Wissensmanagement mit ... - Innovation Service Network
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<strong>Innovation</strong>sdienstleistungen<br />
im wissensorientierten Management<br />
von <strong>Innovation</strong>sprozessen<br />
Zur Steigerung der <strong>Innovation</strong>sfähigkeit von Unternehmungen durch<br />
Einbindung externer Leistungspotenziale<br />
Dissertation<br />
Dipl.-Ing. Reinhard Willfort<br />
Eingereicht im Oktober 2000<br />
an der Fakultät für Maschinenbau<br />
der Technischen Universität Graz
Meinen Kindern<br />
Benjamin und Selina gewidmet
DANKSAGUNG<br />
An dieser Stelle möchte ich meinen Dank an alle aussprechen, die mich bei der Er-<br />
stellung dieses Werkes unterstützt haben. Dieser Dank gilt in besonderer Weise<br />
meinem Betreuer und Erstbegutachter, Herrn O.Univ.-Prof. Dipl.-Ing. Dr. Josef W.<br />
Wohinz für die Ermöglichung dieser Arbeit und für zahlreiche konstruktive Vorschläge.<br />
Für viele hilfreiche Anmerkungen und für die konsequente Durchführung der Zweit-<br />
begutachtung bedanke ich mich herzlich bei Frau O.Univ.-Prof. Mag. Dr. Ursula<br />
Schneider.<br />
Mein besonderer Dank gilt meinen Kollegen am Institut für Wirtschafts- und Be-<br />
triebswissenschaften, Abteilung Industriebetriebslehre und <strong>Innovation</strong>sforschung für<br />
die kameradschaftliche Zusammenarbeit über die gesamte Bearbeitungszeit hinweg<br />
und für viele hilfreiche Anregungen und Hinweise. Namentlich möchte ich dabei mei-<br />
nen Kollegen und Freund Dipl.-Ing. Erich Hartlieb besonders hervorheben, der von<br />
Beginn bis zum Abschluss der Arbeit als Wegbegleiter stets <strong>mit</strong> Rat und Tat zur Seite<br />
stand.<br />
Dem Kernteam des <strong>Wissensmanagement</strong> Forum Graz und allen Mitgliedern aus der<br />
betrieblichen Praxis sei für viele wertvolle Beiträge und intensive Diskussionen gedankt.<br />
Bei allen Mitgliedern von Unternehmungen, die im Rahmen von Projekten und Di-<br />
plomarbeiten wertvolle Beiträge zu meinem Dissertationsthema geleistet haben, be-<br />
danke ich mich für die vertrauensvolle Aufnahme und für die konstruktive Zusammenarbeit.<br />
Abschließend möchte ich mich bei meiner Familie für die großartige Unterstützung<br />
bedanken. Ganz besonders gilt dieser Dank meiner Frau Renate für das Verständnis<br />
in Zeiten, in denen ich die familiäre Gemeinschaft zugunsten der wissenschaftlichen<br />
Arbeit vernachlässigt habe, vor allem aber für die liebevolle Unterstützung während<br />
der gesamten Bearbeitungszeit.<br />
Graz, im Oktober 2000 Reinhard Willfort
KURZFASSUNG<br />
Die Globalisierung der Absatz- und Beschaffungsmärkte, kürzere Produktlebenszy-<br />
klen und erhöhte Produktkomplexität sind stellvertretende Beispiele für massive Ver-<br />
änderungen im unternehmerischen Umfeld. Technologische Entwicklungen, vor al-<br />
lem in der Informations- und Kommunikationstechnologie, können zu den Auslösern<br />
dafür gezählt werden. Die Antwort darauf kann in der Auslösung geeigneter interner<br />
Veränderungsprozesse in Unternehmungen gefunden werden. Da<strong>mit</strong> wird die <strong>Innovation</strong>sfähigkeit<br />
zur zentralen Kompetenz von Unternehmungen.<br />
Die Verknüpfung von <strong>Innovation</strong>s- und <strong>Wissensmanagement</strong> <strong>mit</strong> dem Ziel, die Inno-<br />
vationsfähigkeit von Unternehmungen zu steigern, kann als eine Möglichkeit gese-<br />
hen werden, die Zukunft einer Unternehmung zu gestalten. Die <strong>Innovation</strong>sfähigkeit<br />
einer Unternehmung wird aber nicht nur durch Realisierung einer ständig lernenden<br />
Organisation positiv beeinflusst, sondern zunehmend auch von der Fähigkeit externe<br />
Ressourcen in <strong>Innovation</strong>sprozesse zu integrieren.<br />
Dabei geht es nicht nur um das Outsourcing von standardisierten Routinen, sondern<br />
vor allem um die Einbeziehung einzigartiger Ressourcen und Wissensträger. Der in<br />
dieser Arbeit vorgestellte Ansatz der <strong>Innovation</strong>sdienstleistung (IDL) kann als eine<br />
wichtige Möglichkeit zur Einbeziehung externer Leistungspotenziale in unternehmeri-<br />
sche <strong>Innovation</strong>sprozesse gesehen werden. <strong>Innovation</strong>sdienstleistungen werden<br />
vorwiegend durch immaterielle Werte, insbesondere durch Wissen begründet.<br />
Daher kann das Management von Wissen als ein möglicher Zugang zur Gestaltung<br />
des IDL-Transfers gesehen werden. Dazu wird ein Bezugsrahmen erarbeitet, der<br />
sich auf neurophysiologische Grundlagen, auf die neurobiologische und auf die kon-<br />
struktivistische Erkenntnistheorie stützt. Dieser Bezugsrahmen bildet die Grundlage<br />
für alle weiteren Ausführungen, insbesondere für die wissensbasierte Gestaltung der<br />
Kooperationsbeziehung zwischen Anbietern und Nachfragern von <strong>Innovation</strong>sdienstleistungen.<br />
Der bedarfsorientierten Einbindung von <strong>Innovation</strong>sdienstleistungen sollte eine stra-<br />
tegische Entscheidung über das Insourcing- oder Outsourcing von Ressourcen bzw.<br />
Kompetenzen vorausgehen. Dazu wird eine systematische Untersuchung der inter-<br />
nen Potenziale vorgeschlagen. Die vorgestellten Instrumente zur Analyse und Visua-<br />
lisierung unternehmensinterner Potenziale können dazu unterstützend eingesetzt<br />
werden. Weiters wird ein Ablauf dargestellt, der Gestaltungsmaßnahmen von der<br />
Bedarfsentstehung bis zum IDL-Transfer beschreibt.<br />
i
ABSTRACT<br />
The globalization of the sales and procurement markets, shorter product life cycles<br />
and increased product complexity are representative examples of substantial modifi-<br />
cations in the business surrounding field. Technological developments, particularly in<br />
the information and communication technology, can be responsible for that. The<br />
answer to it can be found in producing suitable internal modification processes in or-<br />
ganizations. Thus the innovation ability becomes the central competence of organizations.<br />
The combination of innovation and knowledge management with the aim to increase<br />
the innovation ability of organizations, can be seen as a possibility of arranging the<br />
future of an enterprise. The innovation ability of an organization, however, is positi-<br />
vely influenced not only by implementation of a constantly learning organization but<br />
also increasingly by the ability to integrate external resources into innovation<br />
processes.<br />
Not only the outsourcing of standardized routines is concerned, but particularly the<br />
inclusion of singular resources and knowledge carriers. The approach of the innova-<br />
tion service (IDL), introduced in this work, can be seen as an important possibility of<br />
including external resources into business innovation processes. <strong>Innovation</strong> services<br />
are predominantly justified by immaterial values, in particular by knowledge.<br />
Therefore knowledge management can be seen as a possibility for the transfer of<br />
innovation services. In addition, a framework is elaborated, which is based on neuro-<br />
physiological fundamentales, on the constructionalistic and the neurobiological theory<br />
of knowledge. This framework is the basis for all further arrangements, especially for<br />
the knowledge-based modelling of the relationship between supply and demand of<br />
innovation services.<br />
A strategic decision concerning the insourcing or outsourcing of resources or com-<br />
petences should precede the demand-oriented integration of innovation services. In<br />
addition, a systematic investigation of the internal potentials is suggested. The pre-<br />
sented instruments for the analysis and visualization of potentials of an organization<br />
can be used therefor. Furthermore a process is presented, which describes approaches<br />
from the requirement emergence to the transfer of innovation service.<br />
ii
INHALTSVERZEICHNIS<br />
1 EINLEITUNG 1<br />
1.1 Die Bedeutung von <strong>Innovation</strong>en in der Wissensgesellschaft 1<br />
1.1.1 Die Rolle der Informations- und Kommunikationstechnologie 3<br />
1.1.2 Fokussierung auf Kernwissensgebiete 4<br />
1.2 Angebot und Nachfrage von <strong>Innovation</strong>sdienstleistungen in der steirischen Industrie 5<br />
1.2.1 Der Begriff <strong>Innovation</strong>sdienstleistung 6<br />
1.2.2 Ergebnisse der Untersuchung 6<br />
1.3 Konkretisierung der behandelten Problemstellung 12<br />
1.3.1 Positionierung der Arbeit im Grazer Modell für industrielles Management 13<br />
1.3.2 Wissenschaftliche Methodik der Arbeit 15<br />
1.3.3 Struktur der Arbeit 17<br />
2 GRUNDLAGEN DER UNTERNEHMERISCHEN INNOVATIONSFÄHIGKEIT 19<br />
2.1 Der Begriff Management 20<br />
2.2 Der Begriff <strong>Innovation</strong> 22<br />
2.2.1 Merkmale von <strong>Innovation</strong>en 23<br />
2.2.2 Der <strong>Innovation</strong>sbegriff für diese Arbeit 25<br />
2.2.3 <strong>Innovation</strong>sprozess 25<br />
2.2.4 <strong>Innovation</strong>sfähigkeit 27<br />
2.2.5 <strong>Innovation</strong>smanagement 32<br />
2.3 <strong>Wissensmanagement</strong> und <strong>Innovation</strong>sfähigkeit 33<br />
2.3.1 Entwicklungslinien des <strong>Wissensmanagement</strong>s 35<br />
2.3.2 Basismodelle zur Differenzierung von Wissen 36<br />
2.3.3 Detailanalyse des Begriffs Wissen 38<br />
2.3.4 Der <strong>Wissensmanagement</strong>-Begriff dieser Arbeit 49<br />
3 MODELLTHEORETISCHE GRUNDLAGEN FÜR WISSENSMANAGEMENT 50<br />
3.1 Einführung in die Systemtheorie 51<br />
3.1.1 Allgemeine Eigenschaften und Merkmale von Systemen 52<br />
3.2 Neurophysiologische Grundlagen 54<br />
3.2.1 Organisationsmodelle des Gehirns 58<br />
3.3 Biologische Erkenntnistheorie 62<br />
3.3.1 Operationale Geschlossenheit 64<br />
3.3.2 Kommunikation als strukturelle Koppelung 65<br />
3.3.3 Kognition 65<br />
3.4 Konstruktivistische Erkenntnistheorie 66<br />
3.4.1 Er-Kenntnis bzw. Wissen 72<br />
3.4.2 Triviale Maschine 73<br />
3.4.3 Nicht-triviale Maschine 74<br />
3.5 Zusammenfassende Konklusionen 75<br />
3.5.1 Spezielle Zielsetzung dieser Arbeit 77<br />
iii
4 BEZUGSRAHMEN ZUR ANALYSE UND GESTALTUNG VON<br />
WISSENSSYSTEMEN 79<br />
4.1 Das Wissenssystem als soziotechnisches System 79<br />
4.2 Das technische Subsystem 81<br />
4.3 Das soziale Subsystem 86<br />
4.3.1 Wissenstransfer im sozialen Subsystem 89<br />
4.3.2 Gegenüberstellung des sozialen und des technischen Subsystems 92<br />
4.4 Beziehungen im soziotechnischen System 93<br />
4.4.1 Der Prozess der Information 94<br />
4.4.2 Der Prozess der Dokumentation 95<br />
4.4.3 Wissenstransfer über Dokumentation und Information 97<br />
4.5 Bildung eines Bezugsrahmens 100<br />
4.5.1 Die Wissensebene 103<br />
4.5.2 Die Handlungsebene 104<br />
4.5.3 Die Datenebene 105<br />
4.5.4 Kognitive Prozesse in der organisatorischen Wissensbasis 106<br />
4.6 Zusammenfassende Konklusionen 106<br />
5 DIE STÄRKUNG DER INNOVATIONSFÄHIGKEIT DURCH<br />
INNOVATIONSDIENSTLEISTUNGEN 109<br />
5.1 Ressourcenorientiertes <strong>Innovation</strong>smanagement 114<br />
5.1.1 Motivation für Outsourcing im <strong>Innovation</strong>smanagement 115<br />
5.1.2 Motivation für Insourcing im <strong>Innovation</strong>smanagement 116<br />
5.2 Der <strong>Innovation</strong>sdienstleistungs-Ansatz 117<br />
5.3 Wissensbasierte Analyse von <strong>Innovation</strong>sdienstleistungen 121<br />
5.3.1 Realisierung einer unternehmensübergreifenden <strong>Innovation</strong>splattform 125<br />
5.3.2 Datenorientierte <strong>Innovation</strong>sdienstleistungen 127<br />
5.3.3 Wissensorientierte <strong>Innovation</strong>sdienstleistungen 129<br />
5.3.4 Handlungsorientierte <strong>Innovation</strong>sdienstleistungen 131<br />
5.4 Wirkungen von <strong>Innovation</strong>sdienstleistungen auf die <strong>Innovation</strong>sfähigkeit 133<br />
5.4.1 Neuigkeitsgrad 133<br />
5.4.2 Komplexität 134<br />
5.4.3 Unsicherheit/Risiko 136<br />
5.4.4 Konfliktgehalt 137<br />
5.5 Zusammenfassende Konklusionen 137<br />
6 WISSENSBASIERTES MANAGEMENT VON INNOVATIONSPROZESSEN 139<br />
6.1 <strong>Innovation</strong> als Herausforderung für das strategische Management 140<br />
6.1.1 Marktorientierte Unternehmensstrategie 142<br />
6.1.2 Ressourcenorientierte Unternehmensstrategie 144<br />
6.1.3 Prozess der Strategieentwicklung 147<br />
6.1.4 <strong>Innovation</strong>sstrategie und Organisation 149<br />
iv
6.2 IDL im strategischen <strong>Innovation</strong>smanagement 153<br />
6.2.1 Ressourcenorientiertes <strong>Innovation</strong>smanagement 154<br />
6.2.2 Analyse der relativen Kompetenzstärke 157<br />
6.2.3 Entscheidungsgrundlage für das In-/Outsourcing von Kompetenzen 161<br />
6.2.4 Entscheidungsgrundlage für das In-/Outsourcing von Ressourcen 164<br />
6.3 Zur Gestaltung der Einbindung von <strong>Innovation</strong>sdienstleistungen 168<br />
6.3.1 Ablauf der IDL-Einbindung 168<br />
6.3.2 Managementaspekte beim IDL-Transfer 171<br />
6.4 Fallbeispiel – IDL in Produkt- und Prozessinnovation 180<br />
6.4.1 Ausgangssituation 182<br />
6.4.2 Gestaltung des IDL-Transfers 183<br />
6.4.3 Ergebnisse des IDL-Transfers 184<br />
6.5 Zusammenfassung 189<br />
7 AUSBLICK 191<br />
ANHANG 196<br />
Abbildungsverzeichnis 197<br />
Tabellenverzeichnis 199<br />
Literaturverzeichnis 200<br />
v
Einleitung 1<br />
1 Einleitung<br />
Die Tendenz zu noch rascherem Wandel, zur Erhöhung von Veränderungsge-<br />
schwindigkeiten hält nach wie vor an und betrifft alle Bereiche unserer Gesellschaft.<br />
In besonderer Weise gilt dies für Unternehmungen, denn dort verursacht die Dyna-<br />
mik im Unternehmungsumfeld eine entsprechende Dynamik in den Unternehmungen<br />
selbst (Wohinz, J.W.; Willfort, R.). 1 Die Feststellung „Das einzige, was konstant<br />
bleibt, ist die Veränderung“ klingt dramatisch, verdeutlicht aber die aktuelle Situation<br />
und Herausforderung für Unternehmungen.<br />
Die Globalisierung der Absatz- und Beschaffungsmärkte kann beispielhaft als eine<br />
von vielen gravierenden Veränderungen im Unternehmungsumfeld genannt werden.<br />
Unternehmungen, die schon bisher international tätig waren, haben bereits vor län-<br />
gerer Zeit gelernt, da<strong>mit</strong> umzugehen. Bei Unternehmungen, die sich vorrangig auf<br />
lokale Märkte konzentrieren - das sind zum Großteil kleinere und <strong>mit</strong>tlere Unternehmungen<br />
- kann die Globalisierung zu einer ernsthaften Bedrohung werden.<br />
Immer kürzere Produktlebenszyklen bei erhöhter Produktkomplexität werden zur<br />
Herausforderung des betrieblichen <strong>Innovation</strong>smanagements. Technologische Ent-<br />
wicklungen, vor allem in der Informations- und Kommunikationstechnologie, sind die<br />
Basis für viele dieser Veränderungen. Ob da<strong>mit</strong> auch die vielzitierte „explosionsartige<br />
Wissensvermehrung“ (Probst, G.; Raub, S.; Romhardt, K.) 2 verbunden ist, soll im<br />
Rahmen dieser Arbeit kritisch hinterfragt werden. Auf jeden Fall kann davon ausge-<br />
gangen werden, dass durch neue Technologien die globale Verbreitung von Daten<br />
über elektronische Medien erheblich verbessert worden ist (Becker, M.; Haberfellner,<br />
R.; Liebetrau, G.). 3<br />
1.1 Die Bedeutung von <strong>Innovation</strong>en in der Wissensgesellschaft<br />
Durch den raschen Wandel des Umfeldes wird die eigene Veränderungsbereitschaft<br />
laufend einer harten Prüfung unterzogen (Bleicher, K.). 4 Die Gestaltung unterneh-<br />
mungsinterner <strong>Innovation</strong>sprozesse kann heute als existenzentscheidender Erfolgs-<br />
¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯<br />
1 Vgl. Wohinz, J.W.; Willfort, R.: <strong>Innovation</strong>sdienstleistungen - Ein Outsourcing-Ansatz im <strong>Innovation</strong>sprozess,<br />
in: Seicht, G. (Hrsg.): JdR 2000, Wien 2000, S. 378<br />
2 Vgl. Probst, G.; Raub, S.; Romhardt, K.: Wissen managen, Frankfurt/Wiesbaden 1997, S. 21<br />
3 Vgl. Becker, M.; Haberfellner, R.; Liebetrau, G.: EDV-Wissen für Anwender - Das Informatik-<br />
Handbuch für die Praxis, 12. Auflage, Zürich 2000, S. 126<br />
4 Vgl. Bleicher, K.: Das Konzept Integriertes Management. Das St. Galler Management-Konzept, Band<br />
1, 5. Auflage, Frankfurt/New York 1999, S. 55
Einleitung 2<br />
faktor angesehen werden. „<strong>Innovation</strong>“ ist da<strong>mit</strong> nicht nur zu einem Modewort, son-<br />
dern zu einem zentralen Begriff zukunftsorientierter Unternehmungsführung gewor-<br />
den. Es geht längst nicht mehr um die Frage, ob <strong>Innovation</strong>en in einer Unterneh-<br />
mung durchgesetzt werden sollen; es geht vielmehr um die Frage, welche <strong>Innovation</strong>en<br />
wie bzw. wann möglichst erfolgreich realisiert werden können.<br />
<strong>Innovation</strong>sprozesse zu managen heißt heute nicht nur auf Veränderungen im Un-<br />
ternehmungsumfeld angemessen, zeitgerecht und zielgerichtet zu reagieren, son-<br />
dern der Zeit voraus zu sein und bei der Gestaltung der Zukunft aktiv und voraus-<br />
schauend <strong>mit</strong>zuwirken. Die <strong>Innovation</strong>sfähigkeit einer Unternehmung, die letztendlich<br />
durch die Veränderungsbereitschaft ihrer Mitarbeiter determiniert wird, kann heute<br />
als »die« Kernkompetenz jeder erfolgreichen Unternehmung gesehen werden.<br />
Mit jeder Veränderung sind Lernprozesse verbunden, die eine Anpassung an eine<br />
neue Situation erst ermöglichen. Das Unternehmensziel ist eine stets lernende Un-<br />
ternehmung, die <strong>Innovation</strong> von innen heraus als dauerhaften, organischen Prozess<br />
versteht und aktiv betreibt (vgl. Abbildung 1-1). „Organisationales Lernen“ wird da<strong>mit</strong><br />
zu einer wichtigen Zielsetzung von Unternehmungen. Die Grundlage dafür bildet die<br />
oft vernachlässigte <strong>Innovation</strong>sstrategie der Unternehmung als Teil des strategischen<br />
Unternehmungskonzeptes.<br />
Veränderung des<br />
Unternehmensumfeldes<br />
ORGANISATIONALES<br />
LERNEN<br />
Erlernen angepasster<br />
unternehmerischer Handlungen<br />
Abbildung 1-1: Kreislauf des organisationalen Lernens<br />
Eine Schlüsselrolle bei der Schaffung eines innovationsfreundlichen Klimas kommt<br />
der Unternehmenskultur zu. Sie muss allen Mitarbeitern die Unternehmungsziele<br />
ver<strong>mit</strong>teln und einen Sinn für ihre Mitarbeit geben. Voraussetzung dafür ist ein Füh-<br />
rungsstil, der ein motivierendes Umfeld schafft und da<strong>mit</strong> die Mitarbeiter zu innovati-<br />
ven Ideen und synergetischer Zusammenarbeit im Team anregt. Dadurch werden<br />
Kreativitätspotenziale in der Unternehmung freigesetzt und die Attraktivität der Unternehmung<br />
zur Gewinnung qualifizierter Mitarbeiter erhöht.
Einleitung 3<br />
Durch die Zunahme der Wissensintensität und der da<strong>mit</strong> verbundenen Spezialisie-<br />
rung gewinnen integrierte, vernetzte Managementansätze an Bedeutung. Verfolgt<br />
man die aktuelle Managementliteratur, so steht <strong>Wissensmanagement</strong> - die Führung<br />
von Unternehmungen unter dem Fokus Wissen - neben E-business an der Spitze der<br />
Management-Schwerpunkte. Das Wissen einer Unternehmung - die Wissensbasis -<br />
rückt da<strong>mit</strong> in den Mittelpunkt unternehmerischer Interventionen. Aus der Wissensbasis<br />
werden alle Aktivitäten und Prozesse in der Unternehmung gespeist.<br />
Durch diese Sichtweise rücken nach radikalen Managementkonzepten, wie z.B.<br />
Business Process Reengineering, die Mitarbeiter als „Wissensträger“ in den Mittel-<br />
punkt der Betrachtungen (Schneider, U.). 5 Unternehmungen, deren Börsenwert zum<br />
Großteil aus immateriellen Werten - dem sogenannten „Wissenskapital“ (North, K.) 6 -<br />
besteht, belegen diesen Umstand. Im <strong>Wissensmanagement</strong> werden Redundanzen<br />
nicht mehr kommentarlos eliminiert, sondern - im Gegenteil - bei Bedarf zielgerichtet<br />
aufgebaut, um nicht durch Fluktuation in den Kernbereichen der Unternehmung<br />
handlungsunfähig zu werden.<br />
Wissensintensive Wertschöpfung relativiert auch die Standortfrage und lässt<br />
Hochlohnländer, wie z.B. Österreich wieder attraktiv erscheinen. Vor allem Koopera-<br />
tionen werden immer wichtiger und lassen Unternehmungen einer Region näher zu-<br />
sammenrücken. Zahlreiche Cluster-Initiativen, wie z.B. der ACstyria (Autocluster Sty-<br />
ria), belegen diesen Trend, der da<strong>mit</strong> auch KMU‘s den Zugang zu neuen Märkten,<br />
aber auch zu komplementärem Wissen verschafft (Willfort, R.). 7<br />
1.1.1 Die Rolle der Informations- und Kommunikationstechnologie<br />
Globale Vernetzung wird im hohen Maße von <strong>Innovation</strong>en in der Informations- und<br />
Kommunikationstechnologie (IuK-Technologie) getragen (Reichwald, R.). 8 Erst da-<br />
durch wurde ein Austausch von Daten über weite Strecken hinweg in kurzer Zeit und<br />
noch dazu bei minimalen Transaktionskosten ermöglicht. Da<strong>mit</strong> wird die professio-<br />
nelle Nutzung neuer IuK-Technologien zu einer elementaren Kompetenz aller Mitar-<br />
beiter einer Unternehmung. IuK-Technologie unterstützt die Vernetzung auf sozialer<br />
Ebene auf effiziente Art und Weise und ist da<strong>mit</strong> eine „enabling technology“ für <strong>Wissensmanagement</strong><br />
und organisationale Lernprozesse.<br />
¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯<br />
5 Vgl. Schneider, U.: Reengineering und andere Managementmethoden: Vorüberlegungen zu einem<br />
temporären Ansatz der Organisation, in: Liebmann, H.-P. (Hrsg.): Vom Business Process Reengineering<br />
zum Change Management, Wiesbaden 1997, S. 189f<br />
6 Vgl. North, K.: Wissensorientierte Unternehmensführung, Wiesbaden 1998, S. 41<br />
7 Vgl. Willfort, R.: <strong>Innovation</strong> ist schöpferische Zerstörung ?!, in WING-business (1999)3, S. 4<br />
8 Vgl. Reichwald, R.: Telekooperation - Verteilte Arbeits- und Organisationsformen, Ber-<br />
lin/Heidelberg/New York 1998, S. 18
Einleitung 4<br />
Durch den verbesserten Zugang zu Daten über Internet, Intranet oder Extranet be-<br />
steht aber auch die Gefahr, dass die Benutzer dieser Systeme <strong>mit</strong> einer sprichwörtli-<br />
chen „Datenflut“ konfrontiert werden. Benutzer stehen zunehmend vor der Heraus-<br />
forderung aus dem enormen Angebot an Daten die (oft wenigen) brauchbaren her-<br />
auszufiltern, um daraus in Informationsprozessen neues Wissen generieren zu kön-<br />
nen (Schneider, U.). 9 Neue Software-Tools, wie Suchmaschinen und Email-Clients<br />
<strong>mit</strong> Filterfunktionen für unerwünschte Emails, können hier nur beschränkt Unterstützung<br />
bieten.<br />
Um diese Tatsache in den Griff zu bekommen, sind <strong>Wissensmanagement</strong>-Konzepte<br />
gefragt, die das Management von Wissen und das Management von Daten bzw. den<br />
Gebrauch neuer Technologien klar unterscheiden.<br />
1.1.2 Fokussierung auf Kernwissensgebiete<br />
Die zunehmende Spezialisierung in einzelne Wissenschaftszweige erhöht die Anzahl<br />
der Wissensgebiete. In einer Gegenüberstellung der Ausprägungen von Wissensge-<br />
bieten in den Jahren 1960 und 1992 wird dies anhand der Spezialisierung technologisch<br />
orientierter Wissensgebiete verdeutlicht (vgl. Abbildung 1-2).<br />
Abbildung 1-2: Spezialisierung in technologisch orientierten Wissensgebieten<br />
(Waldkirch, T.) 10<br />
¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯<br />
9 Vgl. Schneider, U.: Management in der wissensbasierten Unternehmung, in: Schneider, U. (Hrsg.):<br />
<strong>Wissensmanagement</strong>, Frankfurt a. M. 1996, S. 32<br />
10 Vgl. Waldkirch, T.: Technologietransfer, Vorlesungsunterlagen der ETH Zürich 1995, zitiert in: Brodbeck,<br />
H.; Birkenmeier, B.; Tschirky, H.: Neue Entscheidungsstrukturen des Integrierten Technologie-Managements,<br />
in: Die Unternehmung (1995)3, S. 111
Einleitung 5<br />
Die erforderliche Fokussierung auf wenige Kernwissensgebiete wird zu einer der<br />
strategischen Hauptaufgaben im betrieblichen <strong>Wissensmanagement</strong>. Die dadurch<br />
notwendig werdende Vernetzung <strong>mit</strong> anderen Unternehmungen, <strong>mit</strong> dem Ziel deren<br />
Kernwissensgebiete nutzen zu können, erfordert ein Umdenken in der Gestaltung<br />
von Kooperationen.<br />
Neben den externen Vernetzungen bieten aber auch interne Vernetzungen gute<br />
Möglichkeiten strategische Wissensvorteile zu erlangen. Diese Möglichkeiten stellen<br />
heute für viele Unternehmungen ungenutztes Potenzial dar. Die Bandbreite reicht<br />
vom informellen Austausch von Wissen bis zur Bildung von rechtlich verbindlichen<br />
Allianzen. Dabei gilt grundsätzlich: je größer die Organisation, desto wichtiger ist die<br />
interne Vernetzung, je kleiner, desto wichtiger ist die externe.<br />
Im betrieblichen <strong>Innovation</strong>smanagement scheint die Einbeziehung externer Res-<br />
sourcen bzw. externer Wissensquellen auf den ersten Blick eine eher kritische Maß-<br />
nahme zu sein. Die Gefahr des Wissensabflusses aus der Unternehmung und die<br />
Erhöhung der Abhängigkeit von anderen Organisationen sind Frage- und Problem-<br />
stellungen, die dabei zu Tage treten. Trotzdem ist eine zunehmende Vernetzung von<br />
Unternehmungen <strong>mit</strong> externen Partnern auch bei der Bewältigung von <strong>Innovation</strong>sprozessen<br />
zu beobachten.<br />
In einer empirischen Untersuchung, die an der Abteilung für Industriebetriebslehre<br />
und <strong>Innovation</strong>sforschung der Technischen Universität Graz durchgeführt wurde,<br />
konnten Hinweise für die steigende Relevanz der Nutzung externer Ressourcen im<br />
<strong>Innovation</strong>smanagement gewonnen werden. Zur Verdeutlichung der dabei gewonnen<br />
Erkenntnisse werden an dieser Stelle Ergebnisse der Studie auszugsweise vorgestellt.<br />
1.2 Angebot und Nachfrage von <strong>Innovation</strong>sdienstleistungen<br />
in der steirischen Industrie<br />
„<strong>Innovation</strong>sdienstleistungen für steirische Industriebetriebe - Eine Marktstudie zum<br />
Bedarfs- und Angebotspotenzial“ war der Titel einer quantitativen und qualitativen<br />
Erhebung über das Angebot an und die Nachfrage nach externen Ressourcen im<br />
<strong>Innovation</strong>smanagement (Wohinz, J.W.; Peritsch, M.; Willfort, R.). 11<br />
¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯<br />
11 Vgl. Wohinz, J.W.; Peritsch, M.; Willfort, R.: <strong>Innovation</strong>sdienstleistungen für steirische Industriebetriebe<br />
- Eine Marktstudie zum Bedarfs- und Angebotspotential, Technische Universität Graz 1998
Einleitung 6<br />
1.2.1 Der Begriff <strong>Innovation</strong>sdienstleistung<br />
Der im Rahmen dieser Studie geprägte Begriff der <strong>Innovation</strong>sdienstleistung (IDL)<br />
beschreibt eine spezifische Möglichkeit der Gestaltung von <strong>Innovation</strong>sprozessen<br />
unter Einbeziehung externer Kapazitäten. Für die Definition der <strong>Innovation</strong>sdienstlei-<br />
stung wird dabei auf den gängigen Begriff der Dienstleistung aufgebaut, bei dem in<br />
einer potenzialorientierten Betrachtung die Fähigkeit bzw. die Bereitschaft zur Erbringung<br />
von Leistungen im Vordergrund steht (Hilke, W.). 12<br />
Unter der Berücksichtigung weiterer konstitutiver Merkmale des Dienstleistungsbe-<br />
griffes nach Corsten 13 (Immaterialität der angebotenen Leistung, Vermarktung einer<br />
Fähigkeit, Einbeziehung eines externen Faktors) können <strong>Innovation</strong>sdienstleistungen<br />
folgendermaßen definiert werden (Wohinz, J.W.; Willfort, R.): 14<br />
Unter <strong>Innovation</strong>sdienstleistungen (IDL) werden spezifische Leistungspotenziale zur<br />
Unterstützung von <strong>Innovation</strong>sprozessen in Unternehmungen verstanden. Diese re-<br />
sultieren aus einer besonderen Fähigkeit eines Anbieters und werden von Unter-<br />
nehmungen im Rahmen von <strong>Innovation</strong>sprozessen extern bezogen.<br />
1.2.2 Ergebnisse der Untersuchung<br />
In Zusammenarbeit <strong>mit</strong> der Sektion Industrie der Wirtschaftskammer Steiermark<br />
wurden 40 Unternehmungen unterschiedlichster Branchen der in der Steiermark an-<br />
gesiedelten Industrie für die Erhebung des Bedarfspotenzials an <strong>Innovation</strong>sdienst-<br />
leistungen ausgewählt. Im Bereich der IDL-Anbieter wurde dieses auf das österrei-<br />
chische Bundesgebiet und teilweise auch in das angrenzende EU-Gebiet ausgedehnt.<br />
Es kamen zwei unterschiedliche Erhebungstechniken zur Anwendung, und zwar<br />
schriftliche Befragungen <strong>mit</strong>tels strukturierter Fragebögen und persönlich geführte<br />
Interviews in den Unternehmungen.<br />
¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯<br />
12<br />
Vgl. Hilke, W.: Grundprobleme und Entwicklungstendenzen des Dienstleistungs-Marketing, in: Corsten,<br />
H. (Hrsg.): Integratives Dienstleistungsmanagement, Wiesbaden 1994, S. 214<br />
13<br />
Vgl. Corsten, H.: Betriebswirtschaftslehre der Dienstleistungsunternehmungen, München 1990,<br />
S. 18<br />
14<br />
Vgl. Wohinz, J.W.; Willfort, R.: <strong>Innovation</strong>sdienstleistungen - Ein Outsourcing-Ansatz im <strong>Innovation</strong>sprozess,<br />
in: Seicht, G. (Hrsg.): JdR 2000, Wien 2000, S. 389
Einleitung 7<br />
Bei den Interviews wurden anhand von konkreten <strong>Innovation</strong>sprojekten die Erfahrun-<br />
gen der Unternehmungen abgefragt, analysiert, zu neuem Wissen aufbereitet und<br />
den Ergebnissen der Erhebung auf der IDL- Anbieterseite gegenübergestellt (vgl.<br />
Abbildung 1-3). Bei den untersuchten Projekten lag der Fokus auf Produkt- und Pro-<br />
zessinnovationen. Die aus den Recherchen gewonnenen Erkenntnisse wurden zu<br />
Handlungsempfehlungen für IDL-Anbieter, IDL-Nachfrager und für die Wirtschaftskammer<br />
in ihrer Rolle als IDL-Broker verdichtet.<br />
Neues<br />
Wissen<br />
Aufbereiten zu<br />
anwendbarem<br />
Wissen<br />
<strong>Innovation</strong>saktivitäten<br />
der Unternehmen<br />
✟ Wie komme ich effizient zu aktuellen<br />
✟ Technologien?<br />
✟ Wie komme ich zu den besten Informationen<br />
✟ zur Abschätzung der Marktchancen?<br />
✟ Wie finanziere ich am besten meine<br />
✟ <strong>Innovation</strong>sprojekte?<br />
✟ Wer hilft mir bei rechtlichen Problemen?<br />
✟ Wer unterstützt mich bei der Realisierung<br />
✟ meiner Projekte?<br />
✟ ...<br />
Analysieren<br />
Vergleichen<br />
Filtern<br />
Vorhandenes<br />
Wissen<br />
Aufnahme der<br />
<strong>Innovation</strong>saktivitäten<br />
Abbildung 1-3: Ablauf der qualitativen Erhebung auf der Nachfragerseite (Wohinz,<br />
J.W.; Peritsch, M.; Willfort, R.) 15<br />
In der Ausgangssituation dieser Marktstudie wurde vermutet, dass vor allem für die<br />
große Anzahl an kleinen und <strong>mit</strong>tleren Unternehmungen die Einbeziehung externer<br />
Kapazitäten in die <strong>Innovation</strong>saktivitäten von Bedeutung sein könnte. Diese Annah-<br />
me konnte durch die Studie bestätigt werden. Im Laufe der Untersuchung stellte sich<br />
aber heraus, dass auch <strong>mit</strong>tlere und größere Unternehmungen in sehr spezifischen<br />
Bereichen einen Bedarf an externen Ressourcen für die Bewältigung von <strong>Innovation</strong>sprozessen<br />
haben.<br />
¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯<br />
15 Vgl. Wohinz, J.W.; Peritsch, M.; Willfort, R.: <strong>Innovation</strong>sdienstleistungen für steirische Industriebetriebe<br />
- Eine Marktstudie zum Bedarfs- und Angebotspotential, Technische Universität Graz 1998,<br />
S. 11
Einleitung 8<br />
Als grundsätzliche Erkenntnisse von Seiten der Nachfrager konnten herausgearbeitet<br />
werden:<br />
? Bei allen befragten Unternehmungen konnten Bedarfspotenziale geortet werden<br />
? Das Interesse und der Umfang an <strong>Innovation</strong>sdienstleistungen hängt von der In-<br />
novationsbereitschaft in der Unternehmung ab<br />
? <strong>Innovation</strong>sschwache Unternehmungen bleiben auch in der Kontakt-Anbahnung<br />
zu IDL-Anbietern passiv<br />
? Der Erfolg von IDL-Transfers hängt sehr stark von den bisherigen Erfahrungen<br />
der beteiligten Partner im Projektmanagement ab<br />
Problemfelder<br />
Aus den persönlichen Interviews <strong>mit</strong> den <strong>Innovation</strong>sverantwortlichen in den Unter-<br />
nehmungen konnten neun typische Problemfelder im betrieblichen <strong>Innovation</strong>smanagement<br />
abgeleitet werden:<br />
? Strategische Ausrichtung<br />
? Identifikation von Marktchancen<br />
? Identifikation von Technologiechancen<br />
? Finanzierung von <strong>Innovation</strong>saktivitäten<br />
? Vermarktung von Produkten<br />
? Gewerbliche Schutzrechte<br />
? Prozessinnovationen<br />
? Technologie- und Methodentransfer<br />
? Schaffung von Personalressourcen<br />
In diesen neun Problemfeldern wurden neben dem Bedarf an <strong>Innovation</strong>sdienstlei-<br />
stungen unterschiedliche Ausprägungsformen von Verhaltensweisen im Umgang <strong>mit</strong><br />
Anbietern von <strong>Innovation</strong>sdienstleistungen aufgezeigt. Der Maßstab für die Differen-<br />
zierung der Verhaltensweisen war die Intensität <strong>mit</strong> der externe Ressourcen im <strong>Innovation</strong>smanagement<br />
gesucht und in <strong>Innovation</strong>sprojekte einbezogen wurden.<br />
Als ein wesentlicher Aspekt im Problemfeld „Strategische Ausrichtung“ konnte z.B.<br />
die Einschätzung von Kooperationen im <strong>Innovation</strong>sbereich identifiziert werden.<br />
Abbildung 1-4 zeigt beispielhaft die beobachteten Verhaltensformen von Unternehmungen<br />
bei strategischen Entscheidungen im <strong>Innovation</strong>smanagement.
Einleitung 9<br />
Einschätzung von von Kooperationen Kooperationen<br />
Geringe Intensität<br />
Der erste Weg, um einen Partner zu<br />
finden, führt zu den eigenen<br />
Interessensvertretungen; führt dieser<br />
Weg nicht zum Ziel, gibt man die<br />
Suche auf.<br />
Kooperation führt zu Wissens-<br />
Abfluss; nur wir selbst sind in der<br />
Lage, unsere Probleme zu lösen;<br />
was man selbst nicht machen<br />
kann, unterlässt man besser.<br />
Die Beteiligung an einem Unternehmensnetzwerk<br />
oder Verband ermöglicht den<br />
unkomplizierten Zugang zu Dienstleistungen<br />
und Wissen und stärkt die<br />
eigene Verhandlungsposition gegenüber<br />
den Kunden.<br />
Kooperationen werden gesucht und<br />
gepflegt; keine Anstrengung ist zu<br />
groß, um einen entsprechenden<br />
Partner zur gemeinsamen Problemlösung<br />
zu finden.<br />
Hohe Intensität<br />
Abbildung 1-4: Typische Verhaltensformen im Bereich „Strategische Ausrichtung“<br />
Häufigkeit der Nutzung von <strong>Innovation</strong>sdienstleistungen<br />
Grundsätzlich konnte festgestellt werden, dass der Zugang zu <strong>Innovation</strong>sdienstlei-<br />
stungen in der Kategorie Technologie von den Nachfragern am häufigsten genutzt<br />
wird. In Abbildung 1-5 sind die Häufigkeiten der in Anspruch genommenen Innovati-<br />
onsdienstleistungen in den sechs Kategorien dargestellt. Diese Übersicht untermau-<br />
ert die These, dass die Einbindung von externen Ressourcen durch die Komplexität<br />
von Technologien und durch fehlende Kapazitäten für viele Unternehmungen zur<br />
Notwendigkeit geworden ist.<br />
120<br />
100<br />
80<br />
60<br />
40<br />
20<br />
0<br />
Technologie<br />
Finanzierung<br />
Innov.mgt<br />
Abbildung 1-5: Häufigkeit der in Anspruch genommenen IDL in den Kategorien<br />
Markt<br />
Recht<br />
Broker
Einleitung 10<br />
Im Feld der Technologie sind Universitäten und Ingenieurbüros <strong>mit</strong> den <strong>Innovation</strong>s-<br />
dienstleistungen Forschung, Entwicklung und Prüfen die erste Adresse für IDL-<br />
Nachfrager. Die Häufigkeit der Kontakte zu Anbietern von <strong>Innovation</strong>sdienstleistun-<br />
gen hat die hohe Relevanz von öffentlich-rechtlichen Organisationen in diesem Zu-<br />
sammenhang aufgezeigt. Die Wirtschaftskammer als <strong>Innovation</strong>sdienstleister, gefolgt<br />
von Universitäten, wurde in dieser Untersuchung am häufigsten kontaktiert (vgl.<br />
Abbildung 1-6).<br />
WK, (inkl. WIFI)<br />
Universitäten<br />
Banken<br />
Außeruniv. Forschungsinstitute (JR,FZS)<br />
Ingenieurbüros oder technische Berater<br />
Lieferanten<br />
Steirische Wirtschaftsförderung<br />
Rechtsanwälte<br />
FFF<br />
Marketing-Berater<br />
Fachhochschulen<br />
Fachverlage<br />
Patentämter<br />
<strong>Innovation</strong>sagentur<br />
Management-Berater<br />
Schulungsinstitute<br />
Kooperationsplattformen<br />
Technologie- und <strong>Innovation</strong>szentren<br />
Sonstige<br />
0<br />
10 20 30 40 50 60<br />
Anzahl der Nennungen<br />
Abbildung 1-6: Häufigkeit der Kontakte zu <strong>Innovation</strong>sdienstleistern
Einleitung 11<br />
Zusätzliche Eindrücke und Konklusionen<br />
Aus den Interviews konnten auch Eindrücke über bisherige Erfahrungen und Pro-<br />
bleme der Unternehmungen <strong>mit</strong> <strong>Innovation</strong>sdienstleistern gewonnen werden. Nach-<br />
folgend sollen diese Eindrücke anhand einiger Originalaussagen wiedergegeben<br />
werden:<br />
„... Wir kumman aus an Graben aussa und do drinan san mas g´wohnt jed´n Sch...<br />
selbst zu lösen... wir sind gelegentlich a biss´l potschert im Umgang <strong>mit</strong> externen<br />
Strukturen ...“ 16<br />
„... mein Gedanke ist, wir sind ja oft schon sehr betriebsblind und übersehen viel-<br />
leicht etwas; es wäre gut wenn vielleicht jemand von außen hereinkommen würde<br />
und uns auf gewisse Sachen aufmerksam macht ...“ 17<br />
„... Es fehlt die Akzeptanz, in Betrieben wie dem unseren ... die jetzige Generation an<br />
Know-How-Trägern hat eine gewisse Abneigung gegen Theorie, hat auch a gewisse<br />
Abneigung gegen Institute wie Universitäten ... und ist eher dazu geneigt, denen zu<br />
beweisen, dass des net wahr ist, was die sagen ...“ 18<br />
... nachdem ich ein bisschen Erfahrung auf diesem Gebiet habe, kann ich Ihnen sa-<br />
gen: ein Unternehmensberater, ein Betriebsberater ist nur so gut, wie ich diese<br />
Quelle nutzen kann ...“ 19<br />
„... externe Dienstleister brauchen zu lange bis sie den Blick haben, da<strong>mit</strong> Sie aktiv<br />
ins Geschehen eingreifen können...“ 20<br />
„... Sie schaffen es nicht, dass Sie zwei Universitätsinstitute so zusammenbringen,<br />
dass sie gemeinsam an einem Projekt <strong>mit</strong> uns arbeiten ...“ 21<br />
„... bei Entwicklungsprojekten wird vom Projektmanager nur dieses eine Projekt be-<br />
treut, weil wir draufgekommen sind, dass gute Koordination unheimlich viel Geld sparen<br />
kann ...“ 22<br />
Während der Überblick über IDL-Anbieter und über die Konkurrenz in den eigenen<br />
Wissensgebieten in der Regel recht gut ist, konnte im Rahmen der Untersuchung<br />
¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯<br />
16 Aussage eines Interviewpartners aus der Holzindustrie<br />
17 Aussage eines Interviewpartners aus der Elektro- und Elektronikindustrie<br />
18 Aussage eines Interviewpartners aus der Metallindustrie<br />
19 Aussage eines Interviewpartners aus der Metallindustrie<br />
20 Aussage eines Interviewpartners aus der Maschinenbau-Branche<br />
21 Aussage eines Interviewpartners aus der Papierindustrie<br />
22 Aussage eines Interviewpartners aus dem Anlagenbau
Einleitung 12<br />
festgestellt werden, dass die Suche nach geeigneten Partnern in unternehmens-<br />
fremden Wissensgebieten sich als sehr schwierig herausstellt. In diesen Fällen ist<br />
der Weg zu Ver<strong>mit</strong>tlern von <strong>Innovation</strong>sdienstleistungen eine Möglichkeit, um geeignete<br />
Partner zu finden.<br />
Neben der Befragung der Nachfrager wurden auch auf Seite der IDL-Anbieter Unter-<br />
suchungen in der Form von Interviews durchgeführt. Die Ergebnisse dieser Erhe-<br />
bungen wurden in Anbieterübersichten und Empfehlungen für die Kooperationsgestaltung<br />
zusammengefasst.<br />
Durch die quantitative und geographische Begrenzung des Untersuchungs-Samples<br />
können aus den Ergebnissen der Studie keine statistisch abgesicherten allgemein-<br />
gültigen Aussagen abgeleitet werden. Im Vergleich zu rein quantitativen Untersu-<br />
chungen konnte aber durch die qualitativen Interviews in den Unternehmungen der<br />
direkte Zugang zu den Wissensträgern hergestellt werden. Da<strong>mit</strong> konnte während<br />
des Interviews der oft fehlende Kontext gemeinsam <strong>mit</strong> dem Gesprächspartner auf-<br />
gebaut werden. Das war vor allem bei der Abgrenzung des Begriffs der <strong>Innovation</strong><br />
sehr wertvoll.<br />
Die Ergebnisse dieser Studie gaben den Anstoß für die in dieser Arbeit behandelte<br />
Problemstellung. Diese soll im nachfolgenden Abschnitt konkretisiert werden.<br />
1.3 Konkretisierung der behandelten Problemstellung<br />
Anhand der bisherigen Ausführungen kann als Basis für die Konkretisierung der Problemstellung<br />
folgende Argumentationskette aufgebaut werden:<br />
? Die hohe Dynamik im Unternehmungsumfeld impliziert <strong>Innovation</strong>saktivitäten in<br />
den Unternehmungen<br />
? <strong>Innovation</strong>saktivitäten können leichter bewältigt werden, wenn eine starke<br />
Schwerpunktsbildung in der Unternehmung erfolgt<br />
? Die Konzentration auf unternehmerische Kernkompetenzen führt zum<br />
Outsourcing von Aktivitäten<br />
? Diese Spezialisierung hat zur Folge, dass die Wissensbasis einer Unternehmung<br />
auf wenige wichtige Wissensgebiete konzentriert werden kann<br />
? Der unternehmerische Erfolg hängt in zunehmendem Maße von der erfolgreichen<br />
„Bewirtschaftung“ der eigenen Kernkompetenzen und Wissensgebiete ab<br />
? Die Bewirtschaftung von Wissensgebieten - das <strong>Wissensmanagement</strong> - sollte<br />
zum Ziel haben, das Zusammenspiel von intern verfügbaren Wissensgebieten<br />
und extern angebotenen Wissensinhalten zu bewerkstelligen
Einleitung 13<br />
? <strong>Innovation</strong>sdienstleistungen sind Wissensinhalte, die zur Unterstützung der Bewältigung<br />
von <strong>Innovation</strong>sprozessen extern bezogen werden<br />
Da der Transfer von <strong>Innovation</strong>sdienstleistungen und das Management von Wissen<br />
offensichtlich eng <strong>mit</strong>einander verknüpft sind, soll der Schwerpunkt dieser Arbeit auf<br />
die wissensbasierte Gestaltung von <strong>Innovation</strong>sprozessen gelegt werden. Für die<br />
weitere Arbeit sind daher vorerst folgende Fragestellungen von zentraler Bedeutung:<br />
? Wie können <strong>Innovation</strong>s- und <strong>Wissensmanagement</strong> in Verbindung gebracht werden?<br />
? Welche Auswirkungen hat <strong>Wissensmanagement</strong> auf die <strong>Innovation</strong>sfähigkeit von<br />
Unternehmungen?<br />
? Kann der Transfer von <strong>Innovation</strong>sdienstleistungen durch <strong>Wissensmanagement</strong><br />
unterstützt werden?<br />
Die Klärung dieser Fragestellungen soll die Basis für eine wissensorientierte Gestal-<br />
tung der Einbindung externer Leistungspotenziale in der Form von <strong>Innovation</strong>s-<br />
dienstleistungen schaffen. In weiterer Folge soll ein konkreter Gestaltungsansatz zur<br />
Einbindung von <strong>Innovation</strong>sdienstleistungen in unternehmerische <strong>Innovation</strong>sprozesse<br />
entwickelt werden.<br />
1.3.1 Positionierung der Arbeit im Grazer Modell für industrielles Management<br />
Die Einordnung der vorliegenden Arbeit in bestehende Management-Konzepte soll<br />
am Beispiel des Grazer Modells für Industrielles Management skizziert werden.<br />
Wenngleich die Arbeit nicht speziell für die Gestaltung von <strong>Innovation</strong>sprozessen in<br />
Industrieunternehmungen ausgelegt wurde, besteht darin eine gute Möglichkeit zur<br />
Visualisierung der wesentlichen Inhalte und Themenschwerpunkte. Es zeigt eine ge-<br />
dankliche Rahmenstruktur für die wissenschaftliche Auseinandersetzung <strong>mit</strong> Problemstellungen<br />
der betrieblichen Praxis auf (Wohinz, J.W.). 23<br />
Das Grazer Modell für Industrielles Management bildet die aktuelle Situation im Indu-<br />
striellen Management in seiner netzwerkartigen Struktur ab und trägt durch seinen<br />
dynamischen Aufbau auch der Anforderung Rechnung, zukunftsorientierte Entwick-<br />
lungen <strong>mit</strong> einbeziehen zu können. In der aktuellen Ausprägung wird der grundsätzli-<br />
¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯<br />
23 Vgl. Wohinz, J.W.: Das Grazer Modell für Industrielles Management, INDUSCRIPT, Technische<br />
Universität Graz 1999/2000, S. 7
Einleitung 14<br />
che Aufbau innerhalb der Netzwerk-Struktur durch Module in drei unterschiedlichen<br />
Kategorien gebildet, die in drei konzentrisch angeordneten Zonen zusammengefasst<br />
werden:<br />
? Basismodule, als Ausdruck der gedanklichen Grundlagen des Industriellen Ma-<br />
nagements; sie bilden die Kernzone.<br />
? Funktionsmodule, als Ausdruck der unterschiedlichen funktionalen Schwerpunkte<br />
im Industriellen Management; sie sind in der Differenzierungszone zusammen-<br />
gefasst.<br />
? Kooperationsmodule, als Ausdruck der funktionsübergreifenden Ansätze zur Zu-<br />
sammenarbeit im Industriellen Management; sie sind in der Integrationszone zu-<br />
sammengefasst.<br />
Projekt-<br />
Management<br />
Funktionsmodule<br />
(Differenzierungszone)<br />
Anlagen-Mgt. Material-Mgt. Energie- u.<br />
Umwelt-Mgt.<br />
Marketing-Mgt.<br />
Produktions-Mgt.<br />
Prozess-<br />
Management<br />
Qualitäts-Mgt.<br />
Basismodule<br />
(Kernzone)<br />
Cost-Mgt./<br />
Controlling<br />
<strong>Innovation</strong>s-Mgt.<br />
Informations-Mgt.<br />
Personal-Mgt.<br />
Generic-<br />
Management<br />
Effizienz-Mgt.<br />
Wissens-<br />
Management<br />
Abbildung 1-7: Schwerpunkte der Arbeit im Grazer Modell für Industrielles Management<br />
(Wohinz, J.W.) 24<br />
In Abbildung 1-7 wird die Einbettung der Arbeit in dieses Grazer Modell für Industri-<br />
elles Management dargestellt. Dazu werden ausgehend von den Basismodulen des<br />
¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯<br />
24 Vgl. Wohinz, J.W.: Das Grazer Modell für Industrielles Management, INDUSCRIPT, Technische<br />
Universität Graz 1999/2000, S. 12
Einleitung 15<br />
Modells Schwerpunkte im strategischen und im operativen Management gesetzt.<br />
Darauf aufbauend werden in der Differenzierungs-Zone vom funktionalen Schwer-<br />
punkt <strong>Innovation</strong>smanagement aus auch die Module Informations- und Personalmanagement<br />
abgedeckt.<br />
Die Module Cost-Management/Controlling, Effizienz-Management, Produktions-<br />
Management und Qualitätsmanagement werden durch die Arbeit zwar tangiert, bilden<br />
aber keine besonderen Schwerpunkte.<br />
In der vorliegenden Arbeit sind die in der Integrationszone angeordneten Kooperati-<br />
onsmodule, <strong>mit</strong> denen über die einzelnen Funktionsmodule hinweg die Zusammen-<br />
arbeit unterstützt bzw. verstärkt werden kann, von besonderer Bedeutung. Sie zeigen<br />
mögliche Ansätze zur Überwindung von Barrieren auf, die aus einer stark angelegten<br />
Differenzierung entstehen können. Insbesondere sind dies die Kooperationsmodule<br />
Prozess- und <strong>Wissensmanagement</strong>.<br />
1.3.2 Wissenschaftliche Methodik der Arbeit<br />
Im Rahmen dieser Arbeit wurde eine Plattform zum Austausch von Wissen auf wis-<br />
senschaftlicher Ebene unter Einbindung von Partnern aus der betrieblichen Praxis<br />
<strong>mit</strong>gestaltet. Die wissenschaftliche Arbeit <strong>mit</strong> starker Fokussierung auf den Praxisbe-<br />
zug hat sich vor allem im noch relativ neuen Themengebiet des <strong>Wissensmanagement</strong>s<br />
als vorteilhaft erwiesen.<br />
Wissenschaftstheoretisch betrachtet kann ein derartiger Ansatz dem Konzept des<br />
„Frameworking“ zugeordnet werden (Porter, M.E.). 25 Frameworking als eine mögliche<br />
Form der wissenschaftlichen Arbeit baut auf die Verbindung von deduktiv gebildeten<br />
Modellen und induktiv gewonnenen Einsichten aus eigenen empirischen Beobachtungen,<br />
um daraus neue Erkenntnisse zu gewinnen.<br />
Methodologisch wird <strong>mit</strong> der Bildung von Frameworks nicht der Anspruch erhoben,<br />
einen schlüssigen, eindeutigen Erklärungsversuch zu liefern, wie es bei Modellen der<br />
Fall ist (vgl. Tabelle 1-1). Dies wäre in Anbetracht der immensen Komplexität des<br />
hier behandelten Untersuchungsfeldes ein vermessenes Ziel. Ein solches „Frame-<br />
work“ bildet vielmehr einen provisorischen, theoretischen Bezugsrahmen, der zum<br />
Ziel hat, Annahmen, Einsichten, Interpretationsmuster und Konzepte verschiedener<br />
Fachdisziplinen zum Untersuchungsgegenstand systematisch zu sammeln und zu<br />
strukturieren.<br />
¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯<br />
25 Vgl. Porter, M.E.: Towards a Dynamic Theory of Strategy, in: Strategic Management Journal,<br />
Vol. 12, Special Issue Winter 1991, S. 97ff
Einleitung 16<br />
Modellbildung (Williamson) „Frameworking“ (Porter)<br />
Vielzahl von engen Teilmodellen für spezifische<br />
Situationen<br />
Set von Tools für eine breite Fragestellung<br />
strenge Annahmen als Basis relevante Fragen als Basis<br />
beschränkte Komplexität (wenige Variablen<br />
und da<strong>mit</strong> wenig Verknüpfungen)<br />
eindeutige Aussagen mögliche Antworten<br />
große Komplexität (Vielzahl von Variablen<br />
und deren vielfältige Vernetzung)<br />
ex post Rationalisierungen ex ante Handlungsanweisungen<br />
Tabelle 1-1: Gegenüberstellung von Modellbildung und Frameworking (Osterloh, M.;<br />
Grand, S.) 26<br />
Das Betätigungsfeld, das die vorliegende Arbeit geprägt hat, wird in Abbildung 1-8<br />
skizziert. Neben der laufenden Diskussion <strong>mit</strong> Kollegen aus der wissenschaftlichen<br />
Forschung und Industrie wurden zahlreiche Praxisprojekte zum vorliegenden Thema<br />
begleitet. Recherchen im Internet, insbesondere im World Wide Web, und die Aufarbeitung<br />
von Literatur können als weitere Quellen dieser Arbeit genannt werden.<br />
Projekt: Produkt-<br />
und Prozessinnovation<br />
Betreuung div.<br />
Diplomarbeiten<br />
Projekt: Marktstudie für<br />
<strong>Innovation</strong>sdienstleistungen<br />
<strong>Wissensmanagement</strong><br />
Forum<br />
Spezifische<br />
Literaturanalyse<br />
Arbeitsfeld:<br />
<strong>Innovation</strong>sdienstleistungen<br />
und<br />
<strong>Wissensmanagement</strong><br />
Abbildung 1-8: Wissensquellen der vorliegenden Arbeit<br />
Internet-<br />
Recherchen<br />
Industriewissenschaftliches<br />
Seminar<br />
Industriearbeitskreis<br />
<strong>Wissensmanagement</strong><br />
¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯<br />
26 Osterloh, M.; Grand, S.: Modellbildung versus Frameworking: Die Positionen von Williamson und<br />
Porter, in: Wächter, Hartmut (Hrsg.): Selbstverständnis betriebswirtschaftlicher Forschung und Lehre,<br />
Wiesbaden 1995, S. 17f
Einleitung 17<br />
1.3.3 Struktur der Arbeit<br />
Die in Abbildung 1-9 dargestellte Kapitelgliederung zeigt die Struktur der vorliegen-<br />
den Arbeit. Es wurde eine Struktur <strong>mit</strong> insgesamt sieben Kapiteln gewählt, die lo-<br />
gisch aufeinander aufbauen. Ausgehend von der Beschreibung von Ausgangsituati-<br />
on, Problemstellung und Zielen werden im Kapitel 2 die wesentlichen Begriffe der<br />
Arbeit, insbesondere der Begriff <strong>Innovation</strong>sfähigkeit definiert und abgegrenzt.<br />
Kap. 2<br />
Grundlagen<br />
<strong>Innovation</strong>sfähigkeit<br />
Forschungsansatz<br />
<strong>Innovation</strong>sdienstleistungen<br />
Einführung in die Problemstellung<br />
Formulierung d. Forschungsfragen<br />
Spezielle Zielsetzung<br />
der Arbeit<br />
Wissensbasiertes Management<br />
von <strong>Innovation</strong>sdienstleistungen<br />
Ausblick<br />
Grundlagen<br />
<strong>Wissensmanagement</strong><br />
Kap. 5 Kap. 4<br />
Abbildung 1-9: Struktur der Arbeit<br />
Forschungsansatz<br />
<strong>Wissensmanagement</strong><br />
Der Begriff Wissen wird im Kapitel 3 einer Detailanalyse unterzogen. Dazu werden<br />
auf systemtheoretischer Basis ausgewählte modelltheoretische Grundlagen bespro-<br />
chen. Dabei werden neurophysiologische Grundlagen, unterschiedliche Gehirnmo-<br />
delle und darauf aufbauend die biologische und konstruktivistische Wissenstheorie<br />
besprochen.<br />
Kap. 1<br />
Kap. 3<br />
Kap. 6<br />
Kap. 7<br />
Kap. 3
Einleitung 18<br />
Die Analyse dieser Modelle und Wissenstheorien aus unterschiedlichsten Fachdiszi-<br />
plinen liefert wichtige Anhaltspunkte für den in Kapitel 4 erarbeiteten Bezugsrahmen<br />
zur Analyse und Gestaltung von Wissenssystemen. In diesem Bezugsrahmen werden<br />
die wesentlichen Erkenntnisse aus den vorangegangen Kapiteln vereinigt.<br />
Im Kapitel 5 wird dieser Bezugsrahmen zur Analyse von <strong>Innovation</strong>sdienstleistungen<br />
und zur Erarbeitung von Gestaltungsvorschlägen für den IDL-Transfer eingesetzt.<br />
Anhand des 6. Kapitels werden im Rahmen einer ressourcenorientierten Innovati-<br />
onsstrategie die Möglichkeiten der organisatorischen Einbettung von <strong>Innovation</strong>s-<br />
dienstleistungen in unternehmerische <strong>Innovation</strong>sprozesse in Theorie und Praxis<br />
vorgestellt.<br />
Eine Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse und ein Ausblick runden die Arbeit<br />
ab.
Grundlagen der unternehmerischen <strong>Innovation</strong>sfähigkeit 19<br />
2 Grundlagen der unternehmerischen<br />
<strong>Innovation</strong>sfähigkeit<br />
Wissen ist die bedeutendste Ressource für <strong>Innovation</strong>sprozesse. Durch die zuneh-<br />
mende <strong>Innovation</strong>sdynamik rückt da<strong>mit</strong> das Wissen in den Mittelpunkt der unternehmerischen<br />
Leistungserstellung.<br />
„Der Wertzuwachs entsteht heute aus der »Produktivität« und der »<strong>Innovation</strong>«. Bei-<br />
de bedeuten die Anwendung von Wissen auf die Arbeit.“ (Drucker, P.) 27<br />
In manchen Publikationen wird Wissen sogar als vierter Produktionsfaktor neben den<br />
bekannten Produktionsfaktoren Arbeit, Werkstoffe und Betriebs<strong>mit</strong>tel eingeführt<br />
(Stewart, T.A.). 28 <strong>Innovation</strong>sprozesse unter dem Fokus „Wissen“ zu betrachten,<br />
führt zu neuen oder bisher vernachlässigten Gestaltungsmaßnahmen für das Mana-<br />
gement von <strong>Innovation</strong>sprozessen in Unternehmungen. Konkrete Möglichkeiten zu<br />
einer wissensbasierten Gestaltung werden in den weiteren Ausführungen entwickelt<br />
und beschrieben.<br />
Als Voraussetzung zur Entwicklung und Anwendung von neuem Wissen sind beson-<br />
dere Fähigkeiten und Einstellungen erforderlich, die unter der Bezeichnung Innovati-<br />
onsfähigkeit zusammengefasst werden können. Die Problematik, die <strong>mit</strong> der wissen-<br />
schaftlichen Diskussion der behandelten Themenstellung verbunden ist, ergibt sich<br />
aus einer Unschärfe in den Definitionen der zwei wichtigsten Begriffe für diese Arbeit:<br />
Wissen und <strong>Innovation</strong>.<br />
In diesem Grundlagenkapitel wird daher als grundsätzliches Erfordernis für die weite-<br />
re wissenschaftliche Arbeit eine Präzisierung der verwendeten Begriffe vorgenom-<br />
men. Dies soll vor allem dazu dienen, Ver<strong>mit</strong>tlungs- und Verständigungsprobleme im<br />
weiteren wissenschaftlichen Diskussionsprozess zu reduzieren (Bierfelder, W.H.). 29<br />
Es kann und soll hier kein Anspruch auf die Vollständigkeit der Darstellungen erho-<br />
ben werden. Vielmehr geht es darum, aus dieser Bandbreite an Verwendungsmög-<br />
lichkeiten von bestimmten Begriffen für diese Arbeit sinnvolle herauszufiltern und<br />
vorzustellen.<br />
¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯<br />
27<br />
Drucker, P.: Die postkapitalistische Gesellschaft, Düsseldorf 1993, S. 19<br />
28<br />
Stewart, T.A.: Der vierte Produktionsfaktor: Wachstum und Wettbewerbsvorteile durch <strong>Wissensmanagement</strong>,<br />
München/Wien 1998<br />
29<br />
Vgl. Bierfelder, W.H.: <strong>Innovation</strong>smanagement, 3. Auflage, München/Wien 1994, S. 32
Grundlagen der unternehmerischen <strong>Innovation</strong>sfähigkeit 20<br />
2.1 Der Begriff Management<br />
Der Begriff „Management“ wurde schon in zahlreichen wirtschaftswissenschaftlichen<br />
Publikationen hinreichend definiert. Für diese Arbeit wird der Begriff des industriellen<br />
Managements in Anlehnung an das Konzept für Integriertes Management nach Bleicher<br />
in die folgenden drei Hauptfunktionen unterteilt (vgl. Abbildung 2-1):<br />
Gestaltung Lenkung Entwicklung<br />
eines institutionellen<br />
Rahmens, der<br />
es ermöglicht, eine<br />
handlungsfähige<br />
Ganzheit über ihre<br />
Zweckerfüllung<br />
überlebens- und<br />
entwicklungsfähig<br />
zu erhalten<br />
Management<br />
durch das Bestimmen<br />
von Zielen und<br />
das Festlegen, Auslösen<br />
und Kontrollieren<br />
von zielgerichteten<br />
Aktivitäten des<br />
Systems und seiner<br />
Elemente<br />
Abbildung 2-1: Die Funktionen des Managements nach Bleicher 30<br />
? Gestaltung<br />
ist teils das Ergebnis<br />
von GestaltungsundLenkungsprozessen<br />
im Zeitablauf,<br />
teils erfolgt sie<br />
in sozialen Systemen<br />
eigenständig<br />
evolutorisch durch<br />
integratives Erlernen<br />
von Wissen, Können<br />
und Einstellung<br />
bedeutet die Festlegung eines Rahmens, der die Ausbildung von Entwicklungsfähigkeiten<br />
ermöglicht.<br />
? Lenkung<br />
beinhaltet das Ausformulieren von Zielen und das Festlegen, Auslösen und Kontrollieren<br />
von zielgerichteten Aktivitäten des jeweiligen Systems und seiner Elemente.<br />
? Entwicklung<br />
umfasst insbesondere das Einleiten und Bewältigen von Veränderungsprozessen.<br />
¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯<br />
30 Vgl. Bleicher, K.: Das Konzept Integriertes Management. Das St. Galler Management-Konzept,<br />
Bd.1, 5. Auflage, Frankfurt/New York 1999, S. 54
Grundlagen der unternehmerischen <strong>Innovation</strong>sfähigkeit 21<br />
In diesem Modell werden zusätzlich drei Management-Ebenen unterschieden, in denen<br />
diese Funktionen Anwendung finden:<br />
? Die Ebene des normativen Managements<br />
Diese beschäftigt sich <strong>mit</strong> den generellen Zielen der Unternehmung, <strong>mit</strong> Prinzipien,<br />
Normen und Spielregeln, die Voraussetzung für die Lebens- und Entwicklungsfähig-<br />
keit der Unternehmung sind. Die Unternehmung soll nicht nur lebensfähig sein und<br />
ihre Identität bewahren können, sondern sie muss auch über die Voraussetzungen<br />
für ihre eigene Weiterentwicklung verfügen.<br />
? Die Ebene des strategischen Managements<br />
Sie ist auf den Aufbau, die Pflege und die Nutzung von Erfolgspositionen und Er-<br />
folgspotenzialen gerichtet, für die Ressourcen eingesetzt werden müssen. Dabei<br />
kommt der Fähigkeit, neue Potenziale zu identifizieren und zu erschließen, besondere<br />
Bedeutung zu.<br />
? Die Ebene des operativen Managements<br />
Auf dieser Ebene werden die normativen und strategischen Vorgaben in entsprechende<br />
Prozesse umgesetzt und da<strong>mit</strong> die Unternehmungsentwicklung gelenkt.<br />
Aufbauend auf den Begriff Management kann der Begriff und die Funktion des Ma-<br />
nagers definiert werden. Ein Manager wurde früher unter dem Gesichtspunkt gese-<br />
hen, dass er vor allem für die Arbeit und Leistung seiner Mitarbeiter verantwortlich<br />
ist. Der Manager war da<strong>mit</strong> der Chef, und Management bedeutete vor allem Rang<br />
und Macht zu haben.<br />
Durch neue Formen der Organisation und Zusammenarbeit verliert diese Definition<br />
zunehmend an Bedeutung. Eine zeitgemäße Definition könnte im Sinne von Drukker<br />
31 daher lauten:<br />
„Ein Manager ist verantwortlich für die Anwendung und Produktivität von Wissen.“<br />
Auch die Trennung in Arbeitnehmer und Arbeitgeber findet in der wissensorientierten<br />
Unternehmungsführung immer weniger Platz. Mitarbeiter sind nicht als Arbeitkraft zu<br />
sehen, sondern werden unter dem Gesichtspunkt „Wissen“ zu Mitdenkern. Die kör-<br />
perliche Komponente der Arbeit tritt da<strong>mit</strong> in den Hintergrund. Gesucht ist weniger<br />
die „Arbeitskraft“, sondern die „Arbeitsintelligenz“ (North, K.). 32<br />
¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯<br />
31 Drucker, P.: Die postkapitalistische Gesellschaft, Düsseldorf 1993, S. 73<br />
32 Vgl. North, K.: Wissensorientierte Unternehmensführung, Wiesbaden 1998, S. 119
Grundlagen der unternehmerischen <strong>Innovation</strong>sfähigkeit 22<br />
Der Begriff Management wird in den weiteren Ausführungen synonym für Gestaltung,<br />
Lenkung und Entwicklung auf unterschiedlichen Betrachtungsebenen verwendet.<br />
Dies betrifft insbesondere die unternehmerischen Schwerpunkte <strong>Innovation</strong>s- und<br />
<strong>Wissensmanagement</strong>.<br />
2.2 Der Begriff <strong>Innovation</strong><br />
Der Begriff „<strong>Innovation</strong>“ leitet sich aus dem lateinischen „innovatio“ - gleichbedeutend<br />
<strong>mit</strong> „Erneuerung“ - her. Demnach schließt der Begriff der <strong>Innovation</strong> zunächst jede<br />
Art von Änderungsprozessen ein. In den Wirtschaftswissenschaften erfolgte eine<br />
Spezifizierung dieser Begriffsdeutung erstmals durch den österreichischen Nationalökonomen<br />
Joseph A. Schumpeter. Er hat dieses Thema <strong>mit</strong> seinen wissenschafts-<br />
theoretischen Betrachtungen über die Gestaltung erfolgreicher Unternehmungen<br />
entscheidend geprägt.<br />
In seinem erstmals 1911 veröffentlichten Buch „Theorie der wirtschaftlichen Ent-<br />
wicklung“ legt er bereits die wesentlichen Grundlagen zum heutigen <strong>Innovation</strong>sbegriff<br />
dar. Den Begriff „<strong>Innovation</strong>“ verwendet Schumpeter erstmals 1939 (Hauschildt,<br />
J.). 33 Schumpeter 34 geht bei seinen Überlegungen von der „Durchsetzung neuer<br />
Kombinationen“ aus und meint da<strong>mit</strong> die Kombination der Produktionsfaktoren. Dabei<br />
unterscheidet er sinngemäß insgesamt fünf Fälle:<br />
1. Herstellung eines neuen, d.h. dem Konsumentenkreise noch nicht vertrauten<br />
Gutes oder einer neuen Qualität eines Gutes.<br />
2. Einführung einer neuen, d.h. dem betreffenden Industriezweig noch nicht bekannten<br />
Produktionsmethode.<br />
3. Erschließen eines neuen Absatzmarktes, d.h. eines Marktes, auf dem der betreffende<br />
Industriezweig des betreffenden Landes noch nicht eingeführt war.<br />
4. Eroberung einer neuen Bezugsquelle von Rohstoffen oder Halbfabrikaten.<br />
5. Durchführung einer Neuorganisation, wie Schaffung einer Monopolstellung oder<br />
Durchbrechung eines Monopols.<br />
Von Unternehmern durchgesetzte <strong>Innovation</strong>en sind für Schumpeter integraler Be-<br />
standteil der dynamischen Entwicklung der Wirtschaft. Sie setzen einen „process of<br />
¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯<br />
33 Vgl. Hauschildt, J.: <strong>Innovation</strong>smanagement, 2. Auflage, München 1997, S. 7<br />
34 Vgl. Schumpeter, J.A.: Theorie der wirtschaftlichen Entwicklung, 7. Auflage, Berlin 1987, S. 100f
Grundlagen der unternehmerischen <strong>Innovation</strong>sfähigkeit 23<br />
creative destruction“ (Schumpeter, J.A.) 35 in Gang. Der Erfolg von technologischen<br />
und organisatorischen <strong>Innovation</strong>en zerstört die Strukturen eines betrachteten<br />
Gleichgewichtszustandes, indem es einigen Unternehmungen besser, anderen we-<br />
niger gut gelingt, sich auf die veränderten Gegebenheiten einzustellen. Dadurch<br />
werden die Wettbewerbspositionen neu verteilt, bis sich wieder ein neuer Gleichge-<br />
wichtszustand zu bilden beginnt, der die Basis für eine neue Welle von massiven<br />
Veränderungen darstellt.<br />
Schumpeter weist darauf hin, dass zwischen „<strong>Innovation</strong>“ und „Invention“ klar zu un-<br />
terscheiden ist. <strong>Innovation</strong> wird da<strong>mit</strong> neben einer allgemeinen Grundhaltung, die als<br />
<strong>Innovation</strong>sbereitschaft bezeichnet werden kann, zu einem zielorientierten Ansatz für<br />
betriebliche Veränderungsprozesse.<br />
Schumpeter versteht das Hervorbringen von <strong>Innovation</strong>en als integralen Bestandteil<br />
wirtschaftlicher Aktivitäten und hat da<strong>mit</strong> die Basis für ein <strong>Innovation</strong>sverständnis ge-<br />
schaffen, das <strong>Innovation</strong> nicht nur als Reaktion auf Veränderungen sieht. Er geht<br />
davon aus, dass die bewusst herbeigeführte und am Markt erfolgreiche unternehme-<br />
rische <strong>Innovation</strong> ein wesentlicher Erfolgsfaktor im Wettbewerb zwischen Unternehmungen<br />
ist.<br />
2.2.1 Merkmale von <strong>Innovation</strong>en<br />
<strong>Innovation</strong>en können nach Thom 36 durch die Merkmale<br />
? Neuigkeitsgrad<br />
? Komplexität<br />
? Unsicherheit/Risiko<br />
? Konfliktgehalt<br />
gekennzeichnet werden. Zur Bewältigung von betrieblichen <strong>Innovation</strong>sprozessen,<br />
d.h. zum erfolgreichen Erreichen eines angestrebten Zustandes, ist deshalb vor al-<br />
lem <strong>Innovation</strong>sbereitschaft (Wollen) und <strong>Innovation</strong>skompetenz (Können) erforder-<br />
lich. Günstig beeinflusst wird die <strong>Innovation</strong>sfähigkeit durch ein positives Innovati-<br />
onsklima in der Unternehmung. <strong>Innovation</strong>sbarrieren hingegen können <strong>Innovation</strong>s-<br />
prozesse behindern. Für die Umsetzung von Veränderungen müssen diese erst<br />
überwunden werden (Wohinz, J.W.; Willfort, R.). 37<br />
¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯<br />
35 Schumpeter, J.A.: Capitalism, Socialism and Democracy, 4th edition, London 1952, S. 83<br />
36 Vgl. Thom, N.: Grundlagen des betrieblichen <strong>Innovation</strong>smanagements, Königstein/Ts. 1980, S. 31<br />
37 Vgl. Wohinz, J.W.; Willfort, R.: <strong>Innovation</strong>sdienstleistungen - Ein Outsourcing-Ansatz im <strong>Innovation</strong>sprozess,<br />
in: Seicht, G. (Hrsg.): JdR 2000, Wien 2000, S. 382
Grundlagen der unternehmerischen <strong>Innovation</strong>sfähigkeit 24<br />
Neuigkeitsgrad<br />
Der Neuigkeitsgrad bestimmt den Änderungsprozess am stärksten. Vielfach wird <strong>mit</strong><br />
dem Neuheitsaspekt der Fortschrittsaspekt verbunden, d.h. eine Verbesserung in<br />
bezug auf den bisherigen Zustand. Je nach Neuigkeitsgrad können <strong>Innovation</strong>en<br />
mehr oder weniger starke innerbetriebliche und umfeldbezogene Änderungen und<br />
da<strong>mit</strong> auch unterschiedlich hohe Investitionen in das Sach- und Humankapital bewir-<br />
ken. Bei steigendem Neuigkeitsgrad wachsen auch die Gestaltungsschwierigkeiten<br />
und die Anforderungen an das <strong>Innovation</strong>smanagement.<br />
Abbildung 2-2: Merkmale von <strong>Innovation</strong>en nach Thom 38<br />
Komplexität<br />
<strong>Innovation</strong>en erfordern vernetzte Handlungen. Das Auftreten von Wirkungszusam-<br />
menhängen, wie die Abfolge verschiedener Teilaktivitäten erfordert einen Gesam-<br />
trahmen und das Zusammenwirken vieler organisatorischer Einheiten. Dadurch wird<br />
das Merkmal der Komplexität entsprechend beeinflusst.<br />
Unsicherheit und Risiko<br />
Mit dem Neuigkeitsgrad und dem Fehlen von einschlägigen Erfahrungen ist un<strong>mit</strong>tel-<br />
bar die Gefahr des Scheiterns für neue Ideen verbunden. Das Risiko besteht in der<br />
Tatsache, dass ein geplantes Ergebnis unter Umständen überhaupt nicht oder nicht<br />
rechtzeitig erreicht werden kann. Der <strong>mit</strong> dem Scheitern verbundene finanzielle<br />
Schaden ist die deutlichste Ausdrucksform dafür; darüber hinaus sind zusätzliche<br />
¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯<br />
38 Vgl. Thom, N.: Grundlagen des betrieblichen <strong>Innovation</strong>smanagements, 2., völlig neu bearbeitete<br />
Auflage, Königstein/Ts. 1980, S. 31
Grundlagen der unternehmerischen <strong>Innovation</strong>sfähigkeit 25<br />
Aspekte, wie Demotivation der Beteiligten, Imageverlust, Verlust einer Marktposition,<br />
etc., von Bedeutung.<br />
Konfliktgehalt<br />
Aus den bisher genannten Sachverhalten resultiert ein hohes Maß an Wahrschein-<br />
lichkeit für das Auftreten von Konflikten. Sie können sachlich wie persönlich begründet<br />
sein und erfordern zu ihrer Lösung entsprechende Gestaltungsmaßnahmen.<br />
2.2.2 Der <strong>Innovation</strong>sbegriff für diese Arbeit<br />
Für die vorliegende Arbeit wird der <strong>Innovation</strong>sbegriff folgendermaßen präzisiert:<br />
Unter <strong>Innovation</strong> wird die erfolgreiche Umsetzung von zielgerichteten Veränderungs-<br />
prozessen in Unternehmungen verstanden.<br />
Das Betrachtungsfeld der zum Hervorbringen von <strong>Innovation</strong>en nötigen unternehme-<br />
rischen Aktivitäten erstreckt sich dabei von der Zieldefinition bis zur Realisierung von<br />
<strong>Innovation</strong>svorhaben. Der Erfolg eines Veränderungsprozesses kann an den Zielvorgaben<br />
gemessen werden, sofern diese quantifizierbar sind.<br />
Der Umfang des hier gewählten <strong>Innovation</strong>sbegriffs korreliert <strong>mit</strong> der vorgestellten<br />
Bandbreite an <strong>Innovation</strong>sdienstleistungen und schließt da<strong>mit</strong> auch Aspekte des<br />
Change-Managements <strong>mit</strong> ein.<br />
2.2.3 <strong>Innovation</strong>sprozess<br />
„Ein Prozess ist eine Art von einzelner oder zusammengesetzter Tätigkeit, die dazu<br />
führt, ein materielles oder immaterielles Produkt zu erzeugen, das den Anforderun-<br />
gen des Kunden oder Abnehmers entspricht. Ein Prozess hat einen messbaren Inund<br />
Output, fügt Wert hinzu und ist wiederholbar.“ (Kleinsorge, P.) 39<br />
Diese Prozess-Definition kann als Basis für die Erläuterung des Begriffs <strong>Innovation</strong>s-<br />
prozess verstanden werden. Die zeitlich-sachlogische Verknüpfung von Aktivitäten,<br />
die ein <strong>Innovation</strong>svorhaben verwirklichen, wird daher als <strong>Innovation</strong>sprozess bezeichnet.<br />
¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯<br />
39 Vgl. Kleinsorge, P.: Geschäftsprozesse, in: Masing, W. (Hrsg.): Handbuch Qualitätsmanagement, 4.<br />
Auflage, München/Wien 1999, S. 52
Grundlagen der unternehmerischen <strong>Innovation</strong>sfähigkeit 26<br />
Zahlreiche Autoren 40 haben den <strong>Innovation</strong>sprozess <strong>mit</strong>tels Phasenmodellen darge-<br />
stellt. In dieser Arbeit wird ein lineares Modell des <strong>Innovation</strong>sprozesses, wie es auch<br />
bei Thom zu finden ist, verwendet. Dabei wird der <strong>Innovation</strong>sprozess in drei Phasen<br />
geteilt: Ideengenerierung, Ideenakzeptierung und Ideenrealisierung (vgl. Abbildung<br />
2-3).<br />
Ideen-<br />
Ideengenerierung<br />
akzeptierung Ideenrealisierung<br />
� Suchfeldbestimmung<br />
� Ideenfindung<br />
� Ideenvorschlag<br />
� Prüfen der Ideen<br />
� Erstellung von<br />
Realisationsplänen<br />
� Entscheidung für<br />
einen zu<br />
realisierenden Plan<br />
� Konkrete Verwirklichung<br />
der Idee<br />
� Absatz der neuen<br />
Idee an Adressat<br />
� Akzeptanzkontrolle<br />
Abbildung 2-3: Phasenmodell des <strong>Innovation</strong>sprozesses (Thom, N.) 41<br />
? Ideengenerierung<br />
Am Beginn der kreativen Phase wird ein strategischer Rahmen abgesteckt, der die<br />
Suchprozesse in eine strategisch sinnvoll erscheinende Richtung lenken soll. In ei-<br />
nem nächsten Schritt werden Ideen generiert und als Vorschlag den Entscheidungsträgern<br />
vorgetragen.<br />
? Ideenakzeptierung<br />
In der Phase der Ideenakzeptierung werden die Ideen einer Prüfung unterzogen.<br />
Diese werden schließlich bis zur Erstellung von Realisationskonzepten für erfolgs-<br />
trächtige Projekte verfeinert. Die Phase endet <strong>mit</strong> einer Freigabeentscheidung zur<br />
Realisierung des Konzeptes.<br />
? Ideenrealisierung<br />
Diese Phase umfasst technische Umsetzung und die Einführung in den Markt, die<br />
<strong>mit</strong> einer Evaluierung bezüglich der Erfüllung der angestrebten Ziele endet.<br />
¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯<br />
40 Eine Auflistung weiterer Modelle ist zu finden in: Peritsch, M.: Analyse und Gestaltung wissensbasierter<br />
<strong>Innovation</strong>sprozesse, Dissertation, Technische Universität Graz 1998, S. 23-29 und die dort<br />
zitierte Literatur<br />
41 Vgl. Thom, N.: Grundlagen des betrieblichen <strong>Innovation</strong>smanagements, 2., völlig neu bearbeitete<br />
Auflage, Königstein/Ts. 1980, S. 53
Grundlagen der unternehmerischen <strong>Innovation</strong>sfähigkeit 27<br />
2.2.4 <strong>Innovation</strong>sfähigkeit<br />
„Wandel ist gesund, ... der Unternehmer sucht nach Wandel, reagiert auf Wandel<br />
und nutzt ihn als Chance.“ (Drucker, P.) 42<br />
Das Einleiten von Veränderungen und so<strong>mit</strong> das Hervorbringen von <strong>Innovation</strong>en in<br />
Unternehmungen erfordert oft die Aufgabe bestehender Prozesse und Handlungs-<br />
weisen. Dies widerspricht der Natur des Menschen, die stabile Gleichgewichtszu-<br />
stände anstrebt und versucht diese aufrechtzuerhalten (Foerster, H.v.). 43 Demgemäß<br />
sind für das Hervorbringen von <strong>Innovation</strong>en kulturelle Aspekte auf organisationaler<br />
Ebene und besondere Einstellungen und Fertigkeiten auf persönlicher Ebene gefor-<br />
dert, die unter dem Überbegriff <strong>Innovation</strong>sfähigkeit zusammengefasst werden kön-<br />
nen. Die <strong>Innovation</strong>sfähigkeit einer Organisation kann in die Faktoren Innovati-<br />
onspotenzial und <strong>Innovation</strong>sklima unterteilt werden und wird überwiegend durch die<br />
<strong>Innovation</strong>skompetenz ihrer Mitglieder determiniert.<br />
Als Kriterien zur Beurteilung der <strong>Innovation</strong>sfähigkeit von Organisationen können<br />
folgende Faktoren genannt werden: 44<br />
1. Hohe Wachstumsrate im Vergleich zu Unternehmungen der gleichen Branche<br />
2. Beachtenswerte soziale Leistungen<br />
3. Verhalten in wirtschaftlichen Krisensituationen<br />
4. Qualität von Planungsmechanismen<br />
5. Externe Beziehungen<br />
6. Rationeller Einsatz materieller Ressourcen<br />
7. Organisation der Produktion<br />
8. Geschäftsdynamik<br />
9. Umfang von Forschung und Entwicklung<br />
10. Auslandsaktivitäten<br />
11. Finanzielle Sicherung der Zukunft<br />
12. Persönlichkeit der Unternehmungsleitung<br />
<strong>Innovation</strong>spotenzial<br />
„... die Zukunft wird so sein, wie wir sie sehen und erstreben. Dies kann nur für dieje-<br />
nigen ein Schock sein, die ihr Denken von dem Prinzip leiten lassen, dass für die Zu-<br />
¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯<br />
42 Drucker, P.: <strong>Innovation</strong>s-Management für Wirtschaft und Politik, 2. Auflage, Düsseldorf 1985, S. 55<br />
43 Im Postulat der epistemischen Homöostase (Gleichgewicht der physiologischen Körperfunktionen)<br />
weist v. Foerster auf diesen Zusammenhang hin; vgl. Foerster, H.v.: Kybernetik einer Erkenntnistheorie,<br />
in Schmidt S.J. (Hrsg.): Wissen und Gewissen, 4. Auflage, Frankfurt a. Main 1997, S. 70<br />
44 Vgl. Gabler-Wirtschaftslexikon, 14. Auflage, Wiesbaden 1997
Grundlagen der unternehmerischen <strong>Innovation</strong>sfähigkeit 28<br />
kunft nur die Regeln gelten sollen, die in der Vergangenheit befolgt wurden. Für die-<br />
se Menschen ist die Vorstellung einer Veränderung unbegreiflich, den Veränderung<br />
ist der Prozess, der die Regeln der Vergangenheit auslöscht.“ (Foerster, H.v.) 45<br />
Das <strong>Innovation</strong>spotenzial ist Voraussetzung und Mittel, um <strong>Innovation</strong>sfähigkeit zu<br />
gewährleisten. Die Umsetzung des <strong>Innovation</strong>spotenzials in marktfähige Innovatio-<br />
nen erfolgt im Zuge von <strong>Innovation</strong>sprozessen, wobei die <strong>Innovation</strong>sbereitschaft von<br />
größter Bedeutung ist. Folgende Faktoren bestimmen das <strong>Innovation</strong>spotenzial einer<br />
Organisation wesentlich: 46<br />
? <strong>Innovation</strong>skompetenz der Mitarbeiter<br />
? Organisationsform<br />
? Zugang zu Daten und Wissen<br />
Auf der Ebene der Mitarbeiter einer Organisation wurden in einer von Nütten und<br />
Sauermann 47 durchgeführten Analyse Persönlichkeitsmerkmale besonders kreativer<br />
bzw. „innovativer“ Menschen erarbeitet. Eine begleitende Befragung von Führungs-<br />
kräften ergab folgende Reihenfolge und Gewichtung von Persönlichkeitsmerkmalen<br />
für sogenannte „<strong>Innovation</strong>s-Champions“ (vgl. Tabelle 2-1):<br />
Kriterien<br />
Gewicht<br />
1. Divergentes Denken (sich nicht <strong>mit</strong> einer Lösung zufrieden geben) 3<br />
2. Unkonventionelles Denken (Begeisterung für Neuerungen) 3<br />
3. Gedankenflüssigkeit (Einfallsreichtum) 3<br />
4. Originalität (ungewöhnliche Ideen) 3<br />
5. Problemaufspüren (Chancen frühzeitig erkennen) 2<br />
6. Elaboration (exaktes Ausarbeiten von Ideen) 2<br />
7. Reicher Wortschatz (passende Ausdrucksweise) 2<br />
8. Konzentrationsfähigkeit (gegenüber Sache und Partnern) 1<br />
9. Redefinition (das Wesentliche herausfinden) 1<br />
10. Realitätskontrolle (kritisches Prüfen der Vorschläge) 1<br />
11. Organisationsfähigkeit (reibungsloses Funktionieren der Abläufe) 1<br />
Tabelle 2-1: Persönlichkeitsmerkmale innovativer Mitarbeiter (Servatius, H.-G.) 48<br />
¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯<br />
45 Foerster, H.v.: Zukunft der Wahrnehmung: Wahrnehmung der Zukunft, in Schmidt S.J. (Hrsg.): Wissen<br />
und Gewissen, 4. Auflage, Frankfurt a. Main 1997, S. 203<br />
46 Vgl. Gabler-Wirtschaftslexikon, 14. Auflage, Wiesbaden 1997<br />
47 Nütten, I.; Sauermann, P.: Wie kreativ sind Ihre Mitarbeiter? in: asw (1985)5, S. 26-31<br />
48 Vgl. Servatius, H.-G.: New Venture Management, Wiesbaden 1988, S. 103
Grundlagen der unternehmerischen <strong>Innovation</strong>sfähigkeit 29<br />
Dreesmann 49 definiert auf personeller Ebene den Begriff <strong>Innovation</strong>skompetenz als<br />
die Fähigkeit <strong>mit</strong> Veränderungs- und Neuerungssituationen konstruktiv umgehen zu<br />
können. Das Fehlen von konkreten Parametern in unstrukturierten Problemsituatio-<br />
nen erfordert für die Bewältigung von <strong>Innovation</strong>sprozessen Kompetenzen, die in<br />
sechs Felder gegliedert werden können (vgl. Abbildung 2-4). Nachfolgend werden<br />
diese Gestaltungsfelder der <strong>Innovation</strong>skompetenz anhand von Fragestellungen im<br />
Detail erläutert:<br />
Fachliche<br />
Kompetenz<br />
Persönliche<br />
Kompetenz<br />
<strong>Innovation</strong>skompetenz<br />
Entscheidungs-<br />
Kompetenz Methodische<br />
Kompetenz<br />
Abbildung 2-4: Gestaltungsfelder der <strong>Innovation</strong>skompetenz<br />
Problemlösungs-<br />
Kompetenz<br />
Soziale<br />
Kompetenz<br />
1. Fachkompetenz: Habe ich genügend Fachwissen, um mich <strong>mit</strong> dem Problem<br />
angemessen auseinandersetzen zu können? Verfüge ich über grundlegende<br />
Qualifikationen? Habe ich genügend Erfahrung <strong>mit</strong> ähnlichen Herausforderungen?<br />
2. Persönliche Kompetenz: Kann ich <strong>mit</strong> der Ungewissheit in der Situation umge-<br />
hen? Wie werde ich <strong>mit</strong> Misserfolgen und Frustrationen fertig? Kann ich mich <strong>mit</strong><br />
dem <strong>Innovation</strong>svorhaben identifizieren?<br />
3. Problemlösungskompetenz: Verfüge ich über ausreichende Kreativität, d.h.<br />
kann ich mir Lösungen und Wege vorstellen? Wie verarbeite ich die Komplexität<br />
der Bedingungen und ihre Wechselwirkungen? Welche Erfahrungen kann ich mir<br />
zunutze machen?<br />
¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯<br />
49 Vgl. Dreesmann, H.: <strong>Innovation</strong>skompetenz - konzeptioneller Rahmen und praktische Erfahrungen,<br />
in: Freimuth, J.; Haritz, J.; Kiefer, B.-U. (Hrsg.): Auf dem Wege zum <strong>Wissensmanagement</strong>, Göttingen<br />
1997, S. 237
Grundlagen der unternehmerischen <strong>Innovation</strong>sfähigkeit 30<br />
4. Soziale Kompetenz: Kann ich Unterstützung und Hilfe von anderen bekommen?<br />
Sind die Vorgesetzten und Kollegen offen für meine Vorschläge? Lässt das Arbeitsklima<br />
einen offenen Austausch bei Problemen zu?<br />
5. Methodenkompetenz: Verfüge ich über methodische Hilfs<strong>mit</strong>tel und Instrumen-<br />
te? Kenne und beherrsche ich Methoden und Vorgehensweisen, um das Problem<br />
zu analysieren und zu gewichten? Wie beschaffe ich zur Erreichung einer Lösung<br />
notwendiges Wissen?<br />
6. Entscheidungskompetenz: Kann ich aktiv <strong>mit</strong>wirken und <strong>mit</strong>entscheiden? Habe<br />
ich einen Handlungsspielraum? Sehe ich Möglichkeiten, die <strong>Innovation</strong> praktisch<br />
zu realisieren?<br />
<strong>Innovation</strong>sklima<br />
Das <strong>Innovation</strong>sklima einer Unternehmung bietet spezifische Rahmenbedingungen<br />
bzw. organisatorische Voraussetzungen für das Hervorbringen von <strong>Innovation</strong>en. 50<br />
Da<strong>mit</strong> ist das <strong>Innovation</strong>sklima eine Voraussetzung für die unternehmerische Innova-<br />
tionsfähigkeit. Das <strong>Innovation</strong>sklima ist eng verwandt <strong>mit</strong> dem Organisationsklima<br />
und -niveau und wird vor allem vom Führungsstil und dem Ausmaß der informellen<br />
Kommunikation geprägt.<br />
Folgende Faktoren können als wesentliche Bestimmungsfaktoren des <strong>Innovation</strong>sklimas<br />
einer Unternehmung verstanden werden (Servatius, H.-G.): 51<br />
? Unternehmungskultur<br />
- <strong>Innovation</strong>s-Tradition der Unternehmung<br />
- Einschätzung der Bedeutung von <strong>Innovation</strong>en<br />
- Motivation der Mitarbeiter<br />
- Fähigkeit, Innovatoren an die Unternehmung zu binden<br />
- Offenheit der Kommunikation<br />
? Führungsverhalten<br />
- Zukunftsorientiertes Leitbild (Vision)<br />
- Toleranz der Führung gegenüber Unsicherheit<br />
- Förderung von <strong>Innovation</strong> durch die Führung<br />
- Karrierewege für Innovatoren<br />
- Macht von Intrapreneuren<br />
¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯<br />
50 Vgl. Gabler-Wirtschaftslexikon, 14. Auflage, Wiesbaden 1997<br />
51 Vgl. Servatius, H.-G.: New Venture Management, Wiesbaden 1988, S. 165
Grundlagen der unternehmerischen <strong>Innovation</strong>sfähigkeit 31<br />
? Verhalten gegenüber Innovatoren<br />
- Toleranz gegenüber innovativen Einzelgängern<br />
- Toleranz von Fehlern<br />
- Anerkennung für <strong>Innovation</strong>serfolge<br />
- Förderung der persönlichen Entwicklung von Innovatoren<br />
? Aufbau- und Ablauforganisation<br />
- Dezentralisierung und Begrenzung der Hierarchiestufen<br />
- Möglichkeiten zur informeller Kommunikation<br />
? Planungsprozesse<br />
- Suche nach neuen Geschäftsmöglichkeiten<br />
- Längerfristige Orientierung<br />
- Verfügbares F&E-Budget im Vergleich zu Wettbewerbern<br />
- Flexibilität der Planung<br />
- Mischung aus Planungs- und Handlungsorientierung<br />
- Einbeziehung von Linienfunktionen in den Planungsprozess<br />
? Haltung gegenüber Umsetzungsmechanismen<br />
- Einsatz relativ autonomer interner Venture-Einheiten<br />
- Offenheit gegenüber Koalitionen <strong>mit</strong> externen Gruppen<br />
- Verfügbare Ressourcen für innovative Geschäfte<br />
? Organisatorische Rahmenbedingungen<br />
- Zugriff auf relevante Daten bzw. Datenbanken<br />
- <strong>Innovation</strong>sfördernde Infrastruktur, z.B. Raumgestaltung<br />
<strong>Innovation</strong>spotenzial und <strong>Innovation</strong>sklima spannen so<strong>mit</strong> auch den Gestaltungs-<br />
raum für die <strong>Innovation</strong>sfähigkeit einer Organisation auf. Ansätze zur Beeinflussung<br />
der <strong>Innovation</strong>sfähigkeit von Unternehmungen gehen von der Personalentwicklung,<br />
der Geschäftsprozessoptimierung, über die lernende Organisation bis zum <strong>Wissensmanagement</strong><br />
(Willke, H.). 52<br />
¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯<br />
52 Vgl. Willke, H.: Systemisches <strong>Wissensmanagement</strong>. Mit Fallstudien von D. Gnewekow, u.a., Stutt-<br />
gart 1998, S. 64
Grundlagen der unternehmerischen <strong>Innovation</strong>sfähigkeit 32<br />
2.2.5 <strong>Innovation</strong>smanagement<br />
Der Begriff <strong>Innovation</strong>smanagement ist nach Hauschildt 53 in seiner funktionalen<br />
Sichtweise <strong>mit</strong> einer Vielzahl von vorwiegend dispositiven Aufgaben verknüpft. Inno-<br />
vationsmanagement ist als „Gestaltung von einzelnen <strong>Innovation</strong>sprozessen“ zu verstehen,<br />
und kann in folgende Teilfunktionen gegliedert werden:<br />
? Strategien und Ziele definieren und verfolgen<br />
? Entscheidungen treffen<br />
? Informationsflüsse bestimmen und beeinflussen<br />
? Soziale Beziehungen herstellen und gestalten<br />
? Auf die Partner in diesen sozialen Beziehungen einwirken, um die getroffenen<br />
Entscheidungen zu realisieren<br />
Das Spektrum des Managements von <strong>Innovation</strong>sprozessen unterscheidet sich also<br />
nicht wesentlich vom klassischen Management. Durch die Merkmale von Innovatio-<br />
nen schon angedeutet, handelt es sich bei <strong>Innovation</strong>saufgaben immer um risikorei-<br />
che, unsichere Aufgaben. Durch die Neuheit der Aufgabe können Folgen und Wir-<br />
kungen von Entscheidungen meist nicht vorhergesehen werden. Das Management<br />
von <strong>Innovation</strong>en unterscheidet sich da<strong>mit</strong> gravierend vom Management von Routi-<br />
neaufgaben. Auch das erhöhte Konfliktpotenzial bei der Umsetzung von <strong>Innovation</strong>en<br />
kennzeichnet <strong>Innovation</strong>smanagement.<br />
Aus einer umfangreichen, empirischen Untersuchung (Little, A.D.) 54 hat die Unternehmensberatung<br />
Arthur D. Little 55 fünf wesentliche Gestaltungsansätze im Innovati-<br />
onsmanagement abgeleitet:<br />
? Der operative Ansatz - das Management der einzelnen Produktentwicklungsvor-<br />
haben<br />
? Der entwicklungsstrategische Ansatz - das Management des Portfolios von Pro-<br />
duktentwicklungsvorhaben<br />
? Der kognitive Ansatz - das Management des Wissens über Märkte, Kunden,<br />
Wettbewerber, Technologien und Anwendungstrends<br />
? Der unternehmensstrategische Ansatz - die Abstimmung von Unternehmensstra-<br />
tegie, Produktstrategie, Technologiestrategie und Produktentwicklungsprioritäten<br />
¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯<br />
53 Vgl. Hauschildt, J.: <strong>Innovation</strong>smanagement, 2. Auflage, München 1997, S. 25<br />
54 Vgl. Little, A.D.: ADL Product <strong>Innovation</strong> Survey, Cambridge 1992<br />
55 Vgl. Little, A.D. (Hrsg.): Management erfolgreicher Produkte, Wiesbaden 1994, S. 97ff
Grundlagen der unternehmerischen <strong>Innovation</strong>sfähigkeit 33<br />
? Der organisatorische Ansatz - das Management der Human Resources, der Abläufe,<br />
Entscheidungsprozesse und Koordinationsvorgänge<br />
Aus dieser Übersicht geht hervor, dass <strong>Innovation</strong>smanagement wesentlich mehr<br />
umfasst als das Management des Entwicklungsprozesses in einer Unternehmung.<br />
Vielmehr können Technologiemanagement und Forschung und Entwicklung als Teil-<br />
bereiche des betrieblichen <strong>Innovation</strong>smanagements verstanden werden. In Ergän-<br />
zung zu den aufgelisteten Aufgaben kommt heute dem Management von innovati-<br />
onsrelevanten Ressourcen eine besondere Bedeutung zu. Das betrifft insbesondere<br />
das Management der Ressource „Wissen“.<br />
2.3 <strong>Wissensmanagement</strong> und <strong>Innovation</strong>sfähigkeit<br />
„Wir verstehen noch nicht genau, wie sich das Wissen als wirtschaftliche Ressource<br />
verhält. Wir verfügen noch nicht über ausreichend Erfahrung, um eine Theorie for-<br />
mulieren zu können. Bisher wissen wir nur, dass wir eine solche Theorie brauchen,<br />
um die gegenwärtige Wirtschaft erklären zu können“ (Drucker, P.) 56<br />
Das Hervorbringen von <strong>Innovation</strong>en ist vor allem in der Phase der Ideengenerierung<br />
<strong>mit</strong> der Entwicklung von neuem Wissen verknüpft. Aber auch in den weiteren Phasen<br />
bis zur Markteinführung ist Wissen die elementare Ressource für das erfolgreiche<br />
Umsetzen von <strong>Innovation</strong>sprozessen. Das Management von Wissen kann daher als<br />
ein wichtiger Aspekt im <strong>Innovation</strong>smanagement gesehen werden.<br />
In der Entwicklung der wissenschaftlichen Literatur zum Thema Wissensmanage-<br />
ment zeichnet sich eine breite Aufspaltung der Ansätze, die <strong>mit</strong> dem Management<br />
von „Wissen“ verfolgt werden, ab.<br />
Derzeit kann festgestellt werden, dass Arbeiten rund um das Thema Wissensmana-<br />
gement im Sinne von Beschreibungs- und Erklärungsmodellen in zahlreicher Ausfüh-<br />
rung vorliegen, Arbeiten im Sinne von Gestaltungs- und Entwicklungsmodellen sind<br />
hingegen eher weniger ausgeprägt anzutreffen (Wohinz, J.W.):. 57 Trotz dieser Viel-<br />
zahl an Beschreibungs- und Erklärungsmodellen scheint sich eine formale, zusammenhängende<br />
Begriffswelt für <strong>Wissensmanagement</strong> nicht durchzusetzen.<br />
Die Breite der derzeit vorliegenden Literatur zu diesem Thema hat zu einer Vielfalt an<br />
teilweise widersprüchlichen Begriffsdefinitionen geführt. Hervorzuheben sind dabei<br />
¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯<br />
56 Drucker, P.: Die postkapitalistische Gesellschaft, Düsseldorf 1993, S. 262<br />
57 Vgl. Wohinz, J.W.: Knowledge Systems Design, INDUSCRIPT, Technische Universität Graz<br />
1999/2000, S. 2
Grundlagen der unternehmerischen <strong>Innovation</strong>sfähigkeit 34<br />
zahlreiche Versuche Daten, Information und Wissen so zu unterscheiden, dass dar-<br />
auf aufbauend eine fruchtbare wissenschaftliche Diskussion über Wissen und Wis-<br />
sensmanagement geführt werden kann. Dies ist durch die Divergenz der Entwicklungslinien<br />
von <strong>Wissensmanagement</strong> bis heute nur in Ansätzen gelungen.<br />
Nachfolgend werden unterschiedliche Entwicklungslinien anhand einer Übersicht von<br />
Roehl dargestellt (siehe Abbildung 2-5). 58<br />
Abstraktionsgrad<br />
V. Heijst<br />
et al.<br />
1997<br />
Ingenieurwissenschaftliche<br />
Entwicklungslinie<br />
Klahr<br />
1997<br />
Rehäuser/<br />
Krcmar 1996<br />
technologieorientiert<br />
Güldenberg<br />
1997<br />
ILOI<br />
1997<br />
Wilke<br />
1995 ff.<br />
Hoffmann/<br />
Patton<br />
1996<br />
Soziologische<br />
Entwicklungslinie<br />
Schneider<br />
1996<br />
Schüppel<br />
1996<br />
Wirtschaftswissenschaftliche<br />
Entwicklungslinie<br />
Probst et al.<br />
1996 f.<br />
Wiig<br />
1994<br />
Pawlowsky<br />
et al. 1994 f.<br />
Sch<strong>mit</strong>z/<br />
Zucker<br />
1996<br />
Baecker<br />
1997 f.<br />
Nonaka et al.<br />
1991 ff.<br />
sozialorientiert<br />
Abbildung 2-5: Entwicklungslinien und Exponenten des <strong>Wissensmanagement</strong>s<br />
(Roehl, H.) 59<br />
¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯<br />
58 Eine Diskussion unterschiedlicher <strong>Wissensmanagement</strong>-Ansätze ist zu finden in: Peritsch, M.:<br />
Analyse und Gestaltung wissensbasierter <strong>Innovation</strong>sprozesse, Dissertation, Technische Universität<br />
Graz 1998<br />
59 Vgl. Roehl, H.: Kritik des organisationalen <strong>Wissensmanagement</strong>s, in: Projektgruppe Wissenschaftliche<br />
Beratung (Hrsg.): Organisationslernen durch <strong>Wissensmanagement</strong>, Frankfurt am Main 1999,<br />
S. 16
Grundlagen der unternehmerischen <strong>Innovation</strong>sfähigkeit 35<br />
2.3.1 Entwicklungslinien des <strong>Wissensmanagement</strong>s<br />
Durch die Aufarbeitung der bestehenden Konzepte des <strong>Wissensmanagement</strong>s und<br />
ihre forschungsinhaltlichen Verwurzelungen, Überlappungen und Berührungspunkte<br />
können diese zu Entwicklungslinien des <strong>Wissensmanagement</strong>s formiert werden. Ei-<br />
ne entwicklungsgeschichtliche Darstellung ermöglicht eine Zuordnung von Wissens-<br />
management-Konzepten in drei unterschiedliche Entwicklungslinien: Eine ingenieur-<br />
wissenschaftliche, eine wirtschaftswissenschaftliche und eine soziologische Entwicklungslinie<br />
(Roehl, H.). 60<br />
? Ingenieurwissenschaftliche Entwicklungslinie<br />
Diese auch als „wissenstechnisch“ (Güldenberg, S.) 61 bezeichnete Entwicklungs-<br />
linie hat ihre Wurzeln in der elektronischen Daten- bzw. Informationsverarbeitung<br />
und geht bis zum <strong>Wissensmanagement</strong> im Sinne von Effektivierung und Rationalisierung<br />
von Wissensressourcen auf instrumentell-technischer Basis.<br />
? Wirtschaftswissenschaftliche Entwicklungslinie<br />
Als zweite Entwicklungslinie ist eine wirtschaftswissenschaftliche zu identifizieren.<br />
Die grundsätzliche Ausrichtung kann auf eine ökonomische Nutzenorientierung<br />
zurückgeführt werden, wie sie Drucker 62 beschreibt.<br />
? Soziologische Entwicklungslinie<br />
Die dritte Linie ist die soziologische Entwicklungslinie des <strong>Wissensmanagement</strong>s,<br />
die der Organisation als System eigene Lernfähigkeit und spezifische Kompetenz<br />
im Umgang <strong>mit</strong> eigenem und fremdem Wissen zutraut (Willke, H.). 63<br />
Unabhängig vom gewählten Zugang zum Thema sollte der wissenschaftlichen Dis-<br />
kussion über <strong>Wissensmanagement</strong> eine klare Begriffsabgrenzung vorausgehen. Dies<br />
ist vor allem für den Begriff Wissen sehr wichtig, da die ständig wachsende Band-<br />
breite an Publikationen unter dem Titel „<strong>Wissensmanagement</strong>“ alle Optionen der In-<br />
terpretation offen lassen. Bei einem interdisziplinären, komplexen Ansatz, wie Wis-<br />
sensmanagement einer ist, kann durch die Hilfestellung der Wissenschaft die An-<br />
¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯<br />
60<br />
Vgl. Roehl, H.: Kritik des organisationalen <strong>Wissensmanagement</strong>s, in: Projektgruppe Wissenschaftliche<br />
Beratung (Hrsg.): Organisationslernen durch <strong>Wissensmanagement</strong>, Frankfurt am Main 1999,<br />
S. 15 f.<br />
61<br />
Vgl. Güldenberg, S.: <strong>Wissensmanagement</strong> und Wissenscontrolling in lernenden Organisationen,<br />
Wiesbaden 1997, S. 234<br />
62<br />
Vgl. Drucker, P.: Die postkapitalistische Gesellschaft, Düsseldorf 1993, S. 70<br />
63<br />
Vgl. Willke, H.: Systemisches <strong>Wissensmanagement</strong>. Mit Fallstudien von D. Gnewekow, u.a., Stutt-<br />
gart 1998, S. 6-7
Grundlagen der unternehmerischen <strong>Innovation</strong>sfähigkeit 36<br />
wendbarkeit und Durchdringung in der unternehmerischen Praxis positiv beeinflusst<br />
werden.<br />
2.3.2 Basismodelle zur Differenzierung von Wissen<br />
„Wenn mich niemand fragt, dann weiß ich es, wenn ich es aber jemanden erklären<br />
möchte, der mich fragt, dann weiß ich es nicht.“ (Augustin zit. in Foerster, H.v) 64<br />
Die Interpretation des Begriffs Wissens scheint eine wesentlich schwierigere Aufgabe<br />
als die Analyse des Begriffs Management zu sein. In der Tat scheint jeder für sich<br />
eine Vorstellung zu haben, was Wissen ist. Es ist uns aber <strong>mit</strong> einfachen Mitteln nicht<br />
möglich eine Definition von Wissen zu formulieren. Es fehlt eine einheitliche nach-<br />
vollziehbare Begriffskonvention, die diesem Themenkomplex zugrundegelegt werden<br />
kann. Es ist daher nicht verwunderlich, dass in den derzeit vorliegenden Publikatio-<br />
nen meist je nach fachlicher Zugehörigkeit bzw. Vorbildung des Autors seine spezifische<br />
Sichtweise von Wissen als Basis herangezogen wird.<br />
Paketmodell Interaktionsmodell<br />
S E ?<br />
S E<br />
Wissen ist Input in Prozesse<br />
Wissen ist Abbildung von Realität<br />
Fokus auf Rationalisierung<br />
Informationsmanagement<br />
Künstliche Intelligenz<br />
FOLGE<br />
Abbildung 2-6: Modelle des Wissens (Schneider, U.) 65<br />
Wissen entsteht im Prozess<br />
Wissen ist Konstruktion über Realität<br />
Fokus auf Beziehungspflege,<br />
Prozessmanagement<br />
Menschliche Intelligenz<br />
In einer grundlegenden Orientierung zeigt Schneider auf, dass es im Prinzip zwei<br />
fundamental unterschiedliche Ansätze für die Erklärung des Wissensbegriffs gibt:<br />
Das Paketmodell und das Interaktionsmodell (vgl. Abbildung 2-6).<br />
¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯<br />
64 Der Überlieferung nach war dies die Antwort von Augustin auf die Frage: Was aber ist die Zeit?, in<br />
Foerster, H.v.: Was ist Gedächtnis, dass es Rückschau und Vorschau ermöglicht?, in Schmidt S.J.<br />
(Hrsg.): Wissen und Gewissen, 4. Auflage, Frankfurt a. Main 1997, S. 299<br />
65 Vgl. Schneider, U.: Management in der wissensbasierten Unternehmung, in: Schneider, U. (Hrsg.):<br />
<strong>Wissensmanagement</strong>, Frankfurt a. M. 1996, S. 19
Grundlagen der unternehmerischen <strong>Innovation</strong>sfähigkeit 37<br />
Paketmodell<br />
Dieser Zugang zum Begriff Wissen ist <strong>mit</strong> der Sichtweise verbunden, die Wissen als<br />
Summe von Paketen versteht. Diese Pakete sind kontext- und personenunabhängig,<br />
beliebig teilbar und beschreiben eine von Personen unabhängige Realität. Wissen<br />
kann daher <strong>mit</strong> IuK-Technologie bearbeitet, gespeichert und verteilt werden. Die<br />
Weitergabe von Wissen hat in dieser Sichtweise keinen Einfluss auf das Wissen<br />
selbst. Dieses Modell kann da<strong>mit</strong> als Basis für Forschungsarbeiten zur Künstlichen<br />
Intelligenz gesehen werden.<br />
Dieser tayloristische Zugang ermöglicht auch eine Trennung von Wissensentwick-<br />
lung und Wissensverarbeitung. Der Fokus liegt dabei auf dem Wissen selbst bzw.<br />
wechselseitig auf dem Sender als Lehrender oder dem Empfänger als Lernender.<br />
Interaktionsmodell<br />
Der konstruktivistische Zugang, der vor allem in Arbeiten zur lernenden Organisation<br />
verfolgt wird, sieht Wissen nicht mehr als Paket sondern als Prozess. Es wird nicht<br />
mehr objektiv gesehen, sondern im Erfahrungshintergrund des Menschen durch Tun<br />
erworben. Wissen ist daher an den Kontext des Wissensentwicklers gebunden. Es<br />
gibt keine absolute Realität, sondern mehrere Möglichkeiten Realität in Abhängigkeit<br />
vom Erfahrungshintergrund des Menschen zu entwickeln. Wissen lässt sich dadurch<br />
nicht mehr von seinem Entstehungskontext abspalten.<br />
Parameter Paketmodell Interaktionsmodell<br />
Bedeutung des Wissens Unabhängig vom Kontext Kontextabhängig<br />
Grundprinzip tayloristisch, Wissensent-<br />
wicklung und Wissensverar-<br />
beitung laufen getrennt ab<br />
Gestaltungsansätze Informations- und Kommuni-<br />
kationstechnik<br />
konstruktivistisch, Wissen ist<br />
nur kontextspezifisch gültig<br />
und lässt sich nicht vom Ent-<br />
stehungsprozess abspalten<br />
Interaktionsprozesse zwi-<br />
schen Menschen<br />
Tabelle 2-2: Gegenüberstellung von Interaktions- und Paketmodell<br />
Da diese zwei Modelle von Grund auf verschieden sind (vgl. Tabelle 2-2), erscheint<br />
eine Vermischung bzw. weiterführende parallele Bearbeitung beider Modelle für die-<br />
se Arbeit nicht zweckmäßig. Das Paketmodell scheint aus konstruktivistischer Sicht<br />
gravierende Mängel in der Plausibilität der Abgrenzung relevanter Begriffe, wie z.B.<br />
Daten, Information und Wissen zu haben. Die Gründe dafür werden in den nachfol-
Grundlagen der unternehmerischen <strong>Innovation</strong>sfähigkeit 38<br />
genden Ausführungen, die der weiteren Begriffsabgrenzung dieser Arbeit dienen,<br />
erläutert.<br />
Das Interaktionsmodell stellt die prozesshafte Sichtweise der Wissensentwicklung in<br />
den Vordergrund und löst durch den konstruktivistischen Ansatz die Begriffsverwirrung<br />
zwischen Daten, Information und Wissen anschaulich auf.<br />
2.3.3 Detailanalyse des Begriffs Wissen<br />
Viele Diskussionen zum Thema <strong>Wissensmanagement</strong> werden <strong>mit</strong> einem Verständnis<br />
von Wissen geführt, das keine Unterscheidung zwischen Daten, Information und<br />
Wissen einräumt. Vor allem in der ingenieurwissenschaftlichen Entwicklungslinie des<br />
<strong>Wissensmanagement</strong>s wird dadurch, dass die Nutzung von IuK-Technologien als<br />
Datenverarbeitung, Informationsverarbeitung und neuerdings auch als Wissensver-<br />
arbeitung bezeichnet wird, eine krasse Vereinfachung einer für <strong>Wissensmanagement</strong><br />
relevanten Begriffswelt vorgenommen.<br />
Merkmale Computer Gehirn<br />
Arbeitsfrequenz > 1GHz < 1kHz<br />
Verarbeitung seriell parallel<br />
Rechenfehler sehr gering sehr hoch<br />
Ausfall von Elementen Leistungsausfall Leistungsabfall<br />
Speicherung Daten + Adressen Inhalt = Adresse<br />
Ablaufsteuerung Zentralprozessor Strukturdeterminiert<br />
Tabelle 2-3: Funktionsmerkmale von Computer und Gehirn im Vergleich<br />
(Spitzer, M.) 66<br />
Diese vereinfachte Sichtweise scheint aus einer Vorstellung zu kommen, die das<br />
menschliche Gehirn <strong>mit</strong> der Funktionsweise eines Computers gleichstellt. Tabelle 2-3<br />
zeigt in einer Gegenüberstellung, dass die Voraussetzungen für eine Gleichstellung<br />
auf keinen Fall gegeben sind, da es sich um zwei grundverschiedene Architekturen<br />
und Funktionsweisen handelt.<br />
Ein gravierender Unterschied ist in der Zuverlässigkeit zu sehen: Im Gegensatz zu<br />
Computer haben unsere biologischen Gehirne die Eigenschaft, beim Ausfall einzel-<br />
ner Neuronen nicht gleich völlig zu versagen (vgl. dazu auch Kapitel 3). Es kommt<br />
¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯<br />
66 Vgl. Spitzer, M.: Geist im Netz, Modelle für Lernen, Denken und Handeln, Heidelberg 1996, S. 12ff
Grundlagen der unternehmerischen <strong>Innovation</strong>sfähigkeit 39<br />
vielmehr zu einem kontinuierlichen Leistungsabfall. Beim Computer hingegen führt<br />
eine kalte Lötstelle oder ein ausgefallenes Bauteil in der Regel zum Totalausfall. Der<br />
derzeitige Stand der Gehirnforschung weißt darauf hin, dass der Erklärung der Funk-<br />
tionsweise des menschlichen „Zentralprozessors“ <strong>mit</strong> den heutigen Mitteln der Naturwissenschaft<br />
klare Grenzen gesetzt sind.<br />
Durch diesen Versuch der Trivialisierung von Wissen und <strong>Wissensmanagement</strong> sind<br />
aber nicht nur Missverständnisse vorprogrammiert, sondern wird indirekt auch die<br />
zwingend notwendig gewordene Anknüpfung der wissenschaftlichen Forschung an<br />
die betriebliche Praxis gehemmt. Der Praktiker, der an der Umsetzung von Wis-<br />
sensmanagement-Konzepten interessiert ist, kann durch die Gleichsetzung von Da-<br />
ten, Information und Wissen auch die Unterschiede zwischen <strong>Wissensmanagement</strong>,<br />
Informationsmanagement und Datenverarbeitung nicht erkennen.<br />
Die Gefahr, dass Gestaltungsmaßnahmen für <strong>Wissensmanagement</strong> auf die Imple-<br />
mentierung von neuen Tools der IuK-Technologie reduziert werden, ist groß. Es zeigt<br />
sich aber, dass diese Komponente nur eine Dimension erfolgreichen Wissensmana-<br />
gements sein kann. Lösungen zur Realisierung von Nutzenpotenzialen sollten vor-<br />
wiegend in der sorgfältigen Integration technologischer Hilfs<strong>mit</strong>tel, organisatorischer<br />
Strukturen, materieller und immaterieller Anreizsysteme, sowie unternehmenskultu-<br />
reller Aspekte zu einem ganzheitlichen Ansatz im <strong>Wissensmanagement</strong> liegen. Es<br />
wird vermutet, dass der Erfolg von <strong>Wissensmanagement</strong> zum Großteil organisatori-<br />
schen und kulturellen Ursprungs ist. Der technologische Aspekt scheint eine nur untergeordnete<br />
Rolle einzunehmen (Bullinger, H.-J.; Wörner, K.; Prieto, J.). 67<br />
Nachfolgend soll eine für diese Arbeit zweckmäßige Definition der relevanten Be-<br />
griffe für <strong>Wissensmanagement</strong> vorgenommen werden. Während dabei Daten und<br />
Wissen leicht zu unterscheiden sind, scheint die Begriffsabgrenzung zwischen Daten<br />
und Information bzw. zwischen Information und Wissen nur schwer zu gelingen. Ein<br />
weiterer Begriff, der in diesem Zusammenhang wichtig erscheint, ist der Begriff der<br />
Kommunikation. Für den Austausch oder Transfer von Wissen unter Personen muss<br />
eine Kommunikationsbeziehung aufgebaut werden. Das Modell der Kommunikation<br />
beruht dabei meist auf einer Sender-Empfänger-Beziehung bei der über Kanäle Signale<br />
ausgetauscht werden.<br />
¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯<br />
67 Vgl. Bullinger, H.-J.; Wörner, K.; Prieto, J.: <strong>Wissensmanagement</strong> - Modelle und Strategien für die<br />
Praxis, in: Bürgel, H. (Hrsg.): <strong>Wissensmanagement</strong>, Berlin/Heidelberg/New York 1998, S. 38
Grundlagen der unternehmerischen <strong>Innovation</strong>sfähigkeit 40<br />
Kommunikation und Information<br />
Der Stein der Anstoßes für die Begriffsverwirrung rund um Daten, Information und<br />
Wissen liegt scheinbar in der Interpretation des Begriffs „Information“. Dieser Begriff<br />
wird umgangssprachlich vielfältig eingesetzt und wurde auch durch den zunehmen-<br />
den Einsatz von IuK-Technologien entscheidend geprägt. In seiner ursprünglichen<br />
Verwendung des „Informierens“ liegt die Bedeutung ganz klar beim Menschen als<br />
denjenigen, der Information durch sein Bewusstsein aufnimmt. Dieser Prozess des<br />
Informierens wird heute in den Hintergrund gestellt und durch einen Informationsbe-<br />
griff ersetzt, der Information als etwas Gegenständliches, quasi als Gut oder Substanz<br />
auffasst (Lercher, H.). 68<br />
In engem Zusammenhang steht der Begriff der Information <strong>mit</strong> dem Begriff der<br />
Kommunikation. Kommunikation wird dabei als der „Austausch von Information“ be-<br />
zeichnet. Diese Vorstellung von Kommunikation als Austausch beruht auf dem Mo-<br />
dell einer Röhre: Man gibt auf der einen Seite der Röhre das Gut Information hinein,<br />
es wandert hindurch, und man zieht es auf der anderen Seite wieder heraus. Wenn<br />
man diesen Vorgang umkehrt, d.h. von der anderen Seite etwas durch diese Röhre<br />
schiebt, dann ist dieses Bild der Kommunikation vollständig.<br />
Sender Empfänger<br />
Informationskanal<br />
Abbildung 2-7: Klassisches Kommunikationsmodell<br />
Dieses Modell ist in jedem Lehrbuch der Kommunikationstheorie (z.B. in: Bächle,<br />
M.) 69 zu finden. Als Kanäle werden auf der Seite der IuK-Technologie meist Drähte,<br />
Lichtwellenleiter oder elektromagnetische Trägerwellen genannt. Diese technische<br />
Sichtweise einer „Informationstheorie“ beschäftigt sich daher weniger <strong>mit</strong> Information,<br />
sondern vielmehr <strong>mit</strong> der zuverlässigen Übertragung von Signalen über unzuverläs-<br />
sige Kanäle. Und auf diesem Gebiet wurden in den letzten Jahrzehnten hervorra-<br />
¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯<br />
68 Eine umfangreiche Aufstellung der unterschiedlichen Interpretationen des Begriffs »Information« ist<br />
zu finden in :Lercher, H.: Wertanalyse an Informationssystemen, Dissertation, Technische Universität<br />
Graz 1998, S. 15-49<br />
69 Vgl. Bächle, M.; u.a.: Gabler Wirtschaftsinformatiklexikon, Band A-K, Frankfurt ohne Jahresangabe,<br />
S. 370
Grundlagen der unternehmerischen <strong>Innovation</strong>sfähigkeit 41<br />
gende Erfolge und Verbesserungen erzielt. Das was über den Kanal läuft sind aber<br />
nicht Informationen, sondern eben nur Signale.<br />
Diese Gleichsetzung von Signal und Information hat offensichtlich zur heutigen Ver-<br />
wendung des Begriffs Information geführt, bei der „Informationen“ über IuK-<br />
Technologie übertragen oder ausgetauscht werden. Eine Fortsetzung dieser Be-<br />
griffsverwirrung findet man darin, dass aus der Sicht vieler Anbieter dieser Technologien<br />
über die selben Kanäle nun auch „Wissen“ übertragen wird.<br />
Heinz v. Foerster 70 bringt die Begriffsverfälschung bezüglich Information auf eine<br />
polemische Art und Weise auf den Punkt:<br />
„Ein weiter Fall pathologischer Semantik ist der weitverbreitete Missbrauch des Be-<br />
griffs »Information«. Dieses arme Ding wird heutzutage »verarbeitet«, »gespeichert«,<br />
»wieder herbeigeschafft«, »komprimiert«, »zerlegt« usw., so als ob es Hackfleisch<br />
wäre. Da die Fallgeschichte dieser modernen Krankheit leicht einen ganzen Band<br />
füllen könnte, greife ich nur die sogenannten »Systeme der Speicherung und Wie-<br />
derbereitstellung von Information« heraus, die etwa in der Form bestimmter fortge-<br />
schrittener bibliothekarischer Such- und Liefersysteme, computergestützter Daten-<br />
verarbeitungssysteme usw. ganz ernsthaft als Analogmodelle für das Funktionieren<br />
des Gehirns vorgeschlagen worden sind.<br />
Natürlich speichern diese Systeme keinerlei Information, sie speichern Bücher, Bän-<br />
der, Mikrofiches oder andere Dokumente, die wieder hervorgeholt werden und die<br />
nur dann die gewünschte Information liefern, wenn ein menschliches Bewusstsein<br />
sie erfasst. Diese Sammlungen von Dokumenten »Systeme der Speicherung und<br />
Wiederbereitstellung von Information« zu nennen, ist ebenso falsch wie eine Garage<br />
als »System der Speicherung und Wiederbereitstellung von Transport« zu bezeich-<br />
nen.“<br />
Der da<strong>mit</strong> zu Ausdruck gebrachte prozessuale Charakter der Information ist für die<br />
Unterscheidung von Daten, Information und Wissen von großer Bedeutung.<br />
Die hierarchische Darstellung von Zeichen, die durch Syntaxregeln zu Daten und<br />
dann durch »Anreicherung« <strong>mit</strong> einem Kontext zur Information werden, scheint eine<br />
Interpretation zu sein, die genau in das zuvor kritisierte Bild von Information passt.<br />
¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯<br />
70 Foerster, H.v.: Gedanken und Bemerkungen über Kognition, in Schmidt S.J. (Hrsg.): Wissen und<br />
Gewissen, 4. Auflage, Frankfurt a. Main 1997, S. 83
Grundlagen der unternehmerischen <strong>Innovation</strong>sfähigkeit 42<br />
„Aus Daten werden Informationen, wenn sie in einen Problembezug eingeordnet<br />
werden.“ (Rehäuser, J.; Krcmar, H.) 71<br />
Es bleibt dabei offen, wer diesen Problembezug festlegt bzw. warum der Kontext der<br />
durch Syntaxregeln der Zeichen zu Daten macht von einem weiteren Kontext, der<br />
aus Daten Information werden lässt, zu unterscheiden ist.<br />
Für die vorliegende Arbeit werden die Begriffe Daten, Information und Wissen folgendermaßen<br />
definiert:<br />
Daten<br />
Daten bestehen aus einzelnen Zeichen oder Zeichenketten, aber auch in der Form<br />
von Bildern oder Grafiken. Diese sind in der Regel auch <strong>mit</strong> Mitteln der elektroni-<br />
schen Datenverarbeitung darstellbar und speicherbar. Da<strong>mit</strong> ein Datum als solches<br />
erkannt werden kann, muss es Regeln für die Interpretation dieser Zeichenketten<br />
geben, die beim Interpreter als Kontext verfügbar sein müssen.<br />
Information<br />
Verfügbare Daten<br />
z.B. Zeitschriften,<br />
Datenbanken, WWW<br />
Organisatorische Wissensbasis<br />
Abbildung 2-8: Differenzierte Betrachtung von Daten<br />
Dokumentation<br />
Unternehmensrelevante Daten<br />
z.B. QM-Dokumente, Organigramm,<br />
Kundenkartei,<br />
Eine sachlogisch zusammenhängende Zeichenkette, die der Information des Emp-<br />
fängers dient, kann auch als Nachricht bezeichnet werden. Als eine Nachricht wird<br />
¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯<br />
71 Rehäuser, J.; Krcmar, H.: <strong>Wissensmanagement</strong> im Unternehmen, in: Schreyögg, G.; Conrad, P.:<br />
<strong>Wissensmanagement</strong>, Berlin/New York, 1996, S. 4
Grundlagen der unternehmerischen <strong>Innovation</strong>sfähigkeit 43<br />
eine Zeichenkette benannt, die nach einer vorgegebenen Regel aufgebaut ist (Hansen,<br />
W.R.; Peschanel, F.D.). 72<br />
Es ist also nur aus der Sicht des Empfängers möglich zu entscheiden, ob eine Zei-<br />
chenkette, die <strong>mit</strong>tels Signale übertragen wird, bei ihm als Nachricht ankommt und<br />
einen Informationsprozess auslöst. Fehlt ihm z.B. der grundlegende Kontext des<br />
verwendeten Zeichenvorrates, so kann diese Zeichenkette von ihm nicht interpretiert<br />
werden.<br />
Der zum Verständnis dieser Daten notwendige Kontext ist nicht standardisierbar und<br />
hängt daher vom individuellen Vorverständnis des Empfängers ab. Als Beispiel dafür<br />
können die Schriftzeichen der chinesischen Sprache genannt werden: Ein Leser, der<br />
diese Schriftzeichen nicht kennt, wird diese eher als ihm unbekannte Grafiken interpretieren.<br />
Es fehlt ihm der Kontext, der diesen Zeichenvorrat definiert.<br />
Der Versuch der Differenzierung unterschiedlicher Arten von Wissen mündet bei<br />
vielen Arbeiten zum Thema <strong>Wissensmanagement</strong> in originellen Begriffen, wie z.B.<br />
individuelles Wissen, kollektives Wissen, organisationales Wissen, implizites Wissen,<br />
explizites Wissen, analoges Wissen, digitales Wissen, sequentielles Wissen, gleich-<br />
zeitiges Wissen, um nur einige zu nennen (Sammer, M.). 73 Auf der Ebene von Daten,<br />
wo Unterschiede wesentlich einfacher erfassbar wären, wird eine Differenzierung in<br />
Verbindung <strong>mit</strong> dem Fokus „Management von Wissen“ kaum durchgeführt. Dabei<br />
wäre gerade dieser Zugang aufgrund der zunehmenden Vielfalt an Daten ein erster<br />
Schritt in Richtung Wissensorientierung.<br />
Es ist auch anzunehmen, dass <strong>mit</strong>unter die zunehmende Anzahl verfügbarer und<br />
einer Unternehmung zugänglicher Daten und die daraus entstandene Komplexität<br />
von Geschäftsprozessen wesentlich zur Notwendigkeit des <strong>Wissensmanagement</strong>s<br />
geführt hat. <strong>Wissensmanagement</strong> und (elektronische) Datenverarbeitung sollten da-<br />
her gut aufeinander abgestimmt werden. Dabei geht es in der Datenverarbeitung vor<br />
allem darum, Daten zur Verfügung zu stellen und bei Bedarf zu speichern, die für die<br />
Unternehmung von besonderer Relevanz sind.<br />
Nachfolgend wird versucht eine Differenzierung auf der Ebene von Daten einzuführen<br />
(vgl. Tabelle 2-4).<br />
¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯<br />
72<br />
Vgl. Hansen, W.R.; Peschanel, F.D.: Gabler Lexikon Innovative Informationsverarbeitung, Wiesbaden<br />
1995, S. 109<br />
73<br />
Vgl. Sammer, M.: Wissensinduktion in Organisationen, Dissertation, Montanuniversität Leoben<br />
1999, S. 47
Grundlagen der unternehmerischen <strong>Innovation</strong>sfähigkeit 44<br />
Parameter Ausprägungen<br />
Zeit aktuelle Daten veraltete Daten<br />
Gültigkeit gültige Daten ungültige Daten<br />
Entstehungsort unternehmensintern unternehmensextern<br />
Eigentum kollektive Daten persönliche Daten<br />
Tabelle 2-4: Morphologie des Begriffs Daten<br />
Besonders interessant für <strong>Wissensmanagement</strong> in Unternehmungen scheint die Abgrenzung<br />
unternehmensspezifischer Daten zu sein:<br />
Unternehmensspezifische Daten<br />
Dies sind Daten, die für die Unternehmung und seine Leistungserstellung in Ge-<br />
schäftsprozessen von besonderer Bedeutung sind. Als Beispiel kann hier die ge-<br />
samte Dokumentation des Qualitätsmanagement-Systems <strong>mit</strong> seinen Verfahrens-<br />
Arbeits- und Prüfanweisungen angeführt werden. Diese Daten werden aus der orga-<br />
nisatorischen Wissensbasis abgeleitet und dokumentiert, um im Prozess der Infor-<br />
mation einen Wissenstransfer zu anderen Wissensträgern zu ermöglichen. Da<strong>mit</strong><br />
Daten als unternehmensspezifische Daten klassifiziert werden können, müssen die-<br />
se innerhalb von Informationsprozessen von Systemelementen der organisatorischen<br />
Wissensbasis - den Mitarbeitern - auf diese Eigenschaft hin überprüft werden.<br />
Aus der in Kapitel 1 angedeuteten Dynamik der Veränderung des unternehmerischen<br />
Umfelds ist es besonders wichtig Überlegungen anzustellen, wie man die Aktualität<br />
der unternehmensrelevanten Daten sicherstellen kann. Es wird daher nicht immer<br />
sinnvoll sein eine Dokumentation bzw. Speicherung von Daten in der Unternehmung<br />
durchzuführen, wenn diese ohnehin in anderen Datenbanken, wie z.B. im Internet<br />
„online“ verfügbar sind. Vielmehr wird es meist ausreichen, dass die Wissensträger<br />
der Unternehmung <strong>mit</strong> Daten stimuliert werden, um da<strong>mit</strong> eine Erweiterung ihres<br />
Handlungsspektrums zu bewirken.<br />
Information<br />
Information wird als der Prozess verstanden, bei dem ein Individuum durch die Inter-<br />
pretation von Daten über sein Sensorium neue Erkenntnisse erlangt. Es entsteht da-<br />
durch im günstigen Fall beim Empfänger neues Wissen. Daten in der Form von stan-<br />
dardisierten Zeichen, aber auch Fotos oder Filme können als Träger „potenzieller<br />
Information“ gesehen werden. Diese haben das Potenzial im Prozess der Information<br />
beim Empfänger neues Wissen entstehen zu lassen. Da<strong>mit</strong> dies möglich wird, muss
Grundlagen der unternehmerischen <strong>Innovation</strong>sfähigkeit 45<br />
ein Kontext als Basis vorhanden sein, der eine Anknüpfung an das bestehende Wissen<br />
möglich macht.<br />
Unter diesen Gesichtspunkten muss auch der Begriff der (elektronischen) Informati-<br />
onssysteme gesehen werden. In solchen Systemen werden nach wie vor Daten ab-<br />
gelegt, die das Potenzial haben den Benutzer zu informieren. Solche „EDV-Systeme“<br />
speichern aber eben nach wie vor nur Daten in der Form von Texten, Bildern oder<br />
Filmen und nicht wie vielfach suggeriert wird „Informationen“ oder gar „Wissen“.<br />
Heinz v. Foerster 74 untermauert dies im folgenden Satz:<br />
„Wir müssen Vorträge, Bücher, Diapositive, Filme usw. nicht als Information, son-<br />
dern als Träger potenzieller Information ansehen. Dann wird uns nämlich klar, dass<br />
das Halten von Vorträgen, das Schreiben von Büchern, die Vorführung von Diaposi-<br />
tiven und Filmen usw. kein Problem löst, sondern ein Problem erzeugt: nämlich zu<br />
er<strong>mit</strong>teln, in welchen Zusammenhängen diese Dinge so wirken, dass sie in den Men-<br />
schen, die sie wahrnehmen, neue Einsichten, Gedanken und Handlungen erzeugen.“<br />
Auch neue Medien, wie das Internet <strong>mit</strong> seinen zahlreichen Diensten wie das World<br />
Wide Web, Email, News, etc., sind unter diesem Gesichtspunkt zu sehen. Es wird<br />
zwar dadurch der Zugang zu Daten erheblich verbessert, inwiefern der Benutzer sol-<br />
cher Dienste aber in der Lage ist aus diesen Daten neue Erkenntnisse zu gewinnen,<br />
wird individuell verschieden sein.<br />
Der hier verwendete Begriff der Information wird auch bei anderen Autoren zum<br />
Thema <strong>Wissensmanagement</strong> in ähnlicher Form verwendet. Nonaka/Takeuchi 75 z.B.<br />
bezeichnen Information als einen Fluss von Botschaften, der im Zusammentreffen<br />
<strong>mit</strong> den Vorstellungen eines Menschen Wissen erzeugt und deutet da<strong>mit</strong> ebenso den<br />
Prozess-Charakter der Information an:<br />
„Finally, both information and knowledge are context-specific and relational in that<br />
they depend on the situation and are created dynamically in social interaction among<br />
people.“<br />
¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯<br />
74 Foerster, H.v.: Zukunft der Wahrnehmung: Wahrnehmung der Zukunft, in Schmidt S.J. (Hrsg.): Wissen<br />
und Gewissen, 4. Auflage, Frankfurt a. Main 1997, S. 197 (Hervorhebungen im Original kursiv).<br />
75 Nonaka, I.; Takeuchi, H.: The Knowledge-Creating Company, New York/Oxford 1995, S. 59
Grundlagen der unternehmerischen <strong>Innovation</strong>sfähigkeit 46<br />
Wissen und Wissensbasis<br />
Nach der Abgrenzung von Daten und Information fällt es nicht mehr schwer den Be-<br />
griff Wissen für diese Arbeit einzugrenzen. Die Frage, wo Wissen ausschließlich ent-<br />
steht und auch vorliegen kann, wurde bei der Definition des Begriffs Information<br />
schon vorweggenommen. Wissen und dessen Entwicklung und „Speicherung“ ist<br />
eindeutig und ausschließlich an ein Individuum gebunden. Diese Interpretation stützt<br />
sich auf eine konstruktivistische Wissenstheorie, wie sie beispielsweise von Heinz v.<br />
Foerster 76 vertreten wird. Eine der wesentlichen Aussagen dazu sei nachfolgend,<br />
wegen ihrer hohen Bedeutung für die weiteren Ausführungen auch im Originaltext<br />
wiedergegeben:<br />
„Information ist natürlich der Prozess, durch den wir Erkenntnis gewinnen, und Er-<br />
kenntnisse sind die Prozesse, die vergangene und gegenwärtige Erfahrungen inte-<br />
grieren, um neue Tätigkeiten auszubilden, entweder als Nerventätigkeit, die wir in-<br />
nerlich als Denken und Wollen wahrnehmen können, oder aber als äußerlich wahr-<br />
nehmbare Sprache oder Bewegung. Keiner dieser Prozesse kann »weitergegeben<br />
werden«, wie man uns immer wieder sagt, z.B. <strong>mit</strong> Sätzen wie »...Universitäten sind<br />
Horte des Wissens, das von Generation zu Generation weitergegeben wird...« usw.,<br />
denn Ihre Nerventätigkeit ist ausschließlich Ihre Nerventätigkeit und - leider - nicht<br />
meine. Es ist kein Wunder, dass ein Bildungssystem, welches den Prozess der Er-<br />
zeugung neuer Prozesse <strong>mit</strong> der Verteilung von Gütern, genannt »Wissen«, ver-<br />
wechselt, in den dafür bestimmten Empfängern große Enttäuschung hervorrufen<br />
muss, denn die Güter kommen nie an: es gibt sie nicht!“<br />
Der hier verwendete Begriff „Erkenntnis“ soll für die weiteren Ausführungen <strong>mit</strong> dem<br />
Begriff Wissen gleichgesetzt werden. Weiters definiert Heinz v. Foerster 77 den Begriff<br />
„kognitive Prozesse“:<br />
„Die Hierarchie von Mechanismen, Transformationsoperationen und Prozessen, die<br />
von der Sinnesreizung über die Wahrnehmung von Einzelheiten zur Manipulation<br />
generalisierter interner Repräsentationen des Wahrgenommen führen, ebenso wie<br />
die umgekehrten Transformationen, die von allgemeinen Anweisungen zu spezifi-<br />
schen Handlungen führen oder von allgemeinen Begriffen zu spezifischen Äußerun-<br />
gen, möchte ich als »kognitive Prozesse« bezeichnen“<br />
¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯<br />
76 Foerster, H.v.: Zukunft der Wahrnehmung: Wahrnehmung der Zukunft, in Schmidt S.J. (Hrsg.): Wissen<br />
und Gewissen, 4. Auflage, Frankfurt a. Main 1997, S. 196 (Hervorhebungen im Original kursiv)<br />
77 Foerster, H.v.: Was ist Gedächtnis, dass es Rückschau und Vorschau ermöglicht?, in Schmidt S.J.<br />
(Hrsg.): Wissen und Gewissen, 4. Auflage, Frankfurt a. Main 1997, S. 304
Grundlagen der unternehmerischen <strong>Innovation</strong>sfähigkeit 47<br />
Auf Basis dieser Ausführungen kann der Wissensbegriff, der dieser Arbeit zugrundegelegt<br />
wird, folgendermaßen beschrieben werden:<br />
Wissen umfasst sämtliche kognitiven Prozesse des menschlichen Gehirns. Aus die-<br />
sen Prozessen können folgende Teilprozesse hervorgehoben und isoliert betrachtet<br />
werden:<br />
? Die Fähigkeit wahrzunehmen (sich zu informieren)<br />
? Die Fähigkeit aufzunehmen (zu speichern)<br />
? Die Fähigkeit Schlüsse zu ziehen (zu verknüpfen bzw. zu lernen)<br />
? Die Fähigkeit sich zu erinnern (wieder abzurufen)<br />
? Die Fähigkeit Handlungen zu steuern (Aktivierung der Motorik)<br />
Die Ausführung dieser Prozesse basiert auf den vorhandenen nutzbaren kognitiven<br />
Strukturen des Gehirns. Das Potenzial, das durch diese kognitiven Strukturen für die<br />
oben aufgeführten Teilprozesse zur Verfügung steht, kann als die persönliche Wis-<br />
sensbasis des Menschen zusammengefasst werden. Da diese Wissensbasis in die-<br />
ser Arbeit als operational geschlossenes System aufgefasst wird, gibt es auch keine<br />
Möglichkeit eine geeignete Koppelung herzustellen, die Wissen zwischen zwei<br />
Kommunikationspartnern direkt weitergibt. Ob ein „Transfer“ von Wissen von einem<br />
Sender zu einem Empfänger erfolgreich war, wird für den Sender nur durch Beobachtung<br />
von konkreten Handlungen des Empfängers erkennbar.<br />
Ergänzend sei hier noch bemerkt, dass durch die hier verwendete Definition von<br />
Wissen auch die vielfach verwendeten Begriffe, wie theoretische Kenntnisse, Erfahrungen,<br />
Hausverstand aber auch Fähigkeiten <strong>mit</strong>einbezogen werden.<br />
Für die weiteren Ausführungen ist wichtig festzuhalten, dass diese Wissensbasis<br />
nicht statisch anzusehen ist, sondern durch jede kognitive Aktivität verändert wird.<br />
Geht man von lerntheoretischen Ansätzen aus, kann da<strong>mit</strong> Lernen als rekursiv ablaufender<br />
Prozess beschrieben werden (Güldenberg, S.). 78<br />
Bei dieser Sichtweise des Begriffs Wissen wird auch von der Vorstellung Abstand<br />
genommen, dass Wissen außerhalb des menschlichen Gehirns als explizites, kodifiziertes,<br />
unpersönliches, etc. Wissen in irgend einer Form gespeichert werden kann.<br />
¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯<br />
78 Vgl. Güldenberg, S.: <strong>Wissensmanagement</strong> und Wissenscontrolling in lernenden Organisationen,<br />
Wiesbaden 1997, S. 97
Grundlagen der unternehmerischen <strong>Innovation</strong>sfähigkeit 48<br />
Auch Scheuble 79 kommt zu einem ähnlichen Schluss: „Explizites Wissen ist demnach<br />
kein anderes Wissen als implizites Wissen. Explizites Wissen ist vielmehr implizites<br />
Wissen besonderer Art: Explizites Wissen ist implizites Wissen, das auf der Basis<br />
von Zeichen übertragen werden kann.“ Eine Unterscheidung auf der Ebene von Wis-<br />
sen scheint nur insofern vorteilhaft, als dass es Wissen gibt, das <strong>mit</strong>tels Daten über<br />
den Prozess der Information zum Empfänger transferiert werden kann. Der von<br />
Sammer 80 eingeführte Begriff der „Wissensinduktion“ beschreibt diesen Vorgang<br />
sehr anschaulich. Auf den Transfer von Wissen wird im Kapitel 3 im Detail eingegangen.<br />
Zugriff auf die menschliche Wissensbasis<br />
Das menschliche Gehirn kann durch den kognitiven Prozess der Wahrnehmung über<br />
Informationsprozesse neues Wissen entwickeln. Wir wissen aber aus eigener Erfah-<br />
rung, dass die Verfügbarkeit des gesamten Wissens eines Menschen nicht zwangs-<br />
läufig permanent gegeben ist, sondern nach einer gewissen Zeitspanne nur mehr<br />
durch geeignete Stimulation wieder zugänglich ist.<br />
In den Naturwissenschaften und zwar speziell in der Sprache der IuK-Technologie<br />
könnte man eine Analogie zum permanenten Festspeicher- und flüchtigen Ar-<br />
beitspeicher <strong>mit</strong> all den zuvor erwähnten Einschränkungen anstellen. In der Sprache<br />
der Neurobiologen wird dieser Effekt durch ein Gehirnmodell beschrieben, das über<br />
ein Langzeitgedächtnis und ein Kurzzeitgedächtnis verfügt (Vester, F., vgl. dazu<br />
auch Kapitel 3). 81<br />
Organisatorische Wissensbasis<br />
Der Begriff organisatorische Wissensbasis (Duncan, R.B.; Weiss, A.) 82 wird sehr un-<br />
terschiedlich definiert. Weit verbreitet ist die Ansicht, dass dazu neben individuellen<br />
und kollektiven Wissensbeständen auch alle Daten und „Informationsbestände“ einer<br />
Organisation dazuzählen (Probst, G.; Raub, S.; Romhardt, K. oder Petrovic, O.). 83<br />
¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯<br />
79<br />
Scheuble, S.: Wissen und Wissenssurrogate, Dissertation, München, 1998, S. 26<br />
80<br />
Vgl. Sammer, M.: Wissensinduktion in Organisationen, Dissertation, Montanuniversität Leoben<br />
1999, S. 58<br />
81<br />
Vgl. Vester, F.: Denken, Lernen, Vergessen, 26. Auflage, München 1999, S. 63<br />
82<br />
Dieser Begriff geht auf Duncan und Weiss zurück, die erstmals von einer organizational knowledge<br />
base sprachen, vgl. Duncan, R.B.; Weiss, A.: Organizational Learning - Implications for Organizational<br />
Design, in: Research in Organizational Behaviour (1979)1, S. 75–123<br />
83<br />
Vgl. Probst, G.; Raub, S.; Romhardt, K.: Wissen managen, Frankfurt/Wiesbaden 1997, S. 44, oder<br />
vgl. Petrovic, O.: Wissenstransfer und neue Technologien, in: Gutschelhofer, A.; Scheff, J. (Hrsg.):<br />
Mitarbeiter Know-how, Wien 1997, S. 101
Grundlagen der unternehmerischen <strong>Innovation</strong>sfähigkeit 49<br />
In konsequenter Verfolgung der konstruktivistischen Erkenntnistheorie (vgl. Kapitel 3)<br />
wird in dieser Arbeit von dieser Ansicht Abstand genommen. Der Begriff „organisato-<br />
rische Wissensbasis“ dieser Arbeit umfasst demnach alle individuellen Wissensbe-<br />
stände, die von den Mitgliedern einer Organisation in die betriebliche Leistungser-<br />
stellung eingebracht werden können. Als kollektives Wissen kann dabei ein individu-<br />
eller Wissensbestand bezeichnet werden, über den zumindest zwei Mitglieder einer<br />
Organisation verfügen. Beim jeweiligen Individuum bzw. Wissensträger wird in Bezug<br />
auf dieses kollektive Wissen eine annähernd gleichwertige Handlungsfähigkeit er-<br />
möglicht. Daten, egal in welcher Form sie dargestellt werden, zählen nicht zur organisatorischen<br />
Wissensbasis.<br />
2.3.4 Der <strong>Wissensmanagement</strong>-Begriff dieser Arbeit<br />
Auf Basis der bisherigen Ausführungen und Erkenntnisse kann <strong>Wissensmanagement</strong><br />
als das Management der organisatorischen Wissensbasis einer Unternehmung inter-<br />
pretiert werden. Wesentliche Gestaltungsbereiche sind da<strong>mit</strong> Wissenstransfers bzw.<br />
Lernprozesse zur Veränderung der Wissensbasis. <strong>Wissensmanagement</strong> kann da<strong>mit</strong><br />
als Grundlage für die Gestaltung einer innovationsfähigen, lernenden Organisation<br />
angesehen werden. In dieser Arbeit wird <strong>Wissensmanagement</strong> als Basis und Not-<br />
wendigkeit für die Bewältigung von <strong>Innovation</strong>sprozessen in Organisationen angesehen.<br />
Die hohe Relevanz eines humanzentrierten Zugangs zum Thema <strong>Wissensmanagement</strong><br />
wurde in diesem Kapitel vor allem durch Aussagen von Heinz v. Foerster be-<br />
legt. Die dabei vertretenen Standpunkte werden im nachfolgenden Kapitel einer De-<br />
tailanalyse unterzogen. Im Rahmen dieser Analyse, die vor allem zum Ziel hat den<br />
Begriff Wissen aus unterschiedlichen Blickwinkeln aufzuarbeiten, werden ausge-<br />
wählte Modelle aus fachfremden Wissensgebieten vorgestellt und die wesentlichen<br />
Wirkungszusammenhänge diskutiert.
Modelltheoretische Grundlagen für <strong>Wissensmanagement</strong> 50<br />
3 Modelltheoretische Grundlagen für <strong>Wissensmanagement</strong><br />
„Auch der naivste der naiven Realisten wird sich irgendwann einmal fragen, wie denn<br />
all die Information, die man angeblich aus der wirklichen Welt einholt, tatsächlich in<br />
das System des Individuums hineinkommt, so dass dieses Individuum schließlich<br />
eine kognitive Abbildung (Wiedergabe, Repräsentation) davon besitzt.“ (Glasersfeld,<br />
E.v.) 84<br />
In diesem Kapitel werden modellhafte Ansätze zur Beschreibung und Erklärung von<br />
Aspekten des <strong>Wissensmanagement</strong>s vorgestellt. Die Tiefe und der Umfang der ge-<br />
wählten Darstellungen beschränkt sich auf ausgewählte Inhalte, die für den weiteren<br />
Fortgang der Arbeit von Relevanz sind. Zur Darstellung dieser Wissensgebiete wird<br />
auf die interdisziplinäre Wissenschaft der Systemtheorie aufgebaut. In Abbildung 3-1<br />
werden die wesentlichen Inhalte dieses Kapitels anhand einer systemischen Betrachtungsweise<br />
aufgelistet.<br />
Art der Systembetrachtung<br />
Nervensystem <strong>mit</strong><br />
vernetzten Neuronen<br />
Selbstorganisiertes,<br />
autopoietisches System<br />
Triviale und nichttriviale<br />
Maschine<br />
Elementare Funktionen Vertreter<br />
Neuronale Aktivität wird über Perzeptoren angeregt.<br />
Neuronale Informationsverarbeitung basiert<br />
auf elektrochemischen Reaktionen<br />
Strukturdeterminierte, lebende Systeme als Folge<br />
ihrer autopoietischen Organisation<br />
Wissen wird vom denkenden Subjekt aktiv in<br />
kreiskausalen kognitiven Prozessen aufgebaut.<br />
Kognition dient der Organisation der Erfahrungswelt<br />
des Subjekts. Dies wird durch das Zusammenspiel<br />
von Motorium und Sensorium erreicht.<br />
Abbildung 3-1: Elementare Funktionen der betrachteten Systeme<br />
Shatz, C.J.;<br />
Vester, F.<br />
Maturana, H.R.;<br />
Varela, F.J.<br />
Foerster, H.v.;<br />
Glasersfeld,<br />
E.v.<br />
Die Frage, wo Wissen entsteht, führt zum Ausgangspunkt vieler Überlegungen zum<br />
Thema Wissen, und zwar in die Wissenschaftsdisziplin der Neurophysiologie. Darauf<br />
aufbauend sind die Kognitionstheorie von Maturana/Varela 85 und die konstruktivisti-<br />
¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯<br />
84 Glasersfeld, E.v.: Wissen, Sprache und Wirklichkeit: Arbeiten zum radikalen Konstruktivismus, Wissenschaftstheorie,<br />
Wissenschaft und Philosophie, Vol. 24, Braunschweig/Wiesbaden 1987, S. 138<br />
85 Vgl. Maturana, H.R.; Varela, F.J.: Der Baum der Erkenntnis - Die biologischen Wurzeln menschli-<br />
chen Erkennens, Bern/München 1987
Modelltheoretische Grundlagen für <strong>Wissensmanagement</strong> 51<br />
sche Erkenntnistheorie von Heinz v. Foerster 86 wesentliche gedankliche Eckpfeiler<br />
des hier erarbeiteten Bezugsrahmens zur Analyse und Gestaltung von Wissenssy-<br />
stemen. Mit zunehmender Abstraktion der Betrachtungen von der empirischen Basis<br />
der Neurophysiologie aus werden weitere Wissenschaftszweige ins Spiel gebracht,<br />
die letztendlich einen Ansatz für <strong>Wissensmanagement</strong> als interdisziplinär erarbeitetes<br />
„Metawissen“ beschreiben.<br />
3.1 Einführung in die Systemtheorie<br />
Die Systemtheorie ist eine Formal-Wissenschaft, die eine einheitliche Terminologie<br />
und Methodologie anbietet, um komplexe Zusammenhänge darstellen und diskutie-<br />
ren zu können. In ihrer Funktion als interdisziplinäre Wissenschaft stellt sie quasi ei-<br />
ne „Meta-Theorie“ zur Modellierung biologischer, mechanischer aber auch sozialer<br />
Systeme zur Verfügung. Es ist dadurch möglich, Erscheinungen in ihrer Gleichartig-<br />
keit besser zu erkennen und die Prinzipien von Ganzheiten, unabhängig von der Art<br />
der Elemente, Beziehungen und Kräfte, zu untersuchen (Güldenberg, S.). 87<br />
Das Wort „System“ selbst stammt vom griechischen „systema“, was soviel bedeutet<br />
wie „aus mehreren Teilen zusammengesetztes, gegliedertes Gebilde“. 88 Im deut-<br />
schen Sprachraum versteht man unter einem System: „...ein in sich geschlossenes,<br />
geordnetes und gegliedertes Ganzes; eine Gesamtheit, ein Gefüge von Teilen, die<br />
voneinander abhängig sind, ineinandergreifen oder zusammenwirken.“ (Wahrig, G.) 89<br />
Haberfellner 90 definiert ein System als „... die Gesamtheit von Elementen, die <strong>mit</strong>einander<br />
durch Beziehungen verbunden sind.“<br />
Das Verhalten des Systems wird vom Zusammenwirken aller Elemente beeinflusst<br />
(Ulrich, H.). 91 Diese „Vernetzung“ durch Beziehungen bzw. Relationen muss nicht<br />
unbedingt in greifbarer oder sichtbarer Form vorliegen, sondern kann auch aus Wirkungen<br />
bestehen.<br />
Ein System ist so<strong>mit</strong> ein dynamisches Ganzes, das als solches bestimmte Eigen-<br />
schaften und Verhaltensweisen besitzt. Es besteht aus Elementen, welche so <strong>mit</strong>-<br />
¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯<br />
86 Vgl. die Sammlung von Aufsätzen und Vorträgen von Heinz v. Foerster, in Schmidt S.J. (Hrsg.):<br />
Wissen und Gewissen, 4. Auflage, Frankfurt a. Main 1997<br />
87 Vgl. Güldenberg, S.: <strong>Wissensmanagement</strong> und Wissenscontrolling in lernenden Organisationen -<br />
Ein systemtheoretischer Ansatz, Wien 1997, S. 51<br />
88 Vgl. o.V.: Meyers kleines Lexikon der Philosophie, Mannheim 1987<br />
89 Wahrig, G.: Deutsches Wörterbuch, 2. Auflage, Wien 1980, S. 3653<br />
90 Haberfellner, R.: Die Unternehmung als dynamisches System - Der Prozesscharakter der Unternehmungsaktivitäten,<br />
2. Auflage, Zürich 1975, S. 6<br />
91 Vgl. Ulrich, H.: Anleitung zum ganzheitlichen Denken und Handeln, zitiert in: Böhm, R.; u.a.: Systementwicklung<br />
in der Wirtschaftsinformatik, 2. Auflage, Zürich 1993, S. 2f
Modelltheoretische Grundlagen für <strong>Wissensmanagement</strong> 52<br />
einander verknüpft sind, dass keines der Elemente von anderen Elementen unab-<br />
hängig ist (vgl. Abbildung 3-2). Je nach der Betrachtungsebene kann jedes Element<br />
eines Systems wiederum als (Sub-) System betrachtet werden.<br />
Elemente<br />
E<br />
E<br />
E E<br />
(System) Umwelt<br />
E<br />
E<br />
E<br />
System<br />
Abbildung 3-2: Bestimmungsgrößen eines Systems<br />
3.1.1 Allgemeine Eigenschaften und Merkmale von Systemen<br />
E<br />
E<br />
Beziehungen<br />
E<br />
E<br />
Systemgrenze<br />
Für die Untersuchung von Systemen kann es hilfreich sein, neben der sehr allgemei-<br />
nen Definition eine weitere Differenzierung von Eigenschaften vorzunehmen. Nach-<br />
folgend werden daher einige wichtige Eigenschaften von Systemen angeführt und<br />
erläutert (Güldenberg, S. bzw. Haberfellner, R.): 92<br />
Offene oder geschlossene Systeme<br />
Die Abgrenzung eines Systems gegenüber dem Systemumfeld ist eines der charak-<br />
teristischen Kennzeichen des Systems. Wenn nun diese Systemgrenze durchlässig<br />
ist, also einzelne Systemelemente <strong>mit</strong> dem Systemumfeld Beziehungen unterhalten,<br />
so spricht man von offenen Systemen. Im gegenteiligen Fall spricht man von geschlossenen<br />
Systemen.<br />
Daraus lässt sich folgern, dass geschlossene Systeme keinem übergeordneten Su-<br />
persystem angehören können. Hingegen können offene Systeme Bestandteil eines<br />
¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯<br />
92 Vgl. Güldenberg, S.: <strong>Wissensmanagement</strong> und Wissenscontrolling in lernenden Organisationen -<br />
Ein systemtheoretischer Ansatz, Wien 1997, S. 55ff, bzw. Haberfellner, R.: Die Unternehmung als<br />
dynamisches System - Der Prozesscharakter der Unternehmungsaktivitäten, 2. Auflage, Zürich<br />
1975, S. 18ff
Modelltheoretische Grundlagen für <strong>Wissensmanagement</strong> 53<br />
umfassenderen Supersystems sein. Sie können aber auch gleichberechtigt neben<br />
anderen Systemen stehen und zu diesen Beziehungen unterhalten.<br />
Deterministische oder probabilistische Systeme<br />
Von einem deterministischen System spricht man, wenn in einem System die Syste-<br />
melemente in vollständig vorhersagbarer Weise aufeinander einwirken. Daher wird<br />
bei solchen Systemen, unabhängig davon ob es sich um statische oder dynamische<br />
Systeme handelt, eine Vorherberechnung ihres zukünftigen Verhaltens möglich sein.<br />
Adaptive oder lernfähige Systeme<br />
Adaptive Systeme haben die Eigenschaft, Veränderungen, welche außerhalb ihrer<br />
Systemgrenzen stattfinden, wahrzunehmen, und sich diesen, soweit es für sie mög-<br />
lich ist, durch Veränderungsprozesse anzupassen. Lernfähige Systeme besitzen zu-<br />
sätzlich zur adaptiven, und da<strong>mit</strong> reaktiven, eine antizipative Lernfähigkeit, welche<br />
systemexterne Veränderungsprozesse sowohl vorwegnehmen als auch beeinflussen<br />
kann.<br />
Selbstorganisierende bzw. strukturdeterminierte Systeme<br />
Diese Art von Systemen ist für die weiteren Ausführungen von besonderer Bedeu-<br />
tung. Das kennzeichnende Merkmal selbstorganisierender bzw. strukturdeterminier-<br />
ter Systeme ist, dass die einzelnen Systemelemente ohne zentrale Steuerungsin-<br />
stanz, also ohne übergeordnete Systemeinheit, überleben. Strukturdeterminierte Sy-<br />
steme können sich ausschließlich innerhalb einer bestimmten Variation ändern, welche<br />
durch die Organisation der Systeme determiniert wird.<br />
Organismen können als Vertreter dieser Systeme betrachtet werden. Strukturell ist<br />
ein Organismus <strong>mit</strong> seiner Umwelt gekoppelt. Die Umwelt wird auf mikroskopischer<br />
Ebene als besondere „Störung“ wahrgenommen. Seine Organisation bleibt unverän-<br />
dert und sichert sein Überleben, indem die Grenze zur Umwelt fortwährend aufrechterhalten<br />
wird.
Modelltheoretische Grundlagen für <strong>Wissensmanagement</strong> 54<br />
3.2 Neurophysiologische Grundlagen<br />
„Wenn wir nämlich in der Tat den Begriff der Ware <strong>mit</strong> Namen »Information«, die in<br />
einem Prozess <strong>mit</strong> Namen Kommunikation den Besitzer wechselt, aufgeben müssen,<br />
dann müssen wir auch die Strategie entwickeln, die uns erlaubt, nach Prozessen innerhalb<br />
unser selbst zu forschen.“ (Foerster, H.v.) 93<br />
In der Neurophysiologie ist Wissen untrennbar <strong>mit</strong> dem dafür zuständigen menschli-<br />
chen Organ verknüpft: dem Gehirn. Diese komplexe neuronale Struktur <strong>mit</strong> ihren<br />
mehr als 100 Milliarden Nervenzellen, die in komplizierten Mustern <strong>mit</strong>einander ver-<br />
netzt sind, ist die Zentrale aller kognitiven Prozesse. Auf dieser Betrachtungsebene<br />
verliert der Begriff der „Realität“ gänzlich an Bedeutung. Jede kognitive Aktivität kann<br />
auf ein „Feuern“ von Neuronen zurückgeführt werden.<br />
Obwohl in diesem Zweig der Wissenschaften in den letzten Jahrzehnten große Fort-<br />
schritte gemacht wurden, gibt es auf dieser Ebene noch zahlreiche „weiße Flecken“,<br />
die es zu erforschen gilt. Nachfolgend soll ein kurzer Überblick über grundlegende<br />
Funktionsweisen eines neuronalen Systems gegeben werden.<br />
Einer früheren Theorie zufolge war man der Meinung, dass sich die Nervenzellen<br />
des Gehirns im Verlauf der fötalen Reifung nach einem vorgegebenen Schaltplan<br />
quasi selbst verdrahten. Demnach müsste aber die gesamte Struktur des Gehirns in<br />
der Erbsubstanz – der DNA (Desoxyribonukleinsäure) – niedergelegt sein und erst<br />
wenn die Verschaltung komplett sei, beginne das Gehirn zu arbeiten.<br />
Neuere Forschungsergebnisse auf diesem Gebiet haben aber ergeben, dass die<br />
Gehirnentwicklung völlig anders abläuft: Die neuronalen Verbindungen bilden ein<br />
vorläufiges Muster, dass nur eine grobe Annäherung an den Endzustand darstellt.<br />
Auch wenn ein Säugling zwar <strong>mit</strong> fast allen Nervenzellen auf die Welt kommt, beträgt<br />
seine Gehirnmasse doch nur ein Viertel der eines Erwachsenen.<br />
Das Gehirn vergrößert sich danach dadurch, weil seine Nervenzellen wachsen und<br />
sich viele der Fortsätze und Verknüpfungen erst nach der Geburt bilden. Eine Ver-<br />
mehrung der Neuronen <strong>mit</strong> zunehmendem Alter würde bewirken, dass gleichzeitig<br />
auch entsprechend viele Zellen absterben und da<strong>mit</strong> auch das bis dahin aufgebaute<br />
Wissen verloren wäre (Vester, F.). 94<br />
¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯<br />
93 Foerster, H.v.: Epistemologie der Kommunikation, in Schmidt S.J. (Hrsg.): Wissen und Gewissen,<br />
4. Auflage, Frankfurt a. Main 1997, S. 273<br />
94 Vgl. Vester, F.: Denken, Lernen, Vergessen, 26. Auflage, München 1999, S. 37f
Modelltheoretische Grundlagen für <strong>Wissensmanagement</strong> 55<br />
Während der ersten Wochen der embryonalen Entwicklung müssen viele Sinnesor-<br />
gane erst <strong>mit</strong> den Verarbeitungszentren des sich ausbildenden Gehirns verbunden<br />
werden. Der Embryo ist darauf angewiesen, dass bei seiner weiteren Entwicklung<br />
genügend Neuronen <strong>mit</strong> den entsprechenden Verbindungen an den richtigen Stellen<br />
entstehen. Nach den Erkenntnissen der Gehirnforscher wird die richtige Verschal-<br />
tung des Gehirns aber nur durch bestimmte Stimulation erreicht. So müssen z.B.<br />
Kinder, um sich normal entwickeln zu können, Reize durch Berührung, Sprache und<br />
Bilder empfangen.<br />
Abbildung 3-3: Modell der neuronalen Informationsverarbeitung (Shatz, C.J.) 95<br />
¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯<br />
95 Vgl. Shatz, C.J.: Das sich entwickelnde Gehirn; in: Singer, W. (Hrsg.): Gehirn und Bewußtsein, Hei-<br />
delberg 1994, S. 10
Modelltheoretische Grundlagen für <strong>Wissensmanagement</strong> 56<br />
Dringt man noch tiefer in diese Mikrowelt ein, kann man ein Modell der Informations-<br />
verarbeitung im menschlichen Gehirn beschreiben, das in Abbildung 3-3 detailliert<br />
dargestellt ist. Ausgangspunkt der Beschreibung des Prozesses der Informationsver-<br />
arbeitung ist die kleinste Einheit: das Neuron - die Nervenzelle. Wird ein Neuron er-<br />
regt, so leitet sie Signale in Form elektrischer Impulse an andere Neuronen weiter. In<br />
der Fachsprache der Neurobiologie wird dieser Vorgang auch als das „Feuern“ eines<br />
Neurons bezeichnet. Die dadurch ausgelöste Erregungswelle - auch Aktionspotenzial<br />
genannt - pflanzt sich über die als Axon bezeichnete Nervenfaser fort und wird an<br />
den Kontaktstellen - den Synapsen - zu nachgeschalteten Zellen in Form von elek-<br />
trochemischen Signalen über<strong>mit</strong>telt. Dies geschieht dadurch, dass an der Sender-<br />
seite der Synapse Botenstoffe (Neurotrans<strong>mit</strong>ter) als Überträger des Signals freige-<br />
setzt werden. Infolge dieser elektrochemischen Bindung können auch nachgeschal-<br />
tete Neuronen erregt werden. Ist die Erregung stark genug, können auch diese<br />
nachgeschalteten Neuronen feuern (Kotulak, R.). 96<br />
Die Zusammensetzung der Trans<strong>mit</strong>ter-Substanz und der aktuelle Ladungszustand<br />
des erregten Neurons bestimmen entscheidend, wie ein Aktionspotenzial auf ein<br />
Neuron wirkt. Das Aktionspotenzial kann sowohl hemmende als auch fördernde Ef-<br />
fekte haben und so im Zusammenspiel <strong>mit</strong> anderen ankommenden Aktionspotenzia-<br />
len ein Neuron zum „Feuern“ bewegen oder davon abhalten. Die Stärke der Entla-<br />
dung einer Nervenzelle bleibt dabei immer gleich, lediglich die Impulsfrequenz ändert<br />
sich. Je höher die Frequenz der Entladungen, umso größer ist der Reiz, der das Ner-<br />
vensystem stimuliert. Das Neuron gibt dabei nur die Reizstärke, aber nie die Art des<br />
Reizes weiter. So kann ein Neuron nicht zwischen einem Reiz aus der Retina und<br />
dem einer Tastsinneszelle unterscheiden! Diesen wichtigen Aspekt bringt Heinz v.<br />
Foerster im Satz der „Undifferenzierten Kodierung“ zum Ausdruck:<br />
„Die Erregungszustände einer Nervenzelle kodieren nicht die Natur der Erregungs-<br />
ursache. (Kodiert wird nur: ›so und soviel an dieser Stelle meines Körpers‹, aber<br />
nicht ›was‹.)“ (Foerster, H.v.) 97<br />
Etwa fünfhundert Billionen an Synapsen sorgen dafür, dass wir gezielt denken und<br />
uns erinnern können. Jedes Neuron kann dazu <strong>mit</strong> bis zu zehntausend anderen Neu-<br />
ronen verbunden sein. Ein solches hochkomplexes Neuronennetzwerk wird in der<br />
Terminologie der Kognitionstheorie von Maturana/Varela als „System <strong>mit</strong> autopoieti-<br />
scher Organisation“ bezeichnet (vgl. Abschnitt 3.3).<br />
¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯<br />
96 Vgl. Kotulak, R.: Die Reise ins Innere des Gehirns, Paderborn 1998, S. 30<br />
97 Foerster, H.v.: Kybernetik einer Erkenntnistheorie, in Schmidt S.J. (Hrsg.): Wissen und Gewissen,<br />
4. Auflage, Frankfurt a. Main 1997, S. 56 (Hervorhebung im Original kursiv)
Modelltheoretische Grundlagen für <strong>Wissensmanagement</strong> 57<br />
ca. 10 2 bit/s<br />
Abbildung 3-4: Der Flaschenhals der Datenreduktion (Vester, F.) 98<br />
Interessant festzustellen ist dabei, dass nur etwa 0,1% der menschlichen Nerven-<br />
zellen eine Verbindung über sensorische Rezeptoren zur „Außenwelt“ haben. Setzt<br />
man dies in Relation zu den Häufigkeiten der internen neuronalen Vernetzung, so<br />
kann festgestellt werden, dass die Empfindlichkeit des Nervensystems auf Verände-<br />
rungen der Innenwelt 100.000 mal höher ist als die Empfindlichkeit gegenüber Ver-<br />
änderungen der Außenwelt. Dies kann als maßgebliches Indiz für die Relevanz der<br />
konstruktivistischen Erkenntnistheorie interpretiert werden.<br />
In Abbildung 3-4 wird eine weitere wichtige Eigenschaft neuronaler Informationsver-<br />
arbeitung skizziert, die in un<strong>mit</strong>telbarem Zusammenhang <strong>mit</strong> der zuvor beschriebe-<br />
nen Eigenschaft des Nervensystems steht. Betrachtet man die „Schnittstelle“ zur<br />
Umwelt genauer, kann festgestellt werden, dass über die sensorischen Rezeptoren<br />
zwar Signale aufgenommen werden. Das Ziel der kognitiven Informationsverarbei-<br />
tung ist dabei nicht die Erfassung einer möglichst großen Datenmenge, sondern eine<br />
Minimierung der einströmenden Signale auf das notwendige Maß, um den gewünschten<br />
Wissenszuwachs realisieren zu können.<br />
Es wird daher der über unsere Sinnesorgane einfließende Signalstrom auf ca. ein<br />
Zehnmillionstel der ursprünglichen Menge reduziert (Vester, F.). 99 Der verbleibende<br />
¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯<br />
98 Vgl. Vester, F.: Die Kunst vernetzt zu Denken, Stuttgart 1999, S. 23<br />
99 Vgl. Vester, F.: a.a.O., S. 23
Modelltheoretische Grundlagen für <strong>Wissensmanagement</strong> 58<br />
Teil wird dann im Gehirn durch Assoziationsvorgänge <strong>mit</strong> bekanntem, gehirneigenem<br />
Wissen vernetzt. Dieser „Flaschenhals der Datenreduktion“ ermöglicht dem Nerven-<br />
system sehr effizient ein Abbild der „Wirklichkeit“ zu konstruieren. Durch diese Art<br />
der Reduktion von Komplexität sind Lebewesen in der Lage eine Gesamtheit schon<br />
<strong>mit</strong> wenigen Ordnungsparametern zu erkennen. Der dazu inverse Vorgang kann bei<br />
der Steuerung des Motoriums festgestellt werden.<br />
3.2.1 Organisationsmodelle des Gehirns<br />
Ausgehend von der Betrachtung der Mikrowelt der Neuronen werden nachfolgend<br />
ausgewählte Gehirnmodelle zur Erklärung von Gehirnfunktionen vorgestellt. Diese<br />
Modelle beschreiben die Organisation einzelner Funktionen des menschlichen Gehirns<br />
und deren lokale Zuordnung auf unterscheidbare Teile des Gehirns.<br />
Das Gehirnmodell von Vester<br />
Abbildung 3-5: Das Gehirnmodell von Vester 100<br />
¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯<br />
100 Vgl. Vester, F.: Denken, Lernen, Vergessen, 26. Auflage, München 1999, S. 169
Modelltheoretische Grundlagen für <strong>Wissensmanagement</strong> 59<br />
Frederic Vester 101 bringt in sein Modell (vgl. Abbildung 3-5) vor allem die zeitliche<br />
Komponente der Wissensverarbeitung bzw. Wissensspeicherung <strong>mit</strong> ins Spiel und<br />
unterscheidet dabei folgende Bereiche der individuellen Wissensbasis:<br />
? Ultrakurzzeit-Gedächtnis (UZG)<br />
? Kurzzeit-Gedächtnis (KZG)<br />
? Langzeit-Gedächtnis (LZG)<br />
Alle Sinneswahrnehmungen bzw. alle Signale, die im Informationsprozess über das<br />
Sensorium vom Menschen aufgenommen werden, passieren zuerst das Ultrakurzzeit-Gedächtnis.<br />
1 2<br />
3 4<br />
Wahrnehmung<br />
Bei fehlendem Kontext klingen aufgenommene Signale im Ultrakurzzeit-Gedächtnis nach wenigen Sekunden ab<br />
Abbildung 3-6: Signalfilterung im Ultrakurzzeit-Gedächtnis (Vester, F.) 102<br />
Empirische Untersuchungen haben gezeigt, dass diese erste Anregung kognitiver<br />
Aktivität nach spätestens 20 Sekunden wieder abklingt und da<strong>mit</strong> nicht mehr verfüg-<br />
bar ist, wenn keine Verknüpfung <strong>mit</strong> der bestehenden menschlichen Wissensbasis<br />
hergestellt werden kann (vgl. Abbildung 3-6). Diese Stufe bildet da<strong>mit</strong> einen Filter,<br />
der den Menschen vor zu starker Belastung durch Information schützt.<br />
Wenn ein Kontextwissen im Gehirn vorhanden ist, wird das Signal <strong>mit</strong> diesem ver-<br />
netzt, und es entsteht neues Wissen durch Veränderung der individuellen Wissens-<br />
basis. Die Speicherung bzw. der Übergang vom Ultrakurzzeit-Gedächtnis zum Lang-<br />
zeit-Gedächtnis erfolgt über die Stufe des Kurzzeit-Gedächtnisses. Im Kurzzeit-<br />
Gedächtnis erfolgt die Vorbereitung zur permanenten Vernetzung des neuen Wis-<br />
sensinhaltes im Langzeitgedächtnis. Dabei wird das aufgenommene Signal in einer<br />
Zeitspanne von ca. 20 Minuten durch biochemische Prozesse materialisiert (vgl.<br />
Abbildung 3-7).<br />
¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯<br />
101 Vgl. Vester, F.: Denken, Lernen, Vergessen, 26. Auflage, München 1999, S. 116ff<br />
102 Vgl. Vester, F.: a.a.O., S. 59
Modelltheoretische Grundlagen für <strong>Wissensmanagement</strong> 60<br />
Im Langzeitgedächtnis wird der Informationsprozess durch neuronale Vernetzung<br />
des materialisierten Signals <strong>mit</strong> der bestehenden Wissensbasis beendet. Auch im<br />
Langzeitgedächtnis kann Wissen nach längeren Zeitspannen verloren bzw. verges-<br />
sen werden. Versuche <strong>mit</strong>tels der Methode Hypnose haben allerdings gezeigt, dass<br />
dieses Wissen nicht gänzlich verloren ist, sondern meist nur die Zugänglichkeit blok-<br />
kiert wird. So war es den Versuchspersonen möglich im hypnotisierten Zustand auf<br />
Wissen zuzugreifen, das bislang im „Normalzustand“ nicht mehr erreichbar war.<br />
1 2<br />
3 4<br />
Wahrnehmung<br />
vorhandenes Kontextwissen<br />
Verknüpfung (Assoziation) Verankerung (im Speicher)<br />
Erfolgreiche Aufnahme und Vernetzung eines Signals <strong>mit</strong> bestehendem Kontextwissen<br />
Abbildung 3-7: Signalvernetzung im Ultrakurzzeit-Gedächtnis (Vester, F.) 103<br />
Das Gehirnmodell von Sperry<br />
Das bekannteste Organisationsmodell des Gehirns geht auf die Arbeiten von Roger<br />
Sperry 104 zurück. Er weist anhand von Experimenten <strong>mit</strong> Menschen, denen aus me-<br />
dizinischen Gründen (Epilepsie) das verbindende Nervenfaserbündel (Corpus callo-<br />
sum) zwischen den beiden Hälften der Neokortex operativ durchtrennt wurde, nach,<br />
dass linke und rechte Gehirnhälfte auf bestimmte Funktionen spezialisiert sind.<br />
Während die linke Hälfte der Großhirnrinde auf lineares Denken, das Bilden von Ur-<br />
sache-Wirkungsmustern spezialisiert zu sein scheint, herrscht in der rechten Hälfte<br />
eine Präferenz für ganzheitliches Denken, d.h. intuitives Erkennen von gesamthaften<br />
Zusammenhängen vor.<br />
Bedingt durch unser Bildungssystem, das auch eher sequentiell und nach themati-<br />
schen Schwerpunkten organisiert ist und große Schwächen in der gesamthaften,<br />
vernetzten Betrachtungsweise aufweist, wird vor allem der Funktionsbereich der lin-<br />
ken Gehirnhälfte angesprochen und trainiert. Mit zunehmendem Lebensalter kann<br />
¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯<br />
103 Vgl. Vester, F.: Denken, Lernen, Vergessen, 26. Auflage, München 1999, S. 59<br />
104 Vgl. Sperry, R., zitiert in: Herrmann, N.: Das Ganzhirn-Konzept für Führungskräfte, Wien 1997,<br />
S. 37
Modelltheoretische Grundlagen für <strong>Wissensmanagement</strong> 61<br />
daher auch eine Einschränkung der kreativen Fähigkeiten von Menschen beobachtet<br />
werden (Herrmann, N.). 105<br />
Das Gehirnmodell von MacLean<br />
Paul MacLean 106 beschreibt ein Modell des dreieinigen Gehirns, das spezialisierte<br />
Funktionsbereiche des Gehirns auf die menschliche Evolution zurückführt. Dabei<br />
wird davon ausgegangen, dass sich das menschliche Gehirn vom Reptilien-Gehirn<br />
über das limbische Gehirn schließlich zur Neokortex entwickelt hat (vgl. Abbildung<br />
3-8). Im reptilischen Teil des Gehirns, das dem von prähistorischen Reptilien und<br />
heutigen Alligatoren und Echsen ähnelt, werden Instinkte und Triebe vermutet.<br />
Abbildung 3-8: Seiten- und Vorderansicht das limbischen Gehirnmodells<br />
(MacLean, P.) 107<br />
Der darauf aufbauende limbische oder auch als mammalisch bezeichnete Bereich ist<br />
neural und synaptisch ähnlich aufgebaut, wie der Neokortex. Von den Funktionen her<br />
kann dem limbischen Gehirnteil der Sitz der menschlichen Gefühlswelt <strong>mit</strong> Funktio-<br />
nen wie z.B. Aggression, Liebe, Sexualität, etc. zugeordnet werden. Weiters wird im<br />
limbischen Bereich auch das autonome Nervensystem <strong>mit</strong> Funktionen wie z.B. At-<br />
mung, Herzschlag, Schlaf, etc gesteuert (Kotulak, R.). 108 Zusätzlich zur Steuerung<br />
unserer Emotionen trägt das limbische System auch zur Steuerung der kognitiven<br />
¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯<br />
105<br />
Vgl. Herrmann, N.: Das Ganzhirn-Konzept für Führungskräfte, Wien 1997, S. 54<br />
106<br />
Vgl. MacLean, P., zitiert in: Herrmann, N.: Kreativität und Kompetenz - Das einmalige Gehirn,<br />
Fulda 1991, S. 27<br />
107<br />
Vgl. MacLean, P., zitiert in: Herrmann, N.: a.a.O., S. 66<br />
108<br />
Vgl. Kotulak, R.: Die Reise ins Innere des Gehirns, Paderborn 1998, S. 142
Modelltheoretische Grundlagen für <strong>Wissensmanagement</strong> 62<br />
Prozesse, wie z.B. der Wissensverarbeitung im Ultrakurzzeit-, Kurzzeit- und Langzeitgedächtnis<br />
bei.<br />
Schließlich liegt über den beiden anderen Gehirnteilen der Neokortex. Hier im Groß-<br />
hirn sind die höheren Funktionen wie Wahrnehmen, Denken, Sprechen, Entschei-<br />
den, Verhaltensgenerierung und willkürliche motorische Kontrolle verankert. Wäh-<br />
rend also im limbischen Bereich eher das „Wollen“ gesteuert wird, ist die Neokortex<br />
für das „Können“ des kognitiven Subsystems zuständig. Die Neokortex macht etwa<br />
80% der gesamten Gehirnmasse aus.<br />
Zusammengefasst kann festgestellt werden, dass die Erklärbarkeit von kognitiven<br />
Prozessen auf der Ebene der neuronalen Vernetzung ihre natürlichen Grenzen hat.<br />
Bedingt ist dies durch die enorme Komplexität des betrachteten Systems „Mensch“<br />
<strong>mit</strong> geschätzten 100 Mrd. Systemelementen und einer noch größeren Anzahl an Be-<br />
ziehungen zwischen diesen Elementen. Der mikroskopische Blick auf einen Aus-<br />
schnitt dieses Systems erlaubt noch keine eindeutige Modellbildung bzw. Abstraktion<br />
auf die Organisation des Gesamtsystems.<br />
Der Umstand, dass ein System versucht seine eigene Funktionsweise zu beschrei-<br />
ben, kann als weiterer begrenzender Faktor identifiziert werden. Dabei wird quasi ein<br />
Modell des Systems innerhalb des Systems konstruiert, das zwangsläufig aus weni-<br />
ger Elementen bestehen muss, da<strong>mit</strong> es „darstellbar“ ist. Der Ausweg dazu ist nahe-<br />
liegend: man weicht auf Kosten der Exaktheit und Vergleichbarkeit auf die Untersuchung<br />
weniger komplexe Organismen, wie z.B. Tiere aus.<br />
Trotz der eingeschränkten Erklärbarkeit liefern die in Zusammenhang <strong>mit</strong> kognitiven<br />
Prozessen aufgezeigten Ursache-Wirkung Beziehungen wertvolle Erkenntnisse für<br />
die weitere Arbeit. Viele dieser Erkenntnisse liegen insbesondere der nachfolgend<br />
vorgestellten biologischen Erkenntnistheorie zugrunde.<br />
3.3 Biologische Erkenntnistheorie<br />
Der chilenische Biologe Humberto R. Maturana 109 veröffentlichte 1970 in seinem<br />
Aufsatz „Biology of Cognition“ seine Thesen über eine biologische Erkenntnistheorie.<br />
Dieser Arbeit waren jahrzehntelange neurophysiologische Experimente über die Ar-<br />
beitsweise des Nervensystems vorangegangen. In diese „Biologie der Kognition“<br />
hatte er auch neue theoretische Ansätze lebender Systeme eingearbeitet, die er<br />
später <strong>mit</strong> seinen Kollegen Varela und Uribe zur Theorie der Autopoiese (Selbster-<br />
¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯<br />
109 Vgl. Maturana, H.R.; Varela, F.J.: Der Baum der Erkenntnis - Die biologischen Wurzeln menschli-<br />
chen Erkennens, Bern/München 1987
Modelltheoretische Grundlagen für <strong>Wissensmanagement</strong> 63<br />
zeugung) ausbaute. Er baut <strong>mit</strong> seiner Kognitionstheorie un<strong>mit</strong>telbar auf die zuvor<br />
beschriebenen neurobiologischen Grundlagen auf.<br />
Den Begriff „Autopoiesis“ kreierte Maturana aus dem griechischen Wort „auto“ =<br />
“selbst“ und dem Wort „poiein“, das soviel wie „machen“ bedeutet. Ein autopoieti-<br />
sches System ist also ein System, das sich selbst erschaffen kann - ein sich selbst<br />
machendes System. Es erschafft und erhält sich selbst, indem es seine eigenen<br />
Elemente produziert. Autopoiese ist eine aus der Biologie bekannte Eigenschaft<br />
komplexer, selbstreferentieller Systeme, welche die Fähigkeit haben, ihre Organisation<br />
unabhängig von der Umwelt aufrecht erhalten zu können.<br />
Einzelne Zellen, oder auch das menschliche Nervensystem als übergeordnetes Sy-<br />
stem, sind solche autopoietischen Systeme. Sie haben eine von der Umwelt unab-<br />
hängige interne Organisation aufgebaut, welche es ihnen erlaubt, auch auf radikalste<br />
Umweltveränderungen in einem flexiblen und selbstkorrigierenden Sinne zu reagieren<br />
(Maturana, H.R.; Varela, F.J.). 110<br />
Wie jedes System wird auch das autopoietische System durch seine Elemente und<br />
die Relationen zwischen denselben definiert. Bei lebenden Systemen wird die Relati-<br />
on zwischen den Komponenten auch als Organisation bezeichnet. Da<strong>mit</strong> steht der<br />
Analytiker vor der paradoxen Situation, dass zwar das System als Ganzes die Be-<br />
standteile produziert, aber die Produktion der Bestandteile erst das System ausmacht.<br />
Daraus kann man ableiten: Die Theorie der Autopoiese bezeichnet Systeme dann als<br />
autopoietische Systeme, wenn diese jene Elemente selbst produzieren, die das System<br />
als Einheit definieren.<br />
Das besondere Merkmal der Prozesse, die eine autopoietische Organisation auf-<br />
rechterhalten, ist deren Rekursivität. Das lebende System verwirklicht seinen Lebensprozess<br />
durch eine rekursive Produktion seiner Elemente.<br />
Die Selbstreferentialität und Rekursivität von autopoietischen Prozessen in lebenden<br />
Systemen macht diese <strong>mit</strong> den Mitteln der linearen Kausalität unerklärbar. Es hängt<br />
daher ausschließlich vom Blickwinkel des Beobachters ab, was er als Ursache und<br />
was er als Wirkung in seinem Analyseziel definiert.<br />
¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯<br />
110 Vgl. Maturana, H.R.; Varela, F.J.: Der Baum der Erkenntnis - Die biologischen Wurzeln menschlichen<br />
Erkennens, Bern/München 1987, S. 50f
Modelltheoretische Grundlagen für <strong>Wissensmanagement</strong> 64<br />
3.3.1 Operationale Geschlossenheit<br />
Ein weiteres wichtiges Merkmal lebender Systeme ist ihre operationale Geschlos-<br />
senheit. Wenn man davon ausgeht, dass ein lebendes System seine autopoietische<br />
Organisation aufgrund von rekursiven Prozessen aufrecht erhält, dann kann das Sy-<br />
stem als operational geschlossen bezeichnet werden. Daraus folgt: die Prozesse im<br />
System beziehen sich nur auf Prozesse im System. Es handelt sich also bei einem<br />
solchen System um ein Netzwerk interner Relationen. Alle Systemprozesse sind nur<br />
intern <strong>mit</strong>einander verknüpft und beziehen sich aufeinander und nicht auf Externes.<br />
„Als strukturdeterminiertes Wesen hören wir, was wir hören - nicht, was andere sa-<br />
gen“ (Maturana, H.R.) 111<br />
Durch diese Abgrenzung und Randbildung entsteht ein abgeschlossenes System,<br />
eine Einheit, die nur von einem Beobachter von seiner Umwelt unterschieden werden<br />
kann. Diese Abgeschlossenheit ist Voraussetzung, da<strong>mit</strong> sich das System von seiner<br />
Umwelt abhebt. Operationale Geschlossenheit bedeutet, dass das System nur sy-<br />
stemeigene Relationen kennt und <strong>mit</strong> der Umwelt lediglich über den autonomen<br />
Rand in Verbindung tritt. Maturana bezeichnet solche Systeme, deren Umweltbezie-<br />
hungen von der Struktur der Systeme selbst bestimmt werden, als zustandsdeterminierte,<br />
strukturspezifizierte oder strukturdeterminierte Systeme.<br />
Bei strukturdeterminierten Systemen setzt der Aufbau des Systems - dessen Struktur<br />
- fest, welche Zustände es einnehmen kann. Das bedeutet gleichzeitig, dass die<br />
Struktur des Systems auch determiniert, ob und wie Umwelteinflüsse Veränderungen<br />
im System auslösen. Die Umwelt eines strukturdeterminierten Systems verursacht<br />
daher keine Zustandsänderungen im System, sondern sie kann das System nur<br />
„perturbieren“ – also Störeinflüsse setzen. Eine derartige Störung kann höchstens<br />
Auslöser, aber niemals Ursache für eine Veränderung innerhalb des Systems sein.<br />
Die Kommunikation zwischen zwei oder mehreren autopoietischen Systemen erfolgt<br />
durch strukturelle Koppelung. Diese Interaktion zweier solcher Systeme kann einen<br />
rekursiven Charakter annehmen und zum gemeinsamen strukturellen Driften führen.<br />
Dies tritt insbesondere bei der strukturellen Koppelung von Organismen <strong>mit</strong> Nerven-<br />
systemen auf (Maturana, H.R.; Varela, F.J.). 112 Der Mechanismus der Koppelung<br />
kann z.B. im Austausch von Stoffen, in der Berührung, in Gesten, Signalen oder in<br />
der Körperhaltung bestehen.<br />
¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯<br />
111 Maturana, H.R.: Was ist erkennen?, 2. Auflage, München 1997, S. 236<br />
112 Vgl. Maturana, H.R.; Varela, F.J.: Der Baum der Erkenntnis - Die biologischen Wurzeln menschlichen<br />
Erkennens, Bern/München 1987, S. 196f
Modelltheoretische Grundlagen für <strong>Wissensmanagement</strong> 65<br />
3.3.2 Kommunikation als strukturelle Koppelung<br />
Darauf aufbauend können auch soziale Phänomene erklärt werden. Die Bildung ei-<br />
nes sozialen Systems beinhaltet die dauernde strukturelle Koppelung seiner Mitglie-<br />
der. Als außenstehender Beobachter kann eine wechselseitige Koordination zwi-<br />
schen dessen Mitgliedern festgestellt werden. Dieses gegenseitige Auslösen von<br />
koordinierten Verhaltensweisen unter den Mitgliedern einer sozialen Einheit kann<br />
daher als Kommunikation verstanden werden (Maturana, H.R.; Varela, F.J.). 113<br />
Zusammenfassend kann bemerkt werden, dass lebende Systeme durch eine auto-<br />
poietische Organisation definiert sind. Die Strukturdeterminiertheit lebender Systeme<br />
ist eine Folge ihrer autopoietischen Organisation. Wenn ein strukturdeterminiertes<br />
System in eine Interaktion <strong>mit</strong> einer unabhängigen Einheit eintritt, dann sind alle Fol-<br />
gen für das System durch seine Struktur spezifiziert. Die unabhängige Einheit dient<br />
in der Interaktion lediglich als Auslöser für die Strukturveränderungen. Dieses plasti-<br />
sche, operational geschlossene System kann also autonom in seiner Umwelt existie-<br />
ren. Auch alle Zustände, die ein lebendes System einnehmen kann, werden intern<br />
durch seine Organisation und Struktur und nicht durch irgend einen externen Einfluss<br />
determiniert. Dies gilt insbesondere auch für den menschlichen Organismus.<br />
3.3.3 Kognition<br />
Für Maturana 114 ist Kognition „das Verhalten eines Systems sich selbst zu erhalten“.<br />
Kognitives Verhalten ist erfolgreiches Handeln im Sinne des Überlebens. Da<strong>mit</strong> ist<br />
eine bewusste Polarisierung zum Alltagsverständnis von Kognition, wie „Denken“,<br />
„Erkenntnis“ oder „Intelligenz“ verbunden. Kognition ist erfolgreiches Handeln im Exi-<br />
stieren als Lebewesen - ist Aufrechterhaltung der autopoietischen Organisation eines<br />
lebenden Systems. Lebende Systeme sind kognitive Systeme, und Leben als Prozess<br />
ist ein Prozess der Kognition.<br />
Verknüpft man die Kognitionstheorie von Maturana/Varela <strong>mit</strong> den neurobiologischen<br />
Grundlagen, so präsentiert sich das Nervensystem als ein Netzwerk von Neuronen,<br />
die in ihrer Gesamtheit ein autopoietisches System bilden. Die Rolle der einzelnen<br />
Nervenzellen ist dabei nicht statisch anzusehen, sondern ändert sich laufend. Da<strong>mit</strong><br />
verbunden kann auch eine Veränderung der Struktur dieses Systems sein.<br />
¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯<br />
113 Vgl. Maturana, H.R.; Varela, F.J.: Der Baum der Erkenntnis - Die biologischen Wurzeln menschlichen<br />
Erkennens, Bern/München 1987, S. 209f<br />
114 Vgl. Maturana, H.R.: Erkennen: Die Organisation und Verkörperung der Wirklichkeit, Braunschweig<br />
1982, S. 39
Modelltheoretische Grundlagen für <strong>Wissensmanagement</strong> 66<br />
Die hier beschriebene Biologie der Kognition steht in enger Beziehung zum radikalen<br />
Konstruktivismus, wie er von Ernst v. Glasersfeld und Heinz v. Foerster vertreten<br />
wird.<br />
3.4 Konstruktivistische Erkenntnistheorie<br />
„Die Umwelt, die wir wahrnehmen, ist unsere Erfindung.“ (Foerster, H.v.) 115<br />
Jean Piaget war im 20. Jahrhundert der Erste, der Wissen als Konstruktion betrach-<br />
tete. Er vertritt da<strong>mit</strong> eine zur philosophischen Denkweise, deren These die Annähe-<br />
rung der ontologischen Wirklichkeit und der vom Menschen fassbaren Erlebnisse<br />
behandelt, gänzlich konträre Theorie. Unter Ontologie 116 versteht man die Lehre vom<br />
Sein, von den Ordnungs-, Begriffs- u. Wesensbestimmungen des Seienden (ontisch:<br />
als seiend, unabhängig vom Bewusstsein existierend verstanden). Das Modell, das<br />
Piaget aus dieser Ansicht ableitete, nannte er Konstruktivismus. Der Grundgedanke<br />
dieses Modells lässt sich einfach ausdrücken: Die menschliche Vernunft ist nicht da-<br />
zu da eine vom Wissenden unabhängige, reale Welt darzustellen, sondern Hand-<br />
lungsschemata und Begriffsstrukturen aufzubauen, die sich für das Individuum im<br />
Laufe seiner Erfahrungen als brauchbar erweisen.<br />
Der Konstruktivismus ist eine Theorie des Wissens, die keinerlei ontologische An-<br />
sprüche erhebt und daher auch nicht von der Annahme einer vom Wissenden unab-<br />
hängigen Realität ausgeht. Die konstruktivistische Sichtweise ersetzt den Begriff<br />
„Realität“, wie er in der Philosophie vertreten wird, durch eine „Wirklichkeit“, die auf<br />
einem Netzwerk von Begriffen und Relationen beruht und die sich in der bisherigen<br />
Erfahrung eines Individuums mehr oder weniger bewährt haben. Diese Wirklichkeit<br />
wird induktiv aufgebaut und repräsentiert die Welt in der wir leben - unsere Erfah-<br />
rungswelt. Wissen als Resultat eines Erkenntnisprozesses ist demnach nicht ein Ab-<br />
bilden im Sinne eines Entdeckens der äußeren Wirklichkeit, sondern eine Konstruktion<br />
der Wirklichkeit (Glasersfeld, E.v.). 117<br />
Der Begriff der Viabilität, der an dieser Stelle <strong>mit</strong> „Brauchbarkeit“ übersetzt werden<br />
kann, steht für eine radikale Umgestaltung des Verhältnisses zwischen Wissen und<br />
Wirklichkeit. Eine Realitätskonstruktion ist dann viabel, wenn sie angepasst ist, das<br />
heißt, wenn sie zum erfolgreichen Überleben einer Art oder eines Subjekts beiträgt.<br />
¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯<br />
115 Foerster, H.v.: Über das Konstruieren der Wirklichkeit, in: Schmidt, S.J. (Hrsg.): Wissen und Gewissen,<br />
4. Auflage, Frankfurt a. Main 1997, S. 26<br />
116 o.V.: Duden: Das Fremdwörterbuch, Bd. 5, 3. Auflage, Mannheim/Wien/Zürich 1974<br />
117 Vgl. Glasersfeld, E.v.: Wege des Wissens – Konstruktivistische Erkundungen durch unser Denken,<br />
Heidelberg 1997, S. 51
Modelltheoretische Grundlagen für <strong>Wissensmanagement</strong> 67<br />
Wissen kommt daher nie von außen, sondern beruht grundsätzlich auf eigener Erfahrung<br />
- auf den eigenen „Konstruktionen“ (Piaget, J.). 118<br />
Auf dieser Grundlage können die Grundprinzipien des radikalen Konstruktivismus <strong>mit</strong><br />
Hilfe von Piagets Theorie der kognitiven Entwicklung wie folgt beschrieben werden<br />
(Glasersfeld, E.v.): 119<br />
1. Wissen wird nicht passiv aufgenommen, weder durch die Sinnesorgane noch<br />
durch Kommunikation. Wissen wird vom denkenden Subjekt aktiv aufgebaut.<br />
2. Die Funktion der Kognition zielt auf Anpassung oder Viabilität. Kognition dient der<br />
Organisation der Erfahrungswelt des Subjekts und nicht der "Erkenntnis" einer<br />
objektiven ontologischen Realität.<br />
In dieser konstruktivistischen Wissenstheorie kann die Brauchbarkeit von Wissen nur<br />
in der Erfahrungswelt geprüft werden. Nicht prüfen lässt sich Wahrheit im ontologischen<br />
Sinn, wie sie von der Philosophie vertreten wird.<br />
Wenn sich eine Handlungs- oder Denkweise unter bestimmten Umständen als<br />
brauchbar erweist, so heißt das noch nicht, dass sie die einzig mögliche ist. Aus kon-<br />
struktivistischer Sichtweise ist es auch illusorisch, dass Sprache die Fähigkeit habe,<br />
Begriffe und so<strong>mit</strong> Wissen von einer Person zu einer anderen zu über<strong>mit</strong>teln (Glasersfeld,<br />
E.v.). 120<br />
„Schon unter den Vorsokratikern waren einige, die ganz klar sahen, dass es eine<br />
derartige absolute Gültigkeit oder „Wahrheit“ des menschlichen Wissens nicht geben<br />
kann, denn, um sie nachzuweisen, müsste man in der Lage sein, dieses Wissen <strong>mit</strong><br />
der Realität zu vergleichen. Da wir unsere Vorstellungen jedoch stets nur <strong>mit</strong> Vor-<br />
stellungen vergleichen können, gibt es für uns keine Möglichkeit herauszufinden, ob<br />
unsere Vorstellungen Dinge repräsentieren, die in einer realen Welt „existieren“, geschweige<br />
denn, ob sie diese „wahrheitsgetreu“ wiedergeben.“ (Glasersfeld, E.v.) 121<br />
¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯<br />
118<br />
Vgl. Piaget, J.: La construction du réel chez l`enfant, Neuchâtel1937, zitiert in: Glasersfeld, E.v.:<br />
Konstruktion der Wirklichkeit und des Begriffs der Objektivität, in Gumin, H.; Meier H. (Hrsg.): Einführung<br />
in den Konstruktivismus, 4. Auflage, München 1998, S. 29<br />
119<br />
Vgl. Glasersfeld, E.v.: Radikaler Konstruktivismus: Ideen, Ergebnisse, Probleme, 2. Auflage,<br />
Frankfurt a. Main 1998, S. 96<br />
120<br />
Vgl. Glasersfeld, E.v.: Wege des Wissens – Konstruktivistische Erkundungen durch unser Denken,<br />
Heidelberg 1997, S. 166<br />
121 Glasersfeld, E.v.: a.a.O., S. 47
Modelltheoretische Grundlagen für <strong>Wissensmanagement</strong> 68<br />
Die konstruktivistische Wissenstheorie schlägt eine Brücke zwischen Natur- und Geisteswissenschaften,<br />
die durch die Arbeiten von Heinz v. Foerster 122 <strong>mit</strong>geprägt wur-<br />
de. Schon zuvor fanden viele der dabei benützten und teilweise entwickelten Begriffe<br />
Eingang in die verschiedensten Wissenschaftsgebiete, wie z.B. in der Logik und<br />
Mathematik, in Biologie und Neurophysiologie, in der Psychotherapie und Soziologie<br />
etc. Beispielhaft seien hier Begriffe, wie Rückbezüglichkeit, Rekursion, Zirkularität,<br />
Schließung und Autopoiese genannt. Dadurch wurde dieser Brückenschlag wesentlich<br />
erleichtert.<br />
Heinz v. Foerster 123 entwickelt eine Kybernetik der Erkenntnistheorie, die auf den<br />
zuvor beschrieben konstruktivistischen Ansätzen beruht. Die wesentlichen Pfeiler<br />
dieser Theorie können in zwei komplementäre Annahmen (Postulaten) zusammengefasst<br />
werden:<br />
? Das Postulat der Selbständigkeit<br />
„Ein lebender Organismus ist eine selbständige, autonome, organisatorisch geschlossene<br />
Wesenheit.“<br />
? Das Postulat der Einbezogenheit<br />
„Ein beobachtender Organismus ist selbst Teil, Teilhaber und Teilnehmer seiner<br />
Beobachtungswelt.“<br />
Die Logik, die diesen beiden Annahmen zugrunde liegt, zielt darauf ab den Konstruk-<br />
tivismus auf eine Erkenntnistheorie zu stützen, die für sich selbst eintreten kann.<br />
Da<strong>mit</strong> ist gemeint, dass die konstruktivistische Erkenntnistheorie auch Verantwortung<br />
impliziert, denn alle Aktionen des Systems wirken auf das System zurück. Kein anderer<br />
ist dafür verantwortlich, als der Ausführende selbst.<br />
Im Realismus - der „objektiven“ Betrachtungsweise - entzieht man sich der Verant-<br />
wortung durch die Einführung des Begriffs der Objektivität. Objektivität verlangt die<br />
Trennung des Beobachters vom Beobachteten. Der Beobachter nimmt da<strong>mit</strong> die<br />
Rolle eines unbeteiligten Sprachrohrs unter dem Motto ein: Nicht ich, sondern etwas<br />
anderes ist für mein Tun verantwortlich.<br />
„Es ist ein beliebtes Gesellschaftsspiel, sich der Verantwortung zu entziehen.“ (Foer-<br />
ster, H.v.) 124<br />
¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯<br />
122 Vgl. Foerster, H.v.: Entdecken oder Erfinden? Wie lässt sich Verstehen verstehen, in Gumin, H.;<br />
Meier, H. (Hrsg.): Einführung in den Konstruktivismus, 4. Auflage, München 1998, S. 41<br />
123 Vgl. Foerster, H.v.: a.a.O., S. 42f<br />
124 Foerster, H.v.: a.a.O., S. 44
Modelltheoretische Grundlagen für <strong>Wissensmanagement</strong> 69<br />
Heinz v. Foerster führt die geringe Popularität des Konstruktivismus nicht zuletzt auf<br />
die Einbeziehung der Verantwortung in das Modell zurück.<br />
Auf Basis der zuvor besprochenen, neurophysiologischen Grundlagen, entwickelt<br />
Heinz v. Foerster ein Modell der Kognition, das die sinnliche Wahrnehmung als ein<br />
rekursives „Errechnen“ von Beschreibungen der Realität betrachtet. Das Wort „Erre-<br />
chen“ versteht er in diesem Zusammenhang nicht in rein mathematischem Sinn,<br />
sondern sehr allgemein als Operation, die in der Lage ist, die beobachteten physika-<br />
lischen Objekte und deren Symbole zu transformieren, zu ordnen, oder zu modifizie-<br />
ren. Vereinfacht kann dies als ein „In-Ordnung-bringen“ oder, aus der Sicht der Sy-<br />
stemtheorie, als eine Reduktion der Systementropie verstanden werden. Der Ort der<br />
„Errechnung“ ist das kognitive Subsystem des Individuums - das Nervensystem.<br />
Die bisherigen Überlegungen waren vorrangig auf die Konstruktion von Realitäten<br />
<strong>mit</strong>tels des Sensoriums, das einem Individuum zur Verfügung steht, fokussiert. Heinz<br />
v. Foerster 125 weist in seinen Überlegungen darauf hin, dass eine Theorie der kogni-<br />
tiven Prozesse nicht allein aus einer Betrachtung des Sensoriums - des Systems der<br />
bewussten Sinneswahrnehmungen - heraus entwickelt werden kann. Vielmehr ist es<br />
notwendig, das Motorium - das System der gewollten Bewegungsabläufe - in die<br />
weiteren Überlegungen <strong>mit</strong> einzubeziehen, denn erst durch die Korrelation von Be-<br />
wegung <strong>mit</strong> den von ihr verursachten Veränderungen der Sinneswahrnehmungen<br />
wird die Konstruktion stabiler Vorstellungen möglich.<br />
Sensorium und Motorium sind in der neurophysiologischen Betrachtung getrennte<br />
Funktionsbereiche, die wie folgt <strong>mit</strong>einander in Beziehung stehen:<br />
„Der Sinn (oder die Bedeutung) der Signale des Sensoriums wird durch das Motori-<br />
um bestimmt, und der Sinn (oder die Bedeutung) der Signale des Motoriums wird<br />
durch das Sensorium bestimmt.“ (Foerster, H.v.) 126<br />
Dieser Zusammenhang ist in Abbildung 3-9 modellhaft dargestellt. Durch die zweifa-<br />
che Schließung des Systems wird die Selbstorganisation des lebenden Organismus<br />
verdeutlicht. Die Nervenimpulse, die horizontal von links nach rechts laufen, wirken<br />
auf die motorische Oberfläche (MO), deren Veränderungen (Bewegungen durch An-<br />
steuerung der Muskelfasern) un<strong>mit</strong>telbar wiederum von der sensorischen Oberfläche<br />
(SO) wahrgenommen werden.<br />
¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯<br />
125 Vgl. Foerster, H.v.: Entdecken oder Erfinden? Wie lässt sich Verstehen verstehen, in Gumin, H.;<br />
Meier, H. (Hrsg.): Einführung in den Konstruktivismus, 4. Auflage, München 1998, S. 59<br />
126 Foerster, H.v.: Kybernetik einer Erkenntnistheorie, in Schmidt S.J. (Hrsg.): Wissen und Gewissen,<br />
4. Auflage, Frankfurt a. Main 1997, S. 52
Modelltheoretische Grundlagen für <strong>Wissensmanagement</strong> 70<br />
Ein zweiter Kreislauf wird durch die Vernetzung des Zentralnervensystems <strong>mit</strong> der<br />
Neurohypophyse (Hyp) gebildet, der dazu dient die Mikro-Umwelt aller Synapsen zu<br />
steuern. Dabei laufen Impulse in vertikaler Richtung von oben nach unten und stimu-<br />
lieren die Hirnanhangdrüse (Hyp), deren Aktivität wiederum Botenstoffe in die synap-<br />
tischen Spalte befördert. Die Mikro-Umwelt der synaptischen Spalte und deren Verästelungen<br />
werden durch die geschwungenen Linien in den Spalten angedeutet.<br />
SO<br />
N<br />
Syn<br />
Hyp<br />
MO<br />
SO sensorische Oberfläche<br />
MO motorische Oberfläche<br />
N Nervenbündel<br />
Syn Synapsen (Spalten zw. den Quadraten)<br />
Hyp Hypophyse<br />
Abbildung 3-9: Modell der Organisation des Nervensystems (Foerster, H.v.) 127<br />
Es ergibt sich dadurch ein zweifach geschlossenes System, das aus der rekursiven<br />
Verknüpfung von Sensorium-Motorium und durch die Vernetzung des Zentralnerven-<br />
systems <strong>mit</strong> der Neurohypophyse gebildet wird. Um diesem funktionellen Schema<br />
auch geometrisch Rechnung zu tragen, kann die zweidimensionale Darstellung<br />
durch das „Aufwickeln“ um die beiden kreissymmetrischen Achsen in einen dreidi-<br />
mensionalen Torus übergeführt werden (vgl. Abbildung 3-10). Diese Art der Darstel-<br />
lung lässt alle künstlichen Grenzen verschwinden und verdeutlicht die doppelte<br />
Schließung des Systems. Dabei entspricht die horizontale, punktierte Naht (Äquator)<br />
¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯<br />
127 Vgl. Foerster, H.v.: Über das Konstruieren von Wirklichkeiten, in Schmidt S.J. (Hrsg.): Wissen und<br />
Gewissen, 4. Auflage, Frankfurt a. Main 1997, S. 45
Modelltheoretische Grundlagen für <strong>Wissensmanagement</strong> 71<br />
dem motorisch-sensorischen synaptischen Spalt und die horizontale Naht (Meridian)<br />
der Hypophyse.<br />
Dieses System ist nun so organisiert, dass sich stets ein kognitives Gleichgewicht<br />
der physiologischen Körperfunktionen einstellt. Es organisiert sich selbst so, dass es<br />
eine stabile Realität in kreis-kausalen Prozessen errechnet. Da<strong>mit</strong> dies möglich ist,<br />
muss das Postulat der Autonomie, das heißt die Selbstregelung, für den lebenden<br />
Organismus erfüllt sein. Eine weitere Beobachtung verdeutlicht den Begriff „rekursi-<br />
ves Errechnen“ im Zusammenhang <strong>mit</strong> dem Zentralnervensystem. Diese Beobach-<br />
tung wird auch im Satz des neurologischen (raumzeitlichen) Nahwirkungsgesetzes<br />
zum Ausdruck gebracht:<br />
Neurohypophyse<br />
motorisch-sensorischer<br />
»synaptischer Spalt«<br />
Abbildung 3-10: Modell der nervösen und hormonalen Kausalkette (Foerster, H.v.) 128<br />
„Der Erregungszustand einer Nervenzelle ist ausschließlich bedingt durch die elekt-<br />
ro-chemischen Zustandsgrößen in ihrer un<strong>mit</strong>telbaren Nachbarschaft (Mikro-Umwelt)<br />
und durch ihren (un<strong>mit</strong>telbar) vorhergehenden eigenen Erregungszustand: Es gibt<br />
keine neurologische Fernwirkung.“ (Foerster, H.v.) 129<br />
Daraus folgt auch, dass ein und dasselbe Ereignis bei verschiedenen Menschen un-<br />
terschiedliche Zustandsveränderungen des Gedächtnisses, in Abhängigkeit vom je-<br />
¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯<br />
128 Vgl. Foerster, H.v.: Kybernetik einer Erkenntnistheorie, in Schmidt S.J. (Hrsg.): Wissen und Gewissen,<br />
4. Auflage, Frankfurt a. Main 1997, S. 70<br />
129 Foerster, H.v.: a.a.O., S. 67
Modelltheoretische Grundlagen für <strong>Wissensmanagement</strong> 72<br />
weiligen Ausgangszustand, hervorrufen kann. Auf diese Überlegungen aufbauend,<br />
kann nachfolgend ein konstruktivistischer Erkenntnisbegriff definiert werden. Dabei<br />
werden die Prozesse durch die Wissen erworben wird - die kognitiven Prozesse - als<br />
algorithmische Rechenprozesse aufgefasst, die ihrerseits ebenfalls errechnet werden.<br />
3.4.1 Er-Kenntnis bzw. Wissen<br />
Zur Herleitung des konstruktivistischen Erkenntnisbegriffs wird der Prozess durch<br />
den Erkenntnis gewonnen wird, als Er-Kenntnis definiert. Gäbe es das Wort „Er-<br />
Wissen“, würde dieses den beschriebenen Sachverhalt am besten Treffen. Er-<br />
Kennen kann in konsequenter Fortführung der zuvor beschriebenen rekursiven Zusammenhänge<br />
durch folgende Definition ersetzt werden:<br />
Er-Kennen ? Er-Rechnen einer Realität<br />
Setzt man für Realität z.B. ein Objekt ein, so kommt man zum Schluss, dass nicht ein<br />
reales Objekt errechnet wird, sondern vielmehr eine Beschreibung dessen. Die Korrektur<br />
des ersten Ansatzes führt daher zu folgendem Zusammenhang:<br />
Er-Kennen ? Er-Rechnen der Beschreibung einer Realität<br />
In einer neurophysiologischen Betrachtungsweise muss konsequenterweise festge-<br />
stellt werden, dass bis zum Erhalt eines Ausgangssignals das Eingangssignal viele<br />
Modifikationsstufen durchlaufen muss. Beispielsweise entsteht ein Bild zunächst als<br />
zweidimensionale Projektion der Außenwelt auf der Netzhaut. Von dort wird eine<br />
modifizierte Beschreibung der Beschreibung über das nachgeschaltete Netzwerk<br />
weitergeleitet und so geht es über viele Stufen weiter. Daraus kann eine zweite Fassung<br />
der Definition abgeleitet werden:<br />
Er-Kennen ? Er-Rechnen einer Beschreibung<br />
Durch diese Modifizierung verschwindet der Stein des Anstoßes „die“ oder „eine“<br />
Realität aus der Formulierung. Da aber auch die Errechnung einer Beschreibung<br />
letztendlich eine Errechnung ist, kommt man zu einer Beschreibung des rekursiv ablaufenden<br />
Vorgangs des „Er-wissens“ bzw. Er-kennens:
Modelltheoretische Grundlagen für <strong>Wissensmanagement</strong> 73<br />
Er-Kennen ? Er-Rechnung einer<br />
Da<strong>mit</strong> wird also Erkenntnis bzw. der Prozess der Erwerbs von Kenntnis als rekursives<br />
Rechnen beschrieben.<br />
3.4.2 Triviale Maschine<br />
Zur Erklärung kognitiver Prozesse führt Heinz v. Foerster den Begriff des Operators<br />
ein. Da<strong>mit</strong> kann das Wesen, das betrachtet wird durch einen formalen Repräsentan-<br />
ten ersetzt und gleichzeitig eine Abstraktion der beobachteten Organismen und Sy-<br />
steme erreicht werden. Der Ausgangspunkt der Operationalisierung, und da<strong>mit</strong> auch<br />
die Theorie der trivialen und der nicht-trivialen Maschine, ist beim zuvor beschriebenen<br />
geschlossenen Wirkungskreis von Motorium und Sensorium zu finden.<br />
Den Begriff der Maschine verwendet Heinz v. Foerster in Anlehnung an Turing, der<br />
<strong>mit</strong> der „Turingmaschine“ ein weitverbreitetes Modell für die Untersuchung von algorithmisch<br />
lösbaren Problemstellungen schuf (Wegener, I.). 130 Von Foerster schließt<br />
sich der Terminologie von Turing an, verallgemeinert seine Modelle aber zu „Maschi-<br />
nen <strong>mit</strong> endlich vielen Zuständen“. Er führt dabei zwei Arten von Operatoren ein, die<br />
er durch die triviale und die nicht-triviale Maschine verkörpert (Foerster, H.v.) 131<br />
x f y<br />
Triviale Maschine<br />
(TM)<br />
F<br />
x z y<br />
Z<br />
Nicht-triviale Maschine<br />
(NTM)<br />
Abbildung 3-11: Triviale und nicht-triviale Maschine (Foerster, H.v.) 132<br />
¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯<br />
130 Vgl. Wegener, I.: Kompendium der theoretischen Informatik - Eine Ideensammlung, Stuttgart 1996<br />
131 Vgl. Foerster, H.v.: Prinzipien der Selbstorganisation im sozialen und betriebswirtschaftlichen Bereich,<br />
in Schmidt S.J. (Hrsg.): Wissen und Gewissen, 4. Auflage, Frankfurt a. Main 1997, S. 244<br />
132 Vgl. Foerster, H.v.: Mit den Augen des anderen, in Schmidt S.J. (Hrsg.): Wissen und Gewissen,<br />
4. Auflage, Frankfurt a. Main 1997, S. 357 und S. 359<br />
Z '
Modelltheoretische Grundlagen für <strong>Wissensmanagement</strong> 74<br />
Eine triviale Maschine ist durch eine eindeutige Beziehung zwischen ihrem Input (Ur-<br />
sache) und ihrem Output (Wirkung) gekennzeichnet (vgl. Abbildung 3-11). Durch diese<br />
unveränderbare Beziehung ergibt sich ein deterministisches System.<br />
Da ein einmal für einen bestimmten Input beobachteter Output durch erneute Einga-<br />
be reproduzierbar ist, lässt sich das Verhalten des Systems vorhersagen. Eine tri-<br />
viale Maschine (TM) kann also durch die Elemente Input (x), Output (y) und durch<br />
eine Operation bzw. Funktion (f) beschrieben werden. Alle TM sind daher:<br />
? geschichtsunabhängig<br />
? analytisch determinierbar<br />
? vorhersagbar<br />
Diese Zusammenhänge können am Beispiel eines Automotors veranschaulicht wer-<br />
den. Das Starten des Motors <strong>mit</strong>tels Zündschlüssels führt unabhängig von der (re-<br />
gulären) Vorverwendung des Fahrzeuges jedes mal zum selben Ergebnis: Der Motor<br />
springt an. Umgekehrt kann man vom Ergebnis „laufender Motor“ darauf schließen,<br />
dass ein Startvorgang diesen in Bewegung gesetzt haben muss.<br />
Würde der Motor aus irgend einem unerklärlichen Grund nicht wie erwartet ansprin-<br />
gen, hätte man es <strong>mit</strong> einer Art von Maschine zu tun, die für ein Auto im Allgemeinen<br />
nicht erwünscht ist. Auf diese soll nachfolgend im Detail eingegangen werden: Die<br />
nicht-triviale Maschine.<br />
3.4.3 Nicht-triviale Maschine<br />
Der grundsätzliche Unterschied zwischen der trivialen und der nicht-trivialen Maschi-<br />
ne (NTM) besteht darin, dass die Input-Output-Beziehung der NTM von der voraus-<br />
gegangenen Operation der Maschine abhängt. Das heißt, dass die in der Vergan-<br />
genheit durchlaufenen Schritte der Maschine ihr gegenwärtiges Verhalten bestim-<br />
men. Obwohl auch diese Maschinen deterministische Systeme sind, ist ihr Verhalten<br />
aufgrund der exponentiell zunehmenden Systemkomplexität nicht mehr analytisch<br />
determinierbar.<br />
Mathematisch erklärt werden kann diese erhöhte Komplexität im Unterschied zur TM<br />
durch zwei Arten von Operationen: Die Antriebsfunktion F (x,z) und die Zustands-<br />
funktion Z (x,z). Antriebs- und Zustandfunktion sind neben dem Input x zusätzlich<br />
vom internen Zustand z der Maschine abhängig. Der Output y = F (x,z) wird durch<br />
die Antriebsfunktion F bestimmt. Die Zustandsfunktion Z bestimmt den neuen internen<br />
Zustand z' = Z (x,z).
Modelltheoretische Grundlagen für <strong>Wissensmanagement</strong> 75<br />
Alle NTM sind daher:<br />
? geschichtsabhängig<br />
? analytisch nicht determinierbar<br />
? unvorhersagbar<br />
Zu diesem Typ von Maschine zählen alle lebenden sozialen Systeme. Sie sind durch<br />
eine prinzipielle Unberechenbarkeit und Undeterminiertheit gekennzeichnet. Nicht-<br />
triviale Maschinen bzw. Systeme reagieren auf externe Inputs, aber sie legen selbst<br />
fest, was sie als Input zu akzeptieren bereit sind.<br />
Wendet man diese Überlegungen auf Organisationen bzw. Unternehmungen an, fin-<br />
det man eine Vernetzung von nicht-trivialen Maschinen (Menschen) vor, die als Or-<br />
ganisationseinheiten trivialisierte Prozesse ausführen. Der Versuch der Trivialisie-<br />
rung bzw. die Vernetzung von trivialen und nicht-trivialen Komponenten zu einem<br />
soziotechnischen System erfordert eine differenzierte Betrachtung. Die Basis für die<br />
wissensbasierte Analyse von derartigen Systemen wird im Kapitel 4 beschriebenen<br />
Bezugsrahmen gelegt.<br />
3.5 Zusammenfassende Konklusionen<br />
Dieses Kapitel bietet einen Überblick über wesentliche Grundlagen und Modelle der<br />
menschlichen Kognition, die für die weitere Arbeit von Relevanz sind. Da<strong>mit</strong> soll die<br />
notwendige Grundlage für die Ausführungen im Kapitel 4 geschaffen werden.<br />
Ausgehend von neurophysiologischen Grundlagen und ausgewählten Gehirnmodel-<br />
len werden verschiedene erkenntnistheoretische Ansätze vorgestellt. In der Kognitionstheorie<br />
von Maturana/Varela wird das Nervensystem als ein Netzwerk von Neu-<br />
ronen, das in seiner Gesamtheit ein autopoietisches System bildet, aufgefasst. Auto-<br />
poiese ist eine aus der Biologie bekannte Eigenschaft komplexer selbstreferentieller<br />
Systeme, welche die Fähigkeit haben, ihre Organisation unabhängig von der Umwelt<br />
aufrecht erhalten zu können.<br />
Die da<strong>mit</strong> beschriebene Biologie der Kognition fügt sich nahtlos in das Bild des radikalen<br />
Konstruktivismus ein, wie er von Heinz v. Foerster und Ernst v. Glasersfeld<br />
vertreten wird. Der radikale Konstruktivismus beschreibt Wissen als das Resultat ei-<br />
nes geschlossenen Kreislaufs interner Operationen des Gehirns. Wissen wird darin<br />
als Resultat eines Erkenntnisprozesses gesehen, bei dem die äußere „Wirklichkeit“<br />
durch das Individuum im Gehirn konstruiert wird. Die konstruktivistische Sichtweise<br />
kann da<strong>mit</strong> als abstrahiertes und verdichtetes Modell von mikrobiologischen, autopoietischen<br />
Funktionen gesehen werden.
Modelltheoretische Grundlagen für <strong>Wissensmanagement</strong> 76<br />
Die detaillierte Analyse des menschlichen Gehirns führt zur Unterteilung des Nerven-<br />
systems in das Zentralnervensystem und weiters in einen sensorischen und in einen<br />
motorischen Teil. Das Sensorium als System der bewussten Sinneswahrnehmungen<br />
und das Motorium als System der gewollten Bewegungsabläufe arbeiten bei der<br />
Wissensentwicklung rekursiv zusammen. Denn erst durch die Korrelation von Bewe-<br />
gung <strong>mit</strong> den von ihr verursachten Veränderungen der Sinneswahrnehmungen wird<br />
die Konstruktion stabiler Vorstellungen möglich.<br />
Zur mathematischen Erklärung kognitiver Prozesse führt Heinz v. Foerster den Be-<br />
griff des Operators ein, den er in Ahnlehnung an Turing durch den Begriff der Ma-<br />
schine verkörpert. Hervorzuheben ist dabei das Modell der nicht-trivialen Maschine.<br />
Zu diesem Typ von Maschine zählen auch alle lebenden sozialen Systeme. Nicht-<br />
triviale Maschinen bzw. Systeme reagieren zwar auf externe Inputs, aber sie legen<br />
selbst fest, was sie als Input zu akzeptieren bereit sind.<br />
Folgende Erkenntnisse können aus diesem Kapitel für die weitere Arbeit abgeleitet<br />
werden:<br />
? Wissen wird vom Individuum aufgebaut bzw. konstruiert und ist daher untrennbar<br />
<strong>mit</strong> ihm verknüpft<br />
? Wissen ist angepasste (viable) Realitätskonstruktion<br />
? Der Aufbau von Wissen ist als kognitiver Prozess zu verstehen, der durch Störungen<br />
aus dem Systemumfeld ausgelöst bzw. beeinflusst wird<br />
? Ein Individuum versucht beim Wissensaufbau <strong>mit</strong> minimaler Signalaufnahme aus<br />
dem Systemumfeld auszukommen<br />
? Ein und das selbe Signal (Perturbation) aus dem Systemumfeld kann unter-<br />
schiedliche kognitive Prozesse bei unterschiedlichen Individuen auslösen<br />
? Das wiederholte Auftreten der selben Art von „Störung“ aus dem Systemumfeld<br />
bewirkt eine nachhaltige Veränderung des Systems<br />
? Lernen bzw. Wissensaufbau kann als strukturelle Änderung des Systems ver-<br />
standen werden und hängt von der bisherigen Struktur des Gehirns bzw. von der<br />
Erfahrungswelt des Individuums ab<br />
? Die Bedeutung von Wissen für ein Individuum kann nur durch die Rückkoppelung<br />
von Motorium und Sensorium geprüft werden<br />
? Die Übertragung von Wissen zwischen Individuen ist ein komplexer Vorgang der<br />
durch strukturelle Koppelung von autopoietischen Systemen beschrieben werden<br />
kann
Modelltheoretische Grundlagen für <strong>Wissensmanagement</strong> 77<br />
? Als Basis für einen Wissenstransfer zwischen Individuen müssen konsensuelle<br />
Bereiche vorhanden sein<br />
? Das Wissen eines Individuums hat eine zeitliche Dimension, die dadurch zum<br />
Ausdruck kommt, dass nur auf einen Teil des Wissensbestandes sofort zugegriffen<br />
werden kann<br />
? Es gibt Untersuchungsergebnisse, die auf örtliche, funktionale Spezialisierungen<br />
im Gehirn hinweisen<br />
? Individuen können als nicht-triviale Maschinen verstanden werden, d.h. ihr Sy-<br />
stemverhalten ist nicht vorhersehbar<br />
Aus den Erkenntnissen dieses Kapitels und den Grundlagen des Kapitels 2 soll<br />
nachfolgend die spezielle Zielsetzung dieser Arbeit abgeleitet werden.<br />
3.5.1 Spezielle Zielsetzung dieser Arbeit<br />
Im Rahmen der weiteren Arbeit soll der in Kapitel 1 vorgestellte Ansatz der Innovati-<br />
onsdienstleistung als Möglichkeit der Einbindung von extern verfügbarem Wissen<br />
weiterentwickelt werden. Die Herausforderung besteht darin, <strong>Innovation</strong>sdienstlei-<br />
stungen in betriebliche <strong>Innovation</strong>sprozesse so einzubinden, dass da<strong>mit</strong> die Innova-<br />
tionsfähigkeit der Unternehmung gestärkt wird. Die spezielle Zielsetzung und da<strong>mit</strong><br />
auch die Forschungsfragen dieser Arbeit können daher folgendermaßen formuliert<br />
werden:<br />
? In welcher Form können die modelltheoretischen Grundlagen für Wissensmana-<br />
gement in ein Gesamtkonzept zur wissensbasierten Gestaltung des Transfers<br />
von <strong>Innovation</strong>sdienstleistungen integriert werden?<br />
? Können anhand von Modellen des <strong>Wissensmanagement</strong>s Differenzierungsmerk-<br />
male gefunden werden, die eine transferbezogene Kategorisierung von <strong>Innovation</strong>sdienstleistungen<br />
ermöglicht?<br />
? Wie kann die Einbindung von <strong>Innovation</strong>sdienstleistungen in unternehmerische<br />
<strong>Innovation</strong>sprozesse auf strategischer und auf operativer Ebene erfolgen?<br />
Die Beantwortung dieser Fragestellungen ist Ziel der weiteren Kapitel. Im nachfol-<br />
genden Kapitel soll vorerst ein Bezugsrahmen als Hilfs<strong>mit</strong>tel für die wissensbasierte<br />
Gestaltung des IDL-Transfers aufgebaut werden. Dazu werden Eigenschaften und<br />
Funktionsweisen von autopoietischen Systemen auf die Ebene der Organisation<br />
übertragen. Das interdisziplinär erarbeitete „Metawissen“ über Wissen aus dem Ka-<br />
pitel 3 dient als Grundlage dafür. Dieser Bezugsrahmen soll die unterschiedlichen
Modelltheoretische Grundlagen für <strong>Wissensmanagement</strong> 78<br />
Transfer-Möglichkeiten aufzeigen und dabei auf die Besonderheiten von Wissenstransfers<br />
eingehen.<br />
Da die Einbindung von externem Wissen eine strategische Entscheidung <strong>mit</strong> weitrei-<br />
chenden Konsequenzen für Unternehmungen ist, soll in weiterer Folge ein Gestal-<br />
tungsmodell für den Prozess der Einbindung externer Leistungspotenziale von der<br />
strategischen Entscheidung bis zum Leistungstransfer konzipiert werden.
Bezugsrahmen zur Analyse und Gestaltung von Wissenssystemen 79<br />
4 Bezugsrahmen zur Analyse und Gestaltung<br />
von Wissenssystemen<br />
Wie schon in Kapitel 2 festgestellt, liegt der Schwerpunkt der derzeit vorliegenden<br />
Literatur zum Thema <strong>Wissensmanagement</strong> bei Beschreibungs- und Erklärungsmo-<br />
dellen. Ein fundiertes <strong>Wissensmanagement</strong>-Konzept erfordert die Auseinanderset-<br />
zung <strong>mit</strong> einer großen Bandbreite an Wissensgebieten. Dies reicht von der Theorie<br />
sozialer bis zur Theorie technischer Systeme. Zur Bewältigung dieser Komplexität,<br />
wird in dieser Arbeit ein systemischer Zugang gewählt, der auf die modelltheoreti-<br />
schen Grundlagen für das <strong>Wissensmanagement</strong> aufbaut, wie sie in Kapitel 3 vorgestellt<br />
wurden.<br />
4.1 Das Wissenssystem als soziotechnisches System<br />
Organisationen können als Wissenssysteme betrachtet werden. Die Systemkompo-<br />
nenten eines solchen Systems bestehen einerseits aus sozialen Systemelementen -<br />
den Menschen - und aus technischen Systemelementen. Die Verbindungen zwi-<br />
schen technischen und sozialen Elementen formen da<strong>mit</strong> ein System, das als „so-<br />
ziotechnisches System“ bezeichnet werden kann. Die Bezeichnung „soziotechnisch“<br />
macht deutlich, dass eine enge Wechselbeziehung zwischen den handelnden Men-<br />
schen einer Unternehmung und den eingesetzten Technologien besteht (Wohinz,<br />
J.W.). 133<br />
Motorisches<br />
Subsystem<br />
Soziales Subsystem<br />
Kognitives<br />
Subsystem<br />
Soziotechnisches System<br />
Abbildung 4-1: Systemhierarchie im soziotechnischen System<br />
...<br />
Technisches Subsystem<br />
¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯<br />
133 Vgl. Wohinz, J.W.: Knowledge Systems Design, INDUSCRIPT, Technische Universität Graz<br />
1999/2000, S. 5
Bezugsrahmen zur Analyse und Gestaltung von Wissenssystemen 80<br />
Fasst man die beiden Arten von Systemelementen jeweils als eigene Kategorien zu-<br />
sammen, so besteht ein soziotechnisches System aus einem sozialen und einem<br />
technischen Subsystem (vgl. Abbildung 4-1).<br />
Ein Wissenssystem kann als soziotechnisches System betrachtet werden, in dem<br />
Menschen im sozialen Subsystem (Luhmann, N.) 134 und technische Einrichtungen im<br />
technischen Subsystem als Systemelemente zueinander in einer Beziehung stehen<br />
(vgl. Abbildung 4-2). Während im sozialen Subsystem vorrangig der Transfer von<br />
Wissen von Bedeutung ist, werden zwischen Elementen des technischen Subsy-<br />
stems Nachrichten bzw. Daten, die durch Signale kodiert werden, ausgetauscht. Da-<br />
bei werden die Funktionen des technischen Subsystems vom sozialen Subsystem<br />
z.B. zur Kommunikation über große Distanzen hinweg genutzt. Durch diese Vernet-<br />
zung von Systemelementen aus dem technischen und dem sozialen Subsystem,<br />
wird die Komplexität und die Anzahl der möglichen Beziehungen erheblich erhöht.<br />
M1<br />
T2<br />
T1<br />
M2<br />
M3<br />
T3<br />
Systemgrenze<br />
Abbildung 4-2: Systemelemente im Wissenssystem (Wohinz, J.W.) 135<br />
¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯<br />
134<br />
Zur Theorie sozialer Systeme vgl. Luhmann, N.: Soziale Systeme : Grundriß einer allgemeinen<br />
Theorie, Frankfurt am Main 1987<br />
135<br />
Vgl. Wohinz, J.W.: Knowledge Systems Design, INDUSCRIPT, Technische Universität Graz<br />
1999/2000, S. 6
Bezugsrahmen zur Analyse und Gestaltung von Wissenssystemen 81<br />
Zur effektiven und effizienten Gestaltung solcher Systeme ist eine grundlegende<br />
Auseinandersetzung <strong>mit</strong> den systembestimmenden Elementen und den möglichen<br />
Relationen zwischen den Elementen erforderlich.<br />
In den nachfolgenden Abschnitten werden das soziale und das technische Subsystem<br />
und die Beziehungen zwischen deren Systemelementen im Detail beschrieben.<br />
4.2 Das technische Subsystem<br />
Wie schon im Kapitel 2 anhand der Gegenüberstellung von Computer und Gehirn<br />
festgestellt, unterscheidet sich das technische Subsystem gravierend vom sozialen<br />
Subsystem, dessen Output bei gegebenem Input nicht vorhersagbar ist. Die Ele-<br />
mente im technischen Subsystem können aus unterschiedlichsten Komponenten der<br />
technischen Infrastruktur einer Organisation bestehen. Ihnen gemeinsam sind die<br />
Eigenschaften der im Abschnitt 3.4 beschriebenen trivialen Maschine.<br />
Ihre Funktion ist daher im Idealfall immer geschichtsunabhängig, analytisch determi-<br />
nierbar und auch ihr Endzustand ist eindeutig vorhersagbar. Handelt es sich bei ei-<br />
nem Element im technischen Subsystem z.B. um einen Mikrocomputer, so wird seine<br />
Arbeitsweise durch einen Algorithmus, dessen Funktionsweise von einem Element<br />
des sozialen Subsystems entwickelt wurde, vorherbestimmt.<br />
Fax<br />
Modem<br />
Abbildung 4-3: Beispiel eines technischen Subsystems<br />
Systemgrenze
Bezugsrahmen zur Analyse und Gestaltung von Wissenssystemen 82<br />
Im Prinzip kann zum technischen Subsystem die gesamte technische Infrastruktur in<br />
allen Funktionsbereichen eines Untennehmens gezählt werden. Dazu zählen neben<br />
lokalen Computer-Netzwerken und deren Komponenten (vgl. Abbildung 4-3) auch<br />
alle Hilfs<strong>mit</strong>tel, die im Fachjargon unter der Bezeichnung Informations- und Kommu-<br />
nikationstechnologie zusammengefasst werden. Weiters ist dazu aber auch die ge-<br />
samte technische Produktionsinfrastruktur, wie z.B. CNC-Maschinen zu zählen. Die<br />
Funktionen von Elementen des technischen Subsystems sind, falls nicht ohnehin<br />
bekannt, durch Detailanalysen bestimmbar. Daher wird diesem Punkt in den weiteren<br />
Ausführungen keine besondere Aufmerksamkeit geschenkt.<br />
Im Unterschied zum sozialen System ist das technische Subsystem durch einen ho-<br />
hen Grad an Standardisierung der entsprechenden Systemelemente gekennzeich-<br />
net. Da<strong>mit</strong> wird die Verbindung und das Zusammenwirken von Elementen im techni-<br />
schen Subsystem extrem erleichtert und planbar. Stellvertretend für viele technische<br />
Standards sei hier der ISO-OSI-Standard für den Datenaustausch in Computernetz-<br />
werken, der sich sowohl im Internet als auch in den Intra- und Extranets etabliert hat,<br />
angeführt. Dies erscheint gerade durch den rasch zunehmenden Einsatz von com-<br />
putergesteuerten Ressourcen und Hilfs<strong>mit</strong>teln in Organisationen in Zusammenhang<br />
<strong>mit</strong> der Einführung von <strong>Wissensmanagement</strong> gerechtfertigt.<br />
Das ISO/OSI-Schichtenmodell<br />
Ausgehend von der Entwicklung unterschiedlicher Computer-Modelle, die in ihren<br />
Anfängen weitestgehend autark eingesetzt wurden, hat die zunehmende Notwendig-<br />
keit der Vernetzung und Datenübertragung dazu geführt, dass ein Übereinkommen<br />
über die Verbindung von zwei oder mehreren Computern erforderlich wurde. Zu die-<br />
sem Zweck setzte die International Standards Organization (ISO) 1977 ein Unterko-<br />
<strong>mit</strong>ee ein, um das Open Systems Interconnection (OSI) Modell zu entwickeln (vgl.<br />
Abbildung 4-4). Das OSI-Modell wurde 1983 zum internationalen Standard erklärt<br />
und bildet heute die Basis der Vernetzung der heterogenen Computerwelt (Jung, V.;<br />
Warnecke, H.-J.). 136<br />
Das Schichtenmodell soll es erleichtern, die komplexen Vorgänge bei der Daten-<br />
übertragung zwischen zwei Rechnern zu beschreiben, indem logische und physikali-<br />
sche Vorgänge bestimmten Schichten zugeordnet werden. Man spricht in diesem<br />
Zusammenhang von einer Schichtenhierarchie. Die wesentlichen Zusammenhänge<br />
¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯<br />
136 Vgl. Jung, V.; Warnecke, H.-J.: Handbuch für die Telekommunikation, Berlin 1998, S. 1-71f
Bezugsrahmen zur Analyse und Gestaltung von Wissenssystemen 83<br />
im Modell können durch die Begriffe Dienste, Protokolle und Schichten erklärt werden<br />
(Becker, M.; Haberfellner, R.; Liebetrau, G.): 137<br />
Anwendung<br />
Darstellung<br />
Komm.steuerung<br />
Transport<br />
Ver<strong>mit</strong>tlung<br />
Sicherung<br />
Bitübertragung<br />
Ver<strong>mit</strong>tlung<br />
Sicherung<br />
Bitübertragung<br />
Anwendungsprotokoll<br />
Darstellungsprotokoll<br />
Kommunikationssteuerungsprotokoll<br />
Transportprotokoll<br />
Ver<strong>mit</strong>tlung<br />
Sicherung<br />
Bitübertragung<br />
Anwendung<br />
Darstellung<br />
Komm.steuerung<br />
Transport<br />
Ver<strong>mit</strong>tlung<br />
Sicherung<br />
Bitübertragung<br />
Abbildung 4-4: ISO/OSI-Schichtenmodell der Datenübertragung (Stallings, W.) 138<br />
? Dienste<br />
Schichten unterschiedlicher Hierarchiestufen kommunizieren über Dienstschnitt-<br />
stellen, sogenannte „Pri<strong>mit</strong>ives“. Jede Schicht nutzt die Dienste der unter ihr lie-<br />
genden Schicht und bietet gleichzeitig der ihr übergeordneten Schicht über eine<br />
Schnittstelle Dienste an. Die zur Verfügung gestellten Dienstleistungen setzen<br />
sich da<strong>mit</strong> aus den Dienstleistungen, die innerhalb dieser Schicht erbracht wer-<br />
den und dem kumulativen Ergebnis der Dienstleistungen aller darunter liegenden<br />
Schichten, zusammen.<br />
? Protokolle<br />
Ein für eine Schicht festgelegter Satz von Regeln und Spezifikationen wird Proto-<br />
koll genannt. Schichten gleicher Ebene kommunizieren daher über eine klar defi-<br />
nierte Vereinbarung. Da<strong>mit</strong> wird es auch möglich, Regeln für bestimmte Schichten<br />
der Kommunikation festzulegen, ohne dabei die Regelgerüste der anderen<br />
Schichten anzutasten.<br />
¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯<br />
137 Vgl. Becker, M.; Haberfellner, R.; Liebetrau, G.: EDV-Wissen für Anwender - Das Informatik-<br />
Handbuch für die Praxis, 12. Auflage, Zürich 2000, S. 144<br />
138 Vgl. Stallings, W.: Operating Systems, New York 1992, S. 521
Bezugsrahmen zur Analyse und Gestaltung von Wissenssystemen 84<br />
? Schichten<br />
Alle Aufgaben, die bei einer Datenübertragung anfallen, werden auf unterschiedli-<br />
che Schichten - insgesamt sind es sieben Schichten - verteilt. Dabei erfüllen die<br />
unteren vier Schichten Transportfunktionen, die oberen drei Schichten sind an-<br />
wendungsorientiert. In Endgeräten wie Hosts oder PCs sollten für eine Kommuni-<br />
kation zwischen zwei Geräten alle Schichten vorhanden sein. Folgende Schichten<br />
werden unterschieden:<br />
- Bitübertragungsschicht bzw. physikalische Schicht (Physical Layer)<br />
Diese Schicht beschreibt die elektrischen Eigenschaften der gewählten Über-<br />
tragungsmedien und Schnittstellen, wie z.B. Kabel, Lichtwellenleiter, Interfacekarten.<br />
Ihre Aufgabe ist der Transport von Bit-Sequenzen.<br />
- Sicherungsschicht (Data Link Layer)<br />
Zu dieser Schicht gehören Prozeduren zum fehlerfreien Transport von Daten.<br />
Ihre Aufgabe ist das Erkennen und Beheben von Fehlern und die Regelung<br />
des Zugriffs auf das Medium.<br />
- Ver<strong>mit</strong>tlungsschicht (<strong>Network</strong> Layer)<br />
Diese Schicht beinhaltet Prozeduren, um Daten zwischen adressierbaren Sy-<br />
stemen austauschen zu können. Die Prozeduren werden dabei in verbin-<br />
dungslose und verbindungsorientierte Prozeduren untergliedert. Die Aufgabe<br />
dieser Schicht ist die Datenver<strong>mit</strong>tlung (Routing) und die Mehrfachausnützung<br />
von Verbindungen (Multiplexing).<br />
- Transportschicht (Transport Layer)<br />
In diese Schicht gehören Prozeduren, die eine fehlergesicherte Datenübertra-<br />
gung zwischen unterschiedlichen Systemen gewährleisten. Die Aufgaben sind<br />
Aufbau und Unterhalt einer (virtuellen) Verbindung zwischen zwei Prozessen,<br />
Fehlerkorrektur und sortierte Datenbereitstellung.<br />
- Kommunikationssteuerungsschicht (Session Layer)<br />
In dieser Schicht werden Prozeduren für den geregelten Dialog zwischen An-<br />
wendungen beschrieben. Dazu gehören der Auf- und Abbau einer Verbin-<br />
dung, die Festlegung der Form des Dialogs (voll- bzw. halbduplex) und das<br />
gezielte Aufsetzen nach einer Fehlersituation.<br />
- Darstellungsschicht (Presentation Layer)<br />
In dieser Schicht werden die Richtlinien in Hinblick auf Format bzw. Kompri-<br />
mierung, Kodierung im Zeichensatz, Verschlüsselung und Syntax der Daten<br />
festgelegt.
Bezugsrahmen zur Analyse und Gestaltung von Wissenssystemen 85<br />
- Anwendungsschicht (Application Layer):<br />
Hier werden ganz allgemein die Dienstleistungen der Kommunikations-<br />
schichten in Bezug auf die nutzbaren Anwendungen definiert. Als die derzeit<br />
am häufigsten verwendete Anwendung in Computernetzwerken kann an dieser<br />
Stelle das Electronic Mailing System (Email) angeführt werden.<br />
Nachfolgend soll ein standardisierter Datentransfer im technischen Subsystem zwi-<br />
schen zwei Computern als Systemelemente anhand des ISO/OSI-Schichtenmodell<br />
erläutert werden:<br />
Die Kommunikation findet durch Datenaustausch zwischen der Schicht n von Com-<br />
puter A und der Schicht n von Computer B statt. Im Protokoll ist festgelegt, nach wel-<br />
chen Regeln dieser abläuft, da<strong>mit</strong> die Verständigung funktioniert. Das Protokoll muss<br />
daher die Reihenfolge der auszutauschenden Daten sowie deren Inhalte und Format<br />
beschreiben, aber auch wie auf eine eingegangen Nachricht reagiert werden soll. Es<br />
handelt sich um eine horizontale Kommunikation.<br />
Zwischen den zwei gegenüberliegenden Schichten n findet jedoch keine reale Da-<br />
tenübertragung statt. Man spricht daher von einer virtuellen Kommunikation. Sie ist in<br />
der Abbildung <strong>mit</strong> gestrichelten Linien dargestellt. Statt dessen gibt jede Schicht die<br />
Daten an die unter ihr liegende Schicht bis zur Schicht 1 weiter. Unter der Schicht 1<br />
befindet sich das physikalische Medium, über das die Datenübertragung abläuft. Auf<br />
der Empfängerseite durchlaufen die Daten ebenfalls die einzelnen Schichten bis zur<br />
obersten Schicht. Der reale Datenfluss bzw. Signal-Strom ist folglich vertikal. Er ist in<br />
der Abbildung durch die durchgezogene Linie dargestellt. Für die Organisation der<br />
vertikalen Kommunikation sind die jeweiligen Dienste verantwortlich.<br />
Wie in Abbildung 4-4 angedeutet, kann der Datentransfer auch über mehrere Zwi-<br />
schenstellen bzw. Netzwerkknoten hinweg geführt werden. Dazu müssen auch diese<br />
zwischengeschalteten Elemente zumindest bis zur Ver<strong>mit</strong>tlungsschicht dem<br />
ISO/OSI-Schichtenmodell gerecht werden, da<strong>mit</strong> die Daten auch ihr Ziel erreichen.<br />
Nachdem auch in den Endgeräten der Informations- und Kommunikationstechnik die<br />
Mikrocomputertechnik die dominante Technologie ist und tendenziell ein Verschmel-<br />
zen vieler Anwendungen in einem Endgerät zu verzeichnen ist, gewinnt der ISO/OSI-<br />
Standard zum geregelten Austausch von Daten in technischen Systemen zunehmend<br />
an Bedeutung.
Bezugsrahmen zur Analyse und Gestaltung von Wissenssystemen 86<br />
4.3 Das soziale Subsystem<br />
Die Bildung eines sozialen Systems beruht auf der dauernden strukturellen Koppe-<br />
lung seiner Systemelemente (Maturana, H.R.; Varela, F.J.). 139 Jeder einzelne Orga-<br />
nismus ist nur solange Teil eines sozialen Systems, wie er Teil der wechselseitigen<br />
strukturellen Koppelung ist. Maturana 140 versteht unter einem sozialen System eine<br />
Einheit dritter Ordnung, die durch die Kopplung und rekursive Interaktion zwischen<br />
Organismen entsteht. Diese rekursive Interaktion soll nachfolgend als „soziale Vernetzung“<br />
bezeichnet werden.<br />
Der Mensch kann in dieser Systembetrachtung dem sozialen Subsystem als Syste-<br />
melement zugeordnet werden. Das soziale Subsystem hat da<strong>mit</strong> als Systemele-<br />
mente nicht-triviale Maschinen, (vgl. Abschnitt 3.4) die, auch wenn viele Manage-<br />
ment-Konzepte davon ausgehen, keiner Standardisierung unterliegen (Sch<strong>mit</strong>z, C.;<br />
Zucker, B.). 141 Vielmehr wird die Systemkomplexität eines soziotechnischen Systems<br />
gerade durch die Unberechenbarkeit der Systemelemente des sozialen Subsystems<br />
verursacht.<br />
Betrachtet man das Systemelement „Mensch“ selbst ebenfalls systemisch, so be-<br />
steht dieses wiederum aus mehreren Subsystemen (Kneer, G.; Nassehi, A.). 142 Drei<br />
dieser Subsysteme sind dabei besonders hervorzuheben:<br />
? Das sensorische Subsystem<br />
? Das motorische Subsystem<br />
? Das kognitive Subsystem<br />
Im kognitiven Subsystem kann der Mensch als Träger von Wissen – als Wissensträ-<br />
ger – gesehen werden. Im motorischen Subsystem, wo er Handlungen <strong>mit</strong> seiner<br />
Motorik ausführt, kommt ihm die Rolle des Aufgabenträgers zu. Ähnlich wie im tech-<br />
nischen Subsystem sollen nun, aufbauend auf die neurophysiologischen Grundla-<br />
gen, sowie die biologische und konstruktivistische Erkenntnistheorie, die Funktionsweise<br />
des sozialen Subsystems beschrieben werden.<br />
¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯<br />
139 Vgl. Maturana, H.R.; Varela, F.J.: Der Baum der Erkenntnis - Die biologischen Wurzeln menschlichen<br />
Erkennens, Bern/München 1987, S. 210<br />
140 Unter einer Einheit erster Ordnung wird eine Zelle, unter einer Einheit zweiter Ordnung ein Metazeller,<br />
wie z.B. ein Mensch es ist, verstanden, vgl. Vgl. Maturana, H.R.; Varela, F.J.: Der Baum der<br />
Erkenntnis - Die biologischen Wurzeln menschlichen Erkennens, Bern/München 1987, S. 89 bzw.<br />
S. 196, vgl. dazu auch Abschnitt 3.3.2<br />
141 Vgl. Sch<strong>mit</strong>z, C.; Zucker, B.: Wissen gewinnt, Düsseldorf/München 1996, S 124<br />
142 Vgl. Kneer, G.; Nassehi, A.: Niklas Luhmanns Theorie sozialer Systeme, München 1993, S. 66
Bezugsrahmen zur Analyse und Gestaltung von Wissenssystemen 87<br />
In Abbildung 4-5 wird die Signalverarbeitung im „Systemelement Mensch“, abgeleitet<br />
aus den Grundlagen des Abschnittes 3.4, skizziert. Im Mittelpunkt der Abbildung ist<br />
eine vereinfachte Darstellung des kognitiven Subsystems, wie sie in Abbildung 3-9<br />
verwendet wurde, zu sehen.<br />
Alle weiteren Überlegungen beziehen sich auf den dort behandelten ersten Regel-<br />
kreis, der zwischen motorischer und sensorischer Oberfläche verläuft. Der zweite<br />
Regelkreis in Abbildung 3-9 - die Vernetzung des Zentralnervensystems <strong>mit</strong> der Neu-<br />
rohypophyse, die dazu dient die Mikro-Umwelt der Synapsen zu steuern - wird an<br />
dieser Stelle vernachlässigt.<br />
Signalaufnahme<br />
aus der<br />
Außenwelt<br />
S<br />
N<br />
Signal-<br />
Rückwirkung<br />
M<br />
Signalabgabe<br />
an die<br />
Außenwelt<br />
Abbildung 4-5: Signalfluss zwischen kognitivem und motorischem Subsystem<br />
Wie in der Abbildung zu sehen ist, steht das Zentralnervensystem im Zentrum der<br />
Betrachtungen. In dieser Darstellung schließt an der linken Seite des Zentralnerven-<br />
systems der sensorische Bereich – das Sensorium (S) - und auf der rechten Seite<br />
der motorische Bereich – das Motorium (M) - an. Der motorische Bereich wird durch<br />
das Zentralnervensystem gesteuert. Dadurch können Handlungen in der Form von<br />
Muskelbewegungen beim Menschen bewusst ausgelöst werden. Der limbische Ge-<br />
hirnbereich, der weitestgehend autonome elementare Körperfunktionen, wie z.B. den<br />
menschlichen Blutkreislauf, steuert, wird in dieser Betrachtung nicht <strong>mit</strong> einbezogen.<br />
Für die weitere Beschreibung wird der Bereich des Zentralnervensystems als kogniti-<br />
ves Subsystem und der dadurch steuerbare motorische Bereich als motorisches<br />
Subsystem bezeichnet. Eine strukturelle Veränderung des kognitiven Subsystems<br />
wird in der Regel durch Signale aus der Umwelt, die über das Sensorium aufge-<br />
nommen werden, stimuliert. Das System erweitert seine Spektrum an möglichen in-
Bezugsrahmen zur Analyse und Gestaltung von Wissenssystemen 88<br />
neren Zuständen - es lernt durch Veränderung bzw. Aufbau von synaptischen Ver-<br />
bindungen zwischen den Neuronen. Durch diese Lernvorgänge des kognitiven Sub-<br />
systems kann auch das Handlungsspektrum des motorischen Subsystems erhöht<br />
werden.<br />
Bei der Ausführung von Handlungen - gesteuert durch das kognitive Subsystem -<br />
kommt es zur Rückkoppelung der Wirkungen des motorischen Subsystems auf das<br />
Sensorium. Diese Rückkopplung ist für den Aufbau von Wissen zwingend notwendig.<br />
Zurückzuführen ist dies wiederum auf die operationale Geschlossenheit des Sy-<br />
stems. Als Beispiel kann hier angeführt werden, dass es einem Gehörlosen nicht<br />
möglich ist die menschliche Sprache zu erlernen. Es fehlt ihm die Rückkopplung der<br />
Schallwellen auf das eigene Gehör, die dazu dient die Auswirkungen der Handlung<br />
zu bestätigen.<br />
Als Gesamtheit kann das soziale Subsystem als nicht-triviale Maschine verstanden<br />
werden. Wie bereits im vorigen Abschnitt beschrieben, ist da<strong>mit</strong> nicht vorhersehbar<br />
inwiefern eine Signalaufnahme auf das operational geschlossene System wirken<br />
wird. In der vereinfachten Darstellung (vgl. Abbildung 4-6), ohne externe Signalflüs-<br />
se, bleiben als wesentliche Elemente der Betrachtung das kognitive und das motori-<br />
sches Subsystem und deren Verknüpfungen zurück. Dies entspricht dem Zusam-<br />
menhang zwischen Motorium und Sensorium wie er bereits anhand der Abbildung<br />
3-9 erklärt wurde.<br />
S Kognitives<br />
Subsystem<br />
M<br />
Motorisches<br />
Subsystem<br />
Abbildung 4-6: Beziehung zwischen kognitivem und motorischem Subsystem<br />
Von der isolierten Beschreibung auf der Ebene der sozialen Systemelemente soll die<br />
nachfolgende Betrachtung auf das soziale System als Gesamtheit erweitert werden.<br />
Ein soziales System besteht zumindest aus zwei Systemelementen, also aus minde-
Bezugsrahmen zur Analyse und Gestaltung von Wissenssystemen 89<br />
stens zwei Menschen. Da der Mensch im sozialen System neben der Funktion als<br />
Aufgabenträger auch die Funktion eines Wissensträgers hat, ist diese Betrachtung<br />
für die weitere Arbeit von besonderem Interesse.<br />
4.3.1 Wissenstransfer im sozialen Subsystem<br />
Wie schon im Kapitel 2 beschrieben, wird in dieser Arbeit davon ausgegangen, dass<br />
Wissen untrennbar <strong>mit</strong> dem Menschen in Verbindung steht. Daher kann ein Wissen-<br />
stransfer nur zwischen zwei oder mehreren Menschen stattfinden. Nachfolgend sol-<br />
len die Möglichkeiten des Transfers von Wissen zwischen zwei Systemelementen<br />
des sozialen Subsystems beispielhaft beschrieben werden. Da es sich dabei um die<br />
Vernetzung von zwei operational geschlossenen Systemen handelt, ist es für die<br />
Transparenz der Ausführungen wiederum zweckmäßig auf der Ebene der sozialen<br />
Subsysteme aufzubauen.<br />
Systemelement A Systemelement B<br />
Motorisches<br />
Subsystem<br />
Kognitives<br />
Subsystem<br />
S<br />
Signalstrom<br />
von A nach B<br />
Signalstrom<br />
von B nach A<br />
S<br />
Kognitives<br />
Subsystem<br />
Motorisches<br />
Subsystem<br />
Abbildung 4-7: Signalstrom zwischen zwei Elementen eines sozialen Systems<br />
In Abbildung 4-7 sind zwei Systemelemente eines sozialen Systems gegenüberge-<br />
stellt. Diese zwei autopoietischen, operational geschlossenen Systeme können, nach<br />
dem neurologischen Nahwirkungsgesetz, lediglich über Motorium und Sensorium in<br />
Interaktion treten. Diese Interaktion zwischen zwei Systemelementen eines sozialen<br />
Systems kann als Kommunikation bezeichnet werden:
Bezugsrahmen zur Analyse und Gestaltung von Wissenssystemen 90<br />
„Unter Kommunikation verstehen wir dabei das gegenseitige Auslösen von koordi-<br />
nierten Verhaltensweisen unter den Mitgliedern einer sozialen Einheit.“ (Maturana,<br />
H.R.; Varela) 143<br />
Die Form der Interaktion bzw. gegenseitigen Mitteilung ist dabei nicht alleine auf die<br />
Sprache beschränkt.<br />
„...das Material jeglicher Kommunikation sind keineswegs nur Worte, sondern auch<br />
paralinguistische Phänomene, wie z.B. Tonfall, Schnelligkeit oder Langsamkeit der<br />
Sprache, Pausen, Lachen, Seufzen, Körperhaltung, Ausdrucksbewegungen (Körper-<br />
sprache) usw. innerhalb eines bestimmten Kontextes - kurz, Verhalten jeder Art.“<br />
(Watzlawick, P.; Beavin, J.; Jackson, D.D.) 144<br />
Da<strong>mit</strong> werden die umfassenden Möglichkeiten der verbalen und nonverbalen Kom-<br />
munikation verdeutlicht. Betrachtet man z.B. eine Kommunikationsbeziehung bei der<br />
<strong>mit</strong>tels verbaler Kommunikation zwischen zwei Wissensträgern über unsere Sprache<br />
Wissen in einem bestimmten Wissensgebiet, z.B. der Telematik, ausgetauscht werden<br />
soll, so kann dies folgendermaßen dargestellt werden (vgl. Abbildung 4-8):<br />
Wissensträger A Wissenstransfer Wissensträger B<br />
Kontext-<br />
Wissen<br />
Lernprozesse<br />
Codierung<br />
M<br />
S<br />
Signalstrom<br />
Signalstrom<br />
Decodierung<br />
S<br />
M<br />
Decodierung Codierung<br />
Abbildung 4-8: Wissenstransfer durch Kommunikation<br />
Kontext-<br />
Wissen<br />
¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯<br />
143 Vgl. Maturana, H.R.; Varela, F.J.: Der Baum der Erkenntnis - Die biologischen Wurzeln menschlichen<br />
Erkennens, Bern/München 1987, S. 210<br />
144 Watzlawick, P.; Beavin, J.; Jackson, D.D.: Menschliche Kommunikation, 9. Auflage, Seattle 1996,<br />
S. 50<br />
Lernprozesse
Bezugsrahmen zur Analyse und Gestaltung von Wissenssystemen 91<br />
Systemelement A als Sender steuert sein motorisches Subsystem so an, dass Si-<br />
gnale in der Form von Schallwellen erzeugt werden. Er codiert quasi einen Teil sei-<br />
nes Wissens im Wissensgebiet Telematik in der Form von Signalen. Diese Schall-<br />
wellen können beim Systemelement B als Empfänger wiederum nur in der Form von<br />
Signalen in sein Ultrakurzzeit-Gedächtnis aufgenommen werden. Er „decodiert“ das<br />
über Schallwellen übertragene Signal. Dazu muss eine gemeinsame Basis - ein ge-<br />
meinsamer Kontext - vorhanden sein. Das sollte in diesem Fall zumindest die gemeinsame<br />
Sprache als Basis der verbalen Kommunikation sein.<br />
Da<strong>mit</strong> die aufgenommenen Signale beim Empfänger ein annähernd identisches Wis-<br />
sen wie beim Sender hervorrufen, muss aber als weitere Voraussetzung auch ein<br />
gemeinsamer Kontext im Wissensgebiet der Telematik bestehen. Ansonsten klingt<br />
das Signal bereits im Ultrakurzzeit-Gedächtnis ab und eine materielle Vernetzung auf<br />
der Basis von synaptischen Verbindungen kann nicht mehr stattfinden.<br />
Im gesamten Ablauf findet keine direkte Vernetzung von Neuronen oder Synapsen<br />
zwischen den beiden Systemelementen A und B statt. Es gibt daher keine andere<br />
Möglichkeit der verbalen Kommunikation zwischen zwei Menschen als auf der Ebene<br />
von Signalen. Vorausgesetzt werden muss dabei ein gemeinsames Kontextwissen,<br />
das aber auch im Laufe der Kommunikation durch Lernprozesse aufgebaut werden<br />
kann, sofern ein gemeinsamer Basiskontext gefunden werden kann, der Kommunikation<br />
überhaupt ermöglicht.<br />
„Das Phänomen der Kommunikation hängt nicht von dem ab, was über<strong>mit</strong>telt wird,<br />
sondern von dem, was im Empfänger geschieht“ (Maturana, H.R.; Varela, F.J.) 145<br />
Da<strong>mit</strong> ist der Begriff „Wissenstransfer“ auch nicht als physischer Transfer, sondern<br />
als Metapher für einen Lernprozess, der zum Ziel hat Wissen zu „übertragen“, zu<br />
verstehen. Dieser Lernprozess hebt da<strong>mit</strong> das (Kontext-)Wissen in einem Wissens-<br />
gebiet beim lernenden Empfänger auf ein annähernd gleiches Niveau wie beim Sen-<br />
der. Die Rolle der Sprache ist da<strong>mit</strong> nicht die Über<strong>mit</strong>tlung von „Informationen“, son-<br />
dern sie ruft Verstehen beim Empfänger bzw. beim Zuhörer hervor. Dies funktioniert<br />
aber nur dann, wenn das Vorverständnis, das im Zuhörer bereits gegeben war, für<br />
das Verstehen ausreicht.<br />
¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯<br />
145 Maturana, H.R.; Varela, F.J.: Der Baum der Erkenntnis - Die biologischen Wurzeln menschlichen<br />
Erkennens, Bern/München 1987, S. 212
Bezugsrahmen zur Analyse und Gestaltung von Wissenssystemen 92<br />
Durch diese Darstellung wird auch die hohe Relevanz des Interaktionsmodells für<br />
<strong>Wissensmanagement</strong> bestätigt (Schneider, U.). 146 Denn nur durch Interaktion, d.h.<br />
durch die Schließung des Signalstromes kann sich der Sender davon überzeugen,<br />
ob die ausgesendeten Signale auch in seinem Sinne aufgenommen wurden. Dazu<br />
muss die Sender-Empfänger Beziehung umgekehrt werden, denn das Wissen des<br />
Empfängers wird für den Sender nur durch Handlungen wahrnehmbar. Sammer 147<br />
bezeichnet den Wissenstransfer über die Signalebene <strong>mit</strong> dem Begriff der „Wissen-<br />
sinduktion“ und bringt da<strong>mit</strong> eine Analogie zur elektromagnetischen Induktionswirkung<br />
ins Spiel, die diesen Vorgang sehr trefflich charakterisiert.<br />
4.3.2 Gegenüberstellung des sozialen und des technischen Subsystems<br />
Anhand der Detailbeschreibung des sozialen und des technischen Subsystems kön-<br />
nen einige Analogien zwischen der Datenübertragung im technischen Subsystem<br />
und dem Wissenstransfer im sozialen Subsystem gezogen werden. Hervorzuheben<br />
ist, dass bei beiden Subsystemen letztendlich die Kommunikation nur auf der Ebene<br />
von Signalen stattfindet. Diese Erkenntnis kann da<strong>mit</strong> in der Systemgestaltung, ins-<br />
besondere für die Vernetzung technischer und sozialer Systemelemente genutzt<br />
werden. Von besonderer Relevanz ist auch die Analogie der standardisierten<br />
Schichten, Dienste und Protokolle und im technischen Subsystem zum Kontextwissen<br />
im sozialen System.<br />
Während aber auf der technischen Seite der Kontext durch die sieben Schichten klar<br />
definiert ist und bereits vor dem ersten Verbindungsaufbau gegeben sein muss, kann<br />
auf der sozialen Seite nahezu jede beliebige Ausprägung des Kontextwissens durch<br />
Lernprozesse während der Kommunikation aufgebaut werden. Trotz diese Analogi-<br />
en, die vorrangig vom technischen in den sozialen Bereich übertragen wurden, um<br />
da<strong>mit</strong> dort eine plausible Funktionsdarstellung aufzeigen zu können, treffen zwei völlig<br />
unterschiedlich funktionierende Systeme aufeinander.<br />
¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯<br />
146 Vgl. Schneider, U.: Management in der wissensbasierten Unternehmung, in: Schneider, U. (Hrsg.):<br />
<strong>Wissensmanagement</strong>, Frankfurt a. M. 1996, S. 17ff<br />
147 Vgl. Sammer, M.: Wissensinduktion in Organisationen: Die wissensbasierte Netzwerkorganisation<br />
als struktureller Rahmen, Dissertation, Montanuniversität Leoben 1999, S. 58ff
Bezugsrahmen zur Analyse und Gestaltung von Wissenssystemen 93<br />
4.4 Beziehungen im soziotechnischen System<br />
Im nächsten Schritt soll die Untersuchung von der isolierten Betrachtung des sozia-<br />
len und technischen Subsystems auf das gesamte Spektrum von relevanten Bezie-<br />
hungen eines soziotechnischen Systems ausgeweitet werden. In dieser Betrachtung<br />
sind vor allem die Beziehungen zwischen den Systemelementen in Bezug auf kollektives<br />
Lernen bzw. auf die Wissensübertragung in Organisationen von Bedeutung.<br />
In Abbildung 4-9 werden die Systemelemente des soziotechnischen Systems und<br />
deren Funktionsmodelle nochmals im Detail veranschaulicht. Durch diese Darstel-<br />
lung wird klar, dass die Möglichkeiten der Interaktion zwischen einem technischen<br />
und einem sozialen Systemelement beschränkt sind und eine gemeinsame Basis zur<br />
Interaktion nur auf der Signalebene gefunden werden kann.<br />
Nicht-triviale<br />
Maschine<br />
Motorisches<br />
Subsystem<br />
Kognitives<br />
Subsystem<br />
S<br />
NTM 1<br />
TM 2<br />
TM 1<br />
NTM 2<br />
NTM 3<br />
TM 3<br />
Triviale<br />
Maschine<br />
Anwendung<br />
Darstellung<br />
Komm.steuerung<br />
Transport<br />
Ver<strong>mit</strong>tlung<br />
Sicherung<br />
Bitübertragung<br />
Abbildung 4-9: Triviale und nicht-triviale Maschinen im soziotechnischen System<br />
In der Darstellung werden die Elemente des sozialen Subsystems als nicht-triviale<br />
Maschinen und die Elemente des technischen Subsystems als triviale Maschinen<br />
interpretiert (vgl. dazu auch Abschnitt 3.4). Daraus kann abgeleitet werden, dass die<br />
Systemgestaltung von Wissenssystemen eine äußerst komplexe Aufgabe ist, da<br />
durch die Eigenschaften der nicht-trivialen Maschine bedingt, kein kausaler Zusam-
Bezugsrahmen zur Analyse und Gestaltung von Wissenssystemen 94<br />
menhang zwischen Input und Output bzw. zwischen gesetzten Maßnahmen und erzielter<br />
Wirkung besteht.<br />
Nachfolgend soll nun untersucht werden, welche Art von Beziehungen im soziotech-<br />
nischen System generell für die Gestaltung von Relevanz sind. Zwei Arten von Be-<br />
ziehungen – der Wissenstransfer durch direkte Kommunikation zwischen Elementen<br />
des sozialen Subsystems und der Datentransfer zwischen Elementen des techni-<br />
schen Subsystems - wurden bereits in der vorangegangenen isolierten Betrachtung<br />
der beiden Subsysteme des soziotechnischen Systems erläutert.<br />
Der nächste Schritt - die Vernetzung von technischen und sozialen Systemelemen-<br />
ten - gibt in Bezug auf <strong>Wissensmanagement</strong> nur dort einen Sinn, wo technische Sy-<br />
stemkomponenten zur Unterstützung von Lernprozessen bzw. für den Wissen-<br />
stransfer im sozialen Subsystem verwendet werden. Für die Beschreibung dieser<br />
Abläufe soll vorerst nicht zwischen einer 1:1 Beziehung (ein Sender, ein Empfänger)<br />
und einer 1:n Beziehung (ein Sender, mehrere Empfänger) unterschieden werden.<br />
Die Untersuchung der 1:1 Beziehung kann ohne besondere Einschränkungen auch<br />
stellvertretend für die 1:n Beziehung herangezogen werden.<br />
4.4.1 Der Prozess der Information<br />
Aus den bisherigen Ausführungen kann abgeleitet werden, dass eine Übertragung<br />
von Wissen zwischen zwei Elementen des sozialen Subsystems nur auf Signalebene<br />
möglich ist. Wissen wird aber nicht nur durch Kommunikation „übertragen“, sondern<br />
kann auch von Einzelpersonen, z.B. durch die Interpretation von Daten im Informati-<br />
onsprozess, aufgebaut werden. Im Lernprozess selbst besteht prinzipiell kein Unter-<br />
schied, ob diese Daten z.B. in der Form von Büchern oder in elektronischer Form auf<br />
dem Bildschirm eines Personal Computers vorliegen.<br />
Im Falle eines technischen Hilfs<strong>mit</strong>tels, das selbst als Signalquelle fungiert, wie z.B.<br />
der Bildschirm eines Personal Computers, werden diese Signale vom Gerät selbst<br />
ausgesendet. Die Zeichen auf einem Blatt Papier hingegen brauchen eine zusätzli-<br />
che Signal- bzw. in diesem Falle eine Lichtquelle, da<strong>mit</strong> das menschliche Sensorium<br />
anhand der reflektierten elektromagnetischen Wellen im sichtbaren Spektralbereich<br />
die niedergeschriebenen Daten interpretieren kann. Die Übertragung von Signalen<br />
vom technischen Subsystem zum Menschen muss auf jeden Fall durch Einwirken<br />
über sein Motorium auf die Signalquelle ausgelöst werden (vgl. Abbildung 4-10).<br />
Die Signalschnittstelle zwischen technischem und sozialem Subsystem wird als Be-<br />
nutzerschnittstelle bezeichnet. Beispielsweise wird die Signalschnittstelle beim Men-<br />
schen durch sein Sensorium und bei einem Personal Computer - als Element des
Bezugsrahmen zur Analyse und Gestaltung von Wissenssystemen 95<br />
technischen Subsystems - durch die ISO/OSI-Schicht 7, also durch die Anwendungsschicht<br />
gebildet.<br />
Wissensträger<br />
Kontext-<br />
Wissen<br />
Lernprozesse<br />
M<br />
S<br />
Decodierung<br />
Einwirkung auf<br />
Systemelement<br />
Information<br />
Signalstrom<br />
Abbildung 4-10: Prozess der Information (Sammer, M.) 148<br />
Technisches Subsystem<br />
Codierung<br />
Die Aufnahme der Signale erfolgt wiederum über das Sensorium und den Filter des<br />
Ultrakurzzeit-Gedächtnisses, d.h. analog zum Kommunikationsprozess. Es muss<br />
auch hier wieder ein Kontext vorhanden sein, der eine Interpretation der Signale<br />
beim Menschen möglich macht. Von der Art der Daten (z.B. audiovisuelle oder Zei-<br />
chen auf Papier) hängt es ab, wie intensiv das Sensorium angesprochen wird. So ist<br />
z.B. die Bandbreite und das Frequenzspektrum der Signalströme im dynamischen<br />
audiovisuellen Bereich wesentlich höher als bei der Aufnahme statisch vorliegender<br />
Daten auf einem Blatt Papier.<br />
4.4.2 Der Prozess der Dokumentation<br />
Die große Vielzahl an verfügbaren Daten hilft beim Lösen von Problemen, erzeugt<br />
aber gleichzeitig ein Problem. Die verfügbare Datenflut muss einem Selektionspro-<br />
zess unterworfen werden, der Wichtiges von Unwichtigem trennt. Die Bandbreite<br />
geht dabei von den herkömmlichen Medien in der Form von Büchern, Fachzeit-<br />
schriften oder Zeitungen bis zu elektronisch gespeicherten Daten im Internet. Weiters<br />
werden wir auch zunehmend <strong>mit</strong> audiovisuellen Daten konfrontiert. Nachfolgend soll<br />
die Entstehung und die Rolle von Daten im Prozess der Dokumentation genauer betrachtet<br />
werden.<br />
¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯<br />
148 In Anlehnung an Sammer, M.: Wissensinduktion in Organisationen: Die wissensbasierte Netzwerkorganisation<br />
als struktureller Rahmen, Dissertation, Montanuniversität Leoben 1999, S. 63
Bezugsrahmen zur Analyse und Gestaltung von Wissenssystemen 96<br />
Im Hintergrund jeder Dokumentation steht das Wissen eines Individuums. Ein Indivi-<br />
duum erstellt Dokumente, indem es versucht Wissen so zu codieren, dass es für an-<br />
dere Menschen zugänglich wird. Da<strong>mit</strong> dies gelingen kann, ist eine Codierung von<br />
Wissen in Signale erforderlich, die zur Übertragung in das technische Subsystem<br />
und zur Speicherung geeignet sind (vgl. Abbildung 4-11). Das technische Subsystem<br />
kann dabei einerseits zur Speicherung von Daten verwendet werden, andererseits<br />
besteht aber auch die Möglichkeit das technische Subsystem zur Erzeugung von Signalen<br />
zu verwenden. Dies soll anhand von zwei Beispielen verdeutlicht werden:<br />
Wissensträger<br />
Kontext-<br />
Wissen<br />
Lernprozesse<br />
Codierung<br />
M<br />
S<br />
Signalstrom<br />
Einwirkung auf<br />
Systemelement<br />
Dokumentation<br />
Technisches Subsystem<br />
Decodierung und<br />
Speicherung<br />
Abbildung 4-11: Prozess der Dokumentation (Sammer, M.) 149<br />
Erfolgt die Codierung in der Form von Sprache, so kann auch diese auf einem Da-<br />
tenträger gespeichert werden. Dazu ist nach der Codierung ein Signalstrom vom<br />
Menschen zum technischen Subsystem in der Form von Schallwellen notwendig.<br />
Das technische Subsystem hingegen muss über geeignete Sensoren verfügen, da-<br />
<strong>mit</strong> die Schallwellen in eine speicherbare physikalische Größe decodiert werden<br />
können.<br />
Wenn man aber z.B. ein Kehlkopfmikrophon benutzt, sind für die Generierung von<br />
Daten aus der menschlichen Sprache auch keine Schallwellen notwendig. Die Codie-<br />
rung erfolgt dabei direkt über das Motorium. Ein Übertragungskanal <strong>mit</strong> dem Medium<br />
Luft ist dazu nicht erforderlich.<br />
¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯<br />
149 In Anlehnung an Sammer, M.: Wissensinduktion in Organisationen: Die wissensbasierte Netzwerkorganisation<br />
als struktureller Rahmen, Dissertation, Montanuniversität Leoben 1999, S. 63
Bezugsrahmen zur Analyse und Gestaltung von Wissenssystemen 97<br />
Der Begriff Signal wird daher für diese Betrachtung weiter gefasst. In der Nachrichtentechnik<br />
wird der Begriff Signal als „die Darstellung einer Nachricht durch physikali-<br />
sche Größen“ definiert (Jung, V.; Warnecke, H.-J.). 150 Da<strong>mit</strong> können als weiteres<br />
Beispiel auch Muskelbewegungen, die dazu notwendig sind, Zeichen <strong>mit</strong>tels einer<br />
Computer-Tastatur einzugeben, als Signalerzeugung verstanden werden. Die Si-<br />
gnale werden dabei ohne Medium direkt in das technische Subsystem eingegeben<br />
und dort weiterverarbeitet.<br />
Diesen Beispielen ist gemeinsam, dass auf jeden Fall durch den Menschen auf das<br />
technische Subsystem eingewirkt werden muss, da<strong>mit</strong> eine Signaldecodierung oder<br />
eine Speicherung von Daten erfolgen kann. Dieses Einwirken kann wiederum die<br />
Bedienung <strong>mit</strong>tels einer Tastatur sein, kann aber auch z.B. <strong>mit</strong>tels Spracherkennung<br />
erfolgen. Zusammengefasst hat der Mensch daher bei der Erzeugung und Speicherung<br />
von Daten zwei Aufgaben:<br />
1) Er muss Signale in einer für das technische Subsystem verarbeitbaren Form zur<br />
Verfügung stellen.<br />
2) Er muss auf das technische Subsystem einwirken - er muss es bedienen.<br />
Bei der Dokumentation bzw. Codierung von Wissen sollte wiederum das Kontextwis-<br />
sen des angesprochenen Leserkreises berücksichtigt werden. Das bedeutet, dass<br />
der Autor eine Vorstellung davon haben muss, welchen Mindestkontext ein Mensch<br />
als Wissensträger <strong>mit</strong>bringen muss, da<strong>mit</strong> dieser einen erfolgreichen Informationsprozess<br />
durchlaufen und Wissen aufbauen kann.<br />
Durch Dokumentation wird eine zeitliche Entkoppelung des Wissenstransfers zwi-<br />
schen Wissensträgern ermöglicht. Der Sender dokumentiert und speichert Daten, die<br />
einem Empfänger zu einem späteren Zeitpunkt im Informationsprozess einen Wis-<br />
sensaufbau ermöglichen. Zum Unterschied zur Signalkonvertierung im technischen<br />
Subsystem, wie sie z.B. bei der Telekommunikation erfolgt, werden bei der Dokumentation<br />
immer Daten permanent gespeichert.<br />
4.4.3 Wissenstransfer über Dokumentation und Information<br />
Da Daten von einem Menschen aufgrund seines Wissens erzeugt wurden, kann<br />
auch der Prozess der Dokumentation und der anschließende Prozess der Informati-<br />
on letztendlich als Wissenstransfer gesehen werden. In Abbildung 4-12 wird der Si-<br />
gnalstrom des gesamten Ablaufs skizziert. Dabei codiert Wissensträger A Wissen in<br />
der Form von Daten und speichert diese Daten im technischen Subsystem. Der Wis-<br />
¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯<br />
150 Vgl. Jung, V.; Warnecke, H.-J.: Handbuch für die Telekommunikation, Berlin 1998, S. 1-4
Bezugsrahmen zur Analyse und Gestaltung von Wissenssystemen 98<br />
sensträger B kann zeitlich entkoppelt durch die Decodierung der Signale, die er aus<br />
dem technischen Subsystem empfängt, im Informationsprozess wiederum Wissen<br />
aufbauen.<br />
Ob dieser Wissenstransfer gelingt, hängt vom Kontextwissen des Empfängers ab. Im<br />
Unterschied zur direkten Kommunikation zwischen zwei Wissensträgern, ist der Auf-<br />
bau eines Kontextwissens durch Kommunikation <strong>mit</strong> dem Wissensträger, der die Do-<br />
kumentation angefertigt hat, nur schwer möglich. Im schlimmsten Fall ist der Autor<br />
der Dokumentation überhaupt nicht mehr greifbar, um <strong>mit</strong> ihm in Interaktion treten zu<br />
können.<br />
Wissensträger A<br />
Kontext-<br />
Wissen<br />
Lernprozesse<br />
Codierung<br />
M<br />
S<br />
Signalstrom<br />
Einwirkung auf<br />
Systemelement<br />
Dokumentation<br />
W i s s e n s t r a n s f e r<br />
Decodierung<br />
Codierung<br />
Anwendung<br />
Darstellung<br />
Komm. steuerung<br />
Transport<br />
Ver<strong>mit</strong>tlung<br />
Sicherung<br />
Bitübertragung<br />
Bitübertragung<br />
Anwendungsprotokoll<br />
Ver<strong>mit</strong>tlung<br />
Sicherung<br />
Darstellungsprotokoll<br />
Kommunikationssteuerungsprotokoll<br />
Ver<strong>mit</strong>tlung<br />
Sicherung<br />
Bitübertragung<br />
Anwendung<br />
Darstellung<br />
Komm. steuerung<br />
Transport<br />
Ver<strong>mit</strong>tlung<br />
Sicherung<br />
Bitübertragung<br />
Signalstrom<br />
Information<br />
Einwirkung auf<br />
Systemelement<br />
Wissensträger B<br />
Decodierung<br />
S<br />
M<br />
Codierung<br />
Abbildung 4-12: Wissenstransfer über Dokumentation und Information<br />
Transportprotokoll<br />
Kontext-<br />
Wissen<br />
Durch Einsatz von IuK-Technologien, z.B. im „Online-Chat“, ist es allerdings möglich,<br />
die zeitliche Entkoppelung nahezu auf Null zu reduzieren. Dabei erfolgt der Prozess<br />
der Dokumentation auf der Senderseite und der Prozess der Information auf der<br />
Empfängerseite je nach Übertragungszeit nahezu zeitgleich. Die (Zwischen-) Spei-<br />
cherung der Daten verliert da<strong>mit</strong> an Bedeutung. Fällt die Zwischenspeicherung der<br />
Daten überhaupt weg, so reduziert sich die Funktion des technischen Subsystems<br />
auf eine mehrfache und meist verlustbehaftete Signalkonvertierung.<br />
Da<strong>mit</strong> gehen die Prozesse Dokumentation/Information in eine Telekommunikation<br />
über. Da<strong>mit</strong> wird Kommunikation ohne Verzögerung zwischen den beiden Wis-<br />
sensträgern über das technische Subsystem hinweg möglich. In der Fachliteratur<br />
wird <strong>mit</strong> Telekommunikation der Austausch von Wissen zwischen Sender und Emp-<br />
fänger bezeichnet, wobei beide örtlich voneinander getrennt sind. Dazu stehen als<br />
Lernprozesse
Bezugsrahmen zur Analyse und Gestaltung von Wissenssystemen 99<br />
Technik sämtliche Telekommunikationsnetze und -dienste zur Verfügung. 151 Als Beispiel<br />
kann ein einfaches Telefongespräch angeführt werden.<br />
Der Wissenstransfer über das technische Subsystem kann da<strong>mit</strong> in zwei wesentliche<br />
Fälle unterschieden werden (vgl. Tabelle 4-1):<br />
? Dokumentations- und Informationsprozess<br />
? Telekommunikation<br />
Beide Fälle werden nachfolgend anhand einiger wichtiger Unterscheidungsmerkmale<br />
gegenübergestellt:<br />
Merkmale Dokumentation -<br />
Information<br />
Hauptfunktion Überbrückung von Zeit<br />
bzw. Verteilung<br />
Transfersituation zeitlich entkoppelt „online“<br />
Speicherung von Daten notwendig möglich<br />
Telekommunikation<br />
Überbrückung von Raum<br />
Aufbau von Kontextwissen nicht möglich beschränkt möglich<br />
Tabelle 4-1: Dokumentation/Information und Telekommunikation im Vergleich<br />
In der Telekommunikations-Beziehung wird im Normalfall lediglich eine Signalkon-<br />
vertierung vom Wissensträger in das technische System und umgekehrt durchge-<br />
führt. Dadurch hängt es von der Bandbreite des Kommunikationskanals im techni-<br />
schen Subsystem ab, wie umfangreich die Signalkoppelung zwischen den Wis-<br />
sensträgern erfolgen kann. Während z.B. bei einer Videokonferenz annähernd eine<br />
face-to-face Kommunikation, d.h. neben der menschlichen Sprache auch noch non-<br />
verbale Kommunikation ermöglicht wird, ist ein Telefongespräch rein auf die Sprache<br />
beschränkt.<br />
¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯<br />
151 Vgl. o.V.: Gabler Wirtschaftsinformatik Lexikon Band L-Z, 14. Auflage, Wiesbaden 1997, S. 708
Bezugsrahmen zur Analyse und Gestaltung von Wissenssystemen 100<br />
4.5 Bildung eines Bezugsrahmens<br />
Nach den detaillierten Darstellungen der Beziehungen im soziotechnischen System<br />
soll in diesem Abschnitt ein Bezugsrahmen entwickelt werden, der eine Analyse und<br />
Gestaltung von Organisationen als Wissenssystem ermöglicht.<br />
Dazu wird aufbauend auf die bisher dargestellten Beziehungen zwischen den einzel-<br />
nen Systemelementen eine abstrahierte Darstellung der 1:1 Beziehungen auf die<br />
Ebene der Organisation vorgenommen. Hilfreich für diese Abstraktion ist der Analo-<br />
gieschluss zwischen dem menschlichen Gedächtnis und der organisatorischen Wissensbasis<br />
(Sammer, M.). 152<br />
Wie bereits im vorigen Abschnitt angedeutet, besteht eine Organisation als Wissens-<br />
system aus der Vernetzung von trivialen und nicht-trivialen Maschinen (vgl.<br />
Abbildung 4-9). Für die funktionale Betrachtung auf Organisationsebene kann aus<br />
der Vernetzung der sozialen Systemelemente eine einzige nicht-triviale Maschine<br />
gebildet werden (Foerster, H.v.). 153<br />
Der Analogieschluss vom lernenden Individuum zur lernenden Organisation wird<br />
durch die biologische Erkenntnistheorie von Maturana und Varela 154 gestützt. Auch<br />
andere Autoren haben diese Idee aufgegriffen. Nonaka und Takeuchi 155 beziehen<br />
sich dabei ebenfalls auf den von Maturana und Varela verwendeten Begriff des auto-<br />
poietischen Systems:<br />
„... a knowledge-creating organization that secures autonomy may also be depicted<br />
as an „autopoietic system“...“<br />
Im nächsten Schritt wird die Funktionsdarstellung einzelner Elemente im sozialen<br />
Subsystem auf die Ebene der Organisation übertragen. Die dadurch gebildete orga-<br />
nisatorische Wissensbasis besteht daher aus der Vernetzung der einzelnen Ge-<br />
dächtnisse der sozialen Systemelemente. Weiters wird auf der Ebene der Organisa-<br />
tion aber auch ein motorisches Subsystem gebildet, das aus dem verfügbaren<br />
Handlungsspektrum aller Mitarbeiter besteht (vgl. Abbildung 4-13). Die Funktion der<br />
sensorische Oberfläche wird in dieser Betrachtung nicht mehr explizit dargestellt. Es<br />
¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯<br />
152<br />
Vgl. Sammer, M.: Wissensinduktion in Organisationen: Die wissensbasierte Netzwerkorganisation<br />
als struktureller Rahmen, Dissertation, Montanuniversität Leoben 1999, S. 81f<br />
153<br />
Vgl. Foerster, H.v.: Prinzipien der Selbstorganisation im sozialen und betriebswirtschaftlichen Bereich,<br />
in Schmidt S.J. (Hrsg.): Wissen und Gewissen, 4. Auflage, Frankfurt a. Main 1997, S. 253<br />
154<br />
Vgl. Maturana, H.R.; Varela, F.J.: Der Baum der Erkenntnis - Die biologischen Wurzeln menschlichen<br />
Erkennens, Bern/München 1987<br />
155<br />
Nonaka, I.; Takeuchi, H.: The Knowledge-Creating Company, New York/Oxford 1995, S. 76
Bezugsrahmen zur Analyse und Gestaltung von Wissenssystemen 101<br />
wird aber davon ausgegangen, dass das kognitive Subsystem über ein funktionierendes<br />
Sensorium verfügt.<br />
Diese gedankliche Auftrennung des kognitiven und motorischen Subsystems erlaubt<br />
die Zusammenfassung aller kognitiven und motorischen Potenziale einer Organisati-<br />
on in zwei unterschiedliche Bereiche die man sich anhand zweier „virtuelle Ebenen“<br />
vorstellen kann. Das einzelne Element verliert in dieser vernetzten Darstellung an<br />
Bedeutung. Die Ebene der Betrachtung richtet sich auf das Potenzial, das durch ein<br />
Kollektiv repräsentiert wird.<br />
Zur Erarbeitung eines Bezugsrahmens wird der Bereich, in dem der Mensch als Auf-<br />
gabenträger <strong>mit</strong> seinem Motorium Handlungen ausführt, als Handlungsebene be-<br />
zeichnet. Im zweiten Bereich, der aus der Vernetzung aller kognitiven Potenziale ge-<br />
bildet wird, übernimmt der Mensch die Rolle des Wissensträgers. Daher wird dieser<br />
Bereich für die weiteren Ausführungen als Wissensebene bezeichnet.<br />
Systemelement 1<br />
S S<br />
Systemelement n<br />
Motorisches<br />
Subsystem<br />
Kognitives<br />
Subsystem<br />
S<br />
Motorisches Subsystem<br />
der Organisation<br />
Wissen<br />
anwenden<br />
Abbildung 4-13: Aufbau der organisationalen Wissensbasis<br />
Wissen<br />
aufbauen<br />
Kognitives Subsystem<br />
der Organisation<br />
Handlungs- und Wissensebene bilden da<strong>mit</strong> das soziale Subsystem der Organisation<br />
als soziotechnisches System. Die Isolierung dieser beiden Bereiche in zwei „virtuelle<br />
Ebenen“ bildet die Basis für die Gestaltung von Wissenssystemen auf der Ebene von<br />
Organisationen. Ergänzend sei festgestellt, dass ein und dieselbe Person sowohl<br />
Element der Wissensebene als auch Element der Handlungsebene ist. Durch die<br />
Unterscheidung in Aufgaben- und Wissensträger wird dem Umstand Rechnung ge-<br />
tragen, dass für die Erfüllung einer bestimmten Aufgabe Aufgabenträger und Wissensträger<br />
auch unterschiedliche Personen sein können.
Bezugsrahmen zur Analyse und Gestaltung von Wissenssystemen 102<br />
Neben dem sozialen Subsystem muss in die Betrachtungen auch das technische<br />
Subsystem einbezogen werden. Das technische Subsystem als organisatorische<br />
Datenbasis bildet da<strong>mit</strong> neben der Handlungs- und der Wissensebene eine dritte<br />
Betrachtungsebene, die nachfolgend als Datenebene bezeichnet wird. Die Datene-<br />
bene wird aus technischen Elementen gebildet, die in der Lage sind Daten zu verarbeiten<br />
bzw. zu speichern.<br />
Der Vollständigkeit halber sei festgestellt, dass die technische Infrastruktur einer<br />
Unternehmung, wie das bspw. bei Produktionsmaschinen der Fall ist, auch zur Un-<br />
terstützung von Handlungen eines Individuums dienen kann. Diese Eigenschaft bzw.<br />
Funktion scheint für die Zielsetzung dieser Arbeit nicht von Bedeutung zu sein und<br />
wird daher für die weiteren Betrachtungen vernachlässigt.<br />
Handlungsebene<br />
Anwenden<br />
Wissensebene<br />
Information<br />
Datenebene<br />
Wissensgebiete<br />
Lernen<br />
Soziales Subsystem<br />
Dokumentation<br />
Technisches Subsystem<br />
Abbildung 4-14: Bezugsrahmen zur Analyse und Gestaltung von Wissenssystemen<br />
(Willfort, R.; u.a.) 156<br />
¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯<br />
156 Vgl. Willfort, R.; Sammer, M.; Hartlieb, E.; Bornemann, M.; Tuppinger, J.: <strong>Wissensmanagement</strong><br />
Grundlagen, in: Vortragsreihe des <strong>Wissensmanagement</strong> Forum Graz, URL:<br />
http://wissensmanagement.tu-graz.ac.at/wissensmanagement/events/04111999/GL-WMForum.pdf<br />
[Stand 08.09.2000]
Bezugsrahmen zur Analyse und Gestaltung von Wissenssystemen 103<br />
Alle drei beschriebenen Ebenen werden durch Beziehungen <strong>mit</strong>einander verknüpft.<br />
Für den weiteren Ausbau des Bezugsrahmens (vgl. Abbildung 4-14) werden daher<br />
die Überlegungen, die bereits für die Beziehungen im technischen und im sozialen<br />
Subsystem angestellt wurden, auf die Ebene der Organisation transformiert. Dabei<br />
sind die folgenden Prozesse von besonderer Bedeutung:<br />
? Wissen anwenden<br />
? Wissen aufbauen bzw. Lernen<br />
? Prozess der Information<br />
? Prozess der Dokumentation<br />
Nachfolgend werden diese Prozesse und der Bezug zu den einzelnen Ebenen des<br />
Bezugsrahmens im Detail beschrieben:<br />
4.5.1 Die Wissensebene<br />
Mit der Wissensebene wird in dieser Arbeit das „Gedächtnis“ einer Organisation be-<br />
schrieben. Wissen, das in der Wissensebene zur Verfügung steht, wird für die Be-<br />
wältigung der Aufgaben einer Organisation in der Handlungsebene angewendet. Da-<br />
her verbindet der Prozess „Anwenden“ die Wissensebene <strong>mit</strong> der Handlungsebene.<br />
Der Mensch agiert in der Wissensebene als Wissensträger, der durch sein Wissen<br />
selbst in der Lage ist Handlungen alleine oder im Team auszuführen und da<strong>mit</strong> Aufgaben<br />
zu lösen.<br />
Innerhalb der Wissensebene wird Wissen durch Kommunikation zwischen Individuen<br />
bzw. Wissensträgern transferiert. Durch die Vernetzung von Wissensträgern bzw.<br />
durch Kommunikation wird aber auch neues Wissen für die Organisation generiert.<br />
Innerhalb der Wissensebene kann auch der Begriff „Wissensgebiet“ definiert werden.<br />
Unter einem Wissensgebiet werden thematisch zusammenhängende Wissensanteile<br />
verstanden.<br />
Das Thema bzw. die Einteilung von Wissensgebieten kann auf allgemein anerkannte<br />
Kategorien, wie z.B. Mathematik oder Physik zurückgeführt werden. Wissensgebiete<br />
in Unternehmungen können oft auf die funktionale Struktur, wie z.B. Logistik, Rech-<br />
nungswesen, oder EDV zurückgeführt werden. Je nach Organisationsform können<br />
Wissensgebiete in Unternehmungen aber auch über mehrere Standorten verteilt<br />
sein.<br />
Als weitere Möglichkeit der Strukturierung von Wissensgebieten kann auch die Art<br />
der unternehmerischen Tätigkeit, wie z.B. Materialbehandlung, Lackieren oder Pro-
Bezugsrahmen zur Analyse und Gestaltung von Wissenssystemen 104<br />
grammierung gesehen werden. Auf jeden Fall werden unterschiedliche Wissensge-<br />
biete einer Organisation durch Vernetzung von Wissensträgern in der Wissensebene<br />
repräsentiert (vgl. Abbildung 4-15).<br />
Vernetzung<br />
Abbildung 4-15: Entstehung von Wissensgebieten<br />
Wissensgebiet A<br />
Wissensgebiet B<br />
Die Pflege und der Ausbau von Wissensgebieten in Unternehmungen ist da<strong>mit</strong> ei-<br />
nerseits von individuellen Lernprozessen, andererseits aber auch von der Abstim-<br />
mung und Vernetzung zwischen den einzelnen Wissensträgern eines Wissensge-<br />
bietes abhängig. In der Gesamtheit kann da<strong>mit</strong> der Begriff des kollektiven Lernens<br />
beschrieben werden. Wissensträger eines Wissensgebietes müssen dazu konsensuelle<br />
Bereiche ausbilden, die als Voraussetzung für die Vernetzung zu sehen sind.<br />
4.5.2 Die Handlungsebene<br />
Wissen kann wertschöpfend, aber auch wertvernichtend sein. Seinen tatsächlichen<br />
Wert entfaltet Wissen erst in der Ausführung von Handlungen. Durch die hier gebil-<br />
dete organisationale Handlungsebene wird das Handlungsspektrum einer Organisa-<br />
tion für die Bewältigung ihrer Aufgaben beschrieben. Diese Handlungen werden<br />
durch die Wissensebene gesteuert, indem das Motorium eines Individuums aktiviert<br />
wird. Handlungen, die bewusst ausgeführt werden - und nur solche sind Gegenstand<br />
der hier angestellten Betrachtungen - werden daher erst durch das entsprechende<br />
Wissen ermöglicht.<br />
Bei der Lösung von Aufgaben wird Wissen bzw. werden Erfahrungen aufgebaut und<br />
da<strong>mit</strong> neue Erkenntnisse für zukünftige Handlungen erlernt. Diese Überlegung knüpft<br />
an die Rückkopplung zwischen Motorium und Sensorium eines Individuums, wie sie
Bezugsrahmen zur Analyse und Gestaltung von Wissenssystemen 105<br />
in Abschnitt 3.4 beschrieben wurde, an. Handlungen in einer Organisation sind in der<br />
Regel dazu da Teilaufgaben eines Gesamtprozesses zu bearbeiten. Innerhalb dieser<br />
Prozesse arbeiten unterschiedliche Aufgabenträger in ihrer jeweiligen speziellen<br />
Funktion zusammen. Da<strong>mit</strong> können Lernprozesse, die auf Handlungen beruhen, auf<br />
organisationaler Ebene folgende Wirkungen haben:<br />
1) Nur das ausführende, handelnde Individuum lernt<br />
2) Handlungen werden im Team ausgeführt und rufen da<strong>mit</strong> Lernprozesse bei mehreren<br />
Mitgliedern eines Teams hervor<br />
Unabhängig davon wird für die weitere Gestaltung des Bezugsrahmens die Hand-<br />
lungsebene <strong>mit</strong> der Wissensebene über den Prozess „Lernen“ verknüpft. Dieser<br />
Kreislauf Wissen anwenden - Wissen durch Handlungen aufbauen bzw. erlernen,<br />
wird rekursiv durchlaufen. Da<strong>mit</strong> ist gemeint, dass jeder neue Zyklus, der durchlaufen<br />
wird, auf die Ergebnisse bzw. Erkenntnisse des letzten Zyklus aufbaut. Durch diesen<br />
dynamischen Prozess bedingt, unterliegt die Wissensebene einem ständigen Änderungsprozess.<br />
4.5.3 Die Datenebene<br />
Die Datenebene wird einerseits durch Teile von Ressourcen des technischen Subsy-<br />
stems gebildet, die in der Lage sind Daten zu verarbeiten. Andererseits zählen alle<br />
Dokumente zur Datenebene einer Organisation und zwar unabhängig davon, ob die-<br />
se handschriftlich oder elektronisch angefertigt wurden. Durch die Generierung und<br />
Aufzeichnung von Daten wird das „organisatorische Gedächtnis“ unterstützt. Dies<br />
drückt sich vor allem in der Dokumentation von unternehmensrelevanten Daten aus,<br />
die es anderen Wissensträgern ermöglicht zeitlich entkoppelt im Informationsprozess<br />
wieder Wissen aufzubauen. Auch der dokumentierende Wissensträger kann anhand<br />
der aufgezeichneten Daten den Zugang zu seinem Wissen im Langzeitgedächtnis<br />
sicherstellen.<br />
Daher ist die Datenebene <strong>mit</strong> dem sozialen Subsystem über die Prozesse Doku-<br />
mentation und Information verknüpft. Im Prozess der Dokumentation werden Daten<br />
erzeugt und bei Bedarf gespeichert. Im Prozess der Information werden Daten vom<br />
Individuum in der Form von Signalen aufgenommen und da<strong>mit</strong> Wissen generiert. Da<br />
Daten innerhalb der vernetzten, technischen Infrastruktur auch leicht vervielfältigt<br />
werden können, wird dadurch auch die Verteilung von Daten an Aufgaben- bzw.<br />
Wissensträger ermöglicht. Weiters wird über die Ressourcen der Datenebene auch<br />
die Telekommunikation zwischen Wissensträgern ermöglicht.
Bezugsrahmen zur Analyse und Gestaltung von Wissenssystemen 106<br />
4.5.4 Kognitive Prozesse in der organisatorischen Wissensbasis<br />
Im Analogieschluss zu den kognitiven Prozessen des menschlichen Gehirns können<br />
da<strong>mit</strong> auch der organisatorischen Wissensbasis alle kognitiven Fähigkeiten des Individuums<br />
wie<br />
? die Fähigkeit wahrzunehmen (Auswirkungen von Handlungen zu registrieren),<br />
? die Fähigkeit aufzunehmen (Wissen in der Wissensebene zu speichern),<br />
? die Fähigkeit Schlüsse zu ziehen (Wissen zu verknüpfen, bzw. aus Handlungen in<br />
der Handlungsebene zu lernen),<br />
? Die Fähigkeit sich zu erinnern (Wissen durch Unterstützung aus der Datenebene<br />
wieder abzurufen),<br />
? Die Fähigkeit Handlungen zu steuern (Wissen in der Handlungsebene anzuwen-<br />
den)<br />
zugeordnet werden.<br />
In Ergänzung zur Definition von <strong>Wissensmanagement</strong> im Kapitel 2, kann nun Wis-<br />
sensmanagement zusammengefasst als das Management von Wissenssystemen<br />
interpretiert werden. Der hier erarbeitete Bezugsrahmen bietet die Möglichkeit einer<br />
differenzierten Gestaltung und Entwicklung von Wissenssystemen.<br />
4.6 Zusammenfassende Konklusionen<br />
Im vorliegenden Kapitel wurden ausgehend von neurophysiologischen und sy-<br />
stemtheoretischen Grundlagen über die biologische und konstruktivistische Erkennt-<br />
nistheorie ein Bezugsrahmen zur Analyse und Gestaltung von Wissenssystemen<br />
aufgebaut.<br />
Dazu wird ein Wissenssystem als soziotechnisches System betrachtet, in dem Men-<br />
schen und technische Einrichtungen als Systemelemente zueinander in Beziehung<br />
stehen. Organisationen als soziotechnische Systeme können wiederum in soziale<br />
und technische Subsysteme unterteilt werden. Der Mensch als Wissensträger steht<br />
im Mittelpunkt der Betrachtungen im sozialen Subsystem. Aus der Sichtweise der<br />
biologischen und der konstruktivistischen Erkenntnistheorie erscheint der Mensch als<br />
autopoietisches, operational geschlossenes System, dessen Input/Output-Beziehung<br />
einer nicht-trivialen Maschine entspricht.<br />
Dies führt zu einer differenzierten Betrachtung der Möglichkeiten, Wissen von einem<br />
Wissensträger zu einem anderen zu übertragen bzw. in der Organisation zu lernen.
Bezugsrahmen zur Analyse und Gestaltung von Wissenssystemen 107<br />
Dazu wird auch die Rolle des sozialen und des technischen Subsystems bis auf die<br />
Ebene der Signalübertragung hinterfragt. Diese detaillierte Darstellung der Bezie-<br />
hungen im soziotechnischen System wird als Basis für eine Abstrahierung in die or-<br />
ganisationale Dimension herangezogen. Die Erkenntnisse aus dieser Analyse fließen<br />
schließlich in die Gestaltung des Bezugsrahmens ein.<br />
Die Struktur des Bezugsrahmens unterscheidet drei elementare Gestaltungsfelder,<br />
die durch die Wissensebene, die Handlungsebene und die Datenebene gebildet<br />
werden. Die Ebenenstruktur ist den Grundfunktionen einzelner Systemelemente im<br />
soziotechnischen System nachempfunden. Dabei werden durch die Wissens- und<br />
Handlungsebene das soziale Subsystem und durch die Datenebene das technische<br />
Subsystem einer Organisation nachgebildet.<br />
Die einzelnen Ebenen des Bezugsrahmens werden durch die Prozesse „Lernen“,<br />
„Wissen Anwenden“, „Dokumentation“ und „Information“ verbunden. Den Elementen<br />
im sozialen Subsystem wird in der Handlungsebene die Rolle des Aufgabenträgers<br />
und in der Wissensebene die Rolle des Wissensträgers zugeordnet. Die Datenebene<br />
dient zur Unterstützung der Aufgaben- und Wissensträger durch die Verarbeitung,<br />
Speicherung und Verteilung von unternehmensrelevanten Daten.<br />
Durch die Beziehungen zwischen den einzelnen Ebenen und durch Vernetzung der<br />
Systemelemente innerhalb der jeweiligen Ebene können folgende Möglichkeiten der<br />
Gestaltung von Wissenssystemen differenziert werden:<br />
? Gestaltung des Prozesses der Information<br />
? Gestaltung des Prozess der Dokumentation<br />
? Gestaltung des Prozesses „Wissen anwenden“<br />
? Gestaltung des Prozesses „Wissen aufbauen bzw. Lernen“<br />
? Gestaltung des Wissenstransfers zwischen Wissensträgern in der Wissensebene<br />
? Gestaltung der Zusammenarbeit von Aufgabenträgern in der Handlungsebene<br />
? Gestaltung der Datentransfers in der Datenebene<br />
Mit dieser Auflistung von Ansatzpunkten werden die wesentlichen Gestaltungsfelder<br />
des Bezugsrahmens umrissen. Die Details der Gestaltung können aus den beschrie-<br />
benen Eigenschaften und Zusammenhängen der einzelnen Elemente im Bezugs-<br />
rahmen abgeleitet werden. Darauf wird im Kapitel 6 anhand der Gestaltung eines<br />
IDL-Transfers gesondert eingegangen.
Bezugsrahmen zur Analyse und Gestaltung von Wissenssystemen 108<br />
Im nächsten Schritt wird der Rahmen der Betrachtungen auf die Zusammenarbeit<br />
zwischen Unternehmungen erweitert. Die Vernetzung von zwei oder mehreren Un-<br />
ternehmungen kann <strong>mit</strong> Hilfe des Bezugsrahmens differenziert betrachtet werden.<br />
Dazu wird jeder Unternehmung ein eigener Bezugsrahmen zugrundegelegt. Für den<br />
Transfer von <strong>Innovation</strong>sdienstleistungen können daraus weitere Erkenntnisse und<br />
Möglichkeiten der IDL-Kategorisierung abgeleitet werden.
Die Stärkung der <strong>Innovation</strong>sfähigkeit durch <strong>Innovation</strong>sdienstleistungen 109<br />
5 Die Stärkung der <strong>Innovation</strong>sfähigkeit<br />
durch <strong>Innovation</strong>sdienstleistungen<br />
In diesem Kapitel soll der Ansatz der <strong>Innovation</strong>sdienstleistung (IDL) anhand des<br />
Bezugsrahmens des vorigen Kapitels untersucht werden. Der Zugang zum Begriff<br />
der <strong>Innovation</strong>sdienstleistung kann über die ressourcenbasierten strategischen Pla-<br />
nung gefunden werden. Dabei geht es darum, interne aber auch externe Ressourcen<br />
gezielt zur Generierung von Kernfähigkeiten bzw. „Kernkompetenzen“ einzusetzen.<br />
Darin kann eine Möglichkeit gesehen werden, der Eingangs beschriebenen Dynamik<br />
im unternehmerischen Umfeld wirkungsvoll zu begegnen.<br />
Die Konzentration auf Kernkompetenzen kann als logische Reaktion auf die zuneh-<br />
mende <strong>Innovation</strong>sdynamik gesehen werden. Man versucht die Intensität des Wett-<br />
bewerbs dadurch zu verringern, indem man den Fokus der unternehmerischen Akti-<br />
vitäten aus dem Markt um Endprodukte und Dienstleistungen in Bereiche verlagert,<br />
die eine höhere Konstanz aufweisen. Der Wettbewerb verlagert sich daher zuneh-<br />
mend auf den Wettbewerb um Kompetenzen, der auf vier unterschiedlichen Ebenen<br />
(vgl. Abbildung 5-1) stattfindet.<br />
Ebene 4<br />
Wettbewerb um Maximierung<br />
des Endproduktanteils<br />
(eigene Marke + OEM)<br />
Ebene 3<br />
Ebene 2<br />
Wettbewerb um Maximierung<br />
des Kernproduktanteils<br />
Wettbewerb um Aufbau<br />
von Kernkompetenzen<br />
Ebene 1<br />
Wettbewerb um Entwicklung und<br />
Aneignung grundlegender Fähigkeiten<br />
und Technologien<br />
Abbildung 5-1: Wettbewerb um Kompetenz (Hamel, G.; Prahalad, C.K.) 157<br />
¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯<br />
157 Vgl. Hamel, G.; Prahalad, C.K.: Competing for the future, Boston 1994, S. 234
Die Stärkung der <strong>Innovation</strong>sfähigkeit durch <strong>Innovation</strong>sdienstleistungen 110<br />
In Ebene 1 geht es darum sich die grundlegenden Fähigkeiten und Technologien<br />
anzueignen, die eine bestimmte Kernkompetenz ausmachen. In Ebene 2 findet der<br />
Wettbewerb um die Transformation von Fähigkeiten, Technologien und Wissen in<br />
Kompetenzen statt. Ebene 3 kann als Vorstufe für das Endprodukt oder die Dienst-<br />
leistungen gesehen werden. In dieser Ebene geht es darum „Kernprodukte“ oder im<br />
Falle von Dienstleistungen „Kernplattformen“ zu bilden, die in mehreren Endproduk-<br />
ten verwendbar sind. Kernprodukte können auch auf OEM-Basis an Konkurrenten<br />
verkauft werden und sichern da<strong>mit</strong> quasi „virtuelle Marktanteile“. Der Wettbewerb um<br />
den Endproduktanteil am Markt auf Ebene 4 wird daher weitestgehend durch den<br />
Wettbewerb auf den Ebenen 1 bis 3 bestimmt.<br />
Da<strong>mit</strong> wird der Kernproduktanteil einer Unternehmung am Markt in der Regel größer<br />
sein als der Marktanteil den er <strong>mit</strong> seinen Eigenmarken erzielt. Beispiele aus der<br />
Unterhaltungselektronik und Computerindustrie belegen diesen Trend eindrucksvoll.<br />
Auf diesen Märkten beliefern wenige Hersteller von spezifischen Komponenten<br />
(Kernprodukte) eine große Bandbreite an Hersteller bzw. „Assemblierer“ von End-<br />
produkten in unterschiedlichen Geschäftsfeldern (vgl. Abbildung 5-2). Dieser Trend<br />
macht die hohe Relevanz des Aufbaus von einzigartigen Kompetenzen für Unternehmungen<br />
deutlich.<br />
In Abbildung 5-2 wird die Entstehung von Kernkompetenzen in einem hierarchischen<br />
Aufbau dargestellt. Auf unterster Ebene sind verschiedenste materielle und immate-<br />
rielle Ressourcen vorhanden. Besonders hervorzuheben sind wieder die Menschen<br />
als Aufgaben- und Wissensträger. Unterschiedliche Wissensgebiete werden durch<br />
Wissensträger repräsentiert. Alle weiteren Ressourcen in der Form „herkömmlicher“<br />
Produktionsfaktoren werden nicht weiter unterschieden.<br />
„Core competencies are the collective learning in the organization, especially how to<br />
coordinate diverse production skills and integrate multiple streams of technologies.“<br />
(Prahalad, C.K.; Hamel, G.) 158<br />
Nach Hamel/Prahalad entstehen Kernkompetenzen durch die Kombination von tech-<br />
nologisch-materiellen Ressourcen und durch organisationales Lernen. Anhand des<br />
Bezugsrahmens zur Analyse und Gestaltung von Wissenssystemen, kann eine<br />
Kernkompetenz als ausgezeichnete unternehmerische Handlungsfähigkeit gesehen<br />
werden, die in der Regel durch das Zusammenwirken von mehreren Aufgabenträ-<br />
gern geprägt ist. Das Wissen der unternehmerischen Wissensbasis und andere Res-<br />
¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯<br />
158 Prahalad, C.K.; Hamel, G.: The Core Competence of the Corporation, in: HBR, 68(1990)3, S. 82
Die Stärkung der <strong>Innovation</strong>sfähigkeit durch <strong>Innovation</strong>sdienstleistungen 111<br />
sourcen werden zu einer einzigartigen Kompetenz gebündelt. Kompetenz kann daher<br />
auch als die Fähigkeit, Wissen in Handlungen umzusetzen, gesehen werden.<br />
Halbwertszeit<br />
1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12<br />
GF 1 GF 2 GF 3 GF 4<br />
Kernprodukt 1<br />
KK 1<br />
PF 1 PF 2 WT 3 WT 4 PF 4<br />
WT 1 WT 2<br />
WG 1<br />
KK 2<br />
PF 3<br />
WT 5<br />
WG 2<br />
Kernprodukt 2<br />
KK 3 KK 4<br />
WT 6<br />
WG 3<br />
WT 7<br />
PF 5<br />
PF...Produktionsfaktor WG...Wissensgebiet WT...Wissensträger<br />
Abbildung 5-2: Hierarchie der Kompetenzentwicklung (Sammer, M.) 159<br />
WT 8<br />
Endprodukte bzw.<br />
-dienstleistungen<br />
Geschäftsfelder<br />
Kernprodukte bzw.<br />
-dienstleistungen<br />
Kernkompetenzen<br />
Produktionsfaktoren<br />
In der nächsten Stufe wird durch Kernkompetenzen die Erstellung von sogenannten<br />
Kernprodukten bzw. Kerndienstleistungen ermöglicht. Kernprodukte bzw. Kern-<br />
dienstleistungen haben das Potenzial unterschiedlicher Geschäftsfelder zu bedienen.<br />
Aus den Anforderungen der Kunden unterschiedlicher Geschäftsfelder werden<br />
schlussendlich Endprodukte bzw. Enddienstleistungen erstellt. Auf der linken Seite<br />
der Abbildung 5-2 wird die Halbwertszeit bzw. die Änderungsdynamik einer Stufe<br />
angedeutet.<br />
"A core competence is a bundle of skills and technologies that enables a company to<br />
provide a particular benefit to customer" (Hamel, G.; Prahalad, C.K.) 160<br />
Durch diese Sichtweise kann der Zusammenhang zwischen dem Absatzmarkt und<br />
Kernkompetenzen hergestellt werden. Eine Kernkompetenz kann da<strong>mit</strong> als Bündel<br />
von Fähigkeiten gesehen werden, die einer Unternehmung die Generierung eines<br />
besonderen Kundennutzens ermöglicht. Dieser besondere Nutzen wird vom Kunden<br />
in der Form von Produkten aber auch in der Form von Dienstleistungen wahrge-<br />
¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯<br />
159<br />
In Anlehnung an Sammer, M.: Wissensinduktion in Organisationen, Dissertation, Montanuniversität<br />
Leoben 1999, S. 74<br />
160<br />
Hamel, G.; Prahalad, C.K.: Competing for the future, Boston 1994, S. 219
Die Stärkung der <strong>Innovation</strong>sfähigkeit durch <strong>Innovation</strong>sdienstleistungen 112<br />
nommen. Da<strong>mit</strong> kann un<strong>mit</strong>telbar an das betriebliche <strong>Innovation</strong>smanagement ange-<br />
knüpft werden, das zum Ziel hat Veränderungsprozesse einzuleiten und neue Produkte<br />
und Dienstleistungen zu generieren.<br />
Im betrieblichen <strong>Innovation</strong>smanagement werden <strong>Innovation</strong>sprozesse in Unterneh-<br />
mungen gestaltet, gelenkt und entwickelt. Anhand des in Kapitel 2 vorgestellten Pha-<br />
senmodells können <strong>Innovation</strong>sprozesse in die Abschnitte Ideengenerierung, Ideen-<br />
akzeptierung und Ideenrealisierung unterteilt werden. Neben der Entwicklung neuer<br />
Produkte und Dienstleistungen hat das <strong>Innovation</strong>smanagement auch die Aufgabe<br />
organisatorische Veränderungen zu bewältigen.<br />
Auch im betrieblichen <strong>Innovation</strong>smanagement geht es zunehmend darum, knappe<br />
Ressourcen zur Erreichung der strategischen <strong>Innovation</strong>sziele optimal einzusetzen.<br />
Unter Ressourcen wurden früher die „Produktionsfaktoren“ Arbeit, Boden und Kapital<br />
verstanden. Durch die zunehmende Relevanz immaterieller Elemente hat sich heute<br />
eine neue Sichtweise etabliert, die Ressourcen in die Bereiche Realkapital, Hu-<br />
mankapital und organisatorisches Kapital einteilt. Die zunehmende <strong>Innovation</strong>sdy-<br />
namik drängt Unternehmungen in die Situation sich zu überlegen, welche Ressour-<br />
cen in der Unternehmung entwickelt und gepflegt werden und welche zugekauft werden<br />
können.<br />
Da in <strong>Innovation</strong>sprozessen vorwiegend immaterielle Ressourcen in der Form von<br />
Wissen eingesetzt werden, kommt dem <strong>Wissensmanagement</strong> im <strong>Innovation</strong>smana-<br />
gement eine besondere Bedeutung zu (Bogaschewsky, R.). 161 Wissen als Ressource<br />
betrachtet, hat die Eigenschaft, dass es in der Anwendung nicht verbraucht wird,<br />
sondern vermehrt wird. Dadurch, dass Wissen nicht einfach als „Paket“ transferierbar<br />
ist, wird es aber letztendlich doch zu einer knappen Ressource. Der Transfer bzw.<br />
der Aufbau von Wissen ist in der Regel <strong>mit</strong> großem Aufwand verbunden.<br />
Die vorliegende Arbeit baut auf der These auf, dass durch die Einbeziehung unter-<br />
nehmensexterner Ressourcen die unternehmerische <strong>Innovation</strong>sfähigkeit gesteigert<br />
werden kann. Im ressourcenorientierten <strong>Innovation</strong>smanagement wird durch die Ge-<br />
staltung der <strong>Innovation</strong>sprozesse auch der Aufbau von Kernkompetenzen beein-<br />
flusst. Die Kompetenz die <strong>mit</strong> dem Management von internen und externen Ressour-<br />
cen als Grundlage zur Generierung von Kernkompetenzen verbunden ist, kann als<br />
eine Art „Meta-Kernkompetenz“ gesehen werden. In dieser Arbeit soll vor allem auf<br />
¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯<br />
161 Vgl. Bogaschewsky, R.: Wissensorientiertes Management als Kern eines <strong>Innovation</strong>smanagements,<br />
in: Tintelnot, C.; Meißner, D.; Steinmeier, I. (Hrsg.): <strong>Innovation</strong>smanagement, Berlin 1999,<br />
S. 89
Die Stärkung der <strong>Innovation</strong>sfähigkeit durch <strong>Innovation</strong>sdienstleistungen 113<br />
die Einbindung externer Ressourcen in das betriebliche <strong>Innovation</strong>smanagement<br />
eingegangen werden.<br />
Die Einbindung externer Ressourcen wird in der einschlägigen Literatur <strong>mit</strong> dem aus<br />
dem amerikanischen Wirtschaftsleben stammenden Schlagwort „Outsourcing“, das<br />
auf „Outside Resource Using“ (Köhler-Frost, W.) 162 zurückgeführt werden kann, in<br />
Verbindung gebracht. Der Begriff Outsourcing impliziert nicht, dass die extern bezo-<br />
gene Leistung zuvor im Unternehmen existent war. Daher ist Outsourcing nicht nur<br />
auf das „Auslagern“ von Leistungen beschränkt.<br />
Der Fokus bisheriger Outsourcing-Aktivitäten lag vorrangig auf wenig wissensintensi-<br />
ven Prozessen bzw. Funktionen. In den letzten Jahren wurden aber auch zahlreiche<br />
Aktivitäten gestartet, den Bereich „Informationsverarbeitung“ einer Unternehmung<br />
<strong>mit</strong>tels Outsourcing aus dem Fixkostenblock zu entfernen. Da<strong>mit</strong> wurde erstmals ein<br />
Weg beschritten, eine heute nicht unwesentliche Kompetenz an einen externen<br />
Dienstleister zu vergeben. Im <strong>Innovation</strong>smanagement werden externe Kapazitäten<br />
bislang vorrangig im technologischen Umfeld der Unternehmung genutzt.<br />
Der hier vertretene Ansatz geht aber darüber hinaus und beschreibt die Möglichkei-<br />
ten der Nutzung von externen Leistungspotenzialen innerhalb des gesamten Innova-<br />
tionsprozesses. Dieser Prozess geht z.B. bei einer Produktinnovation von der Ideen-<br />
generierung bis zur erfolgreichen Markteinführung. Der technologische Aspekt, als<br />
wichtiger Teilbereich des betrieblichen <strong>Innovation</strong>smanagements, bildet nur einen<br />
Bruchteil der Möglichkeiten, externe Kapazitäten in <strong>Innovation</strong>saktivitäten einer Unternehmung<br />
einzubeziehen.<br />
Ausgehend von der Idee, Leistungen, die nicht zum Unternehmungskern gehören,<br />
vom Markt zu beziehen, erscheint das Auslagern von Teilen des betrieblichen Inno-<br />
vationsmanagements vorerst als eher kritische Maßnahme. In den nachfolgenden<br />
Ausführungen sollen daher Chancen und Gefahren, aber vor allem die Möglichkeiten<br />
des effektiven Outsourcing im betrieblichen <strong>Innovation</strong>smanagement erläutert wer-<br />
den. Der im Kapitel 4 erarbeitete Bezugsrahmen zur Analyse und Gestaltung von<br />
Wissenssystemen bildet die Basis für den wissensbasierten Zugang.<br />
¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯<br />
162 Vgl. Köhler-Frost, W.: Outsourcing - Eine strategische Allianz besonderen Typs, 2. Auflage, Berlin<br />
1995, S. 13
Die Stärkung der <strong>Innovation</strong>sfähigkeit durch <strong>Innovation</strong>sdienstleistungen 114<br />
5.1 Ressourcenorientiertes <strong>Innovation</strong>smanagement<br />
Die in Abschnitt 1.2 auszugsweise vorgestellte Marktstudie hat begründete Hinweise<br />
für die steigende Relevanz der Nutzung externer Ressourcen im <strong>Innovation</strong>smana-<br />
gement geliefert. Aus den Ergebnissen dieser Erhebung können grundsätzlich fol-<br />
gende Motive für die Einbeziehung externer Ressourcen in unternehmerische <strong>Innovation</strong>sprozesse<br />
abgeleitet werden:<br />
? Zukauf von <strong>Innovation</strong>sdienstleistungen bei Wissensgebieten, die aus zeitlichen<br />
und wirtschaftlichen Aspekten von Unternehmungen selbst nicht abdeckbar sind.<br />
? Zukauf von <strong>Innovation</strong>sdienstleistungen in Wissensgebieten bei denen aus stra-<br />
tegischen Überlegungen ein Wissensentwicklung im eigenen Haus nicht sinnvoll<br />
ist.<br />
? Aufbau und Weiterentwicklung von Wissensgebieten durch die enge Zusammen-<br />
arbeit <strong>mit</strong> externen Wissensträgern.<br />
? Erweiterung bzw. Ergänzung der personellen Kapazitäten bei <strong>Innovation</strong>sprojek-<br />
ten.<br />
IDL-<br />
Nachfrager<br />
IDL-<br />
Nachfrager<br />
IDL-Outsourcing<br />
IDL-Insourcing<br />
IDL-<br />
Anbieter<br />
IDL-<br />
Anbieter<br />
Abbildung 5-3: <strong>Innovation</strong>sdienstleistungen zwischen Insourcing und Outsourcing<br />
Anhand dieser Aufstellung können zwei wesentliche Aspekte für die Nutzung von<br />
<strong>Innovation</strong>sdienstleistungen beschrieben werden (vgl. Abbildung 5-3). Es geht einer-<br />
seits um das Outsourcing von Aktivitäten, die nicht zu den Kern-Wissensgebieten der<br />
Unternehmung gehören und daher als abgestimmtes Leistungspaket zugekauft wer-<br />
den. Das können neben Routinetätigkeiten auch sehr spezifische Aufgaben sein, die<br />
nur von entsprechenden Experten bzw. Wissensträgern gelöst werden können.
Die Stärkung der <strong>Innovation</strong>sfähigkeit durch <strong>Innovation</strong>sdienstleistungen 115<br />
Durch das Outsourcing wird die Handlungsfähigkeit der Unternehmung durch externe<br />
Kapazitäten erweitert bzw. falls diese Aufgaben zuvor von der Unternehmung selbst<br />
ausgeführt wurden, werden dadurch Kapazitäten in der Unternehmung frei.<br />
Auf der anderen Seite geht es darum <strong>mit</strong> Hilfe von externen Partnern die für die Un-<br />
ternehmung relevanten Wissensgebiete aufzubauen bzw. zu weiterzuentwickeln.<br />
Diese Art von Aktivitäten soll nachfolgend als Insourcing bezeichnet werden. Da-<br />
durch werden zusätzliche Kapazitäten in die Unternehmung geholt. Durch den Cha-<br />
rakter der Dienstleistung bedingt, verliert der IDL-Anbieter dadurch, außer der zur<br />
Leistungserstellung benötigten Zeit, keine Ressourcen an den IDL-Nachfrager. Auf<br />
weitere mögliche Effekte eines IDL-Transfers soll später eingegangen werden.<br />
5.1.1 Motivation für Outsourcing im <strong>Innovation</strong>smanagement<br />
Die Nutzung externer Ressourcen steht im Vordergrund aller Outsourcing-Aktivitäten.<br />
Bisherige Motive Outsourcing zu betreiben waren vor allem kostenorientiert. Mit zu-<br />
nehmender Komplexität des betrieblichen Umfeldes kommen neue Aspekte hinzu.<br />
<strong>Wissensmanagement</strong> und der Aufbau von Kernkompetenzen stellt einen Aspekt in<br />
den Vordergrund, bei dem die Kostenfrage nur mehr eine sekundäre Rolle spielt. Die<br />
Einbeziehung externer Ressourcen aus der Wissensperspektive kann durch folgende<br />
Fragestellung auf den Punkt gebracht werden:<br />
Wie kann man das Wissen externer Partner für unternehmungsinterne <strong>Innovation</strong>sprozesse<br />
nutzen, ohne es selbst in der Unternehmung aufbauen zu müssen?<br />
Diese Fragestellung steht im Mittelpunkt der Überlegungen zum Transfer von Inno-<br />
vationsdienstleistungen. Der im Kapitel 4 entwickelte Bezugsrahmen zur Analyse und<br />
Gestaltung von Wissenssystemen wird in den weiteren Ausführungen zur Beschrei-<br />
bung unterschiedlicher Transferbedingungen eingesetzt. Ausgehend von der obigen<br />
Fragestellung können <strong>mit</strong> dem Outsourcing bzw. „Outside Resource Using“ bei <strong>Innovation</strong>saktivitäten<br />
in Unternehmungen folgende Ziele erreicht werden:<br />
? Erweiterung der organisatorischen Handlungsbasis für <strong>Innovation</strong>en<br />
? Bereitstellung von innovationsrelevanten Wissensgebieten durch externe Partner<br />
? Nutzung der Kernkompetenzen externer Anbietern in <strong>Innovation</strong>sprozessen<br />
? Erweiterung der genetischen Vielfalt der Organisation für die Ideenfindung<br />
<strong>Innovation</strong> bedeutet Veränderung bzw. Ersetzen des Bestehenden durch etwas<br />
Neues. Da<strong>mit</strong> sind <strong>Innovation</strong>sprozesse von der Aufgabenstellung her verschieden<br />
von Routinetätigkeiten, wo es vorrangig um die Sicherung gleichbleibender Produkt-<br />
und Prozess bzw. Dienstleistungsqualität geht. Zur Verbesserung der <strong>Innovation</strong>sfä-
Die Stärkung der <strong>Innovation</strong>sfähigkeit durch <strong>Innovation</strong>sdienstleistungen 116<br />
higkeit einer Organisation kann die Einbeziehung externer Ressourcen erheblich<br />
beitragen. Dabei kann vor allem die Erweiterung der organisatorischen Wissens- und<br />
Handlungsbasis als wichtiger Punkt hervorgehoben werden. Folgende Analogie zu<br />
biologischen Systemen verdeutlicht dies:<br />
Die langfristige Gesundheit und Überlebensfähigkeit einer Art von Organismen hängt<br />
in der Biologie von einem Mindestmaß an genetischer Vielfalt ab. Sieht man Unter-<br />
nehmungen als organische Gebilde bzw. soziotechnische Systeme, deren Elemente<br />
die genetische Vielfalt ausmachen, so kann vor allem im industriellen Bereich ein<br />
Mangel an „genetischer Vielfalt“ festgestellt werden (Hamel, G.; Prahalad, C.K.). 163<br />
Daraus könnte man ableiten, dass eine hohe <strong>Innovation</strong>sfähigkeit einen Beitrag zur<br />
langfristigen Überlebensfähigkeit leistet.<br />
Der Mangel an „genetischer Vielfalt“ einer Unternehmung kann von einer einseitigen<br />
Personalpolitik her rühren, kann aber auch durch die fehlende Vernetzung zu exter-<br />
nen Wissenspotenzialen bedingt sein. In Unternehmungen, wo Mitarbeiter die Kar-<br />
riereleiter langsam hochklettern, kann dies zwar für die Sicherung des bestehenden<br />
Wissens große Vorteile haben, für die <strong>Innovation</strong>sfähigkeit der Unternehmung kön-<br />
nen dadurch aber auch Nachteile entstehen, da es den Menschen <strong>mit</strong>telfristig immer<br />
schwerer fällt „eingefahrene Geleise“ zu verlassen.<br />
Der wesentliche Punkt für die erfolgreiche Einbindung externer Ressourcen in Inno-<br />
vationsprozesse ist wiederum ein gemeinsames Mindest-Kontextwissen, das den<br />
Beginn einer Kommunikations-Beziehung überhaupt möglich macht. Durch die Be-<br />
achtung dieses Umstandes können viele Fehler und Leerläufe in der Gestaltung der<br />
Kooperationsbeziehung vermieden werden. Da sich beim Outsourcing nur der An-<br />
bieter um die Pflege und Weiterentwicklung des von ihm angebotenen Wissens<br />
kümmert, ist auf die Abstimmung und Gestaltung der Kooperationsbeziehung besonders<br />
Augenmerk zu legen.<br />
5.1.2 Motivation für Insourcing im <strong>Innovation</strong>smanagement<br />
Übersetzt man Insourcing <strong>mit</strong> „Inside Resource Using“, dann kann da<strong>mit</strong> der Aufbau<br />
von Kompetenzen in Unternehmungen beschrieben werden. Der Kernkompetenz-<br />
Ansatz im strategischen Management erscheint daher im Zusammenhang <strong>mit</strong> der<br />
Einbeziehung externer Ressourcen in <strong>Innovation</strong>saktivitäten von Unternehmungen<br />
von besonderer Relevanz.<br />
¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯<br />
163 Vgl. Hamel, G.; Prahalad, C.K.: Competing for the future, Boston 1994, S. 57
Die Stärkung der <strong>Innovation</strong>sfähigkeit durch <strong>Innovation</strong>sdienstleistungen 117<br />
Beim Insourcing geht es vorwiegend darum, die eigenen Fähigkeiten auszuloten, in<br />
Relation zu Anforderungen zu bringen und entsprechend weiterzuentwickeln. Inno-<br />
vationsprozesse sollen dazu beitragen, die strategischen Ziele der Unternehmung zu<br />
erfüllen. Daher steht der Blick in die <strong>mit</strong>tel- bis langfristige Zukunft der Unternehmung<br />
im Mittelpunkt der <strong>Innovation</strong>saktivitäten. Durch die Identifikation und Weiterentwick-<br />
lung von Kernkompetenzen wird daher auch die strategische Ausrichtung der <strong>Innovation</strong>saktivitäten<br />
für die Unternehmung <strong>mit</strong>bestimmt.<br />
Mit Insourcing-Aktivitäten können folgende Ziele verbunden sein:<br />
? Identifikation und Entwicklung der eigenen Kern-Wissensgebiete<br />
? Wissensentwicklung in enger Zusammenarbeit <strong>mit</strong> IDL-Anbietern<br />
? Aneignung von Kompetenzen der IDL-Anbieter<br />
Durch Insourcing-Aktivitäten werden organisationale Lernprozesse zur Entwicklung<br />
von Kernkompetenzen unterstützt. Da<strong>mit</strong> diese Lernprozesse effizient ablaufen kön-<br />
nen, ist eine entsprechende Koppelung der beteiligten Wissensträger notwendig. Auf<br />
die Gestaltung der Kooperationsbeziehung soll in einem eigenen Anschnitt eingegangen<br />
werden.<br />
5.2 Der <strong>Innovation</strong>sdienstleistungs-Ansatz<br />
Die Zusammenarbeit zwischen Wissensträgern unterschiedlicher Unternehmungen<br />
kann viele verschiede Ausprägungen zwischen den Extremausprägungen Markt und<br />
Hierarchie einnehmen. Während in der Hierarchie einer Unternehmung die Weisung<br />
die dominante Größe ist, kann als wesentliche Bestimmungsgröße am Markt der<br />
Preis genannt werden. Nachfolgend sollen einige Möglichkeiten der Einbeziehung<br />
externer Ressourcen aufgelistet und erläutert werden (Wohinz, J.W.; Willfort, R.): 164<br />
? Akquisition: Durch die vollständige Übernahme einer Unternehmung erwirbt man<br />
dessen gesamtes <strong>Innovation</strong>spotenzial<br />
? Joint venture: Mindestens zwei Partner gründen eine gemeinsame Unternehmung<br />
und bringen Ressourcen (Finanz<strong>mit</strong>tel, Personal, Wissen) ein. Da<strong>mit</strong> steht ein<br />
größeres <strong>Innovation</strong>spotenzial zur Verfügung als das für die jeweilige Einzelun-<br />
ternehmung erreichbar wäre<br />
¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯<br />
164 Vgl. Wohinz, J.W.; Willfort, R.: <strong>Innovation</strong>sdienstleistungen - Ein Outsourcing-Ansatz im <strong>Innovation</strong>sprozess,<br />
in: Seicht, G. (Hrsg.): JdR 2000, Wien 2000, S. 387f
Die Stärkung der <strong>Innovation</strong>sfähigkeit durch <strong>Innovation</strong>sdienstleistungen 118<br />
? Lizenznahme: Der Erwerb einer Lizenz ermöglicht die Nutzung einer patentrechtlich<br />
geschützten Erfindung gegen Entrichtung einer Lizenzgebühr.<br />
? Gemeinschaftsforschung: Mindestens zwei Partner unterhalten gemeinschaftlich<br />
Forschungs- und Entwicklungseinheiten<br />
? Auftragsforschung: Forschungs- und Entwicklungsaufgaben werden an Fremdfirmen<br />
vergeben<br />
Die Möglichkeiten der Einbindung externer Leistungspotenziale ist, wie man in obiger<br />
Aufzählung sehen kann, vielfältig. Gerade der zuletzt erwähnte Fall kann, in einer<br />
verallgemeinerten Form, als Basis für die Idee der <strong>Innovation</strong>sdienstleistung gesehen<br />
werden.<br />
<strong>Innovation</strong>sdienstleistungen als spezifische Form der Kooperation im betrieblichen<br />
<strong>Innovation</strong>smanagement<br />
Angebot und Nachfrage von Dienstleistungen werden vom Markt bestimmt. Wie beim<br />
Transfer von Dienstleistungen allgemein üblich, folgt daraus, dass sowohl Anbieter<br />
als auch Nachfrager von IDL in der Kooperationsbeziehung die eigene Rechtsper-<br />
sönlichkeit aufrecht erhalten. Versteht man <strong>Innovation</strong> als wirtschaftliche Notwendig-<br />
keit, so wird aber speziell beim Outsourcing von Leistungen die wirtschaftliche Selbständigkeit<br />
der Unternehmung teilweise aufgegeben.<br />
Eine Dienstleistung wird vom Nachfrager am entsprechenden Markt zugekauft. Es<br />
gibt daher eine klare Vereinbarung wer die Leistung zu erbringen hat und wer die<br />
Leistung bezieht. Diese eindeutige Form der Zusammenarbeit wird auch dem Lei-<br />
stungstransfer zwischen einem IDL-Anbieter und einem IDL-Nachfrager zugrundegelegt.<br />
Da<strong>mit</strong> kann eine <strong>Innovation</strong>sdienstleistung auch klar gegenüber anderen Formen der<br />
Zusammenarbeit, wie strategische Netzwerke (Sydow, J.) 165 oder dem theoretischen<br />
Modell der virtuellen Unternehmung (Müller-Stewens, G.) 166 abgegrenzt werden. Auf<br />
mögliche vertragliche Gestaltungsansätze und Regelungen der Kooperation soll hier<br />
nicht weiter eingegangen werden. Der Schwerpunkt liegt, wie eingangs erwähnt, auf<br />
der wissensbasierten Gestaltung der Zusammenarbeit.<br />
Unter <strong>Innovation</strong>sdienstleistungen werden spezifische Leistungspotenziale zur Un-<br />
terstützung von <strong>Innovation</strong>sprozessen in Unternehmungen verstanden. Aus der Sicht<br />
¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯<br />
165 Vgl. Sydow, J.: Strategische Netzwerke: Evolution und Organisation, Wiesbaden 1992<br />
166 Vgl. Müller-Stewens, G. (Hrsg.): Virtualisierung von Organisationen, Stuttgart/Zürich 1997
Die Stärkung der <strong>Innovation</strong>sfähigkeit durch <strong>Innovation</strong>sdienstleistungen 119<br />
des Anbieters von <strong>Innovation</strong>sdienstleistungen werden diese spezifischen Leistungspotenziale<br />
durch die Kernkompetenzen des jeweiligen IDL-Anbieters geprägt.<br />
Da<strong>mit</strong> ein Dienstleistungstransfer zustande kommt, muss der Anbieter außerdem die<br />
Fähigkeit und Bereitschaft haben seine Leistungspotenziale am Markt anzubieten.<br />
BEDARF<br />
an <strong>Innovation</strong>sdienstleistungen<br />
aus<br />
unternehmerischen<br />
<strong>Innovation</strong>sprozessen<br />
INNOVATIONS-<br />
DIENSTLEISTUNGEN<br />
(IDL)<br />
ANGEBOT<br />
an <strong>Innovation</strong>sdienstleistungen<br />
aus<br />
unternehmerischen<br />
Leistungsprozessen<br />
Abbildung 5-4: <strong>Innovation</strong>sdienstleistungen zwischen Bedarf und Angebot<br />
Inhalt und Ausprägung von <strong>Innovation</strong>sdienstleistungen werden daher von zwei Seiten<br />
beeinflusst (vgl. Abbildung 5-4):<br />
? vom Bedarf an <strong>Innovation</strong>sdienstleistungen aus der Sicht des Nachfragers<br />
? vom Angebot an <strong>Innovation</strong>sdienstleistungen am Markt<br />
Die Bandbreite an nachgefragten Leistungspotenzialen zur Einbindung in betriebliche<br />
<strong>Innovation</strong>sprozesse ist groß. Daher wird nachfolgend eine Kategorisierung von In-<br />
novationsdienstleistungen vorgeschlagen, die aus einer empirischen Untersuchung<br />
abgeleitet wurde (Wohinz, J.W.; Peritsch, M.; Willfort, R.). 167 Diese Struktur orientiert<br />
sich nach dem jeweiligen Wissensgebiet, dem eine <strong>Innovation</strong>sdienstleistung zuzu-<br />
ordnen ist und sieht eine Unterteilung in sechs Kategorien vor. Diese Kategorisierung<br />
orientiert sich stark an Wissensgebieten, die vorrangig für Prozess- und Produktinnovationen<br />
von Bedeutung sind:<br />
? Technologie<br />
z.B. Entwicklungsleistungen, Forschungsleistungen, Forscher auf Zeit, Gutachten,<br />
Materialtests, Patentrecherchen, Prototypenbau, etc.<br />
¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯<br />
167 Vgl. Wohinz, J.W.; Peritsch, M.; Willfort, R.: <strong>Innovation</strong>sdienstleistungen für steirische Industriebetriebe<br />
- Eine Marktstudie zum Bedarfs- und Angebotspotential, Technische Universität Graz 1998
Die Stärkung der <strong>Innovation</strong>sfähigkeit durch <strong>Innovation</strong>sdienstleistungen 120<br />
? Markt<br />
z.B. Erhebung von Kundenwünschen, Er<strong>mit</strong>tlung von Marktpotenzialen, <strong>Innovation</strong>smarketing,<br />
Hilfe bei Markteinführung, etc.<br />
? Recht<br />
z.B. Genehmigungen, gewerbliche Schutzrechte, Umweltverträglichkeitsprüfungen,<br />
etc.<br />
? Finanzierung<br />
z.B. Förderungsanträge, Beschaffung von Risikokapital, Verhandlung <strong>mit</strong> Finanzierungspartnern,<br />
etc.<br />
? <strong>Innovation</strong>smanagement<br />
z.B. <strong>Innovation</strong>s-Coaching, <strong>Innovation</strong>sassistenten, Management-Beratung, Manager<br />
auf Zeit, Methoden-Wissen, Projektmanagement, etc.<br />
? Broker<br />
Technologieplattformen, Ver<strong>mit</strong>tlung von <strong>Innovation</strong>sdienstleistungen, etc.<br />
In dem Maße wie IDL nachgefragt wird, werden sich auch neue leistungsfähige An-<br />
bieter entwickeln, die sich auf genau diese Kernkompetenzen spezialisieren. Da es<br />
sich bei <strong>Innovation</strong>sdienstleistungen vorwiegend um Leistungen handelt, die im un-<br />
<strong>mit</strong>telbaren Umfeld des Nachfragers erbracht werden, ist die Intensität der Koopera-<br />
tionsbeziehung als weiterer wichtiger Parameter für den Dienstleistungstransfer zu<br />
sehen. Diese wird je nach Anforderung (Insourcing oder Outsourcing) und Art der<br />
<strong>Innovation</strong>sdienstleistung entsprechend zu gestalten sein.<br />
In der Praxis stellt sich heraus, dass sich gerade der Erstkontakt zu IDL-Anbieter als<br />
besonders schwierig erweist (Schiller, R.). 168 Dies beginnt da<strong>mit</strong>, dass ein Nachfra-<br />
ger oftmals nicht abschätzen kann, inwiefern sein Bedarf abdeckbar ist. Da speziell<br />
bei <strong>Innovation</strong>saktivitäten sein Bedarf in einem für ihn meist unbekannten Wissens-<br />
gebiet liegt, erweist sich die Suche nach einem geeigneten Anbieter als besonders<br />
schwierig. In diesem Zusammenhang kann ein IDL-Broker eine wichtige Aufgabe<br />
erfüllen.<br />
¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯<br />
168 Vgl. Schiller, R.: Unternehmensnetzwerke bei kleinen und <strong>mit</strong>tleren Unternehmen - Ergebnisse<br />
einer empirischen Studie, in: Winand, U.; Nathusius, K. (Hrsg.): Unternehmensnetzwerke und virtuelle<br />
Organisationen, Stuttgart 1998, S. 90
Die Stärkung der <strong>Innovation</strong>sfähigkeit durch <strong>Innovation</strong>sdienstleistungen 121<br />
Aufgaben eines IDL-Brokers<br />
Die Kategorie Broker kann als übergeordnete Kategorie gesehen werden. Die Auf-<br />
gabe eines Brokers ist die Zusammenführung von IDL-Nachfrage und IDL-Angebot<br />
durch gezielte Ver<strong>mit</strong>tlung. Aus der Wissensperspektive kommt dieser Art von Inno-<br />
vationsdienstleistung eine wesentliche Rolle zu: Es obliegt dem Broker den fehlen-<br />
den Kontext zwischen IDL-Nachfrager und IDL-Anbieter in der Kontaktphase zu<br />
kompensieren.<br />
In der Praxis kann es dabei z.B. darum gehen, den vom IDL-Nachfrager geäußerten<br />
Bedarf zu hinterfragen, bzw. gemeinsam <strong>mit</strong> dem Nachfrager zu konkretisieren. Da-<br />
nach muss der IDL-Broker in der Lage sein anhand der Problemstellung einen Erst-<br />
kontakt <strong>mit</strong> einem kompetenten IDL-Anbieter herzustellen. Weiters sollte er auch bei<br />
der Gestaltung Dienstleistungstransfers eine beratende Rolle einnehmen. Daher<br />
sollte ein IDL-Broker folgende Fähigkeiten <strong>mit</strong>bringen:<br />
Ein IDL-Broker sollte in der Lage sein die Problemstellung des IDL-Nachfragers so-<br />
weit zu verstehen, da<strong>mit</strong> er gezielt einen Kooperationspartner ver<strong>mit</strong>teln kann. Wei-<br />
ters muss er den Überblick über das Angebot an IDL und da<strong>mit</strong> auch über die Wei-<br />
terentwicklung von <strong>Innovation</strong>sdienstleistungen behalten. Um diese Voraussetzun-<br />
gen erbringen zu können, ist es erforderlich generalistisch denken und handeln zu<br />
können. Ein IDL-Broker sollte daher eine breite Wissensbasis über mögliche IDL-<br />
Anbieter und deren Kompetenzen in den unterschiedlichsten Wissensgebieten aufbauen.<br />
5.3 Wissensbasierte Analyse von <strong>Innovation</strong>sdienstleistungen<br />
<strong>Innovation</strong>sdienstleitungen sind zum überwiegenden Teil immaterieller Natur. Der<br />
IDL-Anbieter stellt sein Wissen in der Form einer IDL für den Nachfrager zur Verfü-<br />
gung. Da<strong>mit</strong> ist ein Anknüpfungspunkt für eine wissensbasierte Betrachtung der Ein-<br />
bindung von IDL in <strong>Innovation</strong>sprozesse gegeben. Nachfolgend wird versucht das<br />
Konzept <strong>Innovation</strong>sdienstleistungen an einer paketorientierten Darstellung eines<br />
Wissenstransfers zu erklären. Diese vereinfachte, schematische Darstellung wird an<br />
dieser Stelle lediglich zur grundsätzlichen Erklärung der notwendigen Rahmenbedingungen<br />
und Zusammenhänge bei einem IDL-Transfer verwendet.<br />
<strong>Innovation</strong>sdienstleistungen im Paketmodell des Wissens<br />
Der Ausgangspunkt der Überlegungen ist bei der Identifikation einer Wissenslücke<br />
beim IDL-Nachfrager zu finden (vgl. Abbildung 5-5). Anhand dieser Wissenslücke
Die Stärkung der <strong>Innovation</strong>sfähigkeit durch <strong>Innovation</strong>sdienstleistungen 122<br />
wird ein geeigneter IDL-Anbieter gesucht der <strong>mit</strong> seinem Wissen bzw. der erbrachten<br />
Dienstleistung die Lücke schließen kann. Für den Transfer von IDL sind je nach Aus-<br />
prägung der Wissenslücke und IDL geeignete Maßnahmen zu treffen. Diese Maßnahmen<br />
sind anhand der paketorientierten Darstellung nicht ausreichend erklärbar.<br />
Wissensorientierte<br />
IDL<br />
Transfer<br />
<strong>Innovation</strong>srelevante Wissensbasis<br />
des IDL-Nachfragers<br />
Wissens-<br />
Lücke<br />
Abbildung 5-5: Einbindung von IDL in die Wissensbasis des IDL-Nachfragers<br />
Nach dem Transfer sollte die Wissenslücke beim IDL-Nachfrager geschlossen sein.<br />
Ob dies gelingt, wird davon abhängen, inwiefern das Wissen des IDL-Anbieters in die<br />
Wissenslücke eingepasst werden kann. Der IDL-Anbieter muss dazu in der Lage<br />
sein, seine Dienstleistung so kundenorientiert zu gestalten, dass diese Einpassung<br />
möglich wird. Durch enge Vernetzung zwischen Anbieter und Nachfrager kann das<br />
dazu notwendige gemeinsame Kontextwissen aufgebaut werden. Dieses Kon-<br />
textwissen kann da<strong>mit</strong> als Bindeglied zwischen der Wissensbasis des IDL-<br />
Nachfragers und der erbrachten <strong>Innovation</strong>sdienstleistung gesehen werden.<br />
In Abbildung 5-6 wird die Einpassung des Wissens schematisch dargestellt. Durch<br />
fehlendes Kontextwissen (Teil A) wird die Anwendung des Wissens gehemmt. Das<br />
Wissen ist zwar verfügbar, kann aber vorerst nicht an die bestehende Wissensbasis<br />
angeschlossen werden. Es verbleibt ein symbolischer Streifen zwischen der Wissensbasis<br />
und dem zugekauften Wissen der erst überwunden werden muss.<br />
Im zweiten Teil der Abbildung (Teil B) wurde dieser Streifen durch das gemeinsame<br />
Kontextwissen geschlossen und so<strong>mit</strong> das zugekaufte Wissen in die Wissensbasis<br />
des IDL-Nachfragers eingepasst. Durch die da<strong>mit</strong> vollzogene Erweiterung der Wis-
Die Stärkung der <strong>Innovation</strong>sfähigkeit durch <strong>Innovation</strong>sdienstleistungen 123<br />
sensbasis steht für die Bewältigung von <strong>Innovation</strong>sprozessen ein größeres Wissenspotenzial<br />
zur Verfügung.<br />
A) Kontextwissen fehlt<br />
Abbildung 5-6: Funktion des Kontextwissens<br />
B) Kontext wurde aufgebaut<br />
<strong>Innovation</strong>sdienstleistungen im Interaktionsmodell des Wissens<br />
Nach dieser vereinfachten paketorientierten Betrachtung der Einbindung von Wissen<br />
durch <strong>Innovation</strong>sdienstleistungen soll der prozessorientierte Charakter wieder in den<br />
Vordergrund gestellt werden. Da Wissen nicht direkt als Paket übertragen werden<br />
kann, kann der Transferbegriff nur als Metapher für die Aktionen gesehen werden,<br />
die im Rahmen der Wissensver<strong>mit</strong>tlung ablaufen. Der von Sammer 169 geprägte Wis-<br />
sensinduktionsbegriff untermauert den Prozesscharakter der Wissensver<strong>mit</strong>tlung im<br />
Interaktionsmodell.<br />
Für den Transfer von <strong>Innovation</strong>sdienstleistungen kann der Wissensinduktionsbegriff<br />
sehr gut zur Erläuterung von Wirkungen der wissensbasierten Einbindung verwendet<br />
werden. In Abbildung 5-7 wird eine Problemstellung im <strong>Innovation</strong>sprozess schema-<br />
tisch dargestellt. Im Teil A der Abbildung wird dazu der <strong>Innovation</strong>sprozess <strong>mit</strong> den<br />
Phasen Ideengenerierung, Ideenakzeptierung und Ideenrealisierung dargestellt.<br />
Die Pfeile in den einzelnen Prozessphasen symbolisieren die Aktivitäten im Innovati-<br />
onsprozess. Diese sind in diesem Fall schlecht aufeinander abgestimmt, wodurch<br />
der <strong>Innovation</strong>sprozess gehemmt und verzögert wird. Das interne Projektmanage-<br />
¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯<br />
169 Vgl. Sammer, M.: Wissensinduktion in Organisationen, Dissertation, Montanuniversität Leoben<br />
1999, S. 58
Die Stärkung der <strong>Innovation</strong>sfähigkeit durch <strong>Innovation</strong>sdienstleistungen 124<br />
ment für <strong>Innovation</strong>sprozesse wird meist neben der Routinearbeit halbherzig betrieben,<br />
dadurch leidet der Projektfortschritt.<br />
Jeder Aufgabenträger im <strong>Innovation</strong>sprozess versucht zwar in seinem Aufgabenbe-<br />
reich aus seiner Sicht das Richtige zu tun, das zur Abstimmung der Aktivitäten not-<br />
wendige übergeordnete Wissen fehlt jedoch in der Regel. Hier könnte ein Innovati-<br />
onsdienstleister, der eine Coaching-Rolle in der Projektabwicklung erfüllt, in den In-<br />
novationsprozess eingebracht werden. Dabei könnte dem internen Projektleiter tem-<br />
porär ein erfahrener externer "<strong>Innovation</strong>s-Coach" beigestellt werden, der Unterstüt-<br />
zung bietet. In Teil B der Abbildung ist die dadurch erzielbare Induktionswirkung der<br />
<strong>Innovation</strong>sdienstleistung auf den <strong>Innovation</strong>sprozess angedeutet.<br />
Ideengenerierung Ideenakzeptierung Ideenrealisierung<br />
A) Schlecht abgestimmte Aktivitäten im <strong>Innovation</strong>sprozess<br />
IDL<br />
Wissensinduktion<br />
B) Fokussierung der Aktivitäten durch Wissensinduktion<br />
Abbildung 5-7: Wissensinduktion durch IDL-Einbindung<br />
Die Übertragung von Wissen des IDL-Anbieters auf den IDL-Nachfrager wird in die-<br />
sem Fall durch die Koppelung der beiden sozialen Elemente im soziotechnischen<br />
System hergestellt. Durch die Interaktion von IDL-Anbieter und IDL-Nachfrager im<br />
<strong>Innovation</strong>sprozess wird auch beim IDL-Nachfrager das relevante Wissen induziert<br />
bzw. von ihm selbst konstruiert. Dadurch können die Aktivitäten im <strong>Innovation</strong>spro-<br />
zess annähernd an einen vom IDL-Anbieter angeregten Idealzustand angepasst<br />
werden. Diese Anpassung kann auch auf die nachfolgenden Prozessschritte positive<br />
Auswirkungen haben.
Die Stärkung der <strong>Innovation</strong>sfähigkeit durch <strong>Innovation</strong>sdienstleistungen 125<br />
5.3.1 Realisierung einer unternehmensübergreifenden <strong>Innovation</strong>splattform<br />
Durch die Einbeziehung externer Leistungspotenziale in unternehmerische Innovati-<br />
onsprozesse wird eine unternehmensübergreifende <strong>Innovation</strong>splattform gebildet, die<br />
das <strong>Innovation</strong>spotenzial eines IDL-Nachfragers erheblich erhöhen kann (vgl.<br />
Abbildung 5-8). Ob dadurch auch die <strong>Innovation</strong>sfähigkeit der Unternehmung ver-<br />
bessert wird, hängt erheblich von der Fähigkeit ab, die externen Leistungspotenziale<br />
in die Unternehmung effektiv zu integrieren.<br />
Externe<br />
Wissensbasis<br />
IDL-<br />
IDL-<br />
IDL-<br />
IDL-<br />
IDL-<br />
Anbieter<br />
IDL-Transfer<br />
IDL-Broker<br />
Unternehmensinterne<br />
Wissensbasis<br />
Handlungsebene<br />
Anwenden<br />
Wissensebene<br />
Information<br />
Datenebene<br />
Wissensgebiete<br />
Lernen<br />
Soziales Subsystem<br />
Dokumentation<br />
Technisches Subsystem<br />
Abbildung 5-8: Unternehmensübergreifende <strong>Innovation</strong>splattform <strong>mit</strong>tels IDL<br />
<strong>Innovation</strong>sdienstleistungen basieren auf der Spezialisierung von Anbietern in einem<br />
Wissensgebiet. Die da<strong>mit</strong> verbundene Kernkompetenz, die IDL-Anbieter in unter-<br />
nehmerische <strong>Innovation</strong>sprozesse einbringen, kann als temporäre Erweiterung der<br />
unternehmerischen Daten-, Wissens- oder Handlungsbasis für <strong>Innovation</strong>sprozesse<br />
verstanden werden.<br />
Das Ziel der Einbindung von IDL liegt letztendlich immer darin, die zur Bewältigung<br />
eines <strong>Innovation</strong>sprozesses notwendige Handlungsfähigkeit zu erreichen. Je nach<br />
Ziel der Einbindung von IDL (In- oder Outsourcing) sind unterschiedliche Aktivitäten<br />
auf der IDL-Anbieter- und IDL-Nachfrager-Seite notwendig, da<strong>mit</strong> der IDL-Transfer<br />
gelingen kann.<br />
Liegt der Focus auf Outsourcing, wird die IDL in der Form einer Handlung in den In-<br />
novationsprozess eingebracht. Beim Insourcing geht es darum, Lernprozesse in der
Die Stärkung der <strong>Innovation</strong>sfähigkeit durch <strong>Innovation</strong>sdienstleistungen 126<br />
Unternehmung <strong>mit</strong> geeigneten IDL zu unterstützen, da<strong>mit</strong> die notwendige Hand-<br />
lungsfähigkeit aufgebaut werden kann. Dazu kann es reichen, wenn der IDL-Anbieter<br />
und IDL-Nachfrager auf Datenebene zusammenarbeiten.<br />
Nachfolgend wird daher eine Kategorisierung von <strong>Innovation</strong>sdienstleistungen vor-<br />
geschlagen, die auf der Gestaltung der Transferbeziehung ansetzt. Als Basis dafür<br />
wird der Bezugsrahmen zur Analyse und Gestaltung von Wissenssystemen verwen-<br />
det (vgl. Abbildung 5-9). Dadurch können die zuvor genannten sechs Kategorien von<br />
<strong>Innovation</strong>sdienstleistungen auf folgender Struktur übertragen werden:<br />
? Handlungsorientierte <strong>Innovation</strong>sdienstleistungen<br />
? Wissensorientierte <strong>Innovation</strong>sdienstleistungen<br />
? Datenorientierte <strong>Innovation</strong>sdienstleistungen<br />
Handlungsebene<br />
Anwenden<br />
Soziales Subsystem<br />
Dokumentation<br />
Wissensebene Information<br />
Handlungsorientierte<br />
IDL<br />
Wissensgebiete<br />
Lernen<br />
IDL-Pool<br />
Wissensorientierte<br />
IDL<br />
Datenebene<br />
Technisches Subsys.<br />
Datenorientierte<br />
IDL<br />
Abbildung 5-9: Zuordnung von <strong>Innovation</strong>sdienstleistungen zum Bezugsrahmen<br />
Diese Struktur korreliert un<strong>mit</strong>telbar <strong>mit</strong> Handlungsebene, Wissensebene und Date-<br />
nebene des Bezugsrahmens. Je nach Ausprägung der IDL setzt diese bei unter-<br />
schiedlichen Beziehungen im Bezugsrahmen an. Daher wird auch die Gestaltung der<br />
Transfer-Beziehung unterschiedlich sein. In den weiteren Ausführungen werden die<br />
einzelnen Ausprägungen und Möglichkeiten zum Transfer von IDL anhand des Bezugsrahmens<br />
im Detail vorgestellt.
Die Stärkung der <strong>Innovation</strong>sfähigkeit durch <strong>Innovation</strong>sdienstleistungen 127<br />
5.3.2 Datenorientierte <strong>Innovation</strong>sdienstleistungen<br />
Der Aufbau und die Weiterentwicklung der Kern-Wissensgebiete einer Unterneh-<br />
mung gestalten sich durch die zunehmende Anzahl an generierten Daten im Unter-<br />
nehmungsumfeld als äußerst anspruchsvolle und zeitintensive Aufgabe. Die Dyna-<br />
mik der Generierung von Daten nimmt durch neue Möglichkeiten der Verteilung, wie<br />
bspw. über das Internet ständig zu. Aber auch die Anzahl an Daten, die <strong>mit</strong>tels<br />
Printmedien verteilt werden, trägt zum exponentiellen Zuwachs an Daten erheblich<br />
bei. Für die Bewirtschaftung der eigenen Kern-Wissensgebiete <strong>mit</strong>tels Daten geht es<br />
nun darum alle relevanten Daten zur Verfügung zu haben, die eine Wissensentwicklung<br />
unterstützen und das möglichst bevor Mitbewerber darauf Zugriff haben.<br />
Dadurch entstehen wiederum neue Geschäftsfelder für IDL-Anbieter. Als Beispiel<br />
können sogenannte „Informationsbroker“ erwähnt werden, die Daten zu speziellen<br />
Wissensgebieten sammeln und für die Informationsgewinnung beim Nachfrager zur<br />
Verfügung stellen. Der IDL-Nachfrager kann durch vorselektierte Datensätze geziel-<br />
ter und rascher Wissen im Informationsprozess entwickeln. Der IDL-Anbieter hilft<br />
dem IDL-Nachfrager dabei, die zunehmende Dynamik der Datengenerierung zu bewältigen.<br />
Eine datenorientierte IDL zeichnet sich daher dadurch aus, dass sowohl IDL-Anbieter<br />
als auch IDL-Nachfrager eine genaue Vorstellung von der Zuordnung der Daten zu<br />
den Wissensgebieten haben. Es muss daher ein gemeinsames Kontextwissen im<br />
jeweiligen Wissensgebiet vorhanden sein, das dem IDL-Anbieter ermöglicht gezielt<br />
Daten zu sammeln und aufzubereiten. Auf der anderen Seite muss der IDL-<br />
Nachfrager die gelieferten Daten einordnen können, da<strong>mit</strong> seine Informationsprozes-<br />
se erfolgreich und effizient ablaufen können. Die Erweiterung bzw. Veränderung sei-<br />
ner eigenen Wissensbasis durch Lernen beeinflusst wiederum die <strong>Innovation</strong>sfähigkeit.<br />
Stellvertretend für viele datenorientierte <strong>Innovation</strong>sdienstleistungen können folgende<br />
Beispiele genannt werden:<br />
? Erhebung von Kundenwünschen<br />
? Patentrecherchen<br />
Zum effizienten Transfer dieser Daten müssen geeignete Datenträger zur Verfügung<br />
stehen. Neben den Printmedien bieten sich dazu vorrangig elektronische Datenver-<br />
arbeitungsanlagen an. Für Unternehmungen, die bereits über ein Intranet verfügen,<br />
kann eine Erweiterung des Intranet zu einem Extranet <strong>mit</strong> ausgewählten IDL-
Die Stärkung der <strong>Innovation</strong>sfähigkeit durch <strong>Innovation</strong>sdienstleistungen 128<br />
Anbietern von großem Vorteil sein, da da<strong>mit</strong> auch die Vervielfältigung und Verteilung<br />
einfach gelöst werden kann.<br />
Ein Extranet kann daher als erweitertes Intranet gesehen werden, bei dem ausge-<br />
wählte Partner in ein gemeinsames unternehmensübergreifendes Datennetz inte-<br />
griert werden. Da<strong>mit</strong> ein Transfer von datenorientierten IDL effizient erfolgen kann, ist<br />
daher neben dem gemeinsamen Kontextwissen eine Koppelung der elektronischen<br />
Datenverarbeitungsanlagen anzustreben. Da es sich im <strong>Innovation</strong>sbereich vorrangig<br />
um sensible unternehmensinterne Daten handelt, ist vor allem auf den Sicherheitsaspekt<br />
besonders wert zu legen.<br />
IDL-Nachfrager<br />
Handlungsebene<br />
Anwenden Doku. Daten-<br />
Lernen<br />
Wissensebene<br />
Info.<br />
ebene<br />
Soziales Subsystem Techn. Subsys.<br />
IDL-Anbieter<br />
IuK-System<br />
Handlungsebene<br />
Anwenden Doku. Daten-<br />
Lernen<br />
Wissensebene<br />
Info.<br />
ebene<br />
Soziales Subsystem Techn. Subsys.<br />
Abbildung 5-10: Vernetzung für den Transfer von datenorientierter IDL<br />
In Abbildung 5-10 wird die Vernetzung zwischen IDL-Anbieter und IDL-Nachfrager<br />
auf Datenebene dargestellt. Anbieter und Nachfrager verfügen über eine eigene<br />
Handlungs- Wissens- und Datenbasis, die jeweils über die Prozesse Lernen und<br />
Anwenden bzw. Dokumentation und Information verknüpft sind. Der IDL-Anbieter<br />
stellt Daten zur Verfügung, die er entweder selbst generiert und dokumentiert oder er<br />
holt sich Daten aus Datenbanken und bereitet diese für den IDL-Nachfrager auf.<br />
Diese Daten werden dann über IuK-Systeme an den IDL-Nachfrager über<strong>mit</strong>telt.<br />
Beim IDL-Nachfrager werden <strong>mit</strong> diesen Daten Informationsprozesse zur Wissen-<br />
sentwicklung ausgelöst. Die Kompatibilität der IuK-Systeme muss für den Datentransfer<br />
auf jeden Fall sichergestellt werden.
Die Stärkung der <strong>Innovation</strong>sfähigkeit durch <strong>Innovation</strong>sdienstleistungen 129<br />
Die Über<strong>mit</strong>tlung der Daten kann Online oder in <strong>mit</strong> dem IDL-Nachfrager vereinbar-<br />
ten Intervallen erfolgen. Als Beispiel können IDL in der Form von Patentrecherchen<br />
genannt werden. Dabei wird der IDL-Nachfrager laufend <strong>mit</strong> Daten über den aktuel-<br />
len Stand der Patente in seinen Kern-Wissensgebieten versorgt. Dadurch können<br />
einerseits Ideen für eigene <strong>Innovation</strong>en geholt werden, auf der anderen Seite können<br />
dadurch zeitintensive und kostspielige Doppelentwicklungen verhindert werden.<br />
5.3.3 Wissensorientierte <strong>Innovation</strong>sdienstleistungen<br />
Der Aufbau und die Bewirtschaftung der Kern-Wissensgebiete zur Erhaltung und<br />
Verbesserung der <strong>Innovation</strong>sfähigkeit einer Unternehmung kann durch die Einbin-<br />
dung externer Leistungspotenziale unterstützt werden. Eine Möglichkeit dazu wurde<br />
bereits <strong>mit</strong> den datenorientierten <strong>Innovation</strong>sdienstleistungen vorgestellt. Auch die<br />
Vernetzung auf Datenebene setzt ein gemeinsames Kontextwissen voraus, das<br />
meist erst im Vorfeld des Leistungstransfers aufgebaut werden muss. Dazu ist eine<br />
ausschließliche Vernetzung auf Datenebene nur bedingt geeignet, da die Möglich-<br />
keiten der Interaktion durch den Übertragungskanal beschränkt werden. Am ehesten<br />
kann der Aufbau von Kontextwissen <strong>mit</strong>tels IuK-Systeme über die Telekommunikation<br />
erreicht werden .<br />
Wesentlich besser geeignet ist dazu eine Vernetzung auf sozialer Ebene. Dadurch<br />
wird die Intensität der Kommunikation erhöht, außerdem kann das für eine Koopera-<br />
tion erforderliche Vertrauen aufgebaut werden. Dazu ist es erforderlich, das IDL-<br />
Nachfrager und IDL-Anbieter gemeinsam auf „Wissensebene“ <strong>mit</strong>einander vernetzt<br />
werden. Da<strong>mit</strong> kann diese Form der Einbindung von IDL auch als Einstieg für alle<br />
anderen Formen des IDL-Transfers gesehen werden. Denn auch für die zielgerich-<br />
tete Einbindung von Handlungen muss auf Wissensebene ein gemeinsames Kontextwissen<br />
vorhanden sein.<br />
Für diese Art von IDL können beispielhaft folgende Ausprägungen genannt werden:<br />
? Management-Beratung<br />
? Ver<strong>mit</strong>tlung von Methodenwissen<br />
Wissensorientierte IDL kommt vorrangig für die Wissensentwicklung bzw. für den<br />
Kompetenzaufbau beim IDL-Nachfrager (Insourcing) in Frage. Diese Form der IDL ist<br />
dadurch geprägt, dass IDL-Anbieter und IDL-Nachfrager eng zusammenarbeiten<br />
müssen. Das gewünschte Ergebnis der Dienstleistung kann in der Übertragung des<br />
Wissens des IDL-Anbieters auf den IDL-Nachfrager gesehen werden. Da<strong>mit</strong> verbun-<br />
den sind Lernprozesse, welche durch die strukturelle Koppelung bzw. „soziale Ver-
Die Stärkung der <strong>Innovation</strong>sfähigkeit durch <strong>Innovation</strong>sdienstleistungen 130<br />
netzung“ zwischen IDL-Nachfrager und IDL-Anbieter hervorgerufen werden. Als Be-<br />
spiel kann die Abhaltung eines Seminars zur Ver<strong>mit</strong>tlung von Methodenwissen in der<br />
Unternehmung des IDL-Nachfragers genannt werden.<br />
Für den IDL-Anbieter erscheint diese Situation bedrohlich zu sein, denn nach abge-<br />
schlossenem Lernprozess beim IDL-Nachfrager wird jede weitere Zusammenarbeit<br />
sinnlos. Theoretisch könnte der IDL-Nachfrager nach dem Transfer sogar zum Kon-<br />
kurrenten werden. Durch die Dynamik am „Wissensmarkt“ kann aber davon ausge-<br />
gangen werden, dass diese Situation kaum eintreten wird. Vielmehr wird es ständig<br />
notwendig sein, sich auf neue Verhältnisse durch die Zusammenarbeit <strong>mit</strong> dem IDL-<br />
Anbieter vorzubereiten.<br />
IDL-Nachfrager<br />
Handlungsebene<br />
Anwenden Doku. Daten-<br />
Lernen<br />
Wissensebene<br />
Info.<br />
ebene<br />
Soziales Subsystem Techn. Subsys.<br />
Soziale<br />
Vernetzung<br />
IDL-Anbieter<br />
IuK-System<br />
Handlungsebene<br />
Anwenden Doku. Daten-<br />
Lernen<br />
Wissensebene<br />
Info.<br />
ebene<br />
Soziales Subsystem Techn. Subsys.<br />
Abbildung 5-11: Vernetzung für den Transfer von wissensorientierter IDL<br />
Weiters kann aus dem Bezugsrahmen abgeleitet werden, dass der IDL-Anbieter<br />
durch sein Handeln bei der Wissensver<strong>mit</strong>tlung selbst einen Lernprozess durchläuft.<br />
Dies wird noch dadurch verstärkt, indem der IDL-Anbieter sein Wissen in der Regel<br />
nicht nur an einen IDL-Nachfrager, sondern an mehrere verkauft. Er lernt dadurch<br />
öfter und intensiver in diesem Wissensgebiet als ein einzelner Kunde. Aus dieser<br />
Sicht wird der lehrende IDL-Anbieter selbst zum Lernenden, der durch die Ausübung<br />
seiner eigenen Profession Wissen aufbaut. Dadurch wird der IDL-Anbieter gegenüber<br />
dem IDL-Nachfrager immer einen Wissensvorsprung halten können.<br />
In Abbildung 5-11 wird die Vernetzung für den Transfer von wissensorientierter IDL<br />
skizziert. Am effektivsten kann Wissen aber durch einen hohen Anteil an sozialer
Die Stärkung der <strong>Innovation</strong>sfähigkeit durch <strong>Innovation</strong>sdienstleistungen 131<br />
Vernetzung übertragen werden. Die Verbindung über die Datenebene kann zur Unterstützung<br />
des Wissenstransfers z.B. durch Telekommunikation genutzt werden.<br />
5.3.4 Handlungsorientierte <strong>Innovation</strong>sdienstleistungen<br />
Handlungsorientierte <strong>Innovation</strong>sdienstleistungen zeichnen sich dadurch aus, dass<br />
der IDL-Anbieter nicht nur sein Wissen einbringt, sondern auch die dadurch ermög-<br />
lichte Handlung im <strong>Innovation</strong>sprozess ausführt. Handlungsorientierte IDL hat die<br />
Eigenschaft, dass die Nützlichkeit der <strong>Innovation</strong>sdienstleistung in der Handlung<br />
selbst zu sehen ist. Diese Nützlichkeit drückt sich im Zugriff auf Wissen aus, das in<br />
jahrelanger persönlicher Erfahrung des Anbieters aufgebaut wurde. In Ahnlehnung<br />
an Polanyi 170 kann darin Wissen gesehen werden, das nur schwer übertragbar ist.<br />
Polanyi bezeichnet dieses Wissen <strong>mit</strong> „tacit knowing“ bzw. „tacit knowledge“. Dieses<br />
Wissen kann nur durch eigene Erfahrung, durch Anwenden und Handeln bzw. durch<br />
Üben aufgebaut werden. Daher sollte diese Form der Dienstleistung un<strong>mit</strong>telbar als<br />
Handlung in den <strong>Innovation</strong>sprozess eingebunden werden.<br />
Folgende Beispiele können dazu angeführt werden:<br />
? Forscher auf Zeit<br />
? <strong>Innovation</strong>sassistenten<br />
Ein Forscher auf Zeit übernimmt Forschungsaufträge nach den Spezifikationen eines<br />
IDL-Nachfragers bzw. Auftraggebers. Er führt diese <strong>Innovation</strong>sdienstleitung in Ab-<br />
stimmung <strong>mit</strong> dem IDL-Nachfrager eigenständig aus und liefert das Forschungser-<br />
gebnis an den Auftraggeber ab. Dazu muss er bei der Ausführung seiner Tätigkeit<br />
nicht unbedingt in den Betriebsstätten des Auftragebers anwesend sein.<br />
Im Unterschied dazu wird ein <strong>Innovation</strong>sassistent in der Regel temporär in die Un-<br />
ternehmung geholt, um dort einen <strong>Innovation</strong>sprozess umfassend zu begleiten. Sei-<br />
ne Aufgaben liegen vorrangig im Bereich <strong>Innovation</strong>s- und Projektmanagement. Da-<br />
<strong>mit</strong> ist er meist auch <strong>mit</strong> dem Einsatz von Ressourcen und <strong>mit</strong> der operativen Inno-<br />
vationsprojektabwicklung betraut. Er kann daher als gezielte Erweiterung der Perso-<br />
nalkapazität einer Unternehmung für <strong>Innovation</strong>saufgaben gesehen werden und wird<br />
daher eher von kleineren und <strong>mit</strong>tleren Unternehmungen eingesetzt.<br />
Anhand des Bezugsrahmens können auch dazu Empfehlungen für den IDL-Transfer<br />
angegeben werden. In Abbildung 5-12 ist das Zusammenspiel von IDL-Nachfrager<br />
und IDL-Anbieter skizziert.<br />
¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯<br />
170 Vgl. Polanyi, M.: The tacit dimension, Gloucester-Mass., 1966, reprinted 1983, S. 4f
Die Stärkung der <strong>Innovation</strong>sfähigkeit durch <strong>Innovation</strong>sdienstleistungen 132<br />
Bei einer handlungsorientierten IDL muss die Einbindung der Dienstleistung in der<br />
Handlungsebene erfolgen. Zusätzlich kann zur Abstimmung und Koordination der<br />
Handlungen eine Koppelung auf der Datenebene <strong>mit</strong>tels IuK-Systemen erfolgen.<br />
Da<strong>mit</strong> dies durchführbar ist, müssen folgende Voraussetzungen erfüllt sein:<br />
? Gemeinsamer Mindestkontext auf Wissensebene<br />
? Kompatible Informations- und Kommunikationssysteme<br />
IDL-Nachfrager<br />
Handlungsebene<br />
Anwenden Doku. Daten-<br />
Lernen<br />
Wissensebene<br />
Info.<br />
ebene<br />
Soziales Subsystem Techn. Subsys.<br />
Soziale<br />
Vernetzung<br />
Transfer<br />
IDL-Anbieter<br />
Auftrag<br />
IuK-System<br />
Handlungsebene<br />
Anwenden Doku. Daten-<br />
Lernen<br />
Wissensebene<br />
Info.<br />
ebene<br />
Soziales Subsystem Techn. Subsys.<br />
Abbildung 5-12: Vernetzung für den Transfer von handlungsorientierter IDL<br />
Das Wissen, das zur Steuerung der Handlungen notwendig ist, wird von Anbieter der<br />
IDL eigenständig aufgebaut und weiterentwickelt. Auf Wissensebene ist lediglich ein<br />
gemeinsamer Mindestkontext notwendig, der eine abgestimmte und zielgerichtete<br />
Einbindung der Handlung in den <strong>Innovation</strong>sprozess ermöglicht. Dieser Kontext wird<br />
in der Regel über die Kontaktphase bis zum Beginn des Leistungstransfers aufgebaut.<br />
Ein Broker kann diesen Prozess beschleunigen.<br />
Dieser gemeinsame Kontext ermöglicht die gegenseitige Einschätzung, welche Vor-<br />
aussetzungen für den IDL-Transfer notwendig sind und welche Auswirkungen und<br />
Ergebnisse die Erbringung der IDL haben wird. Die gegenseitige Erwartungshaltung<br />
der Partner wird dadurch von vornherein auf ein erfüllbares Maß beschränkt.<br />
Wenn dieser gemeinsame Kontext vorhanden ist, kann über eine Koppelung auf der<br />
Datenebene der Handlungsbedarf im <strong>Innovation</strong>sprozess abgestimmt und entspre-<br />
chend gestaltet werden. Das kann z.B. der Auftrag an einen Anbieter sein, eine<br />
Dienstleistung zu einem gewissen Zeitpunkt einzubringen. Auf der Datenebene muss
Die Stärkung der <strong>Innovation</strong>sfähigkeit durch <strong>Innovation</strong>sdienstleistungen 133<br />
als Mindestanforderung eine kompatible Anwendungsebene vorliegen, da<strong>mit</strong> <strong>mit</strong>tels<br />
EDV-Systeme Daten ausgetauscht werden können.<br />
5.4 Wirkungen von <strong>Innovation</strong>sdienstleistungen auf die<br />
<strong>Innovation</strong>sfähigkeit<br />
Die Einbindung externer Ressourcen beeinflusst den Aufbau von Kompetenzen für<br />
<strong>Innovation</strong>sprozesse. Während beim Insourcing der Aufbau der eigenen Kernkom-<br />
petenzen beeinflusst wird, kann beim Outsourcing eine Erweiterung des Handlungs-<br />
spielraumes erreicht werden. Bei beiden Fällen müssen Aufgaben- und Wissensträ-<br />
ger unterschiedlicher Organisationen zusammenarbeiten, da<strong>mit</strong> ein Leistungstransfer<br />
stattfinden kann. Aus der systemischen Betrachtungsweise werden zwei Wissenssysteme<br />
bzw. zwei soziotechnische Systeme in Beziehung gebracht.<br />
Auf der systemischen Betrachtungsebene erscheint eine Kooperationsbeziehung als<br />
Vernetzung von mindestens zwei Menschen als Systemelemente bzw. nicht-triviale<br />
Maschinen unterschiedlicher Systeme. Wie bereits in Kapitel 3 beschrieben, hat der<br />
Mensch als nicht-triviale Maschine die Eigenschaften der prinzipiellen Unberechen-<br />
barkeit und Undeterminiertheit. Nicht-triviale Maschinen reagieren zwar auf externe<br />
Inputs, aber sie legen selbst fest, was sie als Input zu akzeptieren bereit sind.<br />
In dieser Sichtweise wird bereits angedeutet, dass die Einbeziehung systemfremder<br />
Elemente in die eigene Unternehmung, bzw. die Vernetzung <strong>mit</strong> systemfremden<br />
Elementen <strong>mit</strong> Konflikten behaftet sein kann. Da <strong>Innovation</strong>en bzw. <strong>Innovation</strong>spro-<br />
zesse von vornherein ein hohes Konfliktpotenzial aufweisen, können dadurch einige<br />
der positiven Effekte von <strong>Innovation</strong>sdienstleistungen verhindert werden. Nachfol-<br />
gend sollen anhand der in Kapitel 2 aufgezeigten Merkmale von <strong>Innovation</strong>en (Neu-<br />
heitsgrad, Komplexität, Unsicherheit/Risiko, und Konfliktgehalt) positive und negative<br />
Wirkungen von <strong>Innovation</strong>sdienstleistungen auf den <strong>Innovation</strong>sprozess aufgezeigt<br />
werden.<br />
5.4.1 Neuigkeitsgrad<br />
Der Neuigkeitsgrad von <strong>Innovation</strong>en ist bei Erfindungen eine Grundvoraussetzung,<br />
um über eine Patentierung oder über einen Musterschutz Konkurrenten vom Markt<br />
fernhalten zu können. Da<strong>mit</strong> ist der Neuheitsgrad vor allem bei Produktinnovationen,<br />
bei denen ein Schutz des geistigen Eigentums sinnvoll erscheint, ein wesentlicher<br />
Erfolgsfaktor. Die in Abschnitt 5.1 beschriebene genetische Vielfalt kann den Neu-<br />
heitsgrad von <strong>Innovation</strong>en positiv beeinflussen. Der Beginn von <strong>Innovation</strong>sprozes-<br />
sen – die Ideengenerierung – hat da<strong>mit</strong> zum Ziel neues Wissen hervorzubringen. Die
Die Stärkung der <strong>Innovation</strong>sfähigkeit durch <strong>Innovation</strong>sdienstleistungen 134<br />
dazu notwendige Kreativität der Wissensträger kann gezielt durch heuristische Methoden<br />
gefördert werden.<br />
Heuristische Prinzipien als Basis aller Kreativitätstechniken beruhen z.B. auf Ab-<br />
straktion, Kombination, Übertragung der Analogien, Variation oder Zerlegung von<br />
Wissenselementen. Eine Empfehlung für die Zusammensetzung von Teams in Krea-<br />
tivitäts-workshops ist die fachliche Heterogenität der Teilnehmer. Im Bezugsrahmen<br />
zur Analyse und Gestaltung von Wissenssystemen kann diese Empfehlung anhand<br />
der Vernetzung von Wissensträgern aus heterogenen Wissensgebieten erklärt werden:<br />
Wissensträger unterschiedlicher Wissensgebiete bringen zu einer gegebenen Pro-<br />
blemstellung unterschiedliches Kontextwissen <strong>mit</strong>. Durch den fehlenden gemeinsa-<br />
men Kontext kann ein Wissenstransfer eines Team<strong>mit</strong>gliedes zu anderen Team<strong>mit</strong>-<br />
gliedern einen Effekt auslösen der neues Wissen in bezug auf die Problemstellung<br />
hervorbringt: Der Empfänger kann eine Vernetzung nur <strong>mit</strong> seiner eigenen Wissens-<br />
basis durchführen. Die aufgenommen Signale werden beim Individuum im Informati-<br />
onsprozess <strong>mit</strong> der bestehenden Wissensbasis zwar vernetzt, durch das fehlende<br />
Kontextwissen wird der Anknüpfungspunkt aber in einem anderen Bereich als beim<br />
Sender liegen. Dadurch kann die Vernetzung beim Empfänger die Entwicklung von<br />
neuem Wissen bewirken. Das auf diese Art generierte Wissen hat das Potenzial<br />
neue Aspekte für die Problemlösung aufzuwerfen. Durch gruppendynamische Effekte<br />
und wechselseitige Kommunikation werden rekursive Prozesse der Wissensentwicklung<br />
durchlaufen, die diesen Effekt noch verstärken.<br />
In bezug auf externe Ressourcen kann durch die Einbindung fremdartiger Wissens-<br />
gebiete in Kreativitätsworkshops neues Wissen generiert werden. Die dabei erreichte<br />
genetische Vielfalt fördert die Entstehung von neuem Wissen in der Unternehmung.<br />
Durch die klare Anbieter/Nachfrager-Beziehung kann auch die Frage der Wissens-<br />
verwertung von vornherein geklärt werden. Dies ist gerade bei patentierfähigen <strong>Innovation</strong>en<br />
zu empfehlen.<br />
Die Wirkung von IDL auf den Neuheitsgrad kann positiv gesehen werden, da da<strong>mit</strong><br />
auch unternehmensfremde Wissensgebiete berücksichtigt werden können. Durch<br />
Einbeziehung von sogenannten „Informations-Brokern“ kann die Neuigkeit von <strong>Innovation</strong>en<br />
auf breiter Basis, z.B. anhand von Patentrecherchen überprüft werden.<br />
5.4.2 Komplexität<br />
Ein hoher Neuigkeitsgrad erhöht auch die Komplexität des im <strong>Innovation</strong>smanage-<br />
ment zu gestaltenden Systems. Geht es darum Veränderungen in Unternehmungen
Die Stärkung der <strong>Innovation</strong>sfähigkeit durch <strong>Innovation</strong>sdienstleistungen 135<br />
umzusetzen, kann erhöhte Komplexität daher als hemmender Faktor wahrgenom-<br />
men werden. Durch die Einbeziehung externer Ressourcen werden zusätzliche Pro-<br />
zess-Schnittstellen geschaffen, die durch Modularisierung von Prozessschritten auf<br />
ein überschaubares Maß gehalten werden können. In der Praxis wird der <strong>Innovation</strong>sprojektleiter<br />
gefordert sein, klare Schnittstellen für den IDL-Transfer zu definieren.<br />
Aber auch während des IDL-Transfers wird erhöhte Komplexität durch notwendige<br />
Abstimmungsmaßnahmen zu bewältigen sein. In Abbildung 5-13 wird die Wirkung<br />
von IDL auf die Komplexität im <strong>Innovation</strong>sprozess angedeutet. In der Darstellung ist<br />
ein <strong>Innovation</strong>sprozess ohne IDL-Unterstützung (Teil A) und ein <strong>Innovation</strong>sprozess<br />
<strong>mit</strong> IDL-Unterstützung (Teil B) skizziert. Neben dem Parameter k, der die Komplexität<br />
anhand der Prozessbreite symbolisieren soll, ist auch die Prozessdurchlaufzeit t angedeutet.<br />
Ideengenerierung<br />
Ideenakzeptierung<br />
A) <strong>Innovation</strong>sprozess ohne IDL-Unterstützung<br />
Ideen-<br />
generierung<br />
Ideen-<br />
akzept.<br />
t 2<br />
t 1<br />
Ideen-<br />
realisierung<br />
B) <strong>Innovation</strong>sprozess <strong>mit</strong> IDL-Unterstützung<br />
Abbildung 5-13: Mögliche Wirkungen der IDL-Unterstützung<br />
Ideenrealisierung<br />
Durch die Einbeziehung von IDL kann davon ausgegangen werden, dass die Kom-<br />
plexität der Koordination von Ressourcen erhöht wird (Schneider, U.). 171 Auf der an-<br />
deren Seite kann durch die Einbindung zusätzlicher Leistungspotenziale die Aufga-<br />
¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯<br />
171 Vgl. Schneider, U.: Reengineering und andere Managementmethoden: Vorüberlegungen zu einem<br />
temporären Ansatz der Organisation, in: Liebmann, H.-P. (Hrsg.): Vom Business Process Reengineering<br />
zum Change Management, Wiesbaden 1997, S. 189<br />
k 2<br />
k 1
Die Stärkung der <strong>Innovation</strong>sfähigkeit durch <strong>Innovation</strong>sdienstleistungen 136<br />
benstellung auf mehrere, spezialisierte Wissens- bzw. Aufgabenträger verteilt wer-<br />
den und dadurch die Komplexität für jeden einzelnen verringert werden. Je nach<br />
Problemstellung und Anzahl der einbezogenen Ressourcen wird daher die Komple-<br />
xität unterschiedlich sein. In Teil B der Abbildung 5-13 wurde die Komplexität zwar<br />
erhöht (z.B. durch Einbeziehung vieler externer Ressourcen), die Projektdurchlaufzeit<br />
konnte aber erheblich verringert werden.<br />
Bei <strong>Innovation</strong>sprojekten, die neue Produkte oder Dienstleistungen für den Markt<br />
hervorbringen, kann dadurch der Zeitpunkt des Markteintritts vorverlegt werden.<br />
5.4.3 Unsicherheit/Risiko<br />
Je neuer eine <strong>Innovation</strong>sidee ist, umso weniger Wissen existiert zur Abschätzung<br />
von Auswirkungen des geplanten Ergebnisses. Das Fehlen von einschlägigen Erfah-<br />
rungen ist un<strong>mit</strong>telbar <strong>mit</strong> der Gefahr des Scheiterns für <strong>Innovation</strong>sprozesse ver-<br />
bunden. In dieser Beziehung kann wiederum durch die Erweiterung der Wissensba-<br />
sis <strong>mit</strong> extern zugekauften Wissensgebieten das Risiko der Fehleinschätzung und<br />
da<strong>mit</strong> die Gefahr des Scheiterns verhindert werden.<br />
Das Risiko besteht auch in der Tatsache, dass ein geplantes Ergebnis unter Um-<br />
ständen überhaupt nicht oder nicht rechtzeitig erreicht werden kann. Durch die Res-<br />
sourcen-Bündelung und gezielte Einbindung externer Partner kann dieses Risiko<br />
weitestgehend verhindert werden.<br />
Die Einbeziehung externer Ressourcen ist aber selbst <strong>mit</strong> Risiko und Unsicherheit<br />
verbunden. Hervorzuheben ist in diesem Zusammenhang eine eventuell fehlende<br />
Vertrauensbasis und eine falsche Einschätzung der Arbeitsweise und Zuverlässigkeit<br />
des Partners. Gelöst werden kann dieses Problem meist nur durch den Aufbau von<br />
auf Langfristigkeit ausgelegten Beziehungen. Durch entsprechendes Vertrauen, das<br />
die gegenseitige Verbindlichkeit untermauert, kann auch die Gefahr des unkontrollierten<br />
Wissensabflusses vermindert werden.<br />
Da das Ergebnis des <strong>Innovation</strong>sprozesses durch die Einbeziehung externer Res-<br />
sourcen prinzipiell früher vorliegt und durch umfassendes Wissen besser abgesichert<br />
ist, kann auch das finanzielle Risiko in einem überschaubaren Rahmen gehalten<br />
werden. Dieser beschränkt sich neben den internen Kosten auf die Kosten der extern<br />
bezogenen Leistung und die da<strong>mit</strong> verbundenen Transaktionskosten. Kosten für<br />
langwierige interne Prozesse der Wissensentwicklung können weitestgehend verhindert<br />
werden.
Die Stärkung der <strong>Innovation</strong>sfähigkeit durch <strong>Innovation</strong>sdienstleistungen 137<br />
5.4.4 Konfliktgehalt<br />
Folgende Faktoren haben das Potenzial den Konfliktgehalt bei der Bewältigung von<br />
<strong>Innovation</strong>sprozessen zu erhöhen:<br />
? zusätzliche Kosten<br />
? zusätzliche Ressourcen<br />
? zusätzliche Schnittstellen<br />
? Wissen, das nicht selbst entwickelt, sondern zugekauft wird<br />
Dazu kommt, dass die Wirkungen dieser zusätzlichen Parameter auf das unterneh-<br />
mensübergreifende <strong>Innovation</strong>ssystem durch das Zusammenwirken vieler nicht-<br />
trivialer Maschinen bzw. Menschen nicht vorhersagbar sind. Unterschiedliche Unter-<br />
nehmenskulturen müssen zumindest temporär für den IDL-Transfer verträglich sein.<br />
Aus dieser Sicht ist die Einbeziehung externer Ressourcen eher nachteilig zu sehen.<br />
Konflikte können sachlich wie persönlich begründet sein und erfordern zur Lösung<br />
entsprechende Interventionsmaßnahmen im soziotechnischen System. Es wird da-<br />
her für den IDL-Nachfrager von Vorteil sein, Überlegungen für ein unternehmens-<br />
übergreifendes <strong>Innovation</strong>smanagement anzustellen, um die zuvor genannten Konfliktpotenziale<br />
durch zweckmäßige Gestaltung und Lenkung positiv zu beeinflussen.<br />
5.5 Zusammenfassende Konklusionen<br />
In der ressourcenbasierten strategischen Planung kann eine wertvolle Grundlage für<br />
die wissensbasierte Analyse von <strong>Innovation</strong>sdienstleistungen gefunden werden.<br />
Durch diesen Ansatz wird der Wettbewerb vom Endprodukte-Markt auf Bereiche<br />
verlagert, die höhere Konstanz aufweisen. In diesen Bereichen steht der Wettbewerb<br />
um Kernprodukte, Kernkompetenzen und schließlich der Wettbewerb um Ressourcen,<br />
die für den Aufbau von Kernkompetenzen erforderlich sind, im Vordergrund.<br />
Die Herausforderung des ressourcenbasierten <strong>Innovation</strong>smanagements, <strong>mit</strong> dem<br />
Fokus auf die Einbeziehung externer Leistungspotenziale, kann <strong>mit</strong> der Fragestel-<br />
lung: „Wie kann ich das Wissen anderer nutzen, ohne es selbst aufbauen bzw. ent-<br />
wickeln zu müssen?“ konkretisiert werden. Durch die Einbeziehung externer Lei-<br />
stungspotenziale in der Form von <strong>Innovation</strong>sdienstleistungen wird eine unternehmensübergreifende<br />
<strong>Innovation</strong>splattform gebildet.<br />
<strong>Innovation</strong>sdienstleistungen als Ausprägungen externer Ressourcen, die vorwiegend<br />
immaterieller Natur sind, können entweder zum Aufbau eigener Kernkompetenzen
Die Stärkung der <strong>Innovation</strong>sfähigkeit durch <strong>Innovation</strong>sdienstleistungen 138<br />
durch Insourcing, oder durch Nutzung externer Potenziale im Wege des Outsourcing<br />
in unternehmerische <strong>Innovation</strong>sprozesse einbezogen werden.<br />
Die Möglichkeiten der Gestaltung der Kooperationsbeziehung werden anhand des<br />
„Bezugsrahmens zur Analyse und Gestaltung von Wissenssystemen“ untersucht.<br />
Dazu werden die sechs IDL-Kategorien Technologie, Markt, Recht, Finanzierung,<br />
<strong>Innovation</strong>smanagement und Broker in eine neue Gliederung <strong>mit</strong> den Kategorien<br />
? Handlungsorientierte <strong>Innovation</strong>sdienstleistungen<br />
? Wissensorientierte <strong>Innovation</strong>sdienstleistungen<br />
? Datenorientierte <strong>Innovation</strong>sdienstleistungen<br />
transformiert.<br />
Aus der wissensbasierten Analyse kann abgeleitet werden, dass der Schnittstellen-<br />
gestaltung auf Wissensebene besondere Bedeutung zukommt. Das Zusammenspiel<br />
unterschiedlicher Unternehmenskulturen, aber auch die kundenspezifische Einbin-<br />
dung können als Problembereiche identifiziert werden. Bei allen drei Arten von IDL<br />
ist die hohe Bedeutung eines konsensuellen Bereichs, d.h. eines gemeinsamen<br />
Kontextwissens der Partner hervorzuheben.<br />
Anhand der Merkmale von <strong>Innovation</strong>en werden Wirkungen von <strong>Innovation</strong>sdienst-<br />
leistungen auf unternehmerische <strong>Innovation</strong>sprozesse kritisch hinterfragt. Insgesamt<br />
kann festgestellt werden, dass die positiven Aspekte der Einbeziehung von IDL über-<br />
wiegen und der IDL-Ansatz das Potenzial hat, die <strong>Innovation</strong>sfähigkeit von Unter-<br />
nehmungen zu steigern. Dazu sind die unterschiedlichen Möglichkeiten der Gestal-<br />
tung in Abhängigkeit von einer Insourcing- oder Outsourcing-Entscheidung differenziert<br />
zu betrachten.<br />
Die drei Kategorien und die beschriebenen Wirkungen von IDL auf unternehmerische<br />
<strong>Innovation</strong>sprozesse bilden die Grundlage für die weiteren Ausführungen. Darin soll<br />
auf den Prozess eines IDL-Transfers von der Anbietersuche bis zur Beendigung der<br />
Kooperationsbeziehung im Detail eingegangen werden.
Wissensbasiertes Management von <strong>Innovation</strong>sdienstleistungen 139<br />
6 Wissensbasiertes Management von <strong>Innovation</strong>sprozessen<br />
„Mit der Produktion von Wissen alleine lassen sich noch keine Wettbewerbsvorteile<br />
gewinnen, sondern erst durch die Anwendung von Wissen bei der Lösung von Aufgaben,<br />
die der Kunde honoriert.“ (Zahn, E.) 172<br />
Das Management von <strong>Innovation</strong>sprozessen und der da<strong>mit</strong> verbundene Kompe-<br />
tenzaufbau ist <strong>mit</strong> Aufgaben und Entscheidungen verbundenen, die zukunftsweisend<br />
für die <strong>Innovation</strong>sfähigkeit von Unternehmungen sind. In diesem Kapitel wird nun<br />
ein Vorschlag für die Gestaltung von <strong>Innovation</strong>sprozessen in Unternehmungen unter<br />
Einbeziehung von <strong>Innovation</strong>sdienstleistungen vorgestellt. Im Vordergrund der Be-<br />
trachtungen steht dabei die Erweiterung der innovationsrelevanten organisationalen<br />
Wissensbasis zur Erhöhung der unternehmerischen <strong>Innovation</strong>sfähigkeit.<br />
Erkenntnisse aus den bisherigen Ausführungen, insbesondere die Ansätze die an-<br />
hand der Anwendung des „Bezugsrahmen zur Analyse und Gestaltung von Wissens-<br />
systemen“ auf IDL aufgezeigt wurden, bilden den Kontext dafür. Dazu ist grundsätz-<br />
lich anzumerken, dass die Anzahl und die Ausprägungen unterschiedlicher Parame-<br />
ter in der Praxis natürlich von Fall zu Fall unterschiedlich sein werden. An dieser<br />
Stelle können lediglich grundsätzliche Möglichkeiten der Gestaltung aufgezeigt werden,<br />
die in der jeweiligen Anwendung zweckorientiert adaptiert werden müssen.<br />
<strong>Innovation</strong>sprozesse begründen zukünftige Möglichkeiten der Wertschöpfung einer<br />
Unternehmung. Sieht man eine Unternehmung als wertsteigerndes Ressourcen-<br />
Umwandlungssystem, so sind zahlreiche Austausch- und Einwirkungsprozesse von<br />
Bedeutung. In Abbildung 6-1 werden Ressourcenströme von der Unternehmung zu<br />
den „Stakeholdern“ und umgekehrt beispielhaft dargestellt.<br />
Für die weiteren Betrachtungen sind vor allem die verbündeten Unternehmungen<br />
und hier speziell die Anbieter von Ressourcen in der Form von <strong>Innovation</strong>sdienstlei-<br />
stungen von großer Bedeutung. Da<strong>mit</strong> das Zusammenspiel interner und externer<br />
Ressourcen bei <strong>Innovation</strong>en überhaupt funktionieren kann, muss eine grundsätzlich<br />
positive Einstellung gegenüber Veränderungsprozessen in der Unternehmung vor-<br />
handen sein bzw. aufgebaut werden. Ein positives <strong>Innovation</strong>sklima kann aber nicht<br />
durch das Führungsteam „geschaffen“ werden, sondern ist das Ergebnis einer offe-<br />
¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯<br />
172 Zahn, E.: Wissen und Strategie, in: Bürgel, H. (Hrsg.): <strong>Wissensmanagement</strong>, Berlin/Heidelberg/New<br />
York 1998, S. 46
Wissensbasiertes Management von <strong>Innovation</strong>sdienstleistungen 140<br />
nen, jahrelangen auf Vertrauen ausgerichteten Zusammenarbeit in der Unternehmung<br />
Lieferanten<br />
Arbeitnehmer<br />
Ressourcen-Inputs<br />
Angemessene<br />
Gegenleistungen<br />
Anteilseigner und „Financial Community“<br />
Forschung und Entwicklung<br />
Beschaffung Absatz<br />
Produktion<br />
Gesellschaft Verbündete Unternehmen<br />
Abnehmer<br />
Abbildung 6-1: Die Unternehmung als wertsteigerndes Umwandlungssystem von<br />
Ressourcen (Hinterhuber, H.H.) 173<br />
Das <strong>Innovation</strong>spotenzial einer Unternehmung wird von der Qualität und der Quanti-<br />
tät verfügbarer Ressourcen <strong>mit</strong>geprägt. Die Entscheidung über das In- oder<br />
Outsourcing von Ressourcen beeinflusst den Kompetenzaufbau und die Unterneh-<br />
mungsentwicklung nachhaltig. Das Management interner und externer Ressourcen<br />
für den Aufbau, die Pflege und die Nutzung von Kernkompetenzen und Erfolgsposi-<br />
tionen ist als strategische Aufgabe <strong>mit</strong> höchster Bedeutung für einen nachhaltigen<br />
Unternehmungserfolg zu sehen.<br />
6.1 <strong>Innovation</strong> als Herausforderung für das strategische<br />
Management<br />
Moltke 174 versteht unter Strategie die „Fortbildung des ursprünglich leitenden Gedan-<br />
kens entsprechend den stets sich ändernden Verhältnissen.“ Strategische Planung<br />
und strategische Unternehmensführung bilden die Grundlage für den wirtschaftlichen<br />
Einsatz knapper Ressourcen. Strategische Planung wäre hinfällig, wenn auch in der<br />
Zukunft befriedigende Wirtschaftsergebnisse <strong>mit</strong> den Ressourcen und Methoden der<br />
¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯<br />
173<br />
Hinterhuber, H.H.: Strategische Unternehmensführung, I. Strategisches Denken, 6. Auflage, Berlin/New<br />
York 1996, S. 2<br />
174<br />
Moltke, H.: Militärische Werke, Berlin 1890-1912, zitiert in: Hinterhuber, H.H.: a.a.O., S. 18
Wissensbasiertes Management von <strong>Innovation</strong>sdienstleistungen 141<br />
Vergangenheit zu erzielen sind. Wie in Kapitel 1 beschrieben, kann davon nicht die<br />
Rede sein. Im Gegenteil, die vorherrschende <strong>Innovation</strong>sdynamik führt dazu, dass<br />
der strategischen Unternehmensführung immer größere Bedeutung zugemessen<br />
werden muss. <strong>Innovation</strong>sdynamik kann nach Ramsauer 175 anhand der Merkmale<br />
Neuheitsgrad und Frequenz bewertet werden. Dabei werden beim Neuheitsgrad Modifikation,<br />
I<strong>mit</strong>ation und Invention unterschieden.<br />
Unternehmensstrategien legen die grundsätzlichen Betätigungsfelder einer Unter-<br />
nehmung fest. Dazu zählen angestrebte Kompetenzfelder, Leistungen, Märkte, etc.,<br />
die wiederum die Basis für die Bildung von Strategien auf der Ebene von strategi-<br />
schen Geschäftseinheiten bilden (Hinterhuber, H.H.). 176 Grundsätzlich findet man in<br />
der Literatur heute zwei unterschiedliche Ansätze zur Strategiebildung vor (vgl.<br />
Abbildung 6-2). Den marktorientierten und den ressourcenorientierten Strategieansatz.<br />
Wie ist es trotz Wettbewerb möglich, einen dauerhaften<br />
überdurchschnittlichen Unternehmenserfolg zu erzielen?<br />
Marktorientierte<br />
Unternehmensstrategie<br />
(Porter)<br />
�Ausnutzung von<br />
Unvollkommenheiten auf<br />
dem (Absatz)-Markt<br />
�Annahme: Die Ressourcen<br />
einer Branche sind<br />
homogen und mobil<br />
Wahl von attraktiven<br />
Branchen / Produkten<br />
Ressourcenorientierte<br />
Unternehmensstrategie<br />
(Prahalad/Hamel)<br />
�Ausnutzung der<br />
Einzigartigkeit von<br />
Ressourcen<br />
�Annahme: Die Ressourcen<br />
einer Branche sind<br />
heterogen und immobil<br />
Schaffung von einzigartigen<br />
Kernkompetenzen<br />
Abbildung 6-2: Grundfragen der Unternehmensstrategie (Osterloh, M.; Frost, J.) 177<br />
¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯<br />
175<br />
Vgl. Ramsauer, C.: Zur Berücksichtigung der <strong>Innovation</strong>sdynamik in PPS-Systemen, Dissertation,<br />
Technische Universität Graz 1996, S. 60ff<br />
176<br />
Hinterhuber, H.H.: Strategische Unternehmensführung, I. Strategisches Denken, 6. Auflage, Berlin/New<br />
York 1996, S. 171<br />
177<br />
Vgl. Osterloh, M.; Frost, J.: Prozessmanagement als Kernkompetenz: wie Sie Business Reengineering<br />
strategisch nutzen können, Wiesbaden 1996, S. 144
Wissensbasiertes Management von <strong>Innovation</strong>sdienstleistungen 142<br />
Dabei ist der marktorientierte Ansatz vorrangig auf das „Fit“ - die Anpassung - aus-<br />
gelegt. Dahinter steckt die Idee, dass konsequent Stärken und Schwächen der Un-<br />
ternehmung <strong>mit</strong> den Chancen und Risken des Unternehmungsumfeldes in Einklang<br />
gebracht werden müssen. Die Kritik an dieser Methode ist darin zu sehen, dass man<br />
sich erst anpassen kann, wenn man weiß woran man sich anpassen soll. Sich an<br />
den Kundenbedürfnissen zu orientieren ist schwierig, da der Kunde in der Regel<br />
nicht weiß, welche Bedürfnisse er in Zukunft haben wird. Vielmehr sollte die Unter-<br />
nehmung die Produkte und Märkte von morgen selber gestalten, anstatt sich ständig<br />
an anderen zu orientieren (Hamel, G.; Prahalad, C.K.). 178<br />
Anstelle des „Fit“ sollte daher ein „Stretch and Leverage“ treten, das ein „misfit“ zwi-<br />
schen der gegenwärtigen Ressourcenausstattung und den visionären Zielen auflöst.<br />
Beim ressourcenorientierten Strategieansatz ist das primäre Ziel nicht mehr die Auf-<br />
teilung gegenwärtiger Ressourcen, sondern die Erzielung einer Hebelwirkung <strong>mit</strong> der<br />
die vorhandenen Ressourcen in ihrer Wirkung weiterentwickelt und vervielfacht wer-<br />
den. Da<strong>mit</strong> wird die Herstellung einer Spannung („Stretch“) zwischen der gegenwär-<br />
tigen Ressourcenausstattung und den Zielen die wichtigste Aufgabe des Topmanagements<br />
(Hamel, G.; Prahalad, C.K.). 179<br />
Beiden strategischen Ansätzen ist aber eines gemeinsam. Sowohl der marktorien-<br />
tierte als auch der ressourcenorientierte Strategieansatz bauen auf die selbe Grund-<br />
frage auf: Wie ist es trotz Wettbewerbs möglich, einen dauerhaften, überdurch-<br />
schnittlichen Unternehmenserfolg zu erzielen? Je nach gewähltem Ansatz fallen die<br />
Antworten darauf unterschiedlich aus.<br />
6.1.1 Marktorientierte Unternehmensstrategie<br />
In der marktorientierten Unternehmensstrategie wird die Quelle des nachhaltigen<br />
Wettbewerbsvorteils in der Unvollkommenheit des Absatzmarktes gesehen, die aus-<br />
genutzt werden kann, um die Marktanteile zu vergrößern (Porter, M.E.). 180 Das Ziel<br />
dieser Strategie besteht darin, Branchen herauszufinden, bei denen die Marktunvoll-<br />
kommenheit groß genug ist, da<strong>mit</strong> möglichst lange eine monopolistischen Rente erzielt<br />
werden kann.<br />
¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯<br />
178 Vgl. Hamel, G.; Prahalad, C.K.: Competing for the future, Boston, 1994, S. 33f<br />
179 Vgl. Hamel, G.; Prahalad, C.K.: Strategy as Stretch and Leverage, in: HBR, 71(1993)2, zitiert in:<br />
Osterloh, M.; Frost, J.: Prozessmanagement als Kernkompetenz: wie Sie Business Reengineering<br />
strategisch nutzen können, Wiesbaden 1996, S. 143<br />
180 Vgl. Porter, M.E.: Competitive Advantage. Creating and Sustaining Superior Performance, New<br />
York 1985
Wissensbasiertes Management von <strong>Innovation</strong>sdienstleistungen 143<br />
Eine häufig anzutreffende Ausprägung marktorientierter Unternehmensstrategie se-<br />
lektiert Märkte anhand einer SWOT-Analyse (Strengths, Weaknesses, Opportunities,<br />
Threats). Dabei werden die Chancen und Risken des Unternehmungsumfeldes den<br />
Stärken und Schwächen der Unternehmung gegenübergestellt (vgl. Abbildung 6-3).<br />
Chancen und Risken der Märkte werden durch eine Analyse der relevanten Bran-<br />
chenumwelt er<strong>mit</strong>telt. Die Intensität des Wettbewerbs kann dabei nach Porter durch<br />
fünf Kräfte bestimmt werden (Porter, M.E.): 181<br />
? Wettbewerber in der Branche<br />
? Bedrohung durch neue Konkurrenten<br />
? Verhandlungsstärke der Lieferanten<br />
? Verhandlungsmacht der Abnehmer<br />
? Bedrohung durch Ersatzprodukte und -dienste<br />
Marktorientierte Unternehmensstrategie<br />
Zentrale Frage: "What is our Business?"<br />
MARKT<br />
Chancen / Gefahren - Analyse<br />
(Branchenanalyse)<br />
�Anbieterkonzentration<br />
�Markteintrittsbarrieren<br />
�Bedrohung durch Substitute<br />
�Macht von Abnehmern und<br />
Lieferanten<br />
Fit<br />
Monopolistische Rente<br />
UNTERNEHMEN<br />
Stärken / Schwächen - Analyse<br />
(Wertkettenanalyse)<br />
�Kostenführerschaft<br />
�Produktdifferenzierung<br />
�Konzentration auf<br />
Schwerpunkte<br />
Verringerung der Wettbewerbsintensität<br />
Abbildung 6-3: Marktorientierte Unternehmensstrategie (Osterloh, M.; Frost, J.) 182<br />
¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯<br />
181<br />
Vgl. Porter, M.E.: Competitive Advantage. Creating and Sustaining Superior Performance, New<br />
York 1985, S. 5<br />
182<br />
Osterloh, M.; Frost, J.: Prozessmanagement als Kernkompetenz: wie Sie Business Reengineering<br />
strategisch nutzen können, Wiesbaden 1996, S. 146
Wissensbasiertes Management von <strong>Innovation</strong>sdienstleistungen 144<br />
Stärken und Schwächen der Unternehmung können anhand der internen Wert-<br />
schöpfungskette untersucht werden. Dabei werden die unternehmenseigenen Res-<br />
sourcen in Relation zu den Ressourcen der Wettbewerber untersucht. Da<strong>mit</strong> können<br />
Entscheidungen über Kostenführerschaft, Produktdifferenzierung oder Konzentration<br />
auf Schwerpunkte in einem Geschäftsbereich oder Diversifikation in mehrere Geschäftsbereiche<br />
getroffen werden.<br />
Ressourcen spielten seit jeher auch in der marktorientierten Strategie eine Rolle. Im<br />
Unterschied zur ressourcenorientierten Strategie werden Ressourcen dabei aber als<br />
gegebene, bekannte Alternativen gesehen, zwischen denen das Management eine<br />
Auswahl treffen kann. Die Herkunft und Dauerhaftigkeit dieser Ressourcen wird nicht<br />
untersucht. Auch <strong>Innovation</strong>en werden auf die rationale Wahl zwischen gegebenen<br />
Alternativen reduziert. Nicht berücksichtigt wird außerdem, dass<br />
? die möglichen Alternativen nicht von vornherein bekannt sind,<br />
? die Wahrnehmung von Möglichkeiten von der Organisationsform beeinflusst wird,<br />
? <strong>Innovation</strong>en nicht einfach i<strong>mit</strong>iert werden können, sondern nur nutzbar sind,<br />
wenn sie auf ausreichendes Basiswissen treffen.<br />
Die marktorientierte Unternehmensstrategie lässt viele Fragen offen, die heute im<br />
Zuge der lernenden Organisation diskutiert werden. Gerade die drei zuletzt genannte<br />
Punkte bilden zentrale Fragestellungen in der ressourcenbasierten Unternehmensstrategie.<br />
Neben Hamel/Prahalad ist auch bei Pümpin 183 eine Tendenz zur ressourcenorien-<br />
tierten Unternehmensstrategie erkennbar. Er verwendet in diesem Zusammenhang<br />
den Begriff der „Strategischen Erfolgsposition“, die er folgendermaßen definiert: Eine<br />
strategische Erfolgsposition ist die Fähigkeit einer Unternehmung, Nutzenpotenziale<br />
(Quellen der Wertschöpfung) erschließen zu können, die es ihm erlauben, längerfristig<br />
überdurchschnittliche Ergebnisse zu erzielen.<br />
6.1.2 Ressourcenorientierte Unternehmensstrategie<br />
Die ressourcenbasierte Unternehmensstrategie baut auf die Beobachtung, dass die<br />
menschliche Leistungsfähigkeit in Organisationen je nach kultureller Basis, firmen-<br />
spezifischen Eigenheiten und individuellem Kontextwissen unterschiedlich ist. Die<br />
¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯<br />
183 Vgl. Pümpin, C.: Strategische Erfolgspositionen: Methodik der dynamischen strategischen Unter-<br />
nehmensführung, S. 28
Wissensbasiertes Management von <strong>Innovation</strong>sdienstleistungen 145<br />
organisatorische Wissens- und Handlungsbasis beeinflusst daher maßgeblich den<br />
strategischen Spielraum einer Unternehmung.<br />
Kernkompetenzen sind Ressourcenbündel, die auf organisationalen Routinen basie-<br />
ren. Sie begründen durch Koordination von Wissen, Fertigkeiten und tangiblen Res-<br />
sourcen die Problemlösungsfähigkeit der Unternehmung. Während die Konzentration<br />
auf Kerngeschäfte für das defensive Absichern und den Ausbau „traditioneller“ Ge-<br />
winnpotenziale steht, zielt die Konzentration auf Kernkompetenzen darauf ab, neue<br />
Möglichkeiten offensiv zu erschließen (vgl. Abbildung 6-4).<br />
Ressourcenorientierte Unternehmensstrategie<br />
Zentrale Frage: "What Business are we capable of doing?"<br />
MARKT UNTERNEHMEN<br />
Wert<br />
� Zugang zu potenziellen Märkten<br />
� Von Kunden wahrgenommener,<br />
geldwerter Zusatznutzen<br />
Ressourcen<br />
Stretch<br />
Effizienzrente<br />
�Knapp<br />
Kernkompetenzen<br />
Heterogenität und<br />
Immobilität<br />
�Schwer i<strong>mit</strong>ierbar<br />
�Schwer substituierbar<br />
Abbildung 6-4: Ressourcenorientierte Unternehmensstrategie (Osterloh, M.;<br />
Frost, J.) 184<br />
Der marktorientierte Ansatz geht davon aus, dass alle Unternehmungen auf die glei-<br />
chen Ressourcen zurückgreifen können. Die Marktunvollkommenheit auf den Be-<br />
schaffungsmärkten ist aber gerade bei immateriellen Ressourcen, wie z.B. Wissen<br />
gegeben. Für den Aufbau von diesen Ressourcen sind in der Regel lange Zeiträume<br />
in Kauf zu nehmen.<br />
¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯<br />
184 Osterloh, M.; Frost, J.: Prozessmanagement als Kernkompetenz: wie Sie Business Reengineering<br />
strategisch nutzen können, Wiesbaden 1996, S. 150
Wissensbasiertes Management von <strong>Innovation</strong>sdienstleistungen 146<br />
Anhand des Kernkompetenz-Ansatzes kann gezeigt werden, dass gerade diese<br />
Ressourcen - die auch als „Intellektuelles Kapital“ einer Unternehmung bezeichnet<br />
werden - die Basis der Wettbewerbsfähigkeit der Zukunft bilden.<br />
Da<strong>mit</strong> verschiebt sich die Betrachtungsweise in der Strategiefindung. Die zentrale<br />
Fragestellung ist nicht mehr „What is our business“, sondern „What business are we<br />
capable of doing“. Der Fokus der strategischen Bestimmungsgrößen verlagert sich<br />
da<strong>mit</strong> aus dem Unternehmungsumfeld auf die Ressourcen der Unternehmung. Aus<br />
dem Umstand heraus, dass Unternehmungsumfeld und insbesondere die Kunden-<br />
wünsche einer hohen Dynamik unterliegen, kann die Fokussierung auf interne Größen<br />
als richtungsweisend und zukunftsträchtig gesehen werden.<br />
Wie bereits in Kapitel 5 beschrieben, kann der Aufbau und die Weiterentwicklung von<br />
Kernkompetenzen selbst als Kernkompetenz gesehen werden. Die dynamische<br />
Kompetenz für das Hervorbringen einer Kernkompetenz ist da<strong>mit</strong> speziell für Innova-<br />
tionen und für die Erschließung neuer Märkte von großer Bedeutung. Osterloh/Frost<br />
stellen in einer Analogie fest, dass aus ressourcenorientierter Sicht die marktorien-<br />
tierte Unternehmensstrategie sich auf die letzten 500 Meter eines Marathonlaufes<br />
beschränkt. Wichtiger für die Wettbewerbsfähigkeit einer Unternehmung sind aller-<br />
dings die 42 Kilometer davor, denn dort werden die Grundlagen für den „Sieg“ gelegt.<br />
Auf die Unternehmung bezogen sind diese Grundlagen der Wissenserwerb und der<br />
Wissenstransfer.<br />
Da<strong>mit</strong> wird das Denken in Produktlebenszyklen durch das Denken in Kernkompeten-<br />
zen ergänzt. Diese können aufbauend auf die Definition in Kapitel 5, ergänzt um die<br />
Überlegungen zur ressourcenorientierten Unternehmensstrategie folgendermaßen<br />
beschrieben werden (Osterloh, M.; Frost, J.): 185 Kernkompetenzen<br />
? sind wissensbasiert,<br />
? sind beschränkt handelbar,<br />
? sind unternehmensspezifisch, d.h. ihr Aufbau erfordert irreversible Investitionen,<br />
welche die Strategie einer Unternehmung langfristig festlegen,<br />
? bringen dem Kunden einen wahrnehmbaren, geldwerten Zusatznutzen,<br />
? sind schwer i<strong>mit</strong>ierbar (z.B. durch Benchmarking),<br />
? sind schwer substituierbar (z.B. durch Outsourcing),<br />
? erschließen neue Produkte und Märkte.<br />
¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯<br />
185 Osterloh, M.; Frost, J.: Prozessmanagement als Kernkompetenz: wie Sie Business Reengineering<br />
strategisch nutzen können, Wiesbaden 1996, S. 155
Wissensbasiertes Management von <strong>Innovation</strong>sdienstleistungen 147<br />
Die ersten vier Eigenschaften einer Kernkompetenz sind auch <strong>mit</strong> der marktorien-<br />
tierten Unternehmensstrategie kompatibel. Aber erst das Vorliegen aller sieben Ei-<br />
genschaften führt zu den geforderten Kompetenzen zur Realisierung einer ressourcenorientierten<br />
Strategie.<br />
„We are not arguing that core competence perspective should supplant a product-<br />
market perspective; rather, it should complement it.“ (Hamel, G.; Prahalad, C.K .) 186<br />
Das Streben nach einem „Fit“ spielt nach Ansicht von Hamel/Prahalad als wettbe-<br />
werbskritischer Faktor nach wie vor eine Rolle. Als alleiniger differenzierender Wett-<br />
bewerbsvorteil ist „Anpassung“ allerdings nicht ausreichend, sondern lediglich eine<br />
Voraussetzung für den Markteintritt.<br />
6.1.3 Prozess der Strategieentwicklung<br />
Als ein Element von vielen, ist die <strong>Innovation</strong>sstrategie in das strategische Unter-<br />
nehmungskonzept eingebettet. Auch eine <strong>Innovation</strong>sstrategie entsteht aus der Aus-<br />
einandersetzung <strong>mit</strong> drei unternehmerischen Grundfragen (Vgl. Wohinz, J.W.; Willfort,<br />
R.): 187<br />
? Wo stehen wir ? (Analyse der aktuellen Situation)<br />
? Wo wollen wir hin ? (Formulierung von Zielen)<br />
? Wie gelangen wir dorthin ? (Wahl der Strategie)<br />
Im Zusammenhang <strong>mit</strong> strategisch orientiertem <strong>Innovation</strong>smanagement bedeutet<br />
dies ein permanentes Abarbeiten der Phasen Analyse, Strategieentwicklung, Strate-<br />
gieumsetzung und Strategieüberwachung (vgl. Abbildung 6-5). Die Analyse strategi-<br />
scher Basisdaten muss daher einerseits nach Außen gerichtet sein, um die Anforderungen<br />
der zukünftigen Märkte richtig einschätzen zu können.<br />
Als Basis dafür müssen aber andererseits bestehende Kernkompetenzen identifiziert<br />
bzw. entwickelt werden, um den Ressourcenbedarf für den Aufbau von Kernkompe-<br />
tenzen abschätzen zu können. Die Ergebnisse dieser Analyse fließen in die Strate-<br />
gieentwicklung ein, die als Ergebnis die zukünftige <strong>Innovation</strong>sstrategie definiert. Dabei<br />
sind folgende Fragen zu klären (Hamel, G.; Prahalad, C.K.): 188<br />
¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯<br />
186 Hamel, G.; Prahalad, C.K.: Competing for the future, Boston, 1994, S. 258<br />
187 Vgl. Wohinz, J.W.; Willfort, R.: <strong>Innovation</strong>sdienstleistungen - Ein Outsourcing-Ansatz im <strong>Innovation</strong>sprozess,<br />
in: Seicht, G. (Hrsg.): JdR 2000, Wien 2000, S. 382f<br />
188 Vgl. Hamel, G.; Prahalad, C.K.: Competing for the future, Boston, 1994, S. 4
Wissensbasiertes Management von <strong>Innovation</strong>sdienstleistungen 148<br />
? Welche neuen Produkte und Dienstleistungen sollen eingeführt werden?<br />
? Welche neuen Kernkompetenzen müssen aufgebaut werden?<br />
? Welche neuen Organisationsformen sind zweckmäßig?<br />
? Was sind Bestimmungsgrößen der strategischen Planung?<br />
? Welche Kooperationen sollen eingegangen werden?<br />
Strategieüberwachung<br />
Analyse strategischer<br />
Basisdaten<br />
Strategisches<br />
<strong>Innovation</strong>smanagement<br />
Strategieumsetzung<br />
Abbildung 6-5: Kreislauf des strategischen <strong>Innovation</strong>smanagements (Pümpin, C.) 189<br />
In der Phase der Strategieumsetzung muss das strategische <strong>Innovation</strong>smanage-<br />
ment aus der Bandbreite des möglichen Handlungsspektrums die optimale Auswahl<br />
treffen, um die strategischen Zielsetzungen zu erreichen (vgl. Abbildung 6-6). Der<br />
Kreislauf wird durch die Überwachung der strategischen Ziele abgeschlossen.<br />
Das strategische <strong>Innovation</strong>smanagement hat dafür zu sorgen, dass eine Unterneh-<br />
mung auf die Herausforderungen der Zukunft vorzubereitet wird. Nicht reagieren<br />
(Fit), sondern agieren (Stretch) sollte das Motto einer zukunftsweisenden Innovati-<br />
onsstrategie sein. Empirische Erhebungen und Beobachtungen spiegeln ein Bild<br />
wieder, das in dieser Hinsicht wenig Optimismus verbreitet. So sind Hamel/Prahalad<br />
190 der Meinung, dass<br />
? 40% der Zeit der obersten Führungskräfte <strong>mit</strong> Aktivitäten verbunden ist, die nach<br />
außen gerichtet sind,<br />
¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯<br />
189 Vgl. Pümpin, C.: Strategische Erfolgspositionen: Methodik der dynamischen strategischen Unternehmensführung,<br />
Bern/Stuttgart 1992, S. 17<br />
190 Vgl. Hamel, G.; Prahalad, C.K.: Competing for the future, Boston, 1994, S. 4<br />
Strategieentwicklung
Wissensbasiertes Management von <strong>Innovation</strong>sdienstleistungen 149<br />
? 30% dieser Zeit dafür verwendet wird, 3-5 Jahre oder mehr Jahre in die Zukunft<br />
zu blicken und<br />
? wiederum nur 20% davon für die Gestaltung der Zukunft gemeinsam <strong>mit</strong> den Mit-<br />
arbeitern genützt wird.<br />
Die Multiplikation dieser Zahlen ergibt einen Wert von 2,4%, d.h. die Unternehmens-<br />
führung wendet durchschnittlich 2,4% der Arbeitszeit für den Aufbau einer Zukunfts-<br />
perspektive für die Unternehmung auf. Es stellt sich die Frage, ob dieser Zeitaufwand<br />
für die strategische Führung einer Unternehmung ausreicht.<br />
Heutige<br />
Umwelt<br />
Unternehmung<br />
Heute<br />
Strategische<br />
Alternativen<br />
Unternehmung<br />
in der Zukunft<br />
Zukünftige<br />
Umwelt<br />
Abbildung 6-6: Strategischer Handlungsspielraum (Hinterhuber, H.H.) 191<br />
6.1.4 <strong>Innovation</strong>sstrategie und Organisation<br />
„<strong>Innovation</strong>en sind nicht Routine, sollen es aber eines Tages werden.“<br />
(Hauschildt, J.) 192<br />
Organisationen müssen so gestaltet sein, dass sie zur Umsetzung von Strategien<br />
geeignet sind („structure follows strategy“). Weiters müssen Organisationen aber<br />
auch zur Generierung von Strategien geeignet sein („strategy follows structure“).<br />
Da<strong>mit</strong> wirken Strategie und Organisation wechselweise aufeinander ein und gestalten<br />
einander (vgl. Abbildung 6-7).<br />
Die zuvor dargestellte Gewichtung zukunftsorientierter Aktivitäten, die auch 40/30/20-<br />
Regel genannt wird, weist darauf hin, dass für <strong>Innovation</strong>sprozesse bislang eher we-<br />
nig Zeit eingeplant wurde. Der Aufbau von Organisationen ist in der Regel auch nicht<br />
¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯<br />
191<br />
Hinterhuber, H.H.: Strategische Unternehmensführung: I. Strategisches Denken, 6. Auflage, Berlin/New<br />
York 1996, S. 141<br />
192<br />
Hauschildt, J.: <strong>Innovation</strong>smanagement, 2. Auflage München 1997, S. 42
Wissensbasiertes Management von <strong>Innovation</strong>sdienstleistungen 150<br />
für <strong>Innovation</strong>sprozesse konzipiert. Organisationen wurden und werden dafür ge-<br />
schaffen, um häufig wiederkehrende Routineprozesse schnell, sicher, zuverlässig<br />
und kostengünstig zu bewältigen.<br />
ermöglicht<br />
neue<br />
Strategien<br />
Strategie<br />
Organisationsstruktur<br />
erfordert<br />
neue<br />
Strukturen<br />
Abbildung 6-7: Wechselwirkung von Strategie und Organisationsstruktur (Müller-<br />
Stewens, G.) 193<br />
Im Gegensatz zu Routineprozessen sind <strong>Innovation</strong>sprozesse einmalige, und, durch<br />
das Wesen einer <strong>Innovation</strong> bedingt, auch erstmalige Ereignisse in einer Unterneh-<br />
mung. Diese sind <strong>mit</strong> den heute üblichen Formen der Organisation nur schwer zu<br />
bewältigen. Daher sollte die Eignung der bestehenden Organisationsform bei strate-<br />
gischen Überlegungen zur Bewältigung von <strong>Innovation</strong>sprozessen auf jeden Fall<br />
hinterfragt werden. In Abbildung 6-8 werden mögliche organisatorische Konsequenzen<br />
in Abhängigkeit von der gewählten <strong>Innovation</strong>sstrategie aufgezeigt.<br />
In bezug auf Produkt- und Prozessinnovationen stellt sich grundsätzlich die Frage,<br />
ob <strong>Innovation</strong>en überhaupt in der eigenen Unternehmung entwickelt werden sollen?<br />
Eine Möglichkeit wäre der Zukauf von <strong>Innovation</strong>en oder das Verharren in der beste-<br />
henden Situation. Vor allem der zuletzt genannte Weg kann im Trend der immer kür-<br />
zer werdenden Produktlebenszyklen <strong>mit</strong>tel- bis langfristig gravierende Folgen für den<br />
Fortbestand der Unternehmung haben.<br />
Die weiteren Überlegungen bauen daher darauf auf, dass <strong>Innovation</strong> zumindest teil-<br />
weise in der Unternehmung stattfindet bzw. von dort aus organisiert wird. Der hier<br />
vertretene Ansatz der <strong>Innovation</strong>sdienstleistung steht für eine <strong>Innovation</strong>sstrategie in<br />
Kooperation <strong>mit</strong> anderen Unternehmungen, die als <strong>Innovation</strong>sdienstleister in unter-<br />
nehmerische <strong>Innovation</strong>sprozesse eingebunden werden. <strong>Innovation</strong>sdienstleistungen<br />
¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯<br />
193 Müller-Stewens, G.: Virtualisierung von Organisationen, Stuttgart 1997, S. 19
Wissensbasiertes Management von <strong>Innovation</strong>sdienstleistungen 151<br />
ermöglichen dem zuvor beschriebenen organisatorischen Dilemma entgegenzuwir-<br />
ken. Durch Kooperation <strong>mit</strong> <strong>Innovation</strong>sdienstleistern kann der Stammorganisation<br />
eine innovationsfreundlichere Organisation temporär überlagert werden.<br />
Eigene <strong>Innovation</strong><br />
angestrebt?<br />
<strong>Innovation</strong> im<br />
eigenen Haus?<br />
<strong>Innovation</strong> als<br />
Daueraufgabe?<br />
<strong>Innovation</strong> als<br />
Spezialaufgabe?<br />
Mischung mehrerer<br />
Strategien gewollt?<br />
Start<br />
nein<br />
Übernahme<br />
fremder<br />
<strong>Innovation</strong>en?<br />
ja ja<br />
nein<br />
In Kooperation<br />
<strong>mit</strong> anderen?<br />
ja ja<br />
ja<br />
nein<br />
ja<br />
nein nein<br />
nein<br />
ja<br />
Realisierung<br />
projektbezogen?<br />
nein<br />
nein<br />
ja<br />
Strategisches Festhalten an<br />
gegebenen Produkten oder<br />
Verfahren<br />
<strong>Innovation</strong>seinkauf,<br />
<strong>Innovation</strong>smanagement,<br />
Lizenznahme<br />
Akquisition innovativer<br />
Unternehmen, <strong>Innovation</strong> im<br />
Konzernverbund<br />
Auftragsforschung,<br />
<strong>Innovation</strong>skooperation,<br />
Gemeinschaftsforschung<br />
Einzel-Projektmanagement<br />
Multi-Projektmanagement<br />
Forschung- und<br />
Entwicklungs-Abteilungen<br />
ganzheitlich<br />
innovationsbewusste<br />
Unternehmung<br />
unternehmensspezifische<br />
Strategiekombination<br />
Abbildung 6-8: <strong>Innovation</strong>sstrategien und ihre organisatorischen Konsequenzen<br />
(Hauschildt, J.) 194<br />
¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯<br />
194 Hauschildt, J.: <strong>Innovation</strong>smanagement, 2. Auflage, München 1997, S. 47
Wissensbasiertes Management von <strong>Innovation</strong>sdienstleistungen 152<br />
Die Bandbreite der Möglichkeiten <strong>Innovation</strong>sdienstleistungen einzubeziehen reicht<br />
vom einzelnen <strong>Innovation</strong>sprojekt bis zur Realisierung einer ganzheitlich innovati-<br />
onsbewussten Unternehmung auf Basis einer unternehmensübergreifenden Innova-<br />
tionsplattform. Dadurch kann die heute notwendige Flexibilisierung von Ressourcen<br />
realisiert werden.<br />
Die Kombination und der effektive Einsatz der unternehmensinternen und externen<br />
Ressourcen ist die entscheidende Kernkompetenz im ressourcenorientierten Innova-<br />
tionsmanagement. Wie bereits in Kapitel 5 beschrieben, führt die Fokussierung auf<br />
Kernkompetenzen auch zum Outsourcing von Kompetenzen. Dieser Schritt hat weit-<br />
reichende Konsequenzen für die Entwicklung der unternehmerischen <strong>Innovation</strong>sfä-<br />
higkeit. In Abbildung 6-9 werden wesentliche Aspekte der strategischen Planung in<br />
Abhängigkeit von In- oder Outsourcing von Kompetenzen aufgezeigt.<br />
Wenn Dritte dafür<br />
besser qualifiziert sind<br />
Vermeidung von<br />
Abhängigkeiten<br />
Human Resource<br />
Management<br />
Strategie<br />
Outsourcing Konzentration auf<br />
Kernkompetenzen<br />
Ziel: „World<br />
Class Player“<br />
Prozessmanagement<br />
Abschirmung und<br />
Weiterentwicklung der<br />
Kernkompetenzen<br />
Abbildung 6-9: Schwerpunkte im strategischen Management (Hinterhuber, H.H.) 195<br />
Die Konzentration auf Kernkompetenzen - das Insourcing - sollte darauf ausgerichtet<br />
sein, die wesentlichen eigenen Kompetenzen zum „World Class Player“ auszubauen<br />
und laufend weiterzuentwickeln. Als weiterer Aspekt kommt da<strong>mit</strong> auch der Abschir-<br />
mung dieser Kernkompetenzen vor anderen eine hohe Bedeutung zu. Die Schutzrechtestrategie<br />
der Unternehmung kann dabei eine wichtige Rolle spielen.<br />
¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯<br />
195 Hinterhuber, H.H.: Strategische Unternehmensführung: I. Strategisches Denken, 6. Auflage, Ber-<br />
lin/New York 1996, S. 65
Wissensbasiertes Management von <strong>Innovation</strong>sdienstleistungen 153<br />
Das Outsourcing von Kompetenz ermöglicht den Zugriff auf Ressourcen Dritter, die<br />
dafür besser qualifiziert sind. Dazu müssen Kooperationen zu anderen Unterneh-<br />
mungen aufgebaut werden, die wiederum zu Abhängigkeiten führen. Gerade im Falle<br />
von <strong>Innovation</strong>saktivitäten sollte darauf besonders geachtet werden. Prozessmana-<br />
gement und Human Resource Management können als weitere Aspekte der <strong>Innovation</strong>sstrategie<br />
genannt werden.<br />
6.2 IDL im strategischen <strong>Innovation</strong>smanagement<br />
Die Einbeziehung externer Ressourcen in das betriebliche <strong>Innovation</strong>smanagement<br />
kann als strategische Entscheidung <strong>mit</strong> weitrechenden Konsequenzen für die Ent-<br />
wicklung der <strong>Innovation</strong>sfähigkeit einer Unternehmung gesehen werden. Daher soll<br />
nun aufbauend auf die bisherigen Ausführungen ein Vorschlag für die Umsetzung<br />
einer <strong>Innovation</strong>sstrategie, die auf dem <strong>Innovation</strong>sdienstleistungs-Ansatz aufbaut,<br />
unterbreitet werden. Die Zusammenfassung der bisherigen strategischen Grundlagen<br />
führen zu einem Bezugsrahmen, der die weitere Arbeit leitet.<br />
Vision / Unternehmensziele<br />
Analyse strategischer<br />
Basisdaten<br />
Prognose der Veränderungen des<br />
Unternehmensumfeldes<br />
<strong>Innovation</strong>smanagement<br />
Aufbau des notwendigen<br />
unternehm. Handlungsspektrums<br />
<strong>Innovation</strong>sstrategieprozess<br />
Strategieentwicklung<br />
Ideengenerierung<br />
Umsetzung<br />
der Strategie<br />
<strong>Innovation</strong>sprozesse<br />
Ideenakzeptierung<br />
Strategieüberwachung<br />
und -anpassung<br />
Ideenrealisierung<br />
Ressourcen- und Kompetenzmanagement<br />
Technologiemanagement<br />
Ideenmanagement<br />
Projektmanagement<br />
Abbildung 6-10: Bezugsrahmen zur Gestaltung von <strong>Innovation</strong>sprozessen
Wissensbasiertes Management von <strong>Innovation</strong>sdienstleistungen 154<br />
6.2.1 Ressourcenorientiertes <strong>Innovation</strong>smanagement<br />
Im betrieblichen <strong>Innovation</strong>smanagement geht es nicht nur mehr um die Anpassung<br />
an das dynamische unternehmerische Umfeld, sondern um die aktive Gestaltung der<br />
Zukunftsmärkte durch <strong>Innovation</strong>en. In Abbildung 6-10 wird ein Kreislauf der Verän-<br />
derung dargestellt, <strong>mit</strong> dem das betriebliche <strong>Innovation</strong>smanagement ständig konfrontiert<br />
ist. Dabei können zwei wesentliche Aktivitäten identifiziert werden:<br />
? Die Prognose der Veränderungen des Unternehmungsumfeldes<br />
? Der Aufbau des notwendigen unternehmerischen Handlungsspektrums<br />
Eine Veränderung der unternehmerischen Tätigkeit durch <strong>Innovation</strong>en baut wie jede<br />
schöpferische Tätigkeit auf eine Vision, die nicht aus den Augen verloren werden<br />
darf. Das Wesen der unternehmerischen Vision liegt daher vorwiegend in den Rich-<br />
tungen, die sie vorgibt und weniger in den Grenzen, die sie setzt (Hinterhuber,<br />
H.H.). 196 Die Vision sollte sich in klaren Zielen ausdrücken. Diese Ziele werden daher<br />
einerseits von der Vision geleitet und andererseits vom zuvor beschriebenen Kreislauf<br />
geprägt.<br />
Die Zukunft kann dadurch aktiv gestaltet werden, indem man das unternehmerische<br />
Handlungsspektrum zielgerichtet auf die Anforderungen zukünftiger Leistungen und<br />
Märkte vorbereitet. In der Praxis geht es dabei um die Ausrichtung, Aufbau und<br />
Weiterentwicklung der Kernkompetenzen der Unternehmung. Die da<strong>mit</strong> verbundenen<br />
Veränderungsprozesse zu gestalten, zu lenken und zu entwickeln, ist Aufgabe des<br />
betrieblichen <strong>Innovation</strong>smanagements, das im Zentrum dieses Zyklus steht.<br />
Der in Abbildung 6-10 linear dargestellte <strong>Innovation</strong>sstrategieprozess kann als Zu-<br />
sammenfassung aller Aktivitäten im <strong>Innovation</strong>smanagement auf strategischer Ebe-<br />
ne verstanden werden. Die strategische Ausrichtung des betrieblichen <strong>Innovation</strong>s-<br />
managements kann so<strong>mit</strong> auch als Kreislauf dargestellt werden, der die Phasen<br />
Analyse, Strategieentwicklung, Strategieumsetzung und Strategieüberwachung re-<br />
kursiv durchläuft. Es wurde lediglich die kreisförmige Darstellung der Abbildung 6-5<br />
zugunsten der Übersicht in eine lineare Pfeildarstellung übergeführt.<br />
¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯<br />
196 Vgl. Hinterhuber, H.H.: Strategische Unternehmensführung: I. Strategisches Denken, 6. Auflage,<br />
Berlin/New York 1996, S. 96
Wissensbasiertes Management von <strong>Innovation</strong>sdienstleistungen 155<br />
Die Grundlogik strategischer Planung im betrieblichen <strong>Innovation</strong>smanagement ist<br />
darin zu sehen, Ressourcen für Erneuerungsprozesse bereitzustellen. Dabei ist das<br />
zentrale Ziel einer <strong>Innovation</strong>sstrategie die Reduzierung der Abhängigkeit von der<br />
Umwelt durch kontinuierliche unternehmerische <strong>Innovation</strong>saktivitäten (Sinatra,<br />
A.). 197 Die Ergebnisse der <strong>Innovation</strong>sstrategie finden ihren Niederschlag in einem<br />
strategischen <strong>Innovation</strong>sprogramm, das ebenso einer ständigen Aktualisierung unterliegt.<br />
In der operativen Ebene geht es darum das strategische Programm in <strong>Innovation</strong>s-<br />
projekten umzusetzen. <strong>Innovation</strong>sprojekte sind in der Regel interdisziplinär besetzt<br />
und werden durch einen oder mehrere Projektverantwortliche(n) geleitet. Für die<br />
weiteren Betrachtungen wird wiederum auf das in Kapitel 2 beschriebene Phasen-<br />
modell aufgebaut, das <strong>Innovation</strong>sprozesse in die Phasen Ideengenerierung, Ideenakzeptierung<br />
und Ideenrealisierung unterteilt.<br />
Der in Abbildung 6-10 dargestellte <strong>Innovation</strong>sprozess steht <strong>mit</strong> vier wichtigen Aufgabenbereichen<br />
der Unternehmung in enger Beziehung:<br />
? dem Ressourcen- und Kompetenzmanagement<br />
? dem Technologiemanagement<br />
? dem Ideenmanagement<br />
? dem Projektmanagement<br />
Einzigartige Kompetenzen bieten im Gegensatz zu einer Monopolstellung nachhalti-<br />
gen Schutz vor Konkurrenz. Die Gegenüberstellung der marktorientierten und der<br />
ressourcenorientierten Unternehmensstrategie hat die hohe Relevanz von Kompe-<br />
tenzen aufgezeigt. Es wurde festgestellt, dass auch die ressourcenorientierte Unter-<br />
nehmensstrategie die Marktorientierung unterstützt. Da der Fokus in diesem Fall<br />
aber nicht auf der Ebene von Endprodukten, sondern auf der Ebene der Kompeten-<br />
zentwicklung liegt, erweist sich dieser Ansatz als pro-aktive Strategie, zur Gestaltung<br />
zukünftiger Märkte.<br />
Der Schwerpunkt der weiteren Arbeit kann daher im Ressourcen- und Kompetenz-<br />
management gesehen werden. Für die Bewältigung von <strong>Innovation</strong>sprozessen kann<br />
durch die Einbeziehung von <strong>Innovation</strong>sdienstleistungen das Ressourcenspektrum<br />
verbreitert werden. Beim Aufbau von „innovationsrelevanten“ Kernkompetenzen zur<br />
¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯<br />
197 Vgl. Sinatra, A.: Die strategische Architektur der diversifizierten Unternehmung, in Hinterhuber,<br />
H.H.; u.a. (Hrsg.): Die Zukunft der diversifizierten Unternehmung, München 2000, S. 46
Wissensbasiertes Management von <strong>Innovation</strong>sdienstleistungen 156<br />
Stärkung der <strong>Innovation</strong>sfähigkeit einer Unternehmung kann vor allem der Ressource<br />
„Wissen“ eine zentrale Bedeutung beigemessen werden.<br />
Auch zur Generierung von Kernkompetenzen müssen <strong>Innovation</strong>sprozesse durch-<br />
laufen werden, die vorerst nicht auf die Entwicklung von Endprodukten, sondern auf<br />
die Steigerung der <strong>Innovation</strong>sfähigkeit der Unternehmung ausgelegt sind. Wie in<br />
Kapitel 2 beschrieben, wird die <strong>Innovation</strong>sfähigkeit einer Unternehmung durch das<br />
<strong>Innovation</strong>spotenzial und das <strong>Innovation</strong>sklima bestimmt. Das <strong>Innovation</strong>spotenzial<br />
wird dabei von Ressourcen gebildet, die in der Lage sind einzigartige Kompetenzen<br />
zu begründen. Externe Ressourcen in der Form von <strong>Innovation</strong>sdienstleistungen<br />
können durch Outsourcing für die Erweiterung bzw. Ergänzung des <strong>Innovation</strong>spo-<br />
tenzials genutzt werden. In Abbildung 6-11 sind die wesentlichen Schritte zur Realisierung<br />
einer ressourcenorientierten <strong>Innovation</strong>sstrategie dargestellt.<br />
Insourcing von<br />
Kompetenzen<br />
Bewertung der innovationsrelevanten<br />
Ressourcen<br />
Insourcing von<br />
Ressourcen<br />
Ressourcenorientierte<br />
<strong>Innovation</strong>sstrategie<br />
Bewertung der innovationsrelevanten<br />
Kompetenzen<br />
Outsourcing von<br />
Kompetenzen<br />
Outsourcing von<br />
Ressourcen<br />
Handlungsorientierte<br />
IDL<br />
Wissensorientierte<br />
IDL<br />
Datenorientierte<br />
IDL<br />
Abbildung 6-11: Entscheidungsbaum der ressourcenorientierten <strong>Innovation</strong>sstrategie<br />
Dazu ist im ersten Schritt eine Bewertung der innovationsrelevanten Kompetenzen<br />
durchzuführen. Diese Kompetenzen werden in hohem Maße von der bisherigen "In-<br />
novations-Geschichte" der Unternehmung geprägt. Durch die Bewertung der Kom-
Wissensbasiertes Management von <strong>Innovation</strong>sdienstleistungen 157<br />
petenzen kann eine In-/Outsourcing-Entscheidung fundiert vorbereitet werden. Das<br />
Outsourcing von Kompetenzen kann <strong>mit</strong> handlungsorientierten <strong>Innovation</strong>sdienstleistungen<br />
realisiert werden.<br />
Auch beim Insourcing von innovationsrelevanten Kompetenzen spielen <strong>Innovation</strong>s-<br />
dienstleistungen eine große Rolle. Insourcing von Kompetenzen bedeutet, dass in<br />
der Unternehmung durch organisationale Lernprozesse Wissen aufgebaut wird. Der<br />
Kompetenzaufbau wird hier durch zwei unterschiedlichen Aspekte getragen, die an-<br />
hand des Bezugsrahmens (vgl. Abbildung 4-14) folgendermaßen beschrieben werden<br />
können:<br />
? Lernen durch die Anwendung von Wissen in der Handlungsebene<br />
? Aufbau der Ressource Wissen durch Vernetzung von Wissensträgern oder im<br />
Informationsprozess<br />
Das Insourcing von Kompetenzen kann daher wiederum eine In-/Outsourcing-<br />
Entscheidung nach sich ziehen. Dieser Entscheidung sollte wiederum eine Bewertung<br />
vorangehen und zwar diesmal auf der Ebene von Ressourcen.<br />
Beim Insourcing von Ressourcen geht es da<strong>mit</strong> um die interne Weiterentwicklung der<br />
eigenen Ressourcen. Eigene Ressourcen müssen identifiziert, gefördert und weiter-<br />
entwickelt werden. Beim Outsourcing von Ressourcen können von IDL-Anbietern<br />
daten- oder wissensorientierte <strong>Innovation</strong>sdienstleistungen zur Ergänzung und Entwicklung<br />
interner Ressourcen einbezogen werden.<br />
Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass die Einbeziehung externer Lei-<br />
stungspotenziale auf der Ebene von Kompetenzen und auf der Ebene von Ressour-<br />
cen erfolgen kann. Bei der Realisierung einer ressourcenorientierten <strong>Innovation</strong>s-<br />
strategie sollte zuerst die Ebene der Kompetenzen analysiert werden. Im nächsten<br />
Abschnitt wird daher ein Vorschlag für die Er<strong>mit</strong>tlung des <strong>Innovation</strong>spotenzials einer<br />
Unternehmung beschrieben.<br />
6.2.2 Analyse der relativen Kompetenzstärke<br />
<strong>Innovation</strong>srelevante Kernkompetenzen einer Unternehmung bilden die Basis für die<br />
Bewältigung von <strong>Innovation</strong>sprozessen. In der prozessorientierten Betrachtung kön-<br />
nen innovationsrelevante Kernkompetenzen unabhängig von einem konkreten Inno-<br />
vationsvorhaben nach Phasen zugeordnet werden. Die Bestimmung der relativen<br />
Kompetenzstärke sollte anhand der Auseinandersetzung <strong>mit</strong> den bisherigen <strong>Innovation</strong>saktivitäten<br />
der Unternehmung durchgeführt werden.
Wissensbasiertes Management von <strong>Innovation</strong>sdienstleistungen 158<br />
Benchmarking als Instrument der Wettbewerbsanalyse kann auch für diesen Zweck<br />
eingesetzt werden. Die methodische Unterstützung der Bewertung von Kompetenzen<br />
einer Unternehmung kann in der Kompetenzmatrix gefunden werden. Anhand der<br />
Kompetenzmatrix kann ein Vergleich der eigenen Kompetenzen <strong>mit</strong> denen der Klassenbesten<br />
durchgeführt werden (vgl. Abbildung 6-12).<br />
Diese Darstellung ähnelt einem um 90 Grad gedrehten „House of Quality“ - einem<br />
Formular, das bei der Methode Quality Function Deployment (QFD) verwendet wird.<br />
Der Begriff „deployment“ stammt aus dem militärischen Bereich und bedeutet dort<br />
die zielgerichtete Aufstellung der Truppen bei einer militärischen Aktion (Hinterhuber,<br />
H.H.). 198 Der Zweck dieses Formulars ist aber nicht wie im QFD die Übersetzung von<br />
Kundenwünschen in Produktmerkmale, usw., sondern es dient lediglich der metho-<br />
disch unterstützten Erfassung und Bewertung der innovationsrelevanten Kompetenzen.<br />
[1] [2] [3] [4] [5] [6]<br />
Ausprägung der<br />
Kompetenzen<br />
Bedeutung<br />
(1-gering...5-hoch)<br />
Wettbewerber<br />
Position gegenüber<br />
bestem Wettbewerber Bester<br />
Score / Rangfolge<br />
der Kompetenzen<br />
-2 -1 0 1 2 <strong>Innovation</strong>s-Teilprozesse<br />
Realisierungskompetenz 5 x Firma A 5 x<br />
Methodenkompetenz 3 x Firma C 0 x x<br />
Kompetenzentwicklung 5 x Firma R 10 x x x x<br />
Wissenslogistik ... x Firma W x x x x<br />
Technologiebeherrschung ... x x x<br />
... x x<br />
Förderungsmanagement 3 x Firma S 3 x x<br />
Patentrecherchen 4 x Firma C 4<br />
Prototypenbau ... x Firma Q x x<br />
Kundennahe Ideensammlung ... x Firma F x x<br />
Gewerbliche Schutzrechte ... x Firma K x x<br />
... x<br />
Abbildung 6-12: Kompetenzmatrix (Hinterhuber, H.H.) 199<br />
<strong>Innovation</strong>sstrategie<br />
Ideengenerierung<br />
Ideenakzeptierung<br />
Ideenrealisierung<br />
...<br />
Wechselwirkung<br />
der<br />
Kompetenzen<br />
Die einzelnen Felder der Abbildung 6-12 erlauben einen systematischen Vergleich<br />
von innovationsrelevanten Kompetenzen (Feld [1]) <strong>mit</strong> den klassenbesten Unter-<br />
¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯<br />
198<br />
Vgl. Hinterhuber, H.H.: Strategische Unternehmensführung: I. Strategisches Denken, 6. Auflage,<br />
Berlin/New York 1996, S. 128<br />
199<br />
In Anlehnung an Hinterhuber, H.H.: a.a.O., S. 14, bzw. S. 71
Wissensbasiertes Management von <strong>Innovation</strong>sdienstleistungen 159<br />
nehmungen (Feld [4]). Das Ergebnis daraus ist ein Fähigkeitsprofil in Feld [3]. Im<br />
Feld [6] kann zusätzlich eingetragen werden, welche Kompetenzen im jeweiligen<br />
Teilabschnitt des <strong>Innovation</strong>sprozesses von Bedeutung sind.<br />
In Feld [2] kann eine Bewertung der Bedeutung der Kompetenz für <strong>Innovation</strong>spro-<br />
zesse in einer Bandbreite zwischen 1 (geringe Bedeutung) und 5 (hohe Bedeutung)<br />
durchgeführt werden. Über Multiplikation von Feld [2] <strong>mit</strong> Feld [3] kann ein Zahlen-<br />
wert im Feld [5] errechnet werden, der eine Reihung der Kompetenzen ermöglicht.<br />
Hohe positive Zahlenwerte entsprechen einer hohen relativen Kompetenzstärke,<br />
niedrige bzw. negative Zahlenwerte deuten auf eine niedrige relative Kompetenzstärke.<br />
Das Feld am rechten Rand der Matrix bietet die Möglichkeit die Wechselwirkungen<br />
und Überschneidungen zwischen einzelnen Kompetenzen zu erfassen. Da<strong>mit</strong> kön-<br />
nen wiederum Gestaltungsansätze für das Zusammenwirken der Aufgaben- und<br />
Wissensträger abgeleitet werden. Dies ist insbesondere bei der Zusammenarbeit <strong>mit</strong><br />
externen Anbietern von <strong>Innovation</strong>sdienstleistungen von Bedeutung. Im nächsten<br />
Schritt werden innovationsrelevante Kompetenzen je nach Gewichtung in ein Portfolio<br />
übertragen (vgl. Abbildung 6-13).<br />
Im Kompetenzportfolio können die Einzelanalysen der Kompetenzen übersichtlich<br />
zusammengefasst werden, um Überlegungen über das In- bzw. Outsourcing von in-<br />
novationsrelevanten Kompetenzen anzustellen. Die einzelnen Quadranten können<br />
folgendermaßen charakterisiert werden:<br />
Quadrant I<br />
Kompetenzen <strong>mit</strong> geringer Bedeutung für <strong>Innovation</strong>en und <strong>mit</strong> geringer relativer<br />
Kompetenzstärke werden als Kompetenz-Standards bezeichnet. Diese Kompeten-<br />
zen sind für die Bewältigung von <strong>Innovation</strong>sprozessen zwar notwendig, ein Wettbe-<br />
werbsvorteil im Wettbewerb um Kompetenzen ist da<strong>mit</strong> aber nicht erreichbar. Dieser<br />
Bereich kann als klassische Outsourcing-Zone identifiziert werden.<br />
Quadrant II<br />
In 2. Quadranten fallen Kompetenzen, die zwar eine hohe Bedeutung für die Bewäl-<br />
tigung von <strong>Innovation</strong>sprozessen haben, die aber in Unternehmungen bislang nicht<br />
entsprechend beachtet und ausgebaut wurden. Folglich liegen in diesem Bereich<br />
Kompetenzlücken („Kompetenz-Gaps“) vor, die es durch geeignete Maßnahmen zu<br />
schließen gilt.
Wissensbasiertes Management von <strong>Innovation</strong>sdienstleistungen 160<br />
Quadrant III<br />
In diesen Bereich fallen Kompetenz-Potenziale, die in Unternehmungen vorhanden<br />
sind, aber im Moment wenig Bedeutung für <strong>Innovation</strong>en haben. Dies kann durch<br />
eine Verschiebung von Prioritäten bzw. durch eine geänderte <strong>Innovation</strong>sstrategie<br />
bedingt sein. In diesem Fall muss geprüft werden, ob die dadurch gebundenen Res-<br />
sourcen für die Schließung von Kompetenzlücken im 2. Quadranten genutzt werden<br />
können.<br />
Quadrant IV<br />
Im 4. Quadrant liegen Kompetenzen die für die Bewältigung von <strong>Innovation</strong>sprozes-<br />
sen eine hohe Bedeutung haben und in der Unternehmung durch eine hohe relative<br />
Kompetenzstärke geprägt sind. In diesem Bereich sind die innovationsrelevanten<br />
Kernkompetenzen der Unternehmung angesiedelt.<br />
Bedeutung für <strong>Innovation</strong>en<br />
hoch<br />
niedrig<br />
Quadrant II<br />
Kompetenz-Gaps<br />
Methodenkompetenz<br />
Quadrant I<br />
Kompetenz-Standards<br />
Quadrant IV<br />
TechnologieKompetenzbeherrschungentwicklung<br />
Kernkompetenzen<br />
Förderungsmanagement<br />
Schutzrechtemanagement<br />
Quadrant III<br />
Kompetenz-Potenziale<br />
niedrig hoch<br />
Relative Kompetenzstärke<br />
Prototypenbau<br />
Abbildung 6-13: Kompetenzportfolio für innovationsrelevante Kompetenzen (Hinterhuber,<br />
H.H.; Handlbauer, G.; Matzler, K.) 200<br />
¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯<br />
200 In Anlehnung an Hinterhuber, H.H.; Handlbauer, G.; Matzler, K.: Kundenzufriedenheit durch Kernkompetenzen,<br />
München/Wien 2000, S. 116
Wissensbasiertes Management von <strong>Innovation</strong>sdienstleistungen 161<br />
6.2.3 Entscheidungsgrundlage für das In-/Outsourcing von Kompetenzen<br />
In Abbildung 6-14 werden aufbauend auf die Ausführungen im Kapitel 5 die wesentli-<br />
chen Bereiche in der Hierarchie der innovationsrelevanten Kompetenzentwicklung<br />
zusammengefasst, die für das strategische In- bzw. Outsourcing in Frage kommen.<br />
Auf der Ebene von Kompetenzen können <strong>mit</strong> Hilfe von handlungsorientierten Innova-<br />
tionsdienstleistungen ganze Kompetenzbereiche von IDL-Anbietern eingebunden<br />
werden.<br />
Auf der Ebene von Ressourcen geht es ebenso um das In- bzw. Outsourcing. Hier<br />
geht es beim Outsourcing vorwiegend um die Einbindung von daten- und wissen-<br />
sorientierten <strong>Innovation</strong>sdienstleistungen, die dem Aufbau von Wissensgebieten die-<br />
nen. Insourcing von Ressourcen bedeutet, dass vor allem Wissensgebiete aus eige-<br />
ner Kraft in der Unternehmung aufgebaut werden. Die Wissensgebiete, die durch<br />
Wissensträger repräsentiert werden, sind letztlich die Quelle innovationsrelevanter<br />
Kernkompetenzen.<br />
In-/Outsourcing<br />
1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12<br />
GF 1 GF 2 GF 3 GF 4<br />
Produktinnovation<br />
KK 1<br />
PF 1 PF 2 WT 3 WT 4 PF 4<br />
WT 1 WT 2<br />
WG 1<br />
KK 2<br />
PF 3<br />
WT 5<br />
Prozessinnovation<br />
KK 3 KK 4<br />
WG 2<br />
WT 6<br />
WG 3<br />
WT 7<br />
PF 5<br />
PF...Produktionsfaktor WG...Wissensgebiet WT...Wissensträger<br />
Abbildung 6-14: Abgrenzung der In-/Outsourcing-Bereiche<br />
WT 8<br />
<strong>Innovation</strong>sprojekte<br />
<strong>Innovation</strong>sprogramm<br />
je Geschäftsbereich<br />
<strong>Innovation</strong>sprozesse<br />
innovationsrelevante<br />
Kernkompetenzen<br />
Ressourcen<br />
Durch die Einbeziehung externer Ressourcen in der Form von <strong>Innovation</strong>sdienstlei-<br />
stungen kann der innovationsrelevante Kompetenzaufbau gezielt beeinflusst werden.<br />
Anhand des Kompetenzportfolios sollen nachfolgend Empfehlungen für die Einbin-<br />
dung externer Leistungspotenziale gegeben werden. Die Weiterentwicklung des<br />
Kompetenzportfolios ermöglicht eine Einteilung in strategische In- bzw. Outsourcing-
Wissensbasiertes Management von <strong>Innovation</strong>sdienstleistungen 162<br />
Bereiche (vgl. Abbildung 6-15). Insgesamt können für die Einbeziehung von <strong>Innovation</strong>sdienstleistungen<br />
drei unterschiedliche Bereiche identifiziert werden:<br />
Insourcing-Bereich<br />
Insourcing steht für die Kompetenzentwicklung in der eigenen Unternehmung. Der 4.<br />
Quadrant - der Bereich der Kernkompetenzen - kann da<strong>mit</strong> als wichtigste Quelle der<br />
unternehmerischen <strong>Innovation</strong>sfähigkeit gesehen werden. Die Kompetenzen dieses<br />
Bereichs müssen kontinuierlich gepflegt und weiterentwickelt werden. <strong>Innovation</strong>s-<br />
dienstleistungen, die in diesem Bereich einbezogen werden, haben den Zweck fehlende<br />
interne Ressourcen zu ergänzen bzw. zu entwickeln.<br />
Da<strong>mit</strong> kommen hier vorwiegend daten- und wissensorientierte <strong>Innovation</strong>sdienstlei-<br />
stungen zur Einbindung in Frage. Die Wissensver<strong>mit</strong>tlung bzw. der Wissenstransfer<br />
kann am zweckmäßigsten über die soziale Vernetzung von Wissens- und Aufgabenbzw.<br />
Kompetenzträgern erreicht werden.<br />
Bedeutung für <strong>Innovation</strong>en<br />
hoch<br />
niedrig<br />
Quadrant II<br />
Kompetenz-Gaps<br />
Selektives<br />
In-/Outsourcing<br />
Quadrant I<br />
Kompetenz-Standards<br />
Outsourcing<br />
Quadrant IV<br />
Kernkompetenzen<br />
Insourcing<br />
Quadrant III<br />
Kompetenz-Potenziale<br />
Selektives<br />
In-/Outsourcing<br />
niedrig hoch<br />
Relative Kompetenzstärke<br />
Abbildung 6-15: In-/Outsourcing im Kompetenzportfolio (Hinterhuber, H.H.;<br />
Stuhec, U.) 201<br />
¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯<br />
201 In Anlehnung an Hinterhuber, H.H.; Stuhec, U.: Kernkompetenzen und strategisches In-<br />
/Outsourcing, in: ZfB-Ergänzungsheft (1997)1, S. 11
Wissensbasiertes Management von <strong>Innovation</strong>sdienstleistungen 163<br />
Die zentrale Aufgabe der <strong>Innovation</strong>sstrategie ist es, die Entwicklung der innovati-<br />
onsrelevanten Kernkompetenzen periodisch zu hinterfragen und laufend auf „Sie-<br />
geskurs“ zu halten. Die Beobachtung aller externen Einflüsse, insbesondere die Be-<br />
obachtung der Entwicklung von relevanten Wissensgebieten im unternehmerischen<br />
Umfeld, ermöglicht die gezielte Abstimmung der Kompetenzbereiche. Delphi- und<br />
Szenario-Technik, etc. sind Methoden, die dazu eingesetzt werden können. Die<br />
Sammlung der dafür notwendigen Daten kann wiederum durch Outsourcing an so-<br />
genannte „Info-Brokern“ als datenorientierte <strong>Innovation</strong>sdienstleistung,“ vergeben<br />
werden.<br />
Das erklärte Ziel sollte sein, Marktführer in den wesentlichen Kernkompetenzberei-<br />
chen zu sein und zu bleiben. Die wichtigste Kernkompetenz in Zusammenhang <strong>mit</strong><br />
dem In-/Outsourcing von Kompetenzen ist das Management der Kompetenzen. Das<br />
„Kompetenzmanagement“ hat die Aufgabe Ressourcen (inkl. Wissen) für den Kom-<br />
petenzaufbau bereitzustellen. Zentrale Fragen für das Insourcing von Kompetenzen<br />
lauten:<br />
? Wie kann ich Ressourcen und Kompetenzen intern entwickeln?<br />
? Wie komme ich zu externen Ressourcen, die den Kompetenzaufbau unterstüt-<br />
zen?<br />
? Wie kann ich externen Ressourcen möglichst ökonomisch und wirksam einbin-<br />
den?<br />
Die erste und dritte Frage wurde teilweise schon in den vorigen Kapiteln beantwortet.<br />
Die zweite Frage ist Gegenstand eines weiteren Abschnittes in diesem Kapitel.<br />
Outsourcing-Bereich<br />
Outsourcing von Kompetenzen kann einerseits dazu dienen, unternehmensinterne<br />
Ressourcen, die nicht optimal eingesetzt werden, für den Aufbau von Kernkompe-<br />
tenzen in Kernbereichen freizuspielen. Andererseits kann es beim Outsourcing aber<br />
auch darum gehen Kompetenzbereiche einzubeziehen, die in der Unternehmung<br />
bisher nicht aufgebaut wurden und auch in Zukunft aus strategischen Gründen nicht<br />
selbst abgedeckt werden sollen. In der Portfolio-Darstellung in Abbildung 6-15 kann<br />
der 1. Quadrant als klarer Outsourcing-Bereich definiert werden. Die Spezifität der<br />
dort angesiedelten Kompetenz-Standards ist gering, daher sind diese in der Regel<br />
ohne große Probleme bei IDL-Anbietern zu beziehen. Da diese Kompetenz-<br />
Standards zu den Kernkompetenzen des jeweiligen IDL-Anbieters zählen, kann beim<br />
Outsourcing wiederum ein Optimum für die Unternehmung erreicht werden.
Wissensbasiertes Management von <strong>Innovation</strong>sdienstleistungen 164<br />
„Standard-Kompetenzen“ können durch die Einbindung handlungsorientierter Inno-<br />
vationsdienstleistungen abgedeckt werden. Das Kompetenzmanagement für diese<br />
zugekaufte Kompetenz ist beim IDL-Anbieter angesiedelt. Da bei Kompetenzstan-<br />
dards das Kontextwissen im allgemeinen vorhanden ist, bzw. der Aufbau leicht zu<br />
bewerkstelligen ist, ist diese Form der <strong>Innovation</strong>sdienstleistung <strong>mit</strong> dem geringsten<br />
Risiko für die Unternehmung verbunden.<br />
Selektiver In-/Outsourcing-Bereich<br />
Der 2. und der 3. Quadrant müssen selektiv betrachtet werden. In diesen Bereichen<br />
ist ein un<strong>mit</strong>telbarer Handlungsbedarf gegeben. Da die relative Kompetenzstärke im<br />
2. Quadranten sehr gering ist, sind für den Kompetenzaufbau durch Insourcing große<br />
Anstrengungen notwendig, um die Lücke zu schließen.<br />
Im Falle von Outsourcing im 2. Quadranten wird der Anteil an externen Kompetenzen<br />
im <strong>Innovation</strong>smanagement in einem strategisch wichtigen Bereich erhöht. Da<strong>mit</strong><br />
wird auch die Abhängigkeit der Unternehmung vom jeweiligen IDL-Anbieter größer<br />
sein als im 1. Quadranten. Es ist allerdings zu beobachten, dass auch im Falle von<br />
Schlüsselaktivitäten die Neigung zum Outsourcing zunimmt (Hinterhuber, H.H.; Stu-<br />
hec, U.). 202 Bei der Forschung und Entwicklung in wissensintensiven Technologien<br />
ist der Schritt zu Outsourcing für viele Unternehmungen eine der wenigen Möglich-<br />
keiten auf entsprechende Kompetenzen zugreifen zu können. Die hohe Relevanz<br />
von Kompetenzen im 2. Quadranten ist auch da<strong>mit</strong> verbunden, dass der Kompetenzaufbau<br />
in diesem Bereich als sehr langwierig und zeitintensiv einzuschätzen ist.<br />
Im 3. Quadranten muss beurteilt werden, ob die „brachliegenden“ Kompetenzen das<br />
Potenzial für die Generierung von zukünftigen Kernkompetenzen haben. Wenn dies<br />
der Fall ist, rentiert sich das Insourcing und die Weiterentwicklung. Da<strong>mit</strong> verbunden<br />
ist auch die Möglichkeit sich <strong>mit</strong> dieser Kompetenz selbst zum IDL-Anbieter zu ent-<br />
wickeln, um diese für andere IDL-Nachfrager als externe Ressource bzw. Kompetenz<br />
anzubieten.<br />
6.2.4 Entscheidungsgrundlage für das In-/Outsourcing von Ressourcen<br />
Ressourcen bilden die Grundlage für den Aufbau von Kompetenzen. Da Innovati-<br />
onsprozesse immer <strong>mit</strong> der Entwicklung von neuem Wissen verbunden sind, kommt<br />
der Ressource „Wissen“ eine besondere Bedeutung zu. Diesem Umstand wird im<br />
¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯<br />
202 Vgl. Hinterhuber, H.H.; Stuhec, U.: Kernkompetenzen und strategisches In-/Outsourcing, in: ZfB-<br />
Ergänzungsheft (1997)1, S. 12
Wissensbasiertes Management von <strong>Innovation</strong>sdienstleistungen 165<br />
folgenden Abschnitt durch eine Fokussierung auf <strong>Wissensmanagement</strong> Rechnung<br />
getragen.<br />
Auf finanzielle Ressourcen, in Zusammenhang <strong>mit</strong> dem Transfer von <strong>Innovation</strong>s-<br />
dienstleistungen, wird in dieser Arbeit nicht eingegangen. Diese Frage würde<br />
zwangsläufig in der Messproblematik immaterieller Leistungspotenziale münden und<br />
da<strong>mit</strong> den Rahmen dieser Arbeit sprengen. Die Transaktionskostenökonomie kann<br />
als Grundlage für Kostenbetrachtungen im zwischenbetrieblichen Leistungstransfer<br />
gesehen werden.<br />
Unter Transaktionskosten versteht man „Kosten für die Vereinbarung und Verwirkli-<br />
chung einer arbeitsteiligen Leistung“. Dieser Begriff geht auf Ronald H. Coase 203 zu-<br />
rück und wurde von Oliver E. Williamson und zahlreichen anderen Autoren weiter-<br />
entwickelt. Eine Übertragung dieser Theorie in den <strong>Innovation</strong>sbereich scheint nur<br />
<strong>mit</strong> Einschränkungen möglich zu sein. Das vielleicht wichtigste Argument dafür sei<br />
nachfolgend wiedergegeben:<br />
„<strong>Innovation</strong>sprozesse sind nicht primär durch Kostenüberlegungen, sondern vor-<br />
nehmlich durch Erlösüberlegungen geprägt. Die Chance steht im Mittelpunkt. Inno-<br />
vationsmanagement ist keine Aufgabe für die geizigen Erbsenzähler, sondern für die<br />
Habgierigen.“ (Heydebreck, P.) 204<br />
Der Fokus dieser Arbeit liegt in der wissensbasierten Zusammenarbeit von IDL-<br />
Anbieter und IDL-Nachfrager <strong>mit</strong> dem Ziel die <strong>Innovation</strong>sfähigkeit der nachfragen-<br />
den Unternehmung zu erhöhen. Da<strong>mit</strong> steht die Wirksamkeit des Leistungstransfers<br />
und weniger die Kosten der Transaktion bzw. des IDL-Transfers im Mittelpunkt der<br />
Gestaltungsansätze. Die Entscheidung Wissen externer Partner in unternehmerische<br />
<strong>Innovation</strong>sprozesse einzubeziehen hat weitreichende Konsequenzen für die Entwicklung<br />
der unternehmerischen Wissensbasis.<br />
Die Einbeziehung von externen Wissenspotenzialen hat zum Ziel innovationsrele-<br />
vante Kompetenzen aufzubauen. In Abbildung 6-16 werden unterschiedliche Arten<br />
von Wissensdefiziten und die Potenziale für die Einbeziehung von <strong>Innovation</strong>sdienstleistungen<br />
dargestellt.<br />
¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯<br />
203 Vgl. Coase, R.H: The Nature of the Firm, in Economica, Vol 4 (November) 1937, S. 386-405, zitiert<br />
in: Heydebreck, P.: Technologische Verflechtung: ein Instrument zum Erreichen von Produkt- und<br />
Prozessinnovationserfolg, Frankfurt a. Main 1996, S. 23<br />
204 Heydebreck, P.: Technologische Verflechtung: ein Instrument zum Erreichen von Produkt- und<br />
Prozessinnovationserfolg, Frankfurt a. Main 1996, S. 54
Wissensbasiertes Management von <strong>Innovation</strong>sdienstleistungen 166<br />
Dabei können zwei Arten von Wissenslücken unterschieden werden. Das kann ei-<br />
nerseits Wissen sein, das extern bereits vorhanden ist und in die Unternehmung<br />
transferiert werden muss, andererseits kann es einen Wissensbedarf geben, der im<br />
Moment weder intern noch extern abdeckbar ist. Dieses Wissen muss erst entwickelt<br />
werden und steht gerade bei <strong>Innovation</strong>sprozessen im Mittelpunkt der Betrachtungen.<br />
Vor einer In- bzw. Outsourcing-Entscheidung zur Einbeziehung der Ressource Wis-<br />
sen von IDL-Anbietern sollte auch hier eine Visualisierung der intern vorhandenen<br />
Wissenspotenziale durchgeführt werden. Das Instrument der Portfolioanalyse kann<br />
auch für diesen Zweck angewendet werden.<br />
Zielerreichungsgrad<br />
Ziel: Kompetenz X aufbauen<br />
intern<br />
Lücke 1<br />
extern<br />
Lücke 2<br />
intern vorhandenes<br />
ungenutztes Wissen<br />
bereits intern<br />
verfügbares Wissen<br />
?<br />
extern vorhandenes<br />
Wissen<br />
noch nicht<br />
existierendes<br />
Wissen<br />
Abbildung 6-16: Differenzierung von Wissenslücken (Romhardt, K.) 205<br />
Potenzial<br />
für IDL<br />
Mit Hilfe der Dimensionen „Transparenz des Wissens“ und „Wissensbestand“ kann<br />
eine Matrix, die dem Johari-Fenster (Wohinz, J.W.) 206 ähnelt, konstruiert werden.<br />
Dabei werden 4 unterschiedliche Ausprägungen von Wissen in Unternehmungen<br />
unterschieden (vgl. Abbildung 6-17):<br />
¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯<br />
205 In Anlehnung an Romhardt, K.: Interne und externe Wissenstransparenz als Ausgangspunkt für<br />
organisatorische <strong>Innovation</strong>en, AG <strong>Wissensmanagement</strong> Kaiserslautern, URL: http://www.cck.unikl.de/wmk/papers/public/Wissensidentifikation/<br />
[Stand 22.6.2000]<br />
206 Vgl. Wohinz, J.W.: Wertanalyse - <strong>Innovation</strong>smanagement, Würzburg/Wien 1983, S. 84
Wissensbasiertes Management von <strong>Innovation</strong>sdienstleistungen 167<br />
? Wo wir wissen, dass wir etwas wissen (What we know we know)<br />
? Wo wir wissen, dass wir etwas nicht wissen (What we know we don’t know)<br />
? Wo wir nicht wissen, dass wir etwas wissen (What we don’t know we know)<br />
? Wo wir nicht wissen, dass wir etwas nicht wissen (What we don’t know we don’t<br />
know)<br />
Die Ressource Wissen entfaltet ihren Wert erst in der Anwendung, in diesem Fall im<br />
Aufbau von innovationsrelevanten Kompetenzen. Da<strong>mit</strong> können diese vier Qua-<br />
dranten Anhaltspunkte für die gezielte Einbindung externer Potenziale für den Kom-<br />
petenzaufbau sein. <strong>Innovation</strong>sdienstleistungen können in allen vier Quadranten von<br />
Relevanz sein.<br />
Transparenz des Wissens<br />
nicht vorhanden vorhanden<br />
1. Wo wir wissen, dass wir<br />
etwas wissen<br />
Ziele: Teilung,Bewahrung und Nutzung<br />
des Wissens der gemeinsamen<br />
Wissensbasis<br />
Tools: Benchmarking, communities<br />
of practice, organisationales Lernen, ...<br />
3. Wo wir nicht wissen, dass<br />
wir etwas wissen<br />
Ziele: verborgenes Wissen nutzbar<br />
machen<br />
Tools: Audits, Netzwerke,<br />
Wissenslandkarten, ...<br />
2. Wo wir wissen, dass wir<br />
etwas nicht wissen<br />
Ziele: Suche nach neuem Wissen,<br />
Wissen entwickeln, neues Wissen<br />
nutzbar machen<br />
Tools: F&E, Marktforschung,<br />
Wettbewerbsanalyse, ...<br />
4. Wo wir nicht wissen, dass<br />
wir etwas nicht wissen<br />
Ziele: Entdecken von Bedrohungen,<br />
Risiken und neuen Möglichkeiten<br />
Tools: Audits, Dilemmas,<br />
kreative Spannung, ...<br />
vorhanden Wissensbestand nicht vorhanden<br />
Abbildung 6-17: Wissensportfolio der Unternehmung (Drew, S.) 207<br />
Im ersten Quadranten ist sowohl das nutzbare Wissen als auch das Bewusstsein,<br />
dass dieses Wissen in der Unternehmung existiert, vorhanden. Im Vordergrund steht<br />
daher der Zugang sowie die Sicherung und (Ver)teilung von internem Wissen. IDL-<br />
Anbieter können auch bei dieser Aufgabe Unterstützung bieten. Im zweiten Qua-<br />
¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯<br />
207 Vgl. Drew, S.: Building Knowledge Management into Strategy: Making Sense of a New Perspektive,<br />
in: Long Range Planning, Vol. 32, (1999)1, S. 134
Wissensbasiertes Management von <strong>Innovation</strong>sdienstleistungen 168<br />
dranten ist bekannt, dass Wissenslücken existieren. Diese können durch interne<br />
Wissensentwicklung oder durch <strong>Innovation</strong>sdienstleistungen geschlossen werden.<br />
Die Einbeziehung von IDL erscheint im dritten und vierten Quadranten von besonde-<br />
rer Relevanz zu sein. In beiden Fällen ist man sich über die Existenz von Wissen<br />
nicht bewusst. Durch diesen „blinden Fleck“ in der Wahrnehmung kann die notwen-<br />
dige Transparenz aus eigenen Kräften kaum erreicht werden. Ein externer Partner<br />
kann aus seiner Beobachterrolle heraus die notwendigen Hinweise zur Verbesserung<br />
der Situation geben.<br />
In diesem Zusammenhang geht es im dritten Quadranten vorwiegend darum die in-<br />
ternen Wissenspotenziale transparent zu machen und einer Nutzung zuzuführen. Im<br />
vierten Quadranten besteht aus der Sicht des <strong>Innovation</strong>smanagements der größte<br />
Nachholbedarf, aber auch ein großes Potenzial für die Differenzierung im Wettbe-<br />
werb um Kompetenzen. Hier können IDL-Anbieter, z.B. in ihrer Funktion als Broker<br />
wertvolle Hinweise für den gezielten Wissensaufbau, aber auch für die Einbindung<br />
von extern bereits vorhandenem Wissen geben.<br />
6.3 Zur Gestaltung der Einbindung von <strong>Innovation</strong>sdienstleistungen<br />
Die strategische Entscheidung zur Einbindung von <strong>Innovation</strong>sdienstleistungen er-<br />
fordert auf der operativen Managementebene einen definierten Ablauf zur Gestaltung<br />
der Kooperationsbeziehung. Der aktuelle Bedarf an <strong>Innovation</strong>sdienstleistungen<br />
kann aus strategischen Überlegungen heraus entstehen, die darauf abzielen, inno-<br />
vationsrelevante Kompetenzen aufzubauen. Weiters kann ein IDL-Bedarf un<strong>mit</strong>telbar<br />
aus einem <strong>Innovation</strong>sprojekt hervorgehen.<br />
Wie bereits in Abbildung 6-11 skizziert wurde, kann prinzipiell das Outsourcing von<br />
Kompetenzen und das Outsourcing von Ressourcen unterschieden werden. Je nach<br />
Anforderung kann die IDL-Nachfrage durch handlungs- wissen- oder datenorientierte<br />
<strong>Innovation</strong>sdienstleistungen abgedeckt werden. Der Prozess, der von der Bedarf-<br />
sentstehung bis zur Bedarfserfüllung durchlaufen wird, ist Gegenstand der weiteren<br />
Betrachtungen.<br />
6.3.1 Ablauf der IDL-Einbindung<br />
Die Analyse der strategischen Basisdaten bilden die Grundlage der strategischen<br />
Planung. Die Umsetzung des daraus abgeleiteten strategischen <strong>Innovation</strong>spro-<br />
gramms mündet in einer Anzahl durchzuführender <strong>Innovation</strong>sprojekte. In der Pro-<br />
jektplanung muss der jeweilige Ressourcen- bzw. Kompetenzbedarf festgelegt wer-
Wissensbasiertes Management von <strong>Innovation</strong>sdienstleistungen 169<br />
den. Daher kommt der IDL-Bedarf in der Regel un<strong>mit</strong>telbar aus dem Ressourcen-<br />
und Kompetenzmanagement. Der Ablauf der IDL-Einbindung wird in Abbildung 6-18<br />
prinzipiell dargestellt.<br />
Anfangs muss abgeklärt werden, ob für einen konkreten IDL-Bedarf ein kompetenter<br />
Partner aus bestehenden Beziehungen zu IDL-Anbietern bereits bekannt ist. Ist dies<br />
nicht der Fall, muss ein entsprechender Partner gesucht werden. Das kann im Al-<br />
leingang bewältigt werden, z.B. über Beziehungsnetzwerke oder Interessensvertre-<br />
tungen der Unternehmungen. Wenn diese Möglichkeiten nicht vorhanden sind, bietet<br />
sich die Vergabe der Suche an einen IDL-Anbieter an, der diese Broker-Funktion<br />
übernehmen kann.<br />
Auswahl<br />
Suche/Broker<br />
Konsens ?<br />
nein<br />
Kontextaufbau<br />
Kontaktaufnahme<br />
nein<br />
Anbieter<br />
bekannt?<br />
Anstoß / Bedarf<br />
Abbildung 6-18: Prozess der IDL-Einbindung<br />
ja<br />
ja<br />
Vertrag<br />
IDL-Transfer<br />
Review<br />
Ressourcen- und Kompetenzmanagement<br />
Ein Broker kann im Idealfall einen kompetenten Ansprechpartner nennen und den<br />
Kontakt zu einem IDL-Anbieter herstellen. Für eine erfolgreiche Ver<strong>mit</strong>tlung muss der<br />
Ver<strong>mit</strong>tler ausreichend Kontextwissen über das geplante <strong>Innovation</strong>svorhaben verfü-<br />
gen. Je genauer der IDL-Bedarf spezifiziert werden kann, desto erfolgreicher wird die<br />
Ver<strong>mit</strong>tlung sein. Auch der Erstkontakt zum IDL-Anbieter kann noch über den IDL-<br />
Broker laufen.<br />
Die Kontaktaufnahme <strong>mit</strong> dem IDL-Anbieter sollte dazu genutzt werden die wesentli-<br />
chen Punkte der Beziehung abzuklären. Es muss abgeklärt werden, ob eine grund-
Wissensbasiertes Management von <strong>Innovation</strong>sdienstleistungen 170<br />
sätzliche Bereitschaft zur Zusammenarbeit besteht, oder ob zwingende Ausschlie-<br />
ßungsgründe bestehen. Weiters sollte zu diesem Zeitpunkt bereits die Kapazitätsund<br />
Terminsituation abgestimmt werden.<br />
Sind diese Rahmenbedingungen geklärt, geht es darum, ein gemeinsames Kon-<br />
textwissen bezüglich der Problemstellung aufzubauen. Falls da<strong>mit</strong> die erste Anbah-<br />
nung einer Zusammenarbeit <strong>mit</strong> dem IDL-Anbieter erfolgt, kann im Rahmen dieser<br />
Vorgespräche auch der Grundstein für den Aufbau der notwendigen Vertrauensbasis<br />
gelegt werden.<br />
Dieser Konsens auf Wissensebene ist Grundvoraussetzung für eine zukünftige Zu-<br />
sammenarbeit, und zwar sowohl im kognitiven als auch im emotionalen Bereich. Da-<br />
bei lässt sich die emotionale Komponente, die im Idealfall eine gemeinsame Vertrau-<br />
ensbasis begründet, am schwersten beeinflussen. Das gegenseitige Verständnis<br />
bzw. das Vertrauen der Partner spielt aber eine wesentliche Rolle für das Zustandekommen<br />
eines Konsenses (Hinterhuber, H.H.; Handlbauer, G.; Matzler, K.). 208<br />
Von der Vertrauensbasis hängt es auch ab, in welchem Umfang vertragliche Rege-<br />
lungen zwischen IDL-Anbieter und IDL-Nachfrager getroffen werden. Grundsätzlich<br />
kann zwischen impliziten (informellen) und expliziten (schriftlichen) Verträgen unter-<br />
schieden werden (Picot, A.; Reichwald, R.; Wigand, R.T.). 209 Durch den Charakter<br />
der Dienstleistung bedingt, besteht prinzipiell eine klare Beziehung zwischen dem<br />
IDL-Anbieter als Leistungserbringer und dem IDL-Nachfrager als Leistungsempfän-<br />
ger. Auf jeden Fall müssen die Form des Ergebnisses und die notwendigen Voraussetzungen<br />
des Leistungstransfers zuvor klar definiert werden.<br />
Wenn alle Voraussetzungen im Vorfeld abgeklärt und fixiert sind, kann der eigentli-<br />
che IDL-Transfer vollzogen werden. Von der Art der Dienstleistung wird es abhän-<br />
gen, in welcher Form, Zeitdauer und Intensität der IDL-Transfer stattfindet. Nach dem<br />
Leistungstransfer sollte ein rückblickendes „Review“ stattfinden, das einerseits als<br />
Ergebniskontrolle und andererseits als Lernprozess („Lessons learned“) zu verstehen<br />
ist. Da<strong>mit</strong> können eventuell aufgetretene Fehler und Probleme im Leistungstransfer<br />
hinterfragt und da<strong>mit</strong> beim nächsten Mal vermieden werden. Mit der Dokumentation<br />
des Projektablaufs und der Projektergebnisse schließt sich der Kreislauf der IDL-<br />
Einbindung.<br />
¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯<br />
208<br />
Vgl. Hinterhuber, H.H.; Handlbauer, G.; Matzler, K.: Kundenzufriedenheit durch Kernkompetenzen,<br />
München/Wien 2000, S. 173<br />
209<br />
Vgl. Picot, A.; Reichwald, R.; Wigand, R.T.: Die grenzenlose Unternehmung, 3. Auflage, Wiesba-<br />
den 1998, S. 54
Wissensbasiertes Management von <strong>Innovation</strong>sdienstleistungen 171<br />
6.3.2 Managementaspekte beim IDL-Transfer<br />
Der Gestaltung und Lenkung des IDL-Transfers muss eine große Bedeutung zuge-<br />
messen werden. Davon hängt der Kompetenzaufbau und letztlich auch die Akzep-<br />
tanz von Ergebnissen der Zusammenarbeit ab. Gestaltungsmaßnahmen beim IDL-<br />
Transfer können in die Bereiche Mensch, Prozesse, Technik und Zeit eingeteilt werden<br />
(vlg. Abbildung 6-19).<br />
Gestaltung der menschlichen Beziehung<br />
Einer der wichtigsten Gestaltungsbereiche im IDL-Transfer ist beim Menschen ange-<br />
siedelt. Das Aufeinandertreffen von Menschen aus unterschiedlichen Organisationen<br />
<strong>mit</strong> unterschiedlichen Unternehmenskulturen sorgt dafür, dass meist auch unter-<br />
schiedliche Vorstellungen bezüglich wichtiger Aspekte der Zusammenarbeit vorliegen.<br />
Suche,<br />
Vorlauf<br />
Wissen, Werte<br />
Menschen<br />
IDL-<br />
Zeit Prozesse<br />
Transfer<br />
Technik<br />
Daten, Infrastruktur<br />
Abbildung 6-19: Gestaltungsbereiche beim IDL-Transfer<br />
? Kontextwissen<br />
Timing,<br />
Schnittstellen<br />
Wie schon in Kapitel 5 ausführlich beschrieben, ist ein gemeinsames Kontextwissen<br />
bei allen Formen der Einbeziehung von <strong>Innovation</strong>sdienstleistungen die Basis einer<br />
erfolgreichen, reibungslosen Zusammenarbeit. Ein IDL-Broker kann durch sein gene-<br />
ralistisches Wissen beim Kontext-Aufbau behilflich sein. Er kann die Brücke zwi-<br />
schen der Wissensbasis des IDL-Nachfragers und des IDL-Anbieters herstellen. Dadurch<br />
kann eine Kommunikationsbeziehung rascher aufgebaut werden.
Wissensbasiertes Management von <strong>Innovation</strong>sdienstleistungen 172<br />
? Kommunikation<br />
Die Ausführungen des Kapitel 3 und insbesondere der dort dargestellte „Flaschen-<br />
hals der Datenreduktion“ zeigen auf, dass Menschen im Informationsprozess Signale<br />
selektiv und individuell verschieden aufnehmen. Das bedeutet, dass nicht das ge-<br />
samte Signalangebot für die Vernetzung <strong>mit</strong> der internen Wissensbasis verwendet<br />
wird, sondern nur der Teil, der bereits ausreicht, um einen Wissensaufbau zu ermöglichen.<br />
Dieser Effekt kann als „selektive Wahrnehmung“ bezeichnet werden.<br />
In Abbildung 6-20 wird dieser Effekt anhand einer Kommunikationsbeziehung zwi-<br />
schen zwei Personen A und B schematisch dargestellt. Die Aufnahme von Signalen<br />
wird bei jedem Menschen durch einen individuell unterschiedlichen Filter beeinflusst.<br />
Dieser Gesichtspunkt ist bei der Gestaltung von Kommunikationsbeziehungen besonders<br />
zu beachten.<br />
A<br />
... sagt, was er für<br />
notwendig hält<br />
A<br />
Filter<br />
... hört, was für ihn von<br />
B‘s Antwort nützlich<br />
zu hören ist<br />
Signal<br />
Signal<br />
Filter<br />
B<br />
... hört, was für ihn<br />
nützlich zu hören ist<br />
B<br />
... antwortet auf das,<br />
was er hörte, nicht auf<br />
das, was A sagte<br />
Abbildung 6-20: Problembereich selektive Wahrnehmung (Kummer, W.A.; Spühler,<br />
R.W.; Wyssen, R.) 210<br />
In diesem Zusammenhang müssen auch kultur- und sprachbedingte Unterschiede<br />
der Kommunikation zwischen Menschen betrachtet werden. Die englische Sprache<br />
hat sich als Standard der verbalen Kommunikation in vielen Bereichen etabliert. Glo-<br />
¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯<br />
210 Kummer, W.A.; Spühler, R.W.; Wyssen, R.: Projektmanagement - Leitfaden zu Methode und<br />
Teamführung in der Praxis, Zürich, ohne Jahresangabe, zitiert in: Heeg, F.-J.: Projektmanagement:<br />
Grundlagen der Planung und Steuerung von betrieblichen Problemlösungsprozessen, München/Wien<br />
1992, S. 90
Wissensbasiertes Management von <strong>Innovation</strong>sdienstleistungen 173<br />
balisierung und Internet haben diese Sprache noch populärer gemacht. Da<strong>mit</strong> wer-<br />
den die Möglichkeiten für den Menschen zu kommunizieren zwar noch erweitert,<br />
da<strong>mit</strong> sind aber auch viele Probleme und Barrieren verbunden.<br />
Die Begriffsverwirrung rund um das Wort Wissen kann als Beispiel für mögliche Pro-<br />
bleme sprachlicher Natur angegeben werden: Während „Wissen“ sich im deutschen<br />
Sprachraum ausschließlich auf kognitive Prozesse bezieht, hat das Wort „knowled-<br />
ge“ in der englischen Sprache eine breitere Bedeutung und umfasst dort auch das<br />
„Können“. Solche kulturbedingten Unterschiede können zu schwerwiegenden Missverständnissen<br />
führen.<br />
? Vertrauen<br />
Auch wenn der IDL-Transfer vorrangig die Zusammenarbeit von Organisationen be-<br />
trifft, beruht doch jede Kooperation auf der Interaktion von mindestens zwei Men-<br />
schen. Gerade in einem sensiblen Bereich, wie dem <strong>Innovation</strong>smanagement, muss<br />
eine solide Vertrauensbasis geschaffen werden, um den Leistungstransfer nicht<br />
durch Misstrauen und Passivität zu behindern. Zum Aufbau dieser Vertauensbasis<br />
eignet sich am besten die soziale Vernetzung der Interaktionspartner, wie sie z.B. bei<br />
Vorgesprächen zum IDL-Transfer stattfindet.<br />
? Fachkompetenz<br />
Als weiterer wichtiger Faktor kann die Fachkompetenz des IDL-Anbieters genannt<br />
werden. Durch das Zusammentreffen von Menschen als „nicht-triviale Maschinen“<br />
kann das Ergebnis des Leistungstransfers nicht vorherbestimmt werden. Daher wird<br />
man sich in der Regel bei der Auswahl des Partners an Referenzprojekten oder an<br />
Empfehlungen von vertrauten Partnern orientieren.<br />
Weiters ist die Fähigkeit zur Nutzung von neuester IuK-Technologie auch für den<br />
IDL-Transfer als Basis für eine effiziente zwischenbetriebliche Zusammenarbeit zu<br />
sehen. Die Intensität der Nutzung dieser Technologie hängt von der Art der <strong>Innovation</strong>sdienstleistung<br />
ab.<br />
? Zuverlässigkeit<br />
Die Zuverlässigkeit des Partners sollte im Prinzip aus einer Verschmelzung der Krite-<br />
rien Kompetenz, Kontextwissen und Vertrauen resultieren. Zuverlässigkeit ist eine<br />
individuelle Eigenschaft eines Partners, die durch die Unternehmenskultur <strong>mit</strong>bestimmt<br />
wird und durch vertragliche Regelungen kaum beeinflusst werden kann.
Wissensbasiertes Management von <strong>Innovation</strong>sdienstleistungen 174<br />
? Win-Win-Situation<br />
Das Gelingen eines IDL-Transfers hängt stark von den Interessenslagen der Partner<br />
ab. Im kommerziellen Bereich kann eine Win-Win-Situation überwiegend durch fi-<br />
nanzielle Aspekte und durch die kundenorientierte Leistungsanpassung des IDL-<br />
Anbieters erzeugt werden.<br />
Bei anderen Gruppen von IDL-Anbietern ist eine Win-Win-Situation oft schwieriger<br />
herzustellen. Zum Beispiel treffen bei der Zusammenarbeit <strong>mit</strong> Forschern zwei gänz-<br />
lich unterschiedliche Interessenslagen aufeinander. Da<strong>mit</strong> dabei eine für beide Teile<br />
befriedigende Partnerschaft entstehen kann, müssen wirtschaftliche Aspekte beim<br />
IDL-Nachfrager und bspw. erkenntnistheoretische Aspekte beim IDL-Anbieter vereint<br />
werden.<br />
? Umgang <strong>mit</strong> fremdem Wissen<br />
Der Umgang <strong>mit</strong> fremdem Wissen und ist in vielen Unternehmungen <strong>mit</strong> Akzeptanz-<br />
problemen verbunden. „Not invented here“ kann daher für den IDL-Transfer eine<br />
große Barriere bilden. Dieses Problem kann nur durch eine entsprechende Gestal-<br />
tung der <strong>Innovation</strong>skultur des IDL-Nachfragers und durch Überzeugungsarbeit ge-<br />
löst werden. Ein Kulturwandel in einer Organisation gestaltet sich sehr zeitintensiv<br />
und kann wiederum nur durch Vorbildwirkung der Führungskräfte erreicht werden.<br />
? Motivation<br />
Der Stellenwert der eigenen Aufgaben und Wissensträger darf <strong>mit</strong> der IDL-<br />
Einbindung auf keinen Fall untergraben werden. Durch die Zusammenarbeit <strong>mit</strong><br />
professionellen IDL-Anbietern steigt aber unter Umständen der Leistungsdruck auf<br />
die Mitarbeiter. Das kann unterschiedliche Effekte hervorrufen. Im günstigen Fall<br />
kann dadurch die interne Leistungsfähigkeit gesteigert werden, indem versucht wird<br />
den Standard des IDL-Anbieters zu erreichen bzw. diesen sogar zu übertreffen. Im<br />
schlimmsten Fall kann dieser Umstand aber zu Frustration führen und da<strong>mit</strong> den IDL-<br />
Transfer negativ beeinflussen.<br />
Unternehmensübergreifendes Prozessmanagement<br />
Viele Vorteile der durch IDL ermöglichten unternehmensübergreifenden <strong>Innovation</strong>s-<br />
plattform wurden schon genannt. Unter dem Aspekt des Prozessmanagements ver-<br />
ursacht die IDL-Einbindung eine erhöhte Komplexität im <strong>Innovation</strong>sprozess. Diese<br />
Komplexität kann <strong>mit</strong> der Anzahl der einbezogenen IDL-Anbieter überproportional<br />
ansteigen. Anbieter und Nachfrager von IDL müssen daher eine gemeinsame Managementbasis<br />
für die Koordination des IDL-Transfers finden.
Wissensbasiertes Management von <strong>Innovation</strong>sdienstleistungen 175<br />
? Modularisierung<br />
Für die Auslagerung von innovationsrelevanten Aufgaben ist eine Modularisierung<br />
bzw. Zerlegung der Aufgabenstellung in Teilabschnitte notwendig. Dadurch entste-<br />
hen Übergabeschnittstellen, die genau definiert werden müssen, da<strong>mit</strong> die Zusam-<br />
menarbeit optimal gestaltet werden kann. Bei <strong>Innovation</strong>sproblemen kommt <strong>mit</strong> dazu,<br />
dass der Problemlösungsprozess kaum linear durchlaufen wird, sondern häufig<br />
Kurskorrekturen bzw. Wiederholungsschleifen in der Bearbeitung notwendig sind. Je<br />
nach Art der <strong>Innovation</strong>sdienstleistung wird daher trotz Modularisierung eine intensive<br />
Interaktion zwischen IDL-Anbieter und IDL-Nachfrager notwendig sein.<br />
In diesem Zusammenhang kann eine gemeinsame Plattform für den Datenaustausch<br />
von Vorteil sein. Im Extremfall kann dadurch globale Zusammenarbeit ohne Unter-<br />
brechung durch Nutzung der Zeitverschiebung realisiert werden. Die Kompetenz da-<br />
zu könnte wiederum Inhalt einer <strong>Innovation</strong>sdienstleistung sein. Je nach Art und In-<br />
tensität der IDL wird zu klären sein, ob Datenbestände beim IDL-Anbieter, beim IDL-<br />
Nachfrager oder bei beiden verwaltet werden.<br />
? Prozessverantwortung<br />
Sowohl bei IDL-Anbieter als auch bei IDL-Nachfrager sollte ein prozessverantwortli-<br />
cher Ansprechpartner für die Koordination eingesetzt werden. Da<strong>mit</strong> kann die Steue-<br />
rung bzw. das Controlling des IDL-Transfers gezielt und ohne viele Schnittstellen er-<br />
folgen. Regelmäßige Berichte und Präsentationen der Zwischenergebnisse unter-<br />
stützen den laufenden Wissenstransfer zwischen den Partnern. Dadurch können<br />
Abweichungen von der vereinbarten Leistungserstellung frühzeitig erkannt und korrigiert<br />
werden.<br />
Management der technischen Infrastruktur<br />
Wie schon zuvor angedeutet, erlauben Informations- und Kommunikationssysteme<br />
eine effiziente Zusammenarbeit zwischen IDL-Anbieter und IDL-Nachfrager. Wenn<br />
das Ergebnis der <strong>Innovation</strong>sdienstleistung (einer datenorientierten IDL) über die<br />
Datenebene transferierbar ist, kann da<strong>mit</strong> eine effiziente Zusammenarbeit über gro-<br />
ße räumliche Distanzen realisiert werden. Grundlage dafür ist eine Vernetzung der<br />
Partner auf Datenebene und eine hohe Kompetenz der Interaktionspartner im EDV-<br />
Bereich.<br />
In Abbildung 6-21 wird eine Lösung für die Zusammenarbeit zwischen IDL-Anbieter<br />
und dem IDL-Nachfrager auf Datenebene skizziert. In der EDV-Fachsprache wird<br />
eine derartige Lösung als selektive Erweiterung des Intranets einer Unternehmung<br />
verstanden und als „Extranet“ bezeichnet. Durch Verwendung von zentralen Daten-
Wissensbasiertes Management von <strong>Innovation</strong>sdienstleistungen 176<br />
banken <strong>mit</strong> entsprechenden Zugriffsregelungen kann die Aktualität der Daten jeder-<br />
zeit sichergestellt werden. Für die durchgängige Anwendbarkeit des Systems ist im<br />
Vorfeld die elektronische Erfassung aller relevanten Dokumente erforderlich. Auf<br />
weitere Anforderungen an ein „Extranet-Portal“ für den IDL-Datentransfer soll nachfolgend<br />
im Detail eingegangen werden.<br />
Scanning<br />
Station<br />
IDL-<br />
Anbieter<br />
Zentrale<br />
Datenbanken<br />
IDL-<br />
Anbieter<br />
Extranet-Portal<br />
IDL-<br />
Nachfrager<br />
IDL-<br />
Anbieter<br />
EDV-<br />
Adminstration<br />
Abbildung 6-21: Extranet-Portal für die Zusammenarbeit auf Datenebene<br />
? Kompatibilität<br />
Bei der Vernetzung heterogener EDV-Systeme treten aufgrund der hohen Komple-<br />
xität von Hard- und Software immer wieder Probleme und Überraschungseffekte auf.<br />
Daher sollte auch dieser „gemeinsame Kontext“ auf Datenebene schon vorzeitig ab-<br />
geklärt und getestet werden. Die Standards des Internets sollten bei der Vernetzung<br />
genutzt werden. Beispielsweise wird das TCP/IP-Protokoll zur Datenübertragung na-<br />
hezu auf jeder Art von EDV-System unterstützt. Da<strong>mit</strong> kann die Anbindung aller Beteiligten<br />
an eine gemeinsame EDV-Plattform bewerkstelligt werden.<br />
? Datenschutz<br />
In einem sensiblen Bereich wie dem betrieblichen <strong>Innovation</strong>smanagement ist auch<br />
ein Höchstmaß an Datenschutz gefordert. Speziell wenn Daten über Unterneh-<br />
mungsgrenzen hinweg über das Internet transferiert werden, ist Vorsicht geboten.<br />
Durch die quasi selbstorganisierte Vernetzung besteht auch für Dritte die Möglichkeit<br />
auf Daten zuzugreifen. Da<strong>mit</strong> das Risiko des Abhörens auf ein Minimum reduziert<br />
werden kann, sollte nur Software eingesetzt werden, die alle Möglichkeiten zeitge-
Wissensbasiertes Management von <strong>Innovation</strong>sdienstleistungen 177<br />
mäßer Datenverschlüsselung und einen selektiven Zugang <strong>mit</strong> Passwortschutz zur<br />
Verfügung stellt.<br />
Vor allem im Email-Verkehr ist ein großer sicherheitstechnischer Nachholbedarf er-<br />
kennbar. Die Versendung von Emails erfolgt derzeit in der Regel im Klartext, d.h. je-<br />
der Angreifer, der Zugang zu einem der vielen Vernetzungspunkte hat, kann diesen<br />
Text unbemerkt lesen. Da<strong>mit</strong> ist aus der Sicht des Datenschutzes der Email-Verkehr<br />
zur Zeit <strong>mit</strong> der Versendung einer Postkarte vergleichbar. Nachteilig wirkt sich Ver-<br />
schlüsselung im Online-Bereich durch den etwas umfangreicheren Datenstrom aus.<br />
Darunter können Antwortzeiten erhöht und da<strong>mit</strong> die Akzeptanz von IuK-Systemen<br />
verringert werden.<br />
Gute Möglichkeiten zum Datenschutz bieten private Datenstandleitungen, da diese<br />
ausschließlich vom Besitzer bzw. vom Mieter der Einrichtung genutzt werden. Die<br />
Kosten der Transaktion sind in diesem Fall wesentlich höher anzusetzen und hängen<br />
in der Regel vom max. möglichen Datendurchsatz ab.<br />
? Datensicherheit<br />
Im Zuge der Zusammenarbeit wird sowohl beim IDL-Anbieter als auch beim IDL-<br />
Nachfrager eine hohe Anzahl an Daten generiert, die eine Basis zur gegenseitigen<br />
Information bilden. Die Speicherung und Replikation von Daten bei IDL-Anbieter und<br />
IDL-Nachfrager muss in der Gestaltung der Beziehung <strong>mit</strong>berücksichtigt werden.<br />
Diese Aufgabe sollte vorrangig durch die EDV-Administration wahrgenommen werden.<br />
? Datenintegrität<br />
Zur Abbildung der aktuellen Situation im Transferprozess kann über die Datenebene<br />
und die Prozesse Dokumentation und Information ein Kontext-Abgleich auf Wissen-<br />
sebene durchgeführt werden. Die Aktualität bzw. Gültigkeit der Daten kann durch<br />
laufende Synchronisierung von dezentralen Datenbeständen oder besser durch eine<br />
zentral organisierte EDV-Plattform sichergestellt werden (vgl. Abbildung 6-21).<br />
? Zweckmäßigkeit<br />
IuK-Systeme gehören heute zur Standard-Ausstattung vieler Unternehmungen. Bei<br />
der Anschaffung solcher Systeme werden von deren Erfindung an bis heute immer<br />
wieder gravierende Fehler gemacht. Am meisten fällt auf, dass die Anforderungen an<br />
die Software oftmals erst nach deren Anschaffung definiert wird. Nach dem Motto:<br />
Hier ist die Lösung, jetzt brauchen wir nur noch das Problem zu definieren, werden<br />
Benutzer oft vor vollendete Tatsachen gestellt. In diesem Fall sind auch die Voraus-<br />
setzungen für den Einsatz denkbar schlecht. Die Akzeptanz muss nachträglich her-
Wissensbasiertes Management von <strong>Innovation</strong>sdienstleistungen 178<br />
gestellt werden und Möglichkeiten zur Adaptierung sind in diesem Stadium nur mehr<br />
beschränkt gegeben.<br />
Der Einsatz von IuK-Systemen beim IDL-Transfer ist vorerst einmal von der IDL-<br />
Kategorie abhängig. IuK-Systeme sind die Voraussetzung für den effizienten Trans-<br />
fer von datenorientierter IDL. Der Transfer wissens- und handlungsorientierter IDL<br />
kann durch solche Systeme bestenfalls unterstützt werden. Deren alleiniger Einsatz<br />
reicht aber in keinem Fall. Neuerdings werden IuK-Systeme bzw. EDV-Systeme auch<br />
unter der Bezeichnung <strong>Wissensmanagement</strong>system, Wissensdatenbanken, etc. an-<br />
geboten. Der Wortteil „...datenbanken“ in dieser Bezeichnung spricht für sich, daher<br />
soll auf weitere Ausführungen an dieser Stelle verzichtet werden.<br />
? Benutzerschnittstelle<br />
Im Bereich der Benutzerschnittstelle können bei IuK-Systemen noch enorme Innova-<br />
tionspotenziale geortet werden. Bis heute ist eine vollständige A4-Seite auf gängigen<br />
Bildschirmgrößen nur eingeschränkt darstellbar. Da<strong>mit</strong> ist auch der Weg zum pa-<br />
pierlosen Büro noch ein weiter und die Akzeptanz von elektronischen Büchern kaum<br />
gegeben.<br />
Zur temporären Einbindung von IDL-Anbietern in die unternehmensinterne Daten-<br />
verarbeitung sollte eine Schnittstelle geschaffen werden, die <strong>mit</strong> einem herkömmli-<br />
chen Internet-Browser zugänglich ist. Da<strong>mit</strong> kann der IDL-Anbieter ohne zusätzliche<br />
Software-Installationsarbeiten in das Datennetz eingebunden werden.<br />
Zeitliche Dimension des IDL-Transfers<br />
? Suchzeit<br />
Wenn man nicht auf bestehende Kontakte zurückgreifen kann, muss für die Suche<br />
nach möglichen IDL-Anbietern Zeit einberechnet werden. Ein kompetenter IDL-<br />
Broker kann diese Zeitspanne entsprechend verkürzen. In der Praxis ist die Suche<br />
und Identifikation von geeigneten IDL-Anbietern oft eine große Hürde. Vor allem in<br />
Bereichen, die komplementär zu den unternehmensinternen Wissensgebieten und<br />
Kompetenzen liegen, ist der Bedarf an Unterstützung groß.<br />
? Vorlaufzeit für Kontextaufbau<br />
Bevor der IDL-Transfer beginnen kann, muss ausreichend Zeit für den Kontextauf-<br />
bau eingeplant werden. Daher sollte ausreichend Zeit für Erstkontakt, für ein gegen-<br />
seitiges Kennenlernen und für den Aufbau einer Vertrauensbasis zur Verfügung ste-<br />
hen. Da diese Vertrauensbasis und auch der konsensuelle Bereich der Partner <strong>mit</strong><br />
jedem weiteren Kontakt im Idealfall vergrößert wird, reduziert sich auch die Vorlaufzeit<br />
entsprechend.
Wissensbasiertes Management von <strong>Innovation</strong>sdienstleistungen 179<br />
? Dauer der Kooperation<br />
Die Dauer der Kooperation hängt von der Art der <strong>Innovation</strong>sdienstleistung, vom Lei-<br />
stungsumfang und von der Projektdauer ab. Aus den bisherigen Ausführungen kann<br />
abgeleitet werden, dass die Einbindung eines IDL-Anbieters der Beginn einer auf<br />
Langfristigkeit ausgelegten Partnerschaft sein sollte. Dadurch kann der Punkt: „Auf-<br />
bau von Kontextwissen“ auf ein Minimum reduziert werden, da der IDL-Anbieter die<br />
„<strong>Innovation</strong>s-Vorgeschichte“ des IDL-Nachfragers bereits kennt. Umgekehrt ist auch<br />
der IDL-Nachfrager <strong>mit</strong> der Vorgangsweise des IDL-Anbieters bereits vertraut. Dadurch<br />
kann sich der Nachfrager besser auf den Leistungstransfer einstellen.
Wissensbasiertes Management von <strong>Innovation</strong>sdienstleistungen 180<br />
6.4 Fallbeispiel – IDL in Produkt- und Prozessinnovation<br />
In diesem Abschnitt werden anhand eines Fallbeispiels die Möglichkeiten der Einbin-<br />
dung von <strong>Innovation</strong>sdienstleistungen aufgezeigt. Dazu wird aus einem Projekt im<br />
<strong>Innovation</strong>sbereich berichtet, bei dem die Abteilung für Industriebetriebslehre und<br />
<strong>Innovation</strong>sforschung der Technischen Universität Graz (Wohinz, J.W.; u.a.) 211 als<br />
IDL-Anbieter tätig war.<br />
Wie schon in Kapitel 5 anhand der Kategorisierung nach Wissensgebieten erläutert<br />
wurde, sind die Möglichkeiten <strong>Innovation</strong>sdienstleistungen einzubeziehen sehr viel-<br />
fältig. Die Kategorien Technologie, Markt, Recht, Finanzierung, <strong>Innovation</strong>smanage-<br />
ment und Broker und die da<strong>mit</strong> abdeckbaren Kompetenzen und Wissensgebiete<br />
können einen Produktinnovationsprozess von der Ideengenerierung bis zur Ideen-<br />
realisierung und darüber hinaus bis zu Ideenvermarktung begleiten. In Abbildung<br />
6-22 sind ausgewählte <strong>Innovation</strong>sdienstleistungen den Phasen eines <strong>Innovation</strong>sprozesses<br />
beispielhaft zugeordnet.<br />
Patentrecherchen<br />
Marktforschung<br />
Beratung, Coaching, Methoden<br />
Ideengenerierung<br />
Finanzierung<br />
Design<br />
Marktkommunikation PR<br />
Ideenschutz<br />
Ideenakzeptierung<br />
F & E<br />
Prüfung<br />
Prototyp<br />
Werbung<br />
Ideenrealisierung<br />
Ausstellungen<br />
Ideenvermarktung<br />
Abbildung 6-22: <strong>Innovation</strong>sdienstleistungen im Produktinnovationsprozess<br />
Grundsätzlich können einerseits <strong>Innovation</strong>sdienstleistungen unterschieden werden<br />
die über den gesamten <strong>Innovation</strong>sprozess hinweg Relevanz haben, wie bspw. Inno-<br />
vations-Coaching oder Beratungsleistungen, andererseits gibt es spezifische Innova-<br />
¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯<br />
211 Vgl. Wohinz, J.W.; u.a.: Abgrenzung von Produktsuchfeldern und Entwicklung von Produktideen im<br />
Rahmen eines wissensbasierten <strong>Innovation</strong>sprozesses, Abschlußbericht, Technische Universität<br />
Graz 2000
Wissensbasiertes Management von <strong>Innovation</strong>sdienstleistungen 181<br />
tionsdienstleistungen, die nur in einer bestimmten Phase von Bedeutung sind, wie<br />
z.B. der Ideenschutz oder der Prototypenbau.<br />
Bezieht man in den Bezugsrahmen zur Gestaltung von <strong>Innovation</strong>sprozessen<br />
(Abbildung 6-10) den Kunden als Abnehmer von <strong>Innovation</strong>en ein, ergibt sich folgen-<br />
des Bild (vgl. Abbildung 6-23): In jeder Unternehmung existiert eine bestehende Pa-<br />
lette an Kernprodukten und Kerndienstleistungen, <strong>mit</strong> der die Unternehmung in der<br />
Lage ist Kundenwünsche zu befriedigen. Bei der Lösungserstellung kann auf diesen<br />
Pool an Produkten und Dienstleistungen zurückgegriffen werden. Da<strong>mit</strong> kann eine<br />
Lösung erstellt werden, die in der Anwendung beim Kunden Zufriedenheit hervorruft.<br />
Prognose<br />
IM<br />
Aufbau<br />
Patentrecherchen<br />
Marktforschung<br />
Ideengenerierung<br />
Finanzierung<br />
<strong>Innovation</strong>sprogramm<br />
Kundenbedürfnis<br />
Beratung, Coaching, Methoden<br />
Projektauftrag<br />
Design<br />
Problemverständnis<br />
Marktkommunikation PR<br />
Ideenschutz<br />
Ideenakzeptierung<br />
F & E<br />
Prüfung<br />
Prototyp<br />
Pool verfügbarer<br />
Kernprodukte und<br />
Kerndienstleistungen<br />
im Unternehmen<br />
Lösungserstellung<br />
Werbung<br />
Ideenrealisierung<br />
Problemlösung<br />
Ausstellungen<br />
Ideenvermarktung<br />
Anwendung<br />
durch Kunden<br />
Abbildung 6-23: <strong>Innovation</strong>sdienstleistungen und Kundenzufriedenheit<br />
Kundenzufriedenheit<br />
Weiters resultiert aus dem <strong>Innovation</strong>sstrategieprozess ein <strong>Innovation</strong>sprogramm,<br />
das in regelmäßigen Abständen an die prognostizierten Anforderungen des Umfel-<br />
des bzw. an zukünftige Kundenwünsche angepasst wird. Die Bearbeitung dieses<br />
<strong>Innovation</strong>sprogramms erfolgt durch <strong>Innovation</strong>sprojekte, die wiederum den Pool an<br />
Produkten und Dienstleistungen ergänzen bzw. erneuern. Da<strong>mit</strong> schließt sich ein
Wissensbasiertes Management von <strong>Innovation</strong>sdienstleistungen 182<br />
Kreislauf, der zunehmend schneller durchlaufen werden muss, um den Anforderungen<br />
der Kunden gerecht werden zu können.<br />
Nachfolgend soll der IDL-Transfer in einem <strong>Innovation</strong>sprozess beispielhaft erläutert<br />
werden. Der Kooperationspartner bzw. IDL-Nachfrager ist dem Bereich der Kunststoffindustrie<br />
zuzuordnen.<br />
6.4.1 Ausgangssituation<br />
Die Tradition des Kooperationspartners reicht mehr als 50 Jahre zurück. Der solide<br />
Kunststoffverarbeitungsbetrieb von einst wandelte sich im Laufe der Jahre zu einer<br />
international anerkannten High-Tech-Unternehmung. Die Firma ist im Bereich der<br />
Entwicklung, Herstellung und des Vertriebs von Präzisionskunststoffprodukten tätig.<br />
Ihre Tätigkeit erstreckt sich auf die Geschäftsbereiche Automotive&Electronic und<br />
Home&Garden, wobei das Produktprogramm Präzisionsteile für die Unterhaltungse-<br />
lektronik und die Automobilindustrie, sowie Standardteile für Haushalts- und Gartenprodukte<br />
umfasst.<br />
Unternehmensstrategie<br />
Die Unternehmensstrategie der Gesellschaft ist einerseits sehr stark auf die Siche-<br />
rung und den weiteren Ausbau der Marktposition als innovativer Anbieter von High-<br />
Tech-Kunststoffprodukten ausgelegt. Bis im Jahre 2003 soll der Umsatz des Vorjah-<br />
res nicht nur verdoppelt werden, sondern auch der Bereich Automotive&Electronic<br />
auf rund 2/3 Umsatzanteil ausgebaut werden.<br />
Die Produktions-, Forschungs- und Entwicklungskapazitäten sollen in den Technolo-<br />
giebereichen verstärkt werden. Mittelfristig ist neben den existierenden Technologie-<br />
bereichen der Aufbau eines neuen Technologiebereichs geplant. Das bereits beste-<br />
hende Wissen im Präzisionsformenbau und Präzisionsspritzguss soll konsequent<br />
ausgebaut werden und dadurch die Marktführerschaft in Europa gewonnen werden.<br />
Durch Intensivierung der Forschungskooperationen <strong>mit</strong> Industrie und Universitäten<br />
sowie dem Aufbau einer Forschungs- und Entwicklungsabteilung im Haus will man<br />
auch in diesem Bereich entscheidende Akzente setzen, um stets auf dem neuesten<br />
Stand der Technologien zu bleiben (Ems, R.H.). 212<br />
¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯<br />
212 Vgl. Ems, R.H.: Wissensbasiertes <strong>Innovation</strong>sprozess-Management als Basis für erfolgreiche Produktinnovationen,<br />
Diplomarbeit Technische Universität Graz 2000
Wissensbasiertes Management von <strong>Innovation</strong>sdienstleistungen 183<br />
Aufgabenstellung<br />
Neben der auftragsbezogenen kundenorientierten Entwicklung und Produktion sollen<br />
in Zukunft vermehrt eigene Produktideen generiert und in der Form von Eigenpro-<br />
dukten vermarktet werden. Für die Unterstützung bei dieser strategischen Neuorien-<br />
tierung und für die Generierung von ersten Produktideen wurde die Abteilung für In-<br />
dustriebetriebslehre und <strong>Innovation</strong>sforschung der Technischen Universität Graz<br />
(IBL/TU-Graz) als IDL-Anbieter ausgewählt.<br />
Die Auswahl dieses IDL-Anbieters stützte sich auf einen bereits bestehenden Kon-<br />
takt <strong>mit</strong> der IBL/TU-Graz. Im Erstkontakt wurde die Aufgabenstellung umfassend diskutiert<br />
und durch folgende Fragestellungen konkretisiert:<br />
? In welcher Form müssen <strong>Innovation</strong>sstrategie und <strong>Innovation</strong>sprozess adaptiert<br />
werden?<br />
? Welche Produkt-Suchfelder können für die Unternehmung als besonders erfolgs-<br />
wahrscheinlich aufgezeigt werden?<br />
? Welche konkreten Produkt-Ideen können innerhalb dieser abgegrenzten Produkt-<br />
Suchfelder abgeleitet werden?<br />
Leistungsumfang und Projektphasen<br />
Die Abteilung für Industriebetriebslehre und <strong>Innovation</strong>sforschung konnte auf Erfah-<br />
rungen aus Referenzprojekten aufbauen und erstellte ein Anbot, das folgende Projektstruktur<br />
und Leistungen umfasste:<br />
Phase 1: Konzeptdesign, Durchführung einer Unternehmens- und Umfeldanalyse<br />
Phase 2: Abgrenzung und Bewertung von Produkt-Suchfeldern<br />
Phase 3: Ableitung und Bewertung von Produkt-Ideen<br />
Phase 4: Empfehlungen für die Realisierung<br />
6.4.2 Gestaltung des IDL-Transfers<br />
Bei diesem Projekt wurde eine handlungsorientierte <strong>Innovation</strong>sdienstleitung in der<br />
Phase der Ideengenerierung eingesetzt. Dementsprechend wurde der IDL-Transfer<br />
anhand der Empfehlungen in Kapitel 5 für den Transfer von handlungsorientierten<br />
<strong>Innovation</strong>sdienstleistungen gestaltet. Die einzelnen Gestaltungsmaßnahmen werden<br />
in der Reihenfolge der in Abschnitt 6.3 vorgestellten Kriterien besprochen:
Wissensbasiertes Management von <strong>Innovation</strong>sdienstleistungen 184<br />
? Gestaltung der menschlichen Beziehung<br />
Anhand von Vorgesprächen wurde ein gemeinsames Kontextwissen zur Problem-<br />
stellung aufgebaut. Zusätzlich wurde in der ersten Phase des Projektes ein Projekt-<br />
<strong>mit</strong>glied des Projektteams der IBL/TU-Graz zum Kooperationspartner entsendet. Dadurch<br />
konnte zusätzliches Kontextwissen und Vertrauen aufgebaut werden.<br />
? Unternehmensübergreifendes Prozessmanagement<br />
In Abstimmung zwischen dem IDL-Nachfrager und der IBL/TU-Graz wurde eine Pro-<br />
jektorganisation und eine Projektsteuergruppe <strong>mit</strong> Mitgliedern beider Organisationen<br />
beschickt. Die Unternehmensanalyse führte ein Mitglied des Projektteams der<br />
IBL/TU-Graz in der Unternehmung vor Ort durch.<br />
Das Projekt wurde in Phasen gegliedert, die durch definierte Meilensteine einge-<br />
grenzt wurden. Nach Abschluss einzelner Phasen wurden anhand von Ergebnisprä-<br />
sentationen der Projektfortschritt gemeinsam <strong>mit</strong> der Projektsteuergruppe diskutiert<br />
und eine entsprechende Ausrichtung der weiteren Aktivitäten vorgenommen.<br />
Durch die handlungsorientierte <strong>Innovation</strong>sdienstleistung bedingt, konnte der Groß-<br />
teil des Prozessmanagements und alle dafür notwendigen Abstimmungen über Telekommunikation<br />
bzw. über den Transfer von Daten abgewickelt werden.<br />
? Management der technischen Infrastruktur<br />
Die eher geringe Frequenz des Datenaustausches konnte <strong>mit</strong>tels Email zufrieden-<br />
stellend bewerkstelligt werden. Weiters wurden zwischendurch Abstimmungsgespräche<br />
per Telefon durchgeführt.<br />
? Zeitliche Dimension der Gestaltung<br />
Die Projektdauer wurde <strong>mit</strong> 6 Monaten festgelegt, der Zeitrahmen wurde akribisch<br />
eingehalten. Die Projektvorlaufzeit für einen notwendigen Kontextaufbau konnte auf-<br />
grund bereits bestehender Kontakte zwischen den Organisationen auf ein Minimum<br />
eingeschränkt werden.<br />
6.4.3 Ergebnisse des IDL-Transfers<br />
Die Ergebnisse der <strong>Innovation</strong>sdienstleistung wurden in einem Abschlussbericht zusammengefasst.<br />
Dabei wurden folgende Schwerpunkte bearbeitet:<br />
? <strong>Innovation</strong>sstrategie und <strong>Innovation</strong>sprozess<br />
? Ressourcen und Kernkompetenzen<br />
? Produktsuchfelder und Produktideen<br />
? Empfehlungen für die Phasen der Ideenakzeptierung und -realisierung
Wissensbasiertes Management von <strong>Innovation</strong>sdienstleistungen 185<br />
<strong>Innovation</strong>sprozess und <strong>Innovation</strong>sstrategie<br />
Der Kooperationspartner konzentriert sich sehr stark auf das Kerngeschäft der kun-<br />
denorientierten Auftragsabwicklung. Die <strong>Innovation</strong>sideen kommen daher in den<br />
meisten Fällen von den Kunden. Diese Ideen werden <strong>mit</strong> internen Kapazitäten und<br />
externen Partnern zur kundenorientierten Lösung weiterentwickelt. Die Produktion<br />
der Werkzeuge und der Endprodukte erfolgt in der Unternehmung. Die bisherige Zu-<br />
sammenarbeit <strong>mit</strong> externen Entwicklungspartnern funktioniert sehr gut und wird daher<br />
weiter beibehalten, bzw. bei Bedarf intensiviert.<br />
Für die Entwicklung von Produkten aus eigenen Ideen wird eine Neuausrichtung der<br />
<strong>Innovation</strong>sstrategie vorgeschlagen (vgl. Abbildung 6-24).<br />
Eigene<br />
Produktideen<br />
INNOVATIONSSTRATEGIE<br />
Unternehmung als<br />
Produkt-Innovator<br />
(Eigenprodukte)<br />
Produktinnovation<br />
Absatz an den<br />
Endverbraucher<br />
Unternehmung als<br />
Problemlöser<br />
(Systemlieferant)<br />
Prozessinnovation<br />
Beitrag zu Entwicklungen<br />
des Kunden<br />
Abbildung 6-24: <strong>Innovation</strong>sstrategie der Unternehmung<br />
Produktidee<br />
vom Kunden<br />
Diese Differenzierung sieht die Weiterführung der bisherigen Aktivitäten der Unter-<br />
nehmung in der auftragsbezogenen Entwicklung und Fertigung (Prozessinnovation)<br />
vor. Zusätzlich soll der Bereich Produktinnovation definiert und ausgebaut werden.<br />
Da<strong>mit</strong> können bestehende Kunden und Märkte besser versorgt werden, zusätzlich<br />
können neue Kunden und Märkte gewonnen werden. Weiters können Synergiepo-<br />
tenziale in der Produktentwicklung genutzt werden. Für die Phase der Ideengenerie-<br />
rung wird eine entsprechende Neukonzeption des <strong>Innovation</strong>sprozesses vorgeschlagen.
Wissensbasiertes Management von <strong>Innovation</strong>sdienstleistungen 186<br />
Ressourcen und Kernkompetenzen<br />
Seitens des IDL-Anbieters IBL/TU-Graz wurde die Ressourcen- und Kompetenzstär-<br />
ke der Unternehmung untersucht. Der Kooperationspartner verfügt über eine starke<br />
Eigenkapitalausstattung. Dementsprechend sind auch finanzielle Mittel für Innovati-<br />
onsaktivitäten ausreichend vorhanden. In den vergangen Jahren wurden über Unter-<br />
nehmenszukäufe neue Fertigungstechnologien in die Unternehmung eingebracht.<br />
Durch jahrelange Erfahrung in der Kunststofftechnik wurden umfangreiche Wissensgebiete<br />
zur Entwicklung und Produktion von Kunststoffteilen aufgebaut.<br />
Die Kernkompetenzen der Unternehmung sind derzeit vor allem in der Prozessinno-<br />
vation zu finden. Produktideen, die vom Kunden kommen, werden entgegengenom-<br />
men, intern bzw. <strong>mit</strong> Entwicklungspartnern zur Serienreife weiterentwickelt und in der<br />
eigenen Produktion umgesetzt, bzw. gefertigt. Der Kunde bekommt das fertige Produkt<br />
bzw. Produkt-Komponenten geliefert.<br />
Der Zugriff auf externe Ressourcen ist ein fixer Bestandteil des Kompetenzaufbaus<br />
des Kooperationspartners. Es wurde empfohlen diese Strategie beizubehalten, aber<br />
zusätzlich auch interne Ressourcen gezielt aufzubauen, um die bestehenden Kernkompetenzen<br />
im Werkzeugbau sichern und ausbauen zu können.<br />
Folgende Kernkompetenzen konnten identifiziert werden:<br />
? Auftragsbezogene Ideenrealisierung bei Kunststoffteilen<br />
? Entwicklung von Werkzeugen für die Serienfertigung von Kunststoffteilen<br />
? Hohe Flexibilität und Umsetzungskompetenz<br />
? Professionelles Ressourcen- und Kompetenzmanagement<br />
Produktsuchfelder und Produktideen<br />
Neben der Ressourcen- und Kernkompetenzausstattung wurden umfangreiche Ana-<br />
lysen über Umfeldentwicklungen im Kunststoffbereich durchgeführt. Anhand von vor-<br />
liegenden Delphistudien und Prognoseergebnissen, bzw. ergänzenden Internetrecherchen<br />
konnten Produktsuchfelder für Zukunftsprodukte abgeleitet werden.<br />
In mehreren Kreativitätsworkshops an der IBL/TU-Graz wurden in den einzelnen<br />
Suchfeldern Produktideen entwickelt. Diese Produktideen wurden einer systemati-<br />
schen Bewertung zugeführt. Dabei wurde auf die <strong>Innovation</strong>sstrategie und auf die<br />
Ressourcen- und Kompetenzausstattung aufgebaut. In Abbildung 6-25 ist der Bewertungsraster<br />
zur Bewertung der Produktideen dargestellt.
Wissensbasiertes Management von <strong>Innovation</strong>sdienstleistungen 187<br />
� Markt<br />
Prognostizierter Absatz, Konjunkturanfälligkeit, Stabilität des Marktes,<br />
Wettbewerbssituation, Konkurrenz, Marktentwicklung, Preisgestaltung<br />
� Technologie<br />
Technologisches Wissen, technologische Entwicklungskosten, Möglichkeiten zum Zukauf,<br />
Technologielebenszyklus, Vorsprung der Konkurrenz<br />
� Produktentwicklung<br />
Ähnlichkeit <strong>mit</strong> bestehenden Produkten, Kapazität im Werkzeugbau, Wissen im<br />
Werkzeugbau, Entwicklungszeit<br />
� Produktion<br />
Auslastungsmöglichkeit, Aufbau auf bestehende Infrastruktur, Investitionen für<br />
Betriebs<strong>mit</strong>tel, Produktionsbeginn, Umstellungsschwierigkeiten, Materialbeschaffung<br />
� Vertrieb<br />
Absatz-/Vertriebsorganisation, saisonale Schwankungen, Markteinführung,·<br />
Marketingaktivitäten<br />
� Side Facts<br />
Image des Produktes, Substitutionsgefahr, Sondervorschriften<br />
Abbildung 6-25: Bewertungskriterien zur Bewertung von Produktideen<br />
Empfehlungen für die Phasen der Ideenakzeptierung und -realisierung<br />
Der IDL-Transfer wurde <strong>mit</strong> der Präsentation der Ergebnisse beim Kooperationspart-<br />
ner abgeschlossen. Zusätzlich wurden die Ergebnisse der <strong>Innovation</strong>sdienstleistung<br />
in einem Abschlussbericht (Wohinz, J.W.; u.a.) 213 zusammengefasst. Innerhalb des<br />
<strong>Innovation</strong>sprozesses wurde die Phase der Ideengenerierung <strong>mit</strong> der Vorstellung<br />
ausgewählter Produktideen seitens der IBL/TU-Graz abgeschlossen.<br />
Außerdem wurden seitens der IBL/TU-Graz Empfehlungen für die weiteren Phasen<br />
des <strong>Innovation</strong>sprojektes eingebracht (vgl. Abbildung 6-26). Es wurde vorgeschlagen<br />
ausgewählte Produktideen im Rahmen einer Machbarkeitsstudie (Feasibility Report)<br />
auf Umsetzbarkeit und Wirtschaftlichkeit zu prüfen. Dazu könnten weitere Methoden<br />
eingesetzt werden, wie bspw. die Funktionsanalyse oder Quality Function Deployment.<br />
Die Erstellung eines Pflichtenheftes sollte den nötigen Rahmen für eine Orientie-<br />
rungskalkulation und einen Business Plan geben. Danach sollten Marketingkonzeption<br />
und Projektorganisation definiert werden.<br />
¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯<br />
213 Vgl. Wohinz, J.W.; u.a.: Abgrenzung von Produktsuchfeldern und Entwicklung von Produktideen im<br />
Rahmen eines wissensbasierten <strong>Innovation</strong>sprozesses, Abschlußbericht, Technische Universität<br />
Graz 2000
Wissensbasiertes Management von <strong>Innovation</strong>sdienstleistungen 188<br />
Kundenwünsche<br />
Unternehmens-<br />
Strategie<br />
Auswahl<br />
Produktidee<br />
Funktionsanalyse<br />
QFD<br />
Produkt- -<strong>Innovation</strong><br />
Pflichtenheft<br />
Freigabe<br />
Feasibility<br />
Report<br />
Orientierungskalkulation<br />
Geschäftsplan<br />
Kundenzufriedenheit<br />
Markteinführung<br />
Projektorganisation<br />
Marketingkonzept<br />
Abbildung 6-26: Detailplanung der Ideenakzeptierung und -realisierung<br />
Die Ergebnisse der erbrachten <strong>Innovation</strong>sdienstleistung bildeten die Basis für die<br />
Neugestaltung des <strong>Innovation</strong>sprozesses und für weitere <strong>Innovation</strong>saktivitäten des<br />
Kooperationspartners.<br />
Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass die Zusammenarbeit sowohl für<br />
den Kooperationspartner als auch für die Abteilung für Industriebetriebslehre und<br />
<strong>Innovation</strong>sforschung der Technischen Universität Graz als äußerst erfolgreich be-<br />
zeichnet werden kann. Die notwendige „Win-Win-Situation“ war von Anfang an deut-<br />
lich und konnte bis zum Abschluss des IDL-Transfers aufrecht erhalten werden. Für<br />
die IBL/TU-Graz konnten neue Erkenntnisse in der Gestaltung von <strong>Innovation</strong>spro-<br />
zessen gewonnen werden und für den Kooperationspartner wurden fundierte Vorschläge<br />
für die Gestaltung ihrer <strong>Innovation</strong>saktivitäten erarbeitet.
Wissensbasiertes Management von <strong>Innovation</strong>sdienstleistungen 189<br />
6.5 Zusammenfassung<br />
Die Grundlage für den wirtschaftlichen Einsatz knapper Ressourcen bildet die strate-<br />
gische Unternehmensführung. In diesem Kapitel wird daher versucht den Ansatz der<br />
<strong>Innovation</strong>sdienstleistung in das strategische <strong>Innovation</strong>smanagement einzuordnen.<br />
Grundsätzlich können zwei unterschiedliche Ansätze der strategischen Planung<br />
identifiziert werden: die marktorientierte und die ressourcenorientierte Strategie.<br />
Während die marktorientierte Strategie hauptsächlich auf die Erschließung von<br />
Marktanteilen ausgerichtet ist, wird im ressourcenorientierten Strategieansatz die<br />
Entwicklung einzigartiger Kompetenzen zur Gestaltung zukünftiger Märkte angestrebt.<br />
Betrachtet man eine Unternehmung als wertsteigerndes Ressourcen-Umwandlungs-<br />
system, so kommt dem Management von Ressourcen eine hohe Bedeutung zu. Ein-<br />
zigartige Ressourcen haben das Potenzial Kernkompetenzen zu begründen. Als<br />
wichtigste Ressource kann in diesem Zusammenhang die Ressource Wissen ge-<br />
nannt werden. Da<strong>mit</strong> kann der in Kapitel 5 vorgestellte Ansatz der <strong>Innovation</strong>sdienstleistung<br />
der ressourcenorientierten <strong>Innovation</strong>sstrategie zugeordnet werden.<br />
Der bedarfsorientierten Einbindung von <strong>Innovation</strong>sdienstleistungen sollte eine stra-<br />
tegische Entscheidung über das Insourcing- oder Outsourcing von Ressourcen bzw.<br />
Kompetenzen vorausgehen. Die Grundlage dafür bilden Übersichten über unterneh-<br />
mensinterne Potenziale. Dazu werden Instrumente zur Analyse und zur Visualisie-<br />
rung der Ressource Wissen bzw. zur Er<strong>mit</strong>tlung der relativen Kompetenzstärke vor-<br />
gestellt. Die da<strong>mit</strong> gewonnenen Analyseergebnisse können als Grundlage aller weiteren<br />
Aktivitäten im <strong>Innovation</strong>smanagement verstanden werden.<br />
Bei der Realisierung von <strong>Innovation</strong>sprojekten sind vielfältige Möglichkeiten zur Ein-<br />
beziehung externer Leistungspotenziale gegeben. Die Schwierigkeit liegt oft darin<br />
geeignete IDL-Anbieter zu finden. Dazu wird an dieser Stelle ein Ablauf vorgestellt,<br />
der den Weg von der Bedarfsentstehung bis zum IDL-Transfer beschreibt.<br />
Die Einbeziehung von <strong>Innovation</strong>sdienstleistungen erhöht nicht nur das innovations-<br />
relevante Ressourcenspektrum, sondern erhöht auch die Komplexität des Innovati-<br />
onsprozesses. Der besonderen Bedeutung des Managements eines <strong>Innovation</strong>s-<br />
dienstleistungstransfers wird anhand der differenzierten Betrachtung der Gestal-<br />
tungsmaßnahmen für die Kategorien Menschen, Prozesse, Technik und Zeit Rechnung<br />
getragen.
Wissensbasiertes Management von <strong>Innovation</strong>sdienstleistungen 190<br />
Für den Bereich der Produkt- und Prozessinnovation werden mögliche <strong>Innovation</strong>s-<br />
dienstleistungen den einzelnen Phasen eines <strong>Innovation</strong>sprozesses beispielhaft zu-<br />
geordnet und die Rolle von <strong>Innovation</strong>sdienstleistungen zur Erfüllung von Kunden-<br />
wünschen angedeutet. Weiters wird ein Beispiel aus der Praxis vorgestellt, bei dem<br />
in einer Unternehmung die Phase der Ideengenerierung in einem <strong>Innovation</strong>sprozess<br />
durch eine handlungsorientierte <strong>Innovation</strong>sdienstleistung unterstützt wurde.<br />
Die Stärkung der <strong>Innovation</strong>sfähigkeit von Unternehmungen kann auf unterschiedli-<br />
che Art und Weise in Angriff genommen werden. Vielfach sind heute Aktivitäten zu<br />
verfolgen, bei denen Unternehmungen aus diesem Grund vollständig übernommen<br />
werden. Im Unterschied zur Unternehmungs-Akquisition, bei der nicht nur Wissen<br />
und Kompetenzen eingekauft werden, sondern auch ev. Mängel und Schwächen,<br />
erweist sich der IDL-Ansatz als flexiblere und auch effizientere Lösung. Durch ge-<br />
zielte Anbieter-Auswahl und durch die Pflege von langfristigen Beziehungen kann<br />
dadurch eine dynamische, flexible <strong>Innovation</strong>splattform aufgebaut werden.
Ausblick 191<br />
7 Ausblick<br />
Der in dieser Arbeit vorgestellte Ansatz der <strong>Innovation</strong>sdienstleistung kann als eine<br />
wichtige Möglichkeit zur Bewältigung der unternehmerischen Herausforderungen des<br />
betrieblichen <strong>Innovation</strong>smanagements verstanden werden. Die Konzentration auf<br />
die eigenen Kernkompetenzen, gepaart <strong>mit</strong> der Einbeziehung externer Spezialisten<br />
in ausgewählten Wissensgebieten, ermöglicht eine Flexibilität in der Ressourcen-<br />
kombination, die heute für <strong>Innovation</strong>saktivitäten dringend notwendig erscheint.<br />
Durch das Bewusstwerden über eigene Kompetenzen und selektives In- bzw.<br />
Outsourcing kann die <strong>Innovation</strong>sfähigkeit einer Unternehmung gezielt gesteigert<br />
werden (vgl. Abbildung 7-1).<br />
Selektives Outsourcing durch<br />
Einbeziehen von<br />
<strong>Innovation</strong>sdienstleistungen<br />
Ressourcenorientierte<br />
<strong>Innovation</strong>sstrategie<br />
Er<strong>mit</strong>tlung des eigenen<br />
<strong>Innovation</strong>spotenzials<br />
<strong>Innovation</strong>spotenzial<br />
sichern und weiterentwickeln<br />
Abbildung 7-1: Aspekte einer ressourcenorientierten <strong>Innovation</strong>sstrategie<br />
Wissen bildet neben einer starken Kapitalausstattung die wichtigste Ressource für<br />
<strong>Innovation</strong>saktivitäten. Wissen hat zwar den Vorteil, dass es bei der Verwendung<br />
nicht „verbraucht“, sondern eher vermehrt wird, der Transfer von Wissen über Unter-<br />
nehmensgrenzen hinweg, erweist sich allerdings als äußerst komplexe Manage-<br />
mentaufgabe. Das Management von Wissen erfordert vor allem eine fundierte Aus-<br />
einandersetzung <strong>mit</strong> unterschiedlichsten Wissensgebieten und ein Umdenken im
Ausblick 192<br />
Management. Für die Einführung von <strong>Wissensmanagement</strong> in Unternehmungen sind<br />
noch viele Fragen zu beantworten, Patentrezepte oder Erfahrungen sind kaum vorhanden.<br />
Die Veränderungen der Wettbewerbsbedingungen erfordern von Unternehmungen<br />
zunehmend Flexibilität und <strong>Innovation</strong>sfähigkeit anstatt Produktivitätssteigerung. Fle-<br />
xiblere Organisationsformen haben das Potenzial, diesen Anforderungen der Zukunft<br />
Rechnung zu tragen. Da<strong>mit</strong> verliert das Denken in Hierarchien und Funktionen an<br />
Bedeutung und wird durch das Denken in Wertschöpfungsketten ersetzt.<br />
Organisationsformen<br />
zur schnellen und<br />
permanenten Marktorientierung<br />
Leitbilder neuer <strong>Innovation</strong>sstrategien<br />
zur Stärkung der <strong>Innovation</strong>sfähigkeit<br />
Formen der Vernetzung:<br />
Fähigkeit zur Kooperation<br />
nach innen und außen<br />
Formen der Personalführung zur<br />
Entwicklung und Ausschöpfung<br />
der Mitarbeiterpotenziale<br />
Abbildung 7-2: Neue Leitbilder für <strong>Innovation</strong>sstrategien (Picot, A.; Reichwald, R.;<br />
Wigand, R.T.) 214<br />
Die in Abbildung 7-2 dargestellten Leitbilder zukünftiger <strong>Innovation</strong>sstrategien zei-<br />
gen, dass zukünftige Ansätze vor allem in der Neugestaltung von Unternehmensorganisation<br />
und Unternehmensführung liegen werden.<br />
Entstehung von Kompetenznetzwerken<br />
Am Weg zur ganzheitlich, innovationsbewussten Unternehmung gewinnt die Fähig-<br />
keit Wissen <strong>mit</strong> anderen zu teilen und zu kooperieren an Bedeutung. Durch Koope-<br />
rationen <strong>mit</strong> externen Partnern bedingt, werden aber auch die Unternehmensgrenzen<br />
zunehmend aufgeweicht. Die Intensivierung dieser Kooperationsbeziehungen mün-<br />
¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯<br />
214 Picot, A.; Reichwald, R.; Wigand, R.T.: Die grenzenlose Unternehmung, 3. Auflage, Wiesbaden<br />
1998, S. 11
Ausblick 193<br />
det in dynamische Kernkompetenznetzwerke, die im theoretischen Modell der virtuellen<br />
Unternehmung ihre extremste Ausprägung erreichen (Schneider, U.). 215<br />
Die Eintrittsbarriere in den von Kernkompetenzen definierten Markt wird zunehmend<br />
schwieriger, da der Vorsprung, der durch den Kompetenzaufbau geschaffen wird,<br />
von Neueinsteigern nur schwer aufgeholt werden kann. Aus dieser Sicht kann auch<br />
die Gefahr des Wissensabflusses in der Kooperation <strong>mit</strong> externen Partnern relativiert<br />
werden: Es wird dabei zwar wechselseitig Wissen weitergegeben, der Kompe-<br />
tenzaufbau ist allerdings an Handlungen gebunden und die dazu notwendigen Lern-<br />
prozesse können nicht kopiert oder weitergegeben werden, sondern müssen von<br />
jedem einzelnen in der Anwendung selbst „erfahren“ werden.<br />
Die Weiterentwicklung des „Resource-based View“ zum „Competence-based View“<br />
führt zu „intelligenten Unternehmungen“ deren konstituierende Merkmale nur mehr<br />
im „Portfolio“ von Kernkompetenzen und strategischen Geschäftseinheiten erkennbar<br />
sind. Unternehmungen werden nicht mehr traditionell <strong>mit</strong> finanziellen Begriffen er-<br />
fasst, sondern werden als Entwicklungs- und Speichermedium von Wissen zu be-<br />
greifen sein. Kurzfristige Maßnahmen gehen in einen Prozess der kontinuierlichen<br />
<strong>Innovation</strong> über. Da<strong>mit</strong> stehen Führungskräfte vor einer ungewohnten Perspektive<br />
(Friedrich, S.A.; Hinterhuber, H.H.). 216<br />
Das Paradoxon der Produktion von Komplexität<br />
Die exponentielle Zunahme an Daten, immer komplexere Technologien, sowie stei-<br />
gende Produktvielfalt auf instabilen Märkten haben die Komplexität der unternehme-<br />
rischen Tätigkeit in den letzten Jahrzehnten enorm gesteigert. Es fehlen stabile Be-<br />
zugspunkte, Patentrezepte der Vergangenheit verlieren zunehmend an Gültigkeit.<br />
Das da<strong>mit</strong> verbundene, ständige Infragestellen von Managementtheorien hat zur<br />
Verunsicherung vieler Unternehmungen geführt.<br />
Die zunehmende Komplexität der unternehmerischen Umwelt kann anscheinend nur<br />
durch geeignete Maßnahmen und Reaktionen bewältigt werden. Vom Standpunkt<br />
eines Beobachters aus gesehen wird die Zunahme der Komplexität allerdings nicht<br />
alleine von der Evolution der Umwelt bestimmt. Es ist die Unternehmung selbst, die<br />
durch ihre Anpassung zur weiteren Erhöhung der Komplexität beiträgt. Dadurch wird<br />
¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯<br />
215 Vgl. Schneider, U.: Reengineering und andere Managementmethoden: Vorüberlegungen zu einem<br />
temporären Ansatz der Organisation, in: Liebmann, H.-P. (Hrsg.): Vom Business Process Reengineering<br />
zum Change Management, Wiesbaden 1997, S. 207<br />
216 Vgl. Friedrich, S.A.; Hinterhuber, H.H.: Mehrwert durch Diversifikation?, in: Hinterhuber, H.H.; u.a.<br />
(Hrsg.): Die Zukunft der diversifizierten Unternehmung, München 2000, S. 13
Ausblick 194<br />
ein Kreislauf erzeugt, der als das „Paradoxon der Produktion von Komplexität“ bezeichnet<br />
werden kann.<br />
Mit den Mitteln der Systemtheorie kann diese Situation anschaulich dargestellt wer-<br />
den: Neben der „äußeren“ Komplexität des Umfeldes existiert auch eine „innere“<br />
Komplexität in der Unternehmung. Zwischen diesen beiden Arten der Komplexität<br />
besteht eine enge Beziehung. Zur Bewältigung einer erhöhten äußeren Komplexität<br />
durch die Unternehmung muss auch deren innere Komplexität bzw. Viabilität durch<br />
Lernprozesse erhöht werden (vgl. Abbildung 7-3).<br />
Wahrnehmung der<br />
Komplexität<br />
Zunahme der äußeren Komplexität<br />
Paradoxon der Produktion<br />
von Komplexität<br />
Zunahme der inneren Komplexität<br />
Wahrnehmung der<br />
Komplexität<br />
Abbildung 7-3: Paradoxon der Produktion von Komplexität (Vicari, S.; Bertoli, G.) 217<br />
Dadurch wird allerdings keine Verringerung der Komplexität erreicht, sondern der<br />
Grundstein für einen weiteren Anstieg der Komplexität gelegt. Das Wachstum der<br />
Komplexität ergibt sich da<strong>mit</strong> aus einem sich selbst steigernden Kreislauf, bei dem<br />
die Erhöhung der inneren Komplexität als Folge der äußeren Komplexität und umge-<br />
kehrt gesehen werden kann. Diese Endlosschleife kann daher auf den Prozess zu-<br />
rückgeführt werden <strong>mit</strong> dem Unternehmungen versuchen auf die Herausforderungen<br />
der Umwelt zu reagieren.<br />
Durch die Vernetzung von Unternehmungen in Kooperationen kann die Geschwin-<br />
digkeit dieses Kreislaufs beeinflusst werden, da der Aufbau hoher innerer Komplexi-<br />
tät durch den Zugriff auf externe Kapazitäten teilweise substituiert werden kann. Aus<br />
dieser Sicht kann der in dieser Arbeit vorgestellte Ansatz der <strong>Innovation</strong>sdienstlei-<br />
¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯<br />
217 Vgl. Vicari, S.; Bertoli, G.: Die diversifizierte Unternehmung als lernende Organisation, in: Hinterhuber,<br />
H.H.; u.a. (Hrsg.): Die Zukunft der diversifizierten Unternehmung, München 2000, S. 82
Ausblick 195<br />
stung als ein möglicher Ansatz zur Bewältigung und in geringem Maße auch zur Beeinflussung<br />
der <strong>Innovation</strong>sdynamik verstanden werden.<br />
Die Unternehmung als lernende Organisation, <strong>mit</strong> der Offenheit zur Einbindung ex-<br />
terner Wissensquellen, hat gute Voraussetzungen den Anforderungen der Zukunft<br />
gewachsen zu sein. Um in die Zukunft zu gelangen, muss eine Unternehmung aber<br />
auch bereit sein, die eigene Vergangenheit zumindest teilweise hinter sich zu lassen.<br />
Die notwendige Bewegung zur Veränderung der eigenen Organisation braucht Promotoren,<br />
die bereit sind <strong>Innovation</strong>sprozesse einzuleiten und voranzutreiben.<br />
Der Treibstoff des Motors einer dynamischen, innovationsfähigen Unternehmung ist<br />
in der Ressource Wissen zu suchen. Dem Management von Wissen - dem wichtig-<br />
sten Produktionsfaktor für <strong>Innovation</strong>en - kommt da<strong>mit</strong> eine zentrale Rolle in der Be-<br />
wältigung von <strong>Innovation</strong>sprozessen zu. Da<strong>mit</strong> basiert <strong>Innovation</strong> auch im 21. Jahr-<br />
hundert auf der „Durchsetzung neuer Kombinationen von Produktionsfaktoren“ und<br />
Joseph Alois Schumpeters 218 Theorie beeindruckt durch ihre ungebrochen hohe Be-<br />
deutung.<br />
¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯<br />
218 Vgl. Schumpeter, J. A.: Theorie der wirtschaftlichen Entwicklung, 7. Auflage, Berlin 1987
Anhang 196<br />
Anhang
Anhang 197<br />
ABBILDUNGSVERZEICHNIS<br />
Abbildung 1-1: Kreislauf des organisationalen Lernens.............................................. 2<br />
Abbildung 1-2: Spezialisierung in technologisch orientierten Wissensgebieten.......... 4<br />
Abbildung 1-3: Ablauf der qualitativen Erhebung auf der Nachfragerseite ................. 7<br />
Abbildung 1-4: Typische Verhaltensformen im Bereich „Strategische Ausrichtung“ ... 9<br />
Abbildung 1-5: Häufigkeit der in Anspruch genommenen IDL in den Kategorien ....... 9<br />
Abbildung 1-6: Häufigkeit der Kontakte zu <strong>Innovation</strong>sdienstleistern ....................... 10<br />
Abbildung 1-7: Schwerpunkte d. Arbeit im Grazer Modell f. Industr. Management... 14<br />
Abbildung 1-8: Wissensquellen der vorliegenden Arbeit........................................... 16<br />
Abbildung 1-9: Struktur der Arbeit............................................................................. 17<br />
Abbildung 2-1: Die Funktionen des Managements nach Bleicher............................. 20<br />
Abbildung 2-2: Merkmale von <strong>Innovation</strong>en nach Thom........................................... 24<br />
Abbildung 2-3: Phasenmodell des <strong>Innovation</strong>sprozesses......................................... 26<br />
Abbildung 2-4: Gestaltungsfelder der <strong>Innovation</strong>skompetenz................................... 29<br />
Abbildung 2-5: Entwicklungslinien und Exponenten des <strong>Wissensmanagement</strong>s ..... 34<br />
Abbildung 2-6: Modelle des Wissens........................................................................ 36<br />
Abbildung 2-7: Klassisches Kommunikationsmodell................................................. 40<br />
Abbildung 2-8: Differenzierte Betrachtung von Daten............................................... 42<br />
Abbildung 3-1: Elementare Funktionen der betrachteten Systeme........................... 50<br />
Abbildung 3-2: Bestimmungsgrößen eines Systems ................................................ 52<br />
Abbildung 3-3: Modell der neuronalen Informationsverarbeitung.............................. 55<br />
Abbildung 3-4: Der Flaschenhals der Datenreduktion .............................................. 57<br />
Abbildung 3-5: Das Gehirnmodell von Vester........................................................... 58<br />
Abbildung 3-6: Signalfilterung im Ultrakurzzeit-Gedächtnis ...................................... 59<br />
Abbildung 3-7: Signalvernetzung im Ultrakurzzeit-Gedächtnis ................................. 60<br />
Abbildung 3-8: Seiten- und Vorderansicht das limbischen Gehirnmodells................ 61<br />
Abbildung 3-9: Modell der Organisation des Nervensystems ................................... 70<br />
Abbildung 3-10: Modell der nervösen und hormonalen Kausalkette......................... 71<br />
Abbildung 3-11: Triviale und nicht-triviale Maschine................................................. 73<br />
Abbildung 4-1: Systemhierarchie im soziotechnischen System ................................ 79<br />
Abbildung 4-2: Systemelemente im Wissenssystem ................................................ 80<br />
Abbildung 4-3: Beispiel eines technischen Subsystems........................................... 81
Anhang 198<br />
Abbildung 4-4: ISO/OSI-Schichtenmodell der Datenübertragung............................. 83<br />
Abbildung 4-5: Signalfluss zwischen kognitivem und motorischem Subsystem ....... 87<br />
Abbildung 4-6: Beziehung zwischen kognitivem und motorischem Subsystem ........ 88<br />
Abbildung 4-7: Signalstrom zwischen zwei Elementen eines sozialen Systems....... 89<br />
Abbildung 4-8: Wissenstransfer durch Kommunikation ............................................ 90<br />
Abbildung 4-9: Triviale und nicht-triviale Maschinen im soziotechnischen System... 93<br />
Abbildung 4-10: Prozess der Information.................................................................. 95<br />
Abbildung 4-11: Prozess der Dokumentation............................................................ 96<br />
Abbildung 4-12: Wissenstransfer über Dokumentation und Information................... 98<br />
Abbildung 4-13: Aufbau der organisationalen Wissensbasis .................................. 101<br />
Abbildung 4-14: Bezugsrahmen zur Analyse und Gestaltung von Wissenssys. ..... 102<br />
Abbildung 4-15: Entstehung von Wissensgebieten................................................. 104<br />
Abbildung 5-1: Wettbewerb um Kompetenz............................................................ 109<br />
Abbildung 5-2: Hierarchie der Kompetenzentwicklung ........................................... 111<br />
Abbildung 5-3: <strong>Innovation</strong>sdienstleistungen zwischen Insourcing u. Outsourcing .. 114<br />
Abbildung 5-4: <strong>Innovation</strong>sdienstleistungen zwischen Bedarf und Angebot........... 119<br />
Abbildung 5-5: Einbindung von IDL in die Wissensbasis des IDL-Nachfragers ...... 122<br />
Abbildung 5-6: Funktion des Kontextwissens ......................................................... 123<br />
Abbildung 5-7: Wissensinduktion durch IDL-Einbindung ........................................ 124<br />
Abbildung 5-8: Unternehmensübergreifende <strong>Innovation</strong>splattform <strong>mit</strong>tels IDL ....... 125<br />
Abbildung 5-9: Zuordnung von <strong>Innovation</strong>sdienstleistungen zum Bezugsrahmen.. 126<br />
Abbildung 5-10: Vernetzung für den Transfer von datenorientierter IDL................. 128<br />
Abbildung 5-11: Vernetzung für den Transfer von wissensorientierter IDL............. 130<br />
Abbildung 5-12: Vernetzung für den Transfer von handlungsorientierter IDL ......... 132<br />
Abbildung 5-13: Mögliche Wirkungen der IDL-Unterstützung ................................. 135<br />
Abbildung 6-1: Unternehmung als wertsteig. Umwandlungssys. von Ressourcen . 140<br />
Abbildung 6-2: Grundfragen der Unternehmensstrategie ....................................... 141<br />
Abbildung 6-3: Marktorientierte Unternehmensstrategie......................................... 143<br />
Abbildung 6-4: Ressourcenorientierte Unternehmensstrategie............................... 145<br />
Abbildung 6-5: Kreislauf des strategischen <strong>Innovation</strong>smanagements................... 148<br />
Abbildung 6-6: Strategischer Handlungsspielraum ................................................. 149<br />
Abbildung 6-7: Wechselwirkung von Strategie und Organisationsstruktur.............. 150
Anhang 199<br />
Abbildung 6-8: <strong>Innovation</strong>sstrategien und ihre organisatorischen Konsequenzen.. 151<br />
Abbildung 6-9: Schwerpunkte im strategischen Management ................................ 152<br />
Abbildung 6-10: Bezugsrahmen zur Gestaltung von <strong>Innovation</strong>sprozessen........... 153<br />
Abbildung 6-11: Entscheidungsbaum der ressourcenorient. <strong>Innovation</strong>sstrategie.. 156<br />
Abbildung 6-12: Kompetenzmatrix.......................................................................... 158<br />
Abbildung 6-13: Kompetenzportfolio für innovationsrelevante Kompetenzen......... 160<br />
Abbildung 6-14: Abgrenzung der In-/Outsourcing-Bereiche ................................... 161<br />
Abbildung 6-15: In-/Outsourcing im Kompetenzportfolio......................................... 162<br />
Abbildung 6-16: Differenzierung von Wissenslücken.............................................. 166<br />
Abbildung 6-17: Wissensportfolio der Unternehmung............................................. 167<br />
Abbildung 6-18: Prozess der IDL-Einbindung......................................................... 169<br />
Abbildung 6-19: Gestaltungsbereiche beim IDL-Transfer ....................................... 171<br />
Abbildung 6-20: Problembereich selektive Wahrnehmung ..................................... 172<br />
Abbildung 6-21: Extranet-Portal für die Zusammenarbeit auf Datenebene............. 176<br />
Abbildung 6-22: <strong>Innovation</strong>sdienstleistungen im Produktinnovationsprozess......... 180<br />
Abbildung 6-23: <strong>Innovation</strong>sdienstleistungen und Kundenzufriedenheit................. 181<br />
Abbildung 6-24: <strong>Innovation</strong>sstrategie der Unternehmung....................................... 185<br />
Abbildung 6-25: Bewertungskriterien zur Bewertung von Produktideen ................. 187<br />
Abbildung 6-26: Detailplanung der Ideenakzeptierung und -realisierung................ 188<br />
Abbildung 7-1: Aspekte einer ressourcenorientierten <strong>Innovation</strong>sstrategie ............ 191<br />
Abbildung 7-2: Neue Leitbilder für <strong>Innovation</strong>sstrategien ....................................... 192<br />
Abbildung 7-3: Paradoxon der Produktion von Komplexität.................................... 194<br />
TABELLENVERZEICHNIS<br />
Tabelle 1-1: Gegenüberstellung von Modellbildung und Frameworking ................... 16<br />
Tabelle 2-1: Persönlichkeitsmerkmale innovativer Mitarbeiter.................................. 28<br />
Tabelle 2-2: Gegenüberstellung von Interaktions- und Paketmodell......................... 37<br />
Tabelle 2-3: Funktionsmerkmale von Computer und Gehirn im Vergleich................ 38<br />
Tabelle 2-4: Morphologie des Begriffs Daten............................................................ 44<br />
Tabelle 4-1: Dokumentation/Information und Telekommunikation im Vergleich ....... 99
Anhang 200<br />
LITERATURVERZEICHNIS<br />
In den Literaturzitaten verwendete Abkürzungen:<br />
asw Absatzwirtschaft<br />
HBR Harvard Business Review<br />
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