br />

nen Eigenschaft des Nervensystems steht. Betrachtet man die „Schnittstelle“ zur<br />

Umwelt genauer, kann festgestellt werden, dass über die sensorischen Rezeptoren<br />

zwar Signale aufgenommen werden. Das Ziel der kognitiven Informationsverarbei-<br />

tung ist dabei nicht die Erfassung einer möglichst großen Datenmenge, sondern eine<br />

Minimierung der einströmenden Signale auf das notwendige Maß, um den gewünschten<br />

Wissenszuwachs realisieren zu können.<br />

Es wird daher der über unsere Sinnesorgane einfließende Signalstrom auf ca. ein<br />

Zehnmillionstel der ursprünglichen Menge reduziert (Vester, F.). 99 Der verbleibende<br />

¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯<br />

98 Vgl. Vester, F.: Die Kunst vernetzt zu Denken, Stuttgart 1999, S. 23<br />

99 Vgl. Vester, F.: a.a.O., S. 23


Modelltheoretische Grundlagen für <strong>Wissensmanagement</strong> 58<br />

Teil wird dann im Gehirn durch Assoziationsvorgänge <strong>mit</strong> bekanntem, gehirneigenem<br />

Wissen vernetzt. Dieser „Flaschenhals der Datenreduktion“ ermöglicht dem Nerven-<br />

system sehr effizient ein Abbild der „Wirklichkeit“ zu konstruieren. Durch diese Art<br />

der Reduktion von Komplexität sind Lebewesen in der Lage eine Gesamtheit schon<br />

<strong>mit</strong> wenigen Ordnungsparametern zu erkennen. Der dazu inverse Vorgang kann bei<br />

der Steuerung des Motoriums festgestellt werden.<br />

3.2.1 Organisationsmodelle des Gehirns<br />

Ausgehend von der Betrachtung der Mikrowelt der Neuronen werden nachfolgend<br />

ausgewählte Gehirnmodelle zur Erklärung von Gehirnfunktionen vorgestellt. Diese<br />

Modelle beschreiben die Organisation einzelner Funktionen des menschlichen Gehirns<br />

und deren lokale Zuordnung auf unterscheidbare Teile des Gehirns.<br />

Das Gehirnmodell von Vester<br />

Abbildung 3-5: Das Gehirnmodell von Vester 100<br />

¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯<br />

100 Vgl. Vester, F.: Denken, Lernen, Vergessen, 26. Auflage, München 1999, S. 169


Modelltheoretische Grundlagen für <strong>Wissensmanagement</strong> 59<br />

Frederic Vester 101 bringt in sein Modell (vgl. Abbildung 3-5) vor allem die zeitliche<br />

Komponente der Wissensverarbeitung bzw. Wissensspeicherung <strong>mit</strong> ins Spiel und<br />

unterscheidet dabei folgende Bereiche der individuellen Wissensbasis:<br />

? Ultrakurzzeit-Gedächtnis (UZG)<br />

? Kurzzeit-Gedächtnis (KZG)<br />

? Langzeit-Gedächtnis (LZG)<br />

Alle Sinneswahrnehmungen bzw. alle Signale, die im Informationsprozess über das<br />

Sensorium vom Menschen aufgenommen werden, passieren zuerst das Ultrakurzzeit-Gedächtnis.<br />

1 2<br />

3 4<br />

Wahrnehmung<br />

Bei fehlendem Kontext klingen aufgenommene Signale im Ultrakurzzeit-Gedächtnis nach wenigen Sekunden ab<br />

Abbildung 3-6: Signalfilterung im Ultrakurzzeit-Gedächtnis (Vester, F.) 102<br />

Empirische Untersuchungen haben gezeigt, dass diese erste Anregung kognitiver<br />

Aktivität nach spätestens 20 Sekunden wieder abklingt und da<strong>mit</strong> nicht mehr verfüg-<br />

bar ist, wenn keine Verknüpfung <strong>mit</strong> der bestehenden menschlichen Wissensbasis<br />

hergestellt werden kann (vgl. Abbildung 3-6). Diese Stufe bildet da<strong>mit</strong> einen Filter,<br />

der den Menschen vor zu starker Belastung durch Information schützt.<br />

Wenn ein Kontextwissen im Gehirn vorhanden ist, wird das Signal <strong>mit</strong> diesem ver-<br />

netzt, und es entsteht neues Wissen durch Veränderung der individuellen Wissens-<br />

basis. Die Speicherung bzw. der Übergang vom Ultrakurzzeit-Gedächtnis zum Lang-<br />

zeit-Gedächtnis erfolgt über die Stufe des Kurzzeit-Gedächtnisses. Im Kurzzeit-<br />

Gedächtnis erfolgt die Vorbereitung zur permanenten Vernetzung des neuen Wis-<br />

sensinhaltes im Langzeitgedächtnis. Dabei wird das aufgenommene Signal in einer<br />

Zeitspanne von ca. 20 Minuten durch biochemische Prozesse materialisiert (vgl.<br />

Abbildung 3-7).<br />

¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯<br />

101 Vgl. Vester, F.: Denken, Lernen, Vergessen, 26. Auflage, München 1999, S. 116ff<br />

102 Vgl. Vester, F.: a.a.O., S. 59


Modelltheoretische Grundlagen für <strong>Wissensmanagement</strong> 60<br />

Im Langzeitgedächtnis wird der Informationsprozess durch neuronale Vernetzung<br />

des materialisierten Signals <strong>mit</strong> der bestehenden Wissensbasis beendet. Auch im<br />

Langzeitgedächtnis kann Wissen nach längeren Zeitspannen verloren bzw. verges-<br />

sen werden. Versuche <strong>mit</strong>tels der Methode Hypnose haben allerdings gezeigt, dass<br />

dieses Wissen nicht gänzlich verloren ist, sondern meist nur die Zugänglichkeit blok-<br />

kiert wird. So war es den Versuchspersonen möglich im hypnotisierten Zustand auf<br />

Wissen zuzugreifen, das bislang im „Normalzustand“ nicht mehr erreichbar war.<br />

1 2<br />

3 4<br />

Wahrnehmung<br />

vorhandenes Kontextwissen<br />

Verknüpfung (Assoziation) Verankerung (im Speicher)<br />

Erfolgreiche Aufnahme und Vernetzung eines Signals <strong>mit</strong> bestehendem Kontextwissen<br />

Abbildung 3-7: Signalvernetzung im Ultrakurzzeit-Gedächtnis (Vester, F.) 103<br />

Das Gehirnmodell von Sperry<br />

Das bekannteste Organisationsmodell des Gehirns geht auf die Arbeiten von Roger<br />

Sperry 104 zurück. Er weist anhand von Experimenten <strong>mit</strong> Menschen, denen aus me-<br />

dizinischen Gründen (Epilepsie) das verbindende Nervenfaserbündel (Corpus callo-<br />

sum) zwischen den beiden Hälften der Neokortex operativ durchtrennt wurde, nach,<br />

dass linke und rechte Gehirnhälfte auf bestimmte Funktionen spezialisiert sind.<br />

Während die linke Hälfte der Großhirnrinde auf lineares Denken, das Bilden von Ur-<br />

sache-Wirkungsmustern spezialisiert zu sein scheint, herrscht in der rechten Hälfte<br />

eine Präferenz für ganzheitliches Denken, d.h. intuitives Erkennen von gesamthaften<br />

Zusammenhängen vor.<br />

Bedingt durch unser Bildungssystem, das auch eher sequentiell und nach themati-<br />

schen Schwerpunkten organisiert ist und große Schwächen in der gesamthaften,<br />

vernetzten Betrachtungsweise aufweist, wird vor allem der Funktionsbereich der lin-<br />

ken Gehirnhälfte angesprochen und trainiert. Mit zunehmendem Lebensalter kann<br />

¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯<br />

103 Vgl. Vester, F.: Denken, Lernen, Vergessen, 26. Auflage, München 1999, S. 59<br />

104 Vgl. Sperry, R., zitiert in: Herrmann, N.: Das Ganzhirn-Konzept für Führungskräfte, Wien 1997,<br />

S. 37


Modelltheoretische Grundlagen für <strong>Wissensmanagement</strong> 61<br />

daher auch eine Einschränkung der kreativen Fähigkeiten von Menschen beobachtet<br />

werden (Herrmann, N.). 105<br />

Das Gehirnmodell von MacLean<br />

Paul MacLean 106 beschreibt ein Modell des dreieinigen Gehirns, das spezialisierte<br />

Funktionsbereiche des Gehirns auf die menschliche Evolution zurückführt. Dabei<br />

wird davon ausgegangen, dass sich das menschliche Gehirn vom Reptilien-Gehirn<br />

über das limbische Gehirn schließlich zur Neokortex entwickelt hat (vgl. Abbildung<br />

3-8). Im reptilischen Teil des Gehirns, das dem von prähistorischen Reptilien und<br />

heutigen Alligatoren und Echsen ähnelt, werden Instinkte und Triebe vermutet.<br />

Abbildung 3-8: Seiten- und Vorderansicht das limbischen Gehirnmodells<br />

(MacLean, P.) 107<br />

Der darauf aufbauende limbische oder auch als mammalisch bezeichnete Bereich ist<br />

neural und synaptisch ähnlich aufgebaut, wie der Neokortex. Von den Funktionen her<br />

kann dem limbischen Gehirnteil der Sitz der menschlichen Gefühlswelt <strong>mit</strong> Funktio-<br />

nen wie z.B. Aggression, Liebe, Sexualität, etc. zugeordnet werden. Weiters wird im<br />

limbischen Bereich auch das autonome Nervensystem <strong>mit</strong> Funktionen wie z.B. At-<br />

mung, Herzschlag, Schlaf, etc gesteuert (Kotulak, R.). 108 Zusätzlich zur Steuerung<br />

unserer Emotionen trägt das limbische System auch zur Steuerung der kognitiven<br />

¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯<br />

105<br />

Vgl. Herrmann, N.: Das Ganzhirn-Konzept für Führungskräfte, Wien 1997, S. 54<br />

106<br />

Vgl. MacLean, P., zitiert in: Herrmann, N.: Kreativität und Kompetenz - Das einmalige Gehirn,<br />

Fulda 1991, S. 27<br />

107<br />

Vgl. MacLean, P., zitiert in: Herrmann, N.: a.a.O., S. 66<br />

108<br />

Vgl. Kotulak, R.: Die Reise ins Innere des Gehirns, Paderborn 1998, S. 142


Modelltheoretische Grundlagen für <strong>Wissensmanagement</strong> 62<br />

Prozesse, wie z.B. der Wissensverarbeitung im Ultrakurzzeit-, Kurzzeit- und Langzeitgedächtnis<br />

bei.<br />

Schließlich liegt über den beiden anderen Gehirnteilen der Neokortex. Hier im Groß-<br />

hirn sind die höheren Funktionen wie Wahrnehmen, Denken, Sprechen, Entschei-<br />

den, Verhaltensgenerierung und willkürliche motorische Kontrolle verankert. Wäh-<br />

rend also im limbischen Bereich eher das „Wollen“ gesteuert wird, ist die Neokortex<br />

für das „Können“ des kognitiven Subsystems zuständig. Die Neokortex macht etwa<br />

80% der gesamten Gehirnmasse aus.<br />

Zusammengefasst kann festgestellt werden, dass die Erklärbarkeit von kognitiven<br />

Prozessen auf der Ebene der neuronalen Vernetzung ihre natürlichen Grenzen hat.<br />

Bedingt ist dies durch die enorme Komplexität des betrachteten Systems „Mensch“<br />

<strong>mit</strong> geschätzten 100 Mrd. Systemelementen und einer noch größeren Anzahl an Be-<br />

ziehungen zwischen diesen Elementen. Der mikroskopische Blick auf einen Aus-<br />

schnitt dieses Systems erlaubt noch keine eindeutige Modellbildung bzw. Abstraktion<br />

auf die Organisation des Gesamtsystems.<br />

Der Umstand, dass ein System versucht seine eigene Funktionsweise zu beschrei-<br />

ben, kann als weiterer begrenzender Faktor identifiziert werden. Dabei wird quasi ein<br />

Modell des Systems innerhalb des Systems konstruiert, das zwangsläufig aus weni-<br />

ger Elementen bestehen muss, da<strong>mit</strong> es „darstellbar“ ist. Der Ausweg dazu ist nahe-<br />

liegend: man weicht auf Kosten der Exaktheit und Vergleichbarkeit auf die Untersuchung<br />

weniger komplexe Organismen, wie z.B. Tiere aus.<br />

Trotz der eingeschränkten Erklärbarkeit liefern die in Zusammenhang <strong>mit</strong> kognitiven<br />

Prozessen aufgezeigten Ursache-Wirkung Beziehungen wertvolle Erkenntnisse für<br />

die weitere Arbeit. Viele dieser Erkenntnisse liegen insbesondere der nachfolgend<br />

vorgestellten biologischen Erkenntnistheorie zugrunde.<br />

3.3 Biologische Erkenntnistheorie<br />

Der chilenische Biologe Humberto R. Maturana 109 veröffentlichte 1970 in seinem<br />

Aufsatz „Biology of Cognition“ seine Thesen über eine biologische Erkenntnistheorie.<br />

Dieser Arbeit waren jahrzehntelange neurophysiologische Experimente über die Ar-<br />

beitsweise des Nervensystems vorangegangen. In diese „Biologie der Kognition“<br />

hatte er auch neue theoretische Ansätze lebender Systeme eingearbeitet, die er<br />

später <strong>mit</strong> seinen Kollegen Varela und Uribe zur Theorie der Autopoiese (Selbster-<br />

¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯<br />

109 Vgl. Maturana, H.R.; Varela, F.J.: Der Baum der Erkenntnis - Die biologischen Wurzeln menschli-<br />

chen Erkennens, Bern/München 1987


Modelltheoretische Grundlagen für <strong>Wissensmanagement</strong> 63<br />

zeugung) ausbaute. Er baut <strong>mit</strong> seiner Kognitionstheorie un<strong>mit</strong>telbar auf die zuvor<br />

beschriebenen neurobiologischen Grundlagen auf.<br />

Den Begriff „Autopoiesis“ kreierte Maturana aus dem griechischen Wort „auto“ =<br />

“selbst“ und dem Wort „poiein“, das soviel wie „machen“ bedeutet. Ein autopoieti-<br />

sches System ist also ein System, das sich selbst erschaffen kann - ein sich selbst<br />

machendes System. Es erschafft und erhält sich selbst, indem es seine eigenen<br />

Elemente produziert. Autopoiese ist eine aus der Biologie bekannte Eigenschaft<br />

komplexer, selbstreferentieller Systeme, welche die Fähigkeit haben, ihre Organisation<br />

unabhängig von der Umwelt aufrecht erhalten zu können.<br />

Einzelne Zellen, oder auch das menschliche Nervensystem als übergeordnetes Sy-<br />

stem, sind solche autopoietischen Systeme. Sie haben eine von der Umwelt unab-<br />

hängige interne Organisation aufgebaut, welche es ihnen erlaubt, auch auf radikalste<br />

Umweltveränderungen in einem flexiblen und selbstkorrigierenden Sinne zu reagieren<br />

(Maturana, H.R.; Varela, F.J.). 110<br />

Wie jedes System wird auch das autopoietische System durch seine Elemente und<br />

die Relationen zwischen denselben definiert. Bei lebenden Systemen wird die Relati-<br />

on zwischen den Komponenten auch als Organisation bezeichnet. Da<strong>mit</strong> steht der<br />

Analytiker vor der paradoxen Situation, dass zwar das System als Ganzes die Be-<br />

standteile produziert, aber die Produktion der Bestandteile erst das System ausmacht.<br />

Daraus kann man ableiten: Die Theorie der Autopoiese bezeichnet Systeme dann als<br />

autopoietische Systeme, wenn diese jene Elemente selbst produzieren, die das System<br />

als Einheit definieren.<br />

Das besondere Merkmal der Prozesse, die eine autopoietische Organisation auf-<br />

rechterhalten, ist deren Rekursivität. Das lebende System verwirklicht seinen Lebensprozess<br />

durch eine rekursive Produktion seiner Elemente.<br />

Die Selbstreferentialität und Rekursivität von autopoietischen Prozessen in lebenden<br />

Systemen macht diese <strong>mit</strong> den Mitteln der linearen Kausalität unerklärbar. Es hängt<br />

daher ausschließlich vom Blickwinkel des Beobachters ab, was er als Ursache und<br />

was er als Wirkung in seinem Analyseziel definiert.<br />

¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯<br />

110 Vgl. Maturana, H.R.; Varela, F.J.: Der Baum der Erkenntnis - Die biologischen Wurzeln menschlichen<br />

Erkennens, Bern/München 1987, S. 50f


Modelltheoretische Grundlagen für <strong>Wissensmanagement</strong> 64<br />

3.3.1 Operationale Geschlossenheit<br />

Ein weiteres wichtiges Merkmal lebender Systeme ist ihre operationale Geschlos-<br />

senheit. Wenn man davon ausgeht, dass ein lebendes System seine autopoietische<br />

Organisation aufgrund von rekursiven Prozessen aufrecht erhält, dann kann das Sy-<br />

stem als operational geschlossen bezeichnet werden. Daraus folgt: die Prozesse im<br />

System beziehen sich nur auf Prozesse im System. Es handelt sich also bei einem<br />

solchen System um ein Netzwerk interner Relationen. Alle Systemprozesse sind nur<br />

intern <strong>mit</strong>einander verknüpft und beziehen sich aufeinander und nicht auf Externes.<br />

„Als strukturdeterminiertes Wesen hören wir, was wir hören - nicht, was andere sa-<br />

gen“ (Maturana, H.R.) 111<br />

Durch diese Abgrenzung und Randbildung entsteht ein abgeschlossenes System,<br />

eine Einheit, die nur von einem Beobachter von seiner Umwelt unterschieden werden<br />

kann. Diese Abgeschlossenheit ist Voraussetzung, da<strong>mit</strong> sich das System von seiner<br />

Umwelt abhebt. Operationale Geschlossenheit bedeutet, dass das System nur sy-<br />

stemeigene Relationen kennt und <strong>mit</strong> der Umwelt lediglich über den autonomen<br />

Rand in Verbindung tritt. Maturana bezeichnet solche Systeme, deren Umweltbezie-<br />

hungen von der Struktur der Systeme selbst bestimmt werden, als zustandsdeterminierte,<br />

strukturspezifizierte oder strukturdeterminierte Systeme.<br />

Bei strukturdeterminierten Systemen setzt der Aufbau des Systems - dessen Struktur<br />

- fest, welche Zustände es einnehmen kann. Das bedeutet gleichzeitig, dass die<br />

Struktur des Systems auch determiniert, ob und wie Umwelteinflüsse Veränderungen<br />

im System auslösen. Die Umwelt eines strukturdeterminierten Systems verursacht<br />

daher keine Zustandsänderungen im System, sondern sie kann das System nur<br />

„perturbieren“ – also Störeinflüsse setzen. Eine derartige Störung kann höchstens<br />

Auslöser, aber niemals Ursache für eine Veränderung innerhalb des Systems sein.<br />

Die Kommunikation zwischen zwei oder mehreren autopoietischen Systemen erfolgt<br />

durch strukturelle Koppelung. Diese Interaktion zweier solcher Systeme kann einen<br />

rekursiven Charakter annehmen und zum gemeinsamen strukturellen Driften führen.<br />

Dies tritt insbesondere bei der strukturellen Koppelung von Organismen <strong>mit</strong> Nerven-<br />

systemen auf (Maturana, H.R.; Varela, F.J.). 112 Der Mechanismus der Koppelung<br />

kann z.B. im Austausch von Stoffen, in der Berührung, in Gesten, Signalen oder in<br />

der Körperhaltung bestehen.<br />

¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯<br />

111 Maturana, H.R.: Was ist erkennen?, 2. Auflage, München 1997, S. 236<br />

112 Vgl. Maturana, H.R.; Varela, F.J.: Der Baum der Erkenntnis - Die biologischen Wurzeln menschlichen<br />

Erkennens, Bern/München 1987, S. 196f


Modelltheoretische Grundlagen für <strong>Wissensmanagement</strong> 65<br />

3.3.2 Kommunikation als strukturelle Koppelung<br />

Darauf aufbauend können auch soziale Phänomene erklärt werden. Die Bildung ei-<br />

nes sozialen Systems beinhaltet die dauernde strukturelle Koppelung seiner Mitglie-<br />

der. Als außenstehender Beobachter kann eine wechselseitige Koordination zwi-<br />

schen dessen Mitgliedern festgestellt werden. Dieses gegenseitige Auslösen von<br />

koordinierten Verhaltensweisen unter den Mitgliedern einer sozialen Einheit kann<br />

daher als Kommunikation verstanden werden (Maturana, H.R.; Varela, F.J.). 113<br />

Zusammenfassend kann bemerkt werden, dass lebende Systeme durch eine auto-<br />

poietische Organisation definiert sind. Die Strukturdeterminiertheit lebender Systeme<br />

ist eine Folge ihrer autopoietischen Organisation. Wenn ein strukturdeterminiertes<br />

System in eine Interaktion <strong>mit</strong> einer unabhängigen Einheit eintritt, dann sind alle Fol-<br />

gen für das System durch seine Struktur spezifiziert. Die unabhängige Einheit dient<br />

in der Interaktion lediglich als Auslöser für die Strukturveränderungen. Dieses plasti-<br />

sche, operational geschlossene System kann also autonom in seiner Umwelt existie-<br />

ren. Auch alle Zustände, die ein lebendes System einnehmen kann, werden intern<br />

durch seine Organisation und Struktur und nicht durch irgend einen externen Einfluss<br />

determiniert. Dies gilt insbesondere auch für den menschlichen Organismus.<br />

3.3.3 Kognition<br />

Für Maturana 114 ist Kognition „das Verhalten eines Systems sich selbst zu erhalten“.<br />

Kognitives Verhalten ist erfolgreiches Handeln im Sinne des Überlebens. Da<strong>mit</strong> ist<br />

eine bewusste Polarisierung zum Alltagsverständnis von Kognition, wie „Denken“,<br />

„Erkenntnis“ oder „Intelligenz“ verbunden. Kognition ist erfolgreiches Handeln im Exi-<br />

stieren als Lebewesen - ist Aufrechterhaltung der autopoietischen Organisation eines<br />

lebenden Systems. Lebende Systeme sind kognitive Systeme, und Leben als Prozess<br />

ist ein Prozess der Kognition.<br />

Verknüpft man die Kognitionstheorie von Maturana/Varela <strong>mit</strong> den neurobiologischen<br />

Grundlagen, so präsentiert sich das Nervensystem als ein Netzwerk von Neuronen,<br />

die in ihrer Gesamtheit ein autopoietisches System bilden. Die Rolle der einzelnen<br />

Nervenzellen ist dabei nicht statisch anzusehen, sondern ändert sich laufend. Da<strong>mit</strong><br />

verbunden kann auch eine Veränderung der Struktur dieses Systems sein.<br />

¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯<br />

113 Vgl. Maturana, H.R.; Varela, F.J.: Der Baum der Erkenntnis - Die biologischen Wurzeln menschlichen<br />

Erkennens, Bern/München 1987, S. 209f<br />

114 Vgl. Maturana, H.R.: Erkennen: Die Organisation und Verkörperung der Wirklichkeit, Braunschweig<br />

1982, S. 39


Modelltheoretische Grundlagen für <strong>Wissensmanagement</strong> 66<br />

Die hier beschriebene Biologie der Kognition steht in enger Beziehung zum radikalen<br />

Konstruktivismus, wie er von Ernst v. Glasersfeld und Heinz v. Foerster vertreten<br />

wird.<br />

3.4 Konstruktivistische Erkenntnistheorie<br />

„Die Umwelt, die wir wahrnehmen, ist unsere Erfindung.“ (Foerster, H.v.) 115<br />

Jean Piaget war im 20. Jahrhundert der Erste, der Wissen als Konstruktion betrach-<br />

tete. Er vertritt da<strong>mit</strong> eine zur philosophischen Denkweise, deren These die Annähe-<br />

rung der ontologischen Wirklichkeit und der vom Menschen fassbaren Erlebnisse<br />

behandelt, gänzlich konträre Theorie. Unter Ontologie 116 versteht man die Lehre vom<br />

Sein, von den Ordnungs-, Begriffs- u. Wesensbestimmungen des Seienden (ontisch:<br />

als seiend, unabhängig vom Bewusstsein existierend verstanden). Das Modell, das<br />

Piaget aus dieser Ansicht ableitete, nannte er Konstruktivismus. Der Grundgedanke<br />

dieses Modells lässt sich einfach ausdrücken: Die menschliche Vernunft ist nicht da-<br />

zu da eine vom Wissenden unabhängige, reale Welt darzustellen, sondern Hand-<br />

lungsschemata und Begriffsstrukturen aufzubauen, die sich für das Individuum im<br />

Laufe seiner Erfahrungen als brauchbar erweisen.<br />

Der Konstruktivismus ist eine Theorie des Wissens, die keinerlei ontologische An-<br />

sprüche erhebt und daher auch nicht von der Annahme einer vom Wissenden unab-<br />

hängigen Realität ausgeht. Die konstruktivistische Sichtweise ersetzt den Begriff<br />

„Realität“, wie er in der Philosophie vertreten wird, durch eine „Wirklichkeit“, die auf<br />

einem Netzwerk von Begriffen und Relationen beruht und die sich in der bisherigen<br />

Erfahrung eines Individuums mehr oder weniger bewährt haben. Diese Wirklichkeit<br />

wird induktiv aufgebaut und repräsentiert die Welt in der wir leben - unsere Erfah-<br />

rungswelt. Wissen als Resultat eines Erkenntnisprozesses ist demnach nicht ein Ab-<br />

bilden im Sinne eines Entdeckens der äußeren Wirklichkeit, sondern eine Konstruktion<br />

der Wirklichkeit (Glasersfeld, E.v.). 117<br />

Der Begriff der Viabilität, der an dieser Stelle <strong>mit</strong> „Brauchbarkeit“ übersetzt werden<br />

kann, steht für eine radikale Umgestaltung des Verhältnisses zwischen Wissen und<br />

Wirklichkeit. Eine Realitätskonstruktion ist dann viabel, wenn sie angepasst ist, das<br />

heißt, wenn sie zum erfolgreichen Überleben einer Art oder eines Subjekts beiträgt.<br />

¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯<br />

115 Foerster, H.v.: Über das Konstruieren der Wirklichkeit, in: Schmidt, S.J. (Hrsg.): Wissen und Gewissen,<br />

4. Auflage, Frankfurt a. Main 1997, S. 26<br />

116 o.V.: Duden: Das Fremdwörterbuch, Bd. 5, 3. Auflage, Mannheim/Wien/Zürich 1974<br />

117 Vgl. Glasersfeld, E.v.: Wege des Wissens – Konstruktivistische Erkundungen durch unser Denken,<br />

Heidelberg 1997, S. 51


Modelltheoretische Grundlagen für <strong>Wissensmanagement</strong> 67<br />

Wissen kommt daher nie von außen, sondern beruht grundsätzlich auf eigener Erfahrung<br />

- auf den eigenen „Konstruktionen“ (Piaget, J.). 118<br />

Auf dieser Grundlage können die Grundprinzipien des radikalen Konstruktivismus <strong>mit</strong><br />

Hilfe von Piagets Theorie der kognitiven Entwicklung wie folgt beschrieben werden<br />

(Glasersfeld, E.v.): 119<br />

1. Wissen wird nicht passiv aufgenommen, weder durch die Sinnesorgane noch<br />

durch Kommunikation. Wissen wird vom denkenden Subjekt aktiv aufgebaut.<br />

2. Die Funktion der Kognition zielt auf Anpassung oder Viabilität. Kognition dient der<br />

Organisation der Erfahrungswelt des Subjekts und nicht der "Erkenntnis" einer<br />

objektiven ontologischen Realität.<br />

In dieser konstruktivistischen Wissenstheorie kann die Brauchbarkeit von Wissen nur<br />

in der Erfahrungswelt geprüft werden. Nicht prüfen lässt sich Wahrheit im ontologischen<br />

Sinn, wie sie von der Philosophie vertreten wird.<br />

Wenn sich eine Handlungs- oder Denkweise unter bestimmten Umständen als<br />

brauchbar erweist, so heißt das noch nicht, dass sie die einzig mögliche ist. Aus kon-<br />

struktivistischer Sichtweise ist es auch illusorisch, dass Sprache die Fähigkeit habe,<br />

Begriffe und so<strong>mit</strong> Wissen von einer Person zu einer anderen zu über<strong>mit</strong>teln (Glasersfeld,<br />

E.v.). 120<br />

„Schon unter den Vorsokratikern waren einige, die ganz klar sahen, dass es eine<br />

derartige absolute Gültigkeit oder „Wahrheit“ des menschlichen Wissens nicht geben<br />

kann, denn, um sie nachzuweisen, müsste man in der Lage sein, dieses Wissen <strong>mit</strong><br />

der Realität zu vergleichen. Da wir unsere Vorstellungen jedoch stets nur <strong>mit</strong> Vor-<br />

stellungen vergleichen können, gibt es für uns keine Möglichkeit herauszufinden, ob<br />

unsere Vorstellungen Dinge repräsentieren, die in einer realen Welt „existieren“, geschweige<br />

denn, ob sie diese „wahrheitsgetreu“ wiedergeben.“ (Glasersfeld, E.v.) 121<br />

¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯<br />

118<br />

Vgl. Piaget, J.: La construction du réel chez l`enfant, Neuchâtel1937, zitiert in: Glasersfeld, E.v.:<br />

Konstruktion der Wirklichkeit und des Begriffs der Objektivität, in Gumin, H.; Meier H. (Hrsg.): Einführung<br />

in den Konstruktivismus, 4. Auflage, München 1998, S. 29<br />

119<br />

Vgl. Glasersfeld, E.v.: Radikaler Konstruktivismus: Ideen, Ergebnisse, Probleme, 2. Auflage,<br />

Frankfurt a. Main 1998, S. 96<br />

120<br />

Vgl. Glasersfeld, E.v.: Wege des Wissens – Konstruktivistische Erkundungen durch unser Denken,<br />

Heidelberg 1997, S. 166<br />

121 Glasersfeld, E.v.: a.a.O., S. 47


Modelltheoretische Grundlagen für <strong>Wissensmanagement</strong> 68<br />

Die konstruktivistische Wissenstheorie schlägt eine Brücke zwischen Natur- und Geisteswissenschaften,<br />

die durch die Arbeiten von Heinz v. Foerster 122 <strong>mit</strong>geprägt wur-<br />

de. Schon zuvor fanden viele der dabei benützten und teilweise entwickelten Begriffe<br />

Eingang in die verschiedensten Wissenschaftsgebiete, wie z.B. in der Logik und<br />

Mathematik, in Biologie und Neurophysiologie, in der Psychotherapie und Soziologie<br />

etc. Beispielhaft seien hier Begriffe, wie Rückbezüglichkeit, Rekursion, Zirkularität,<br />

Schließung und Autopoiese genannt. Dadurch wurde dieser Brückenschlag wesentlich<br />

erleichtert.<br />

Heinz v. Foerster 123 entwickelt eine Kybernetik der Erkenntnistheorie, die auf den<br />

zuvor beschrieben konstruktivistischen Ansätzen beruht. Die wesentlichen Pfeiler<br />

dieser Theorie können in zwei komplementäre Annahmen (Postulaten) zusammengefasst<br />

werden:<br />

? Das Postulat der Selbständigkeit<br />

„Ein lebender Organismus ist eine selbständige, autonome, organisatorisch geschlossene<br />

Wesenheit.“<br />

? Das Postulat der Einbezogenheit<br />

„Ein beobachtender Organismus ist selbst Teil, Teilhaber und Teilnehmer seiner<br />

Beobachtungswelt.“<br />

Die Logik, die diesen beiden Annahmen zugrunde liegt, zielt darauf ab den Konstruk-<br />

tivismus auf eine Erkenntnistheorie zu stützen, die für sich selbst eintreten kann.<br />

Da<strong>mit</strong> ist gemeint, dass die konstruktivistische Erkenntnistheorie auch Verantwortung<br />

impliziert, denn alle Aktionen des Systems wirken auf das System zurück. Kein anderer<br />

ist dafür verantwortlich, als der Ausführende selbst.<br />

Im Realismus - der „objektiven“ Betrachtungsweise - entzieht man sich der Verant-<br />

wortung durch die Einführung des Begriffs der Objektivität. Objektivität verlangt die<br />

Trennung des Beobachters vom Beobachteten. Der Beobachter nimmt da<strong>mit</strong> die<br />

Rolle eines unbeteiligten Sprachrohrs unter dem Motto ein: Nicht ich, sondern etwas<br />

anderes ist für mein Tun verantwortlich.<br />

„Es ist ein beliebtes Gesellschaftsspiel, sich der Verantwortung zu entziehen.“ (Foer-<br />

ster, H.v.) 124<br />

¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯<br />

122 Vgl. Foerster, H.v.: Entdecken oder Erfinden? Wie lässt sich Verstehen verstehen, in Gumin, H.;<br />

Meier, H. (Hrsg.): Einführung in den Konstruktivismus, 4. Auflage, München 1998, S. 41<br />

123 Vgl. Foerster, H.v.: a.a.O., S. 42f<br />

124 Foerster, H.v.: a.a.O., S. 44


Modelltheoretische Grundlagen für <strong>Wissensmanagement</strong> 69<br />

Heinz v. Foerster führt die geringe Popularität des Konstruktivismus nicht zuletzt auf<br />

die Einbeziehung der Verantwortung in das Modell zurück.<br />

Auf Basis der zuvor besprochenen, neurophysiologischen Grundlagen, entwickelt<br />

Heinz v. Foerster ein Modell der Kognition, das die sinnliche Wahrnehmung als ein<br />

rekursives „Errechnen“ von Beschreibungen der Realität betrachtet. Das Wort „Erre-<br />

chen“ versteht er in diesem Zusammenhang nicht in rein mathematischem Sinn,<br />

sondern sehr allgemein als Operation, die in der Lage ist, die beobachteten physika-<br />

lischen Objekte und deren Symbole zu transformieren, zu ordnen, oder zu modifizie-<br />

ren. Vereinfacht kann dies als ein „In-Ordnung-bringen“ oder, aus der Sicht der Sy-<br />

stemtheorie, als eine Reduktion der Systementropie verstanden werden. Der Ort der<br />

„Errechnung“ ist das kognitive Subsystem des Individuums - das Nervensystem.<br />

Die bisherigen Überlegungen waren vorrangig auf die Konstruktion von Realitäten<br />

<strong>mit</strong>tels des Sensoriums, das einem Individuum zur Verfügung steht, fokussiert. Heinz<br />

v. Foerster 125 weist in seinen Überlegungen darauf hin, dass eine Theorie der kogni-<br />

tiven Prozesse nicht allein aus einer Betrachtung des Sensoriums - des Systems der<br />

bewussten Sinneswahrnehmungen - heraus entwickelt werden kann. Vielmehr ist es<br />

notwendig, das Motorium - das System der gewollten Bewegungsabläufe - in die<br />

weiteren Überlegungen <strong>mit</strong> einzubeziehen, denn erst durch die Korrelation von Be-<br />

wegung <strong>mit</strong> den von ihr verursachten Veränderungen der Sinneswahrnehmungen<br />

wird die Konstruktion stabiler Vorstellungen möglich.<br />

Sensorium und Motorium sind in der neurophysiologischen Betrachtung getrennte<br />

Funktionsbereiche, die wie folgt <strong>mit</strong>einander in Beziehung stehen:<br />

„Der Sinn (oder die Bedeutung) der Signale des Sensoriums wird durch das Motori-<br />

um bestimmt, und der Sinn (oder die Bedeutung) der Signale des Motoriums wird<br />

durch das Sensorium bestimmt.“ (Foerster, H.v.) 126<br />

Dieser Zusammenhang ist in Abbildung 3-9 modellhaft dargestellt. Durch die zweifa-<br />

che Schließung des Systems wird die Selbstorganisation des lebenden Organismus<br />

verdeutlicht. Die Nervenimpulse, die horizontal von links nach rechts laufen, wirken<br />

auf die motorische Oberfläche (MO), deren Veränderungen (Bewegungen durch An-<br />

steuerung der Muskelfasern) un<strong>mit</strong>telbar wiederum von der sensorischen Oberfläche<br />

(SO) wahrgenommen werden.<br />

¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯<br />

125 Vgl. Foerster, H.v.: Entdecken oder Erfinden? Wie lässt sich Verstehen verstehen, in Gumin, H.;<br />

Meier, H. (Hrsg.): Einführung in den Konstruktivismus, 4. Auflage, München 1998, S. 59<br />

126 Foerster, H.v.: Kybernetik einer Erkenntnistheorie, in Schmidt S.J. (Hrsg.): Wissen und Gewissen,<br />

4. Auflage, Frankfurt a. Main 1997, S. 52


Modelltheoretische Grundlagen für <strong>Wissensmanagement</strong> 70<br />

Ein zweiter Kreislauf wird durch die Vernetzung des Zentralnervensystems <strong>mit</strong> der<br />

Neurohypophyse (Hyp) gebildet, der dazu dient die Mikro-Umwelt aller Synapsen zu<br />

steuern. Dabei laufen Impulse in vertikaler Richtung von oben nach unten und stimu-<br />

lieren die Hirnanhangdrüse (Hyp), deren Aktivität wiederum Botenstoffe in die synap-<br />

tischen Spalte befördert. Die Mikro-Umwelt der synaptischen Spalte und deren Verästelungen<br />

werden durch die geschwungenen Linien in den Spalten angedeutet.<br />

SO<br />

N<br />

Syn<br />

Hyp<br />

MO<br />

SO sensorische Oberfläche<br />

MO motorische Oberfläche<br />

N Nervenbündel<br />

Syn Synapsen (Spalten zw. den Quadraten)<br />

Hyp Hypophyse<br />

Abbildung 3-9: Modell der Organisation des Nervensystems (Foerster, H.v.) 127<br />

Es ergibt sich dadurch ein zweifach geschlossenes System, das aus der rekursiven<br />

Verknüpfung von Sensorium-Motorium und durch die Vernetzung des Zentralnerven-<br />

systems <strong>mit</strong> der Neurohypophyse gebildet wird. Um diesem funktionellen Schema<br />

auch geometrisch Rechnung zu tragen, kann die zweidimensionale Darstellung<br />

durch das „Aufwickeln“ um die beiden kreissymmetrischen Achsen in einen dreidi-<br />

mensionalen Torus übergeführt werden (vgl. Abbildung 3-10). Diese Art der Darstel-<br />

lung lässt alle künstlichen Grenzen verschwinden und verdeutlicht die doppelte<br />

Schließung des Systems. Dabei entspricht die horizontale, punktierte Naht (Äquator)<br />

¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯<br />

127 Vgl. Foerster, H.v.: Über das Konstruieren von Wirklichkeiten, in Schmidt S.J. (Hrsg.): Wissen und<br />

Gewissen, 4. Auflage, Frankfurt a. Main 1997, S. 45


Modelltheoretische Grundlagen für <strong>Wissensmanagement</strong> 71<br />

dem motorisch-sensorischen synaptischen Spalt und die horizontale Naht (Meridian)<br />

der Hypophyse.<br />

Dieses System ist nun so organisiert, dass sich stets ein kognitives Gleichgewicht<br />

der physiologischen Körperfunktionen einstellt. Es organisiert sich selbst so, dass es<br />

eine stabile Realität in kreis-kausalen Prozessen errechnet. Da<strong>mit</strong> dies möglich ist,<br />

muss das Postulat der Autonomie, das heißt die Selbstregelung, für den lebenden<br />

Organismus erfüllt sein. Eine weitere Beobachtung verdeutlicht den Begriff „rekursi-<br />

ves Errechnen“ im Zusammenhang <strong>mit</strong> dem Zentralnervensystem. Diese Beobach-<br />

tung wird auch im Satz des neurologischen (raumzeitlichen) Nahwirkungsgesetzes<br />

zum Ausdruck gebracht:<br />

Neurohypophyse<br />

motorisch-sensorischer<br />

»synaptischer Spalt«<br />

Abbildung 3-10: Modell der nervösen und hormonalen Kausalkette (Foerster, H.v.) 128<br />

„Der Erregungszustand einer Nervenzelle ist ausschließlich bedingt durch die elekt-<br />

ro-chemischen Zustandsgrößen in ihrer un<strong>mit</strong>telbaren Nachbarschaft (Mikro-Umwelt)<br />

und durch ihren (un<strong>mit</strong>telbar) vorhergehenden eigenen Erregungszustand: Es gibt<br />

keine neurologische Fernwirkung.“ (Foerster, H.v.) 129<br />

Daraus folgt auch, dass ein und dasselbe Ereignis bei verschiedenen Menschen un-<br />

terschiedliche Zustandsveränderungen des Gedächtnisses, in Abhängigkeit vom je-<br />

¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯<br />

128 Vgl. Foerster, H.v.: Kybernetik einer Erkenntnistheorie, in Schmidt S.J. (Hrsg.): Wissen und Gewissen,<br />

4. Auflage, Frankfurt a. Main 1997, S. 70<br />

129 Foerster, H.v.: a.a.O., S. 67


Modelltheoretische Grundlagen für <strong>Wissensmanagement</strong> 72<br />

weiligen Ausgangszustand, hervorrufen kann. Auf diese Überlegungen aufbauend,<br />

kann nachfolgend ein konstruktivistischer Erkenntnisbegriff definiert werden. Dabei<br />

werden die Prozesse durch die Wissen erworben wird - die kognitiven Prozesse - als<br />

algorithmische Rechenprozesse aufgefasst, die ihrerseits ebenfalls errechnet werden.<br />

3.4.1 Er-Kenntnis bzw. Wissen<br />

Zur Herleitung des konstruktivistischen Erkenntnisbegriffs wird der Prozess durch<br />

den Erkenntnis gewonnen wird, als Er-Kenntnis definiert. Gäbe es das Wort „Er-<br />

Wissen“, würde dieses den beschriebenen Sachverhalt am besten Treffen. Er-<br />

Kennen kann in konsequenter Fortführung der zuvor beschriebenen rekursiven Zusammenhänge<br />

durch folgende Definition ersetzt werden:<br />

Er-Kennen ? Er-Rechnen einer Realität<br />

Setzt man für Realität z.B. ein Objekt ein, so kommt man zum Schluss, dass nicht ein<br />

reales Objekt errechnet wird, sondern vielmehr eine Beschreibung dessen. Die Korrektur<br />

des ersten Ansatzes führt daher zu folgendem Zusammenhang:<br />

Er-Kennen ? Er-Rechnen der Beschreibung einer Realität<br />

In einer neurophysiologischen Betrachtungsweise muss konsequenterweise festge-<br />

stellt werden, dass bis zum Erhalt eines Ausgangssignals das Eingangssignal viele<br />

Modifikationsstufen durchlaufen muss. Beispielsweise entsteht ein Bild zunächst als<br />

zweidimensionale Projektion der Außenwelt auf der Netzhaut. Von dort wird eine<br />

modifizierte Beschreibung der Beschreibung über das nachgeschaltete Netzwerk<br />

weitergeleitet und so geht es über viele Stufen weiter. Daraus kann eine zweite Fassung<br />

der Definition abgeleitet werden:<br />

Er-Kennen ? Er-Rechnen einer Beschreibung<br />

Durch diese Modifizierung verschwindet der Stein des Anstoßes „die“ oder „eine“<br />

Realität aus der Formulierung. Da aber auch die Errechnung einer Beschreibung<br />

letztendlich eine Errechnung ist, kommt man zu einer Beschreibung des rekursiv ablaufenden<br />

Vorgangs des „Er-wissens“ bzw. Er-kennens:


Modelltheoretische Grundlagen für <strong>Wissensmanagement</strong> 73<br />

Er-Kennen ? Er-Rechnung einer<br />

Da<strong>mit</strong> wird also Erkenntnis bzw. der Prozess der Erwerbs von Kenntnis als rekursives<br />

Rechnen beschrieben.<br />

3.4.2 Triviale Maschine<br />

Zur Erklärung kognitiver Prozesse führt Heinz v. Foerster den Begriff des Operators<br />

ein. Da<strong>mit</strong> kann das Wesen, das betrachtet wird durch einen formalen Repräsentan-<br />

ten ersetzt und gleichzeitig eine Abstraktion der beobachteten Organismen und Sy-<br />

steme erreicht werden. Der Ausgangspunkt der Operationalisierung, und da<strong>mit</strong> auch<br />

die Theorie der trivialen und der nicht-trivialen Maschine, ist beim zuvor beschriebenen<br />

geschlossenen Wirkungskreis von Motorium und Sensorium zu finden.<br />

Den Begriff der Maschine verwendet Heinz v. Foerster in Anlehnung an Turing, der<br />

<strong>mit</strong> der „Turingmaschine“ ein weitverbreitetes Modell für die Untersuchung von algorithmisch<br />

lösbaren Problemstellungen schuf (Wegener, I.). 130 Von Foerster schließt<br />

sich der Terminologie von Turing an, verallgemeinert seine Modelle aber zu „Maschi-<br />

nen <strong>mit</strong> endlich vielen Zuständen“. Er führt dabei zwei Arten von Operatoren ein, die<br />

er durch die triviale und die nicht-triviale Maschine verkörpert (Foerster, H.v.) 131<br />

x f y<br />

Triviale Maschine<br />

(TM)<br />

F<br />

x z y<br />

Z<br />

Nicht-triviale Maschine<br />

(NTM)<br />

Abbildung 3-11: Triviale und nicht-triviale Maschine (Foerster, H.v.) 132<br />

¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯<br />

130 Vgl. Wegener, I.: Kompendium der theoretischen Informatik - Eine Ideensammlung, Stuttgart 1996<br />

131 Vgl. Foerster, H.v.: Prinzipien der Selbstorganisation im sozialen und betriebswirtschaftlichen Bereich,<br />

in Schmidt S.J. (Hrsg.): Wissen und Gewissen, 4. Auflage, Frankfurt a. Main 1997, S. 244<br />

132 Vgl. Foerster, H.v.: Mit den Augen des anderen, in Schmidt S.J. (Hrsg.): Wissen und Gewissen,<br />

4. Auflage, Frankfurt a. Main 1997, S. 357 und S. 359<br />

Z '


Modelltheoretische Grundlagen für <strong>Wissensmanagement</strong> 74<br />

Eine triviale Maschine ist durch eine eindeutige Beziehung zwischen ihrem Input (Ur-<br />

sache) und ihrem Output (Wirkung) gekennzeichnet (vgl. Abbildung 3-11). Durch diese<br />

unveränderbare Beziehung ergibt sich ein deterministisches System.<br />

Da ein einmal für einen bestimmten Input beobachteter Output durch erneute Einga-<br />

be reproduzierbar ist, lässt sich das Verhalten des Systems vorhersagen. Eine tri-<br />

viale Maschine (TM) kann also durch die Elemente Input (x), Output (y) und durch<br />

eine Operation bzw. Funktion (f) beschrieben werden. Alle TM sind daher:<br />

? geschichtsunabhängig<br />

? analytisch determinierbar<br />

? vorhersagbar<br />

Diese Zusammenhänge können am Beispiel eines Automotors veranschaulicht wer-<br />

den. Das Starten des Motors <strong>mit</strong>tels Zündschlüssels führt unabhängig von der (re-<br />

gulären) Vorverwendung des Fahrzeuges jedes mal zum selben Ergebnis: Der Motor<br />

springt an. Umgekehrt kann man vom Ergebnis „laufender Motor“ darauf schließen,<br />

dass ein Startvorgang diesen in Bewegung gesetzt haben muss.<br />

Würde der Motor aus irgend einem unerklärlichen Grund nicht wie erwartet ansprin-<br />

gen, hätte man es <strong>mit</strong> einer Art von Maschine zu tun, die für ein Auto im Allgemeinen<br />

nicht erwünscht ist. Auf diese soll nachfolgend im Detail eingegangen werden: Die<br />

nicht-triviale Maschine.<br />

3.4.3 Nicht-triviale Maschine<br />

Der grundsätzliche Unterschied zwischen der trivialen und der nicht-trivialen Maschi-<br />

ne (NTM) besteht darin, dass die Input-Output-Beziehung der NTM von der voraus-<br />

gegangenen Operation der Maschine abhängt. Das heißt, dass die in der Vergan-<br />

genheit durchlaufenen Schritte der Maschine ihr gegenwärtiges Verhalten bestim-<br />

men. Obwohl auch diese Maschinen deterministische Systeme sind, ist ihr Verhalten<br />

aufgrund der exponentiell zunehmenden Systemkomplexität nicht mehr analytisch<br />

determinierbar.<br />

Mathematisch erklärt werden kann diese erhöhte Komplexität im Unterschied zur TM<br />

durch zwei Arten von Operationen: Die Antriebsfunktion F (x,z) und die Zustands-<br />

funktion Z (x,z). Antriebs- und Zustandfunktion sind neben dem Input x zusätzlich<br />

vom internen Zustand z der Maschine abhängig. Der Output y = F (x,z) wird durch<br />

die Antriebsfunktion F bestimmt. Die Zustandsfunktion Z bestimmt den neuen internen<br />

Zustand z' = Z (x,z).


Modelltheoretische Grundlagen für <strong>Wissensmanagement</strong> 75<br />

Alle NTM sind daher:<br />

? geschichtsabhängig<br />

? analytisch nicht determinierbar<br />

? unvorhersagbar<br />

Zu diesem Typ von Maschine zählen alle lebenden sozialen Systeme. Sie sind durch<br />

eine prinzipielle Unberechenbarkeit und Undeterminiertheit gekennzeichnet. Nicht-<br />

triviale Maschinen bzw. Systeme reagieren auf externe Inputs, aber sie legen selbst<br />

fest, was sie als Input zu akzeptieren bereit sind.<br />

Wendet man diese Überlegungen auf Organisationen bzw. Unternehmungen an, fin-<br />

det man eine Vernetzung von nicht-trivialen Maschinen (Menschen) vor, die als Or-<br />

ganisationseinheiten trivialisierte Prozesse ausführen. Der Versuch der Trivialisie-<br />

rung bzw. die Vernetzung von trivialen und nicht-trivialen Komponenten zu einem<br />

soziotechnischen System erfordert eine differenzierte Betrachtung. Die Basis für die<br />

wissensbasierte Analyse von derartigen Systemen wird im Kapitel 4 beschriebenen<br />

Bezugsrahmen gelegt.<br />

3.5 Zusammenfassende Konklusionen<br />

Dieses Kapitel bietet einen Überblick über wesentliche Grundlagen und Modelle der<br />

menschlichen Kognition, die für die weitere Arbeit von Relevanz sind. Da<strong>mit</strong> soll die<br />

notwendige Grundlage für die Ausführungen im Kapitel 4 geschaffen werden.<br />

Ausgehend von neurophysiologischen Grundlagen und ausgewählten Gehirnmodel-<br />

len werden verschiedene erkenntnistheoretische Ansätze vorgestellt. In der Kognitionstheorie<br />

von Maturana/Varela wird das Nervensystem als ein Netzwerk von Neu-<br />

ronen, das in seiner Gesamtheit ein autopoietisches System bildet, aufgefasst. Auto-<br />

poiese ist eine aus der Biologie bekannte Eigenschaft komplexer selbstreferentieller<br />

Systeme, welche die Fähigkeit haben, ihre Organisation unabhängig von der Umwelt<br />

aufrecht erhalten zu können.<br />

Die da<strong>mit</strong> beschriebene Biologie der Kognition fügt sich nahtlos in das Bild des radikalen<br />

Konstruktivismus ein, wie er von Heinz v. Foerster und Ernst v. Glasersfeld<br />

vertreten wird. Der radikale Konstruktivismus beschreibt Wissen als das Resultat ei-<br />

nes geschlossenen Kreislaufs interner Operationen des Gehirns. Wissen wird darin<br />

als Resultat eines Erkenntnisprozesses gesehen, bei dem die äußere „Wirklichkeit“<br />

durch das Individuum im Gehirn konstruiert wird. Die konstruktivistische Sichtweise<br />

kann da<strong>mit</strong> als abstrahiertes und verdichtetes Modell von mikrobiologischen, autopoietischen<br />

Funktionen gesehen werden.


Modelltheoretische Grundlagen für <strong>Wissensmanagement</strong> 76<br />

Die detaillierte Analyse des menschlichen Gehirns führt zur Unterteilung des Nerven-<br />

systems in das Zentralnervensystem und weiters in einen sensorischen und in einen<br />

motorischen Teil. Das Sensorium als System der bewussten Sinneswahrnehmungen<br />

und das Motorium als System der gewollten Bewegungsabläufe arbeiten bei der<br />

Wissensentwicklung rekursiv zusammen. Denn erst durch die Korrelation von Bewe-<br />

gung <strong>mit</strong> den von ihr verursachten Veränderungen der Sinneswahrnehmungen wird<br />

die Konstruktion stabiler Vorstellungen möglich.<br />

Zur mathematischen Erklärung kognitiver Prozesse führt Heinz v. Foerster den Be-<br />

griff des Operators ein, den er in Ahnlehnung an Turing durch den Begriff der Ma-<br />

schine verkörpert. Hervorzuheben ist dabei das Modell der nicht-trivialen Maschine.<br />

Zu diesem Typ von Maschine zählen auch alle lebenden sozialen Systeme. Nicht-<br />

triviale Maschinen bzw. Systeme reagieren zwar auf externe Inputs, aber sie legen<br />

selbst fest, was sie als Input zu akzeptieren bereit sind.<br />

Folgende Erkenntnisse können aus diesem Kapitel für die weitere Arbeit abgeleitet<br />

werden:<br />

? Wissen wird vom Individuum aufgebaut bzw. konstruiert und ist daher untrennbar<br />

<strong>mit</strong> ihm verknüpft<br />

? Wissen ist angepasste (viable) Realitätskonstruktion<br />

? Der Aufbau von Wissen ist als kognitiver Prozess zu verstehen, der durch Störungen<br />

aus dem Systemumfeld ausgelöst bzw. beeinflusst wird<br />

? Ein Individuum versucht beim Wissensaufbau <strong>mit</strong> minimaler Signalaufnahme aus<br />

dem Systemumfeld auszukommen<br />

? Ein und das selbe Signal (Perturbation) aus dem Systemumfeld kann unter-<br />

schiedliche kognitive Prozesse bei unterschiedlichen Individuen auslösen<br />

? Das wiederholte Auftreten der selben Art von „Störung“ aus dem Systemumfeld<br />

bewirkt eine nachhaltige Veränderung des Systems<br />

? Lernen bzw. Wissensaufbau kann als strukturelle Änderung des Systems ver-<br />

standen werden und hängt von der bisherigen Struktur des Gehirns bzw. von der<br />

Erfahrungswelt des Individuums ab<br />

? Die Bedeutung von Wissen für ein Individuum kann nur durch die Rückkoppelung<br />

von Motorium und Sensorium geprüft werden<br />

? Die Übertragung von Wissen zwischen Individuen ist ein komplexer Vorgang der<br />

durch strukturelle Koppelung von autopoietischen Systemen beschrieben werden<br />

kann


Modelltheoretische Grundlagen für <strong>Wissensmanagement</strong> 77<br />

? Als Basis für einen Wissenstransfer zwischen Individuen müssen konsensuelle<br />

Bereiche vorhanden sein<br />

? Das Wissen eines Individuums hat eine zeitliche Dimension, die dadurch zum<br />

Ausdruck kommt, dass nur auf einen Teil des Wissensbestandes sofort zugegriffen<br />

werden kann<br />

? Es gibt Untersuchungsergebnisse, die auf örtliche, funktionale Spezialisierungen<br />

im Gehirn hinweisen<br />

? Individuen können als nicht-triviale Maschinen verstanden werden, d.h. ihr Sy-<br />

stemverhalten ist nicht vorhersehbar<br />

Aus den Erkenntnissen dieses Kapitels und den Grundlagen des Kapitels 2 soll<br />

nachfolgend die spezielle Zielsetzung dieser Arbeit abgeleitet werden.<br />

3.5.1 Spezielle Zielsetzung dieser Arbeit<br />

Im Rahmen der weiteren Arbeit soll der in Kapitel 1 vorgestellte Ansatz der Innovati-<br />

onsdienstleistung als Möglichkeit der Einbindung von extern verfügbarem Wissen<br />

weiterentwickelt werden. Die Herausforderung besteht darin, <strong>Innovation</strong>sdienstlei-<br />

stungen in betriebliche <strong>Innovation</strong>sprozesse so einzubinden, dass da<strong>mit</strong> die Innova-<br />

tionsfähigkeit der Unternehmung gestärkt wird. Die spezielle Zielsetzung und da<strong>mit</strong><br />

auch die Forschungsfragen dieser Arbeit können daher folgendermaßen formuliert<br />

werden:<br />

? In welcher Form können die modelltheoretischen Grundlagen für Wissensmana-<br />

gement in ein Gesamtkonzept zur wissensbasierten Gestaltung des Transfers<br />

von <strong>Innovation</strong>sdienstleistungen integriert werden?<br />

? Können anhand von Modellen des <strong>Wissensmanagement</strong>s Differenzierungsmerk-<br />

male gefunden werden, die eine transferbezogene Kategorisierung von <strong>Innovation</strong>sdienstleistungen<br />

ermöglicht?<br />

? Wie kann die Einbindung von <strong>Innovation</strong>sdienstleistungen in unternehmerische<br />

<strong>Innovation</strong>sprozesse auf strategischer und auf operativer Ebene erfolgen?<br />

Die Beantwortung dieser Fragestellungen ist Ziel der weiteren Kapitel. Im nachfol-<br />

genden Kapitel soll vorerst ein Bezugsrahmen als Hilfs<strong>mit</strong>tel für die wissensbasierte<br />

Gestaltung des IDL-Transfers aufgebaut werden. Dazu werden Eigenschaften und<br />

Funktionsweisen von autopoietischen Systemen auf die Ebene der Organisation<br />

übertragen. Das interdisziplinär erarbeitete „Metawissen“ über Wissen aus dem Ka-<br />

pitel 3 dient als Grundlage dafür. Dieser Bezugsrahmen soll die unterschiedlichen


Modelltheoretische Grundlagen für <strong>Wissensmanagement</strong> 78<br />

Transfer-Möglichkeiten aufzeigen und dabei auf die Besonderheiten von Wissenstransfers<br />

eingehen.<br />

Da die Einbindung von externem Wissen eine strategische Entscheidung <strong>mit</strong> weitrei-<br />

chenden Konsequenzen für Unternehmungen ist, soll in weiterer Folge ein Gestal-<br />

tungsmodell für den Prozess der Einbindung externer Leistungspotenziale von der<br />

strategischen Entscheidung bis zum Leistungstransfer konzipiert werden.


Bezugsrahmen zur Analyse und Gestaltung von Wissenssystemen 79<br />

4 Bezugsrahmen zur Analyse und Gestaltung<br />

von Wissenssystemen<br />

Wie schon in Kapitel 2 festgestellt, liegt der Schwerpunkt der derzeit vorliegenden<br />

Literatur zum Thema <strong>Wissensmanagement</strong> bei Beschreibungs- und Erklärungsmo-<br />

dellen. Ein fundiertes <strong>Wissensmanagement</strong>-Konzept erfordert die Auseinanderset-<br />

zung <strong>mit</strong> einer großen Bandbreite an Wissensgebieten. Dies reicht von der Theorie<br />

sozialer bis zur Theorie technischer Systeme. Zur Bewältigung dieser Komplexität,<br />

wird in dieser Arbeit ein systemischer Zugang gewählt, der auf die modelltheoreti-<br />

schen Grundlagen für das <strong>Wissensmanagement</strong> aufbaut, wie sie in Kapitel 3 vorgestellt<br />

wurden.<br />

4.1 Das Wissenssystem als soziotechnisches System<br />

Organisationen können als Wissenssysteme betrachtet werden. Die Systemkompo-<br />

nenten eines solchen Systems bestehen einerseits aus sozialen Systemelementen -<br />

den Menschen - und aus technischen Systemelementen. Die Verbindungen zwi-<br />

schen technischen und sozialen Elementen formen da<strong>mit</strong> ein System, das als „so-<br />

ziotechnisches System“ bezeichnet werden kann. Die Bezeichnung „soziotechnisch“<br />

macht deutlich, dass eine enge Wechselbeziehung zwischen den handelnden Men-<br />

schen einer Unternehmung und den eingesetzten Technologien besteht (Wohinz,<br />

J.W.). 133<br />

Motorisches<br />

Subsystem<br />

Soziales Subsystem<br />

Kognitives<br />

Subsystem<br />

Soziotechnisches System<br />

Abbildung 4-1: Systemhierarchie im soziotechnischen System<br />

...<br />

Technisches Subsystem<br />

¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯<br />

133 Vgl. Wohinz, J.W.: Knowledge Systems Design, INDUSCRIPT, Technische Universität Graz<br />

1999/2000, S. 5


Bezugsrahmen zur Analyse und Gestaltung von Wissenssystemen 80<br />

Fasst man die beiden Arten von Systemelementen jeweils als eigene Kategorien zu-<br />

sammen, so besteht ein soziotechnisches System aus einem sozialen und einem<br />

technischen Subsystem (vgl. Abbildung 4-1).<br />

Ein Wissenssystem kann als soziotechnisches System betrachtet werden, in dem<br />

Menschen im sozialen Subsystem (Luhmann, N.) 134 und technische Einrichtungen im<br />

technischen Subsystem als Systemelemente zueinander in einer Beziehung stehen<br />

(vgl. Abbildung 4-2). Während im sozialen Subsystem vorrangig der Transfer von<br />

Wissen von Bedeutung ist, werden zwischen Elementen des technischen Subsy-<br />

stems Nachrichten bzw. Daten, die durch Signale kodiert werden, ausgetauscht. Da-<br />

bei werden die Funktionen des technischen Subsystems vom sozialen Subsystem<br />

z.B. zur Kommunikation über große Distanzen hinweg genutzt. Durch diese Vernet-<br />

zung von Systemelementen aus dem technischen und dem sozialen Subsystem,<br />

wird die Komplexität und die Anzahl der möglichen Beziehungen erheblich erhöht.<br />

M1<br />

T2<br />

T1<br />

M2<br />

M3<br />

T3<br />

Systemgrenze<br />

Abbildung 4-2: Systemelemente im Wissenssystem (Wohinz, J.W.) 135<br />

¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯<br />

134<br />

Zur Theorie sozialer Systeme vgl. Luhmann, N.: Soziale Systeme : Grundriß einer allgemeinen<br />

Theorie, Frankfurt am Main 1987<br />

135<br />

Vgl. Wohinz, J.W.: Knowledge Systems Design, INDUSCRIPT, Technische Universität Graz<br />

1999/2000, S. 6


Bezugsrahmen zur Analyse und Gestaltung von Wissenssystemen 81<br />

Zur effektiven und effizienten Gestaltung solcher Systeme ist eine grundlegende<br />

Auseinandersetzung <strong>mit</strong> den systembestimmenden Elementen und den möglichen<br />

Relationen zwischen den Elementen erforderlich.<br />

In den nachfolgenden Abschnitten werden das soziale und das technische Subsystem<br />

und die Beziehungen zwischen deren Systemelementen im Detail beschrieben.<br />

4.2 Das technische Subsystem<br />

Wie schon im Kapitel 2 anhand der Gegenüberstellung von Computer und Gehirn<br />

festgestellt, unterscheidet sich das technische Subsystem gravierend vom sozialen<br />

Subsystem, dessen Output bei gegebenem Input nicht vorhersagbar ist. Die Ele-<br />

mente im technischen Subsystem können aus unterschiedlichsten Komponenten der<br />

technischen Infrastruktur einer Organisation bestehen. Ihnen gemeinsam sind die<br />

Eigenschaften der im Abschnitt 3.4 beschriebenen trivialen Maschine.<br />

Ihre Funktion ist daher im Idealfall immer geschichtsunabhängig, analytisch determi-<br />

nierbar und auch ihr Endzustand ist eindeutig vorhersagbar. Handelt es sich bei ei-<br />

nem Element im technischen Subsystem z.B. um einen Mikrocomputer, so wird seine<br />

Arbeitsweise durch einen Algorithmus, dessen Funktionsweise von einem Element<br />

des sozialen Subsystems entwickelt wurde, vorherbestimmt.<br />

Fax<br />

Modem<br />

Abbildung 4-3: Beispiel eines technischen Subsystems<br />

Systemgrenze


Bezugsrahmen zur Analyse und Gestaltung von Wissenssystemen 82<br />

Im Prinzip kann zum technischen Subsystem die gesamte technische Infrastruktur in<br />

allen Funktionsbereichen eines Untennehmens gezählt werden. Dazu zählen neben<br />

lokalen Computer-Netzwerken und deren Komponenten (vgl. Abbildung 4-3) auch<br />

alle Hilfs<strong>mit</strong>tel, die im Fachjargon unter der Bezeichnung Informations- und Kommu-<br />

nikationstechnologie zusammengefasst werden. Weiters ist dazu aber auch die ge-<br />

samte technische Produktionsinfrastruktur, wie z.B. CNC-Maschinen zu zählen. Die<br />

Funktionen von Elementen des technischen Subsystems sind, falls nicht ohnehin<br />

bekannt, durch Detailanalysen bestimmbar. Daher wird diesem Punkt in den weiteren<br />

Ausführungen keine besondere Aufmerksamkeit geschenkt.<br />

Im Unterschied zum sozialen System ist das technische Subsystem durch einen ho-<br />

hen Grad an Standardisierung der entsprechenden Systemelemente gekennzeich-<br />

net. Da<strong>mit</strong> wird die Verbindung und das Zusammenwirken von Elementen im techni-<br />

schen Subsystem extrem erleichtert und planbar. Stellvertretend für viele technische<br />

Standards sei hier der ISO-OSI-Standard für den Datenaustausch in Computernetz-<br />

werken, der sich sowohl im Internet als auch in den Intra- und Extranets etabliert hat,<br />

angeführt. Dies erscheint gerade durch den rasch zunehmenden Einsatz von com-<br />

putergesteuerten Ressourcen und Hilfs<strong>mit</strong>teln in Organisationen in Zusammenhang<br />

<strong>mit</strong> der Einführung von <strong>Wissensmanagement</strong> gerechtfertigt.<br />

Das ISO/OSI-Schichtenmodell<br />

Ausgehend von der Entwicklung unterschiedlicher Computer-Modelle, die in ihren<br />

Anfängen weitestgehend autark eingesetzt wurden, hat die zunehmende Notwendig-<br />

keit der Vernetzung und Datenübertragung dazu geführt, dass ein Übereinkommen<br />

über die Verbindung von zwei oder mehreren Computern erforderlich wurde. Zu die-<br />

sem Zweck setzte die International Standards Organization (ISO) 1977 ein Unterko-<br />

<strong>mit</strong>ee ein, um das Open Systems Interconnection (OSI) Modell zu entwickeln (vgl.<br />

Abbildung 4-4). Das OSI-Modell wurde 1983 zum internationalen Standard erklärt<br />

und bildet heute die Basis der Vernetzung der heterogenen Computerwelt (Jung, V.;<br />

Warnecke, H.-J.). 136<br />

Das Schichtenmodell soll es erleichtern, die komplexen Vorgänge bei der Daten-<br />

übertragung zwischen zwei Rechnern zu beschreiben, indem logische und physikali-<br />

sche Vorgänge bestimmten Schichten zugeordnet werden. Man spricht in diesem<br />

Zusammenhang von einer Schichtenhierarchie. Die wesentlichen Zusammenhänge<br />

¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯<br />

136 Vgl. Jung, V.; Warnecke, H.-J.: Handbuch für die Telekommunikation, Berlin 1998, S. 1-71f


Bezugsrahmen zur Analyse und Gestaltung von Wissenssystemen 83<br />

im Modell können durch die Begriffe Dienste, Protokolle und Schichten erklärt werden<br />

(Becker, M.; Haberfellner, R.; Liebetrau, G.): 137<br />

Anwendung<br />

Darstellung<br />

Komm.steuerung<br />

Transport<br />

Ver<strong>mit</strong>tlung<br />

Sicherung<br />

Bitübertragung<br />

Ver<strong>mit</strong>tlung<br />

Sicherung<br />

Bitübertragung<br />

Anwendungsprotokoll<br />

Darstellungsprotokoll<br />

Kommunikationssteuerungsprotokoll<br />

Transportprotokoll<br />

Ver<strong>mit</strong>tlung<br />

Sicherung<br />

Bitübertragung<br />

Anwendung<br />

Darstellung<br />

Komm.steuerung<br />

Transport<br />

Ver<strong>mit</strong>tlung<br />

Sicherung<br />

Bitübertragung<br />

Abbildung 4-4: ISO/OSI-Schichtenmodell der Datenübertragung (Stallings, W.) 138<br />

? Dienste<br />

Schichten unterschiedlicher Hierarchiestufen kommunizieren über Dienstschnitt-<br />

stellen, sogenannte „Pri<strong>mit</strong>ives“. Jede Schicht nutzt die Dienste der unter ihr lie-<br />

genden Schicht und bietet gleichzeitig der ihr übergeordneten Schicht über eine<br />

Schnittstelle Dienste an. Die zur Verfügung gestellten Dienstleistungen setzen<br />

sich da<strong>mit</strong> aus den Dienstleistungen, die innerhalb dieser Schicht erbracht wer-<br />

den und dem kumulativen Ergebnis der Dienstleistungen aller darunter liegenden<br />

Schichten, zusammen.<br />

? Protokolle<br />

Ein für eine Schicht festgelegter Satz von Regeln und Spezifikationen wird Proto-<br />

koll genannt. Schichten gleicher Ebene kommunizieren daher über eine klar defi-<br />

nierte Vereinbarung. Da<strong>mit</strong> wird es auch möglich, Regeln für bestimmte Schichten<br />

der Kommunikation festzulegen, ohne dabei die Regelgerüste der anderen<br />

Schichten anzutasten.<br />

¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯<br />

137 Vgl. Becker, M.; Haberfellner, R.; Liebetrau, G.: EDV-Wissen für Anwender - Das Informatik-<br />

Handbuch für die Praxis, 12. Auflage, Zürich 2000, S. 144<br />

138 Vgl. Stallings, W.: Operating Systems, New York 1992, S. 521


Bezugsrahmen zur Analyse und Gestaltung von Wissenssystemen 84<br />

? Schichten<br />

Alle Aufgaben, die bei einer Datenübertragung anfallen, werden auf unterschiedli-<br />

che Schichten - insgesamt sind es sieben Schichten - verteilt. Dabei erfüllen die<br />

unteren vier Schichten Transportfunktionen, die oberen drei Schichten sind an-<br />

wendungsorientiert. In Endgeräten wie Hosts oder PCs sollten für eine Kommuni-<br />

kation zwischen zwei Geräten alle Schichten vorhanden sein. Folgende Schichten<br />

werden unterschieden:<br />

- Bitübertragungsschicht bzw. physikalische Schicht (Physical Layer)<br />

Diese Schicht beschreibt die elektrischen Eigenschaften der gewählten Über-<br />

tragungsmedien und Schnittstellen, wie z.B. Kabel, Lichtwellenleiter, Interfacekarten.<br />

Ihre Aufgabe ist der Transport von Bit-Sequenzen.<br />

- Sicherungsschicht (Data Link Layer)<br />

Zu dieser Schicht gehören Prozeduren zum fehlerfreien Transport von Daten.<br />

Ihre Aufgabe ist das Erkennen und Beheben von Fehlern und die Regelung<br />

des Zugriffs auf das Medium.<br />

- Ver<strong>mit</strong>tlungsschicht (<strong>Network</strong> Layer)<br />

Diese Schicht beinhaltet Prozeduren, um Daten zwischen adressierbaren Sy-<br />

stemen austauschen zu können. Die Prozeduren werden dabei in verbin-<br />

dungslose und verbindungsorientierte Prozeduren untergliedert. Die Aufgabe<br />

dieser Schicht ist die Datenver<strong>mit</strong>tlung (Routing) und die Mehrfachausnützung<br />

von Verbindungen (Multiplexing).<br />

- Transportschicht (Transport Layer)<br />

In diese Schicht gehören Prozeduren, die eine fehlergesicherte Datenübertra-<br />

gung zwischen unterschiedlichen Systemen gewährleisten. Die Aufgaben sind<br />

Aufbau und Unterhalt einer (virtuellen) Verbindung zwischen zwei Prozessen,<br />

Fehlerkorrektur und sortierte Datenbereitstellung.<br />

- Kommunikationssteuerungsschicht (Session Layer)<br />

In dieser Schicht werden Prozeduren für den geregelten Dialog zwischen An-<br />

wendungen beschrieben. Dazu gehören der Auf- und Abbau einer Verbin-<br />

dung, die Festlegung der Form des Dialogs (voll- bzw. halbduplex) und das<br />

gezielte Aufsetzen nach einer Fehlersituation.<br />

- Darstellungsschicht (Presentation Layer)<br />

In dieser Schicht werden die Richtlinien in Hinblick auf Format bzw. Kompri-<br />

mierung, Kodierung im Zeichensatz, Verschlüsselung und Syntax der Daten<br />

festgelegt.


Bezugsrahmen zur Analyse und Gestaltung von Wissenssystemen 85<br />

- Anwendungsschicht (Application Layer):<br />

Hier werden ganz allgemein die Dienstleistungen der Kommunikations-<br />

schichten in Bezug auf die nutzbaren Anwendungen definiert. Als die derzeit<br />

am häufigsten verwendete Anwendung in Computernetzwerken kann an dieser<br />

Stelle das Electronic Mailing System (Email) angeführt werden.<br />

Nachfolgend soll ein standardisierter Datentransfer im technischen Subsystem zwi-<br />

schen zwei Computern als Systemelemente anhand des ISO/OSI-Schichtenmodell<br />

erläutert werden:<br />

Die Kommunikation findet durch Datenaustausch zwischen der Schicht n von Com-<br />

puter A und der Schicht n von Computer B statt. Im Protokoll ist festgelegt, nach wel-<br />

chen Regeln dieser abläuft, da<strong>mit</strong> die Verständigung funktioniert. Das Protokoll muss<br />

daher die Reihenfolge der auszutauschenden Daten sowie deren Inhalte und Format<br />

beschreiben, aber auch wie auf eine eingegangen Nachricht reagiert werden soll. Es<br />

handelt sich um eine horizontale Kommunikation.<br />

Zwischen den zwei gegenüberliegenden Schichten n findet jedoch keine reale Da-<br />

tenübertragung statt. Man spricht daher von einer virtuellen Kommunikation. Sie ist in<br />

der Abbildung <strong>mit</strong> gestrichelten Linien dargestellt. Statt dessen gibt jede Schicht die<br />

Daten an die unter ihr liegende Schicht bis zur Schicht 1 weiter. Unter der Schicht 1<br />

befindet sich das physikalische Medium, über das die Datenübertragung abläuft. Auf<br />

der Empfängerseite durchlaufen die Daten ebenfalls die einzelnen Schichten bis zur<br />

obersten Schicht. Der reale Datenfluss bzw. Signal-Strom ist folglich vertikal. Er ist in<br />

der Abbildung durch die durchgezogene Linie dargestellt. Für die Organisation der<br />

vertikalen Kommunikation sind die jeweiligen Dienste verantwortlich.<br />

Wie in Abbildung 4-4 angedeutet, kann der Datentransfer auch über mehrere Zwi-<br />

schenstellen bzw. Netzwerkknoten hinweg geführt werden. Dazu müssen auch diese<br />

zwischengeschalteten Elemente zumindest bis zur Ver<strong>mit</strong>tlungsschicht dem<br />

ISO/OSI-Schichtenmodell gerecht werden, da<strong>mit</strong> die Daten auch ihr Ziel erreichen.<br />

Nachdem auch in den Endgeräten der Informations- und Kommunikationstechnik die<br />

Mikrocomputertechnik die dominante Technologie ist und tendenziell ein Verschmel-<br />

zen vieler Anwendungen in einem Endgerät zu verzeichnen ist, gewinnt der ISO/OSI-<br />

Standard zum geregelten Austausch von Daten in technischen Systemen zunehmend<br />

an Bedeutung.


Bezugsrahmen zur Analyse und Gestaltung von Wissenssystemen 86<br />

4.3 Das soziale Subsystem<br />

Die Bildung eines sozialen Systems beruht auf der dauernden strukturellen Koppe-<br />

lung seiner Systemelemente (Maturana, H.R.; Varela, F.J.). 139 Jeder einzelne Orga-<br />

nismus ist nur solange Teil eines sozialen Systems, wie er Teil der wechselseitigen<br />

strukturellen Koppelung ist. Maturana 140 versteht unter einem sozialen System eine<br />

Einheit dritter Ordnung, die durch die Kopplung und rekursive Interaktion zwischen<br />

Organismen entsteht. Diese rekursive Interaktion soll nachfolgend als „soziale Vernetzung“<br />

bezeichnet werden.<br />

Der Mensch kann in dieser Systembetrachtung dem sozialen Subsystem als Syste-<br />

melement zugeordnet werden. Das soziale Subsystem hat da<strong>mit</strong> als Systemele-<br />

mente nicht-triviale Maschinen, (vgl. Abschnitt 3.4) die, auch wenn viele Manage-<br />

ment-Konzepte davon ausgehen, keiner Standardisierung unterliegen (Sch<strong>mit</strong>z, C.;<br />

Zucker, B.). 141 Vielmehr wird die Systemkomplexität eines soziotechnischen Systems<br />

gerade durch die Unberechenbarkeit der Systemelemente des sozialen Subsystems<br />

verursacht.<br />

Betrachtet man das Systemelement „Mensch“ selbst ebenfalls systemisch, so be-<br />

steht dieses wiederum aus mehreren Subsystemen (Kneer, G.; Nassehi, A.). 142 Drei<br />

dieser Subsysteme sind dabei besonders hervorzuheben:<br />

? Das sensorische Subsystem<br />

? Das motorische Subsystem<br />

? Das kognitive Subsystem<br />

Im kognitiven Subsystem kann der Mensch als Träger von Wissen – als Wissensträ-<br />

ger – gesehen werden. Im motorischen Subsystem, wo er Handlungen <strong>mit</strong> seiner<br />

Motorik ausführt, kommt ihm die Rolle des Aufgabenträgers zu. Ähnlich wie im tech-<br />

nischen Subsystem sollen nun, aufbauend auf die neurophysiologischen Grundla-<br />

gen, sowie die biologische und konstruktivistische Erkenntnistheorie, die Funktionsweise<br />

des sozialen Subsystems beschrieben werden.<br />

¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯<br />

139 Vgl. Maturana, H.R.; Varela, F.J.: Der Baum der Erkenntnis - Die biologischen Wurzeln menschlichen<br />

Erkennens, Bern/München 1987, S. 210<br />

140 Unter einer Einheit erster Ordnung wird eine Zelle, unter einer Einheit zweiter Ordnung ein Metazeller,<br />

wie z.B. ein Mensch es ist, verstanden, vgl. Vgl. Maturana, H.R.; Varela, F.J.: Der Baum der<br />

Erkenntnis - Die biologischen Wurzeln menschlichen Erkennens, Bern/München 1987, S. 89 bzw.<br />

S. 196, vgl. dazu auch Abschnitt 3.3.2<br />

141 Vgl. Sch<strong>mit</strong>z, C.; Zucker, B.: Wissen gewinnt, Düsseldorf/München 1996, S 124<br />

142 Vgl. Kneer, G.; Nassehi, A.: Niklas Luhmanns Theorie sozialer Systeme, München 1993, S. 66


Bezugsrahmen zur Analyse und Gestaltung von Wissenssystemen 87<br />

In Abbildung 4-5 wird die Signalverarbeitung im „Systemelement Mensch“, abgeleitet<br />

aus den Grundlagen des Abschnittes 3.4, skizziert. Im Mittelpunkt der Abbildung ist<br />

eine vereinfachte Darstellung des kognitiven Subsystems, wie sie in Abbildung 3-9<br />

verwendet wurde, zu sehen.<br />

Alle weiteren Überlegungen beziehen sich auf den dort behandelten ersten Regel-<br />

kreis, der zwischen motorischer und sensorischer Oberfläche verläuft. Der zweite<br />

Regelkreis in Abbildung 3-9 - die Vernetzung des Zentralnervensystems <strong>mit</strong> der Neu-<br />

rohypophyse, die dazu dient die Mikro-Umwelt der Synapsen zu steuern - wird an<br />

dieser Stelle vernachlässigt.<br />

Signalaufnahme<br />

aus der<br />

Außenwelt<br />

S<br />

N<br />

Signal-<br />

Rückwirkung<br />

M<br />

Signalabgabe<br />

an die<br />

Außenwelt<br />

Abbildung 4-5: Signalfluss zwischen kognitivem und motorischem Subsystem<br />

Wie in der Abbildung zu sehen ist, steht das Zentralnervensystem im Zentrum der<br />

Betrachtungen. In dieser Darstellung schließt an der linken Seite des Zentralnerven-<br />

systems der sensorische Bereich – das Sensorium (S) - und auf der rechten Seite<br />

der motorische Bereich – das Motorium (M) - an. Der motorische Bereich wird durch<br />

das Zentralnervensystem gesteuert. Dadurch können Handlungen in der Form von<br />

Muskelbewegungen beim Menschen bewusst ausgelöst werden. Der limbische Ge-<br />

hirnbereich, der weitestgehend autonome elementare Körperfunktionen, wie z.B. den<br />

menschlichen Blutkreislauf, steuert, wird in dieser Betrachtung nicht <strong>mit</strong> einbezogen.<br />

Für die weitere Beschreibung wird der Bereich des Zentralnervensystems als kogniti-<br />

ves Subsystem und der dadurch steuerbare motorische Bereich als motorisches<br />

Subsystem bezeichnet. Eine strukturelle Veränderung des kognitiven Subsystems<br />

wird in der Regel durch Signale aus der Umwelt, die über das Sensorium aufge-<br />

nommen werden, stimuliert. Das System erweitert seine Spektrum an möglichen in-


Bezugsrahmen zur Analyse und Gestaltung von Wissenssystemen 88<br />

neren Zuständen - es lernt durch Veränderung bzw. Aufbau von synaptischen Ver-<br />

bindungen zwischen den Neuronen. Durch diese Lernvorgänge des kognitiven Sub-<br />

systems kann auch das Handlungsspektrum des motorischen Subsystems erhöht<br />

werden.<br />

Bei der Ausführung von Handlungen - gesteuert durch das kognitive Subsystem -<br />

kommt es zur Rückkoppelung der Wirkungen des motorischen Subsystems auf das<br />

Sensorium. Diese Rückkopplung ist für den Aufbau von Wissen zwingend notwendig.<br />

Zurückzuführen ist dies wiederum auf die operationale Geschlossenheit des Sy-<br />

stems. Als Beispiel kann hier angeführt werden, dass es einem Gehörlosen nicht<br />

möglich ist die menschliche Sprache zu erlernen. Es fehlt ihm die Rückkopplung der<br />

Schallwellen auf das eigene Gehör, die dazu dient die Auswirkungen der Handlung<br />

zu bestätigen.<br />

Als Gesamtheit kann das soziale Subsystem als nicht-triviale Maschine verstanden<br />

werden. Wie bereits im vorigen Abschnitt beschrieben, ist da<strong>mit</strong> nicht vorhersehbar<br />

inwiefern eine Signalaufnahme auf das operational geschlossene System wirken<br />

wird. In der vereinfachten Darstellung (vgl. Abbildung 4-6), ohne externe Signalflüs-<br />

se, bleiben als wesentliche Elemente der Betrachtung das kognitive und das motori-<br />

sches Subsystem und deren Verknüpfungen zurück. Dies entspricht dem Zusam-<br />

menhang zwischen Motorium und Sensorium wie er bereits anhand der Abbildung<br />

3-9 erklärt wurde.<br />

S Kognitives<br />

Subsystem<br />

M<br />

Motorisches<br />

Subsystem<br />

Abbildung 4-6: Beziehung zwischen kognitivem und motorischem Subsystem<br />

Von der isolierten Beschreibung auf der Ebene der sozialen Systemelemente soll die<br />

nachfolgende Betrachtung auf das soziale System als Gesamtheit erweitert werden.<br />

Ein soziales System besteht zumindest aus zwei Systemelementen, also aus minde-


Bezugsrahmen zur Analyse und Gestaltung von Wissenssystemen 89<br />

stens zwei Menschen. Da der Mensch im sozialen System neben der Funktion als<br />

Aufgabenträger auch die Funktion eines Wissensträgers hat, ist diese Betrachtung<br />

für die weitere Arbeit von besonderem Interesse.<br />

4.3.1 Wissenstransfer im sozialen Subsystem<br />

Wie schon im Kapitel 2 beschrieben, wird in dieser Arbeit davon ausgegangen, dass<br />

Wissen untrennbar <strong>mit</strong> dem Menschen in Verbindung steht. Daher kann ein Wissen-<br />

stransfer nur zwischen zwei oder mehreren Menschen stattfinden. Nachfolgend sol-<br />

len die Möglichkeiten des Transfers von Wissen zwischen zwei Systemelementen<br />

des sozialen Subsystems beispielhaft beschrieben werden. Da es sich dabei um die<br />

Vernetzung von zwei operational geschlossenen Systemen handelt, ist es für die<br />

Transparenz der Ausführungen wiederum zweckmäßig auf der Ebene der sozialen<br />

Subsysteme aufzubauen.<br />

Systemelement A Systemelement B<br />

Motorisches<br />

Subsystem<br />

Kognitives<br />

Subsystem<br />

S<br />

Signalstrom<br />

von A nach B<br />

Signalstrom<br />

von B nach A<br />

S<br />

Kognitives<br />

Subsystem<br />

Motorisches<br />

Subsystem<br />

Abbildung 4-7: Signalstrom zwischen zwei Elementen eines sozialen Systems<br />

In Abbildung 4-7 sind zwei Systemelemente eines sozialen Systems gegenüberge-<br />

stellt. Diese zwei autopoietischen, operational geschlossenen Systeme können, nach<br />

dem neurologischen Nahwirkungsgesetz, lediglich über Motorium und Sensorium in<br />

Interaktion treten. Diese Interaktion zwischen zwei Systemelementen eines sozialen<br />

Systems kann als Kommunikation bezeichnet werden:


Bezugsrahmen zur Analyse und Gestaltung von Wissenssystemen 90<br />

„Unter Kommunikation verstehen wir dabei das gegenseitige Auslösen von koordi-<br />

nierten Verhaltensweisen unter den Mitgliedern einer sozialen Einheit.“ (Maturana,<br />

H.R.; Varela) 143<br />

Die Form der Interaktion bzw. gegenseitigen Mitteilung ist dabei nicht alleine auf die<br />

Sprache beschränkt.<br />

„...das Material jeglicher Kommunikation sind keineswegs nur Worte, sondern auch<br />

paralinguistische Phänomene, wie z.B. Tonfall, Schnelligkeit oder Langsamkeit der<br />

Sprache, Pausen, Lachen, Seufzen, Körperhaltung, Ausdrucksbewegungen (Körper-<br />

sprache) usw. innerhalb eines bestimmten Kontextes - kurz, Verhalten jeder Art.“<br />

(Watzlawick, P.; Beavin, J.; Jackson, D.D.) 144<br />

Da<strong>mit</strong> werden die umfassenden Möglichkeiten der verbalen und nonverbalen Kom-<br />

munikation verdeutlicht. Betrachtet man z.B. eine Kommunikationsbeziehung bei der<br />

<strong>mit</strong>tels verbaler Kommunikation zwischen zwei Wissensträgern über unsere Sprache<br />

Wissen in einem bestimmten Wissensgebiet, z.B. der Telematik, ausgetauscht werden<br />

soll, so kann dies folgendermaßen dargestellt werden (vgl. Abbildung 4-8):<br />

Wissensträger A Wissenstransfer Wissensträger B<br />

Kontext-<br />

Wissen<br />

Lernprozesse<br />

Codierung<br />

M<br />

S<br />

Signalstrom<br />

Signalstrom<br />

Decodierung<br />

S<br />

M<br />

Decodierung Codierung<br />

Abbildung 4-8: Wissenstransfer durch Kommunikation<br />

Kontext-<br />

Wissen<br />

¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯<br />

143 Vgl. Maturana, H.R.; Varela, F.J.: Der Baum der Erkenntnis - Die biologischen Wurzeln menschlichen<br />

Erkennens, Bern/München 1987, S. 210<br />

144 Watzlawick, P.; Beavin, J.; Jackson, D.D.: Menschliche Kommunikation, 9. Auflage, Seattle 1996,<br />

S. 50<br />

Lernprozesse


Bezugsrahmen zur Analyse und Gestaltung von Wissenssystemen 91<br />

Systemelement A als Sender steuert sein motorisches Subsystem so an, dass Si-<br />

gnale in der Form von Schallwellen erzeugt werden. Er codiert quasi einen Teil sei-<br />

nes Wissens im Wissensgebiet Telematik in der Form von Signalen. Diese Schall-<br />

wellen können beim Systemelement B als Empfänger wiederum nur in der Form von<br />

Signalen in sein Ultrakurzzeit-Gedächtnis aufgenommen werden. Er „decodiert“ das<br />

über Schallwellen übertragene Signal. Dazu muss eine gemeinsame Basis - ein ge-<br />

meinsamer Kontext - vorhanden sein. Das sollte in diesem Fall zumindest die gemeinsame<br />

Sprache als Basis der verbalen Kommunikation sein.<br />

Da<strong>mit</strong> die aufgenommenen Signale beim Empfänger ein annähernd identisches Wis-<br />

sen wie beim Sender hervorrufen, muss aber als weitere Voraussetzung auch ein<br />

gemeinsamer Kontext im Wissensgebiet der Telematik bestehen. Ansonsten klingt<br />

das Signal bereits im Ultrakurzzeit-Gedächtnis ab und eine materielle Vernetzung auf<br />

der Basis von synaptischen Verbindungen kann nicht mehr stattfinden.<br />

Im gesamten Ablauf findet keine direkte Vernetzung von Neuronen oder Synapsen<br />

zwischen den beiden Systemelementen A und B statt. Es gibt daher keine andere<br />

Möglichkeit der verbalen Kommunikation zwischen zwei Menschen als auf der Ebene<br />

von Signalen. Vorausgesetzt werden muss dabei ein gemeinsames Kontextwissen,<br />

das aber auch im Laufe der Kommunikation durch Lernprozesse aufgebaut werden<br />

kann, sofern ein gemeinsamer Basiskontext gefunden werden kann, der Kommunikation<br />

überhaupt ermöglicht.<br />

„Das Phänomen der Kommunikation hängt nicht von dem ab, was über<strong>mit</strong>telt wird,<br />

sondern von dem, was im Empfänger geschieht“ (Maturana, H.R.; Varela, F.J.) 145<br />

Da<strong>mit</strong> ist der Begriff „Wissenstransfer“ auch nicht als physischer Transfer, sondern<br />

als Metapher für einen Lernprozess, der zum Ziel hat Wissen zu „übertragen“, zu<br />

verstehen. Dieser Lernprozess hebt da<strong>mit</strong> das (Kontext-)Wissen in einem Wissens-<br />

gebiet beim lernenden Empfänger auf ein annähernd gleiches Niveau wie beim Sen-<br />

der. Die Rolle der Sprache ist da<strong>mit</strong> nicht die Über<strong>mit</strong>tlung von „Informationen“, son-<br />

dern sie ruft Verstehen beim Empfänger bzw. beim Zuhörer hervor. Dies funktioniert<br />

aber nur dann, wenn das Vorverständnis, das im Zuhörer bereits gegeben war, für<br />

das Verstehen ausreicht.<br />

¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯<br />

145 Maturana, H.R.; Varela, F.J.: Der Baum der Erkenntnis - Die biologischen Wurzeln menschlichen<br />

Erkennens, Bern/München 1987, S. 212


Bezugsrahmen zur Analyse und Gestaltung von Wissenssystemen 92<br />

Durch diese Darstellung wird auch die hohe Relevanz des Interaktionsmodells für<br />

<strong>Wissensmanagement</strong> bestätigt (Schneider, U.). 146 Denn nur durch Interaktion, d.h.<br />

durch die Schließung des Signalstromes kann sich der Sender davon überzeugen,<br />

ob die ausgesendeten Signale auch in seinem Sinne aufgenommen wurden. Dazu<br />

muss die Sender-Empfänger Beziehung umgekehrt werden, denn das Wissen des<br />

Empfängers wird für den Sender nur durch Handlungen wahrnehmbar. Sammer 147<br />

bezeichnet den Wissenstransfer über die Signalebene <strong>mit</strong> dem Begriff der „Wissen-<br />

sinduktion“ und bringt da<strong>mit</strong> eine Analogie zur elektromagnetischen Induktionswirkung<br />

ins Spiel, die diesen Vorgang sehr trefflich charakterisiert.<br />

4.3.2 Gegenüberstellung des sozialen und des technischen Subsystems<br />

Anhand der Detailbeschreibung des sozialen und des technischen Subsystems kön-<br />

nen einige Analogien zwischen der Datenübertragung im technischen Subsystem<br />

und dem Wissenstransfer im sozialen Subsystem gezogen werden. Hervorzuheben<br />

ist, dass bei beiden Subsystemen letztendlich die Kommunikation nur auf der Ebene<br />

von Signalen stattfindet. Diese Erkenntnis kann da<strong>mit</strong> in der Systemgestaltung, ins-<br />

besondere für die Vernetzung technischer und sozialer Systemelemente genutzt<br />

werden. Von besonderer Relevanz ist auch die Analogie der standardisierten<br />

Schichten, Dienste und Protokolle und im technischen Subsystem zum Kontextwissen<br />

im sozialen System.<br />

Während aber auf der technischen Seite der Kontext durch die sieben Schichten klar<br />

definiert ist und bereits vor dem ersten Verbindungsaufbau gegeben sein muss, kann<br />

auf der sozialen Seite nahezu jede beliebige Ausprägung des Kontextwissens durch<br />

Lernprozesse während der Kommunikation aufgebaut werden. Trotz diese Analogi-<br />

en, die vorrangig vom technischen in den sozialen Bereich übertragen wurden, um<br />

da<strong>mit</strong> dort eine plausible Funktionsdarstellung aufzeigen zu können, treffen zwei völlig<br />

unterschiedlich funktionierende Systeme aufeinander.<br />

¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯<br />

146 Vgl. Schneider, U.: Management in der wissensbasierten Unternehmung, in: Schneider, U. (Hrsg.):<br />

<strong>Wissensmanagement</strong>, Frankfurt a. M. 1996, S. 17ff<br />

147 Vgl. Sammer, M.: Wissensinduktion in Organisationen: Die wissensbasierte Netzwerkorganisation<br />

als struktureller Rahmen, Dissertation, Montanuniversität Leoben 1999, S. 58ff


Bezugsrahmen zur Analyse und Gestaltung von Wissenssystemen 93<br />

4.4 Beziehungen im soziotechnischen System<br />

Im nächsten Schritt soll die Untersuchung von der isolierten Betrachtung des sozia-<br />

len und technischen Subsystems auf das gesamte Spektrum von relevanten Bezie-<br />

hungen eines soziotechnischen Systems ausgeweitet werden. In dieser Betrachtung<br />

sind vor allem die Beziehungen zwischen den Systemelementen in Bezug auf kollektives<br />

Lernen bzw. auf die Wissensübertragung in Organisationen von Bedeutung.<br />

In Abbildung 4-9 werden die Systemelemente des soziotechnischen Systems und<br />

deren Funktionsmodelle nochmals im Detail veranschaulicht. Durch diese Darstel-<br />

lung wird klar, dass die Möglichkeiten der Interaktion zwischen einem technischen<br />

und einem sozialen Systemelement beschränkt sind und eine gemeinsame Basis zur<br />

Interaktion nur auf der Signalebene gefunden werden kann.<br />

Nicht-triviale<br />

Maschine<br />

Motorisches<br />

Subsystem<br />

Kognitives<br />

Subsystem<br />

S<br />

NTM 1<br />

TM 2<br />

TM 1<br />

NTM 2<br />

NTM 3<br />

TM 3<br />

Triviale<br />

Maschine<br />

Anwendung<br />

Darstellung<br />

Komm.steuerung<br />

Transport<br />

Ver<strong>mit</strong>tlung<br />

Sicherung<br />

Bitübertragung<br />

Abbildung 4-9: Triviale und nicht-triviale Maschinen im soziotechnischen System<br />

In der Darstellung werden die Elemente des sozialen Subsystems als nicht-triviale<br />

Maschinen und die Elemente des technischen Subsystems als triviale Maschinen<br />

interpretiert (vgl. dazu auch Abschnitt 3.4). Daraus kann abgeleitet werden, dass die<br />

Systemgestaltung von Wissenssystemen eine äußerst komplexe Aufgabe ist, da<br />

durch die Eigenschaften der nicht-trivialen Maschine bedingt, kein kausaler Zusam-


Bezugsrahmen zur Analyse und Gestaltung von Wissenssystemen 94<br />

menhang zwischen Input und Output bzw. zwischen gesetzten Maßnahmen und erzielter<br />

Wirkung besteht.<br />

Nachfolgend soll nun untersucht werden, welche Art von Beziehungen im soziotech-<br />

nischen System generell für die Gestaltung von Relevanz sind. Zwei Arten von Be-<br />

ziehungen – der Wissenstransfer durch direkte Kommunikation zwischen Elementen<br />

des sozialen Subsystems und der Datentransfer zwischen Elementen des techni-<br />

schen Subsystems - wurden bereits in der vorangegangenen isolierten Betrachtung<br />

der beiden Subsysteme des soziotechnischen Systems erläutert.<br />

Der nächste Schritt - die Vernetzung von technischen und sozialen Systemelemen-<br />

ten - gibt in Bezug auf <strong>Wissensmanagement</strong> nur dort einen Sinn, wo technische Sy-<br />

stemkomponenten zur Unterstützung von Lernprozessen bzw. für den Wissen-<br />

stransfer im sozialen Subsystem verwendet werden. Für die Beschreibung dieser<br />

Abläufe soll vorerst nicht zwischen einer 1:1 Beziehung (ein Sender, ein Empfänger)<br />

und einer 1:n Beziehung (ein Sender, mehrere Empfänger) unterschieden werden.<br />

Die Untersuchung der 1:1 Beziehung kann ohne besondere Einschränkungen auch<br />

stellvertretend für die 1:n Beziehung herangezogen werden.<br />

4.4.1 Der Prozess der Information<br />

Aus den bisherigen Ausführungen kann abgeleitet werden, dass eine Übertragung<br />

von Wissen zwischen zwei Elementen des sozialen Subsystems nur auf Signalebene<br />

möglich ist. Wissen wird aber nicht nur durch Kommunikation „übertragen“, sondern<br />

kann auch von Einzelpersonen, z.B. durch die Interpretation von Daten im Informati-<br />

onsprozess, aufgebaut werden. Im Lernprozess selbst besteht prinzipiell kein Unter-<br />

schied, ob diese Daten z.B. in der Form von Büchern oder in elektronischer Form auf<br />

dem Bildschirm eines Personal Computers vorliegen.<br />

Im Falle eines technischen Hilfs<strong>mit</strong>tels, das selbst als Signalquelle fungiert, wie z.B.<br />

der Bildschirm eines Personal Computers, werden diese Signale vom Gerät selbst<br />

ausgesendet. Die Zeichen auf einem Blatt Papier hingegen brauchen eine zusätzli-<br />

che Signal- bzw. in diesem Falle eine Lichtquelle, da<strong>mit</strong> das menschliche Sensorium<br />

anhand der reflektierten elektromagnetischen Wellen im sichtbaren Spektralbereich<br />

die niedergeschriebenen Daten interpretieren kann. Die Übertragung von Signalen<br />

vom technischen Subsystem zum Menschen muss auf jeden Fall durch Einwirken<br />

über sein Motorium auf die Signalquelle ausgelöst werden (vgl. Abbildung 4-10).<br />

Die Signalschnittstelle zwischen technischem und sozialem Subsystem wird als Be-<br />

nutzerschnittstelle bezeichnet. Beispielsweise wird die Signalschnittstelle beim Men-<br />

schen durch sein Sensorium und bei einem Personal Computer - als Element des


Bezugsrahmen zur Analyse und Gestaltung von Wissenssystemen 95<br />

technischen Subsystems - durch die ISO/OSI-Schicht 7, also durch die Anwendungsschicht<br />

gebildet.<br />

Wissensträger<br />

Kontext-<br />

Wissen<br />

Lernprozesse<br />

M<br />

S<br />

Decodierung<br />

Einwirkung auf<br />

Systemelement<br />

Information<br />

Signalstrom<br />

Abbildung 4-10: Prozess der Information (Sammer, M.) 148<br />

Technisches Subsystem<br />

Codierung<br />

Die Aufnahme der Signale erfolgt wiederum über das Sensorium und den Filter des<br />

Ultrakurzzeit-Gedächtnisses, d.h. analog zum Kommunikationsprozess. Es muss<br />

auch hier wieder ein Kontext vorhanden sein, der eine Interpretation der Signale<br />

beim Menschen möglich macht. Von der Art der Daten (z.B. audiovisuelle oder Zei-<br />

chen auf Papier) hängt es ab, wie intensiv das Sensorium angesprochen wird. So ist<br />

z.B. die Bandbreite und das Frequenzspektrum der Signalströme im dynamischen<br />

audiovisuellen Bereich wesentlich höher als bei der Aufnahme statisch vorliegender<br />

Daten auf einem Blatt Papier.<br />

4.4.2 Der Prozess der Dokumentation<br />

Die große Vielzahl an verfügbaren Daten hilft beim Lösen von Problemen, erzeugt<br />

aber gleichzeitig ein Problem. Die verfügbare Datenflut muss einem Selektionspro-<br />

zess unterworfen werden, der Wichtiges von Unwichtigem trennt. Die Bandbreite<br />

geht dabei von den herkömmlichen Medien in der Form von Büchern, Fachzeit-<br />

schriften oder Zeitungen bis zu elektronisch gespeicherten Daten im Internet. Weiters<br />

werden wir auch zunehmend <strong>mit</strong> audiovisuellen Daten konfrontiert. Nachfolgend soll<br />

die Entstehung und die Rolle von Daten im Prozess der Dokumentation genauer betrachtet<br />

werden.<br />

¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯<br />

148 In Anlehnung an Sammer, M.: Wissensinduktion in Organisationen: Die wissensbasierte Netzwerkorganisation<br />

als struktureller Rahmen, Dissertation, Montanuniversität Leoben 1999, S. 63


Bezugsrahmen zur Analyse und Gestaltung von Wissenssystemen 96<br />

Im Hintergrund jeder Dokumentation steht das Wissen eines Individuums. Ein Indivi-<br />

duum erstellt Dokumente, indem es versucht Wissen so zu codieren, dass es für an-<br />

dere Menschen zugänglich wird. Da<strong>mit</strong> dies gelingen kann, ist eine Codierung von<br />

Wissen in Signale erforderlich, die zur Übertragung in das technische Subsystem<br />

und zur Speicherung geeignet sind (vgl. Abbildung 4-11). Das technische Subsystem<br />

kann dabei einerseits zur Speicherung von Daten verwendet werden, andererseits<br />

besteht aber auch die Möglichkeit das technische Subsystem zur Erzeugung von Signalen<br />

zu verwenden. Dies soll anhand von zwei Beispielen verdeutlicht werden:<br />

Wissensträger<br />

Kontext-<br />

Wissen<br />

Lernprozesse<br />

Codierung<br />

M<br />

S<br />

Signalstrom<br />

Einwirkung auf<br />

Systemelement<br />

Dokumentation<br />

Technisches Subsystem<br />

Decodierung und<br />

Speicherung<br />

Abbildung 4-11: Prozess der Dokumentation (Sammer, M.) 149<br />

Erfolgt die Codierung in der Form von Sprache, so kann auch diese auf einem Da-<br />

tenträger gespeichert werden. Dazu ist nach der Codierung ein Signalstrom vom<br />

Menschen zum technischen Subsystem in der Form von Schallwellen notwendig.<br />

Das technische Subsystem hingegen muss über geeignete Sensoren verfügen, da-<br />

<strong>mit</strong> die Schallwellen in eine speicherbare physikalische Größe decodiert werden<br />

können.<br />

Wenn man aber z.B. ein Kehlkopfmikrophon benutzt, sind für die Generierung von<br />

Daten aus der menschlichen Sprache auch keine Schallwellen notwendig. Die Codie-<br />

rung erfolgt dabei direkt über das Motorium. Ein Übertragungskanal <strong>mit</strong> dem Medium<br />

Luft ist dazu nicht erforderlich.<br />

¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯<br />

149 In Anlehnung an Sammer, M.: Wissensinduktion in Organisationen: Die wissensbasierte Netzwerkorganisation<br />

als struktureller Rahmen, Dissertation, Montanuniversität Leoben 1999, S. 63


Bezugsrahmen zur Analyse und Gestaltung von Wissenssystemen 97<br />

Der Begriff Signal wird daher für diese Betrachtung weiter gefasst. In der Nachrichtentechnik<br />

wird der Begriff Signal als „die Darstellung einer Nachricht durch physikali-<br />

sche Größen“ definiert (Jung, V.; Warnecke, H.-J.). 150 Da<strong>mit</strong> können als weiteres<br />

Beispiel auch Muskelbewegungen, die dazu notwendig sind, Zeichen <strong>mit</strong>tels einer<br />

Computer-Tastatur einzugeben, als Signalerzeugung verstanden werden. Die Si-<br />

gnale werden dabei ohne Medium direkt in das technische Subsystem eingegeben<br />

und dort weiterverarbeitet.<br />

Diesen Beispielen ist gemeinsam, dass auf jeden Fall durch den Menschen auf das<br />

technische Subsystem eingewirkt werden muss, da<strong>mit</strong> eine Signaldecodierung oder<br />

eine Speicherung von Daten erfolgen kann. Dieses Einwirken kann wiederum die<br />

Bedienung <strong>mit</strong>tels einer Tastatur sein, kann aber auch z.B. <strong>mit</strong>tels Spracherkennung<br />

erfolgen. Zusammengefasst hat der Mensch daher bei der Erzeugung und Speicherung<br />

von Daten zwei Aufgaben:<br />

1) Er muss Signale in einer für das technische Subsystem verarbeitbaren Form zur<br />

Verfügung stellen.<br />

2) Er muss auf das technische Subsystem einwirken - er muss es bedienen.<br />

Bei der Dokumentation bzw. Codierung von Wissen sollte wiederum das Kontextwis-<br />

sen des angesprochenen Leserkreises berücksichtigt werden. Das bedeutet, dass<br />

der Autor eine Vorstellung davon haben muss, welchen Mindestkontext ein Mensch<br />

als Wissensträger <strong>mit</strong>bringen muss, da<strong>mit</strong> dieser einen erfolgreichen Informationsprozess<br />

durchlaufen und Wissen aufbauen kann.<br />

Durch Dokumentation wird eine zeitliche Entkoppelung des Wissenstransfers zwi-<br />

schen Wissensträgern ermöglicht. Der Sender dokumentiert und speichert Daten, die<br />

einem Empfänger zu einem späteren Zeitpunkt im Informationsprozess einen Wis-<br />

sensaufbau ermöglichen. Zum Unterschied zur Signalkonvertierung im technischen<br />

Subsystem, wie sie z.B. bei der Telekommunikation erfolgt, werden bei der Dokumentation<br />

immer Daten permanent gespeichert.<br />

4.4.3 Wissenstransfer über Dokumentation und Information<br />

Da Daten von einem Menschen aufgrund seines Wissens erzeugt wurden, kann<br />

auch der Prozess der Dokumentation und der anschließende Prozess der Informati-<br />

on letztendlich als Wissenstransfer gesehen werden. In Abbildung 4-12 wird der Si-<br />

gnalstrom des gesamten Ablaufs skizziert. Dabei codiert Wissensträger A Wissen in<br />

der Form von Daten und speichert diese Daten im technischen Subsystem. Der Wis-<br />

¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯<br />

150 Vgl. Jung, V.; Warnecke, H.-J.: Handbuch für die Telekommunikation, Berlin 1998, S. 1-4


Bezugsrahmen zur Analyse und Gestaltung von Wissenssystemen 98<br />

sensträger B kann zeitlich entkoppelt durch die Decodierung der Signale, die er aus<br />

dem technischen Subsystem empfängt, im Informationsprozess wiederum Wissen<br />

aufbauen.<br />

Ob dieser Wissenstransfer gelingt, hängt vom Kontextwissen des Empfängers ab. Im<br />

Unterschied zur direkten Kommunikation zwischen zwei Wissensträgern, ist der Auf-<br />

bau eines Kontextwissens durch Kommunikation <strong>mit</strong> dem Wissensträger, der die Do-<br />

kumentation angefertigt hat, nur schwer möglich. Im schlimmsten Fall ist der Autor<br />

der Dokumentation überhaupt nicht mehr greifbar, um <strong>mit</strong> ihm in Interaktion treten zu<br />

können.<br />

Wissensträger A<br />

Kontext-<br />

Wissen<br />

Lernprozesse<br />

Codierung<br />

M<br />

S<br />

Signalstrom<br />

Einwirkung auf<br />

Systemelement<br />

Dokumentation<br />

W i s s e n s t r a n s f e r<br />

Decodierung<br />

Codierung<br />

Anwendung<br />

Darstellung<br />

Komm. steuerung<br />

Transport<br />

Ver<strong>mit</strong>tlung<br />

Sicherung<br />

Bitübertragung<br />

Bitübertragung<br />

Anwendungsprotokoll<br />

Ver<strong>mit</strong>tlung<br />

Sicherung<br />

Darstellungsprotokoll<br />

Kommunikationssteuerungsprotokoll<br />

Ver<strong>mit</strong>tlung<br />

Sicherung<br />

Bitübertragung<br />

Anwendung<br />

Darstellung<br />

Komm. steuerung<br />

Transport<br />

Ver<strong>mit</strong>tlung<br />

Sicherung<br />

Bitübertragung<br />

Signalstrom<br />

Information<br />

Einwirkung auf<br />

Systemelement<br />

Wissensträger B<br />

Decodierung<br />

S<br />

M<br />

Codierung<br />

Abbildung 4-12: Wissenstransfer über Dokumentation und Information<br />

Transportprotokoll<br />

Kontext-<br />

Wissen<br />

Durch Einsatz von IuK-Technologien, z.B. im „Online-Chat“, ist es allerdings möglich,<br />

die zeitliche Entkoppelung nahezu auf Null zu reduzieren. Dabei erfolgt der Prozess<br />

der Dokumentation auf der Senderseite und der Prozess der Information auf der<br />

Empfängerseite je nach Übertragungszeit nahezu zeitgleich. Die (Zwischen-) Spei-<br />

cherung der Daten verliert da<strong>mit</strong> an Bedeutung. Fällt die Zwischenspeicherung der<br />

Daten überhaupt weg, so reduziert sich die Funktion des technischen Subsystems<br />

auf eine mehrfache und meist verlustbehaftete Signalkonvertierung.<br />

Da<strong>mit</strong> gehen die Prozesse Dokumentation/Information in eine Telekommunikation<br />

über. Da<strong>mit</strong> wird Kommunikation ohne Verzögerung zwischen den beiden Wis-<br />

sensträgern über das technische Subsystem hinweg möglich. In der Fachliteratur<br />

wird <strong>mit</strong> Telekommunikation der Austausch von Wissen zwischen Sender und Emp-<br />

fänger bezeichnet, wobei beide örtlich voneinander getrennt sind. Dazu stehen als<br />

Lernprozesse


Bezugsrahmen zur Analyse und Gestaltung von Wissenssystemen 99<br />

Technik sämtliche Telekommunikationsnetze und -dienste zur Verfügung. 151 Als Beispiel<br />

kann ein einfaches Telefongespräch angeführt werden.<br />

Der Wissenstransfer über das technische Subsystem kann da<strong>mit</strong> in zwei wesentliche<br />

Fälle unterschieden werden (vgl. Tabelle 4-1):<br />

? Dokumentations- und Informationsprozess<br />

? Telekommunikation<br />

Beide Fälle werden nachfolgend anhand einiger wichtiger Unterscheidungsmerkmale<br />

gegenübergestellt:<br />

Merkmale Dokumentation -<br />

Information<br />

Hauptfunktion Überbrückung von Zeit<br />

bzw. Verteilung<br />

Transfersituation zeitlich entkoppelt „online“<br />

Speicherung von Daten notwendig möglich<br />

Telekommunikation<br />

Überbrückung von Raum<br />

Aufbau von Kontextwissen nicht möglich beschränkt möglich<br />

Tabelle 4-1: Dokumentation/Information und Telekommunikation im Vergleich<br />

In der Telekommunikations-Beziehung wird im Normalfall lediglich eine Signalkon-<br />

vertierung vom Wissensträger in das technische System und umgekehrt durchge-<br />

führt. Dadurch hängt es von der Bandbreite des Kommunikationskanals im techni-<br />

schen Subsystem ab, wie umfangreich die Signalkoppelung zwischen den Wis-<br />

sensträgern erfolgen kann. Während z.B. bei einer Videokonferenz annähernd eine<br />

face-to-face Kommunikation, d.h. neben der menschlichen Sprache auch noch non-<br />

verbale Kommunikation ermöglicht wird, ist ein Telefongespräch rein auf die Sprache<br />

beschränkt.<br />

¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯<br />

151 Vgl. o.V.: Gabler Wirtschaftsinformatik Lexikon Band L-Z, 14. Auflage, Wiesbaden 1997, S. 708


Bezugsrahmen zur Analyse und Gestaltung von Wissenssystemen 100<br />

4.5 Bildung eines Bezugsrahmens<br />

Nach den detaillierten Darstellungen der Beziehungen im soziotechnischen System<br />

soll in diesem Abschnitt ein Bezugsrahmen entwickelt werden, der eine Analyse und<br />

Gestaltung von Organisationen als Wissenssystem ermöglicht.<br />

Dazu wird aufbauend auf die bisher dargestellten Beziehungen zwischen den einzel-<br />

nen Systemelementen eine abstrahierte Darstellung der 1:1 Beziehungen auf die<br />

Ebene der Organisation vorgenommen. Hilfreich für diese Abstraktion ist der Analo-<br />

gieschluss zwischen dem menschlichen Gedächtnis und der organisatorischen Wissensbasis<br />

(Sammer, M.). 152<br />

Wie bereits im vorigen Abschnitt angedeutet, besteht eine Organisation als Wissens-<br />

system aus der Vernetzung von trivialen und nicht-trivialen Maschinen (vgl.<br />

Abbildung 4-9). Für die funktionale Betrachtung auf Organisationsebene kann aus<br />

der Vernetzung der sozialen Systemelemente eine einzige nicht-triviale Maschine<br />

gebildet werden (Foerster, H.v.). 153<br />

Der Analogieschluss vom lernenden Individuum zur lernenden Organisation wird<br />

durch die biologische Erkenntnistheorie von Maturana und Varela 154 gestützt. Auch<br />

andere Autoren haben diese Idee aufgegriffen. Nonaka und Takeuchi 155 beziehen<br />

sich dabei ebenfalls auf den von Maturana und Varela verwendeten Begriff des auto-<br />

poietischen Systems:<br />

„... a knowledge-creating organization that secures autonomy may also be depicted<br />

as an „autopoietic system“...“<br />

Im nächsten Schritt wird die Funktionsdarstellung einzelner Elemente im sozialen<br />

Subsystem auf die Ebene der Organisation übertragen. Die dadurch gebildete orga-<br />

nisatorische Wissensbasis besteht daher aus der Vernetzung der einzelnen Ge-<br />

dächtnisse der sozialen Systemelemente. Weiters wird auf der Ebene der Organisa-<br />

tion aber auch ein motorisches Subsystem gebildet, das aus dem verfügbaren<br />

Handlungsspektrum aller Mitarbeiter besteht (vgl. Abbildung 4-13). Die Funktion der<br />

sensorische Oberfläche wird in dieser Betrachtung nicht mehr explizit dargestellt. Es<br />

¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯<br />

152<br />

Vgl. Sammer, M.: Wissensinduktion in Organisationen: Die wissensbasierte Netzwerkorganisation<br />

als struktureller Rahmen, Dissertation, Montanuniversität Leoben 1999, S. 81f<br />

153<br />

Vgl. Foerster, H.v.: Prinzipien der Selbstorganisation im sozialen und betriebswirtschaftlichen Bereich,<br />

in Schmidt S.J. (Hrsg.): Wissen und Gewissen, 4. Auflage, Frankfurt a. Main 1997, S. 253<br />

154<br />

Vgl. Maturana, H.R.; Varela, F.J.: Der Baum der Erkenntnis - Die biologischen Wurzeln menschlichen<br />

Erkennens, Bern/München 1987<br />

155<br />

Nonaka, I.; Takeuchi, H.: The Knowledge-Creating Company, New York/Oxford 1995, S. 76


Bezugsrahmen zur Analyse und Gestaltung von Wissenssystemen 101<br />

wird aber davon ausgegangen, dass das kognitive Subsystem über ein funktionierendes<br />

Sensorium verfügt.<br />

Diese gedankliche Auftrennung des kognitiven und motorischen Subsystems erlaubt<br />

die Zusammenfassung aller kognitiven und motorischen Potenziale einer Organisati-<br />

on in zwei unterschiedliche Bereiche die man sich anhand zweier „virtuelle Ebenen“<br />

vorstellen kann. Das einzelne Element verliert in dieser vernetzten Darstellung an<br />

Bedeutung. Die Ebene der Betrachtung richtet sich auf das Potenzial, das durch ein<br />

Kollektiv repräsentiert wird.<br />

Zur Erarbeitung eines Bezugsrahmens wird der Bereich, in dem der Mensch als Auf-<br />

gabenträger <strong>mit</strong> seinem Motorium Handlungen ausführt, als Handlungsebene be-<br />

zeichnet. Im zweiten Bereich, der aus der Vernetzung aller kognitiven Potenziale ge-<br />

bildet wird, übernimmt der Mensch die Rolle des Wissensträgers. Daher wird dieser<br />

Bereich für die weiteren Ausführungen als Wissensebene bezeichnet.<br />

Systemelement 1<br />

S S<br />

Systemelement n<br />

Motorisches<br />

Subsystem<br />

Kognitives<br />

Subsystem<br />

S<br />

Motorisches Subsystem<br />

der Organisation<br />

Wissen<br />

anwenden<br />

Abbildung 4-13: Aufbau der organisationalen Wissensbasis<br />

Wissen<br />

aufbauen<br />

Kognitives Subsystem<br />

der Organisation<br />

Handlungs- und Wissensebene bilden da<strong>mit</strong> das soziale Subsystem der Organisation<br />

als soziotechnisches System. Die Isolierung dieser beiden Bereiche in zwei „virtuelle<br />

Ebenen“ bildet die Basis für die Gestaltung von Wissenssystemen auf der Ebene von<br />

Organisationen. Ergänzend sei festgestellt, dass ein und dieselbe Person sowohl<br />

Element der Wissensebene als auch Element der Handlungsebene ist. Durch die<br />

Unterscheidung in Aufgaben- und Wissensträger wird dem Umstand Rechnung ge-<br />

tragen, dass für die Erfüllung einer bestimmten Aufgabe Aufgabenträger und Wissensträger<br />

auch unterschiedliche Personen sein können.


Bezugsrahmen zur Analyse und Gestaltung von Wissenssystemen 102<br />

Neben dem sozialen Subsystem muss in die Betrachtungen auch das technische<br />

Subsystem einbezogen werden. Das technische Subsystem als organisatorische<br />

Datenbasis bildet da<strong>mit</strong> neben der Handlungs- und der Wissensebene eine dritte<br />

Betrachtungsebene, die nachfolgend als Datenebene bezeichnet wird. Die Datene-<br />

bene wird aus technischen Elementen gebildet, die in der Lage sind Daten zu verarbeiten<br />

bzw. zu speichern.<br />

Der Vollständigkeit halber sei festgestellt, dass die technische Infrastruktur einer<br />

Unternehmung, wie das bspw. bei Produktionsmaschinen der Fall ist, auch zur Un-<br />

terstützung von Handlungen eines Individuums dienen kann. Diese Eigenschaft bzw.<br />

Funktion scheint für die Zielsetzung dieser Arbeit nicht von Bedeutung zu sein und<br />

wird daher für die weiteren Betrachtungen vernachlässigt.<br />

Handlungsebene<br />

Anwenden<br />

Wissensebene<br />

Information<br />

Datenebene<br />

Wissensgebiete<br />

Lernen<br />

Soziales Subsystem<br />

Dokumentation<br />

Technisches Subsystem<br />

Abbildung 4-14: Bezugsrahmen zur Analyse und Gestaltung von Wissenssystemen<br />

(Willfort, R.; u.a.) 156<br />

¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯<br />

156 Vgl. Willfort, R.; Sammer, M.; Hartlieb, E.; Bornemann, M.; Tuppinger, J.: <strong>Wissensmanagement</strong><br />

Grundlagen, in: Vortragsreihe des <strong>Wissensmanagement</strong> Forum Graz, URL:<br />

http://wissensmanagement.tu-graz.ac.at/wissensmanagement/events/04111999/GL-WMForum.pdf<br />

[Stand 08.09.2000]


Bezugsrahmen zur Analyse und Gestaltung von Wissenssystemen 103<br />

Alle drei beschriebenen Ebenen werden durch Beziehungen <strong>mit</strong>einander verknüpft.<br />

Für den weiteren Ausbau des Bezugsrahmens (vgl. Abbildung 4-14) werden daher<br />

die Überlegungen, die bereits für die Beziehungen im technischen und im sozialen<br />

Subsystem angestellt wurden, auf die Ebene der Organisation transformiert. Dabei<br />

sind die folgenden Prozesse von besonderer Bedeutung:<br />

? Wissen anwenden<br />

? Wissen aufbauen bzw. Lernen<br />

? Prozess der Information<br />

? Prozess der Dokumentation<br />

Nachfolgend werden diese Prozesse und der Bezug zu den einzelnen Ebenen des<br />

Bezugsrahmens im Detail beschrieben:<br />

4.5.1 Die Wissensebene<br />

Mit der Wissensebene wird in dieser Arbeit das „Gedächtnis“ einer Organisation be-<br />

schrieben. Wissen, das in der Wissensebene zur Verfügung steht, wird für die Be-<br />

wältigung der Aufgaben einer Organisation in der Handlungsebene angewendet. Da-<br />

her verbindet der Prozess „Anwenden“ die Wissensebene <strong>mit</strong> der Handlungsebene.<br />

Der Mensch agiert in der Wissensebene als Wissensträger, der durch sein Wissen<br />

selbst in der Lage ist Handlungen alleine oder im Team auszuführen und da<strong>mit</strong> Aufgaben<br />

zu lösen.<br />

Innerhalb der Wissensebene wird Wissen durch Kommunikation zwischen Individuen<br />

bzw. Wissensträgern transferiert. Durch die Vernetzung von Wissensträgern bzw.<br />

durch Kommunikation wird aber auch neues Wissen für die Organisation generiert.<br />

Innerhalb der Wissensebene kann auch der Begriff „Wissensgebiet“ definiert werden.<br />

Unter einem Wissensgebiet werden thematisch zusammenhängende Wissensanteile<br />

verstanden.<br />

Das Thema bzw. die Einteilung von Wissensgebieten kann auf allgemein anerkannte<br />

Kategorien, wie z.B. Mathematik oder Physik zurückgeführt werden. Wissensgebiete<br />

in Unternehmungen können oft auf die funktionale Struktur, wie z.B. Logistik, Rech-<br />

nungswesen, oder EDV zurückgeführt werden. Je nach Organisationsform können<br />

Wissensgebiete in Unternehmungen aber auch über mehrere Standorten verteilt<br />

sein.<br />

Als weitere Möglichkeit der Strukturierung von Wissensgebieten kann auch die Art<br />

der unternehmerischen Tätigkeit, wie z.B. Materialbehandlung, Lackieren oder Pro-


Bezugsrahmen zur Analyse und Gestaltung von Wissenssystemen 104<br />

grammierung gesehen werden. Auf jeden Fall werden unterschiedliche Wissensge-<br />

biete einer Organisation durch Vernetzung von Wissensträgern in der Wissensebene<br />

repräsentiert (vgl. Abbildung 4-15).<br />

Vernetzung<br />

Abbildung 4-15: Entstehung von Wissensgebieten<br />

Wissensgebiet A<br />

Wissensgebiet B<br />

Die Pflege und der Ausbau von Wissensgebieten in Unternehmungen ist da<strong>mit</strong> ei-<br />

nerseits von individuellen Lernprozessen, andererseits aber auch von der Abstim-<br />

mung und Vernetzung zwischen den einzelnen Wissensträgern eines Wissensge-<br />

bietes abhängig. In der Gesamtheit kann da<strong>mit</strong> der Begriff des kollektiven Lernens<br />

beschrieben werden. Wissensträger eines Wissensgebietes müssen dazu konsensuelle<br />

Bereiche ausbilden, die als Voraussetzung für die Vernetzung zu sehen sind.<br />

4.5.2 Die Handlungsebene<br />

Wissen kann wertschöpfend, aber auch wertvernichtend sein. Seinen tatsächlichen<br />

Wert entfaltet Wissen erst in der Ausführung von Handlungen. Durch die hier gebil-<br />

dete organisationale Handlungsebene wird das Handlungsspektrum einer Organisa-<br />

tion für die Bewältigung ihrer Aufgaben beschrieben. Diese Handlungen werden<br />

durch die Wissensebene gesteuert, indem das Motorium eines Individuums aktiviert<br />

wird. Handlungen, die bewusst ausgeführt werden - und nur solche sind Gegenstand<br />

der hier angestellten Betrachtungen - werden daher erst durch das entsprechende<br />

Wissen ermöglicht.<br />

Bei der Lösung von Aufgaben wird Wissen bzw. werden Erfahrungen aufgebaut und<br />

da<strong>mit</strong> neue Erkenntnisse für zukünftige Handlungen erlernt. Diese Überlegung knüpft<br />

an die Rückkopplung zwischen Motorium und Sensorium eines Individuums, wie sie


Bezugsrahmen zur Analyse und Gestaltung von Wissenssystemen 105<br />

in Abschnitt 3.4 beschrieben wurde, an. Handlungen in einer Organisation sind in der<br />

Regel dazu da Teilaufgaben eines Gesamtprozesses zu bearbeiten. Innerhalb dieser<br />

Prozesse arbeiten unterschiedliche Aufgabenträger in ihrer jeweiligen speziellen<br />

Funktion zusammen. Da<strong>mit</strong> können Lernprozesse, die auf Handlungen beruhen, auf<br />

organisationaler Ebene folgende Wirkungen haben:<br />

1) Nur das ausführende, handelnde Individuum lernt<br />

2) Handlungen werden im Team ausgeführt und rufen da<strong>mit</strong> Lernprozesse bei mehreren<br />

Mitgliedern eines Teams hervor<br />

Unabhängig davon wird für die weitere Gestaltung des Bezugsrahmens die Hand-<br />

lungsebene <strong>mit</strong> der Wissensebene über den Prozess „Lernen“ verknüpft. Dieser<br />

Kreislauf Wissen anwenden - Wissen durch Handlungen aufbauen bzw. erlernen,<br />

wird rekursiv durchlaufen. Da<strong>mit</strong> ist gemeint, dass jeder neue Zyklus, der durchlaufen<br />

wird, auf die Ergebnisse bzw. Erkenntnisse des letzten Zyklus aufbaut. Durch diesen<br />

dynamischen Prozess bedingt, unterliegt die Wissensebene einem ständigen Änderungsprozess.<br />

4.5.3 Die Datenebene<br />

Die Datenebene wird einerseits durch Teile von Ressourcen des technischen Subsy-<br />

stems gebildet, die in der Lage sind Daten zu verarbeiten. Andererseits zählen alle<br />

Dokumente zur Datenebene einer Organisation und zwar unabhängig davon, ob die-<br />

se handschriftlich oder elektronisch angefertigt wurden. Durch die Generierung und<br />

Aufzeichnung von Daten wird das „organisatorische Gedächtnis“ unterstützt. Dies<br />

drückt sich vor allem in der Dokumentation von unternehmensrelevanten Daten aus,<br />

die es anderen Wissensträgern ermöglicht zeitlich entkoppelt im Informationsprozess<br />

wieder Wissen aufzubauen. Auch der dokumentierende Wissensträger kann anhand<br />

der aufgezeichneten Daten den Zugang zu seinem Wissen im Langzeitgedächtnis<br />

sicherstellen.<br />

Daher ist die Datenebene <strong>mit</strong> dem sozialen Subsystem über die Prozesse Doku-<br />

mentation und Information verknüpft. Im Prozess der Dokumentation werden Daten<br />

erzeugt und bei Bedarf gespeichert. Im Prozess der Information werden Daten vom<br />

Individuum in der Form von Signalen aufgenommen und da<strong>mit</strong> Wissen generiert. Da<br />

Daten innerhalb der vernetzten, technischen Infrastruktur auch leicht vervielfältigt<br />

werden können, wird dadurch auch die Verteilung von Daten an Aufgaben- bzw.<br />

Wissensträger ermöglicht. Weiters wird über die Ressourcen der Datenebene auch<br />

die Telekommunikation zwischen Wissensträgern ermöglicht.


Bezugsrahmen zur Analyse und Gestaltung von Wissenssystemen 106<br />

4.5.4 Kognitive Prozesse in der organisatorischen Wissensbasis<br />

Im Analogieschluss zu den kognitiven Prozessen des menschlichen Gehirns können<br />

da<strong>mit</strong> auch der organisatorischen Wissensbasis alle kognitiven Fähigkeiten des Individuums<br />

wie<br />

? die Fähigkeit wahrzunehmen (Auswirkungen von Handlungen zu registrieren),<br />

? die Fähigkeit aufzunehmen (Wissen in der Wissensebene zu speichern),<br />

? die Fähigkeit Schlüsse zu ziehen (Wissen zu verknüpfen, bzw. aus Handlungen in<br />

der Handlungsebene zu lernen),<br />

? Die Fähigkeit sich zu erinnern (Wissen durch Unterstützung aus der Datenebene<br />

wieder abzurufen),<br />

? Die Fähigkeit Handlungen zu steuern (Wissen in der Handlungsebene anzuwen-<br />

den)<br />

zugeordnet werden.<br />

In Ergänzung zur Definition von <strong>Wissensmanagement</strong> im Kapitel 2, kann nun Wis-<br />

sensmanagement zusammengefasst als das Management von Wissenssystemen<br />

interpretiert werden. Der hier erarbeitete Bezugsrahmen bietet die Möglichkeit einer<br />

differenzierten Gestaltung und Entwicklung von Wissenssystemen.<br />

4.6 Zusammenfassende Konklusionen<br />

Im vorliegenden Kapitel wurden ausgehend von neurophysiologischen und sy-<br />

stemtheoretischen Grundlagen über die biologische und konstruktivistische Erkennt-<br />

nistheorie ein Bezugsrahmen zur Analyse und Gestaltung von Wissenssystemen<br />

aufgebaut.<br />

Dazu wird ein Wissenssystem als soziotechnisches System betrachtet, in dem Men-<br />

schen und technische Einrichtungen als Systemelemente zueinander in Beziehung<br />

stehen. Organisationen als soziotechnische Systeme können wiederum in soziale<br />

und technische Subsysteme unterteilt werden. Der Mensch als Wissensträger steht<br />

im Mittelpunkt der Betrachtungen im sozialen Subsystem. Aus der Sichtweise der<br />

biologischen und der konstruktivistischen Erkenntnistheorie erscheint der Mensch als<br />

autopoietisches, operational geschlossenes System, dessen Input/Output-Beziehung<br />

einer nicht-trivialen Maschine entspricht.<br />

Dies führt zu einer differenzierten Betrachtung der Möglichkeiten, Wissen von einem<br />

Wissensträger zu einem anderen zu übertragen bzw. in der Organisation zu lernen.


Bezugsrahmen zur Analyse und Gestaltung von Wissenssystemen 107<br />

Dazu wird auch die Rolle des sozialen und des technischen Subsystems bis auf die<br />

Ebene der Signalübertragung hinterfragt. Diese detaillierte Darstellung der Bezie-<br />

hungen im soziotechnischen System wird als Basis für eine Abstrahierung in die or-<br />

ganisationale Dimension herangezogen. Die Erkenntnisse aus dieser Analyse fließen<br />

schließlich in die Gestaltung des Bezugsrahmens ein.<br />

Die Struktur des Bezugsrahmens unterscheidet drei elementare Gestaltungsfelder,<br />

die durch die Wissensebene, die Handlungsebene und die Datenebene gebildet<br />

werden. Die Ebenenstruktur ist den Grundfunktionen einzelner Systemelemente im<br />

soziotechnischen System nachempfunden. Dabei werden durch die Wissens- und<br />

Handlungsebene das soziale Subsystem und durch die Datenebene das technische<br />

Subsystem einer Organisation nachgebildet.<br />

Die einzelnen Ebenen des Bezugsrahmens werden durch die Prozesse „Lernen“,<br />

„Wissen Anwenden“, „Dokumentation“ und „Information“ verbunden. Den Elementen<br />

im sozialen Subsystem wird in der Handlungsebene die Rolle des Aufgabenträgers<br />

und in der Wissensebene die Rolle des Wissensträgers zugeordnet. Die Datenebene<br />

dient zur Unterstützung der Aufgaben- und Wissensträger durch die Verarbeitung,<br />

Speicherung und Verteilung von unternehmensrelevanten Daten.<br />

Durch die Beziehungen zwischen den einzelnen Ebenen und durch Vernetzung der<br />

Systemelemente innerhalb der jeweiligen Ebene können folgende Möglichkeiten der<br />

Gestaltung von Wissenssystemen differenziert werden:<br />

? Gestaltung des Prozesses der Information<br />

? Gestaltung des Prozess der Dokumentation<br />

? Gestaltung des Prozesses „Wissen anwenden“<br />

? Gestaltung des Prozesses „Wissen aufbauen bzw. Lernen“<br />

? Gestaltung des Wissenstransfers zwischen Wissensträgern in der Wissensebene<br />

? Gestaltung der Zusammenarbeit von Aufgabenträgern in der Handlungsebene<br />

? Gestaltung der Datentransfers in der Datenebene<br />

Mit dieser Auflistung von Ansatzpunkten werden die wesentlichen Gestaltungsfelder<br />

des Bezugsrahmens umrissen. Die Details der Gestaltung können aus den beschrie-<br />

benen Eigenschaften und Zusammenhängen der einzelnen Elemente im Bezugs-<br />

rahmen abgeleitet werden. Darauf wird im Kapitel 6 anhand der Gestaltung eines<br />

IDL-Transfers gesondert eingegangen.


Bezugsrahmen zur Analyse und Gestaltung von Wissenssystemen 108<br />

Im nächsten Schritt wird der Rahmen der Betrachtungen auf die Zusammenarbeit<br />

zwischen Unternehmungen erweitert. Die Vernetzung von zwei oder mehreren Un-<br />

ternehmungen kann <strong>mit</strong> Hilfe des Bezugsrahmens differenziert betrachtet werden.<br />

Dazu wird jeder Unternehmung ein eigener Bezugsrahmen zugrundegelegt. Für den<br />

Transfer von <strong>Innovation</strong>sdienstleistungen können daraus weitere Erkenntnisse und<br />

Möglichkeiten der IDL-Kategorisierung abgeleitet werden.


Die Stärkung der <strong>Innovation</strong>sfähigkeit durch <strong>Innovation</strong>sdienstleistungen 109<br />

5 Die Stärkung der <strong>Innovation</strong>sfähigkeit<br />

durch <strong>Innovation</strong>sdienstleistungen<br />

In diesem Kapitel soll der Ansatz der <strong>Innovation</strong>sdienstleistung (IDL) anhand des<br />

Bezugsrahmens des vorigen Kapitels untersucht werden. Der Zugang zum Begriff<br />

der <strong>Innovation</strong>sdienstleistung kann über die ressourcenbasierten strategischen Pla-<br />

nung gefunden werden. Dabei geht es darum, interne aber auch externe Ressourcen<br />

gezielt zur Generierung von Kernfähigkeiten bzw. „Kernkompetenzen“ einzusetzen.<br />

Darin kann eine Möglichkeit gesehen werden, der Eingangs beschriebenen Dynamik<br />

im unternehmerischen Umfeld wirkungsvoll zu begegnen.<br />

Die Konzentration auf Kernkompetenzen kann als logische Reaktion auf die zuneh-<br />

mende <strong>Innovation</strong>sdynamik gesehen werden. Man versucht die Intensität des Wett-<br />

bewerbs dadurch zu verringern, indem man den Fokus der unternehmerischen Akti-<br />

vitäten aus dem Markt um Endprodukte und Dienstleistungen in Bereiche verlagert,<br />

die eine höhere Konstanz aufweisen. Der Wettbewerb verlagert sich daher zuneh-<br />

mend auf den Wettbewerb um Kompetenzen, der auf vier unterschiedlichen Ebenen<br />

(vgl. Abbildung 5-1) stattfindet.<br />

Ebene 4<br />

Wettbewerb um Maximierung<br />

des Endproduktanteils<br />

(eigene Marke + OEM)<br />

Ebene 3<br />

Ebene 2<br />

Wettbewerb um Maximierung<br />

des Kernproduktanteils<br />

Wettbewerb um Aufbau<br />

von Kernkompetenzen<br />

Ebene 1<br />

Wettbewerb um Entwicklung und<br />

Aneignung grundlegender Fähigkeiten<br />

und Technologien<br />

Abbildung 5-1: Wettbewerb um Kompetenz (Hamel, G.; Prahalad, C.K.) 157<br />

¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯<br />

157 Vgl. Hamel, G.; Prahalad, C.K.: Competing for the future, Boston 1994, S. 234


Die Stärkung der <strong>Innovation</strong>sfähigkeit durch <strong>Innovation</strong>sdienstleistungen 110<br />

In Ebene 1 geht es darum sich die grundlegenden Fähigkeiten und Technologien<br />

anzueignen, die eine bestimmte Kernkompetenz ausmachen. In Ebene 2 findet der<br />

Wettbewerb um die Transformation von Fähigkeiten, Technologien und Wissen in<br />

Kompetenzen statt. Ebene 3 kann als Vorstufe für das Endprodukt oder die Dienst-<br />

leistungen gesehen werden. In dieser Ebene geht es darum „Kernprodukte“ oder im<br />

Falle von Dienstleistungen „Kernplattformen“ zu bilden, die in mehreren Endproduk-<br />

ten verwendbar sind. Kernprodukte können auch auf OEM-Basis an Konkurrenten<br />

verkauft werden und sichern da<strong>mit</strong> quasi „virtuelle Marktanteile“. Der Wettbewerb um<br />

den Endproduktanteil am Markt auf Ebene 4 wird daher weitestgehend durch den<br />

Wettbewerb auf den Ebenen 1 bis 3 bestimmt.<br />

Da<strong>mit</strong> wird der Kernproduktanteil einer Unternehmung am Markt in der Regel größer<br />

sein als der Marktanteil den er <strong>mit</strong> seinen Eigenmarken erzielt. Beispiele aus der<br />

Unterhaltungselektronik und Computerindustrie belegen diesen Trend eindrucksvoll.<br />

Auf diesen Märkten beliefern wenige Hersteller von spezifischen Komponenten<br />

(Kernprodukte) eine große Bandbreite an Hersteller bzw. „Assemblierer“ von End-<br />

produkten in unterschiedlichen Geschäftsfeldern (vgl. Abbildung 5-2). Dieser Trend<br />

macht die hohe Relevanz des Aufbaus von einzigartigen Kompetenzen für Unternehmungen<br />

deutlich.<br />

In Abbildung 5-2 wird die Entstehung von Kernkompetenzen in einem hierarchischen<br />

Aufbau dargestellt. Auf unterster Ebene sind verschiedenste materielle und immate-<br />

rielle Ressourcen vorhanden. Besonders hervorzuheben sind wieder die Menschen<br />

als Aufgaben- und Wissensträger. Unterschiedliche Wissensgebiete werden durch<br />

Wissensträger repräsentiert. Alle weiteren Ressourcen in der Form „herkömmlicher“<br />

Produktionsfaktoren werden nicht weiter unterschieden.<br />

„Core competencies are the collective learning in the organization, especially how to<br />

coordinate diverse production skills and integrate multiple streams of technologies.“<br />

(Prahalad, C.K.; Hamel, G.) 158<br />

Nach Hamel/Prahalad entstehen Kernkompetenzen durch die Kombination von tech-<br />

nologisch-materiellen Ressourcen und durch organisationales Lernen. Anhand des<br />

Bezugsrahmens zur Analyse und Gestaltung von Wissenssystemen, kann eine<br />

Kernkompetenz als ausgezeichnete unternehmerische Handlungsfähigkeit gesehen<br />

werden, die in der Regel durch das Zusammenwirken von mehreren Aufgabenträ-<br />

gern geprägt ist. Das Wissen der unternehmerischen Wissensbasis und andere Res-<br />

¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯<br />

158 Prahalad, C.K.; Hamel, G.: The Core Competence of the Corporation, in: HBR, 68(1990)3, S. 82


Die Stärkung der <strong>Innovation</strong>sfähigkeit durch <strong>Innovation</strong>sdienstleistungen 111<br />

sourcen werden zu einer einzigartigen Kompetenz gebündelt. Kompetenz kann daher<br />

auch als die Fähigkeit, Wissen in Handlungen umzusetzen, gesehen werden.<br />

Halbwertszeit<br />

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12<br />

GF 1 GF 2 GF 3 GF 4<br />

Kernprodukt 1<br />

KK 1<br />

PF 1 PF 2 WT 3 WT 4 PF 4<br />

WT 1 WT 2<br />

WG 1<br />

KK 2<br />

PF 3<br />

WT 5<br />

WG 2<br />

Kernprodukt 2<br />

KK 3 KK 4<br />

WT 6<br />

WG 3<br />

WT 7<br />

PF 5<br />

PF...Produktionsfaktor WG...Wissensgebiet WT...Wissensträger<br />

Abbildung 5-2: Hierarchie der Kompetenzentwicklung (Sammer, M.) 159<br />

WT 8<br />

Endprodukte bzw.<br />

-dienstleistungen<br />

Geschäftsfelder<br />

Kernprodukte bzw.<br />

-dienstleistungen<br />

Kernkompetenzen<br />

Produktionsfaktoren<br />

In der nächsten Stufe wird durch Kernkompetenzen die Erstellung von sogenannten<br />

Kernprodukten bzw. Kerndienstleistungen ermöglicht. Kernprodukte bzw. Kern-<br />

dienstleistungen haben das Potenzial unterschiedlicher Geschäftsfelder zu bedienen.<br />

Aus den Anforderungen der Kunden unterschiedlicher Geschäftsfelder werden<br />

schlussendlich Endprodukte bzw. Enddienstleistungen erstellt. Auf der linken Seite<br />

der Abbildung 5-2 wird die Halbwertszeit bzw. die Änderungsdynamik einer Stufe<br />

angedeutet.<br />

"A core competence is a bundle of skills and technologies that enables a company to<br />

provide a particular benefit to customer" (Hamel, G.; Prahalad, C.K.) 160<br />

Durch diese Sichtweise kann der Zusammenhang zwischen dem Absatzmarkt und<br />

Kernkompetenzen hergestellt werden. Eine Kernkompetenz kann da<strong>mit</strong> als Bündel<br />

von Fähigkeiten gesehen werden, die einer Unternehmung die Generierung eines<br />

besonderen Kundennutzens ermöglicht. Dieser besondere Nutzen wird vom Kunden<br />

in der Form von Produkten aber auch in der Form von Dienstleistungen wahrge-<br />

¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯<br />

159<br />

In Anlehnung an Sammer, M.: Wissensinduktion in Organisationen, Dissertation, Montanuniversität<br />

Leoben 1999, S. 74<br />

160<br />

Hamel, G.; Prahalad, C.K.: Competing for the future, Boston 1994, S. 219


Die Stärkung der <strong>Innovation</strong>sfähigkeit durch <strong>Innovation</strong>sdienstleistungen 112<br />

nommen. Da<strong>mit</strong> kann un<strong>mit</strong>telbar an das betriebliche <strong>Innovation</strong>smanagement ange-<br />

knüpft werden, das zum Ziel hat Veränderungsprozesse einzuleiten und neue Produkte<br />

und Dienstleistungen zu generieren.<br />

Im betrieblichen <strong>Innovation</strong>smanagement werden <strong>Innovation</strong>sprozesse in Unterneh-<br />

mungen gestaltet, gelenkt und entwickelt. Anhand des in Kapitel 2 vorgestellten Pha-<br />

senmodells können <strong>Innovation</strong>sprozesse in die Abschnitte Ideengenerierung, Ideen-<br />

akzeptierung und Ideenrealisierung unterteilt werden. Neben der Entwicklung neuer<br />

Produkte und Dienstleistungen hat das <strong>Innovation</strong>smanagement auch die Aufgabe<br />

organisatorische Veränderungen zu bewältigen.<br />

Auch im betrieblichen <strong>Innovation</strong>smanagement geht es zunehmend darum, knappe<br />

Ressourcen zur Erreichung der strategischen <strong>Innovation</strong>sziele optimal einzusetzen.<br />

Unter Ressourcen wurden früher die „Produktionsfaktoren“ Arbeit, Boden und Kapital<br />

verstanden. Durch die zunehmende Relevanz immaterieller Elemente hat sich heute<br />

eine neue Sichtweise etabliert, die Ressourcen in die Bereiche Realkapital, Hu-<br />

mankapital und organisatorisches Kapital einteilt. Die zunehmende <strong>Innovation</strong>sdy-<br />

namik drängt Unternehmungen in die Situation sich zu überlegen, welche Ressour-<br />

cen in der Unternehmung entwickelt und gepflegt werden und welche zugekauft werden<br />

können.<br />

Da in <strong>Innovation</strong>sprozessen vorwiegend immaterielle Ressourcen in der Form von<br />

Wissen eingesetzt werden, kommt dem <strong>Wissensmanagement</strong> im <strong>Innovation</strong>smana-<br />

gement eine besondere Bedeutung zu (Bogaschewsky, R.). 161 Wissen als Ressource<br />

betrachtet, hat die Eigenschaft, dass es in der Anwendung nicht verbraucht wird,<br />

sondern vermehrt wird. Dadurch, dass Wissen nicht einfach als „Paket“ transferierbar<br />

ist, wird es aber letztendlich doch zu einer knappen Ressource. Der Transfer bzw.<br />

der Aufbau von Wissen ist in der Regel <strong>mit</strong> großem Aufwand verbunden.<br />

Die vorliegende Arbeit baut auf der These auf, dass durch die Einbeziehung unter-<br />

nehmensexterner Ressourcen die unternehmerische <strong>Innovation</strong>sfähigkeit gesteigert<br />

werden kann. Im ressourcenorientierten <strong>Innovation</strong>smanagement wird durch die Ge-<br />

staltung der <strong>Innovation</strong>sprozesse auch der Aufbau von Kernkompetenzen beein-<br />

flusst. Die Kompetenz die <strong>mit</strong> dem Management von internen und externen Ressour-<br />

cen als Grundlage zur Generierung von Kernkompetenzen verbunden ist, kann als<br />

eine Art „Meta-Kernkompetenz“ gesehen werden. In dieser Arbeit soll vor allem auf<br />

¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯<br />

161 Vgl. Bogaschewsky, R.: Wissensorientiertes Management als Kern eines <strong>Innovation</strong>smanagements,<br />

in: Tintelnot, C.; Meißner, D.; Steinmeier, I. (Hrsg.): <strong>Innovation</strong>smanagement, Berlin 1999,<br />

S. 89


Die Stärkung der <strong>Innovation</strong>sfähigkeit durch <strong>Innovation</strong>sdienstleistungen 113<br />

die Einbindung externer Ressourcen in das betriebliche <strong>Innovation</strong>smanagement<br />

eingegangen werden.<br />

Die Einbindung externer Ressourcen wird in der einschlägigen Literatur <strong>mit</strong> dem aus<br />

dem amerikanischen Wirtschaftsleben stammenden Schlagwort „Outsourcing“, das<br />

auf „Outside Resource Using“ (Köhler-Frost, W.) 162 zurückgeführt werden kann, in<br />

Verbindung gebracht. Der Begriff Outsourcing impliziert nicht, dass die extern bezo-<br />

gene Leistung zuvor im Unternehmen existent war. Daher ist Outsourcing nicht nur<br />

auf das „Auslagern“ von Leistungen beschränkt.<br />

Der Fokus bisheriger Outsourcing-Aktivitäten lag vorrangig auf wenig wissensintensi-<br />

ven Prozessen bzw. Funktionen. In den letzten Jahren wurden aber auch zahlreiche<br />

Aktivitäten gestartet, den Bereich „Informationsverarbeitung“ einer Unternehmung<br />

<strong>mit</strong>tels Outsourcing aus dem Fixkostenblock zu entfernen. Da<strong>mit</strong> wurde erstmals ein<br />

Weg beschritten, eine heute nicht unwesentliche Kompetenz an einen externen<br />

Dienstleister zu vergeben. Im <strong>Innovation</strong>smanagement werden externe Kapazitäten<br />

bislang vorrangig im technologischen Umfeld der Unternehmung genutzt.<br />

Der hier vertretene Ansatz geht aber darüber hinaus und beschreibt die Möglichkei-<br />

ten der Nutzung von externen Leistungspotenzialen innerhalb des gesamten Innova-<br />

tionsprozesses. Dieser Prozess geht z.B. bei einer Produktinnovation von der Ideen-<br />

generierung bis zur erfolgreichen Markteinführung. Der technologische Aspekt, als<br />

wichtiger Teilbereich des betrieblichen <strong>Innovation</strong>smanagements, bildet nur einen<br />

Bruchteil der Möglichkeiten, externe Kapazitäten in <strong>Innovation</strong>saktivitäten einer Unternehmung<br />

einzubeziehen.<br />

Ausgehend von der Idee, Leistungen, die nicht zum Unternehmungskern gehören,<br />

vom Markt zu beziehen, erscheint das Auslagern von Teilen des betrieblichen Inno-<br />

vationsmanagements vorerst als eher kritische Maßnahme. In den nachfolgenden<br />

Ausführungen sollen daher Chancen und Gefahren, aber vor allem die Möglichkeiten<br />

des effektiven Outsourcing im betrieblichen <strong>Innovation</strong>smanagement erläutert wer-<br />

den. Der im Kapitel 4 erarbeitete Bezugsrahmen zur Analyse und Gestaltung von<br />

Wissenssystemen bildet die Basis für den wissensbasierten Zugang.<br />

¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯<br />

162 Vgl. Köhler-Frost, W.: Outsourcing - Eine strategische Allianz besonderen Typs, 2. Auflage, Berlin<br />

1995, S. 13


Die Stärkung der <strong>Innovation</strong>sfähigkeit durch <strong>Innovation</strong>sdienstleistungen 114<br />

5.1 Ressourcenorientiertes <strong>Innovation</strong>smanagement<br />

Die in Abschnitt 1.2 auszugsweise vorgestellte Marktstudie hat begründete Hinweise<br />

für die steigende Relevanz der Nutzung externer Ressourcen im <strong>Innovation</strong>smana-<br />

gement geliefert. Aus den Ergebnissen dieser Erhebung können grundsätzlich fol-<br />

gende Motive für die Einbeziehung externer Ressourcen in unternehmerische <strong>Innovation</strong>sprozesse<br />

abgeleitet werden:<br />

? Zukauf von <strong>Innovation</strong>sdienstleistungen bei Wissensgebieten, die aus zeitlichen<br />

und wirtschaftlichen Aspekten von Unternehmungen selbst nicht abdeckbar sind.<br />

? Zukauf von <strong>Innovation</strong>sdienstleistungen in Wissensgebieten bei denen aus stra-<br />

tegischen Überlegungen ein Wissensentwicklung im eigenen Haus nicht sinnvoll<br />

ist.<br />

? Aufbau und Weiterentwicklung von Wissensgebieten durch die enge Zusammen-<br />

arbeit <strong>mit</strong> externen Wissensträgern.<br />

? Erweiterung bzw. Ergänzung der personellen Kapazitäten bei <strong>Innovation</strong>sprojek-<br />

ten.<br />

IDL-<br />

Nachfrager<br />

IDL-<br />

Nachfrager<br />

IDL-Outsourcing<br />

IDL-Insourcing<br />

IDL-<br />

Anbieter<br />

IDL-<br />

Anbieter<br />

Abbildung 5-3: <strong>Innovation</strong>sdienstleistungen zwischen Insourcing und Outsourcing<br />

Anhand dieser Aufstellung können zwei wesentliche Aspekte für die Nutzung von<br />

<strong>Innovation</strong>sdienstleistungen beschrieben werden (vgl. Abbildung 5-3). Es geht einer-<br />

seits um das Outsourcing von Aktivitäten, die nicht zu den Kern-Wissensgebieten der<br />

Unternehmung gehören und daher als abgestimmtes Leistungspaket zugekauft wer-<br />

den. Das können neben Routinetätigkeiten auch sehr spezifische Aufgaben sein, die<br />

nur von entsprechenden Experten bzw. Wissensträgern gelöst werden können.


Die Stärkung der <strong>Innovation</strong>sfähigkeit durch <strong>Innovation</strong>sdienstleistungen 115<br />

Durch das Outsourcing wird die Handlungsfähigkeit der Unternehmung durch externe<br />

Kapazitäten erweitert bzw. falls diese Aufgaben zuvor von der Unternehmung selbst<br />

ausgeführt wurden, werden dadurch Kapazitäten in der Unternehmung frei.<br />

Auf der anderen Seite geht es darum <strong>mit</strong> Hilfe von externen Partnern die für die Un-<br />

ternehmung relevanten Wissensgebiete aufzubauen bzw. zu weiterzuentwickeln.<br />

Diese Art von Aktivitäten soll nachfolgend als Insourcing bezeichnet werden. Da-<br />

durch werden zusätzliche Kapazitäten in die Unternehmung geholt. Durch den Cha-<br />

rakter der Dienstleistung bedingt, verliert der IDL-Anbieter dadurch, außer der zur<br />

Leistungserstellung benötigten Zeit, keine Ressourcen an den IDL-Nachfrager. Auf<br />

weitere mögliche Effekte eines IDL-Transfers soll später eingegangen werden.<br />

5.1.1 Motivation für Outsourcing im <strong>Innovation</strong>smanagement<br />

Die Nutzung externer Ressourcen steht im Vordergrund aller Outsourcing-Aktivitäten.<br />

Bisherige Motive Outsourcing zu betreiben waren vor allem kostenorientiert. Mit zu-<br />

nehmender Komplexität des betrieblichen Umfeldes kommen neue Aspekte hinzu.<br />

<strong>Wissensmanagement</strong> und der Aufbau von Kernkompetenzen stellt einen Aspekt in<br />

den Vordergrund, bei dem die Kostenfrage nur mehr eine sekundäre Rolle spielt. Die<br />

Einbeziehung externer Ressourcen aus der Wissensperspektive kann durch folgende<br />

Fragestellung auf den Punkt gebracht werden:<br />

Wie kann man das Wissen externer Partner für unternehmungsinterne <strong>Innovation</strong>sprozesse<br />

nutzen, ohne es selbst in der Unternehmung aufbauen zu müssen?<br />

Diese Fragestellung steht im Mittelpunkt der Überlegungen zum Transfer von Inno-<br />

vationsdienstleistungen. Der im Kapitel 4 entwickelte Bezugsrahmen zur Analyse und<br />

Gestaltung von Wissenssystemen wird in den weiteren Ausführungen zur Beschrei-<br />

bung unterschiedlicher Transferbedingungen eingesetzt. Ausgehend von der obigen<br />

Fragestellung können <strong>mit</strong> dem Outsourcing bzw. „Outside Resource Using“ bei <strong>Innovation</strong>saktivitäten<br />

in Unternehmungen folgende Ziele erreicht werden:<br />

? Erweiterung der organisatorischen Handlungsbasis für <strong>Innovation</strong>en<br />

? Bereitstellung von innovationsrelevanten Wissensgebieten durch externe Partner<br />

? Nutzung der Kernkompetenzen externer Anbietern in <strong>Innovation</strong>sprozessen<br />

? Erweiterung der genetischen Vielfalt der Organisation für die Ideenfindung<br />

<strong>Innovation</strong> bedeutet Veränderung bzw. Ersetzen des Bestehenden durch etwas<br />

Neues. Da<strong>mit</strong> sind <strong>Innovation</strong>sprozesse von der Aufgabenstellung her verschieden<br />

von Routinetätigkeiten, wo es vorrangig um die Sicherung gleichbleibender Produkt-<br />

und Prozess bzw. Dienstleistungsqualität geht. Zur Verbesserung der <strong>Innovation</strong>sfä-


Die Stärkung der <strong>Innovation</strong>sfähigkeit durch <strong>Innovation</strong>sdienstleistungen 116<br />

higkeit einer Organisation kann die Einbeziehung externer Ressourcen erheblich<br />

beitragen. Dabei kann vor allem die Erweiterung der organisatorischen Wissens- und<br />

Handlungsbasis als wichtiger Punkt hervorgehoben werden. Folgende Analogie zu<br />

biologischen Systemen verdeutlicht dies:<br />

Die langfristige Gesundheit und Überlebensfähigkeit einer Art von Organismen hängt<br />

in der Biologie von einem Mindestmaß an genetischer Vielfalt ab. Sieht man Unter-<br />

nehmungen als organische Gebilde bzw. soziotechnische Systeme, deren Elemente<br />

die genetische Vielfalt ausmachen, so kann vor allem im industriellen Bereich ein<br />

Mangel an „genetischer Vielfalt“ festgestellt werden (Hamel, G.; Prahalad, C.K.). 163<br />

Daraus könnte man ableiten, dass eine hohe <strong>Innovation</strong>sfähigkeit einen Beitrag zur<br />

langfristigen Überlebensfähigkeit leistet.<br />

Der Mangel an „genetischer Vielfalt“ einer Unternehmung kann von einer einseitigen<br />

Personalpolitik her rühren, kann aber auch durch die fehlende Vernetzung zu exter-<br />

nen Wissenspotenzialen bedingt sein. In Unternehmungen, wo Mitarbeiter die Kar-<br />

riereleiter langsam hochklettern, kann dies zwar für die Sicherung des bestehenden<br />

Wissens große Vorteile haben, für die <strong>Innovation</strong>sfähigkeit der Unternehmung kön-<br />

nen dadurch aber auch Nachteile entstehen, da es den Menschen <strong>mit</strong>telfristig immer<br />

schwerer fällt „eingefahrene Geleise“ zu verlassen.<br />

Der wesentliche Punkt für die erfolgreiche Einbindung externer Ressourcen in Inno-<br />

vationsprozesse ist wiederum ein gemeinsames Mindest-Kontextwissen, das den<br />

Beginn einer Kommunikations-Beziehung überhaupt möglich macht. Durch die Be-<br />

achtung dieses Umstandes können viele Fehler und Leerläufe in der Gestaltung der<br />

Kooperationsbeziehung vermieden werden. Da sich beim Outsourcing nur der An-<br />

bieter um die Pflege und Weiterentwicklung des von ihm angebotenen Wissens<br />

kümmert, ist auf die Abstimmung und Gestaltung der Kooperationsbeziehung besonders<br />

Augenmerk zu legen.<br />

5.1.2 Motivation für Insourcing im <strong>Innovation</strong>smanagement<br />

Übersetzt man Insourcing <strong>mit</strong> „Inside Resource Using“, dann kann da<strong>mit</strong> der Aufbau<br />

von Kompetenzen in Unternehmungen beschrieben werden. Der Kernkompetenz-<br />

Ansatz im strategischen Management erscheint daher im Zusammenhang <strong>mit</strong> der<br />

Einbeziehung externer Ressourcen in <strong>Innovation</strong>saktivitäten von Unternehmungen<br />

von besonderer Relevanz.<br />

¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯<br />

163 Vgl. Hamel, G.; Prahalad, C.K.: Competing for the future, Boston 1994, S. 57


Die Stärkung der <strong>Innovation</strong>sfähigkeit durch <strong>Innovation</strong>sdienstleistungen 117<br />

Beim Insourcing geht es vorwiegend darum, die eigenen Fähigkeiten auszuloten, in<br />

Relation zu Anforderungen zu bringen und entsprechend weiterzuentwickeln. Inno-<br />

vationsprozesse sollen dazu beitragen, die strategischen Ziele der Unternehmung zu<br />

erfüllen. Daher steht der Blick in die <strong>mit</strong>tel- bis langfristige Zukunft der Unternehmung<br />

im Mittelpunkt der <strong>Innovation</strong>saktivitäten. Durch die Identifikation und Weiterentwick-<br />

lung von Kernkompetenzen wird daher auch die strategische Ausrichtung der <strong>Innovation</strong>saktivitäten<br />

für die Unternehmung <strong>mit</strong>bestimmt.<br />

Mit Insourcing-Aktivitäten können folgende Ziele verbunden sein:<br />

? Identifikation und Entwicklung der eigenen Kern-Wissensgebiete<br />

? Wissensentwicklung in enger Zusammenarbeit <strong>mit</strong> IDL-Anbietern<br />

? Aneignung von Kompetenzen der IDL-Anbieter<br />

Durch Insourcing-Aktivitäten werden organisationale Lernprozesse zur Entwicklung<br />

von Kernkompetenzen unterstützt. Da<strong>mit</strong> diese Lernprozesse effizient ablaufen kön-<br />

nen, ist eine entsprechende Koppelung der beteiligten Wissensträger notwendig. Auf<br />

die Gestaltung der Kooperationsbeziehung soll in einem eigenen Anschnitt eingegangen<br />

werden.<br />

5.2 Der <strong>Innovation</strong>sdienstleistungs-Ansatz<br />

Die Zusammenarbeit zwischen Wissensträgern unterschiedlicher Unternehmungen<br />

kann viele verschiede Ausprägungen zwischen den Extremausprägungen Markt und<br />

Hierarchie einnehmen. Während in der Hierarchie einer Unternehmung die Weisung<br />

die dominante Größe ist, kann als wesentliche Bestimmungsgröße am Markt der<br />

Preis genannt werden. Nachfolgend sollen einige Möglichkeiten der Einbeziehung<br />

externer Ressourcen aufgelistet und erläutert werden (Wohinz, J.W.; Willfort, R.): 164<br />

? Akquisition: Durch die vollständige Übernahme einer Unternehmung erwirbt man<br />

dessen gesamtes <strong>Innovation</strong>spotenzial<br />

? Joint venture: Mindestens zwei Partner gründen eine gemeinsame Unternehmung<br />

und bringen Ressourcen (Finanz<strong>mit</strong>tel, Personal, Wissen) ein. Da<strong>mit</strong> steht ein<br />

größeres <strong>Innovation</strong>spotenzial zur Verfügung als das für die jeweilige Einzelun-<br />

ternehmung erreichbar wäre<br />

¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯<br />

164 Vgl. Wohinz, J.W.; Willfort, R.: <strong>Innovation</strong>sdienstleistungen - Ein Outsourcing-Ansatz im <strong>Innovation</strong>sprozess,<br />

in: Seicht, G. (Hrsg.): JdR 2000, Wien 2000, S. 387f


Die Stärkung der <strong>Innovation</strong>sfähigkeit durch <strong>Innovation</strong>sdienstleistungen 118<br />

? Lizenznahme: Der Erwerb einer Lizenz ermöglicht die Nutzung einer patentrechtlich<br />

geschützten Erfindung gegen Entrichtung einer Lizenzgebühr.<br />

? Gemeinschaftsforschung: Mindestens zwei Partner unterhalten gemeinschaftlich<br />

Forschungs- und Entwicklungseinheiten<br />

? Auftragsforschung: Forschungs- und Entwicklungsaufgaben werden an Fremdfirmen<br />

vergeben<br />

Die Möglichkeiten der Einbindung externer Leistungspotenziale ist, wie man in obiger<br />

Aufzählung sehen kann, vielfältig. Gerade der zuletzt erwähnte Fall kann, in einer<br />

verallgemeinerten Form, als Basis für die Idee der <strong>Innovation</strong>sdienstleistung gesehen<br />

werden.<br />

<strong>Innovation</strong>sdienstleistungen als spezifische Form der Kooperation im betrieblichen<br />

<strong>Innovation</strong>smanagement<br />

Angebot und Nachfrage von Dienstleistungen werden vom Markt bestimmt. Wie beim<br />

Transfer von Dienstleistungen allgemein üblich, folgt daraus, dass sowohl Anbieter<br />

als auch Nachfrager von IDL in der Kooperationsbeziehung die eigene Rechtsper-<br />

sönlichkeit aufrecht erhalten. Versteht man <strong>Innovation</strong> als wirtschaftliche Notwendig-<br />

keit, so wird aber speziell beim Outsourcing von Leistungen die wirtschaftliche Selbständigkeit<br />

der Unternehmung teilweise aufgegeben.<br />

Eine Dienstleistung wird vom Nachfrager am entsprechenden Markt zugekauft. Es<br />

gibt daher eine klare Vereinbarung wer die Leistung zu erbringen hat und wer die<br />

Leistung bezieht. Diese eindeutige Form der Zusammenarbeit wird auch dem Lei-<br />

stungstransfer zwischen einem IDL-Anbieter und einem IDL-Nachfrager zugrundegelegt.<br />

Da<strong>mit</strong> kann eine <strong>Innovation</strong>sdienstleistung auch klar gegenüber anderen Formen der<br />

Zusammenarbeit, wie strategische Netzwerke (Sydow, J.) 165 oder dem theoretischen<br />

Modell der virtuellen Unternehmung (Müller-Stewens, G.) 166 abgegrenzt werden. Auf<br />

mögliche vertragliche Gestaltungsansätze und Regelungen der Kooperation soll hier<br />

nicht weiter eingegangen werden. Der Schwerpunkt liegt, wie eingangs erwähnt, auf<br />

der wissensbasierten Gestaltung der Zusammenarbeit.<br />

Unter <strong>Innovation</strong>sdienstleistungen werden spezifische Leistungspotenziale zur Un-<br />

terstützung von <strong>Innovation</strong>sprozessen in Unternehmungen verstanden. Aus der Sicht<br />

¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯<br />

165 Vgl. Sydow, J.: Strategische Netzwerke: Evolution und Organisation, Wiesbaden 1992<br />

166 Vgl. Müller-Stewens, G. (Hrsg.): Virtualisierung von Organisationen, Stuttgart/Zürich 1997


Die Stärkung der <strong>Innovation</strong>sfähigkeit durch <strong>Innovation</strong>sdienstleistungen 119<br />

des Anbieters von <strong>Innovation</strong>sdienstleistungen werden diese spezifischen Leistungspotenziale<br />

durch die Kernkompetenzen des jeweiligen IDL-Anbieters geprägt.<br />

Da<strong>mit</strong> ein Dienstleistungstransfer zustande kommt, muss der Anbieter außerdem die<br />

Fähigkeit und Bereitschaft haben seine Leistungspotenziale am Markt anzubieten.<br />

BEDARF<br />

an <strong>Innovation</strong>sdienstleistungen<br />

aus<br />

unternehmerischen<br />

<strong>Innovation</strong>sprozessen<br />

INNOVATIONS-<br />

DIENSTLEISTUNGEN<br />

(IDL)<br />

ANGEBOT<br />

an <strong>Innovation</strong>sdienstleistungen<br />

aus<br />

unternehmerischen<br />

Leistungsprozessen<br />

Abbildung 5-4: <strong>Innovation</strong>sdienstleistungen zwischen Bedarf und Angebot<br />

Inhalt und Ausprägung von <strong>Innovation</strong>sdienstleistungen werden daher von zwei Seiten<br />

beeinflusst (vgl. Abbildung 5-4):<br />

? vom Bedarf an <strong>Innovation</strong>sdienstleistungen aus der Sicht des Nachfragers<br />

? vom Angebot an <strong>Innovation</strong>sdienstleistungen am Markt<br />

Die Bandbreite an nachgefragten Leistungspotenzialen zur Einbindung in betriebliche<br />

<strong>Innovation</strong>sprozesse ist groß. Daher wird nachfolgend eine Kategorisierung von In-<br />

novationsdienstleistungen vorgeschlagen, die aus einer empirischen Untersuchung<br />

abgeleitet wurde (Wohinz, J.W.; Peritsch, M.; Willfort, R.). 167 Diese Struktur orientiert<br />

sich nach dem jeweiligen Wissensgebiet, dem eine <strong>Innovation</strong>sdienstleistung zuzu-<br />

ordnen ist und sieht eine Unterteilung in sechs Kategorien vor. Diese Kategorisierung<br />

orientiert sich stark an Wissensgebieten, die vorrangig für Prozess- und Produktinnovationen<br />

von Bedeutung sind:<br />

? Technologie<br />

z.B. Entwicklungsleistungen, Forschungsleistungen, Forscher auf Zeit, Gutachten,<br />

Materialtests, Patentrecherchen, Prototypenbau, etc.<br />

¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯<br />

167 Vgl. Wohinz, J.W.; Peritsch, M.; Willfort, R.: <strong>Innovation</strong>sdienstleistungen für steirische Industriebetriebe<br />

- Eine Marktstudie zum Bedarfs- und Angebotspotential, Technische Universität Graz 1998


Die Stärkung der <strong>Innovation</strong>sfähigkeit durch <strong>Innovation</strong>sdienstleistungen 120<br />

? Markt<br />

z.B. Erhebung von Kundenwünschen, Er<strong>mit</strong>tlung von Marktpotenzialen, <strong>Innovation</strong>smarketing,<br />

Hilfe bei Markteinführung, etc.<br />

? Recht<br />

z.B. Genehmigungen, gewerbliche Schutzrechte, Umweltverträglichkeitsprüfungen,<br />

etc.<br />

? Finanzierung<br />

z.B. Förderungsanträge, Beschaffung von Risikokapital, Verhandlung <strong>mit</strong> Finanzierungspartnern,<br />

etc.<br />

? <strong>Innovation</strong>smanagement<br />

z.B. <strong>Innovation</strong>s-Coaching, <strong>Innovation</strong>sassistenten, Management-Beratung, Manager<br />

auf Zeit, Methoden-Wissen, Projektmanagement, etc.<br />

? Broker<br />

Technologieplattformen, Ver<strong>mit</strong>tlung von <strong>Innovation</strong>sdienstleistungen, etc.<br />

In dem Maße wie IDL nachgefragt wird, werden sich auch neue leistungsfähige An-<br />

bieter entwickeln, die sich auf genau diese Kernkompetenzen spezialisieren. Da es<br />

sich bei <strong>Innovation</strong>sdienstleistungen vorwiegend um Leistungen handelt, die im un-<br />

<strong>mit</strong>telbaren Umfeld des Nachfragers erbracht werden, ist die Intensität der Koopera-<br />

tionsbeziehung als weiterer wichtiger Parameter für den Dienstleistungstransfer zu<br />

sehen. Diese wird je nach Anforderung (Insourcing oder Outsourcing) und Art der<br />

<strong>Innovation</strong>sdienstleistung entsprechend zu gestalten sein.<br />

In der Praxis stellt sich heraus, dass sich gerade der Erstkontakt zu IDL-Anbieter als<br />

besonders schwierig erweist (Schiller, R.). 168 Dies beginnt da<strong>mit</strong>, dass ein Nachfra-<br />

ger oftmals nicht abschätzen kann, inwiefern sein Bedarf abdeckbar ist. Da speziell<br />

bei <strong>Innovation</strong>saktivitäten sein Bedarf in einem für ihn meist unbekannten Wissens-<br />

gebiet liegt, erweist sich die Suche nach einem geeigneten Anbieter als besonders<br />

schwierig. In diesem Zusammenhang kann ein IDL-Broker eine wichtige Aufgabe<br />

erfüllen.<br />

¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯<br />

168 Vgl. Schiller, R.: Unternehmensnetzwerke bei kleinen und <strong>mit</strong>tleren Unternehmen - Ergebnisse<br />

einer empirischen Studie, in: Winand, U.; Nathusius, K. (Hrsg.): Unternehmensnetzwerke und virtuelle<br />

Organisationen, Stuttgart 1998, S. 90


Die Stärkung der <strong>Innovation</strong>sfähigkeit durch <strong>Innovation</strong>sdienstleistungen 121<br />

Aufgaben eines IDL-Brokers<br />

Die Kategorie Broker kann als übergeordnete Kategorie gesehen werden. Die Auf-<br />

gabe eines Brokers ist die Zusammenführung von IDL-Nachfrage und IDL-Angebot<br />

durch gezielte Ver<strong>mit</strong>tlung. Aus der Wissensperspektive kommt dieser Art von Inno-<br />

vationsdienstleistung eine wesentliche Rolle zu: Es obliegt dem Broker den fehlen-<br />

den Kontext zwischen IDL-Nachfrager und IDL-Anbieter in der Kontaktphase zu<br />

kompensieren.<br />

In der Praxis kann es dabei z.B. darum gehen, den vom IDL-Nachfrager geäußerten<br />

Bedarf zu hinterfragen, bzw. gemeinsam <strong>mit</strong> dem Nachfrager zu konkretisieren. Da-<br />

nach muss der IDL-Broker in der Lage sein anhand der Problemstellung einen Erst-<br />

kontakt <strong>mit</strong> einem kompetenten IDL-Anbieter herzustellen. Weiters sollte er auch bei<br />

der Gestaltung Dienstleistungstransfers eine beratende Rolle einnehmen. Daher<br />

sollte ein IDL-Broker folgende Fähigkeiten <strong>mit</strong>bringen:<br />

Ein IDL-Broker sollte in der Lage sein die Problemstellung des IDL-Nachfragers so-<br />

weit zu verstehen, da<strong>mit</strong> er gezielt einen Kooperationspartner ver<strong>mit</strong>teln kann. Wei-<br />

ters muss er den Überblick über das Angebot an IDL und da<strong>mit</strong> auch über die Wei-<br />

terentwicklung von <strong>Innovation</strong>sdienstleistungen behalten. Um diese Voraussetzun-<br />

gen erbringen zu können, ist es erforderlich generalistisch denken und handeln zu<br />

können. Ein IDL-Broker sollte daher eine breite Wissensbasis über mögliche IDL-<br />

Anbieter und deren Kompetenzen in den unterschiedlichsten Wissensgebieten aufbauen.<br />

5.3 Wissensbasierte Analyse von <strong>Innovation</strong>sdienstleistungen<br />

<strong>Innovation</strong>sdienstleitungen sind zum überwiegenden Teil immaterieller Natur. Der<br />

IDL-Anbieter stellt sein Wissen in der Form einer IDL für den Nachfrager zur Verfü-<br />

gung. Da<strong>mit</strong> ist ein Anknüpfungspunkt für eine wissensbasierte Betrachtung der Ein-<br />

bindung von IDL in <strong>Innovation</strong>sprozesse gegeben. Nachfolgend wird versucht das<br />

Konzept <strong>Innovation</strong>sdienstleistungen an einer paketorientierten Darstellung eines<br />

Wissenstransfers zu erklären. Diese vereinfachte, schematische Darstellung wird an<br />

dieser Stelle lediglich zur grundsätzlichen Erklärung der notwendigen Rahmenbedingungen<br />

und Zusammenhänge bei einem IDL-Transfer verwendet.<br />

<strong>Innovation</strong>sdienstleistungen im Paketmodell des Wissens<br />

Der Ausgangspunkt der Überlegungen ist bei der Identifikation einer Wissenslücke<br />

beim IDL-Nachfrager zu finden (vgl. Abbildung 5-5). Anhand dieser Wissenslücke


Die Stärkung der <strong>Innovation</strong>sfähigkeit durch <strong>Innovation</strong>sdienstleistungen 122<br />

wird ein geeigneter IDL-Anbieter gesucht der <strong>mit</strong> seinem Wissen bzw. der erbrachten<br />

Dienstleistung die Lücke schließen kann. Für den Transfer von IDL sind je nach Aus-<br />

prägung der Wissenslücke und IDL geeignete Maßnahmen zu treffen. Diese Maßnahmen<br />

sind anhand der paketorientierten Darstellung nicht ausreichend erklärbar.<br />

Wissensorientierte<br />

IDL<br />

Transfer<br />

<strong>Innovation</strong>srelevante Wissensbasis<br />

des IDL-Nachfragers<br />

Wissens-<br />

Lücke<br />

Abbildung 5-5: Einbindung von IDL in die Wissensbasis des IDL-Nachfragers<br />

Nach dem Transfer sollte die Wissenslücke beim IDL-Nachfrager geschlossen sein.<br />

Ob dies gelingt, wird davon abhängen, inwiefern das Wissen des IDL-Anbieters in die<br />

Wissenslücke eingepasst werden kann. Der IDL-Anbieter muss dazu in der Lage<br />

sein, seine Dienstleistung so kundenorientiert zu gestalten, dass diese Einpassung<br />

möglich wird. Durch enge Vernetzung zwischen Anbieter und Nachfrager kann das<br />

dazu notwendige gemeinsame Kontextwissen aufgebaut werden. Dieses Kon-<br />

textwissen kann da<strong>mit</strong> als Bindeglied zwischen der Wissensbasis des IDL-<br />

Nachfragers und der erbrachten <strong>Innovation</strong>sdienstleistung gesehen werden.<br />

In Abbildung 5-6 wird die Einpassung des Wissens schematisch dargestellt. Durch<br />

fehlendes Kontextwissen (Teil A) wird die Anwendung des Wissens gehemmt. Das<br />

Wissen ist zwar verfügbar, kann aber vorerst nicht an die bestehende Wissensbasis<br />

angeschlossen werden. Es verbleibt ein symbolischer Streifen zwischen der Wissensbasis<br />

und dem zugekauften Wissen der erst überwunden werden muss.<br />

Im zweiten Teil der Abbildung (Teil B) wurde dieser Streifen durch das gemeinsame<br />

Kontextwissen geschlossen und so<strong>mit</strong> das zugekaufte Wissen in die Wissensbasis<br />

des IDL-Nachfragers eingepasst. Durch die da<strong>mit</strong> vollzogene Erweiterung der Wis-


Die Stärkung der <strong>Innovation</strong>sfähigkeit durch <strong>Innovation</strong>sdienstleistungen 123<br />

sensbasis steht für die Bewältigung von <strong>Innovation</strong>sprozessen ein größeres Wissenspotenzial<br />

zur Verfügung.<br />

A) Kontextwissen fehlt<br />

Abbildung 5-6: Funktion des Kontextwissens<br />

B) Kontext wurde aufgebaut<br />

<strong>Innovation</strong>sdienstleistungen im Interaktionsmodell des Wissens<br />

Nach dieser vereinfachten paketorientierten Betrachtung der Einbindung von Wissen<br />

durch <strong>Innovation</strong>sdienstleistungen soll der prozessorientierte Charakter wieder in den<br />

Vordergrund gestellt werden. Da Wissen nicht direkt als Paket übertragen werden<br />

kann, kann der Transferbegriff nur als Metapher für die Aktionen gesehen werden,<br />

die im Rahmen der Wissensver<strong>mit</strong>tlung ablaufen. Der von Sammer 169 geprägte Wis-<br />

sensinduktionsbegriff untermauert den Prozesscharakter der Wissensver<strong>mit</strong>tlung im<br />

Interaktionsmodell.<br />

Für den Transfer von <strong>Innovation</strong>sdienstleistungen kann der Wissensinduktionsbegriff<br />

sehr gut zur Erläuterung von Wirkungen der wissensbasierten Einbindung verwendet<br />

werden. In Abbildung 5-7 wird eine Problemstellung im <strong>Innovation</strong>sprozess schema-<br />

tisch dargestellt. Im Teil A der Abbildung wird dazu der <strong>Innovation</strong>sprozess <strong>mit</strong> den<br />

Phasen Ideengenerierung, Ideenakzeptierung und Ideenrealisierung dargestellt.<br />

Die Pfeile in den einzelnen Prozessphasen symbolisieren die Aktivitäten im Innovati-<br />

onsprozess. Diese sind in diesem Fall schlecht aufeinander abgestimmt, wodurch<br />

der <strong>Innovation</strong>sprozess gehemmt und verzögert wird. Das interne Projektmanage-<br />

¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯<br />

169 Vgl. Sammer, M.: Wissensinduktion in Organisationen, Dissertation, Montanuniversität Leoben<br />

1999, S. 58


Die Stärkung der <strong>Innovation</strong>sfähigkeit durch <strong>Innovation</strong>sdienstleistungen 124<br />

ment für <strong>Innovation</strong>sprozesse wird meist neben der Routinearbeit halbherzig betrieben,<br />

dadurch leidet der Projektfortschritt.<br />

Jeder Aufgabenträger im <strong>Innovation</strong>sprozess versucht zwar in seinem Aufgabenbe-<br />

reich aus seiner Sicht das Richtige zu tun, das zur Abstimmung der Aktivitäten not-<br />

wendige übergeordnete Wissen fehlt jedoch in der Regel. Hier könnte ein Innovati-<br />

onsdienstleister, der eine Coaching-Rolle in der Projektabwicklung erfüllt, in den In-<br />

novationsprozess eingebracht werden. Dabei könnte dem internen Projektleiter tem-<br />

porär ein erfahrener externer "<strong>Innovation</strong>s-Coach" beigestellt werden, der Unterstüt-<br />

zung bietet. In Teil B der Abbildung ist die dadurch erzielbare Induktionswirkung der<br />

<strong>Innovation</strong>sdienstleistung auf den <strong>Innovation</strong>sprozess angedeutet.<br />

Ideengenerierung Ideenakzeptierung Ideenrealisierung<br />

A) Schlecht abgestimmte Aktivitäten im <strong>Innovation</strong>sprozess<br />

IDL<br />

Wissensinduktion<br />

B) Fokussierung der Aktivitäten durch Wissensinduktion<br />

Abbildung 5-7: Wissensinduktion durch IDL-Einbindung<br />

Die Übertragung von Wissen des IDL-Anbieters auf den IDL-Nachfrager wird in die-<br />

sem Fall durch die Koppelung der beiden sozialen Elemente im soziotechnischen<br />

System hergestellt. Durch die Interaktion von IDL-Anbieter und IDL-Nachfrager im<br />

<strong>Innovation</strong>sprozess wird auch beim IDL-Nachfrager das relevante Wissen induziert<br />

bzw. von ihm selbst konstruiert. Dadurch können die Aktivitäten im <strong>Innovation</strong>spro-<br />

zess annähernd an einen vom IDL-Anbieter angeregten Idealzustand angepasst<br />

werden. Diese Anpassung kann auch auf die nachfolgenden Prozessschritte positive<br />

Auswirkungen haben.


Die Stärkung der <strong>Innovation</strong>sfähigkeit durch <strong>Innovation</strong>sdienstleistungen 125<br />

5.3.1 Realisierung einer unternehmensübergreifenden <strong>Innovation</strong>splattform<br />

Durch die Einbeziehung externer Leistungspotenziale in unternehmerische Innovati-<br />

onsprozesse wird eine unternehmensübergreifende <strong>Innovation</strong>splattform gebildet, die<br />

das <strong>Innovation</strong>spotenzial eines IDL-Nachfragers erheblich erhöhen kann (vgl.<br />

Abbildung 5-8). Ob dadurch auch die <strong>Innovation</strong>sfähigkeit der Unternehmung ver-<br />

bessert wird, hängt erheblich von der Fähigkeit ab, die externen Leistungspotenziale<br />

in die Unternehmung effektiv zu integrieren.<br />

Externe<br />

Wissensbasis<br />

IDL-<br />

IDL-<br />

IDL-<br />

IDL-<br />

IDL-<br />

Anbieter<br />

IDL-Transfer<br />

IDL-Broker<br />

Unternehmensinterne<br />

Wissensbasis<br />

Handlungsebene<br />

Anwenden<br />

Wissensebene<br />

Information<br />

Datenebene<br />

Wissensgebiete<br />

Lernen<br />

Soziales Subsystem<br />

Dokumentation<br />

Technisches Subsystem<br />

Abbildung 5-8: Unternehmensübergreifende <strong>Innovation</strong>splattform <strong>mit</strong>tels IDL<br />

<strong>Innovation</strong>sdienstleistungen basieren auf der Spezialisierung von Anbietern in einem<br />

Wissensgebiet. Die da<strong>mit</strong> verbundene Kernkompetenz, die IDL-Anbieter in unter-<br />

nehmerische <strong>Innovation</strong>sprozesse einbringen, kann als temporäre Erweiterung der<br />

unternehmerischen Daten-, Wissens- oder Handlungsbasis für <strong>Innovation</strong>sprozesse<br />

verstanden werden.<br />

Das Ziel der Einbindung von IDL liegt letztendlich immer darin, die zur Bewältigung<br />

eines <strong>Innovation</strong>sprozesses notwendige Handlungsfähigkeit zu erreichen. Je nach<br />

Ziel der Einbindung von IDL (In- oder Outsourcing) sind unterschiedliche Aktivitäten<br />

auf der IDL-Anbieter- und IDL-Nachfrager-Seite notwendig, da<strong>mit</strong> der IDL-Transfer<br />

gelingen kann.<br />

Liegt der Focus auf Outsourcing, wird die IDL in der Form einer Handlung in den In-<br />

novationsprozess eingebracht. Beim Insourcing geht es darum, Lernprozesse in der


Die Stärkung der <strong>Innovation</strong>sfähigkeit durch <strong>Innovation</strong>sdienstleistungen 126<br />

Unternehmung <strong>mit</strong> geeigneten IDL zu unterstützen, da<strong>mit</strong> die notwendige Hand-<br />

lungsfähigkeit aufgebaut werden kann. Dazu kann es reichen, wenn der IDL-Anbieter<br />

und IDL-Nachfrager auf Datenebene zusammenarbeiten.<br />

Nachfolgend wird daher eine Kategorisierung von <strong>Innovation</strong>sdienstleistungen vor-<br />

geschlagen, die auf der Gestaltung der Transferbeziehung ansetzt. Als Basis dafür<br />

wird der Bezugsrahmen zur Analyse und Gestaltung von Wissenssystemen verwen-<br />

det (vgl. Abbildung 5-9). Dadurch können die zuvor genannten sechs Kategorien von<br />

<strong>Innovation</strong>sdienstleistungen auf folgender Struktur übertragen werden:<br />

? Handlungsorientierte <strong>Innovation</strong>sdienstleistungen<br />

? Wissensorientierte <strong>Innovation</strong>sdienstleistungen<br />

? Datenorientierte <strong>Innovation</strong>sdienstleistungen<br />

Handlungsebene<br />

Anwenden<br />

Soziales Subsystem<br />

Dokumentation<br />

Wissensebene Information<br />

Handlungsorientierte<br />

IDL<br />

Wissensgebiete<br />

Lernen<br />

IDL-Pool<br />

Wissensorientierte<br />

IDL<br />

Datenebene<br />

Technisches Subsys.<br />

Datenorientierte<br />

IDL<br />

Abbildung 5-9: Zuordnung von <strong>Innovation</strong>sdienstleistungen zum Bezugsrahmen<br />

Diese Struktur korreliert un<strong>mit</strong>telbar <strong>mit</strong> Handlungsebene, Wissensebene und Date-<br />

nebene des Bezugsrahmens. Je nach Ausprägung der IDL setzt diese bei unter-<br />

schiedlichen Beziehungen im Bezugsrahmen an. Daher wird auch die Gestaltung der<br />

Transfer-Beziehung unterschiedlich sein. In den weiteren Ausführungen werden die<br />

einzelnen Ausprägungen und Möglichkeiten zum Transfer von IDL anhand des Bezugsrahmens<br />

im Detail vorgestellt.


Die Stärkung der <strong>Innovation</strong>sfähigkeit durch <strong>Innovation</strong>sdienstleistungen 127<br />

5.3.2 Datenorientierte <strong>Innovation</strong>sdienstleistungen<br />

Der Aufbau und die Weiterentwicklung der Kern-Wissensgebiete einer Unterneh-<br />

mung gestalten sich durch die zunehmende Anzahl an generierten Daten im Unter-<br />

nehmungsumfeld als äußerst anspruchsvolle und zeitintensive Aufgabe. Die Dyna-<br />

mik der Generierung von Daten nimmt durch neue Möglichkeiten der Verteilung, wie<br />

bspw. über das Internet ständig zu. Aber auch die Anzahl an Daten, die <strong>mit</strong>tels<br />

Printmedien verteilt werden, trägt zum exponentiellen Zuwachs an Daten erheblich<br />

bei. Für die Bewirtschaftung der eigenen Kern-Wissensgebiete <strong>mit</strong>tels Daten geht es<br />

nun darum alle relevanten Daten zur Verfügung zu haben, die eine Wissensentwicklung<br />

unterstützen und das möglichst bevor Mitbewerber darauf Zugriff haben.<br />

Dadurch entstehen wiederum neue Geschäftsfelder für IDL-Anbieter. Als Beispiel<br />

können sogenannte „Informationsbroker“ erwähnt werden, die Daten zu speziellen<br />

Wissensgebieten sammeln und für die Informationsgewinnung beim Nachfrager zur<br />

Verfügung stellen. Der IDL-Nachfrager kann durch vorselektierte Datensätze geziel-<br />

ter und rascher Wissen im Informationsprozess entwickeln. Der IDL-Anbieter hilft<br />

dem IDL-Nachfrager dabei, die zunehmende Dynamik der Datengenerierung zu bewältigen.<br />

Eine datenorientierte IDL zeichnet sich daher dadurch aus, dass sowohl IDL-Anbieter<br />

als auch IDL-Nachfrager eine genaue Vorstellung von der Zuordnung der Daten zu<br />

den Wissensgebieten haben. Es muss daher ein gemeinsames Kontextwissen im<br />

jeweiligen Wissensgebiet vorhanden sein, das dem IDL-Anbieter ermöglicht gezielt<br />

Daten zu sammeln und aufzubereiten. Auf der anderen Seite muss der IDL-<br />

Nachfrager die gelieferten Daten einordnen können, da<strong>mit</strong> seine Informationsprozes-<br />

se erfolgreich und effizient ablaufen können. Die Erweiterung bzw. Veränderung sei-<br />

ner eigenen Wissensbasis durch Lernen beeinflusst wiederum die <strong>Innovation</strong>sfähigkeit.<br />

Stellvertretend für viele datenorientierte <strong>Innovation</strong>sdienstleistungen können folgende<br />

Beispiele genannt werden:<br />

? Erhebung von Kundenwünschen<br />

? Patentrecherchen<br />

Zum effizienten Transfer dieser Daten müssen geeignete Datenträger zur Verfügung<br />

stehen. Neben den Printmedien bieten sich dazu vorrangig elektronische Datenver-<br />

arbeitungsanlagen an. Für Unternehmungen, die bereits über ein Intranet verfügen,<br />

kann eine Erweiterung des Intranet zu einem Extranet <strong>mit</strong> ausgewählten IDL-


Die Stärkung der <strong>Innovation</strong>sfähigkeit durch <strong>Innovation</strong>sdienstleistungen 128<br />

Anbietern von großem Vorteil sein, da da<strong>mit</strong> auch die Vervielfältigung und Verteilung<br />

einfach gelöst werden kann.<br />

Ein Extranet kann daher als erweitertes Intranet gesehen werden, bei dem ausge-<br />

wählte Partner in ein gemeinsames unternehmensübergreifendes Datennetz inte-<br />

griert werden. Da<strong>mit</strong> ein Transfer von datenorientierten IDL effizient erfolgen kann, ist<br />

daher neben dem gemeinsamen Kontextwissen eine Koppelung der elektronischen<br />

Datenverarbeitungsanlagen anzustreben. Da es sich im <strong>Innovation</strong>sbereich vorrangig<br />

um sensible unternehmensinterne Daten handelt, ist vor allem auf den Sicherheitsaspekt<br />

besonders wert zu legen.<br />

IDL-Nachfrager<br />

Handlungsebene<br />

Anwenden Doku. Daten-<br />

Lernen<br />

Wissensebene<br />

Info.<br />

ebene<br />

Soziales Subsystem Techn. Subsys.<br />

IDL-Anbieter<br />

IuK-System<br />

Handlungsebene<br />

Anwenden Doku. Daten-<br />

Lernen<br />

Wissensebene<br />

Info.<br />

ebene<br />

Soziales Subsystem Techn. Subsys.<br />

Abbildung 5-10: Vernetzung für den Transfer von datenorientierter IDL<br />

In Abbildung 5-10 wird die Vernetzung zwischen IDL-Anbieter und IDL-Nachfrager<br />

auf Datenebene dargestellt. Anbieter und Nachfrager verfügen über eine eigene<br />

Handlungs- Wissens- und Datenbasis, die jeweils über die Prozesse Lernen und<br />

Anwenden bzw. Dokumentation und Information verknüpft sind. Der IDL-Anbieter<br />

stellt Daten zur Verfügung, die er entweder selbst generiert und dokumentiert oder er<br />

holt sich Daten aus Datenbanken und bereitet diese für den IDL-Nachfrager auf.<br />

Diese Daten werden dann über IuK-Systeme an den IDL-Nachfrager über<strong>mit</strong>telt.<br />

Beim IDL-Nachfrager werden <strong>mit</strong> diesen Daten Informationsprozesse zur Wissen-<br />

sentwicklung ausgelöst. Die Kompatibilität der IuK-Systeme muss für den Datentransfer<br />

auf jeden Fall sichergestellt werden.


Die Stärkung der <strong>Innovation</strong>sfähigkeit durch <strong>Innovation</strong>sdienstleistungen 129<br />

Die Über<strong>mit</strong>tlung der Daten kann Online oder in <strong>mit</strong> dem IDL-Nachfrager vereinbar-<br />

ten Intervallen erfolgen. Als Beispiel können IDL in der Form von Patentrecherchen<br />

genannt werden. Dabei wird der IDL-Nachfrager laufend <strong>mit</strong> Daten über den aktuel-<br />

len Stand der Patente in seinen Kern-Wissensgebieten versorgt. Dadurch können<br />

einerseits Ideen für eigene <strong>Innovation</strong>en geholt werden, auf der anderen Seite können<br />

dadurch zeitintensive und kostspielige Doppelentwicklungen verhindert werden.<br />

5.3.3 Wissensorientierte <strong>Innovation</strong>sdienstleistungen<br />

Der Aufbau und die Bewirtschaftung der Kern-Wissensgebiete zur Erhaltung und<br />

Verbesserung der <strong>Innovation</strong>sfähigkeit einer Unternehmung kann durch die Einbin-<br />

dung externer Leistungspotenziale unterstützt werden. Eine Möglichkeit dazu wurde<br />

bereits <strong>mit</strong> den datenorientierten <strong>Innovation</strong>sdienstleistungen vorgestellt. Auch die<br />

Vernetzung auf Datenebene setzt ein gemeinsames Kontextwissen voraus, das<br />

meist erst im Vorfeld des Leistungstransfers aufgebaut werden muss. Dazu ist eine<br />

ausschließliche Vernetzung auf Datenebene nur bedingt geeignet, da die Möglich-<br />

keiten der Interaktion durch den Übertragungskanal beschränkt werden. Am ehesten<br />

kann der Aufbau von Kontextwissen <strong>mit</strong>tels IuK-Systeme über die Telekommunikation<br />

erreicht werden .<br />

Wesentlich besser geeignet ist dazu eine Vernetzung auf sozialer Ebene. Dadurch<br />

wird die Intensität der Kommunikation erhöht, außerdem kann das für eine Koopera-<br />

tion erforderliche Vertrauen aufgebaut werden. Dazu ist es erforderlich, das IDL-<br />

Nachfrager und IDL-Anbieter gemeinsam auf „Wissensebene“ <strong>mit</strong>einander vernetzt<br />

werden. Da<strong>mit</strong> kann diese Form der Einbindung von IDL auch als Einstieg für alle<br />

anderen Formen des IDL-Transfers gesehen werden. Denn auch für die zielgerich-<br />

tete Einbindung von Handlungen muss auf Wissensebene ein gemeinsames Kontextwissen<br />

vorhanden sein.<br />

Für diese Art von IDL können beispielhaft folgende Ausprägungen genannt werden:<br />

? Management-Beratung<br />

? Ver<strong>mit</strong>tlung von Methodenwissen<br />

Wissensorientierte IDL kommt vorrangig für die Wissensentwicklung bzw. für den<br />

Kompetenzaufbau beim IDL-Nachfrager (Insourcing) in Frage. Diese Form der IDL ist<br />

dadurch geprägt, dass IDL-Anbieter und IDL-Nachfrager eng zusammenarbeiten<br />

müssen. Das gewünschte Ergebnis der Dienstleistung kann in der Übertragung des<br />

Wissens des IDL-Anbieters auf den IDL-Nachfrager gesehen werden. Da<strong>mit</strong> verbun-<br />

den sind Lernprozesse, welche durch die strukturelle Koppelung bzw. „soziale Ver-


Die Stärkung der <strong>Innovation</strong>sfähigkeit durch <strong>Innovation</strong>sdienstleistungen 130<br />

netzung“ zwischen IDL-Nachfrager und IDL-Anbieter hervorgerufen werden. Als Be-<br />

spiel kann die Abhaltung eines Seminars zur Ver<strong>mit</strong>tlung von Methodenwissen in der<br />

Unternehmung des IDL-Nachfragers genannt werden.<br />

Für den IDL-Anbieter erscheint diese Situation bedrohlich zu sein, denn nach abge-<br />

schlossenem Lernprozess beim IDL-Nachfrager wird jede weitere Zusammenarbeit<br />

sinnlos. Theoretisch könnte der IDL-Nachfrager nach dem Transfer sogar zum Kon-<br />

kurrenten werden. Durch die Dynamik am „Wissensmarkt“ kann aber davon ausge-<br />

gangen werden, dass diese Situation kaum eintreten wird. Vielmehr wird es ständig<br />

notwendig sein, sich auf neue Verhältnisse durch die Zusammenarbeit <strong>mit</strong> dem IDL-<br />

Anbieter vorzubereiten.<br />

IDL-Nachfrager<br />

Handlungsebene<br />

Anwenden Doku. Daten-<br />

Lernen<br />

Wissensebene<br />

Info.<br />

ebene<br />

Soziales Subsystem Techn. Subsys.<br />

Soziale<br />

Vernetzung<br />

IDL-Anbieter<br />

IuK-System<br />

Handlungsebene<br />

Anwenden Doku. Daten-<br />

Lernen<br />

Wissensebene<br />

Info.<br />

ebene<br />

Soziales Subsystem Techn. Subsys.<br />

Abbildung 5-11: Vernetzung für den Transfer von wissensorientierter IDL<br />

Weiters kann aus dem Bezugsrahmen abgeleitet werden, dass der IDL-Anbieter<br />

durch sein Handeln bei der Wissensver<strong>mit</strong>tlung selbst einen Lernprozess durchläuft.<br />

Dies wird noch dadurch verstärkt, indem der IDL-Anbieter sein Wissen in der Regel<br />

nicht nur an einen IDL-Nachfrager, sondern an mehrere verkauft. Er lernt dadurch<br />

öfter und intensiver in diesem Wissensgebiet als ein einzelner Kunde. Aus dieser<br />

Sicht wird der lehrende IDL-Anbieter selbst zum Lernenden, der durch die Ausübung<br />

seiner eigenen Profession Wissen aufbaut. Dadurch wird der IDL-Anbieter gegenüber<br />

dem IDL-Nachfrager immer einen Wissensvorsprung halten können.<br />

In Abbildung 5-11 wird die Vernetzung für den Transfer von wissensorientierter IDL<br />

skizziert. Am effektivsten kann Wissen aber durch einen hohen Anteil an sozialer


Die Stärkung der <strong>Innovation</strong>sfähigkeit durch <strong>Innovation</strong>sdienstleistungen 131<br />

Vernetzung übertragen werden. Die Verbindung über die Datenebene kann zur Unterstützung<br />

des Wissenstransfers z.B. durch Telekommunikation genutzt werden.<br />

5.3.4 Handlungsorientierte <strong>Innovation</strong>sdienstleistungen<br />

Handlungsorientierte <strong>Innovation</strong>sdienstleistungen zeichnen sich dadurch aus, dass<br />

der IDL-Anbieter nicht nur sein Wissen einbringt, sondern auch die dadurch ermög-<br />

lichte Handlung im <strong>Innovation</strong>sprozess ausführt. Handlungsorientierte IDL hat die<br />

Eigenschaft, dass die Nützlichkeit der <strong>Innovation</strong>sdienstleistung in der Handlung<br />

selbst zu sehen ist. Diese Nützlichkeit drückt sich im Zugriff auf Wissen aus, das in<br />

jahrelanger persönlicher Erfahrung des Anbieters aufgebaut wurde. In Ahnlehnung<br />

an Polanyi 170 kann darin Wissen gesehen werden, das nur schwer übertragbar ist.<br />

Polanyi bezeichnet dieses Wissen <strong>mit</strong> „tacit knowing“ bzw. „tacit knowledge“. Dieses<br />

Wissen kann nur durch eigene Erfahrung, durch Anwenden und Handeln bzw. durch<br />

Üben aufgebaut werden. Daher sollte diese Form der Dienstleistung un<strong>mit</strong>telbar als<br />

Handlung in den <strong>Innovation</strong>sprozess eingebunden werden.<br />

Folgende Beispiele können dazu angeführt werden:<br />

? Forscher auf Zeit<br />

? <strong>Innovation</strong>sassistenten<br />

Ein Forscher auf Zeit übernimmt Forschungsaufträge nach den Spezifikationen eines<br />

IDL-Nachfragers bzw. Auftraggebers. Er führt diese <strong>Innovation</strong>sdienstleitung in Ab-<br />

stimmung <strong>mit</strong> dem IDL-Nachfrager eigenständig aus und liefert das Forschungser-<br />

gebnis an den Auftraggeber ab. Dazu muss er bei der Ausführung seiner Tätigkeit<br />

nicht unbedingt in den Betriebsstätten des Auftragebers anwesend sein.<br />

Im Unterschied dazu wird ein <strong>Innovation</strong>sassistent in der Regel temporär in die Un-<br />

ternehmung geholt, um dort einen <strong>Innovation</strong>sprozess umfassend zu begleiten. Sei-<br />

ne Aufgaben liegen vorrangig im Bereich <strong>Innovation</strong>s- und Projektmanagement. Da-<br />

<strong>mit</strong> ist er meist auch <strong>mit</strong> dem Einsatz von Ressourcen und <strong>mit</strong> der operativen Inno-<br />

vationsprojektabwicklung betraut. Er kann daher als gezielte Erweiterung der Perso-<br />

nalkapazität einer Unternehmung für <strong>Innovation</strong>saufgaben gesehen werden und wird<br />

daher eher von kleineren und <strong>mit</strong>tleren Unternehmungen eingesetzt.<br />

Anhand des Bezugsrahmens können auch dazu Empfehlungen für den IDL-Transfer<br />

angegeben werden. In Abbildung 5-12 ist das Zusammenspiel von IDL-Nachfrager<br />

und IDL-Anbieter skizziert.<br />

¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯<br />

170 Vgl. Polanyi, M.: The tacit dimension, Gloucester-Mass., 1966, reprinted 1983, S. 4f


Die Stärkung der <strong>Innovation</strong>sfähigkeit durch <strong>Innovation</strong>sdienstleistungen 132<br />

Bei einer handlungsorientierten IDL muss die Einbindung der Dienstleistung in der<br />

Handlungsebene erfolgen. Zusätzlich kann zur Abstimmung und Koordination der<br />

Handlungen eine Koppelung auf der Datenebene <strong>mit</strong>tels IuK-Systemen erfolgen.<br />

Da<strong>mit</strong> dies durchführbar ist, müssen folgende Voraussetzungen erfüllt sein:<br />

? Gemeinsamer Mindestkontext auf Wissensebene<br />

? Kompatible Informations- und Kommunikationssysteme<br />

IDL-Nachfrager<br />

Handlungsebene<br />

Anwenden Doku. Daten-<br />

Lernen<br />

Wissensebene<br />

Info.<br />

ebene<br />

Soziales Subsystem Techn. Subsys.<br />

Soziale<br />

Vernetzung<br />

Transfer<br />

IDL-Anbieter<br />

Auftrag<br />

IuK-System<br />

Handlungsebene<br />

Anwenden Doku. Daten-<br />

Lernen<br />

Wissensebene<br />

Info.<br />

ebene<br />

Soziales Subsystem Techn. Subsys.<br />

Abbildung 5-12: Vernetzung für den Transfer von handlungsorientierter IDL<br />

Das Wissen, das zur Steuerung der Handlungen notwendig ist, wird von Anbieter der<br />

IDL eigenständig aufgebaut und weiterentwickelt. Auf Wissensebene ist lediglich ein<br />

gemeinsamer Mindestkontext notwendig, der eine abgestimmte und zielgerichtete<br />

Einbindung der Handlung in den <strong>Innovation</strong>sprozess ermöglicht. Dieser Kontext wird<br />

in der Regel über die Kontaktphase bis zum Beginn des Leistungstransfers aufgebaut.<br />

Ein Broker kann diesen Prozess beschleunigen.<br />

Dieser gemeinsame Kontext ermöglicht die gegenseitige Einschätzung, welche Vor-<br />

aussetzungen für den IDL-Transfer notwendig sind und welche Auswirkungen und<br />

Ergebnisse die Erbringung der IDL haben wird. Die gegenseitige Erwartungshaltung<br />

der Partner wird dadurch von vornherein auf ein erfüllbares Maß beschränkt.<br />

Wenn dieser gemeinsame Kontext vorhanden ist, kann über eine Koppelung auf der<br />

Datenebene der Handlungsbedarf im <strong>Innovation</strong>sprozess abgestimmt und entspre-<br />

chend gestaltet werden. Das kann z.B. der Auftrag an einen Anbieter sein, eine<br />

Dienstleistung zu einem gewissen Zeitpunkt einzubringen. Auf der Datenebene muss


Die Stärkung der <strong>Innovation</strong>sfähigkeit durch <strong>Innovation</strong>sdienstleistungen 133<br />

als Mindestanforderung eine kompatible Anwendungsebene vorliegen, da<strong>mit</strong> <strong>mit</strong>tels<br />

EDV-Systeme Daten ausgetauscht werden können.<br />

5.4 Wirkungen von <strong>Innovation</strong>sdienstleistungen auf die<br />

<strong>Innovation</strong>sfähigkeit<br />

Die Einbindung externer Ressourcen beeinflusst den Aufbau von Kompetenzen für<br />

<strong>Innovation</strong>sprozesse. Während beim Insourcing der Aufbau der eigenen Kernkom-<br />

petenzen beeinflusst wird, kann beim Outsourcing eine Erweiterung des Handlungs-<br />

spielraumes erreicht werden. Bei beiden Fällen müssen Aufgaben- und Wissensträ-<br />

ger unterschiedlicher Organisationen zusammenarbeiten, da<strong>mit</strong> ein Leistungstransfer<br />

stattfinden kann. Aus der systemischen Betrachtungsweise werden zwei Wissenssysteme<br />

bzw. zwei soziotechnische Systeme in Beziehung gebracht.<br />

Auf der systemischen Betrachtungsebene erscheint eine Kooperationsbeziehung als<br />

Vernetzung von mindestens zwei Menschen als Systemelemente bzw. nicht-triviale<br />

Maschinen unterschiedlicher Systeme. Wie bereits in Kapitel 3 beschrieben, hat der<br />

Mensch als nicht-triviale Maschine die Eigenschaften der prinzipiellen Unberechen-<br />

barkeit und Undeterminiertheit. Nicht-triviale Maschinen reagieren zwar auf externe<br />

Inputs, aber sie legen selbst fest, was sie als Input zu akzeptieren bereit sind.<br />

In dieser Sichtweise wird bereits angedeutet, dass die Einbeziehung systemfremder<br />

Elemente in die eigene Unternehmung, bzw. die Vernetzung <strong>mit</strong> systemfremden<br />

Elementen <strong>mit</strong> Konflikten behaftet sein kann. Da <strong>Innovation</strong>en bzw. <strong>Innovation</strong>spro-<br />

zesse von vornherein ein hohes Konfliktpotenzial aufweisen, können dadurch einige<br />

der positiven Effekte von <strong>Innovation</strong>sdienstleistungen verhindert werden. Nachfol-<br />

gend sollen anhand der in Kapitel 2 aufgezeigten Merkmale von <strong>Innovation</strong>en (Neu-<br />

heitsgrad, Komplexität, Unsicherheit/Risiko, und Konfliktgehalt) positive und negative<br />

Wirkungen von <strong>Innovation</strong>sdienstleistungen auf den <strong>Innovation</strong>sprozess aufgezeigt<br />

werden.<br />

5.4.1 Neuigkeitsgrad<br />

Der Neuigkeitsgrad von <strong>Innovation</strong>en ist bei Erfindungen eine Grundvoraussetzung,<br />

um über eine Patentierung oder über einen Musterschutz Konkurrenten vom Markt<br />

fernhalten zu können. Da<strong>mit</strong> ist der Neuheitsgrad vor allem bei Produktinnovationen,<br />

bei denen ein Schutz des geistigen Eigentums sinnvoll erscheint, ein wesentlicher<br />

Erfolgsfaktor. Die in Abschnitt 5.1 beschriebene genetische Vielfalt kann den Neu-<br />

heitsgrad von <strong>Innovation</strong>en positiv beeinflussen. Der Beginn von <strong>Innovation</strong>sprozes-<br />

sen – die Ideengenerierung – hat da<strong>mit</strong> zum Ziel neues Wissen hervorzubringen. Die


Die Stärkung der <strong>Innovation</strong>sfähigkeit durch <strong>Innovation</strong>sdienstleistungen 134<br />

dazu notwendige Kreativität der Wissensträger kann gezielt durch heuristische Methoden<br />

gefördert werden.<br />

Heuristische Prinzipien als Basis aller Kreativitätstechniken beruhen z.B. auf Ab-<br />

straktion, Kombination, Übertragung der Analogien, Variation oder Zerlegung von<br />

Wissenselementen. Eine Empfehlung für die Zusammensetzung von Teams in Krea-<br />

tivitäts-workshops ist die fachliche Heterogenität der Teilnehmer. Im Bezugsrahmen<br />

zur Analyse und Gestaltung von Wissenssystemen kann diese Empfehlung anhand<br />

der Vernetzung von Wissensträgern aus heterogenen Wissensgebieten erklärt werden:<br />

Wissensträger unterschiedlicher Wissensgebiete bringen zu einer gegebenen Pro-<br />

blemstellung unterschiedliches Kontextwissen <strong>mit</strong>. Durch den fehlenden gemeinsa-<br />

men Kontext kann ein Wissenstransfer eines Team<strong>mit</strong>gliedes zu anderen Team<strong>mit</strong>-<br />

gliedern einen Effekt auslösen der neues Wissen in bezug auf die Problemstellung<br />

hervorbringt: Der Empfänger kann eine Vernetzung nur <strong>mit</strong> seiner eigenen Wissens-<br />

basis durchführen. Die aufgenommen Signale werden beim Individuum im Informati-<br />

onsprozess <strong>mit</strong> der bestehenden Wissensbasis zwar vernetzt, durch das fehlende<br />

Kontextwissen wird der Anknüpfungspunkt aber in einem anderen Bereich als beim<br />

Sender liegen. Dadurch kann die Vernetzung beim Empfänger die Entwicklung von<br />

neuem Wissen bewirken. Das auf diese Art generierte Wissen hat das Potenzial<br />

neue Aspekte für die Problemlösung aufzuwerfen. Durch gruppendynamische Effekte<br />

und wechselseitige Kommunikation werden rekursive Prozesse der Wissensentwicklung<br />

durchlaufen, die diesen Effekt noch verstärken.<br />

In bezug auf externe Ressourcen kann durch die Einbindung fremdartiger Wissens-<br />

gebiete in Kreativitätsworkshops neues Wissen generiert werden. Die dabei erreichte<br />

genetische Vielfalt fördert die Entstehung von neuem Wissen in der Unternehmung.<br />

Durch die klare Anbieter/Nachfrager-Beziehung kann auch die Frage der Wissens-<br />

verwertung von vornherein geklärt werden. Dies ist gerade bei patentierfähigen <strong>Innovation</strong>en<br />

zu empfehlen.<br />

Die Wirkung von IDL auf den Neuheitsgrad kann positiv gesehen werden, da da<strong>mit</strong><br />

auch unternehmensfremde Wissensgebiete berücksichtigt werden können. Durch<br />

Einbeziehung von sogenannten „Informations-Brokern“ kann die Neuigkeit von <strong>Innovation</strong>en<br />

auf breiter Basis, z.B. anhand von Patentrecherchen überprüft werden.<br />

5.4.2 Komplexität<br />

Ein hoher Neuigkeitsgrad erhöht auch die Komplexität des im <strong>Innovation</strong>smanage-<br />

ment zu gestaltenden Systems. Geht es darum Veränderungen in Unternehmungen


Die Stärkung der <strong>Innovation</strong>sfähigkeit durch <strong>Innovation</strong>sdienstleistungen 135<br />

umzusetzen, kann erhöhte Komplexität daher als hemmender Faktor wahrgenom-<br />

men werden. Durch die Einbeziehung externer Ressourcen werden zusätzliche Pro-<br />

zess-Schnittstellen geschaffen, die durch Modularisierung von Prozessschritten auf<br />

ein überschaubares Maß gehalten werden können. In der Praxis wird der <strong>Innovation</strong>sprojektleiter<br />

gefordert sein, klare Schnittstellen für den IDL-Transfer zu definieren.<br />

Aber auch während des IDL-Transfers wird erhöhte Komplexität durch notwendige<br />

Abstimmungsmaßnahmen zu bewältigen sein. In Abbildung 5-13 wird die Wirkung<br />

von IDL auf die Komplexität im <strong>Innovation</strong>sprozess angedeutet. In der Darstellung ist<br />

ein <strong>Innovation</strong>sprozess ohne IDL-Unterstützung (Teil A) und ein <strong>Innovation</strong>sprozess<br />

<strong>mit</strong> IDL-Unterstützung (Teil B) skizziert. Neben dem Parameter k, der die Komplexität<br />

anhand der Prozessbreite symbolisieren soll, ist auch die Prozessdurchlaufzeit t angedeutet.<br />

Ideengenerierung<br />

Ideenakzeptierung<br />

A) <strong>Innovation</strong>sprozess ohne IDL-Unterstützung<br />

Ideen-<br />

generierung<br />

Ideen-<br />

akzept.<br />

t 2<br />

t 1<br />

Ideen-<br />

realisierung<br />

B) <strong>Innovation</strong>sprozess <strong>mit</strong> IDL-Unterstützung<br />

Abbildung 5-13: Mögliche Wirkungen der IDL-Unterstützung<br />

Ideenrealisierung<br />

Durch die Einbeziehung von IDL kann davon ausgegangen werden, dass die Kom-<br />

plexität der Koordination von Ressourcen erhöht wird (Schneider, U.). 171 Auf der an-<br />

deren Seite kann durch die Einbindung zusätzlicher Leistungspotenziale die Aufga-<br />

¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯<br />

171 Vgl. Schneider, U.: Reengineering und andere Managementmethoden: Vorüberlegungen zu einem<br />

temporären Ansatz der Organisation, in: Liebmann, H.-P. (Hrsg.): Vom Business Process Reengineering<br />

zum Change Management, Wiesbaden 1997, S. 189<br />

k 2<br />

k 1


Die Stärkung der <strong>Innovation</strong>sfähigkeit durch <strong>Innovation</strong>sdienstleistungen 136<br />

benstellung auf mehrere, spezialisierte Wissens- bzw. Aufgabenträger verteilt wer-<br />

den und dadurch die Komplexität für jeden einzelnen verringert werden. Je nach<br />

Problemstellung und Anzahl der einbezogenen Ressourcen wird daher die Komple-<br />

xität unterschiedlich sein. In Teil B der Abbildung 5-13 wurde die Komplexität zwar<br />

erhöht (z.B. durch Einbeziehung vieler externer Ressourcen), die Projektdurchlaufzeit<br />

konnte aber erheblich verringert werden.<br />

Bei <strong>Innovation</strong>sprojekten, die neue Produkte oder Dienstleistungen für den Markt<br />

hervorbringen, kann dadurch der Zeitpunkt des Markteintritts vorverlegt werden.<br />

5.4.3 Unsicherheit/Risiko<br />

Je neuer eine <strong>Innovation</strong>sidee ist, umso weniger Wissen existiert zur Abschätzung<br />

von Auswirkungen des geplanten Ergebnisses. Das Fehlen von einschlägigen Erfah-<br />

rungen ist un<strong>mit</strong>telbar <strong>mit</strong> der Gefahr des Scheiterns für <strong>Innovation</strong>sprozesse ver-<br />

bunden. In dieser Beziehung kann wiederum durch die Erweiterung der Wissensba-<br />

sis <strong>mit</strong> extern zugekauften Wissensgebieten das Risiko der Fehleinschätzung und<br />

da<strong>mit</strong> die Gefahr des Scheiterns verhindert werden.<br />

Das Risiko besteht auch in der Tatsache, dass ein geplantes Ergebnis unter Um-<br />

ständen überhaupt nicht oder nicht rechtzeitig erreicht werden kann. Durch die Res-<br />

sourcen-Bündelung und gezielte Einbindung externer Partner kann dieses Risiko<br />

weitestgehend verhindert werden.<br />

Die Einbeziehung externer Ressourcen ist aber selbst <strong>mit</strong> Risiko und Unsicherheit<br />

verbunden. Hervorzuheben ist in diesem Zusammenhang eine eventuell fehlende<br />

Vertrauensbasis und eine falsche Einschätzung der Arbeitsweise und Zuverlässigkeit<br />

des Partners. Gelöst werden kann dieses Problem meist nur durch den Aufbau von<br />

auf Langfristigkeit ausgelegten Beziehungen. Durch entsprechendes Vertrauen, das<br />

die gegenseitige Verbindlichkeit untermauert, kann auch die Gefahr des unkontrollierten<br />

Wissensabflusses vermindert werden.<br />

Da das Ergebnis des <strong>Innovation</strong>sprozesses durch die Einbeziehung externer Res-<br />

sourcen prinzipiell früher vorliegt und durch umfassendes Wissen besser abgesichert<br />

ist, kann auch das finanzielle Risiko in einem überschaubaren Rahmen gehalten<br />

werden. Dieser beschränkt sich neben den internen Kosten auf die Kosten der extern<br />

bezogenen Leistung und die da<strong>mit</strong> verbundenen Transaktionskosten. Kosten für<br />

langwierige interne Prozesse der Wissensentwicklung können weitestgehend verhindert<br />

werden.


Die Stärkung der <strong>Innovation</strong>sfähigkeit durch <strong>Innovation</strong>sdienstleistungen 137<br />

5.4.4 Konfliktgehalt<br />

Folgende Faktoren haben das Potenzial den Konfliktgehalt bei der Bewältigung von<br />

<strong>Innovation</strong>sprozessen zu erhöhen:<br />

? zusätzliche Kosten<br />

? zusätzliche Ressourcen<br />

? zusätzliche Schnittstellen<br />

? Wissen, das nicht selbst entwickelt, sondern zugekauft wird<br />

Dazu kommt, dass die Wirkungen dieser zusätzlichen Parameter auf das unterneh-<br />

mensübergreifende <strong>Innovation</strong>ssystem durch das Zusammenwirken vieler nicht-<br />

trivialer Maschinen bzw. Menschen nicht vorhersagbar sind. Unterschiedliche Unter-<br />

nehmenskulturen müssen zumindest temporär für den IDL-Transfer verträglich sein.<br />

Aus dieser Sicht ist die Einbeziehung externer Ressourcen eher nachteilig zu sehen.<br />

Konflikte können sachlich wie persönlich begründet sein und erfordern zur Lösung<br />

entsprechende Interventionsmaßnahmen im soziotechnischen System. Es wird da-<br />

her für den IDL-Nachfrager von Vorteil sein, Überlegungen für ein unternehmens-<br />

übergreifendes <strong>Innovation</strong>smanagement anzustellen, um die zuvor genannten Konfliktpotenziale<br />

durch zweckmäßige Gestaltung und Lenkung positiv zu beeinflussen.<br />

5.5 Zusammenfassende Konklusionen<br />

In der ressourcenbasierten strategischen Planung kann eine wertvolle Grundlage für<br />

die wissensbasierte Analyse von <strong>Innovation</strong>sdienstleistungen gefunden werden.<br />

Durch diesen Ansatz wird der Wettbewerb vom Endprodukte-Markt auf Bereiche<br />

verlagert, die höhere Konstanz aufweisen. In diesen Bereichen steht der Wettbewerb<br />

um Kernprodukte, Kernkompetenzen und schließlich der Wettbewerb um Ressourcen,<br />

die für den Aufbau von Kernkompetenzen erforderlich sind, im Vordergrund.<br />

Die Herausforderung des ressourcenbasierten <strong>Innovation</strong>smanagements, <strong>mit</strong> dem<br />

Fokus auf die Einbeziehung externer Leistungspotenziale, kann <strong>mit</strong> der Fragestel-<br />

lung: „Wie kann ich das Wissen anderer nutzen, ohne es selbst aufbauen bzw. ent-<br />

wickeln zu müssen?“ konkretisiert werden. Durch die Einbeziehung externer Lei-<br />

stungspotenziale in der Form von <strong>Innovation</strong>sdienstleistungen wird eine unternehmensübergreifende<br />

<strong>Innovation</strong>splattform gebildet.<br />

<strong>Innovation</strong>sdienstleistungen als Ausprägungen externer Ressourcen, die vorwiegend<br />

immaterieller Natur sind, können entweder zum Aufbau eigener Kernkompetenzen


Die Stärkung der <strong>Innovation</strong>sfähigkeit durch <strong>Innovation</strong>sdienstleistungen 138<br />

durch Insourcing, oder durch Nutzung externer Potenziale im Wege des Outsourcing<br />

in unternehmerische <strong>Innovation</strong>sprozesse einbezogen werden.<br />

Die Möglichkeiten der Gestaltung der Kooperationsbeziehung werden anhand des<br />

„Bezugsrahmens zur Analyse und Gestaltung von Wissenssystemen“ untersucht.<br />

Dazu werden die sechs IDL-Kategorien Technologie, Markt, Recht, Finanzierung,<br />

<strong>Innovation</strong>smanagement und Broker in eine neue Gliederung <strong>mit</strong> den Kategorien<br />

? Handlungsorientierte <strong>Innovation</strong>sdienstleistungen<br />

? Wissensorientierte <strong>Innovation</strong>sdienstleistungen<br />

? Datenorientierte <strong>Innovation</strong>sdienstleistungen<br />

transformiert.<br />

Aus der wissensbasierten Analyse kann abgeleitet werden, dass der Schnittstellen-<br />

gestaltung auf Wissensebene besondere Bedeutung zukommt. Das Zusammenspiel<br />

unterschiedlicher Unternehmenskulturen, aber auch die kundenspezifische Einbin-<br />

dung können als Problembereiche identifiziert werden. Bei allen drei Arten von IDL<br />

ist die hohe Bedeutung eines konsensuellen Bereichs, d.h. eines gemeinsamen<br />

Kontextwissens der Partner hervorzuheben.<br />

Anhand der Merkmale von <strong>Innovation</strong>en werden Wirkungen von <strong>Innovation</strong>sdienst-<br />

leistungen auf unternehmerische <strong>Innovation</strong>sprozesse kritisch hinterfragt. Insgesamt<br />

kann festgestellt werden, dass die positiven Aspekte der Einbeziehung von IDL über-<br />

wiegen und der IDL-Ansatz das Potenzial hat, die <strong>Innovation</strong>sfähigkeit von Unter-<br />

nehmungen zu steigern. Dazu sind die unterschiedlichen Möglichkeiten der Gestal-<br />

tung in Abhängigkeit von einer Insourcing- oder Outsourcing-Entscheidung differenziert<br />

zu betrachten.<br />

Die drei Kategorien und die beschriebenen Wirkungen von IDL auf unternehmerische<br />

<strong>Innovation</strong>sprozesse bilden die Grundlage für die weiteren Ausführungen. Darin soll<br />

auf den Prozess eines IDL-Transfers von der Anbietersuche bis zur Beendigung der<br />

Kooperationsbeziehung im Detail eingegangen werden.


Wissensbasiertes Management von <strong>Innovation</strong>sdienstleistungen 139<br />

6 Wissensbasiertes Management von <strong>Innovation</strong>sprozessen<br />

„Mit der Produktion von Wissen alleine lassen sich noch keine Wettbewerbsvorteile<br />

gewinnen, sondern erst durch die Anwendung von Wissen bei der Lösung von Aufgaben,<br />

die der Kunde honoriert.“ (Zahn, E.) 172<br />

Das Management von <strong>Innovation</strong>sprozessen und der da<strong>mit</strong> verbundene Kompe-<br />

tenzaufbau ist <strong>mit</strong> Aufgaben und Entscheidungen verbundenen, die zukunftsweisend<br />

für die <strong>Innovation</strong>sfähigkeit von Unternehmungen sind. In diesem Kapitel wird nun<br />

ein Vorschlag für die Gestaltung von <strong>Innovation</strong>sprozessen in Unternehmungen unter<br />

Einbeziehung von <strong>Innovation</strong>sdienstleistungen vorgestellt. Im Vordergrund der Be-<br />

trachtungen steht dabei die Erweiterung der innovationsrelevanten organisationalen<br />

Wissensbasis zur Erhöhung der unternehmerischen <strong>Innovation</strong>sfähigkeit.<br />

Erkenntnisse aus den bisherigen Ausführungen, insbesondere die Ansätze die an-<br />

hand der Anwendung des „Bezugsrahmen zur Analyse und Gestaltung von Wissens-<br />

systemen“ auf IDL aufgezeigt wurden, bilden den Kontext dafür. Dazu ist grundsätz-<br />

lich anzumerken, dass die Anzahl und die Ausprägungen unterschiedlicher Parame-<br />

ter in der Praxis natürlich von Fall zu Fall unterschiedlich sein werden. An dieser<br />

Stelle können lediglich grundsätzliche Möglichkeiten der Gestaltung aufgezeigt werden,<br />

die in der jeweiligen Anwendung zweckorientiert adaptiert werden müssen.<br />

<strong>Innovation</strong>sprozesse begründen zukünftige Möglichkeiten der Wertschöpfung einer<br />

Unternehmung. Sieht man eine Unternehmung als wertsteigerndes Ressourcen-<br />

Umwandlungssystem, so sind zahlreiche Austausch- und Einwirkungsprozesse von<br />

Bedeutung. In Abbildung 6-1 werden Ressourcenströme von der Unternehmung zu<br />

den „Stakeholdern“ und umgekehrt beispielhaft dargestellt.<br />

Für die weiteren Betrachtungen sind vor allem die verbündeten Unternehmungen<br />

und hier speziell die Anbieter von Ressourcen in der Form von <strong>Innovation</strong>sdienstlei-<br />

stungen von großer Bedeutung. Da<strong>mit</strong> das Zusammenspiel interner und externer<br />

Ressourcen bei <strong>Innovation</strong>en überhaupt funktionieren kann, muss eine grundsätzlich<br />

positive Einstellung gegenüber Veränderungsprozessen in der Unternehmung vor-<br />

handen sein bzw. aufgebaut werden. Ein positives <strong>Innovation</strong>sklima kann aber nicht<br />

durch das Führungsteam „geschaffen“ werden, sondern ist das Ergebnis einer offe-<br />

¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯<br />

172 Zahn, E.: Wissen und Strategie, in: Bürgel, H. (Hrsg.): <strong>Wissensmanagement</strong>, Berlin/Heidelberg/New<br />

York 1998, S. 46


Wissensbasiertes Management von <strong>Innovation</strong>sdienstleistungen 140<br />

nen, jahrelangen auf Vertrauen ausgerichteten Zusammenarbeit in der Unternehmung<br />

Lieferanten<br />

Arbeitnehmer<br />

Ressourcen-Inputs<br />

Angemessene<br />

Gegenleistungen<br />

Anteilseigner und „Financial Community“<br />

Forschung und Entwicklung<br />

Beschaffung Absatz<br />

Produktion<br />

Gesellschaft Verbündete Unternehmen<br />

Abnehmer<br />

Abbildung 6-1: Die Unternehmung als wertsteigerndes Umwandlungssystem von<br />

Ressourcen (Hinterhuber, H.H.) 173<br />

Das <strong>Innovation</strong>spotenzial einer Unternehmung wird von der Qualität und der Quanti-<br />

tät verfügbarer Ressourcen <strong>mit</strong>geprägt. Die Entscheidung über das In- oder<br />

Outsourcing von Ressourcen beeinflusst den Kompetenzaufbau und die Unterneh-<br />

mungsentwicklung nachhaltig. Das Management interner und externer Ressourcen<br />

für den Aufbau, die Pflege und die Nutzung von Kernkompetenzen und Erfolgsposi-<br />

tionen ist als strategische Aufgabe <strong>mit</strong> höchster Bedeutung für einen nachhaltigen<br />

Unternehmungserfolg zu sehen.<br />

6.1 <strong>Innovation</strong> als Herausforderung für das strategische<br />

Management<br />

Moltke 174 versteht unter Strategie die „Fortbildung des ursprünglich leitenden Gedan-<br />

kens entsprechend den stets sich ändernden Verhältnissen.“ Strategische Planung<br />

und strategische Unternehmensführung bilden die Grundlage für den wirtschaftlichen<br />

Einsatz knapper Ressourcen. Strategische Planung wäre hinfällig, wenn auch in der<br />

Zukunft befriedigende Wirtschaftsergebnisse <strong>mit</strong> den Ressourcen und Methoden der<br />

¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯<br />

173<br />

Hinterhuber, H.H.: Strategische Unternehmensführung, I. Strategisches Denken, 6. Auflage, Berlin/New<br />

York 1996, S. 2<br />

174<br />

Moltke, H.: Militärische Werke, Berlin 1890-1912, zitiert in: Hinterhuber, H.H.: a.a.O., S. 18


Wissensbasiertes Management von <strong>Innovation</strong>sdienstleistungen 141<br />

Vergangenheit zu erzielen sind. Wie in Kapitel 1 beschrieben, kann davon nicht die<br />

Rede sein. Im Gegenteil, die vorherrschende <strong>Innovation</strong>sdynamik führt dazu, dass<br />

der strategischen Unternehmensführung immer größere Bedeutung zugemessen<br />

werden muss. <strong>Innovation</strong>sdynamik kann nach Ramsauer 175 anhand der Merkmale<br />

Neuheitsgrad und Frequenz bewertet werden. Dabei werden beim Neuheitsgrad Modifikation,<br />

I<strong>mit</strong>ation und Invention unterschieden.<br />

Unternehmensstrategien legen die grundsätzlichen Betätigungsfelder einer Unter-<br />

nehmung fest. Dazu zählen angestrebte Kompetenzfelder, Leistungen, Märkte, etc.,<br />

die wiederum die Basis für die Bildung von Strategien auf der Ebene von strategi-<br />

schen Geschäftseinheiten bilden (Hinterhuber, H.H.). 176 Grundsätzlich findet man in<br />

der Literatur heute zwei unterschiedliche Ansätze zur Strategiebildung vor (vgl.<br />

Abbildung 6-2). Den marktorientierten und den ressourcenorientierten Strategieansatz.<br />

Wie ist es trotz Wettbewerb möglich, einen dauerhaften<br />

überdurchschnittlichen Unternehmenserfolg zu erzielen?<br />

Marktorientierte<br />

Unternehmensstrategie<br />

(Porter)<br />

�Ausnutzung von<br />

Unvollkommenheiten auf<br />

dem (Absatz)-Markt<br />

�Annahme: Die Ressourcen<br />

einer Branche sind<br />

homogen und mobil<br />

Wahl von attraktiven<br />

Branchen / Produkten<br />

Ressourcenorientierte<br />

Unternehmensstrategie<br />

(Prahalad/Hamel)<br />

�Ausnutzung der<br />

Einzigartigkeit von<br />

Ressourcen<br />

�Annahme: Die Ressourcen<br />

einer Branche sind<br />

heterogen und immobil<br />

Schaffung von einzigartigen<br />

Kernkompetenzen<br />

Abbildung 6-2: Grundfragen der Unternehmensstrategie (Osterloh, M.; Frost, J.) 177<br />

¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯<br />

175<br />

Vgl. Ramsauer, C.: Zur Berücksichtigung der <strong>Innovation</strong>sdynamik in PPS-Systemen, Dissertation,<br />

Technische Universität Graz 1996, S. 60ff<br />

176<br />

Hinterhuber, H.H.: Strategische Unternehmensführung, I. Strategisches Denken, 6. Auflage, Berlin/New<br />

York 1996, S. 171<br />

177<br />

Vgl. Osterloh, M.; Frost, J.: Prozessmanagement als Kernkompetenz: wie Sie Business Reengineering<br />

strategisch nutzen können, Wiesbaden 1996, S. 144


Wissensbasiertes Management von <strong>Innovation</strong>sdienstleistungen 142<br />

Dabei ist der marktorientierte Ansatz vorrangig auf das „Fit“ - die Anpassung - aus-<br />

gelegt. Dahinter steckt die Idee, dass konsequent Stärken und Schwächen der Un-<br />

ternehmung <strong>mit</strong> den Chancen und Risken des Unternehmungsumfeldes in Einklang<br />

gebracht werden müssen. Die Kritik an dieser Methode ist darin zu sehen, dass man<br />

sich erst anpassen kann, wenn man weiß woran man sich anpassen soll. Sich an<br />

den Kundenbedürfnissen zu orientieren ist schwierig, da der Kunde in der Regel<br />

nicht weiß, welche Bedürfnisse er in Zukunft haben wird. Vielmehr sollte die Unter-<br />

nehmung die Produkte und Märkte von morgen selber gestalten, anstatt sich ständig<br />

an anderen zu orientieren (Hamel, G.; Prahalad, C.K.). 178<br />

Anstelle des „Fit“ sollte daher ein „Stretch and Leverage“ treten, das ein „misfit“ zwi-<br />

schen der gegenwärtigen Ressourcenausstattung und den visionären Zielen auflöst.<br />

Beim ressourcenorientierten Strategieansatz ist das primäre Ziel nicht mehr die Auf-<br />

teilung gegenwärtiger Ressourcen, sondern die Erzielung einer Hebelwirkung <strong>mit</strong> der<br />

die vorhandenen Ressourcen in ihrer Wirkung weiterentwickelt und vervielfacht wer-<br />

den. Da<strong>mit</strong> wird die Herstellung einer Spannung („Stretch“) zwischen der gegenwär-<br />

tigen Ressourcenausstattung und den Zielen die wichtigste Aufgabe des Topmanagements<br />

(Hamel, G.; Prahalad, C.K.). 179<br />

Beiden strategischen Ansätzen ist aber eines gemeinsam. Sowohl der marktorien-<br />

tierte als auch der ressourcenorientierte Strategieansatz bauen auf die selbe Grund-<br />

frage auf: Wie ist es trotz Wettbewerbs möglich, einen dauerhaften, überdurch-<br />

schnittlichen Unternehmenserfolg zu erzielen? Je nach gewähltem Ansatz fallen die<br />

Antworten darauf unterschiedlich aus.<br />

6.1.1 Marktorientierte Unternehmensstrategie<br />

In der marktorientierten Unternehmensstrategie wird die Quelle des nachhaltigen<br />

Wettbewerbsvorteils in der Unvollkommenheit des Absatzmarktes gesehen, die aus-<br />

genutzt werden kann, um die Marktanteile zu vergrößern (Porter, M.E.). 180 Das Ziel<br />

dieser Strategie besteht darin, Branchen herauszufinden, bei denen die Marktunvoll-<br />

kommenheit groß genug ist, da<strong>mit</strong> möglichst lange eine monopolistischen Rente erzielt<br />

werden kann.<br />

¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯<br />

178 Vgl. Hamel, G.; Prahalad, C.K.: Competing for the future, Boston, 1994, S. 33f<br />

179 Vgl. Hamel, G.; Prahalad, C.K.: Strategy as Stretch and Leverage, in: HBR, 71(1993)2, zitiert in:<br />

Osterloh, M.; Frost, J.: Prozessmanagement als Kernkompetenz: wie Sie Business Reengineering<br />

strategisch nutzen können, Wiesbaden 1996, S. 143<br />

180 Vgl. Porter, M.E.: Competitive Advantage. Creating and Sustaining Superior Performance, New<br />

York 1985


Wissensbasiertes Management von <strong>Innovation</strong>sdienstleistungen 143<br />

Eine häufig anzutreffende Ausprägung marktorientierter Unternehmensstrategie se-<br />

lektiert Märkte anhand einer SWOT-Analyse (Strengths, Weaknesses, Opportunities,<br />

Threats). Dabei werden die Chancen und Risken des Unternehmungsumfeldes den<br />

Stärken und Schwächen der Unternehmung gegenübergestellt (vgl. Abbildung 6-3).<br />

Chancen und Risken der Märkte werden durch eine Analyse der relevanten Bran-<br />

chenumwelt er<strong>mit</strong>telt. Die Intensität des Wettbewerbs kann dabei nach Porter durch<br />

fünf Kräfte bestimmt werden (Porter, M.E.): 181<br />

? Wettbewerber in der Branche<br />

? Bedrohung durch neue Konkurrenten<br />

? Verhandlungsstärke der Lieferanten<br />

? Verhandlungsmacht der Abnehmer<br />

? Bedrohung durch Ersatzprodukte und -dienste<br />

Marktorientierte Unternehmensstrategie<br />

Zentrale Frage: "What is our Business?"<br />

MARKT<br />

Chancen / Gefahren - Analyse<br />

(Branchenanalyse)<br />

�Anbieterkonzentration<br />

�Markteintrittsbarrieren<br />

�Bedrohung durch Substitute<br />

�Macht von Abnehmern und<br />

Lieferanten<br />

Fit<br />

Monopolistische Rente<br />

UNTERNEHMEN<br />

Stärken / Schwächen - Analyse<br />

(Wertkettenanalyse)<br />

�Kostenführerschaft<br />

�Produktdifferenzierung<br />

�Konzentration auf<br />

Schwerpunkte<br />

Verringerung der Wettbewerbsintensität<br />

Abbildung 6-3: Marktorientierte Unternehmensstrategie (Osterloh, M.; Frost, J.) 182<br />

¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯<br />

181<br />

Vgl. Porter, M.E.: Competitive Advantage. Creating and Sustaining Superior Performance, New<br />

York 1985, S. 5<br />

182<br />

Osterloh, M.; Frost, J.: Prozessmanagement als Kernkompetenz: wie Sie Business Reengineering<br />

strategisch nutzen können, Wiesbaden 1996, S. 146


Wissensbasiertes Management von <strong>Innovation</strong>sdienstleistungen 144<br />

Stärken und Schwächen der Unternehmung können anhand der internen Wert-<br />

schöpfungskette untersucht werden. Dabei werden die unternehmenseigenen Res-<br />

sourcen in Relation zu den Ressourcen der Wettbewerber untersucht. Da<strong>mit</strong> können<br />

Entscheidungen über Kostenführerschaft, Produktdifferenzierung oder Konzentration<br />

auf Schwerpunkte in einem Geschäftsbereich oder Diversifikation in mehrere Geschäftsbereiche<br />

getroffen werden.<br />

Ressourcen spielten seit jeher auch in der marktorientierten Strategie eine Rolle. Im<br />

Unterschied zur ressourcenorientierten Strategie werden Ressourcen dabei aber als<br />

gegebene, bekannte Alternativen gesehen, zwischen denen das Management eine<br />

Auswahl treffen kann. Die Herkunft und Dauerhaftigkeit dieser Ressourcen wird nicht<br />

untersucht. Auch <strong>Innovation</strong>en werden auf die rationale Wahl zwischen gegebenen<br />

Alternativen reduziert. Nicht berücksichtigt wird außerdem, dass<br />

? die möglichen Alternativen nicht von vornherein bekannt sind,<br />

? die Wahrnehmung von Möglichkeiten von der Organisationsform beeinflusst wird,<br />

? <strong>Innovation</strong>en nicht einfach i<strong>mit</strong>iert werden können, sondern nur nutzbar sind,<br />

wenn sie auf ausreichendes Basiswissen treffen.<br />

Die marktorientierte Unternehmensstrategie lässt viele Fragen offen, die heute im<br />

Zuge der lernenden Organisation diskutiert werden. Gerade die drei zuletzt genannte<br />

Punkte bilden zentrale Fragestellungen in der ressourcenbasierten Unternehmensstrategie.<br />

Neben Hamel/Prahalad ist auch bei Pümpin 183 eine Tendenz zur ressourcenorien-<br />

tierten Unternehmensstrategie erkennbar. Er verwendet in diesem Zusammenhang<br />

den Begriff der „Strategischen Erfolgsposition“, die er folgendermaßen definiert: Eine<br />

strategische Erfolgsposition ist die Fähigkeit einer Unternehmung, Nutzenpotenziale<br />

(Quellen der Wertschöpfung) erschließen zu können, die es ihm erlauben, längerfristig<br />

überdurchschnittliche Ergebnisse zu erzielen.<br />

6.1.2 Ressourcenorientierte Unternehmensstrategie<br />

Die ressourcenbasierte Unternehmensstrategie baut auf die Beobachtung, dass die<br />

menschliche Leistungsfähigkeit in Organisationen je nach kultureller Basis, firmen-<br />

spezifischen Eigenheiten und individuellem Kontextwissen unterschiedlich ist. Die<br />

¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯<br />

183 Vgl. Pümpin, C.: Strategische Erfolgspositionen: Methodik der dynamischen strategischen Unter-<br />

nehmensführung, S. 28


Wissensbasiertes Management von <strong>Innovation</strong>sdienstleistungen 145<br />

organisatorische Wissens- und Handlungsbasis beeinflusst daher maßgeblich den<br />

strategischen Spielraum einer Unternehmung.<br />

Kernkompetenzen sind Ressourcenbündel, die auf organisationalen Routinen basie-<br />

ren. Sie begründen durch Koordination von Wissen, Fertigkeiten und tangiblen Res-<br />

sourcen die Problemlösungsfähigkeit der Unternehmung. Während die Konzentration<br />

auf Kerngeschäfte für das defensive Absichern und den Ausbau „traditioneller“ Ge-<br />

winnpotenziale steht, zielt die Konzentration auf Kernkompetenzen darauf ab, neue<br />

Möglichkeiten offensiv zu erschließen (vgl. Abbildung 6-4).<br />

Ressourcenorientierte Unternehmensstrategie<br />

Zentrale Frage: "What Business are we capable of doing?"<br />

MARKT UNTERNEHMEN<br />

Wert<br />

� Zugang zu potenziellen Märkten<br />

� Von Kunden wahrgenommener,<br />

geldwerter Zusatznutzen<br />

Ressourcen<br />

Stretch<br />

Effizienzrente<br />

�Knapp<br />

Kernkompetenzen<br />

Heterogenität und<br />

Immobilität<br />

�Schwer i<strong>mit</strong>ierbar<br />

�Schwer substituierbar<br />

Abbildung 6-4: Ressourcenorientierte Unternehmensstrategie (Osterloh, M.;<br />

Frost, J.) 184<br />

Der marktorientierte Ansatz geht davon aus, dass alle Unternehmungen auf die glei-<br />

chen Ressourcen zurückgreifen können. Die Marktunvollkommenheit auf den Be-<br />

schaffungsmärkten ist aber gerade bei immateriellen Ressourcen, wie z.B. Wissen<br />

gegeben. Für den Aufbau von diesen Ressourcen sind in der Regel lange Zeiträume<br />

in Kauf zu nehmen.<br />

¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯<br />

184 Osterloh, M.; Frost, J.: Prozessmanagement als Kernkompetenz: wie Sie Business Reengineering<br />

strategisch nutzen können, Wiesbaden 1996, S. 150


Wissensbasiertes Management von <strong>Innovation</strong>sdienstleistungen 146<br />

Anhand des Kernkompetenz-Ansatzes kann gezeigt werden, dass gerade diese<br />

Ressourcen - die auch als „Intellektuelles Kapital“ einer Unternehmung bezeichnet<br />

werden - die Basis der Wettbewerbsfähigkeit der Zukunft bilden.<br />

Da<strong>mit</strong> verschiebt sich die Betrachtungsweise in der Strategiefindung. Die zentrale<br />

Fragestellung ist nicht mehr „What is our business“, sondern „What business are we<br />

capable of doing“. Der Fokus der strategischen Bestimmungsgrößen verlagert sich<br />

da<strong>mit</strong> aus dem Unternehmungsumfeld auf die Ressourcen der Unternehmung. Aus<br />

dem Umstand heraus, dass Unternehmungsumfeld und insbesondere die Kunden-<br />

wünsche einer hohen Dynamik unterliegen, kann die Fokussierung auf interne Größen<br />

als richtungsweisend und zukunftsträchtig gesehen werden.<br />

Wie bereits in Kapitel 5 beschrieben, kann der Aufbau und die Weiterentwicklung von<br />

Kernkompetenzen selbst als Kernkompetenz gesehen werden. Die dynamische<br />

Kompetenz für das Hervorbringen einer Kernkompetenz ist da<strong>mit</strong> speziell für Innova-<br />

tionen und für die Erschließung neuer Märkte von großer Bedeutung. Osterloh/Frost<br />

stellen in einer Analogie fest, dass aus ressourcenorientierter Sicht die marktorien-<br />

tierte Unternehmensstrategie sich auf die letzten 500 Meter eines Marathonlaufes<br />

beschränkt. Wichtiger für die Wettbewerbsfähigkeit einer Unternehmung sind aller-<br />

dings die 42 Kilometer davor, denn dort werden die Grundlagen für den „Sieg“ gelegt.<br />

Auf die Unternehmung bezogen sind diese Grundlagen der Wissenserwerb und der<br />

Wissenstransfer.<br />

Da<strong>mit</strong> wird das Denken in Produktlebenszyklen durch das Denken in Kernkompeten-<br />

zen ergänzt. Diese können aufbauend auf die Definition in Kapitel 5, ergänzt um die<br />

Überlegungen zur ressourcenorientierten Unternehmensstrategie folgendermaßen<br />

beschrieben werden (Osterloh, M.; Frost, J.): 185 Kernkompetenzen<br />

? sind wissensbasiert,<br />

? sind beschränkt handelbar,<br />

? sind unternehmensspezifisch, d.h. ihr Aufbau erfordert irreversible Investitionen,<br />

welche die Strategie einer Unternehmung langfristig festlegen,<br />

? bringen dem Kunden einen wahrnehmbaren, geldwerten Zusatznutzen,<br />

? sind schwer i<strong>mit</strong>ierbar (z.B. durch Benchmarking),<br />

? sind schwer substituierbar (z.B. durch Outsourcing),<br />

? erschließen neue Produkte und Märkte.<br />

¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯<br />

185 Osterloh, M.; Frost, J.: Prozessmanagement als Kernkompetenz: wie Sie Business Reengineering<br />

strategisch nutzen können, Wiesbaden 1996, S. 155


Wissensbasiertes Management von <strong>Innovation</strong>sdienstleistungen 147<br />

Die ersten vier Eigenschaften einer Kernkompetenz sind auch <strong>mit</strong> der marktorien-<br />

tierten Unternehmensstrategie kompatibel. Aber erst das Vorliegen aller sieben Ei-<br />

genschaften führt zu den geforderten Kompetenzen zur Realisierung einer ressourcenorientierten<br />

Strategie.<br />

„We are not arguing that core competence perspective should supplant a product-<br />

market perspective; rather, it should complement it.“ (Hamel, G.; Prahalad, C.K .) 186<br />

Das Streben nach einem „Fit“ spielt nach Ansicht von Hamel/Prahalad als wettbe-<br />

werbskritischer Faktor nach wie vor eine Rolle. Als alleiniger differenzierender Wett-<br />

bewerbsvorteil ist „Anpassung“ allerdings nicht ausreichend, sondern lediglich eine<br />

Voraussetzung für den Markteintritt.<br />

6.1.3 Prozess der Strategieentwicklung<br />

Als ein Element von vielen, ist die <strong>Innovation</strong>sstrategie in das strategische Unter-<br />

nehmungskonzept eingebettet. Auch eine <strong>Innovation</strong>sstrategie entsteht aus der Aus-<br />

einandersetzung <strong>mit</strong> drei unternehmerischen Grundfragen (Vgl. Wohinz, J.W.; Willfort,<br />

R.): 187<br />

? Wo stehen wir ? (Analyse der aktuellen Situation)<br />

? Wo wollen wir hin ? (Formulierung von Zielen)<br />

? Wie gelangen wir dorthin ? (Wahl der Strategie)<br />

Im Zusammenhang <strong>mit</strong> strategisch orientiertem <strong>Innovation</strong>smanagement bedeutet<br />

dies ein permanentes Abarbeiten der Phasen Analyse, Strategieentwicklung, Strate-<br />

gieumsetzung und Strategieüberwachung (vgl. Abbildung 6-5). Die Analyse strategi-<br />

scher Basisdaten muss daher einerseits nach Außen gerichtet sein, um die Anforderungen<br />

der zukünftigen Märkte richtig einschätzen zu können.<br />

Als Basis dafür müssen aber andererseits bestehende Kernkompetenzen identifiziert<br />

bzw. entwickelt werden, um den Ressourcenbedarf für den Aufbau von Kernkompe-<br />

tenzen abschätzen zu können. Die Ergebnisse dieser Analyse fließen in die Strate-<br />

gieentwicklung ein, die als Ergebnis die zukünftige <strong>Innovation</strong>sstrategie definiert. Dabei<br />

sind folgende Fragen zu klären (Hamel, G.; Prahalad, C.K.): 188<br />

¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯<br />

186 Hamel, G.; Prahalad, C.K.: Competing for the future, Boston, 1994, S. 258<br />

187 Vgl. Wohinz, J.W.; Willfort, R.: <strong>Innovation</strong>sdienstleistungen - Ein Outsourcing-Ansatz im <strong>Innovation</strong>sprozess,<br />

in: Seicht, G. (Hrsg.): JdR 2000, Wien 2000, S. 382f<br />

188 Vgl. Hamel, G.; Prahalad, C.K.: Competing for the future, Boston, 1994, S. 4


Wissensbasiertes Management von <strong>Innovation</strong>sdienstleistungen 148<br />

? Welche neuen Produkte und Dienstleistungen sollen eingeführt werden?<br />

? Welche neuen Kernkompetenzen müssen aufgebaut werden?<br />

? Welche neuen Organisationsformen sind zweckmäßig?<br />

? Was sind Bestimmungsgrößen der strategischen Planung?<br />

? Welche Kooperationen sollen eingegangen werden?<br />

Strategieüberwachung<br />

Analyse strategischer<br />

Basisdaten<br />

Strategisches<br />

<strong>Innovation</strong>smanagement<br />

Strategieumsetzung<br />

Abbildung 6-5: Kreislauf des strategischen <strong>Innovation</strong>smanagements (Pümpin, C.) 189<br />

In der Phase der Strategieumsetzung muss das strategische <strong>Innovation</strong>smanage-<br />

ment aus der Bandbreite des möglichen Handlungsspektrums die optimale Auswahl<br />

treffen, um die strategischen Zielsetzungen zu erreichen (vgl. Abbildung 6-6). Der<br />

Kreislauf wird durch die Überwachung der strategischen Ziele abgeschlossen.<br />

Das strategische <strong>Innovation</strong>smanagement hat dafür zu sorgen, dass eine Unterneh-<br />

mung auf die Herausforderungen der Zukunft vorzubereitet wird. Nicht reagieren<br />

(Fit), sondern agieren (Stretch) sollte das Motto einer zukunftsweisenden Innovati-<br />

onsstrategie sein. Empirische Erhebungen und Beobachtungen spiegeln ein Bild<br />

wieder, das in dieser Hinsicht wenig Optimismus verbreitet. So sind Hamel/Prahalad<br />

190 der Meinung, dass<br />

? 40% der Zeit der obersten Führungskräfte <strong>mit</strong> Aktivitäten verbunden ist, die nach<br />

außen gerichtet sind,<br />

¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯<br />

189 Vgl. Pümpin, C.: Strategische Erfolgspositionen: Methodik der dynamischen strategischen Unternehmensführung,<br />

Bern/Stuttgart 1992, S. 17<br />

190 Vgl. Hamel, G.; Prahalad, C.K.: Competing for the future, Boston, 1994, S. 4<br />

Strategieentwicklung


Wissensbasiertes Management von <strong>Innovation</strong>sdienstleistungen 149<br />

? 30% dieser Zeit dafür verwendet wird, 3-5 Jahre oder mehr Jahre in die Zukunft<br />

zu blicken und<br />

? wiederum nur 20% davon für die Gestaltung der Zukunft gemeinsam <strong>mit</strong> den Mit-<br />

arbeitern genützt wird.<br />

Die Multiplikation dieser Zahlen ergibt einen Wert von 2,4%, d.h. die Unternehmens-<br />

führung wendet durchschnittlich 2,4% der Arbeitszeit für den Aufbau einer Zukunfts-<br />

perspektive für die Unternehmung auf. Es stellt sich die Frage, ob dieser Zeitaufwand<br />

für die strategische Führung einer Unternehmung ausreicht.<br />

Heutige<br />

Umwelt<br />

Unternehmung<br />

Heute<br />

Strategische<br />

Alternativen<br />

Unternehmung<br />

in der Zukunft<br />

Zukünftige<br />

Umwelt<br />

Abbildung 6-6: Strategischer Handlungsspielraum (Hinterhuber, H.H.) 191<br />

6.1.4 <strong>Innovation</strong>sstrategie und Organisation<br />

„<strong>Innovation</strong>en sind nicht Routine, sollen es aber eines Tages werden.“<br />

(Hauschildt, J.) 192<br />

Organisationen müssen so gestaltet sein, dass sie zur Umsetzung von Strategien<br />

geeignet sind („structure follows strategy“). Weiters müssen Organisationen aber<br />

auch zur Generierung von Strategien geeignet sein („strategy follows structure“).<br />

Da<strong>mit</strong> wirken Strategie und Organisation wechselweise aufeinander ein und gestalten<br />

einander (vgl. Abbildung 6-7).<br />

Die zuvor dargestellte Gewichtung zukunftsorientierter Aktivitäten, die auch 40/30/20-<br />

Regel genannt wird, weist darauf hin, dass für <strong>Innovation</strong>sprozesse bislang eher we-<br />

nig Zeit eingeplant wurde. Der Aufbau von Organisationen ist in der Regel auch nicht<br />

¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯<br />

191<br />

Hinterhuber, H.H.: Strategische Unternehmensführung: I. Strategisches Denken, 6. Auflage, Berlin/New<br />

York 1996, S. 141<br />

192<br />

Hauschildt, J.: <strong>Innovation</strong>smanagement, 2. Auflage München 1997, S. 42


Wissensbasiertes Management von <strong>Innovation</strong>sdienstleistungen 150<br />

für <strong>Innovation</strong>sprozesse konzipiert. Organisationen wurden und werden dafür ge-<br />

schaffen, um häufig wiederkehrende Routineprozesse schnell, sicher, zuverlässig<br />

und kostengünstig zu bewältigen.<br />

ermöglicht<br />

neue<br />

Strategien<br />

Strategie<br />

Organisationsstruktur<br />

erfordert<br />

neue<br />

Strukturen<br />

Abbildung 6-7: Wechselwirkung von Strategie und Organisationsstruktur (Müller-<br />

Stewens, G.) 193<br />

Im Gegensatz zu Routineprozessen sind <strong>Innovation</strong>sprozesse einmalige, und, durch<br />

das Wesen einer <strong>Innovation</strong> bedingt, auch erstmalige Ereignisse in einer Unterneh-<br />

mung. Diese sind <strong>mit</strong> den heute üblichen Formen der Organisation nur schwer zu<br />

bewältigen. Daher sollte die Eignung der bestehenden Organisationsform bei strate-<br />

gischen Überlegungen zur Bewältigung von <strong>Innovation</strong>sprozessen auf jeden Fall<br />

hinterfragt werden. In Abbildung 6-8 werden mögliche organisatorische Konsequenzen<br />

in Abhängigkeit von der gewählten <strong>Innovation</strong>sstrategie aufgezeigt.<br />

In bezug auf Produkt- und Prozessinnovationen stellt sich grundsätzlich die Frage,<br />

ob <strong>Innovation</strong>en überhaupt in der eigenen Unternehmung entwickelt werden sollen?<br />

Eine Möglichkeit wäre der Zukauf von <strong>Innovation</strong>en oder das Verharren in der beste-<br />

henden Situation. Vor allem der zuletzt genannte Weg kann im Trend der immer kür-<br />

zer werdenden Produktlebenszyklen <strong>mit</strong>tel- bis langfristig gravierende Folgen für den<br />

Fortbestand der Unternehmung haben.<br />

Die weiteren Überlegungen bauen daher darauf auf, dass <strong>Innovation</strong> zumindest teil-<br />

weise in der Unternehmung stattfindet bzw. von dort aus organisiert wird. Der hier<br />

vertretene Ansatz der <strong>Innovation</strong>sdienstleistung steht für eine <strong>Innovation</strong>sstrategie in<br />

Kooperation <strong>mit</strong> anderen Unternehmungen, die als <strong>Innovation</strong>sdienstleister in unter-<br />

nehmerische <strong>Innovation</strong>sprozesse eingebunden werden. <strong>Innovation</strong>sdienstleistungen<br />

¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯<br />

193 Müller-Stewens, G.: Virtualisierung von Organisationen, Stuttgart 1997, S. 19


Wissensbasiertes Management von <strong>Innovation</strong>sdienstleistungen 151<br />

ermöglichen dem zuvor beschriebenen organisatorischen Dilemma entgegenzuwir-<br />

ken. Durch Kooperation <strong>mit</strong> <strong>Innovation</strong>sdienstleistern kann der Stammorganisation<br />

eine innovationsfreundlichere Organisation temporär überlagert werden.<br />

Eigene <strong>Innovation</strong><br />

angestrebt?<br />

<strong>Innovation</strong> im<br />

eigenen Haus?<br />

<strong>Innovation</strong> als<br />

Daueraufgabe?<br />

<strong>Innovation</strong> als<br />

Spezialaufgabe?<br />

Mischung mehrerer<br />

Strategien gewollt?<br />

Start<br />

nein<br />

Übernahme<br />

fremder<br />

<strong>Innovation</strong>en?<br />

ja ja<br />

nein<br />

In Kooperation<br />

<strong>mit</strong> anderen?<br />

ja ja<br />

ja<br />

nein<br />

ja<br />

nein nein<br />

nein<br />

ja<br />

Realisierung<br />

projektbezogen?<br />

nein<br />

nein<br />

ja<br />

Strategisches Festhalten an<br />

gegebenen Produkten oder<br />

Verfahren<br />

<strong>Innovation</strong>seinkauf,<br />

<strong>Innovation</strong>smanagement,<br />

Lizenznahme<br />

Akquisition innovativer<br />

Unternehmen, <strong>Innovation</strong> im<br />

Konzernverbund<br />

Auftragsforschung,<br />

<strong>Innovation</strong>skooperation,<br />

Gemeinschaftsforschung<br />

Einzel-Projektmanagement<br />

Multi-Projektmanagement<br />

Forschung- und<br />

Entwicklungs-Abteilungen<br />

ganzheitlich<br />

innovationsbewusste<br />

Unternehmung<br />

unternehmensspezifische<br />

Strategiekombination<br />

Abbildung 6-8: <strong>Innovation</strong>sstrategien und ihre organisatorischen Konsequenzen<br />

(Hauschildt, J.) 194<br />

¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯<br />

194 Hauschildt, J.: <strong>Innovation</strong>smanagement, 2. Auflage, München 1997, S. 47


Wissensbasiertes Management von <strong>Innovation</strong>sdienstleistungen 152<br />

Die Bandbreite der Möglichkeiten <strong>Innovation</strong>sdienstleistungen einzubeziehen reicht<br />

vom einzelnen <strong>Innovation</strong>sprojekt bis zur Realisierung einer ganzheitlich innovati-<br />

onsbewussten Unternehmung auf Basis einer unternehmensübergreifenden Innova-<br />

tionsplattform. Dadurch kann die heute notwendige Flexibilisierung von Ressourcen<br />

realisiert werden.<br />

Die Kombination und der effektive Einsatz der unternehmensinternen und externen<br />

Ressourcen ist die entscheidende Kernkompetenz im ressourcenorientierten Innova-<br />

tionsmanagement. Wie bereits in Kapitel 5 beschrieben, führt die Fokussierung auf<br />

Kernkompetenzen auch zum Outsourcing von Kompetenzen. Dieser Schritt hat weit-<br />

reichende Konsequenzen für die Entwicklung der unternehmerischen <strong>Innovation</strong>sfä-<br />

higkeit. In Abbildung 6-9 werden wesentliche Aspekte der strategischen Planung in<br />

Abhängigkeit von In- oder Outsourcing von Kompetenzen aufgezeigt.<br />

Wenn Dritte dafür<br />

besser qualifiziert sind<br />

Vermeidung von<br />

Abhängigkeiten<br />

Human Resource<br />

Management<br />

Strategie<br />

Outsourcing Konzentration auf<br />

Kernkompetenzen<br />

Ziel: „World<br />

Class Player“<br />

Prozessmanagement<br />

Abschirmung und<br />

Weiterentwicklung der<br />

Kernkompetenzen<br />

Abbildung 6-9: Schwerpunkte im strategischen Management (Hinterhuber, H.H.) 195<br />

Die Konzentration auf Kernkompetenzen - das Insourcing - sollte darauf ausgerichtet<br />

sein, die wesentlichen eigenen Kompetenzen zum „World Class Player“ auszubauen<br />

und laufend weiterzuentwickeln. Als weiterer Aspekt kommt da<strong>mit</strong> auch der Abschir-<br />

mung dieser Kernkompetenzen vor anderen eine hohe Bedeutung zu. Die Schutzrechtestrategie<br />

der Unternehmung kann dabei eine wichtige Rolle spielen.<br />

¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯<br />

195 Hinterhuber, H.H.: Strategische Unternehmensführung: I. Strategisches Denken, 6. Auflage, Ber-<br />

lin/New York 1996, S. 65


Wissensbasiertes Management von <strong>Innovation</strong>sdienstleistungen 153<br />

Das Outsourcing von Kompetenz ermöglicht den Zugriff auf Ressourcen Dritter, die<br />

dafür besser qualifiziert sind. Dazu müssen Kooperationen zu anderen Unterneh-<br />

mungen aufgebaut werden, die wiederum zu Abhängigkeiten führen. Gerade im Falle<br />

von <strong>Innovation</strong>saktivitäten sollte darauf besonders geachtet werden. Prozessmana-<br />

gement und Human Resource Management können als weitere Aspekte der <strong>Innovation</strong>sstrategie<br />

genannt werden.<br />

6.2 IDL im strategischen <strong>Innovation</strong>smanagement<br />

Die Einbeziehung externer Ressourcen in das betriebliche <strong>Innovation</strong>smanagement<br />

kann als strategische Entscheidung <strong>mit</strong> weitrechenden Konsequenzen für die Ent-<br />

wicklung der <strong>Innovation</strong>sfähigkeit einer Unternehmung gesehen werden. Daher soll<br />

nun aufbauend auf die bisherigen Ausführungen ein Vorschlag für die Umsetzung<br />

einer <strong>Innovation</strong>sstrategie, die auf dem <strong>Innovation</strong>sdienstleistungs-Ansatz aufbaut,<br />

unterbreitet werden. Die Zusammenfassung der bisherigen strategischen Grundlagen<br />

führen zu einem Bezugsrahmen, der die weitere Arbeit leitet.<br />

Vision / Unternehmensziele<br />

Analyse strategischer<br />

Basisdaten<br />

Prognose der Veränderungen des<br />

Unternehmensumfeldes<br />

<strong>Innovation</strong>smanagement<br />

Aufbau des notwendigen<br />

unternehm. Handlungsspektrums<br />

<strong>Innovation</strong>sstrategieprozess<br />

Strategieentwicklung<br />

Ideengenerierung<br />

Umsetzung<br />

der Strategie<br />

<strong>Innovation</strong>sprozesse<br />

Ideenakzeptierung<br />

Strategieüberwachung<br />

und -anpassung<br />

Ideenrealisierung<br />

Ressourcen- und Kompetenzmanagement<br />

Technologiemanagement<br />

Ideenmanagement<br />

Projektmanagement<br />

Abbildung 6-10: Bezugsrahmen zur Gestaltung von <strong>Innovation</strong>sprozessen


Wissensbasiertes Management von <strong>Innovation</strong>sdienstleistungen 154<br />

6.2.1 Ressourcenorientiertes <strong>Innovation</strong>smanagement<br />

Im betrieblichen <strong>Innovation</strong>smanagement geht es nicht nur mehr um die Anpassung<br />

an das dynamische unternehmerische Umfeld, sondern um die aktive Gestaltung der<br />

Zukunftsmärkte durch <strong>Innovation</strong>en. In Abbildung 6-10 wird ein Kreislauf der Verän-<br />

derung dargestellt, <strong>mit</strong> dem das betriebliche <strong>Innovation</strong>smanagement ständig konfrontiert<br />

ist. Dabei können zwei wesentliche Aktivitäten identifiziert werden:<br />

? Die Prognose der Veränderungen des Unternehmungsumfeldes<br />

? Der Aufbau des notwendigen unternehmerischen Handlungsspektrums<br />

Eine Veränderung der unternehmerischen Tätigkeit durch <strong>Innovation</strong>en baut wie jede<br />

schöpferische Tätigkeit auf eine Vision, die nicht aus den Augen verloren werden<br />

darf. Das Wesen der unternehmerischen Vision liegt daher vorwiegend in den Rich-<br />

tungen, die sie vorgibt und weniger in den Grenzen, die sie setzt (Hinterhuber,<br />

H.H.). 196 Die Vision sollte sich in klaren Zielen ausdrücken. Diese Ziele werden daher<br />

einerseits von der Vision geleitet und andererseits vom zuvor beschriebenen Kreislauf<br />

geprägt.<br />

Die Zukunft kann dadurch aktiv gestaltet werden, indem man das unternehmerische<br />

Handlungsspektrum zielgerichtet auf die Anforderungen zukünftiger Leistungen und<br />

Märkte vorbereitet. In der Praxis geht es dabei um die Ausrichtung, Aufbau und<br />

Weiterentwicklung der Kernkompetenzen der Unternehmung. Die da<strong>mit</strong> verbundenen<br />

Veränderungsprozesse zu gestalten, zu lenken und zu entwickeln, ist Aufgabe des<br />

betrieblichen <strong>Innovation</strong>smanagements, das im Zentrum dieses Zyklus steht.<br />

Der in Abbildung 6-10 linear dargestellte <strong>Innovation</strong>sstrategieprozess kann als Zu-<br />

sammenfassung aller Aktivitäten im <strong>Innovation</strong>smanagement auf strategischer Ebe-<br />

ne verstanden werden. Die strategische Ausrichtung des betrieblichen <strong>Innovation</strong>s-<br />

managements kann so<strong>mit</strong> auch als Kreislauf dargestellt werden, der die Phasen<br />

Analyse, Strategieentwicklung, Strategieumsetzung und Strategieüberwachung re-<br />

kursiv durchläuft. Es wurde lediglich die kreisförmige Darstellung der Abbildung 6-5<br />

zugunsten der Übersicht in eine lineare Pfeildarstellung übergeführt.<br />

¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯<br />

196 Vgl. Hinterhuber, H.H.: Strategische Unternehmensführung: I. Strategisches Denken, 6. Auflage,<br />

Berlin/New York 1996, S. 96


Wissensbasiertes Management von <strong>Innovation</strong>sdienstleistungen 155<br />

Die Grundlogik strategischer Planung im betrieblichen <strong>Innovation</strong>smanagement ist<br />

darin zu sehen, Ressourcen für Erneuerungsprozesse bereitzustellen. Dabei ist das<br />

zentrale Ziel einer <strong>Innovation</strong>sstrategie die Reduzierung der Abhängigkeit von der<br />

Umwelt durch kontinuierliche unternehmerische <strong>Innovation</strong>saktivitäten (Sinatra,<br />

A.). 197 Die Ergebnisse der <strong>Innovation</strong>sstrategie finden ihren Niederschlag in einem<br />

strategischen <strong>Innovation</strong>sprogramm, das ebenso einer ständigen Aktualisierung unterliegt.<br />

In der operativen Ebene geht es darum das strategische Programm in <strong>Innovation</strong>s-<br />

projekten umzusetzen. <strong>Innovation</strong>sprojekte sind in der Regel interdisziplinär besetzt<br />

und werden durch einen oder mehrere Projektverantwortliche(n) geleitet. Für die<br />

weiteren Betrachtungen wird wiederum auf das in Kapitel 2 beschriebene Phasen-<br />

modell aufgebaut, das <strong>Innovation</strong>sprozesse in die Phasen Ideengenerierung, Ideenakzeptierung<br />

und Ideenrealisierung unterteilt.<br />

Der in Abbildung 6-10 dargestellte <strong>Innovation</strong>sprozess steht <strong>mit</strong> vier wichtigen Aufgabenbereichen<br />

der Unternehmung in enger Beziehung:<br />

? dem Ressourcen- und Kompetenzmanagement<br />

? dem Technologiemanagement<br />

? dem Ideenmanagement<br />

? dem Projektmanagement<br />

Einzigartige Kompetenzen bieten im Gegensatz zu einer Monopolstellung nachhalti-<br />

gen Schutz vor Konkurrenz. Die Gegenüberstellung der marktorientierten und der<br />

ressourcenorientierten Unternehmensstrategie hat die hohe Relevanz von Kompe-<br />

tenzen aufgezeigt. Es wurde festgestellt, dass auch die ressourcenorientierte Unter-<br />

nehmensstrategie die Marktorientierung unterstützt. Da der Fokus in diesem Fall<br />

aber nicht auf der Ebene von Endprodukten, sondern auf der Ebene der Kompeten-<br />

zentwicklung liegt, erweist sich dieser Ansatz als pro-aktive Strategie, zur Gestaltung<br />

zukünftiger Märkte.<br />

Der Schwerpunkt der weiteren Arbeit kann daher im Ressourcen- und Kompetenz-<br />

management gesehen werden. Für die Bewältigung von <strong>Innovation</strong>sprozessen kann<br />

durch die Einbeziehung von <strong>Innovation</strong>sdienstleistungen das Ressourcenspektrum<br />

verbreitert werden. Beim Aufbau von „innovationsrelevanten“ Kernkompetenzen zur<br />

¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯<br />

197 Vgl. Sinatra, A.: Die strategische Architektur der diversifizierten Unternehmung, in Hinterhuber,<br />

H.H.; u.a. (Hrsg.): Die Zukunft der diversifizierten Unternehmung, München 2000, S. 46


Wissensbasiertes Management von <strong>Innovation</strong>sdienstleistungen 156<br />

Stärkung der <strong>Innovation</strong>sfähigkeit einer Unternehmung kann vor allem der Ressource<br />

„Wissen“ eine zentrale Bedeutung beigemessen werden.<br />

Auch zur Generierung von Kernkompetenzen müssen <strong>Innovation</strong>sprozesse durch-<br />

laufen werden, die vorerst nicht auf die Entwicklung von Endprodukten, sondern auf<br />

die Steigerung der <strong>Innovation</strong>sfähigkeit der Unternehmung ausgelegt sind. Wie in<br />

Kapitel 2 beschrieben, wird die <strong>Innovation</strong>sfähigkeit einer Unternehmung durch das<br />

<strong>Innovation</strong>spotenzial und das <strong>Innovation</strong>sklima bestimmt. Das <strong>Innovation</strong>spotenzial<br />

wird dabei von Ressourcen gebildet, die in der Lage sind einzigartige Kompetenzen<br />

zu begründen. Externe Ressourcen in der Form von <strong>Innovation</strong>sdienstleistungen<br />

können durch Outsourcing für die Erweiterung bzw. Ergänzung des <strong>Innovation</strong>spo-<br />

tenzials genutzt werden. In Abbildung 6-11 sind die wesentlichen Schritte zur Realisierung<br />

einer ressourcenorientierten <strong>Innovation</strong>sstrategie dargestellt.<br />

Insourcing von<br />

Kompetenzen<br />

Bewertung der innovationsrelevanten<br />

Ressourcen<br />

Insourcing von<br />

Ressourcen<br />

Ressourcenorientierte<br />

<strong>Innovation</strong>sstrategie<br />

Bewertung der innovationsrelevanten<br />

Kompetenzen<br />

Outsourcing von<br />

Kompetenzen<br />

Outsourcing von<br />

Ressourcen<br />

Handlungsorientierte<br />

IDL<br />

Wissensorientierte<br />

IDL<br />

Datenorientierte<br />

IDL<br />

Abbildung 6-11: Entscheidungsbaum der ressourcenorientierten <strong>Innovation</strong>sstrategie<br />

Dazu ist im ersten Schritt eine Bewertung der innovationsrelevanten Kompetenzen<br />

durchzuführen. Diese Kompetenzen werden in hohem Maße von der bisherigen "In-<br />

novations-Geschichte" der Unternehmung geprägt. Durch die Bewertung der Kom-


Wissensbasiertes Management von <strong>Innovation</strong>sdienstleistungen 157<br />

petenzen kann eine In-/Outsourcing-Entscheidung fundiert vorbereitet werden. Das<br />

Outsourcing von Kompetenzen kann <strong>mit</strong> handlungsorientierten <strong>Innovation</strong>sdienstleistungen<br />

realisiert werden.<br />

Auch beim Insourcing von innovationsrelevanten Kompetenzen spielen <strong>Innovation</strong>s-<br />

dienstleistungen eine große Rolle. Insourcing von Kompetenzen bedeutet, dass in<br />

der Unternehmung durch organisationale Lernprozesse Wissen aufgebaut wird. Der<br />

Kompetenzaufbau wird hier durch zwei unterschiedlichen Aspekte getragen, die an-<br />

hand des Bezugsrahmens (vgl. Abbildung 4-14) folgendermaßen beschrieben werden<br />

können:<br />

? Lernen durch die Anwendung von Wissen in der Handlungsebene<br />

? Aufbau der Ressource Wissen durch Vernetzung von Wissensträgern oder im<br />

Informationsprozess<br />

Das Insourcing von Kompetenzen kann daher wiederum eine In-/Outsourcing-<br />

Entscheidung nach sich ziehen. Dieser Entscheidung sollte wiederum eine Bewertung<br />

vorangehen und zwar diesmal auf der Ebene von Ressourcen.<br />

Beim Insourcing von Ressourcen geht es da<strong>mit</strong> um die interne Weiterentwicklung der<br />

eigenen Ressourcen. Eigene Ressourcen müssen identifiziert, gefördert und weiter-<br />

entwickelt werden. Beim Outsourcing von Ressourcen können von IDL-Anbietern<br />

daten- oder wissensorientierte <strong>Innovation</strong>sdienstleistungen zur Ergänzung und Entwicklung<br />

interner Ressourcen einbezogen werden.<br />

Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass die Einbeziehung externer Lei-<br />

stungspotenziale auf der Ebene von Kompetenzen und auf der Ebene von Ressour-<br />

cen erfolgen kann. Bei der Realisierung einer ressourcenorientierten <strong>Innovation</strong>s-<br />

strategie sollte zuerst die Ebene der Kompetenzen analysiert werden. Im nächsten<br />

Abschnitt wird daher ein Vorschlag für die Er<strong>mit</strong>tlung des <strong>Innovation</strong>spotenzials einer<br />

Unternehmung beschrieben.<br />

6.2.2 Analyse der relativen Kompetenzstärke<br />

<strong>Innovation</strong>srelevante Kernkompetenzen einer Unternehmung bilden die Basis für die<br />

Bewältigung von <strong>Innovation</strong>sprozessen. In der prozessorientierten Betrachtung kön-<br />

nen innovationsrelevante Kernkompetenzen unabhängig von einem konkreten Inno-<br />

vationsvorhaben nach Phasen zugeordnet werden. Die Bestimmung der relativen<br />

Kompetenzstärke sollte anhand der Auseinandersetzung <strong>mit</strong> den bisherigen <strong>Innovation</strong>saktivitäten<br />

der Unternehmung durchgeführt werden.


Wissensbasiertes Management von <strong>Innovation</strong>sdienstleistungen 158<br />

Benchmarking als Instrument der Wettbewerbsanalyse kann auch für diesen Zweck<br />

eingesetzt werden. Die methodische Unterstützung der Bewertung von Kompetenzen<br />

einer Unternehmung kann in der Kompetenzmatrix gefunden werden. Anhand der<br />

Kompetenzmatrix kann ein Vergleich der eigenen Kompetenzen <strong>mit</strong> denen der Klassenbesten<br />

durchgeführt werden (vgl. Abbildung 6-12).<br />

Diese Darstellung ähnelt einem um 90 Grad gedrehten „House of Quality“ - einem<br />

Formular, das bei der Methode Quality Function Deployment (QFD) verwendet wird.<br />

Der Begriff „deployment“ stammt aus dem militärischen Bereich und bedeutet dort<br />

die zielgerichtete Aufstellung der Truppen bei einer militärischen Aktion (Hinterhuber,<br />

H.H.). 198 Der Zweck dieses Formulars ist aber nicht wie im QFD die Übersetzung von<br />

Kundenwünschen in Produktmerkmale, usw., sondern es dient lediglich der metho-<br />

disch unterstützten Erfassung und Bewertung der innovationsrelevanten Kompetenzen.<br />

[1] [2] [3] [4] [5] [6]<br />

Ausprägung der<br />

Kompetenzen<br />

Bedeutung<br />

(1-gering...5-hoch)<br />

Wettbewerber<br />

Position gegenüber<br />

bestem Wettbewerber Bester<br />

Score / Rangfolge<br />

der Kompetenzen<br />

-2 -1 0 1 2 <strong>Innovation</strong>s-Teilprozesse<br />

Realisierungskompetenz 5 x Firma A 5 x<br />

Methodenkompetenz 3 x Firma C 0 x x<br />

Kompetenzentwicklung 5 x Firma R 10 x x x x<br />

Wissenslogistik ... x Firma W x x x x<br />

Technologiebeherrschung ... x x x<br />

... x x<br />

Förderungsmanagement 3 x Firma S 3 x x<br />

Patentrecherchen 4 x Firma C 4<br />

Prototypenbau ... x Firma Q x x<br />

Kundennahe Ideensammlung ... x Firma F x x<br />

Gewerbliche Schutzrechte ... x Firma K x x<br />

... x<br />

Abbildung 6-12: Kompetenzmatrix (Hinterhuber, H.H.) 199<br />

<strong>Innovation</strong>sstrategie<br />

Ideengenerierung<br />

Ideenakzeptierung<br />

Ideenrealisierung<br />

...<br />

Wechselwirkung<br />

der<br />

Kompetenzen<br />

Die einzelnen Felder der Abbildung 6-12 erlauben einen systematischen Vergleich<br />

von innovationsrelevanten Kompetenzen (Feld [1]) <strong>mit</strong> den klassenbesten Unter-<br />

¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯<br />

198<br />

Vgl. Hinterhuber, H.H.: Strategische Unternehmensführung: I. Strategisches Denken, 6. Auflage,<br />

Berlin/New York 1996, S. 128<br />

199<br />

In Anlehnung an Hinterhuber, H.H.: a.a.O., S. 14, bzw. S. 71


Wissensbasiertes Management von <strong>Innovation</strong>sdienstleistungen 159<br />

nehmungen (Feld [4]). Das Ergebnis daraus ist ein Fähigkeitsprofil in Feld [3]. Im<br />

Feld [6] kann zusätzlich eingetragen werden, welche Kompetenzen im jeweiligen<br />

Teilabschnitt des <strong>Innovation</strong>sprozesses von Bedeutung sind.<br />

In Feld [2] kann eine Bewertung der Bedeutung der Kompetenz für <strong>Innovation</strong>spro-<br />

zesse in einer Bandbreite zwischen 1 (geringe Bedeutung) und 5 (hohe Bedeutung)<br />

durchgeführt werden. Über Multiplikation von Feld [2] <strong>mit</strong> Feld [3] kann ein Zahlen-<br />

wert im Feld [5] errechnet werden, der eine Reihung der Kompetenzen ermöglicht.<br />

Hohe positive Zahlenwerte entsprechen einer hohen relativen Kompetenzstärke,<br />

niedrige bzw. negative Zahlenwerte deuten auf eine niedrige relative Kompetenzstärke.<br />

Das Feld am rechten Rand der Matrix bietet die Möglichkeit die Wechselwirkungen<br />

und Überschneidungen zwischen einzelnen Kompetenzen zu erfassen. Da<strong>mit</strong> kön-<br />

nen wiederum Gestaltungsansätze für das Zusammenwirken der Aufgaben- und<br />

Wissensträger abgeleitet werden. Dies ist insbesondere bei der Zusammenarbeit <strong>mit</strong><br />

externen Anbietern von <strong>Innovation</strong>sdienstleistungen von Bedeutung. Im nächsten<br />

Schritt werden innovationsrelevante Kompetenzen je nach Gewichtung in ein Portfolio<br />

übertragen (vgl. Abbildung 6-13).<br />

Im Kompetenzportfolio können die Einzelanalysen der Kompetenzen übersichtlich<br />

zusammengefasst werden, um Überlegungen über das In- bzw. Outsourcing von in-<br />

novationsrelevanten Kompetenzen anzustellen. Die einzelnen Quadranten können<br />

folgendermaßen charakterisiert werden:<br />

Quadrant I<br />

Kompetenzen <strong>mit</strong> geringer Bedeutung für <strong>Innovation</strong>en und <strong>mit</strong> geringer relativer<br />

Kompetenzstärke werden als Kompetenz-Standards bezeichnet. Diese Kompeten-<br />

zen sind für die Bewältigung von <strong>Innovation</strong>sprozessen zwar notwendig, ein Wettbe-<br />

werbsvorteil im Wettbewerb um Kompetenzen ist da<strong>mit</strong> aber nicht erreichbar. Dieser<br />

Bereich kann als klassische Outsourcing-Zone identifiziert werden.<br />

Quadrant II<br />

In 2. Quadranten fallen Kompetenzen, die zwar eine hohe Bedeutung für die Bewäl-<br />

tigung von <strong>Innovation</strong>sprozessen haben, die aber in Unternehmungen bislang nicht<br />

entsprechend beachtet und ausgebaut wurden. Folglich liegen in diesem Bereich<br />

Kompetenzlücken („Kompetenz-Gaps“) vor, die es durch geeignete Maßnahmen zu<br />

schließen gilt.


Wissensbasiertes Management von <strong>Innovation</strong>sdienstleistungen 160<br />

Quadrant III<br />

In diesen Bereich fallen Kompetenz-Potenziale, die in Unternehmungen vorhanden<br />

sind, aber im Moment wenig Bedeutung für <strong>Innovation</strong>en haben. Dies kann durch<br />

eine Verschiebung von Prioritäten bzw. durch eine geänderte <strong>Innovation</strong>sstrategie<br />

bedingt sein. In diesem Fall muss geprüft werden, ob die dadurch gebundenen Res-<br />

sourcen für die Schließung von Kompetenzlücken im 2. Quadranten genutzt werden<br />

können.<br />

Quadrant IV<br />

Im 4. Quadrant liegen Kompetenzen die für die Bewältigung von <strong>Innovation</strong>sprozes-<br />

sen eine hohe Bedeutung haben und in der Unternehmung durch eine hohe relative<br />

Kompetenzstärke geprägt sind. In diesem Bereich sind die innovationsrelevanten<br />

Kernkompetenzen der Unternehmung angesiedelt.<br />

Bedeutung für <strong>Innovation</strong>en<br />

hoch<br />

niedrig<br />

Quadrant II<br />

Kompetenz-Gaps<br />

Methodenkompetenz<br />

Quadrant I<br />

Kompetenz-Standards<br />

Quadrant IV<br />

TechnologieKompetenzbeherrschungentwicklung<br />

Kernkompetenzen<br />

Förderungsmanagement<br />

Schutzrechtemanagement<br />

Quadrant III<br />

Kompetenz-Potenziale<br />

niedrig hoch<br />

Relative Kompetenzstärke<br />

Prototypenbau<br />

Abbildung 6-13: Kompetenzportfolio für innovationsrelevante Kompetenzen (Hinterhuber,<br />

H.H.; Handlbauer, G.; Matzler, K.) 200<br />

¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯<br />

200 In Anlehnung an Hinterhuber, H.H.; Handlbauer, G.; Matzler, K.: Kundenzufriedenheit durch Kernkompetenzen,<br />

München/Wien 2000, S. 116


Wissensbasiertes Management von <strong>Innovation</strong>sdienstleistungen 161<br />

6.2.3 Entscheidungsgrundlage für das In-/Outsourcing von Kompetenzen<br />

In Abbildung 6-14 werden aufbauend auf die Ausführungen im Kapitel 5 die wesentli-<br />

chen Bereiche in der Hierarchie der innovationsrelevanten Kompetenzentwicklung<br />

zusammengefasst, die für das strategische In- bzw. Outsourcing in Frage kommen.<br />

Auf der Ebene von Kompetenzen können <strong>mit</strong> Hilfe von handlungsorientierten Innova-<br />

tionsdienstleistungen ganze Kompetenzbereiche von IDL-Anbietern eingebunden<br />

werden.<br />

Auf der Ebene von Ressourcen geht es ebenso um das In- bzw. Outsourcing. Hier<br />

geht es beim Outsourcing vorwiegend um die Einbindung von daten- und wissen-<br />

sorientierten <strong>Innovation</strong>sdienstleistungen, die dem Aufbau von Wissensgebieten die-<br />

nen. Insourcing von Ressourcen bedeutet, dass vor allem Wissensgebiete aus eige-<br />

ner Kraft in der Unternehmung aufgebaut werden. Die Wissensgebiete, die durch<br />

Wissensträger repräsentiert werden, sind letztlich die Quelle innovationsrelevanter<br />

Kernkompetenzen.<br />

In-/Outsourcing<br />

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12<br />

GF 1 GF 2 GF 3 GF 4<br />

Produktinnovation<br />

KK 1<br />

PF 1 PF 2 WT 3 WT 4 PF 4<br />

WT 1 WT 2<br />

WG 1<br />

KK 2<br />

PF 3<br />

WT 5<br />

Prozessinnovation<br />

KK 3 KK 4<br />

WG 2<br />

WT 6<br />

WG 3<br />

WT 7<br />

PF 5<br />

PF...Produktionsfaktor WG...Wissensgebiet WT...Wissensträger<br />

Abbildung 6-14: Abgrenzung der In-/Outsourcing-Bereiche<br />

WT 8<br />

<strong>Innovation</strong>sprojekte<br />

<strong>Innovation</strong>sprogramm<br />

je Geschäftsbereich<br />

<strong>Innovation</strong>sprozesse<br />

innovationsrelevante<br />

Kernkompetenzen<br />

Ressourcen<br />

Durch die Einbeziehung externer Ressourcen in der Form von <strong>Innovation</strong>sdienstlei-<br />

stungen kann der innovationsrelevante Kompetenzaufbau gezielt beeinflusst werden.<br />

Anhand des Kompetenzportfolios sollen nachfolgend Empfehlungen für die Einbin-<br />

dung externer Leistungspotenziale gegeben werden. Die Weiterentwicklung des<br />

Kompetenzportfolios ermöglicht eine Einteilung in strategische In- bzw. Outsourcing-


Wissensbasiertes Management von <strong>Innovation</strong>sdienstleistungen 162<br />

Bereiche (vgl. Abbildung 6-15). Insgesamt können für die Einbeziehung von <strong>Innovation</strong>sdienstleistungen<br />

drei unterschiedliche Bereiche identifiziert werden:<br />

Insourcing-Bereich<br />

Insourcing steht für die Kompetenzentwicklung in der eigenen Unternehmung. Der 4.<br />

Quadrant - der Bereich der Kernkompetenzen - kann da<strong>mit</strong> als wichtigste Quelle der<br />

unternehmerischen <strong>Innovation</strong>sfähigkeit gesehen werden. Die Kompetenzen dieses<br />

Bereichs müssen kontinuierlich gepflegt und weiterentwickelt werden. <strong>Innovation</strong>s-<br />

dienstleistungen, die in diesem Bereich einbezogen werden, haben den Zweck fehlende<br />

interne Ressourcen zu ergänzen bzw. zu entwickeln.<br />

Da<strong>mit</strong> kommen hier vorwiegend daten- und wissensorientierte <strong>Innovation</strong>sdienstlei-<br />

stungen zur Einbindung in Frage. Die Wissensver<strong>mit</strong>tlung bzw. der Wissenstransfer<br />

kann am zweckmäßigsten über die soziale Vernetzung von Wissens- und Aufgabenbzw.<br />

Kompetenzträgern erreicht werden.<br />

Bedeutung für <strong>Innovation</strong>en<br />

hoch<br />

niedrig<br />

Quadrant II<br />

Kompetenz-Gaps<br />

Selektives<br />

In-/Outsourcing<br />

Quadrant I<br />

Kompetenz-Standards<br />

Outsourcing<br />

Quadrant IV<br />

Kernkompetenzen<br />

Insourcing<br />

Quadrant III<br />

Kompetenz-Potenziale<br />

Selektives<br />

In-/Outsourcing<br />

niedrig hoch<br />

Relative Kompetenzstärke<br />

Abbildung 6-15: In-/Outsourcing im Kompetenzportfolio (Hinterhuber, H.H.;<br />

Stuhec, U.) 201<br />

¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯<br />

201 In Anlehnung an Hinterhuber, H.H.; Stuhec, U.: Kernkompetenzen und strategisches In-<br />

/Outsourcing, in: ZfB-Ergänzungsheft (1997)1, S. 11


Wissensbasiertes Management von <strong>Innovation</strong>sdienstleistungen 163<br />

Die zentrale Aufgabe der <strong>Innovation</strong>sstrategie ist es, die Entwicklung der innovati-<br />

onsrelevanten Kernkompetenzen periodisch zu hinterfragen und laufend auf „Sie-<br />

geskurs“ zu halten. Die Beobachtung aller externen Einflüsse, insbesondere die Be-<br />

obachtung der Entwicklung von relevanten Wissensgebieten im unternehmerischen<br />

Umfeld, ermöglicht die gezielte Abstimmung der Kompetenzbereiche. Delphi- und<br />

Szenario-Technik, etc. sind Methoden, die dazu eingesetzt werden können. Die<br />

Sammlung der dafür notwendigen Daten kann wiederum durch Outsourcing an so-<br />

genannte „Info-Brokern“ als datenorientierte <strong>Innovation</strong>sdienstleistung,“ vergeben<br />

werden.<br />

Das erklärte Ziel sollte sein, Marktführer in den wesentlichen Kernkompetenzberei-<br />

chen zu sein und zu bleiben. Die wichtigste Kernkompetenz in Zusammenhang <strong>mit</strong><br />

dem In-/Outsourcing von Kompetenzen ist das Management der Kompetenzen. Das<br />

„Kompetenzmanagement“ hat die Aufgabe Ressourcen (inkl. Wissen) für den Kom-<br />

petenzaufbau bereitzustellen. Zentrale Fragen für das Insourcing von Kompetenzen<br />

lauten:<br />

? Wie kann ich Ressourcen und Kompetenzen intern entwickeln?<br />

? Wie komme ich zu externen Ressourcen, die den Kompetenzaufbau unterstüt-<br />

zen?<br />

? Wie kann ich externen Ressourcen möglichst ökonomisch und wirksam einbin-<br />

den?<br />

Die erste und dritte Frage wurde teilweise schon in den vorigen Kapiteln beantwortet.<br />

Die zweite Frage ist Gegenstand eines weiteren Abschnittes in diesem Kapitel.<br />

Outsourcing-Bereich<br />

Outsourcing von Kompetenzen kann einerseits dazu dienen, unternehmensinterne<br />

Ressourcen, die nicht optimal eingesetzt werden, für den Aufbau von Kernkompe-<br />

tenzen in Kernbereichen freizuspielen. Andererseits kann es beim Outsourcing aber<br />

auch darum gehen Kompetenzbereiche einzubeziehen, die in der Unternehmung<br />

bisher nicht aufgebaut wurden und auch in Zukunft aus strategischen Gründen nicht<br />

selbst abgedeckt werden sollen. In der Portfolio-Darstellung in Abbildung 6-15 kann<br />

der 1. Quadrant als klarer Outsourcing-Bereich definiert werden. Die Spezifität der<br />

dort angesiedelten Kompetenz-Standards ist gering, daher sind diese in der Regel<br />

ohne große Probleme bei IDL-Anbietern zu beziehen. Da diese Kompetenz-<br />

Standards zu den Kernkompetenzen des jeweiligen IDL-Anbieters zählen, kann beim<br />

Outsourcing wiederum ein Optimum für die Unternehmung erreicht werden.


Wissensbasiertes Management von <strong>Innovation</strong>sdienstleistungen 164<br />

„Standard-Kompetenzen“ können durch die Einbindung handlungsorientierter Inno-<br />

vationsdienstleistungen abgedeckt werden. Das Kompetenzmanagement für diese<br />

zugekaufte Kompetenz ist beim IDL-Anbieter angesiedelt. Da bei Kompetenzstan-<br />

dards das Kontextwissen im allgemeinen vorhanden ist, bzw. der Aufbau leicht zu<br />

bewerkstelligen ist, ist diese Form der <strong>Innovation</strong>sdienstleistung <strong>mit</strong> dem geringsten<br />

Risiko für die Unternehmung verbunden.<br />

Selektiver In-/Outsourcing-Bereich<br />

Der 2. und der 3. Quadrant müssen selektiv betrachtet werden. In diesen Bereichen<br />

ist ein un<strong>mit</strong>telbarer Handlungsbedarf gegeben. Da die relative Kompetenzstärke im<br />

2. Quadranten sehr gering ist, sind für den Kompetenzaufbau durch Insourcing große<br />

Anstrengungen notwendig, um die Lücke zu schließen.<br />

Im Falle von Outsourcing im 2. Quadranten wird der Anteil an externen Kompetenzen<br />

im <strong>Innovation</strong>smanagement in einem strategisch wichtigen Bereich erhöht. Da<strong>mit</strong><br />

wird auch die Abhängigkeit der Unternehmung vom jeweiligen IDL-Anbieter größer<br />

sein als im 1. Quadranten. Es ist allerdings zu beobachten, dass auch im Falle von<br />

Schlüsselaktivitäten die Neigung zum Outsourcing zunimmt (Hinterhuber, H.H.; Stu-<br />

hec, U.). 202 Bei der Forschung und Entwicklung in wissensintensiven Technologien<br />

ist der Schritt zu Outsourcing für viele Unternehmungen eine der wenigen Möglich-<br />

keiten auf entsprechende Kompetenzen zugreifen zu können. Die hohe Relevanz<br />

von Kompetenzen im 2. Quadranten ist auch da<strong>mit</strong> verbunden, dass der Kompetenzaufbau<br />

in diesem Bereich als sehr langwierig und zeitintensiv einzuschätzen ist.<br />

Im 3. Quadranten muss beurteilt werden, ob die „brachliegenden“ Kompetenzen das<br />

Potenzial für die Generierung von zukünftigen Kernkompetenzen haben. Wenn dies<br />

der Fall ist, rentiert sich das Insourcing und die Weiterentwicklung. Da<strong>mit</strong> verbunden<br />

ist auch die Möglichkeit sich <strong>mit</strong> dieser Kompetenz selbst zum IDL-Anbieter zu ent-<br />

wickeln, um diese für andere IDL-Nachfrager als externe Ressource bzw. Kompetenz<br />

anzubieten.<br />

6.2.4 Entscheidungsgrundlage für das In-/Outsourcing von Ressourcen<br />

Ressourcen bilden die Grundlage für den Aufbau von Kompetenzen. Da Innovati-<br />

onsprozesse immer <strong>mit</strong> der Entwicklung von neuem Wissen verbunden sind, kommt<br />

der Ressource „Wissen“ eine besondere Bedeutung zu. Diesem Umstand wird im<br />

¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯<br />

202 Vgl. Hinterhuber, H.H.; Stuhec, U.: Kernkompetenzen und strategisches In-/Outsourcing, in: ZfB-<br />

Ergänzungsheft (1997)1, S. 12


Wissensbasiertes Management von <strong>Innovation</strong>sdienstleistungen 165<br />

folgenden Abschnitt durch eine Fokussierung auf <strong>Wissensmanagement</strong> Rechnung<br />

getragen.<br />

Auf finanzielle Ressourcen, in Zusammenhang <strong>mit</strong> dem Transfer von <strong>Innovation</strong>s-<br />

dienstleistungen, wird in dieser Arbeit nicht eingegangen. Diese Frage würde<br />

zwangsläufig in der Messproblematik immaterieller Leistungspotenziale münden und<br />

da<strong>mit</strong> den Rahmen dieser Arbeit sprengen. Die Transaktionskostenökonomie kann<br />

als Grundlage für Kostenbetrachtungen im zwischenbetrieblichen Leistungstransfer<br />

gesehen werden.<br />

Unter Transaktionskosten versteht man „Kosten für die Vereinbarung und Verwirkli-<br />

chung einer arbeitsteiligen Leistung“. Dieser Begriff geht auf Ronald H. Coase 203 zu-<br />

rück und wurde von Oliver E. Williamson und zahlreichen anderen Autoren weiter-<br />

entwickelt. Eine Übertragung dieser Theorie in den <strong>Innovation</strong>sbereich scheint nur<br />

<strong>mit</strong> Einschränkungen möglich zu sein. Das vielleicht wichtigste Argument dafür sei<br />

nachfolgend wiedergegeben:<br />

„<strong>Innovation</strong>sprozesse sind nicht primär durch Kostenüberlegungen, sondern vor-<br />

nehmlich durch Erlösüberlegungen geprägt. Die Chance steht im Mittelpunkt. Inno-<br />

vationsmanagement ist keine Aufgabe für die geizigen Erbsenzähler, sondern für die<br />

Habgierigen.“ (Heydebreck, P.) 204<br />

Der Fokus dieser Arbeit liegt in der wissensbasierten Zusammenarbeit von IDL-<br />

Anbieter und IDL-Nachfrager <strong>mit</strong> dem Ziel die <strong>Innovation</strong>sfähigkeit der nachfragen-<br />

den Unternehmung zu erhöhen. Da<strong>mit</strong> steht die Wirksamkeit des Leistungstransfers<br />

und weniger die Kosten der Transaktion bzw. des IDL-Transfers im Mittelpunkt der<br />

Gestaltungsansätze. Die Entscheidung Wissen externer Partner in unternehmerische<br />

<strong>Innovation</strong>sprozesse einzubeziehen hat weitreichende Konsequenzen für die Entwicklung<br />

der unternehmerischen Wissensbasis.<br />

Die Einbeziehung von externen Wissenspotenzialen hat zum Ziel innovationsrele-<br />

vante Kompetenzen aufzubauen. In Abbildung 6-16 werden unterschiedliche Arten<br />

von Wissensdefiziten und die Potenziale für die Einbeziehung von <strong>Innovation</strong>sdienstleistungen<br />

dargestellt.<br />

¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯<br />

203 Vgl. Coase, R.H: The Nature of the Firm, in Economica, Vol 4 (November) 1937, S. 386-405, zitiert<br />

in: Heydebreck, P.: Technologische Verflechtung: ein Instrument zum Erreichen von Produkt- und<br />

Prozessinnovationserfolg, Frankfurt a. Main 1996, S. 23<br />

204 Heydebreck, P.: Technologische Verflechtung: ein Instrument zum Erreichen von Produkt- und<br />

Prozessinnovationserfolg, Frankfurt a. Main 1996, S. 54


Wissensbasiertes Management von <strong>Innovation</strong>sdienstleistungen 166<br />

Dabei können zwei Arten von Wissenslücken unterschieden werden. Das kann ei-<br />

nerseits Wissen sein, das extern bereits vorhanden ist und in die Unternehmung<br />

transferiert werden muss, andererseits kann es einen Wissensbedarf geben, der im<br />

Moment weder intern noch extern abdeckbar ist. Dieses Wissen muss erst entwickelt<br />

werden und steht gerade bei <strong>Innovation</strong>sprozessen im Mittelpunkt der Betrachtungen.<br />

Vor einer In- bzw. Outsourcing-Entscheidung zur Einbeziehung der Ressource Wis-<br />

sen von IDL-Anbietern sollte auch hier eine Visualisierung der intern vorhandenen<br />

Wissenspotenziale durchgeführt werden. Das Instrument der Portfolioanalyse kann<br />

auch für diesen Zweck angewendet werden.<br />

Zielerreichungsgrad<br />

Ziel: Kompetenz X aufbauen<br />

intern<br />

Lücke 1<br />

extern<br />

Lücke 2<br />

intern vorhandenes<br />

ungenutztes Wissen<br />

bereits intern<br />

verfügbares Wissen<br />

?<br />

extern vorhandenes<br />

Wissen<br />

noch nicht<br />

existierendes<br />

Wissen<br />

Abbildung 6-16: Differenzierung von Wissenslücken (Romhardt, K.) 205<br />

Potenzial<br />

für IDL<br />

Mit Hilfe der Dimensionen „Transparenz des Wissens“ und „Wissensbestand“ kann<br />

eine Matrix, die dem Johari-Fenster (Wohinz, J.W.) 206 ähnelt, konstruiert werden.<br />

Dabei werden 4 unterschiedliche Ausprägungen von Wissen in Unternehmungen<br />

unterschieden (vgl. Abbildung 6-17):<br />

¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯<br />

205 In Anlehnung an Romhardt, K.: Interne und externe Wissenstransparenz als Ausgangspunkt für<br />

organisatorische <strong>Innovation</strong>en, AG <strong>Wissensmanagement</strong> Kaiserslautern, URL: http://www.cck.unikl.de/wmk/papers/public/Wissensidentifikation/<br />

[Stand 22.6.2000]<br />

206 Vgl. Wohinz, J.W.: Wertanalyse - <strong>Innovation</strong>smanagement, Würzburg/Wien 1983, S. 84


Wissensbasiertes Management von <strong>Innovation</strong>sdienstleistungen 167<br />

? Wo wir wissen, dass wir etwas wissen (What we know we know)<br />

? Wo wir wissen, dass wir etwas nicht wissen (What we know we don’t know)<br />

? Wo wir nicht wissen, dass wir etwas wissen (What we don’t know we know)<br />

? Wo wir nicht wissen, dass wir etwas nicht wissen (What we don’t know we don’t<br />

know)<br />

Die Ressource Wissen entfaltet ihren Wert erst in der Anwendung, in diesem Fall im<br />

Aufbau von innovationsrelevanten Kompetenzen. Da<strong>mit</strong> können diese vier Qua-<br />

dranten Anhaltspunkte für die gezielte Einbindung externer Potenziale für den Kom-<br />

petenzaufbau sein. <strong>Innovation</strong>sdienstleistungen können in allen vier Quadranten von<br />

Relevanz sein.<br />

Transparenz des Wissens<br />

nicht vorhanden vorhanden<br />

1. Wo wir wissen, dass wir<br />

etwas wissen<br />

Ziele: Teilung,Bewahrung und Nutzung<br />

des Wissens der gemeinsamen<br />

Wissensbasis<br />

Tools: Benchmarking, communities<br />

of practice, organisationales Lernen, ...<br />

3. Wo wir nicht wissen, dass<br />

wir etwas wissen<br />

Ziele: verborgenes Wissen nutzbar<br />

machen<br />

Tools: Audits, Netzwerke,<br />

Wissenslandkarten, ...<br />

2. Wo wir wissen, dass wir<br />

etwas nicht wissen<br />

Ziele: Suche nach neuem Wissen,<br />

Wissen entwickeln, neues Wissen<br />

nutzbar machen<br />

Tools: F&E, Marktforschung,<br />

Wettbewerbsanalyse, ...<br />

4. Wo wir nicht wissen, dass<br />

wir etwas nicht wissen<br />

Ziele: Entdecken von Bedrohungen,<br />

Risiken und neuen Möglichkeiten<br />

Tools: Audits, Dilemmas,<br />

kreative Spannung, ...<br />

vorhanden Wissensbestand nicht vorhanden<br />

Abbildung 6-17: Wissensportfolio der Unternehmung (Drew, S.) 207<br />

Im ersten Quadranten ist sowohl das nutzbare Wissen als auch das Bewusstsein,<br />

dass dieses Wissen in der Unternehmung existiert, vorhanden. Im Vordergrund steht<br />

daher der Zugang sowie die Sicherung und (Ver)teilung von internem Wissen. IDL-<br />

Anbieter können auch bei dieser Aufgabe Unterstützung bieten. Im zweiten Qua-<br />

¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯<br />

207 Vgl. Drew, S.: Building Knowledge Management into Strategy: Making Sense of a New Perspektive,<br />

in: Long Range Planning, Vol. 32, (1999)1, S. 134


Wissensbasiertes Management von <strong>Innovation</strong>sdienstleistungen 168<br />

dranten ist bekannt, dass Wissenslücken existieren. Diese können durch interne<br />

Wissensentwicklung oder durch <strong>Innovation</strong>sdienstleistungen geschlossen werden.<br />

Die Einbeziehung von IDL erscheint im dritten und vierten Quadranten von besonde-<br />

rer Relevanz zu sein. In beiden Fällen ist man sich über die Existenz von Wissen<br />

nicht bewusst. Durch diesen „blinden Fleck“ in der Wahrnehmung kann die notwen-<br />

dige Transparenz aus eigenen Kräften kaum erreicht werden. Ein externer Partner<br />

kann aus seiner Beobachterrolle heraus die notwendigen Hinweise zur Verbesserung<br />

der Situation geben.<br />

In diesem Zusammenhang geht es im dritten Quadranten vorwiegend darum die in-<br />

ternen Wissenspotenziale transparent zu machen und einer Nutzung zuzuführen. Im<br />

vierten Quadranten besteht aus der Sicht des <strong>Innovation</strong>smanagements der größte<br />

Nachholbedarf, aber auch ein großes Potenzial für die Differenzierung im Wettbe-<br />

werb um Kompetenzen. Hier können IDL-Anbieter, z.B. in ihrer Funktion als Broker<br />

wertvolle Hinweise für den gezielten Wissensaufbau, aber auch für die Einbindung<br />

von extern bereits vorhandenem Wissen geben.<br />

6.3 Zur Gestaltung der Einbindung von <strong>Innovation</strong>sdienstleistungen<br />

Die strategische Entscheidung zur Einbindung von <strong>Innovation</strong>sdienstleistungen er-<br />

fordert auf der operativen Managementebene einen definierten Ablauf zur Gestaltung<br />

der Kooperationsbeziehung. Der aktuelle Bedarf an <strong>Innovation</strong>sdienstleistungen<br />

kann aus strategischen Überlegungen heraus entstehen, die darauf abzielen, inno-<br />

vationsrelevante Kompetenzen aufzubauen. Weiters kann ein IDL-Bedarf un<strong>mit</strong>telbar<br />

aus einem <strong>Innovation</strong>sprojekt hervorgehen.<br />

Wie bereits in Abbildung 6-11 skizziert wurde, kann prinzipiell das Outsourcing von<br />

Kompetenzen und das Outsourcing von Ressourcen unterschieden werden. Je nach<br />

Anforderung kann die IDL-Nachfrage durch handlungs- wissen- oder datenorientierte<br />

<strong>Innovation</strong>sdienstleistungen abgedeckt werden. Der Prozess, der von der Bedarf-<br />

sentstehung bis zur Bedarfserfüllung durchlaufen wird, ist Gegenstand der weiteren<br />

Betrachtungen.<br />

6.3.1 Ablauf der IDL-Einbindung<br />

Die Analyse der strategischen Basisdaten bilden die Grundlage der strategischen<br />

Planung. Die Umsetzung des daraus abgeleiteten strategischen <strong>Innovation</strong>spro-<br />

gramms mündet in einer Anzahl durchzuführender <strong>Innovation</strong>sprojekte. In der Pro-<br />

jektplanung muss der jeweilige Ressourcen- bzw. Kompetenzbedarf festgelegt wer-


Wissensbasiertes Management von <strong>Innovation</strong>sdienstleistungen 169<br />

den. Daher kommt der IDL-Bedarf in der Regel un<strong>mit</strong>telbar aus dem Ressourcen-<br />

und Kompetenzmanagement. Der Ablauf der IDL-Einbindung wird in Abbildung 6-18<br />

prinzipiell dargestellt.<br />

Anfangs muss abgeklärt werden, ob für einen konkreten IDL-Bedarf ein kompetenter<br />

Partner aus bestehenden Beziehungen zu IDL-Anbietern bereits bekannt ist. Ist dies<br />

nicht der Fall, muss ein entsprechender Partner gesucht werden. Das kann im Al-<br />

leingang bewältigt werden, z.B. über Beziehungsnetzwerke oder Interessensvertre-<br />

tungen der Unternehmungen. Wenn diese Möglichkeiten nicht vorhanden sind, bietet<br />

sich die Vergabe der Suche an einen IDL-Anbieter an, der diese Broker-Funktion<br />

übernehmen kann.<br />

Auswahl<br />

Suche/Broker<br />

Konsens ?<br />

nein<br />

Kontextaufbau<br />

Kontaktaufnahme<br />

nein<br />

Anbieter<br />

bekannt?<br />

Anstoß / Bedarf<br />

Abbildung 6-18: Prozess der IDL-Einbindung<br />

ja<br />

ja<br />

Vertrag<br />

IDL-Transfer<br />

Review<br />

Ressourcen- und Kompetenzmanagement<br />

Ein Broker kann im Idealfall einen kompetenten Ansprechpartner nennen und den<br />

Kontakt zu einem IDL-Anbieter herstellen. Für eine erfolgreiche Ver<strong>mit</strong>tlung muss der<br />

Ver<strong>mit</strong>tler ausreichend Kontextwissen über das geplante <strong>Innovation</strong>svorhaben verfü-<br />

gen. Je genauer der IDL-Bedarf spezifiziert werden kann, desto erfolgreicher wird die<br />

Ver<strong>mit</strong>tlung sein. Auch der Erstkontakt zum IDL-Anbieter kann noch über den IDL-<br />

Broker laufen.<br />

Die Kontaktaufnahme <strong>mit</strong> dem IDL-Anbieter sollte dazu genutzt werden die wesentli-<br />

chen Punkte der Beziehung abzuklären. Es muss abgeklärt werden, ob eine grund-


Wissensbasiertes Management von <strong>Innovation</strong>sdienstleistungen 170<br />

sätzliche Bereitschaft zur Zusammenarbeit besteht, oder ob zwingende Ausschlie-<br />

ßungsgründe bestehen. Weiters sollte zu diesem Zeitpunkt bereits die Kapazitätsund<br />

Terminsituation abgestimmt werden.<br />

Sind diese Rahmenbedingungen geklärt, geht es darum, ein gemeinsames Kon-<br />

textwissen bezüglich der Problemstellung aufzubauen. Falls da<strong>mit</strong> die erste Anbah-<br />

nung einer Zusammenarbeit <strong>mit</strong> dem IDL-Anbieter erfolgt, kann im Rahmen dieser<br />

Vorgespräche auch der Grundstein für den Aufbau der notwendigen Vertrauensbasis<br />

gelegt werden.<br />

Dieser Konsens auf Wissensebene ist Grundvoraussetzung für eine zukünftige Zu-<br />

sammenarbeit, und zwar sowohl im kognitiven als auch im emotionalen Bereich. Da-<br />

bei lässt sich die emotionale Komponente, die im Idealfall eine gemeinsame Vertrau-<br />

ensbasis begründet, am schwersten beeinflussen. Das gegenseitige Verständnis<br />

bzw. das Vertrauen der Partner spielt aber eine wesentliche Rolle für das Zustandekommen<br />

eines Konsenses (Hinterhuber, H.H.; Handlbauer, G.; Matzler, K.). 208<br />

Von der Vertrauensbasis hängt es auch ab, in welchem Umfang vertragliche Rege-<br />

lungen zwischen IDL-Anbieter und IDL-Nachfrager getroffen werden. Grundsätzlich<br />

kann zwischen impliziten (informellen) und expliziten (schriftlichen) Verträgen unter-<br />

schieden werden (Picot, A.; Reichwald, R.; Wigand, R.T.). 209 Durch den Charakter<br />

der Dienstleistung bedingt, besteht prinzipiell eine klare Beziehung zwischen dem<br />

IDL-Anbieter als Leistungserbringer und dem IDL-Nachfrager als Leistungsempfän-<br />

ger. Auf jeden Fall müssen die Form des Ergebnisses und die notwendigen Voraussetzungen<br />

des Leistungstransfers zuvor klar definiert werden.<br />

Wenn alle Voraussetzungen im Vorfeld abgeklärt und fixiert sind, kann der eigentli-<br />

che IDL-Transfer vollzogen werden. Von der Art der Dienstleistung wird es abhän-<br />

gen, in welcher Form, Zeitdauer und Intensität der IDL-Transfer stattfindet. Nach dem<br />

Leistungstransfer sollte ein rückblickendes „Review“ stattfinden, das einerseits als<br />

Ergebniskontrolle und andererseits als Lernprozess („Lessons learned“) zu verstehen<br />

ist. Da<strong>mit</strong> können eventuell aufgetretene Fehler und Probleme im Leistungstransfer<br />

hinterfragt und da<strong>mit</strong> beim nächsten Mal vermieden werden. Mit der Dokumentation<br />

des Projektablaufs und der Projektergebnisse schließt sich der Kreislauf der IDL-<br />

Einbindung.<br />

¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯<br />

208<br />

Vgl. Hinterhuber, H.H.; Handlbauer, G.; Matzler, K.: Kundenzufriedenheit durch Kernkompetenzen,<br />

München/Wien 2000, S. 173<br />

209<br />

Vgl. Picot, A.; Reichwald, R.; Wigand, R.T.: Die grenzenlose Unternehmung, 3. Auflage, Wiesba-<br />

den 1998, S. 54


Wissensbasiertes Management von <strong>Innovation</strong>sdienstleistungen 171<br />

6.3.2 Managementaspekte beim IDL-Transfer<br />

Der Gestaltung und Lenkung des IDL-Transfers muss eine große Bedeutung zuge-<br />

messen werden. Davon hängt der Kompetenzaufbau und letztlich auch die Akzep-<br />

tanz von Ergebnissen der Zusammenarbeit ab. Gestaltungsmaßnahmen beim IDL-<br />

Transfer können in die Bereiche Mensch, Prozesse, Technik und Zeit eingeteilt werden<br />

(vlg. Abbildung 6-19).<br />

Gestaltung der menschlichen Beziehung<br />

Einer der wichtigsten Gestaltungsbereiche im IDL-Transfer ist beim Menschen ange-<br />

siedelt. Das Aufeinandertreffen von Menschen aus unterschiedlichen Organisationen<br />

<strong>mit</strong> unterschiedlichen Unternehmenskulturen sorgt dafür, dass meist auch unter-<br />

schiedliche Vorstellungen bezüglich wichtiger Aspekte der Zusammenarbeit vorliegen.<br />

Suche,<br />

Vorlauf<br />

Wissen, Werte<br />

Menschen<br />

IDL-<br />

Zeit Prozesse<br />

Transfer<br />

Technik<br />

Daten, Infrastruktur<br />

Abbildung 6-19: Gestaltungsbereiche beim IDL-Transfer<br />

? Kontextwissen<br />

Timing,<br />

Schnittstellen<br />

Wie schon in Kapitel 5 ausführlich beschrieben, ist ein gemeinsames Kontextwissen<br />

bei allen Formen der Einbeziehung von <strong>Innovation</strong>sdienstleistungen die Basis einer<br />

erfolgreichen, reibungslosen Zusammenarbeit. Ein IDL-Broker kann durch sein gene-<br />

ralistisches Wissen beim Kontext-Aufbau behilflich sein. Er kann die Brücke zwi-<br />

schen der Wissensbasis des IDL-Nachfragers und des IDL-Anbieters herstellen. Dadurch<br />

kann eine Kommunikationsbeziehung rascher aufgebaut werden.


Wissensbasiertes Management von <strong>Innovation</strong>sdienstleistungen 172<br />

? Kommunikation<br />

Die Ausführungen des Kapitel 3 und insbesondere der dort dargestellte „Flaschen-<br />

hals der Datenreduktion“ zeigen auf, dass Menschen im Informationsprozess Signale<br />

selektiv und individuell verschieden aufnehmen. Das bedeutet, dass nicht das ge-<br />

samte Signalangebot für die Vernetzung <strong>mit</strong> der internen Wissensbasis verwendet<br />

wird, sondern nur der Teil, der bereits ausreicht, um einen Wissensaufbau zu ermöglichen.<br />

Dieser Effekt kann als „selektive Wahrnehmung“ bezeichnet werden.<br />

In Abbildung 6-20 wird dieser Effekt anhand einer Kommunikationsbeziehung zwi-<br />

schen zwei Personen A und B schematisch dargestellt. Die Aufnahme von Signalen<br />

wird bei jedem Menschen durch einen individuell unterschiedlichen Filter beeinflusst.<br />

Dieser Gesichtspunkt ist bei der Gestaltung von Kommunikationsbeziehungen besonders<br />

zu beachten.<br />

A<br />

... sagt, was er für<br />

notwendig hält<br />

A<br />

Filter<br />

... hört, was für ihn von<br />

B‘s Antwort nützlich<br />

zu hören ist<br />

Signal<br />

Signal<br />

Filter<br />

B<br />

... hört, was für ihn<br />

nützlich zu hören ist<br />

B<br />

... antwortet auf das,<br />

was er hörte, nicht auf<br />

das, was A sagte<br />

Abbildung 6-20: Problembereich selektive Wahrnehmung (Kummer, W.A.; Spühler,<br />

R.W.; Wyssen, R.) 210<br />

In diesem Zusammenhang müssen auch kultur- und sprachbedingte Unterschiede<br />

der Kommunikation zwischen Menschen betrachtet werden. Die englische Sprache<br />

hat sich als Standard der verbalen Kommunikation in vielen Bereichen etabliert. Glo-<br />

¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯<br />

210 Kummer, W.A.; Spühler, R.W.; Wyssen, R.: Projektmanagement - Leitfaden zu Methode und<br />

Teamführung in der Praxis, Zürich, ohne Jahresangabe, zitiert in: Heeg, F.-J.: Projektmanagement:<br />

Grundlagen der Planung und Steuerung von betrieblichen Problemlösungsprozessen, München/Wien<br />

1992, S. 90


Wissensbasiertes Management von <strong>Innovation</strong>sdienstleistungen 173<br />

balisierung und Internet haben diese Sprache noch populärer gemacht. Da<strong>mit</strong> wer-<br />

den die Möglichkeiten für den Menschen zu kommunizieren zwar noch erweitert,<br />

da<strong>mit</strong> sind aber auch viele Probleme und Barrieren verbunden.<br />

Die Begriffsverwirrung rund um das Wort Wissen kann als Beispiel für mögliche Pro-<br />

bleme sprachlicher Natur angegeben werden: Während „Wissen“ sich im deutschen<br />

Sprachraum ausschließlich auf kognitive Prozesse bezieht, hat das Wort „knowled-<br />

ge“ in der englischen Sprache eine breitere Bedeutung und umfasst dort auch das<br />

„Können“. Solche kulturbedingten Unterschiede können zu schwerwiegenden Missverständnissen<br />

führen.<br />

? Vertrauen<br />

Auch wenn der IDL-Transfer vorrangig die Zusammenarbeit von Organisationen be-<br />

trifft, beruht doch jede Kooperation auf der Interaktion von mindestens zwei Men-<br />

schen. Gerade in einem sensiblen Bereich, wie dem <strong>Innovation</strong>smanagement, muss<br />

eine solide Vertrauensbasis geschaffen werden, um den Leistungstransfer nicht<br />

durch Misstrauen und Passivität zu behindern. Zum Aufbau dieser Vertauensbasis<br />

eignet sich am besten die soziale Vernetzung der Interaktionspartner, wie sie z.B. bei<br />

Vorgesprächen zum IDL-Transfer stattfindet.<br />

? Fachkompetenz<br />

Als weiterer wichtiger Faktor kann die Fachkompetenz des IDL-Anbieters genannt<br />

werden. Durch das Zusammentreffen von Menschen als „nicht-triviale Maschinen“<br />

kann das Ergebnis des Leistungstransfers nicht vorherbestimmt werden. Daher wird<br />

man sich in der Regel bei der Auswahl des Partners an Referenzprojekten oder an<br />

Empfehlungen von vertrauten Partnern orientieren.<br />

Weiters ist die Fähigkeit zur Nutzung von neuester IuK-Technologie auch für den<br />

IDL-Transfer als Basis für eine effiziente zwischenbetriebliche Zusammenarbeit zu<br />

sehen. Die Intensität der Nutzung dieser Technologie hängt von der Art der <strong>Innovation</strong>sdienstleistung<br />

ab.<br />

? Zuverlässigkeit<br />

Die Zuverlässigkeit des Partners sollte im Prinzip aus einer Verschmelzung der Krite-<br />

rien Kompetenz, Kontextwissen und Vertrauen resultieren. Zuverlässigkeit ist eine<br />

individuelle Eigenschaft eines Partners, die durch die Unternehmenskultur <strong>mit</strong>bestimmt<br />

wird und durch vertragliche Regelungen kaum beeinflusst werden kann.


Wissensbasiertes Management von <strong>Innovation</strong>sdienstleistungen 174<br />

? Win-Win-Situation<br />

Das Gelingen eines IDL-Transfers hängt stark von den Interessenslagen der Partner<br />

ab. Im kommerziellen Bereich kann eine Win-Win-Situation überwiegend durch fi-<br />

nanzielle Aspekte und durch die kundenorientierte Leistungsanpassung des IDL-<br />

Anbieters erzeugt werden.<br />

Bei anderen Gruppen von IDL-Anbietern ist eine Win-Win-Situation oft schwieriger<br />

herzustellen. Zum Beispiel treffen bei der Zusammenarbeit <strong>mit</strong> Forschern zwei gänz-<br />

lich unterschiedliche Interessenslagen aufeinander. Da<strong>mit</strong> dabei eine für beide Teile<br />

befriedigende Partnerschaft entstehen kann, müssen wirtschaftliche Aspekte beim<br />

IDL-Nachfrager und bspw. erkenntnistheoretische Aspekte beim IDL-Anbieter vereint<br />

werden.<br />

? Umgang <strong>mit</strong> fremdem Wissen<br />

Der Umgang <strong>mit</strong> fremdem Wissen und ist in vielen Unternehmungen <strong>mit</strong> Akzeptanz-<br />

problemen verbunden. „Not invented here“ kann daher für den IDL-Transfer eine<br />

große Barriere bilden. Dieses Problem kann nur durch eine entsprechende Gestal-<br />

tung der <strong>Innovation</strong>skultur des IDL-Nachfragers und durch Überzeugungsarbeit ge-<br />

löst werden. Ein Kulturwandel in einer Organisation gestaltet sich sehr zeitintensiv<br />

und kann wiederum nur durch Vorbildwirkung der Führungskräfte erreicht werden.<br />

? Motivation<br />

Der Stellenwert der eigenen Aufgaben und Wissensträger darf <strong>mit</strong> der IDL-<br />

Einbindung auf keinen Fall untergraben werden. Durch die Zusammenarbeit <strong>mit</strong><br />

professionellen IDL-Anbietern steigt aber unter Umständen der Leistungsdruck auf<br />

die Mitarbeiter. Das kann unterschiedliche Effekte hervorrufen. Im günstigen Fall<br />

kann dadurch die interne Leistungsfähigkeit gesteigert werden, indem versucht wird<br />

den Standard des IDL-Anbieters zu erreichen bzw. diesen sogar zu übertreffen. Im<br />

schlimmsten Fall kann dieser Umstand aber zu Frustration führen und da<strong>mit</strong> den IDL-<br />

Transfer negativ beeinflussen.<br />

Unternehmensübergreifendes Prozessmanagement<br />

Viele Vorteile der durch IDL ermöglichten unternehmensübergreifenden <strong>Innovation</strong>s-<br />

plattform wurden schon genannt. Unter dem Aspekt des Prozessmanagements ver-<br />

ursacht die IDL-Einbindung eine erhöhte Komplexität im <strong>Innovation</strong>sprozess. Diese<br />

Komplexität kann <strong>mit</strong> der Anzahl der einbezogenen IDL-Anbieter überproportional<br />

ansteigen. Anbieter und Nachfrager von IDL müssen daher eine gemeinsame Managementbasis<br />

für die Koordination des IDL-Transfers finden.


Wissensbasiertes Management von <strong>Innovation</strong>sdienstleistungen 175<br />

? Modularisierung<br />

Für die Auslagerung von innovationsrelevanten Aufgaben ist eine Modularisierung<br />

bzw. Zerlegung der Aufgabenstellung in Teilabschnitte notwendig. Dadurch entste-<br />

hen Übergabeschnittstellen, die genau definiert werden müssen, da<strong>mit</strong> die Zusam-<br />

menarbeit optimal gestaltet werden kann. Bei <strong>Innovation</strong>sproblemen kommt <strong>mit</strong> dazu,<br />

dass der Problemlösungsprozess kaum linear durchlaufen wird, sondern häufig<br />

Kurskorrekturen bzw. Wiederholungsschleifen in der Bearbeitung notwendig sind. Je<br />

nach Art der <strong>Innovation</strong>sdienstleistung wird daher trotz Modularisierung eine intensive<br />

Interaktion zwischen IDL-Anbieter und IDL-Nachfrager notwendig sein.<br />

In diesem Zusammenhang kann eine gemeinsame Plattform für den Datenaustausch<br />

von Vorteil sein. Im Extremfall kann dadurch globale Zusammenarbeit ohne Unter-<br />

brechung durch Nutzung der Zeitverschiebung realisiert werden. Die Kompetenz da-<br />

zu könnte wiederum Inhalt einer <strong>Innovation</strong>sdienstleistung sein. Je nach Art und In-<br />

tensität der IDL wird zu klären sein, ob Datenbestände beim IDL-Anbieter, beim IDL-<br />

Nachfrager oder bei beiden verwaltet werden.<br />

? Prozessverantwortung<br />

Sowohl bei IDL-Anbieter als auch bei IDL-Nachfrager sollte ein prozessverantwortli-<br />

cher Ansprechpartner für die Koordination eingesetzt werden. Da<strong>mit</strong> kann die Steue-<br />

rung bzw. das Controlling des IDL-Transfers gezielt und ohne viele Schnittstellen er-<br />

folgen. Regelmäßige Berichte und Präsentationen der Zwischenergebnisse unter-<br />

stützen den laufenden Wissenstransfer zwischen den Partnern. Dadurch können<br />

Abweichungen von der vereinbarten Leistungserstellung frühzeitig erkannt und korrigiert<br />

werden.<br />

Management der technischen Infrastruktur<br />

Wie schon zuvor angedeutet, erlauben Informations- und Kommunikationssysteme<br />

eine effiziente Zusammenarbeit zwischen IDL-Anbieter und IDL-Nachfrager. Wenn<br />

das Ergebnis der <strong>Innovation</strong>sdienstleistung (einer datenorientierten IDL) über die<br />

Datenebene transferierbar ist, kann da<strong>mit</strong> eine effiziente Zusammenarbeit über gro-<br />

ße räumliche Distanzen realisiert werden. Grundlage dafür ist eine Vernetzung der<br />

Partner auf Datenebene und eine hohe Kompetenz der Interaktionspartner im EDV-<br />

Bereich.<br />

In Abbildung 6-21 wird eine Lösung für die Zusammenarbeit zwischen IDL-Anbieter<br />

und dem IDL-Nachfrager auf Datenebene skizziert. In der EDV-Fachsprache wird<br />

eine derartige Lösung als selektive Erweiterung des Intranets einer Unternehmung<br />

verstanden und als „Extranet“ bezeichnet. Durch Verwendung von zentralen Daten-


Wissensbasiertes Management von <strong>Innovation</strong>sdienstleistungen 176<br />

banken <strong>mit</strong> entsprechenden Zugriffsregelungen kann die Aktualität der Daten jeder-<br />

zeit sichergestellt werden. Für die durchgängige Anwendbarkeit des Systems ist im<br />

Vorfeld die elektronische Erfassung aller relevanten Dokumente erforderlich. Auf<br />

weitere Anforderungen an ein „Extranet-Portal“ für den IDL-Datentransfer soll nachfolgend<br />

im Detail eingegangen werden.<br />

Scanning<br />

Station<br />

IDL-<br />

Anbieter<br />

Zentrale<br />

Datenbanken<br />

IDL-<br />

Anbieter<br />

Extranet-Portal<br />

IDL-<br />

Nachfrager<br />

IDL-<br />

Anbieter<br />

EDV-<br />

Adminstration<br />

Abbildung 6-21: Extranet-Portal für die Zusammenarbeit auf Datenebene<br />

? Kompatibilität<br />

Bei der Vernetzung heterogener EDV-Systeme treten aufgrund der hohen Komple-<br />

xität von Hard- und Software immer wieder Probleme und Überraschungseffekte auf.<br />

Daher sollte auch dieser „gemeinsame Kontext“ auf Datenebene schon vorzeitig ab-<br />

geklärt und getestet werden. Die Standards des Internets sollten bei der Vernetzung<br />

genutzt werden. Beispielsweise wird das TCP/IP-Protokoll zur Datenübertragung na-<br />

hezu auf jeder Art von EDV-System unterstützt. Da<strong>mit</strong> kann die Anbindung aller Beteiligten<br />

an eine gemeinsame EDV-Plattform bewerkstelligt werden.<br />

? Datenschutz<br />

In einem sensiblen Bereich wie dem betrieblichen <strong>Innovation</strong>smanagement ist auch<br />

ein Höchstmaß an Datenschutz gefordert. Speziell wenn Daten über Unterneh-<br />

mungsgrenzen hinweg über das Internet transferiert werden, ist Vorsicht geboten.<br />

Durch die quasi selbstorganisierte Vernetzung besteht auch für Dritte die Möglichkeit<br />

auf Daten zuzugreifen. Da<strong>mit</strong> das Risiko des Abhörens auf ein Minimum reduziert<br />

werden kann, sollte nur Software eingesetzt werden, die alle Möglichkeiten zeitge-


Wissensbasiertes Management von <strong>Innovation</strong>sdienstleistungen 177<br />

mäßer Datenverschlüsselung und einen selektiven Zugang <strong>mit</strong> Passwortschutz zur<br />

Verfügung stellt.<br />

Vor allem im Email-Verkehr ist ein großer sicherheitstechnischer Nachholbedarf er-<br />

kennbar. Die Versendung von Emails erfolgt derzeit in der Regel im Klartext, d.h. je-<br />

der Angreifer, der Zugang zu einem der vielen Vernetzungspunkte hat, kann diesen<br />

Text unbemerkt lesen. Da<strong>mit</strong> ist aus der Sicht des Datenschutzes der Email-Verkehr<br />

zur Zeit <strong>mit</strong> der Versendung einer Postkarte vergleichbar. Nachteilig wirkt sich Ver-<br />

schlüsselung im Online-Bereich durch den etwas umfangreicheren Datenstrom aus.<br />

Darunter können Antwortzeiten erhöht und da<strong>mit</strong> die Akzeptanz von IuK-Systemen<br />

verringert werden.<br />

Gute Möglichkeiten zum Datenschutz bieten private Datenstandleitungen, da diese<br />

ausschließlich vom Besitzer bzw. vom Mieter der Einrichtung genutzt werden. Die<br />

Kosten der Transaktion sind in diesem Fall wesentlich höher anzusetzen und hängen<br />

in der Regel vom max. möglichen Datendurchsatz ab.<br />

? Datensicherheit<br />

Im Zuge der Zusammenarbeit wird sowohl beim IDL-Anbieter als auch beim IDL-<br />

Nachfrager eine hohe Anzahl an Daten generiert, die eine Basis zur gegenseitigen<br />

Information bilden. Die Speicherung und Replikation von Daten bei IDL-Anbieter und<br />

IDL-Nachfrager muss in der Gestaltung der Beziehung <strong>mit</strong>berücksichtigt werden.<br />

Diese Aufgabe sollte vorrangig durch die EDV-Administration wahrgenommen werden.<br />

? Datenintegrität<br />

Zur Abbildung der aktuellen Situation im Transferprozess kann über die Datenebene<br />

und die Prozesse Dokumentation und Information ein Kontext-Abgleich auf Wissen-<br />

sebene durchgeführt werden. Die Aktualität bzw. Gültigkeit der Daten kann durch<br />

laufende Synchronisierung von dezentralen Datenbeständen oder besser durch eine<br />

zentral organisierte EDV-Plattform sichergestellt werden (vgl. Abbildung 6-21).<br />

? Zweckmäßigkeit<br />

IuK-Systeme gehören heute zur Standard-Ausstattung vieler Unternehmungen. Bei<br />

der Anschaffung solcher Systeme werden von deren Erfindung an bis heute immer<br />

wieder gravierende Fehler gemacht. Am meisten fällt auf, dass die Anforderungen an<br />

die Software oftmals erst nach deren Anschaffung definiert wird. Nach dem Motto:<br />

Hier ist die Lösung, jetzt brauchen wir nur noch das Problem zu definieren, werden<br />

Benutzer oft vor vollendete Tatsachen gestellt. In diesem Fall sind auch die Voraus-<br />

setzungen für den Einsatz denkbar schlecht. Die Akzeptanz muss nachträglich her-


Wissensbasiertes Management von <strong>Innovation</strong>sdienstleistungen 178<br />

gestellt werden und Möglichkeiten zur Adaptierung sind in diesem Stadium nur mehr<br />

beschränkt gegeben.<br />

Der Einsatz von IuK-Systemen beim IDL-Transfer ist vorerst einmal von der IDL-<br />

Kategorie abhängig. IuK-Systeme sind die Voraussetzung für den effizienten Trans-<br />

fer von datenorientierter IDL. Der Transfer wissens- und handlungsorientierter IDL<br />

kann durch solche Systeme bestenfalls unterstützt werden. Deren alleiniger Einsatz<br />

reicht aber in keinem Fall. Neuerdings werden IuK-Systeme bzw. EDV-Systeme auch<br />

unter der Bezeichnung <strong>Wissensmanagement</strong>system, Wissensdatenbanken, etc. an-<br />

geboten. Der Wortteil „...datenbanken“ in dieser Bezeichnung spricht für sich, daher<br />

soll auf weitere Ausführungen an dieser Stelle verzichtet werden.<br />

? Benutzerschnittstelle<br />

Im Bereich der Benutzerschnittstelle können bei IuK-Systemen noch enorme Innova-<br />

tionspotenziale geortet werden. Bis heute ist eine vollständige A4-Seite auf gängigen<br />

Bildschirmgrößen nur eingeschränkt darstellbar. Da<strong>mit</strong> ist auch der Weg zum pa-<br />

pierlosen Büro noch ein weiter und die Akzeptanz von elektronischen Büchern kaum<br />

gegeben.<br />

Zur temporären Einbindung von IDL-Anbietern in die unternehmensinterne Daten-<br />

verarbeitung sollte eine Schnittstelle geschaffen werden, die <strong>mit</strong> einem herkömmli-<br />

chen Internet-Browser zugänglich ist. Da<strong>mit</strong> kann der IDL-Anbieter ohne zusätzliche<br />

Software-Installationsarbeiten in das Datennetz eingebunden werden.<br />

Zeitliche Dimension des IDL-Transfers<br />

? Suchzeit<br />

Wenn man nicht auf bestehende Kontakte zurückgreifen kann, muss für die Suche<br />

nach möglichen IDL-Anbietern Zeit einberechnet werden. Ein kompetenter IDL-<br />

Broker kann diese Zeitspanne entsprechend verkürzen. In der Praxis ist die Suche<br />

und Identifikation von geeigneten IDL-Anbietern oft eine große Hürde. Vor allem in<br />

Bereichen, die komplementär zu den unternehmensinternen Wissensgebieten und<br />

Kompetenzen liegen, ist der Bedarf an Unterstützung groß.<br />

? Vorlaufzeit für Kontextaufbau<br />

Bevor der IDL-Transfer beginnen kann, muss ausreichend Zeit für den Kontextauf-<br />

bau eingeplant werden. Daher sollte ausreichend Zeit für Erstkontakt, für ein gegen-<br />

seitiges Kennenlernen und für den Aufbau einer Vertrauensbasis zur Verfügung ste-<br />

hen. Da diese Vertrauensbasis und auch der konsensuelle Bereich der Partner <strong>mit</strong><br />

jedem weiteren Kontakt im Idealfall vergrößert wird, reduziert sich auch die Vorlaufzeit<br />

entsprechend.


Wissensbasiertes Management von <strong>Innovation</strong>sdienstleistungen 179<br />

? Dauer der Kooperation<br />

Die Dauer der Kooperation hängt von der Art der <strong>Innovation</strong>sdienstleistung, vom Lei-<br />

stungsumfang und von der Projektdauer ab. Aus den bisherigen Ausführungen kann<br />

abgeleitet werden, dass die Einbindung eines IDL-Anbieters der Beginn einer auf<br />

Langfristigkeit ausgelegten Partnerschaft sein sollte. Dadurch kann der Punkt: „Auf-<br />

bau von Kontextwissen“ auf ein Minimum reduziert werden, da der IDL-Anbieter die<br />

„<strong>Innovation</strong>s-Vorgeschichte“ des IDL-Nachfragers bereits kennt. Umgekehrt ist auch<br />

der IDL-Nachfrager <strong>mit</strong> der Vorgangsweise des IDL-Anbieters bereits vertraut. Dadurch<br />

kann sich der Nachfrager besser auf den Leistungstransfer einstellen.


Wissensbasiertes Management von <strong>Innovation</strong>sdienstleistungen 180<br />

6.4 Fallbeispiel – IDL in Produkt- und Prozessinnovation<br />

In diesem Abschnitt werden anhand eines Fallbeispiels die Möglichkeiten der Einbin-<br />

dung von <strong>Innovation</strong>sdienstleistungen aufgezeigt. Dazu wird aus einem Projekt im<br />

<strong>Innovation</strong>sbereich berichtet, bei dem die Abteilung für Industriebetriebslehre und<br />

<strong>Innovation</strong>sforschung der Technischen Universität Graz (Wohinz, J.W.; u.a.) 211 als<br />

IDL-Anbieter tätig war.<br />

Wie schon in Kapitel 5 anhand der Kategorisierung nach Wissensgebieten erläutert<br />

wurde, sind die Möglichkeiten <strong>Innovation</strong>sdienstleistungen einzubeziehen sehr viel-<br />

fältig. Die Kategorien Technologie, Markt, Recht, Finanzierung, <strong>Innovation</strong>smanage-<br />

ment und Broker und die da<strong>mit</strong> abdeckbaren Kompetenzen und Wissensgebiete<br />

können einen Produktinnovationsprozess von der Ideengenerierung bis zur Ideen-<br />

realisierung und darüber hinaus bis zu Ideenvermarktung begleiten. In Abbildung<br />

6-22 sind ausgewählte <strong>Innovation</strong>sdienstleistungen den Phasen eines <strong>Innovation</strong>sprozesses<br />

beispielhaft zugeordnet.<br />

Patentrecherchen<br />

Marktforschung<br />

Beratung, Coaching, Methoden<br />

Ideengenerierung<br />

Finanzierung<br />

Design<br />

Marktkommunikation PR<br />

Ideenschutz<br />

Ideenakzeptierung<br />

F & E<br />

Prüfung<br />

Prototyp<br />

Werbung<br />

Ideenrealisierung<br />

Ausstellungen<br />

Ideenvermarktung<br />

Abbildung 6-22: <strong>Innovation</strong>sdienstleistungen im Produktinnovationsprozess<br />

Grundsätzlich können einerseits <strong>Innovation</strong>sdienstleistungen unterschieden werden<br />

die über den gesamten <strong>Innovation</strong>sprozess hinweg Relevanz haben, wie bspw. Inno-<br />

vations-Coaching oder Beratungsleistungen, andererseits gibt es spezifische Innova-<br />

¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯<br />

211 Vgl. Wohinz, J.W.; u.a.: Abgrenzung von Produktsuchfeldern und Entwicklung von Produktideen im<br />

Rahmen eines wissensbasierten <strong>Innovation</strong>sprozesses, Abschlußbericht, Technische Universität<br />

Graz 2000


Wissensbasiertes Management von <strong>Innovation</strong>sdienstleistungen 181<br />

tionsdienstleistungen, die nur in einer bestimmten Phase von Bedeutung sind, wie<br />

z.B. der Ideenschutz oder der Prototypenbau.<br />

Bezieht man in den Bezugsrahmen zur Gestaltung von <strong>Innovation</strong>sprozessen<br />

(Abbildung 6-10) den Kunden als Abnehmer von <strong>Innovation</strong>en ein, ergibt sich folgen-<br />

des Bild (vgl. Abbildung 6-23): In jeder Unternehmung existiert eine bestehende Pa-<br />

lette an Kernprodukten und Kerndienstleistungen, <strong>mit</strong> der die Unternehmung in der<br />

Lage ist Kundenwünsche zu befriedigen. Bei der Lösungserstellung kann auf diesen<br />

Pool an Produkten und Dienstleistungen zurückgegriffen werden. Da<strong>mit</strong> kann eine<br />

Lösung erstellt werden, die in der Anwendung beim Kunden Zufriedenheit hervorruft.<br />

Prognose<br />

IM<br />

Aufbau<br />

Patentrecherchen<br />

Marktforschung<br />

Ideengenerierung<br />

Finanzierung<br />

<strong>Innovation</strong>sprogramm<br />

Kundenbedürfnis<br />

Beratung, Coaching, Methoden<br />

Projektauftrag<br />

Design<br />

Problemverständnis<br />

Marktkommunikation PR<br />

Ideenschutz<br />

Ideenakzeptierung<br />

F & E<br />

Prüfung<br />

Prototyp<br />

Pool verfügbarer<br />

Kernprodukte und<br />

Kerndienstleistungen<br />

im Unternehmen<br />

Lösungserstellung<br />

Werbung<br />

Ideenrealisierung<br />

Problemlösung<br />

Ausstellungen<br />

Ideenvermarktung<br />

Anwendung<br />

durch Kunden<br />

Abbildung 6-23: <strong>Innovation</strong>sdienstleistungen und Kundenzufriedenheit<br />

Kundenzufriedenheit<br />

Weiters resultiert aus dem <strong>Innovation</strong>sstrategieprozess ein <strong>Innovation</strong>sprogramm,<br />

das in regelmäßigen Abständen an die prognostizierten Anforderungen des Umfel-<br />

des bzw. an zukünftige Kundenwünsche angepasst wird. Die Bearbeitung dieses<br />

<strong>Innovation</strong>sprogramms erfolgt durch <strong>Innovation</strong>sprojekte, die wiederum den Pool an<br />

Produkten und Dienstleistungen ergänzen bzw. erneuern. Da<strong>mit</strong> schließt sich ein


Wissensbasiertes Management von <strong>Innovation</strong>sdienstleistungen 182<br />

Kreislauf, der zunehmend schneller durchlaufen werden muss, um den Anforderungen<br />

der Kunden gerecht werden zu können.<br />

Nachfolgend soll der IDL-Transfer in einem <strong>Innovation</strong>sprozess beispielhaft erläutert<br />

werden. Der Kooperationspartner bzw. IDL-Nachfrager ist dem Bereich der Kunststoffindustrie<br />

zuzuordnen.<br />

6.4.1 Ausgangssituation<br />

Die Tradition des Kooperationspartners reicht mehr als 50 Jahre zurück. Der solide<br />

Kunststoffverarbeitungsbetrieb von einst wandelte sich im Laufe der Jahre zu einer<br />

international anerkannten High-Tech-Unternehmung. Die Firma ist im Bereich der<br />

Entwicklung, Herstellung und des Vertriebs von Präzisionskunststoffprodukten tätig.<br />

Ihre Tätigkeit erstreckt sich auf die Geschäftsbereiche Automotive&Electronic und<br />

Home&Garden, wobei das Produktprogramm Präzisionsteile für die Unterhaltungse-<br />

lektronik und die Automobilindustrie, sowie Standardteile für Haushalts- und Gartenprodukte<br />

umfasst.<br />

Unternehmensstrategie<br />

Die Unternehmensstrategie der Gesellschaft ist einerseits sehr stark auf die Siche-<br />

rung und den weiteren Ausbau der Marktposition als innovativer Anbieter von High-<br />

Tech-Kunststoffprodukten ausgelegt. Bis im Jahre 2003 soll der Umsatz des Vorjah-<br />

res nicht nur verdoppelt werden, sondern auch der Bereich Automotive&Electronic<br />

auf rund 2/3 Umsatzanteil ausgebaut werden.<br />

Die Produktions-, Forschungs- und Entwicklungskapazitäten sollen in den Technolo-<br />

giebereichen verstärkt werden. Mittelfristig ist neben den existierenden Technologie-<br />

bereichen der Aufbau eines neuen Technologiebereichs geplant. Das bereits beste-<br />

hende Wissen im Präzisionsformenbau und Präzisionsspritzguss soll konsequent<br />

ausgebaut werden und dadurch die Marktführerschaft in Europa gewonnen werden.<br />

Durch Intensivierung der Forschungskooperationen <strong>mit</strong> Industrie und Universitäten<br />

sowie dem Aufbau einer Forschungs- und Entwicklungsabteilung im Haus will man<br />

auch in diesem Bereich entscheidende Akzente setzen, um stets auf dem neuesten<br />

Stand der Technologien zu bleiben (Ems, R.H.). 212<br />

¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯<br />

212 Vgl. Ems, R.H.: Wissensbasiertes <strong>Innovation</strong>sprozess-Management als Basis für erfolgreiche Produktinnovationen,<br />

Diplomarbeit Technische Universität Graz 2000


Wissensbasiertes Management von <strong>Innovation</strong>sdienstleistungen 183<br />

Aufgabenstellung<br />

Neben der auftragsbezogenen kundenorientierten Entwicklung und Produktion sollen<br />

in Zukunft vermehrt eigene Produktideen generiert und in der Form von Eigenpro-<br />

dukten vermarktet werden. Für die Unterstützung bei dieser strategischen Neuorien-<br />

tierung und für die Generierung von ersten Produktideen wurde die Abteilung für In-<br />

dustriebetriebslehre und <strong>Innovation</strong>sforschung der Technischen Universität Graz<br />

(IBL/TU-Graz) als IDL-Anbieter ausgewählt.<br />

Die Auswahl dieses IDL-Anbieters stützte sich auf einen bereits bestehenden Kon-<br />

takt <strong>mit</strong> der IBL/TU-Graz. Im Erstkontakt wurde die Aufgabenstellung umfassend diskutiert<br />

und durch folgende Fragestellungen konkretisiert:<br />

? In welcher Form müssen <strong>Innovation</strong>sstrategie und <strong>Innovation</strong>sprozess adaptiert<br />

werden?<br />

? Welche Produkt-Suchfelder können für die Unternehmung als besonders erfolgs-<br />

wahrscheinlich aufgezeigt werden?<br />

? Welche konkreten Produkt-Ideen können innerhalb dieser abgegrenzten Produkt-<br />

Suchfelder abgeleitet werden?<br />

Leistungsumfang und Projektphasen<br />

Die Abteilung für Industriebetriebslehre und <strong>Innovation</strong>sforschung konnte auf Erfah-<br />

rungen aus Referenzprojekten aufbauen und erstellte ein Anbot, das folgende Projektstruktur<br />

und Leistungen umfasste:<br />

Phase 1: Konzeptdesign, Durchführung einer Unternehmens- und Umfeldanalyse<br />

Phase 2: Abgrenzung und Bewertung von Produkt-Suchfeldern<br />

Phase 3: Ableitung und Bewertung von Produkt-Ideen<br />

Phase 4: Empfehlungen für die Realisierung<br />

6.4.2 Gestaltung des IDL-Transfers<br />

Bei diesem Projekt wurde eine handlungsorientierte <strong>Innovation</strong>sdienstleitung in der<br />

Phase der Ideengenerierung eingesetzt. Dementsprechend wurde der IDL-Transfer<br />

anhand der Empfehlungen in Kapitel 5 für den Transfer von handlungsorientierten<br />

<strong>Innovation</strong>sdienstleistungen gestaltet. Die einzelnen Gestaltungsmaßnahmen werden<br />

in der Reihenfolge der in Abschnitt 6.3 vorgestellten Kriterien besprochen:


Wissensbasiertes Management von <strong>Innovation</strong>sdienstleistungen 184<br />

? Gestaltung der menschlichen Beziehung<br />

Anhand von Vorgesprächen wurde ein gemeinsames Kontextwissen zur Problem-<br />

stellung aufgebaut. Zusätzlich wurde in der ersten Phase des Projektes ein Projekt-<br />

<strong>mit</strong>glied des Projektteams der IBL/TU-Graz zum Kooperationspartner entsendet. Dadurch<br />

konnte zusätzliches Kontextwissen und Vertrauen aufgebaut werden.<br />

? Unternehmensübergreifendes Prozessmanagement<br />

In Abstimmung zwischen dem IDL-Nachfrager und der IBL/TU-Graz wurde eine Pro-<br />

jektorganisation und eine Projektsteuergruppe <strong>mit</strong> Mitgliedern beider Organisationen<br />

beschickt. Die Unternehmensanalyse führte ein Mitglied des Projektteams der<br />

IBL/TU-Graz in der Unternehmung vor Ort durch.<br />

Das Projekt wurde in Phasen gegliedert, die durch definierte Meilensteine einge-<br />

grenzt wurden. Nach Abschluss einzelner Phasen wurden anhand von Ergebnisprä-<br />

sentationen der Projektfortschritt gemeinsam <strong>mit</strong> der Projektsteuergruppe diskutiert<br />

und eine entsprechende Ausrichtung der weiteren Aktivitäten vorgenommen.<br />

Durch die handlungsorientierte <strong>Innovation</strong>sdienstleistung bedingt, konnte der Groß-<br />

teil des Prozessmanagements und alle dafür notwendigen Abstimmungen über Telekommunikation<br />

bzw. über den Transfer von Daten abgewickelt werden.<br />

? Management der technischen Infrastruktur<br />

Die eher geringe Frequenz des Datenaustausches konnte <strong>mit</strong>tels Email zufrieden-<br />

stellend bewerkstelligt werden. Weiters wurden zwischendurch Abstimmungsgespräche<br />

per Telefon durchgeführt.<br />

? Zeitliche Dimension der Gestaltung<br />

Die Projektdauer wurde <strong>mit</strong> 6 Monaten festgelegt, der Zeitrahmen wurde akribisch<br />

eingehalten. Die Projektvorlaufzeit für einen notwendigen Kontextaufbau konnte auf-<br />

grund bereits bestehender Kontakte zwischen den Organisationen auf ein Minimum<br />

eingeschränkt werden.<br />

6.4.3 Ergebnisse des IDL-Transfers<br />

Die Ergebnisse der <strong>Innovation</strong>sdienstleistung wurden in einem Abschlussbericht zusammengefasst.<br />

Dabei wurden folgende Schwerpunkte bearbeitet:<br />

? <strong>Innovation</strong>sstrategie und <strong>Innovation</strong>sprozess<br />

? Ressourcen und Kernkompetenzen<br />

? Produktsuchfelder und Produktideen<br />

? Empfehlungen für die Phasen der Ideenakzeptierung und -realisierung


Wissensbasiertes Management von <strong>Innovation</strong>sdienstleistungen 185<br />

<strong>Innovation</strong>sprozess und <strong>Innovation</strong>sstrategie<br />

Der Kooperationspartner konzentriert sich sehr stark auf das Kerngeschäft der kun-<br />

denorientierten Auftragsabwicklung. Die <strong>Innovation</strong>sideen kommen daher in den<br />

meisten Fällen von den Kunden. Diese Ideen werden <strong>mit</strong> internen Kapazitäten und<br />

externen Partnern zur kundenorientierten Lösung weiterentwickelt. Die Produktion<br />

der Werkzeuge und der Endprodukte erfolgt in der Unternehmung. Die bisherige Zu-<br />

sammenarbeit <strong>mit</strong> externen Entwicklungspartnern funktioniert sehr gut und wird daher<br />

weiter beibehalten, bzw. bei Bedarf intensiviert.<br />

Für die Entwicklung von Produkten aus eigenen Ideen wird eine Neuausrichtung der<br />

<strong>Innovation</strong>sstrategie vorgeschlagen (vgl. Abbildung 6-24).<br />

Eigene<br />

Produktideen<br />

INNOVATIONSSTRATEGIE<br />

Unternehmung als<br />

Produkt-Innovator<br />

(Eigenprodukte)<br />

Produktinnovation<br />

Absatz an den<br />

Endverbraucher<br />

Unternehmung als<br />

Problemlöser<br />

(Systemlieferant)<br />

Prozessinnovation<br />

Beitrag zu Entwicklungen<br />

des Kunden<br />

Abbildung 6-24: <strong>Innovation</strong>sstrategie der Unternehmung<br />

Produktidee<br />

vom Kunden<br />

Diese Differenzierung sieht die Weiterführung der bisherigen Aktivitäten der Unter-<br />

nehmung in der auftragsbezogenen Entwicklung und Fertigung (Prozessinnovation)<br />

vor. Zusätzlich soll der Bereich Produktinnovation definiert und ausgebaut werden.<br />

Da<strong>mit</strong> können bestehende Kunden und Märkte besser versorgt werden, zusätzlich<br />

können neue Kunden und Märkte gewonnen werden. Weiters können Synergiepo-<br />

tenziale in der Produktentwicklung genutzt werden. Für die Phase der Ideengenerie-<br />

rung wird eine entsprechende Neukonzeption des <strong>Innovation</strong>sprozesses vorgeschlagen.


Wissensbasiertes Management von <strong>Innovation</strong>sdienstleistungen 186<br />

Ressourcen und Kernkompetenzen<br />

Seitens des IDL-Anbieters IBL/TU-Graz wurde die Ressourcen- und Kompetenzstär-<br />

ke der Unternehmung untersucht. Der Kooperationspartner verfügt über eine starke<br />

Eigenkapitalausstattung. Dementsprechend sind auch finanzielle Mittel für Innovati-<br />

onsaktivitäten ausreichend vorhanden. In den vergangen Jahren wurden über Unter-<br />

nehmenszukäufe neue Fertigungstechnologien in die Unternehmung eingebracht.<br />

Durch jahrelange Erfahrung in der Kunststofftechnik wurden umfangreiche Wissensgebiete<br />

zur Entwicklung und Produktion von Kunststoffteilen aufgebaut.<br />

Die Kernkompetenzen der Unternehmung sind derzeit vor allem in der Prozessinno-<br />

vation zu finden. Produktideen, die vom Kunden kommen, werden entgegengenom-<br />

men, intern bzw. <strong>mit</strong> Entwicklungspartnern zur Serienreife weiterentwickelt und in der<br />

eigenen Produktion umgesetzt, bzw. gefertigt. Der Kunde bekommt das fertige Produkt<br />

bzw. Produkt-Komponenten geliefert.<br />

Der Zugriff auf externe Ressourcen ist ein fixer Bestandteil des Kompetenzaufbaus<br />

des Kooperationspartners. Es wurde empfohlen diese Strategie beizubehalten, aber<br />

zusätzlich auch interne Ressourcen gezielt aufzubauen, um die bestehenden Kernkompetenzen<br />

im Werkzeugbau sichern und ausbauen zu können.<br />

Folgende Kernkompetenzen konnten identifiziert werden:<br />

? Auftragsbezogene Ideenrealisierung bei Kunststoffteilen<br />

? Entwicklung von Werkzeugen für die Serienfertigung von Kunststoffteilen<br />

? Hohe Flexibilität und Umsetzungskompetenz<br />

? Professionelles Ressourcen- und Kompetenzmanagement<br />

Produktsuchfelder und Produktideen<br />

Neben der Ressourcen- und Kernkompetenzausstattung wurden umfangreiche Ana-<br />

lysen über Umfeldentwicklungen im Kunststoffbereich durchgeführt. Anhand von vor-<br />

liegenden Delphistudien und Prognoseergebnissen, bzw. ergänzenden Internetrecherchen<br />

konnten Produktsuchfelder für Zukunftsprodukte abgeleitet werden.<br />

In mehreren Kreativitätsworkshops an der IBL/TU-Graz wurden in den einzelnen<br />

Suchfeldern Produktideen entwickelt. Diese Produktideen wurden einer systemati-<br />

schen Bewertung zugeführt. Dabei wurde auf die <strong>Innovation</strong>sstrategie und auf die<br />

Ressourcen- und Kompetenzausstattung aufgebaut. In Abbildung 6-25 ist der Bewertungsraster<br />

zur Bewertung der Produktideen dargestellt.


Wissensbasiertes Management von <strong>Innovation</strong>sdienstleistungen 187<br />

� Markt<br />

Prognostizierter Absatz, Konjunkturanfälligkeit, Stabilität des Marktes,<br />

Wettbewerbssituation, Konkurrenz, Marktentwicklung, Preisgestaltung<br />

� Technologie<br />

Technologisches Wissen, technologische Entwicklungskosten, Möglichkeiten zum Zukauf,<br />

Technologielebenszyklus, Vorsprung der Konkurrenz<br />

� Produktentwicklung<br />

Ähnlichkeit <strong>mit</strong> bestehenden Produkten, Kapazität im Werkzeugbau, Wissen im<br />

Werkzeugbau, Entwicklungszeit<br />

� Produktion<br />

Auslastungsmöglichkeit, Aufbau auf bestehende Infrastruktur, Investitionen für<br />

Betriebs<strong>mit</strong>tel, Produktionsbeginn, Umstellungsschwierigkeiten, Materialbeschaffung<br />

� Vertrieb<br />

Absatz-/Vertriebsorganisation, saisonale Schwankungen, Markteinführung,·<br />

Marketingaktivitäten<br />

� Side Facts<br />

Image des Produktes, Substitutionsgefahr, Sondervorschriften<br />

Abbildung 6-25: Bewertungskriterien zur Bewertung von Produktideen<br />

Empfehlungen für die Phasen der Ideenakzeptierung und -realisierung<br />

Der IDL-Transfer wurde <strong>mit</strong> der Präsentation der Ergebnisse beim Kooperationspart-<br />

ner abgeschlossen. Zusätzlich wurden die Ergebnisse der <strong>Innovation</strong>sdienstleistung<br />

in einem Abschlussbericht (Wohinz, J.W.; u.a.) 213 zusammengefasst. Innerhalb des<br />

<strong>Innovation</strong>sprozesses wurde die Phase der Ideengenerierung <strong>mit</strong> der Vorstellung<br />

ausgewählter Produktideen seitens der IBL/TU-Graz abgeschlossen.<br />

Außerdem wurden seitens der IBL/TU-Graz Empfehlungen für die weiteren Phasen<br />

des <strong>Innovation</strong>sprojektes eingebracht (vgl. Abbildung 6-26). Es wurde vorgeschlagen<br />

ausgewählte Produktideen im Rahmen einer Machbarkeitsstudie (Feasibility Report)<br />

auf Umsetzbarkeit und Wirtschaftlichkeit zu prüfen. Dazu könnten weitere Methoden<br />

eingesetzt werden, wie bspw. die Funktionsanalyse oder Quality Function Deployment.<br />

Die Erstellung eines Pflichtenheftes sollte den nötigen Rahmen für eine Orientie-<br />

rungskalkulation und einen Business Plan geben. Danach sollten Marketingkonzeption<br />

und Projektorganisation definiert werden.<br />

¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯<br />

213 Vgl. Wohinz, J.W.; u.a.: Abgrenzung von Produktsuchfeldern und Entwicklung von Produktideen im<br />

Rahmen eines wissensbasierten <strong>Innovation</strong>sprozesses, Abschlußbericht, Technische Universität<br />

Graz 2000


Wissensbasiertes Management von <strong>Innovation</strong>sdienstleistungen 188<br />

Kundenwünsche<br />

Unternehmens-<br />

Strategie<br />

Auswahl<br />

Produktidee<br />

Funktionsanalyse<br />

QFD<br />

Produkt- -<strong>Innovation</strong><br />

Pflichtenheft<br />

Freigabe<br />

Feasibility<br />

Report<br />

Orientierungskalkulation<br />

Geschäftsplan<br />

Kundenzufriedenheit<br />

Markteinführung<br />

Projektorganisation<br />

Marketingkonzept<br />

Abbildung 6-26: Detailplanung der Ideenakzeptierung und -realisierung<br />

Die Ergebnisse der erbrachten <strong>Innovation</strong>sdienstleistung bildeten die Basis für die<br />

Neugestaltung des <strong>Innovation</strong>sprozesses und für weitere <strong>Innovation</strong>saktivitäten des<br />

Kooperationspartners.<br />

Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass die Zusammenarbeit sowohl für<br />

den Kooperationspartner als auch für die Abteilung für Industriebetriebslehre und<br />

<strong>Innovation</strong>sforschung der Technischen Universität Graz als äußerst erfolgreich be-<br />

zeichnet werden kann. Die notwendige „Win-Win-Situation“ war von Anfang an deut-<br />

lich und konnte bis zum Abschluss des IDL-Transfers aufrecht erhalten werden. Für<br />

die IBL/TU-Graz konnten neue Erkenntnisse in der Gestaltung von <strong>Innovation</strong>spro-<br />

zessen gewonnen werden und für den Kooperationspartner wurden fundierte Vorschläge<br />

für die Gestaltung ihrer <strong>Innovation</strong>saktivitäten erarbeitet.


Wissensbasiertes Management von <strong>Innovation</strong>sdienstleistungen 189<br />

6.5 Zusammenfassung<br />

Die Grundlage für den wirtschaftlichen Einsatz knapper Ressourcen bildet die strate-<br />

gische Unternehmensführung. In diesem Kapitel wird daher versucht den Ansatz der<br />

<strong>Innovation</strong>sdienstleistung in das strategische <strong>Innovation</strong>smanagement einzuordnen.<br />

Grundsätzlich können zwei unterschiedliche Ansätze der strategischen Planung<br />

identifiziert werden: die marktorientierte und die ressourcenorientierte Strategie.<br />

Während die marktorientierte Strategie hauptsächlich auf die Erschließung von<br />

Marktanteilen ausgerichtet ist, wird im ressourcenorientierten Strategieansatz die<br />

Entwicklung einzigartiger Kompetenzen zur Gestaltung zukünftiger Märkte angestrebt.<br />

Betrachtet man eine Unternehmung als wertsteigerndes Ressourcen-Umwandlungs-<br />

system, so kommt dem Management von Ressourcen eine hohe Bedeutung zu. Ein-<br />

zigartige Ressourcen haben das Potenzial Kernkompetenzen zu begründen. Als<br />

wichtigste Ressource kann in diesem Zusammenhang die Ressource Wissen ge-<br />

nannt werden. Da<strong>mit</strong> kann der in Kapitel 5 vorgestellte Ansatz der <strong>Innovation</strong>sdienstleistung<br />

der ressourcenorientierten <strong>Innovation</strong>sstrategie zugeordnet werden.<br />

Der bedarfsorientierten Einbindung von <strong>Innovation</strong>sdienstleistungen sollte eine stra-<br />

tegische Entscheidung über das Insourcing- oder Outsourcing von Ressourcen bzw.<br />

Kompetenzen vorausgehen. Die Grundlage dafür bilden Übersichten über unterneh-<br />

mensinterne Potenziale. Dazu werden Instrumente zur Analyse und zur Visualisie-<br />

rung der Ressource Wissen bzw. zur Er<strong>mit</strong>tlung der relativen Kompetenzstärke vor-<br />

gestellt. Die da<strong>mit</strong> gewonnenen Analyseergebnisse können als Grundlage aller weiteren<br />

Aktivitäten im <strong>Innovation</strong>smanagement verstanden werden.<br />

Bei der Realisierung von <strong>Innovation</strong>sprojekten sind vielfältige Möglichkeiten zur Ein-<br />

beziehung externer Leistungspotenziale gegeben. Die Schwierigkeit liegt oft darin<br />

geeignete IDL-Anbieter zu finden. Dazu wird an dieser Stelle ein Ablauf vorgestellt,<br />

der den Weg von der Bedarfsentstehung bis zum IDL-Transfer beschreibt.<br />

Die Einbeziehung von <strong>Innovation</strong>sdienstleistungen erhöht nicht nur das innovations-<br />

relevante Ressourcenspektrum, sondern erhöht auch die Komplexität des Innovati-<br />

onsprozesses. Der besonderen Bedeutung des Managements eines <strong>Innovation</strong>s-<br />

dienstleistungstransfers wird anhand der differenzierten Betrachtung der Gestal-<br />

tungsmaßnahmen für die Kategorien Menschen, Prozesse, Technik und Zeit Rechnung<br />

getragen.


Wissensbasiertes Management von <strong>Innovation</strong>sdienstleistungen 190<br />

Für den Bereich der Produkt- und Prozessinnovation werden mögliche <strong>Innovation</strong>s-<br />

dienstleistungen den einzelnen Phasen eines <strong>Innovation</strong>sprozesses beispielhaft zu-<br />

geordnet und die Rolle von <strong>Innovation</strong>sdienstleistungen zur Erfüllung von Kunden-<br />

wünschen angedeutet. Weiters wird ein Beispiel aus der Praxis vorgestellt, bei dem<br />

in einer Unternehmung die Phase der Ideengenerierung in einem <strong>Innovation</strong>sprozess<br />

durch eine handlungsorientierte <strong>Innovation</strong>sdienstleistung unterstützt wurde.<br />

Die Stärkung der <strong>Innovation</strong>sfähigkeit von Unternehmungen kann auf unterschiedli-<br />

che Art und Weise in Angriff genommen werden. Vielfach sind heute Aktivitäten zu<br />

verfolgen, bei denen Unternehmungen aus diesem Grund vollständig übernommen<br />

werden. Im Unterschied zur Unternehmungs-Akquisition, bei der nicht nur Wissen<br />

und Kompetenzen eingekauft werden, sondern auch ev. Mängel und Schwächen,<br />

erweist sich der IDL-Ansatz als flexiblere und auch effizientere Lösung. Durch ge-<br />

zielte Anbieter-Auswahl und durch die Pflege von langfristigen Beziehungen kann<br />

dadurch eine dynamische, flexible <strong>Innovation</strong>splattform aufgebaut werden.


Ausblick 191<br />

7 Ausblick<br />

Der in dieser Arbeit vorgestellte Ansatz der <strong>Innovation</strong>sdienstleistung kann als eine<br />

wichtige Möglichkeit zur Bewältigung der unternehmerischen Herausforderungen des<br />

betrieblichen <strong>Innovation</strong>smanagements verstanden werden. Die Konzentration auf<br />

die eigenen Kernkompetenzen, gepaart <strong>mit</strong> der Einbeziehung externer Spezialisten<br />

in ausgewählten Wissensgebieten, ermöglicht eine Flexibilität in der Ressourcen-<br />

kombination, die heute für <strong>Innovation</strong>saktivitäten dringend notwendig erscheint.<br />

Durch das Bewusstwerden über eigene Kompetenzen und selektives In- bzw.<br />

Outsourcing kann die <strong>Innovation</strong>sfähigkeit einer Unternehmung gezielt gesteigert<br />

werden (vgl. Abbildung 7-1).<br />

Selektives Outsourcing durch<br />

Einbeziehen von<br />

<strong>Innovation</strong>sdienstleistungen<br />

Ressourcenorientierte<br />

<strong>Innovation</strong>sstrategie<br />

Er<strong>mit</strong>tlung des eigenen<br />

<strong>Innovation</strong>spotenzials<br />

<strong>Innovation</strong>spotenzial<br />

sichern und weiterentwickeln<br />

Abbildung 7-1: Aspekte einer ressourcenorientierten <strong>Innovation</strong>sstrategie<br />

Wissen bildet neben einer starken Kapitalausstattung die wichtigste Ressource für<br />

<strong>Innovation</strong>saktivitäten. Wissen hat zwar den Vorteil, dass es bei der Verwendung<br />

nicht „verbraucht“, sondern eher vermehrt wird, der Transfer von Wissen über Unter-<br />

nehmensgrenzen hinweg, erweist sich allerdings als äußerst komplexe Manage-<br />

mentaufgabe. Das Management von Wissen erfordert vor allem eine fundierte Aus-<br />

einandersetzung <strong>mit</strong> unterschiedlichsten Wissensgebieten und ein Umdenken im


Ausblick 192<br />

Management. Für die Einführung von <strong>Wissensmanagement</strong> in Unternehmungen sind<br />

noch viele Fragen zu beantworten, Patentrezepte oder Erfahrungen sind kaum vorhanden.<br />

Die Veränderungen der Wettbewerbsbedingungen erfordern von Unternehmungen<br />

zunehmend Flexibilität und <strong>Innovation</strong>sfähigkeit anstatt Produktivitätssteigerung. Fle-<br />

xiblere Organisationsformen haben das Potenzial, diesen Anforderungen der Zukunft<br />

Rechnung zu tragen. Da<strong>mit</strong> verliert das Denken in Hierarchien und Funktionen an<br />

Bedeutung und wird durch das Denken in Wertschöpfungsketten ersetzt.<br />

Organisationsformen<br />

zur schnellen und<br />

permanenten Marktorientierung<br />

Leitbilder neuer <strong>Innovation</strong>sstrategien<br />

zur Stärkung der <strong>Innovation</strong>sfähigkeit<br />

Formen der Vernetzung:<br />

Fähigkeit zur Kooperation<br />

nach innen und außen<br />

Formen der Personalführung zur<br />

Entwicklung und Ausschöpfung<br />

der Mitarbeiterpotenziale<br />

Abbildung 7-2: Neue Leitbilder für <strong>Innovation</strong>sstrategien (Picot, A.; Reichwald, R.;<br />

Wigand, R.T.) 214<br />

Die in Abbildung 7-2 dargestellten Leitbilder zukünftiger <strong>Innovation</strong>sstrategien zei-<br />

gen, dass zukünftige Ansätze vor allem in der Neugestaltung von Unternehmensorganisation<br />

und Unternehmensführung liegen werden.<br />

Entstehung von Kompetenznetzwerken<br />

Am Weg zur ganzheitlich, innovationsbewussten Unternehmung gewinnt die Fähig-<br />

keit Wissen <strong>mit</strong> anderen zu teilen und zu kooperieren an Bedeutung. Durch Koope-<br />

rationen <strong>mit</strong> externen Partnern bedingt, werden aber auch die Unternehmensgrenzen<br />

zunehmend aufgeweicht. Die Intensivierung dieser Kooperationsbeziehungen mün-<br />

¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯<br />

214 Picot, A.; Reichwald, R.; Wigand, R.T.: Die grenzenlose Unternehmung, 3. Auflage, Wiesbaden<br />

1998, S. 11


Ausblick 193<br />

det in dynamische Kernkompetenznetzwerke, die im theoretischen Modell der virtuellen<br />

Unternehmung ihre extremste Ausprägung erreichen (Schneider, U.). 215<br />

Die Eintrittsbarriere in den von Kernkompetenzen definierten Markt wird zunehmend<br />

schwieriger, da der Vorsprung, der durch den Kompetenzaufbau geschaffen wird,<br />

von Neueinsteigern nur schwer aufgeholt werden kann. Aus dieser Sicht kann auch<br />

die Gefahr des Wissensabflusses in der Kooperation <strong>mit</strong> externen Partnern relativiert<br />

werden: Es wird dabei zwar wechselseitig Wissen weitergegeben, der Kompe-<br />

tenzaufbau ist allerdings an Handlungen gebunden und die dazu notwendigen Lern-<br />

prozesse können nicht kopiert oder weitergegeben werden, sondern müssen von<br />

jedem einzelnen in der Anwendung selbst „erfahren“ werden.<br />

Die Weiterentwicklung des „Resource-based View“ zum „Competence-based View“<br />

führt zu „intelligenten Unternehmungen“ deren konstituierende Merkmale nur mehr<br />

im „Portfolio“ von Kernkompetenzen und strategischen Geschäftseinheiten erkennbar<br />

sind. Unternehmungen werden nicht mehr traditionell <strong>mit</strong> finanziellen Begriffen er-<br />

fasst, sondern werden als Entwicklungs- und Speichermedium von Wissen zu be-<br />

greifen sein. Kurzfristige Maßnahmen gehen in einen Prozess der kontinuierlichen<br />

<strong>Innovation</strong> über. Da<strong>mit</strong> stehen Führungskräfte vor einer ungewohnten Perspektive<br />

(Friedrich, S.A.; Hinterhuber, H.H.). 216<br />

Das Paradoxon der Produktion von Komplexität<br />

Die exponentielle Zunahme an Daten, immer komplexere Technologien, sowie stei-<br />

gende Produktvielfalt auf instabilen Märkten haben die Komplexität der unternehme-<br />

rischen Tätigkeit in den letzten Jahrzehnten enorm gesteigert. Es fehlen stabile Be-<br />

zugspunkte, Patentrezepte der Vergangenheit verlieren zunehmend an Gültigkeit.<br />

Das da<strong>mit</strong> verbundene, ständige Infragestellen von Managementtheorien hat zur<br />

Verunsicherung vieler Unternehmungen geführt.<br />

Die zunehmende Komplexität der unternehmerischen Umwelt kann anscheinend nur<br />

durch geeignete Maßnahmen und Reaktionen bewältigt werden. Vom Standpunkt<br />

eines Beobachters aus gesehen wird die Zunahme der Komplexität allerdings nicht<br />

alleine von der Evolution der Umwelt bestimmt. Es ist die Unternehmung selbst, die<br />

durch ihre Anpassung zur weiteren Erhöhung der Komplexität beiträgt. Dadurch wird<br />

¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯<br />

215 Vgl. Schneider, U.: Reengineering und andere Managementmethoden: Vorüberlegungen zu einem<br />

temporären Ansatz der Organisation, in: Liebmann, H.-P. (Hrsg.): Vom Business Process Reengineering<br />

zum Change Management, Wiesbaden 1997, S. 207<br />

216 Vgl. Friedrich, S.A.; Hinterhuber, H.H.: Mehrwert durch Diversifikation?, in: Hinterhuber, H.H.; u.a.<br />

(Hrsg.): Die Zukunft der diversifizierten Unternehmung, München 2000, S. 13


Ausblick 194<br />

ein Kreislauf erzeugt, der als das „Paradoxon der Produktion von Komplexität“ bezeichnet<br />

werden kann.<br />

Mit den Mitteln der Systemtheorie kann diese Situation anschaulich dargestellt wer-<br />

den: Neben der „äußeren“ Komplexität des Umfeldes existiert auch eine „innere“<br />

Komplexität in der Unternehmung. Zwischen diesen beiden Arten der Komplexität<br />

besteht eine enge Beziehung. Zur Bewältigung einer erhöhten äußeren Komplexität<br />

durch die Unternehmung muss auch deren innere Komplexität bzw. Viabilität durch<br />

Lernprozesse erhöht werden (vgl. Abbildung 7-3).<br />

Wahrnehmung der<br />

Komplexität<br />

Zunahme der äußeren Komplexität<br />

Paradoxon der Produktion<br />

von Komplexität<br />

Zunahme der inneren Komplexität<br />

Wahrnehmung der<br />

Komplexität<br />

Abbildung 7-3: Paradoxon der Produktion von Komplexität (Vicari, S.; Bertoli, G.) 217<br />

Dadurch wird allerdings keine Verringerung der Komplexität erreicht, sondern der<br />

Grundstein für einen weiteren Anstieg der Komplexität gelegt. Das Wachstum der<br />

Komplexität ergibt sich da<strong>mit</strong> aus einem sich selbst steigernden Kreislauf, bei dem<br />

die Erhöhung der inneren Komplexität als Folge der äußeren Komplexität und umge-<br />

kehrt gesehen werden kann. Diese Endlosschleife kann daher auf den Prozess zu-<br />

rückgeführt werden <strong>mit</strong> dem Unternehmungen versuchen auf die Herausforderungen<br />

der Umwelt zu reagieren.<br />

Durch die Vernetzung von Unternehmungen in Kooperationen kann die Geschwin-<br />

digkeit dieses Kreislaufs beeinflusst werden, da der Aufbau hoher innerer Komplexi-<br />

tät durch den Zugriff auf externe Kapazitäten teilweise substituiert werden kann. Aus<br />

dieser Sicht kann der in dieser Arbeit vorgestellte Ansatz der <strong>Innovation</strong>sdienstlei-<br />

¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯<br />

217 Vgl. Vicari, S.; Bertoli, G.: Die diversifizierte Unternehmung als lernende Organisation, in: Hinterhuber,<br />

H.H.; u.a. (Hrsg.): Die Zukunft der diversifizierten Unternehmung, München 2000, S. 82


Ausblick 195<br />

stung als ein möglicher Ansatz zur Bewältigung und in geringem Maße auch zur Beeinflussung<br />

der <strong>Innovation</strong>sdynamik verstanden werden.<br />

Die Unternehmung als lernende Organisation, <strong>mit</strong> der Offenheit zur Einbindung ex-<br />

terner Wissensquellen, hat gute Voraussetzungen den Anforderungen der Zukunft<br />

gewachsen zu sein. Um in die Zukunft zu gelangen, muss eine Unternehmung aber<br />

auch bereit sein, die eigene Vergangenheit zumindest teilweise hinter sich zu lassen.<br />

Die notwendige Bewegung zur Veränderung der eigenen Organisation braucht Promotoren,<br />

die bereit sind <strong>Innovation</strong>sprozesse einzuleiten und voranzutreiben.<br />

Der Treibstoff des Motors einer dynamischen, innovationsfähigen Unternehmung ist<br />

in der Ressource Wissen zu suchen. Dem Management von Wissen - dem wichtig-<br />

sten Produktionsfaktor für <strong>Innovation</strong>en - kommt da<strong>mit</strong> eine zentrale Rolle in der Be-<br />

wältigung von <strong>Innovation</strong>sprozessen zu. Da<strong>mit</strong> basiert <strong>Innovation</strong> auch im 21. Jahr-<br />

hundert auf der „Durchsetzung neuer Kombinationen von Produktionsfaktoren“ und<br />

Joseph Alois Schumpeters 218 Theorie beeindruckt durch ihre ungebrochen hohe Be-<br />

deutung.<br />

¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯<br />

218 Vgl. Schumpeter, J. A.: Theorie der wirtschaftlichen Entwicklung, 7. Auflage, Berlin 1987


Anhang 196<br />

Anhang


Anhang 197<br />

ABBILDUNGSVERZEICHNIS<br />

Abbildung 1-1: Kreislauf des organisationalen Lernens.............................................. 2<br />

Abbildung 1-2: Spezialisierung in technologisch orientierten Wissensgebieten.......... 4<br />

Abbildung 1-3: Ablauf der qualitativen Erhebung auf der Nachfragerseite ................. 7<br />

Abbildung 1-4: Typische Verhaltensformen im Bereich „Strategische Ausrichtung“ ... 9<br />

Abbildung 1-5: Häufigkeit der in Anspruch genommenen IDL in den Kategorien ....... 9<br />

Abbildung 1-6: Häufigkeit der Kontakte zu <strong>Innovation</strong>sdienstleistern ....................... 10<br />

Abbildung 1-7: Schwerpunkte d. Arbeit im Grazer Modell f. Industr. Management... 14<br />

Abbildung 1-8: Wissensquellen der vorliegenden Arbeit........................................... 16<br />

Abbildung 1-9: Struktur der Arbeit............................................................................. 17<br />

Abbildung 2-1: Die Funktionen des Managements nach Bleicher............................. 20<br />

Abbildung 2-2: Merkmale von <strong>Innovation</strong>en nach Thom........................................... 24<br />

Abbildung 2-3: Phasenmodell des <strong>Innovation</strong>sprozesses......................................... 26<br />

Abbildung 2-4: Gestaltungsfelder der <strong>Innovation</strong>skompetenz................................... 29<br />

Abbildung 2-5: Entwicklungslinien und Exponenten des <strong>Wissensmanagement</strong>s ..... 34<br />

Abbildung 2-6: Modelle des Wissens........................................................................ 36<br />

Abbildung 2-7: Klassisches Kommunikationsmodell................................................. 40<br />

Abbildung 2-8: Differenzierte Betrachtung von Daten............................................... 42<br />

Abbildung 3-1: Elementare Funktionen der betrachteten Systeme........................... 50<br />

Abbildung 3-2: Bestimmungsgrößen eines Systems ................................................ 52<br />

Abbildung 3-3: Modell der neuronalen Informationsverarbeitung.............................. 55<br />

Abbildung 3-4: Der Flaschenhals der Datenreduktion .............................................. 57<br />

Abbildung 3-5: Das Gehirnmodell von Vester........................................................... 58<br />

Abbildung 3-6: Signalfilterung im Ultrakurzzeit-Gedächtnis ...................................... 59<br />

Abbildung 3-7: Signalvernetzung im Ultrakurzzeit-Gedächtnis ................................. 60<br />

Abbildung 3-8: Seiten- und Vorderansicht das limbischen Gehirnmodells................ 61<br />

Abbildung 3-9: Modell der Organisation des Nervensystems ................................... 70<br />

Abbildung 3-10: Modell der nervösen und hormonalen Kausalkette......................... 71<br />

Abbildung 3-11: Triviale und nicht-triviale Maschine................................................. 73<br />

Abbildung 4-1: Systemhierarchie im soziotechnischen System ................................ 79<br />

Abbildung 4-2: Systemelemente im Wissenssystem ................................................ 80<br />

Abbildung 4-3: Beispiel eines technischen Subsystems........................................... 81


Anhang 198<br />

Abbildung 4-4: ISO/OSI-Schichtenmodell der Datenübertragung............................. 83<br />

Abbildung 4-5: Signalfluss zwischen kognitivem und motorischem Subsystem ....... 87<br />

Abbildung 4-6: Beziehung zwischen kognitivem und motorischem Subsystem ........ 88<br />

Abbildung 4-7: Signalstrom zwischen zwei Elementen eines sozialen Systems....... 89<br />

Abbildung 4-8: Wissenstransfer durch Kommunikation ............................................ 90<br />

Abbildung 4-9: Triviale und nicht-triviale Maschinen im soziotechnischen System... 93<br />

Abbildung 4-10: Prozess der Information.................................................................. 95<br />

Abbildung 4-11: Prozess der Dokumentation............................................................ 96<br />

Abbildung 4-12: Wissenstransfer über Dokumentation und Information................... 98<br />

Abbildung 4-13: Aufbau der organisationalen Wissensbasis .................................. 101<br />

Abbildung 4-14: Bezugsrahmen zur Analyse und Gestaltung von Wissenssys. ..... 102<br />

Abbildung 4-15: Entstehung von Wissensgebieten................................................. 104<br />

Abbildung 5-1: Wettbewerb um Kompetenz............................................................ 109<br />

Abbildung 5-2: Hierarchie der Kompetenzentwicklung ........................................... 111<br />

Abbildung 5-3: <strong>Innovation</strong>sdienstleistungen zwischen Insourcing u. Outsourcing .. 114<br />

Abbildung 5-4: <strong>Innovation</strong>sdienstleistungen zwischen Bedarf und Angebot........... 119<br />

Abbildung 5-5: Einbindung von IDL in die Wissensbasis des IDL-Nachfragers ...... 122<br />

Abbildung 5-6: Funktion des Kontextwissens ......................................................... 123<br />

Abbildung 5-7: Wissensinduktion durch IDL-Einbindung ........................................ 124<br />

Abbildung 5-8: Unternehmensübergreifende <strong>Innovation</strong>splattform <strong>mit</strong>tels IDL ....... 125<br />

Abbildung 5-9: Zuordnung von <strong>Innovation</strong>sdienstleistungen zum Bezugsrahmen.. 126<br />

Abbildung 5-10: Vernetzung für den Transfer von datenorientierter IDL................. 128<br />

Abbildung 5-11: Vernetzung für den Transfer von wissensorientierter IDL............. 130<br />

Abbildung 5-12: Vernetzung für den Transfer von handlungsorientierter IDL ......... 132<br />

Abbildung 5-13: Mögliche Wirkungen der IDL-Unterstützung ................................. 135<br />

Abbildung 6-1: Unternehmung als wertsteig. Umwandlungssys. von Ressourcen . 140<br />

Abbildung 6-2: Grundfragen der Unternehmensstrategie ....................................... 141<br />

Abbildung 6-3: Marktorientierte Unternehmensstrategie......................................... 143<br />

Abbildung 6-4: Ressourcenorientierte Unternehmensstrategie............................... 145<br />

Abbildung 6-5: Kreislauf des strategischen <strong>Innovation</strong>smanagements................... 148<br />

Abbildung 6-6: Strategischer Handlungsspielraum ................................................. 149<br />

Abbildung 6-7: Wechselwirkung von Strategie und Organisationsstruktur.............. 150


Anhang 199<br />

Abbildung 6-8: <strong>Innovation</strong>sstrategien und ihre organisatorischen Konsequenzen.. 151<br />

Abbildung 6-9: Schwerpunkte im strategischen Management ................................ 152<br />

Abbildung 6-10: Bezugsrahmen zur Gestaltung von <strong>Innovation</strong>sprozessen........... 153<br />

Abbildung 6-11: Entscheidungsbaum der ressourcenorient. <strong>Innovation</strong>sstrategie.. 156<br />

Abbildung 6-12: Kompetenzmatrix.......................................................................... 158<br />

Abbildung 6-13: Kompetenzportfolio für innovationsrelevante Kompetenzen......... 160<br />

Abbildung 6-14: Abgrenzung der In-/Outsourcing-Bereiche ................................... 161<br />

Abbildung 6-15: In-/Outsourcing im Kompetenzportfolio......................................... 162<br />

Abbildung 6-16: Differenzierung von Wissenslücken.............................................. 166<br />

Abbildung 6-17: Wissensportfolio der Unternehmung............................................. 167<br />

Abbildung 6-18: Prozess der IDL-Einbindung......................................................... 169<br />

Abbildung 6-19: Gestaltungsbereiche beim IDL-Transfer ....................................... 171<br />

Abbildung 6-20: Problembereich selektive Wahrnehmung ..................................... 172<br />

Abbildung 6-21: Extranet-Portal für die Zusammenarbeit auf Datenebene............. 176<br />

Abbildung 6-22: <strong>Innovation</strong>sdienstleistungen im Produktinnovationsprozess......... 180<br />

Abbildung 6-23: <strong>Innovation</strong>sdienstleistungen und Kundenzufriedenheit................. 181<br />

Abbildung 6-24: <strong>Innovation</strong>sstrategie der Unternehmung....................................... 185<br />

Abbildung 6-25: Bewertungskriterien zur Bewertung von Produktideen ................. 187<br />

Abbildung 6-26: Detailplanung der Ideenakzeptierung und -realisierung................ 188<br />

Abbildung 7-1: Aspekte einer ressourcenorientierten <strong>Innovation</strong>sstrategie ............ 191<br />

Abbildung 7-2: Neue Leitbilder für <strong>Innovation</strong>sstrategien ....................................... 192<br />

Abbildung 7-3: Paradoxon der Produktion von Komplexität.................................... 194<br />

TABELLENVERZEICHNIS<br />

Tabelle 1-1: Gegenüberstellung von Modellbildung und Frameworking ................... 16<br />

Tabelle 2-1: Persönlichkeitsmerkmale innovativer Mitarbeiter.................................. 28<br />

Tabelle 2-2: Gegenüberstellung von Interaktions- und Paketmodell......................... 37<br />

Tabelle 2-3: Funktionsmerkmale von Computer und Gehirn im Vergleich................ 38<br />

Tabelle 2-4: Morphologie des Begriffs Daten............................................................ 44<br />

Tabelle 4-1: Dokumentation/Information und Telekommunikation im Vergleich ....... 99


Anhang 200<br />

LITERATURVERZEICHNIS<br />

In den Literaturzitaten verwendete Abkürzungen:<br />

asw Absatzwirtschaft<br />

HBR Harvard Business Review<br />

IDL <strong>Innovation</strong>sdienstleistungen<br />

JdR Jahrbuch für Controlling und Rechnungswesen<br />

WING WING-business - Die Wirtschaftsingenieure<br />

ZfB Zeitschrift für Betriebswirtschaft<br />

Bächle, M.; u.a.: Gabler Wirtschaftsinformatiklexikon, Band A-K, Frankfurt ohne Jahresangabe<br />

Becker, M.; Haberfellner, R.; Liebetrau, G.: EDV-Wissen für Anwender - Das Informatik-Handbuch<br />

für die Praxis, 12. Auflage, Zürich 2000<br />

Bierfelder, W.H.: <strong>Innovation</strong>smanagement, 3. Auflage, München/Wien 1994<br />

Bleicher, K.: Das Konzept Integriertes Management. Das St. Galler Management-<br />

Konzept, Band 1, 5. Auflage, Frankfurt/New York 1999<br />

Bogaschewsky, R.: Wissensorientiertes Management als Kern eines <strong>Innovation</strong>smanagements,<br />

in: Tintelnot, C.; Meißner, D.; Steinmeier, I. (Hrsg.): <strong>Innovation</strong>smanagement,<br />

Berlin 1999<br />

Bullinger, H.-J.; Wörner, K.; Prieto, J.: <strong>Wissensmanagement</strong> - Modelle und Strategien<br />

für die Praxis, in: Bürgel, H. (Hrsg.): <strong>Wissensmanagement</strong>, Berlin/Heidelberg/New<br />

York 1998<br />

Coase, R.H: The Nature of the Firm, in Economica, Vol 4 (November) 1937, zitiert in:<br />

Heydebreck, P.: Technologische Verflechtung: ein Instrument zum Erreichen von<br />

Produkt- und Prozeßinnovationserfolg, Frankfurt a. Main 1996<br />

Corsten, H.: Betriebswirtschaftslehre der Dienstleistungsunternehmungen, München<br />

1990<br />

Dreesmann, H.: <strong>Innovation</strong>skompetenz - konzeptioneller Rahmen und praktische<br />

Erfahrungen, in: Freimuth, J.; Haritz, J.; Kiefer, B.-U. (Hrsg.): Auf dem Wege zum<br />

<strong>Wissensmanagement</strong>, Göttingen 1997<br />

Drew, S.: Building Knowledge Management into Strategy: Making Sense of a New<br />

Perspektive, in: Long Range Planning, Vol. 32, (1999)1<br />

Drucker, P.: Die postkapitalistische Gesellschaft, Düsseldorf 1993<br />

Drucker, P.: <strong>Innovation</strong>s-Management für Wirtschaft und Politik, 2. Auflage, Düsseldorf<br />

1985


Anhang 201<br />

Duncan, R.B.; Weiss, A.: Organizational Learning - Implications for Organizational<br />

Design, in: Research in Organizational Behaviour (1979)1<br />

Ems, R.H.: Wissensbasiertes <strong>Innovation</strong>sprozess-Management als Basis für erfolgreiche<br />

Produktinnovationen, Diplomarbeit Technische Universität Graz 2000<br />

Foerster, H.v.: Entdecken oder Erfinden? Wie lässt sich Verstehen verstehen, in<br />

Gumin, H.; Meier, H. (Hrsg.): Einführung in den Konstruktivismus, 4. Auflage, München<br />

1998<br />

Foerster, H.v.: Epistemologie der Kommunikation, in Schmidt S.J. (Hrsg.): Wissen<br />

und Gewissen, 4. Auflage, Frankfurt a. Main 1997<br />

Foerster, H.v.: Gedanken und Bemerkungen über Kognition, in Schmidt S.J. (Hrsg.):<br />

Wissen und Gewissen, 4. Auflage, Frankfurt a. Main 1997<br />

Foerster, H.v.: Kybernetik einer Erkenntnistheorie, in Schmidt S.J. (Hrsg.): Wissen<br />

und Gewissen, 4. Auflage, Frankfurt a. Main 1997<br />

Foerster, H.v.: Mit den Augen des anderen, in Schmidt S.J. (Hrsg.): Wissen und Gewissen,<br />

4. Auflage, Frankfurt a. Main 1997<br />

Foerster, H.v.: Prinzipien der Selbstorganisation im sozialen und betriebswirtschaftlichen<br />

Bereich, in Schmidt S.J. (Hrsg.): Wissen und Gewissen, 4. Auflage, Frankfurt a.<br />

Main 1997<br />

Foerster, H.v.: Über das Konstruieren der Wirklichkeit, in: Schmidt, S.J. (Hrsg.): Wissen<br />

und Gewissen, 4. Auflage, Frankfurt a. Main 1997<br />

Foerster, H.v.: Was ist Gedächtnis, dass es Rückschau und Vorschau ermöglicht?, in<br />

Schmidt S.J. (Hrsg.): Wissen und Gewissen, 4. Auflage, Frankfurt a. Main 1997<br />

Foerster, H.v.: Zukunft der Wahrnehmung: Wahrnehmung der Zukunft, in Schmidt<br />

S.J. (Hrsg.): Wissen und Gewissen, 4. Auflage, Frankfurt a. Main 1997<br />

Friedrich, S.A.; Hinterhuber, H.H.: Mehrwert durch Diversifikation?, in: Hinterhuber,<br />

H.H.; u.a. (Hrsg.): Die Zukunft der diversifizierten Unternehmung, München 2000<br />

Gabler-Wirtschaftslexikon, 14. Auflage, Wiesbaden 1997<br />

Glasersfeld, E.v.: Konstruktion der Wirklichkeit und des Begriffs der Objektivität, in<br />

Gumin, H.; Meier H. (Hrsg.): Einführung in den Konstruktivismus, 4. Auflage, München<br />

1998<br />

Glasersfeld, E.v.: Radikaler Konstruktivismus: Ideen, Ergebnisse, Probleme, 2. Auflage,<br />

Frankfurt a. Main 1998<br />

Glasersfeld, E.v.: Wege des Wissens - Konstruktivistische Erkundungen durch unser<br />

Denken, Heidelberg 1997


Anhang 202<br />

Glasersfeld, E.v.: Wissen, Sprache und Wirklichkeit: Arbeiten zum radikalen Konstruktivismus,<br />

Wissenschaftstheorie, Wissenschaft und Philosophie, Vol. 24, Braunschweig/Wiesbaden<br />

1987<br />

Güldenberg, S.: <strong>Wissensmanagement</strong> und Wissenscontrolling in lernenden Organisationen,<br />

Wiesbaden 1997<br />

Haberfellner, R.: Die Unternehmung als dynamisches System - Der Prozeßcharakter<br />

der Unternehmungsaktivitäten, 2. Auflage, Zürich 1975<br />

Hamel, G.; Prahalad, C.K.: Competing for the future, Boston, 1994<br />

Hamel, G.; Prahalad, C.K.: Strategy as Stretch and Leverage, in: HBR, 71(1993)2,<br />

zitiert in: Osterloh, M.; Frost, J.: Prozessmanagement als Kernkompetenz: wie Sie<br />

Business Reengineering strategisch nutzen können, Wiesbaden 1996<br />

Hansen, W.R.; Peschanel, F.D.: Gabler Lexikon Innovative Informationsverarbeitung,<br />

Wiesbaden 1995<br />

Hauschildt, J.: <strong>Innovation</strong>smanagement, 2. Auflage München 1997<br />

Heeg, F.-J.: Projektmanagement: Grundlagen der Planung und Steuerung von betrieblichen<br />

Problemlösungsprozessen, München/Wien 1992<br />

Herrmann, N.: Das Ganzhirn-Konzept für Führungskräfte, Wien 1997<br />

Herrmann, N.: Kreativität und Kompetenz – Das einmalige Gehirn, Fulda 1991<br />

Heydebreck, P.: Technologische Verflechtung: ein Instrument zum Erreichen von<br />

Produkt- und Prozeßinnovationserfolg, Frankfurt a. Main 1996<br />

Hilke, W.: Grundprobleme und Entwicklungstendenzen des Dienstleistungs-<br />

Marketing, in: Corsten, H. (Hrsg.): Integratives Dienstleistungsmanagement, Wiesbaden<br />

1994, S. 214<br />

Hinterhuber, H.H.: Strategische Unternehmensführung, I. Strategisches Denken, 6.<br />

Auflage, Berlin/New York 1996, S. 2<br />

Hinterhuber, H.H.; Handlbauer, G.; Matzler, K.: Kundenzufriedenheit durch Kernkompetenzen,<br />

München/Wien 2000<br />

Hinterhuber, H.H.; Stuhec, U.: Kernkompetenzen und strategisches In-/Outsourcing,<br />

in: ZfB-Ergänzungsheft (1997)1<br />

Jung, V.; Warnecke, H.-J.: Handbuch für die Telekommunikation, Berlin 1998<br />

Kleinsorge, P.: Geschäftsprozesse, S. 52, in: Masing, W. (Hrsg.): Handbuch Qualitätsmanagement,<br />

4. Auflage, München/Wien 1999<br />

Kneer, G.; Nassehi, A.: Niklas Luhmanns Theorie sozialer Systeme, München 1993<br />

Köhler-Frost, W.: Outsourcing - Eine strategische Allianz besonderen Typs, 2. Auflage,<br />

Berlin 1995


Anhang 203<br />

Kotulak, R.: Die Reise ins Innere des Gehirns, Paderborn 1998<br />

Kummer, W.A.; Spühler, R.W.; Wyssen, R.: Projektmanagement - Leitfaden zu Methode<br />

und Teamführung in der Praxis, Zürich, ohne Jahresangabe<br />

Lercher, H.: Wertanalyse an Informationssystemen, Dissertation, Technische Universität<br />

Graz 1998<br />

Little, A.D. (Hrsg.): Management erfolgreicher Produkte, Wiesbaden 1994<br />

Little, A.D.: ADL Product <strong>Innovation</strong> Survey, Cambridge 1992<br />

Luhmann, N.: Soziale Systeme: Grundriß einer allgemeinen Theorie, Frankfurt am<br />

Main 1987<br />

Maturana, H.R.: Erkennen: Die Organisation und Verkörperung der Wirklichkeit,<br />

Braunschweig 1982<br />

Maturana, H.R.: Was ist erkennen?, 2. Auflage, München 1997<br />

Maturana, H.R.; Varela, F.J.: Der Baum der Erkenntnis - Die biologischen Wurzeln<br />

menschlichen Erkennens, Bern/München 1987<br />

Müller-Stewens, G. (Hrsg.): Virtualisierung von Organisationen, Stuttgart/Zürich 1997<br />

Nonaka, I.; Takeuchi, H.: The Knowledge-Creating Company, New York/Oxford 1995<br />

North, K.: Wissensorientierte Unternehmensführung, Wiesbaden 1998<br />

Nütten, I.; Sauermann, P.: Wie kreativ sind Ihre Mitarbeiter? in: asw (1985)5<br />

o.V.: Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Kultur: Handbuch - Neue<br />

Medien in der Lehre an Universitäten und Fachhochschulen, Wien 2000<br />

o.V.: Duden: Das Fremdwörterbuch, Bd. 5, 3. Auflage, Mannheim/Wien/Zürich 1974<br />

o.V.: Duden: Das Fremdwörterbuch, Mannheim 1995<br />

o.V.: Gabler Wirtschaftsinformatik Lexikon Band L-Z, 14. Auflage, Wiesbaden 1997<br />

o.V.: Meyers kleines Lexikon der Philosophie, Mannheim 1987<br />

Osterloh, M.; Frost, J.: Prozeßmanagement als Kernkompetenz: wie Sie Business<br />

Reengineering strategisch nutzen können, Wiesbaden 1996<br />

Osterloh, M.; Grand, S.: Modellbildung versus Frameworking: Die Positionen von<br />

Williamson und Porter, in: Wächter, Hartmut (Hrsg.): Selbstverständnis betriebswirtschaftlicher<br />

Forschung und Lehre, Wiesbaden 1995<br />

Peritsch, M.: Analyse und Gestaltung wissensbasierter <strong>Innovation</strong>sprozesse, Dissertation,<br />

Technische Universität Graz 1998<br />

Petrovic, O.: Wissenstransfer und neue Technologien, in: Gutschelhofer, A.; Scheff,<br />

J. (Hrsg.): Mitarbeiter Know-how, Wien 1997


Anhang 204<br />

Picot, A.; Reichwald, R.; Wigand, R.T.: Die grenzenlose Unternehmung, 3. Auflage,<br />

Wiesbaden 1998<br />

Polanyi bezeichnet dieses Wissen <strong>mit</strong> „tacit knowing bzw. tacit knowledge“, vgl. Polanyi,<br />

M.: The tacit dimension, Gloucester-Mass., 1966, reprinted 1983<br />

Porter, M.E.: Competitive Advantage. Creating and Sustaining Superior Performance,<br />

New York 1985<br />

Porter, M.E.: Towards a Dynamic Theory of Strategy, in: Strategic Management<br />

Journal, Vol. 12, Special Issue Winter 1991<br />

Prahalad, C.K.; Hamel, G.: The Core Competence of the Corporation, in: HBR,<br />

68(1990)3<br />

Probst, G.; Raub, S.; Romhardt, K.: Wissen managen, Frankfurt/Wiesbaden 1997<br />

Pümpin, C.: Strategische Erfolgspositionen: Methodik der dynamischen strategischen<br />

Unternehmensführung, Bern/Stuttgart 1992<br />

Ramsauer, C.: Zur Berücksichtigung der <strong>Innovation</strong>sdynamik in PPS-Systemen, Dissertation,<br />

Technische Universität Graz 1996<br />

Rehäuser, J.; Krcmar, H.: <strong>Wissensmanagement</strong> im Unternehmen, in: Schreyögg, G.;<br />

Conrad, P.: <strong>Wissensmanagement</strong>, Berlin/New York, 1996<br />

Reichwald, R.: Telekooperation - Verteilte Arbeits- und Organisationsformen, Berlin/Heidelberg/New<br />

York 1998<br />

Roehl, H.: Kritik des organisationalen <strong>Wissensmanagement</strong>s, in: Projektgruppe Wissenschaftliche<br />

Beratung (Hrsg.): Organisationslernen durch <strong>Wissensmanagement</strong>,<br />

Frankfurt am Main 1999<br />

Romhardt, K.: Interne und externe Wissenstransparenz als Ausgangspunkt für organisatorische<br />

<strong>Innovation</strong>en, AG <strong>Wissensmanagement</strong> Kaiserslautern, URL:<br />

http://www.cck.uni-kl.de/wmk/papers/public/Wissensidentifikation [Stand 08.09.2000]<br />

Sammer, M.: Wissensinduktion in Organisationen: Die wissensbasierte Netzwerkorganisation<br />

als struktureller Rahmen, Dissertation, Montanuniversität Leoben 1999<br />

Scheuble, S.: Wissen und Wissenssurrogate, Dissertation, München, 1998<br />

Schiller, R.: Unternehmensnetzwerke bei kleinen und <strong>mit</strong>tleren Unternehmen - Ergebnisse<br />

einer empirischen Studie, in: Winand, U.; Nathusius, K. (Hrsg.): Unternehmensnetzwerke<br />

und virtuelle Organisationen, Stuttgart 1998<br />

Sch<strong>mit</strong>z, C.; Zucker, B.: Wissen gewinnt, Düsseldorf/München 1996<br />

Schneider, U.: Management in der wissensbasierten Unternehmung, in: Schneider,<br />

U. (Hrsg.): <strong>Wissensmanagement</strong>, Frankfurt a. M. 1996


Anhang 205<br />

Schneider, U.: Reengineering und andere Managementmethoden: Vorüberlegungen<br />

zu einem temporären Ansatz der Organisation, in: Liebmann, H.-P. (Hrsg.): Vom<br />

Business Process Reenginee-ring zum Change Management, Wiesbaden 1997<br />

Schumpeter, J.A.: Capitalism, Socialism and Democracy, 4th edition, London 1952<br />

Schumpeter, J.A.: Theorie der wirtschaftlichen Entwicklung, 7. Auflage, Berlin 1987<br />

Servatius, H.-G.: New Venture Management, Wiesbaden 1988<br />

Shatz, C.J.: Das sich entwickelnde Gehirn; in: Singer, W. (Hrsg.): Gehirn und Bewusstsein,<br />

Heidelberg 1994<br />

Sinatra, A.: Die strategische Architektur der diversifizierten Unternehmung, in Hinterhuber,<br />

H.H.; u.a. (Hrsg.): Die Zukunft der diversifizierten Unternehmung, München<br />

2000<br />

Spitzer, M.: Geist im Netz, Modelle für Lernen, Denken und Handeln, Heidelberg<br />

1996<br />

Stallings, W.: Operating Systems, New York 1992<br />

Stewart, T.A.: Der vierte Produktionsfaktor: Wachstum und Wettbewerbsvorteile<br />

durch Wissensma-nagement, München/Wien 1998<br />

Sydow, J.: Strategische Netzwerke: Evolution und Organisation, Wiesbaden 1992<br />

Thom, N.: Grundlagen des betrieblichen <strong>Innovation</strong>smanagements, 2., völlig neu bearbeitete<br />

Auflage, Königstein/Ts. 1980<br />

Ulrich, H.: Anleitung zum ganzheitlichen Denken und Handeln, zitiert in: Böhm, R.;<br />

u.a.: Sys-tementwicklung in der Wirtschaftsinformatik, 2. Auflage, Zürich 1993<br />

Vester, F.: Denken, Lernen, Vergessen, 26. Auflage, München 1999<br />

Vester, F.: Die Kunst vernetzt zu Denken, Stuttgart 1999<br />

Vicari, S.; Bertoli, G.: Die diversifizierte Unternehmung als lernende Organisation, in:<br />

Hinterhuber, H.H.; u.a. (Hrsg.): Die Zukunft der diversifizierten Unternehmung, München<br />

2000<br />

Volkmann, H.: Auf dem Weg zur Wissensstadt, in: asw (1997)6<br />

Wahrig, G.: Deutsches Wörterbuch, 2. Auflage, Wien 1980<br />

Waldkirch, T.: Technologietransfer, Vorlesungsunterlagen der ETH Zürich 1995, zitiert<br />

in: Brodbeck, H.; Birkenmeier, B.; Tschirky, H.: Neue Entscheidungsstrukturen<br />

des Integrierten Technologie-Managements, in: Die Unternehmung (1995)3<br />

Watzlawick, P.; Beavin, J.; Jackson, D.D.: Menschliche Kommunikation, 9. Auflage,<br />

Seattle 1996


Anhang 206<br />

Wegener, I.: Kompendium der theoretische Informatik, Eine Ideensammlung, Stuttgart<br />

1996<br />

Willfort, R.: <strong>Innovation</strong> ist schöpferische Zerstörung ?!, in WING-business (1999)3<br />

Willfort, R.; Sammer, M.; Hartlieb, E.; Bornemann, M.; Tuppinger, J.: <strong>Wissensmanagement</strong><br />

Grundlagen, in: Vortragsreihe des <strong>Wissensmanagement</strong> Forum Graz, URL:<br />

http://wissensmanagement.tu-graz.ac.at/wissensmanagement/events/04111999/GL-<br />

WMForum.pdf [Stand 08.09.2000]<br />

Willke, H.: Systemisches <strong>Wissensmanagement</strong>. Mit Fallstudien von D. Gnewekow,<br />

u.a., Stuttgart 1998<br />

Wohinz, J.W.: Das Grazer Modell für Industrielles Management, INDUSCRIPT,<br />

Technische Universität Graz 1999/2000<br />

Wohinz, J.W.: Knowledge Systems Design, INDUSCRIPT, Technische Universität<br />

Graz 1999/2000<br />

Wohinz, J.W.: Wertanalyse - <strong>Innovation</strong>smanagement, Würzburg/Wien 1983<br />

Wohinz, J.W.; Peritsch, M.; Willfort, R.: <strong>Innovation</strong>sdienstleistungen für steirische Industriebetriebe<br />

- Eine Marktstudie zum Bedarfs- und Angebotspotential, Technische<br />

Universität Graz 1998<br />

Wohinz, J.W.; u.a.: Abgrenzung von Produktsuchfeldern und Entwicklung von Produktideen<br />

im Rahmen eines wissensbasierten <strong>Innovation</strong>sprozesses, Abschlußbericht,<br />

Technische Universität Graz 2000<br />

Wohinz, J.W.; Willfort, R.: <strong>Innovation</strong>sdienstleistungen - Ein Outsourcing-Ansatz im<br />

<strong>Innovation</strong>sprozeß, in: Seicht, G. (Hrsg.): JdR 2000, Wien 2000<br />

Zahn, E.: Wissen und Strategie, in: Bürgel, H. (Hrsg.): <strong>Wissensmanagement</strong>, Berlin/Heidelberg/New<br />

York 1998

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