06 07 News „Alte, gebt den Löffel ab!“ > Die Pressemeldung, der Rücktritt, das Interview Der 28jährige Jan Dittrich war seit dem Bundeskongress im März 2004 Vorsitzender der <strong><strong>Junge</strong>n</strong> <strong><strong>Liberale</strong>n</strong>. Nach einer umstrittenen Pressemitteilung trat der Darmstädter nun nach knapp elfmonatiger Amtszeit zurück. Jan, warum hast Du diese Pressemitteilung herausgegeben? Der Antrieb war, auf die internationale Vergleichsstudie der Unicef zu reagieren, die eine erschreckende Zunahme der Kinder- und Jugendarmut in Deutschland festgestellt hat. Gerade für uns als Jugendorganisation ist Generationengerechtigkeit ein Thema. Weil aus dem Bericht glasklar hervorgeht, dass die Altersarmut quasi auf Null gesunken ist, die Kinderarmut und damit auch das Armutsrisiko aber extrem gestiegen ist, fand ich es wichtig, darauf in einer Pressemitteilung noch einmal besonders hinzuweisen. Der Titel der Pressemitteilung lautet „Alte, gebt den Löffel ab!“ Ist das der politische Stil der <strong><strong>Junge</strong>n</strong> <strong><strong>Liberale</strong>n</strong>? Ich wollte eine Redewendung fi nden, die darauf abzielt, dass sich die ältere Die Chronologie der Ereignisse • MITTWOCH, 2. MÄRZ Jan Dittrich veröffentlicht eine Pressemitteilung zum Armutsbericht der UNICEF unter dem Titel „Alte gebt den Löffel ab!“ • DONNERSTAG, 3. MÄRZ Gerüchte über eine Berichterstattung der BILD-Zeitung am kommenden Tag sickern durch. Generation stärker an den Kosten für die anstehenden Umstellungen – Abtragen der Staatsverschuldung, Umweltschutz, Soziale Sicherungssysteme – beteiligen muss. Dass die ältere Generation dazu den einen oder anderen Löffel aus dem Tafelsilber hergeben muss, erschien mir als geeignetes pointiertes Wortspiel. Heute muss ich sagen, dass diese Formulierung sehr unglücklich gewählt war. Hinter dem Inhalt stehe ich im Übrigen voll und ganz. Kinder- und Jugendarmut ist ein gesellschaftliches Problem in Deutschland. Wenn es keine öffentliche Diskussion über dieses Thema gibt, wird die Lage nur noch schlimmer. Daher müssen wir aus den gemachten Fehlern lernen und am Thema dran bleiben. Es ist Aufgabe eines Jugendverbandes, diese Themen anzusprechen. Das liegt im ureigensten Interesse dieser Generation. Wie fi elen die Reaktionen aus, die Dich persönlich erreichten? Aus den gut tausend E-Mails, die mich erreichten, waren die unterschiedlichsten Reaktionen zu entnehmen. Auf der einen Seite gab es eine deutliche Ablehnung der • FREITAG, 4. MÄRZ Die BILD-Zeitung macht die Pressemitteilung zum Aufmacher. Sie kommentiert in Bezug auf den Bundesvorsitzenden: „Dieser FDP-Bubi hat nicht mehr alle Tassen im Schrank.“ Auf der Fahrt zur Bundesvorstandssitzung wird Jan Dittrich mit Anrufen und Kurzmitteilungen überschwemmt. Jan berät sich mit Vorstandskollegen Position und Verurteilung meiner Person – insbesondere von Menschen, die sich als Rentner zu erkennen gaben. Auf der anderen Seite gab es aber auch viel Zustimmung von jungen Familien, Familienvätern oder allein erziehenden Müttern. Sie meinten, dass es genau richtig war, das Thema anzusprechen, auch wenn man über den Stil der Pressemitteilung streiten könne. War denn der Rücktritt notwendig? Ich habe schnell bemerkt, dass ich einen Fehler gemacht habe. Was meine Person angeht war der Rücktritt daher notwendig und für mich ist es eine Selbstverständlichkeit, dass man für einen gemachten Fehler die Verantwortung übernehmen muss. Das habe ich getan. Wer das Amt des Bundesvorsitzenden inne hat, muss auch Verantwortung übernehmen können. Das Gespräch führte J&L Redakteur Jonas Hahn. Ihr erreicht Jonas unter jonas.hahn@julis.de und beschließt gegen Mittag zurückzutreten. Kommissarischer Bundesvorsitzender wird Alexander Alvaro. Die Nachricht vom Rücktritt geht im Laufe des Abends durch alle großen Nachrichtensendungen • SAMSTAG, 5. MÄRZ Der Rücktritt beschäftigt neben der BILD-Zeitung auch die Tagespresse. Ausriss aus der BILD-Titelseite vom 4. März 2005 jung & liberal Ausgabe 1|2005 News