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Bekämpfung des Feuerbrands in der Schweiz - Plant Science Center

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<strong>Bekämpfung</strong> <strong>des</strong> <strong>Feuerbrands</strong><br />

<strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Schweiz</strong><br />

Traditionelle Lösung o<strong>der</strong> Gentechnik?<br />

Herausgegeben<br />

von:<br />

Stefan Kohler<br />

Alessandro Maranta<br />

Christof Sautter


<strong>Bekämpfung</strong> <strong>des</strong> <strong>Feuerbrands</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

<strong>Schweiz</strong><br />

Traditionelle Lösung o<strong>der</strong> Gentechnik?<br />

Herausgegeben von:<br />

Stefan Kohler<br />

Alessandro Maranta<br />

Christof Sautter<br />

3. FACHTAGUNG ZUR GRÜNEN GENTECHNIK<br />

DES ZURICH-BASEL PLANT SCIENCE CENTER<br />

VOM 13. JUNI 2008 AN DER ETH ZÜRICH


<strong>Bekämpfung</strong> <strong>des</strong> <strong>Feuerbrands</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Schweiz</strong> – Traditionelle Lösung<br />

o<strong>der</strong> Gentechnik?<br />

Stefan Kohler, Alessandro Maranta, Christof Sautter (Hrsg.)<br />

© Idea Verlag, Zürich 2010<br />

ISBN: 978-3-88793-256-5


Inhalt<br />

Fritz Schiesser<br />

Feuerbrandbekämpfung <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Schweiz</strong>: Traditionelle Lösungen<br />

o<strong>der</strong> Gentechnologie? ........................................................................9<br />

GENTECHNOLOGIE ALS ALTERNATIVE STRATEGIE GEGEN FEUERBRAND? –<br />

EINE BESTANDSAUFNAHME<br />

Eduard Holliger<br />

Epidemiologie <strong>des</strong> <strong>Feuerbrands</strong> .....................................................15<br />

Magda-Viola Hanke<br />

Transgene Ansätze zur Feuerbrandresistenz ................................23<br />

Cesare Gessler, Andrea Patocchi, Iris Szankowski und Giovanni Brogg<strong>in</strong>i<br />

Cisgenic approach to disease resistance <strong>in</strong> Apple .......................33<br />

Alessandro Maranta (Zusammenfassung <strong>der</strong> Paneldiskussion)<br />

Wird neueren gentechnologischen Ansätzen<br />

e<strong>in</strong>e Chance zugesprochen? ...........................................................39<br />

HERKÖMMLICHE METHODEN, STREPTOMYCIN UND GENTECHNIK<br />

GEGEN FEUERBRAND – EINE ÖKOLOGISCHE WERTUNG<br />

Markus Rösler, Michael Schaad<br />

Vergleich ökologischer Risiken <strong>der</strong> herkömmlichen<br />

<strong>Bekämpfung</strong>smethoden versus Streptomyc<strong>in</strong><br />

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Alessandro Maranta (Zusammenfassung <strong>der</strong> Paneldiskussion)<br />

Was ist nachhaltiger: Monokulturen o<strong>der</strong> GVP? ............................55


GENTECHNISCHE FEUERBRANDBEKÄMPFUNG ALS ÖKONOMISCHE OPTION?<br />

Bruno Pezzatti<br />

Die Haltung <strong>der</strong> Obstbauern ............................................................61<br />

Beat Fel<strong>der</strong><br />

<strong>Bekämpfung</strong> <strong>des</strong> Feuerbran<strong>des</strong> 2008 im Kanton Luzern .............65<br />

Alessandro Maranta (Zusammenfassung <strong>der</strong> Paneldiskussion)<br />

S<strong>in</strong>d gewisse Substanzen schon <strong>des</strong>halb gefährlich,<br />

weil sie messbar s<strong>in</strong>d? ....................................................................73<br />

ANTIBIOTIKA ODER GENTECHNIK? – EINE RECHTSETHISCHE BETRACHTUNG<br />

Lutz W<strong>in</strong>gert<br />

Antibiotika o<strong>der</strong> Gentechnik? E<strong>in</strong>e rechtsethische Betrachtung 81<br />

Peter Hettich<br />

Rechtliche Aspekte <strong>der</strong> Feuerbrandbekämpfung ..........................89<br />

Alessandro Maranta (Zusammenfassung <strong>der</strong> Paneldiskussion)<br />

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von GVO <strong>in</strong> <strong>der</strong> Öffentlichkeit zu reduzieren? ...............................97


Liste <strong>der</strong> Referenten und geladenen Experten<br />

Referenten:<br />

Dr. Fritz Schiesser, Präsident ETH-Rat, ETH Zürich<br />

Eduard Holliger, Forschungsanstalt ACW Wädenswil,<br />

Nationales Kompetenzzentrum Feuerbrand<br />

Prof. Viola Hanke, Bun<strong>des</strong>anstalt Züchtungsforschung<br />

Dresden-Pillnitz<br />

Prof. Cesare Gessler, Phytopathologie, ETH Zürich<br />

Dr. Markus Rösler, Sprecher NABU – Bun<strong>des</strong>fachausschuss<br />

Streuobst Stuttgart<br />

Dipl. Biol. Michael Schaad, <strong>Schweiz</strong>er Vogelschutz SVS /<br />

Bird Life <strong>Schweiz</strong><br />

Bruno Pezzatti, Präsident <strong>Schweiz</strong>erischer Obstbauernverband<br />

Beat Fel<strong>der</strong>, Kanton Luzern, Vollzug <strong>der</strong> Feuerbrandbekämpfung<br />

Geladene Experten:<br />

Dr. Daniel Fischer, AWEL, Kanton Zürich, Biosicherheit<br />

Prof. Bernhard Schmid, Universität Zürich<br />

Nationalrat Hansjörg Walter, Präsident <strong>Schweiz</strong>. Bauernverband<br />

lic. iur. Dieter Schürer, Verband <strong>der</strong> <strong>Schweiz</strong>. Bienenzüchtervere<strong>in</strong>e,<br />

Ressort Honig<br />

Prof. Bernard Lehmann, Agrarökonomie ETHZ<br />

Prof. Ra<strong>in</strong>er <strong>Schweiz</strong>er, Gentechnikrecht Uni St. Gallen<br />

Prof. Michael Hampe, Competence <strong>Center</strong> of History of Knowledge<br />

ETH Zurich, Ethik<br />

Mo<strong>der</strong>ation:<br />

Beat Glogger, Wissenschaftsjournalist / Autor


Abkürzungsverzeichnis<br />

ACW Forschungsanstalt Agroscope Chang<strong>in</strong>s-Wädenswil<br />

BGE Bun<strong>des</strong>gerichtsentscheide<br />

BLW Bun<strong>des</strong>amt für Landwirtschaft<br />

DNA Desoxyribonukle<strong>in</strong>säure<br />

EAWAG Eidgenössische Anstalt für Wasserversorgung,<br />

Abwasserre<strong>in</strong>igung und Gewässerschutz<br />

EKAH Eidgenössische Kommission für Ethik im Ausserhumanen<br />

Bereich<br />

EMPA Eidgenössische Materialprüfungsanstalt<br />

ETH Eidgenössische Technische Hochschule<br />

GVO Gentechnisch verän<strong>der</strong>te Organismen<br />

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IP Integrierte Produktion<br />

LwG Landwirtschaftsgesetz<br />

NAP Nationaler Zuteilungsplan<br />

OHF Open Healthcare Framework<br />

PSI Paul Scherrer Institut<br />

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QTL Quantitative Trait Locus<br />

WSL Eidgenössische Forschungsanstalt für Wald, Schnee<br />

und Landschaft


Feuerbrandbekämpfung <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Schweiz</strong>:<br />

Traditionelle Lösungen o<strong>der</strong> Gentechnologie?<br />

Vorwort von a. Stän<strong>der</strong>at Dr. iur. Fritz Schiesser, Präsident <strong>des</strong> ETH-Rats, 13. Juni 2008<br />

Es freut mich, Sie zur heutigen Tagung begrüssen zu dürfen. Als Präsident<br />

<strong>des</strong> ETH-Rats habe ich nicht nur die ehrenvolle Aufgabe, zusammen mit<br />

dem Rat den ETH-Bereich strategisch zu führen und zu beaufsichtigen. Ich<br />

muss vor allem auch B<strong>in</strong>deglied se<strong>in</strong> zwischen Öffentlichkeit und Wissenschaft.<br />

Denn es ist die Öffentlichkeit, die je<strong>des</strong> Jahr substantielle Summen<br />

<strong>in</strong> die beiden Hochschulen ETH Zürich und ETH Lausanne, sowie <strong>in</strong> die<br />

vier Forschungsanstalten – PSI, EMPA, WSL und Eawag – <strong>in</strong>vestiert. Die<br />

<strong>Schweiz</strong> engagiert sich bewusst – und hoffentlich weiterh<strong>in</strong> – auf hohem<br />

Niveau und mit e<strong>in</strong>er langfristigen Optik. Dann und wann benötigt unsere<br />

Gesellschaft aber Antworten auf kurzfristig auftauchende, brennende Fragen.<br />

Denn Hochschulen s<strong>in</strong>d nicht nur Horte <strong>der</strong> Forschungsfreiheit, sie<br />

s<strong>in</strong>d auch Th<strong>in</strong>k Tanks <strong>der</strong> Gesellschaft.<br />

Dass <strong>der</strong> Feuerbrand e<strong>in</strong> brennen<strong>des</strong> Thema ist, br<strong>in</strong>gt schon se<strong>in</strong> Name<br />

zum Ausdruck. Die im Frühsommer 2007 <strong>in</strong> den Medien erschienen Bil<strong>der</strong><br />

von Obstplantagen, <strong>in</strong> welchen man die Bäume reihenweise von Hand umstossen<br />

konnte, rückten das Problem <strong>in</strong> die Öffentlichkeit. Mittlerweile ist<br />

auch das Ausmass <strong>des</strong> Schadens bekannt: In <strong>der</strong> <strong>in</strong> erster L<strong>in</strong>ie betroffenen<br />

Deutschschweiz mussten mehr als 100 Hektare Obstanlagen mit 250’000<br />

Bäumen gefällt werden. Für Bund und Kantone wurden Kosten von 30 Millionen<br />

Franken beziffert.<br />

Als früherer Stän<strong>der</strong>at stelle ich fest, dass Ersche<strong>in</strong>ungen wie <strong>der</strong> Feuerbrand<br />

immer und prom<strong>in</strong>ent e<strong>in</strong>e politische Dimension haben. Denn dass<br />

man diese Krankheit <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Schweiz</strong> im Unterschied zum Ausland zunächst<br />

nicht mit Antibiotika bekämpfen durfte, war ja e<strong>in</strong> politischer Entscheid. Das<br />

Verbot wurde dann allerd<strong>in</strong>gs gelockert; im Thurgau haben während <strong>der</strong><br />

diesjährigen Blütezeit rund 300 Obstbauern das Antibiotikum Streptomyc<strong>in</strong><br />

gespritzt. Es sche<strong>in</strong>t die Ausbreitung <strong>des</strong> <strong>Feuerbrands</strong> verr<strong>in</strong>gert zu haben,<br />

doch können die Resultate noch nicht abschliessend beurteilt werden.<br />

Die heutige Fachtagung kommt <strong>des</strong>halb zum richtigen Zeitpunkt: Das Phänomen<br />

Feuerbrand verlangt nach weiteren kurz-, aber auch nach langfristigen<br />

Lösungen. Die Ausrichtung <strong>der</strong> heutigen Vorträge und Podiumsgespräche<br />

auf e<strong>in</strong>e Gesamtschau hilft, diese aufzuzeigen und zu bewerten.<br />

9


Feuerbrandbekämpfung <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Schweiz</strong><br />

Als ehemaliger Präsident <strong>des</strong> Stiftungsrates <strong>des</strong> Nationalfonds ziehe<br />

ich die Parallele zu den Nationalen Forschungsprogrammen, den NFP.<br />

Gestützt auf Kriterien <strong>der</strong> Qualität und Relevanz wollen diese Programme<br />

unter an<strong>der</strong>em anwendungsorientierte Forschungsresultate schaffen, auf<br />

<strong>der</strong>en Grundlage die Politik entscheiden kann. Das NFP 59 zu «Nutzen<br />

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<strong>in</strong>terdiszipl<strong>in</strong>ärer Forschung zur Versachlichung <strong>der</strong> Diskussion beitragen.<br />

Die Wirkungsanalyse, die für die NFPs <strong>in</strong>sgesamt kürzlich durchgeführt<br />

wurde, bestätigt, dass <strong>der</strong> Nutzen zu Handen <strong>der</strong> politischen Diskussion<br />

sogar besser als erwartet ausfällt. Es ist <strong>des</strong>halb zu begrüssen, wenn e<strong>in</strong>e<br />

Tagung wie die heutige diesen selben Ansatz verfolgt, und damit zur sachlichen,<br />

nicht emotionalen Diskussion <strong>der</strong> verschiedenen möglichen Lösungen<br />

beiträgt.<br />

Denn: wenn die Forschenden gegenüber <strong>der</strong> Öffentlichkeit dokumentieren,<br />

dass sie sich mit <strong>in</strong>tellektueller Redlichkeit und den besten verfügbaren<br />

Methoden um Lösungen bemühen, so dürfen sie umgekehrt von <strong>der</strong> Gesellschaft<br />

auch erwarten, dass man ihnen die nötige Freiheit e<strong>in</strong>räumt. Ich<br />

erhoffe mir so, dass die geplanten o<strong>der</strong> bereits gestarteten Feldversuche,<br />

aber auch die zahlreichen an<strong>der</strong>en Experimente, die nicht <strong>in</strong> <strong>der</strong> Presse<br />

ersche<strong>in</strong>en, <strong>in</strong> diesem S<strong>in</strong>ne erfolgreich durchgeführt werden können und<br />

qualitativ e<strong>in</strong>wandfreie Daten liefern.<br />

In me<strong>in</strong>er heutigen Aufgabe, als Präsident <strong>des</strong> ETH-Rats, nehme ich Forschung<br />

vor allem wahr als wissenschaftliche Neugierde, als kreative Energie<br />

und als Fasz<strong>in</strong>ation für die Welt und Umwelt, <strong>in</strong> welcher wir leben. Es ist<br />

me<strong>in</strong>e noble Aufgabe, diese Kräfte zu för<strong>der</strong>n, <strong>der</strong> Forschung zwar den von<br />

<strong>der</strong> Öffentlichkeit gesetzten Rahmen zu verdeutlichen, ihr dar<strong>in</strong> aber vor<br />

allem Freiräume zu schaffen und sie nicht zu bremsen.<br />

Die Politik wird selbstverständlich, im Namen <strong>der</strong> Gesellschaft, über die<br />

Wünschbarkeit und Zulässigkeit <strong>der</strong> Anwendungen <strong>der</strong> Forschung entscheiden.<br />

Sie kann auch Forschungsmethoden untersagen, die gegen<br />

Grundpr<strong>in</strong>zipien <strong>der</strong> Ethik verstossen. Aber die Politik muss immer dann<br />

beson<strong>der</strong>s sorgfältig vorgehen, wenn sie den Wert <strong>des</strong> Erkenntnisgew<strong>in</strong>ns<br />

an sich <strong>in</strong> Frage stellt. Von den Naturwissenschaften und technischen Wissenschaften<br />

erwarten wir Fakten. Zusätzlich müssen diese Wissenschaften<br />

heute auch Risiken abschätzen und die Potentiale neuer Erkenntnisse ausloten.<br />

Solche Tätigkeiten zu verbieten o<strong>der</strong> stark e<strong>in</strong>zuschränken, ist <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

notwendigerweise <strong>in</strong>ternationalen Forschung nicht nur schwierig, son<strong>der</strong>n<br />

10


F. Schiesser<br />

schafft auch das Risiko von Erkenntnislücken. Nehmen Sie die Seefahrt: sie<br />

wurde betrieben, lange bevor komplexe Wettervorhersagen möglich waren,<br />

ja sogar lange bevor zweifelsfrei feststand, dass die Erde rund ist. Hätte die<br />

Menschheit angesichts <strong>des</strong> Risikos dieses Unwissens auf die Seefahrt verzichten<br />

sollen? O<strong>der</strong> galt es, die Chance trotzdem zu packen und zu neuen<br />

Horizonten aufzubrechen?<br />

Diese Grundfrage erhält zwar immer wie<strong>der</strong> neue Inhalte, ihre Struktur bleibt<br />

aber dieselbe. Es geht um e<strong>in</strong>e komplexe Güterabwägung, um Entscheide<br />

zu Gunsten e<strong>in</strong>es stabilen, langfristigen Rahmens für die Forschung. Als<br />

ich im Stän<strong>der</strong>at war, wollten wir diese Verantwortung aktiv wahrnehmen,<br />

und haben daher zum Beispiel auch das Gentechnologie-Moratorium abgelehnt.<br />

Der Souverän hat dann an<strong>der</strong>s entschieden. Doch es gilt zu warnen:<br />

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schiebt Chancen vor sich her, setzt aber ke<strong>in</strong>e eigenen Akzente. Wenn die<br />

Forschung ihre Verantwortung wahrnimmt und sachlich begründete Wege<br />

aufzeigt, so darf und soll sie von Gesellschaft und Politik erwarten, dass<br />

��������������������������������������������������������������������<br />

Die heutige Tagung nimmt das Beispiel <strong>des</strong> <strong>Feuerbrands</strong> zum Anlass, die<br />

Arbeit <strong>der</strong> Forschung und die Lösungsansätze aus verschiedenen Perspektiven<br />

zu beurteilen und damit die eigentliche Aufgabe <strong>der</strong> Forschung<br />

aufrichtig und glaubwürdig zu erledigen. Lei<strong>der</strong> b<strong>in</strong> ich daran verh<strong>in</strong><strong>der</strong>t,<br />

an Ihrem Anlass lange teilzunehmen. Aber ich verspreche mir davon e<strong>in</strong>en<br />

sachlichen Dialog über Fakten, Möglichkeiten und Folgen. Sie alle setzen<br />

damit e<strong>in</strong> Zeichen für die Freiheit <strong>der</strong> Forschung und dafür, dass Sie bereit<br />

s<strong>in</strong>d, Ihre Aufgabe und Verantwortung voll und ganz zu übernehmen. Ich<br />

danke dem <strong>Plant</strong> <strong>Science</strong> Zürich-Basel und dem Collegium Helveticum für<br />

die Ermöglichung dieses Dialoges. Und ich danke Ihnen allen für Ihr Engagement<br />

und wünsche Ihnen heute sowie bei Ihren weiteren Forschungen<br />

und Tätigkeiten viel Erfolg.<br />

11


Schwerpunktthema 1:<br />

Gentechnologie als alternative Strategie<br />

gegen Feuerbrand? – E<strong>in</strong>e Bestandsaufnahme


Epidemiologie <strong>des</strong> <strong>Feuerbrands</strong><br />

Referat von Eduard Holliger, Forschungsanstalt ACW Wädenswil, Nationales Kompetenzzen-<br />

trum Feuerbrand<br />

Beson<strong>der</strong>heit <strong>des</strong> <strong>Feuerbrands</strong> – e<strong>in</strong>e Quarantänekrankheit<br />

Feuerbrand ist e<strong>in</strong>e Bakteriose, die durch das Enterobakterium Erw<strong>in</strong>ia<br />

amylovora hervorgerufen wird. Die Bakterien s<strong>in</strong>d stäbchenförmig, peritrich<br />

begeisselt, fakultativ anaerob und wachsen optimal zwischen 23 °C und<br />

30 °C. Die Krankheit wurde Ende <strong>des</strong> 18. Jahrhun<strong>der</strong>ts im Osten Nordamerikas<br />

erstmals beschrieben und verursachte bereits im 19. Jahrhun<strong>der</strong>t schwere<br />

Schäden <strong>in</strong> nordamerikanischen Kernobstanlagen. Sehr wahrsche<strong>in</strong>lich<br />

wurde Feuerbrand über <strong>in</strong>fiziertes Pflanzenmaterial nach Nordeuropa und<br />

Nordafrika verschleppt. Von dort aus hat sich <strong>der</strong> Erreger weiterverbreitet,<br />

so dass heute fast <strong>der</strong> gesamte europäische Kont<strong>in</strong>ent vom Feuerbrand<br />

betroffen ist. Für Mensch und Tier ist das Bakterium ungefährlich.<br />

Wirtspflanzen<br />

Der Wirtspflanzenkreis umfasst Vertreter aus <strong>der</strong> Familie <strong>der</strong> Rosaceaen.<br />

Neben Apfel, Birne und Quitte werden auch folgende Wild- und Ziergehölze<br />

befallen: Weissdorn (Crataegus), alle Sorbusarten wie z.B. Vogelbeere<br />

(S. aucuparia), Mehlbeere (S. aria), Felsenbirne (Amelanchier), Ste<strong>in</strong>mispel<br />

(Cotoneaster), Feuerdorn (Pyracantha), Japanische Sche<strong>in</strong>quitte (Chaenomeles),<br />

Lorbeermispel (Phot<strong>in</strong>ia davidiana, Stranvaesia davidiana), Wollmispel<br />

(Eriobotrya japonica) und Mispel (Mespilus germanica).<br />

Befallsverlauf, Verbreitung<br />

Das Bakterium überw<strong>in</strong>tert <strong>in</strong> <strong>der</strong> Grenzzone zwischen krankem und gesundem<br />

R<strong>in</strong>dengewebe im Bereich <strong>der</strong> Canker (Befallsstellen aus dem Vorjahr).<br />

Der an diesen Stellen im Frühjahr austretende Bakterienschleim wird<br />

durch verschiedene Insekten sowie durch Regen und W<strong>in</strong>d übertragen. Die<br />

Hauptgefahr für e<strong>in</strong>en Befall besteht während <strong>der</strong> Blüte.<br />

Neben natürlichen Öffnungen, wie z.B. <strong>der</strong> Narbe <strong>in</strong> <strong>der</strong> Blüte, stellen Wunden,<br />

<strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e nach Hagelereignissen, e<strong>in</strong>en weiteren wichtigen Infek-<br />

15


Epidemiologie <strong>des</strong> <strong>Feuerbrands</strong><br />

tionsweg dar. Das <strong>in</strong>fizierte Gewebe stirbt und verfärbt sich im Sommer<br />

braun bis schwarz. Befallene Blüten und Blätter welken und verfärben sich<br />

ebenfalls dunkelbraun bis schwarz, sterben ab und trocknen e<strong>in</strong>. Dieses<br />

Symptom hat <strong>der</strong> Krankheit ihren Namen gegeben. Unter feuchtwarmen<br />

Bed<strong>in</strong>gungen tritt aus den Befallsstellen tröpfchenförmig Bakterienschleim<br />

aus. Neben <strong>der</strong> wichtigen Blüten<strong>in</strong>fektion kann <strong>der</strong> Erreger jedoch auch direkt<br />

Triebe <strong>in</strong>fizieren. Die Symptome werden dann zuerst an <strong>der</strong> Triebspitze<br />

deutlich, wobei die term<strong>in</strong>alen Blätter absterben und Schleim austritt. E<strong>in</strong>e<br />

Infektion schwachwüchsiger Unterlagen über Wurzelsprosse o<strong>der</strong> Verletzungen<br />

sowie e<strong>in</strong> systemischer Transport mit dem Saftstrom tritt <strong>in</strong> Gebieten<br />

mit hohem Befallsdruck häufig auf. Sie ist gravierend, da sie meist zum<br />

Absterben <strong>des</strong> Baums führt.<br />

E<strong>in</strong> Befall tritt nicht je<strong>des</strong> Jahr <strong>in</strong> gleichem Ausmass auf, er ist stark von<br />

den Witterungsbed<strong>in</strong>gungen während <strong>der</strong> Blütezeit abhängig. Je nach Wirt-<br />

Pathogen-Beziehung, e<strong>in</strong>schliesslich Pflanzenalter und Sortenanfälligkeit,<br />

kann es zum vollständigen Absterben von Wirtspflanzen kommen.<br />

Entwicklung und Ausbreitung <strong>des</strong> <strong>Feuerbrands</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Schweiz</strong><br />

In <strong>der</strong> <strong>Schweiz</strong> wurde <strong>der</strong> Feuerbran<strong>der</strong>reger erstmals 1989 auf Cotoneaster<br />

<strong>in</strong> Ste<strong>in</strong> am Rhe<strong>in</strong> (SH), Eschenz (TG) und Stammheim (ZH) festgestellt.<br />

In <strong>der</strong> Deutschschweiz hat sich das Bakterium mehr o<strong>der</strong> weniger stark<br />

ausgebreitet. Bis 2007 wurde das Bakterium <strong>in</strong> allen Kantonen m<strong>in</strong><strong>des</strong>tens<br />

e<strong>in</strong>mal nachgewiesen.<br />

Tabelle 1 sowie Abbildung 1 zeigen das Ausmass <strong>des</strong> Befalls und die Ausbreitung<br />

<strong>des</strong> <strong>Feuerbrands</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Schweiz</strong> seit dem Jahr 1989. Je nach Witterungsbed<strong>in</strong>gungen<br />

während den verschiedenen Blühperioden <strong>der</strong> Wirtspflanzen<br />

unterscheiden sich die «Feuerbrandjahre» im Befall stark.<br />

Forschung<br />

Das Kompetenzzentrum Feuerbrand an <strong>der</strong> ACW verknüpft die Forschung<br />

im Labor mit den Erfahrungen <strong>der</strong> Kant. Fachstellen und <strong>der</strong><br />

Obstbranche, dadurch wird e<strong>in</strong> ganzheitlicher Ansatz erreicht. Bei jedem<br />

Forschungsprojekt werden nebst langfristigen Ergebnissen auch kurzfristig<br />

nutzbare Erkenntnisse angestrebt. Diese sollen rasch umgesetzt<br />

werden können.<br />

16


Resistenzzüchtung: Basis e<strong>in</strong>er nachhaltigen <strong>Bekämpfung</strong>sstrategie.<br />

a. Seit mehreren Jahren werden Kreuzungen mit feuerbrandtoleranten<br />

Sorten durchgeführt und geprüft, u.a. mit Unterstützung von SMARTbreed<strong>in</strong>g<br />

(Entwicklung und E<strong>in</strong>satz von Feuerbrandresistenzmarkern)<br />

für e<strong>in</strong>e gezielte Züchtung mit dem Ziel, multiresistenten und gut schmeckenden<br />

Kernobstsorten näher zu kommen.<br />

b. Seit mehreren Jahren werden Erwerbs- und Hochstammsorten mit In-<br />

okulationstest im Quarantänegewächshaus <strong>der</strong> ACW geprüft; es besteht<br />

u.a. e<strong>in</strong>e Zusammenarbeit mit dem Fructus-Projekt NAP 03–21.<br />

c.<br />

E. Holliger<br />

Feldversuche für praxistaugliche Sorten und feuerbrandtolerante Un-<br />

terlagen.<br />

Biologische <strong>Bekämpfung</strong>: Abdeckung <strong>der</strong> kompletten Bandbreite; von <strong>der</strong><br />

Suche nach neuen Antagonisten bis h<strong>in</strong> zu marktreifen Produkten. Verknüpfung<br />

<strong>der</strong> angewandten Forschung mit <strong>der</strong> Genomik <strong>der</strong> Antagonisten (z.B.:<br />

ACW hat ganzes Genom Pantoea agglomerans sequenziert, damit u.a. die<br />

Wirkung verbessert werden kann).<br />

Chemische <strong>Bekämpfung</strong>: Unzählige Alternativen zu Streptomyc<strong>in</strong> (z.B.<br />

Wachstumsregulatoren) wurden auf <strong>der</strong>en Wirkung geprüft. In Versuchen<br />

auf Praxisbetrieben wurden u.a. mögliche negative Nebenwirkungen abgeklärt.<br />

Epidemiologie und Genomic: Auff<strong>in</strong>den von Inokulumquellen für die Umsetzung<br />

von effektiven Sanierungsmassnahmen. Die ACW hat das ganze<br />

Genom von e<strong>in</strong>em europäischen E. amylovora-Stamm sequenziert, damit<br />

beim Erreger Schwachstellen gefunden werden können und neue <strong>Bekämpfung</strong>sziele<br />

möglich werden.<br />

Diagnostik: Entwicklungen und E<strong>in</strong>setzen im Labor und Feld. Verbesserte<br />

Nachweismethoden (molekular und immunologisch).<br />

17


Epidemiologie <strong>des</strong> <strong>Feuerbrands</strong><br />

Tabelle 1: Befall durch Feuerbrand seit dem erstmaligen Auftreten <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Schweiz</strong><br />

1989 Erstbefall an Cotoneaster salicifolius und Cotoneaster dammeri.<br />

1990 Weitere Fälle erneut an Cotoneaster.<br />

1991 Erstbefall <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Birnen-Erwerbsobstanlage.<br />

1992/93 Feuerbrand bleibt regional begrenzt.<br />

1994 Massiver Befall <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Baumschule (Apfel).<br />

1995 Erste grosse <strong>Feuerbrands</strong>chäden <strong>in</strong> Apfeljunganlagen (massiver Blütenbefall)<br />

1996 Nur wenige Infektionstage, daher nur ger<strong>in</strong>ge Schäden an Obstbäumen.<br />

1997<br />

1998/99<br />

2000<br />

2001<br />

2002<br />

2003<br />

2004<br />

2005<br />

18<br />

Deutliche Ausbreitung <strong>in</strong> <strong>der</strong> Deutschschweiz. Knapp 90 % <strong>der</strong> befallenen Wirtspflanzen<br />

betrafen die hochanfällige Zier-Wirtspflanze C. salicifolius.<br />

Befall vor allem an Birnenhochstämmen und Quitten <strong>in</strong> Höhenlagen von 700– 900<br />

m ü. Meer.<br />

Sehr grosse Schäden <strong>in</strong> Erwerbsobstanlagen mit starkem Blüten- und Triebbefall.<br />

Optimale Infektionsbed<strong>in</strong>gungen während <strong>der</strong> Kernobstblüte führten regional bis<br />

zu neun Infektionstagen. Rodung von mehr als 50 ha Ertragsanlagen v.a. <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

Ostschweiz. Im Weiteren mussten bei knapp 400 ha Obstanlagen befallene Bäume<br />

entfernt werden. Die Krankheit breitet sich weiter gegen die Westschweiz aus<br />

( v.a. Befall auf den hochanfälligen C. salicifolius).<br />

Ger<strong>in</strong>ger Befall beim Kernobst, jedoch massiver Befall an C. dammeri; vermehrt<br />

auch Befall bei Weissdorn (Crataegus).<br />

Kaum Befall bei Kernobst. Aufgrund <strong>der</strong> kalten Witterung wurden die ersten Blüten<strong>in</strong>fektionstage<br />

erst bei abgehen<strong>der</strong> Apfelblüte <strong>in</strong> späten Lagen verzeichnet.<br />

Erstbefall im Kanton Wallis <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Seitental auf C. salicifolius.<br />

Befallszunahmen beim Kernobst <strong>in</strong> <strong>der</strong> Deutschschweiz. Vermehrt wurde Befall<br />

auf Hochstammbäumen festgestellt. Es zeigte sich deutlich, dass Altbefall an<br />

Hochstammbäumen zu Neubefall von Anlagen o<strong>der</strong> weiteren Hochstammbäumen<br />

führt. Vere<strong>in</strong>zelt waren auch e<strong>in</strong>ige Erwerbsobstanlagen betroffen.<br />

Beim Kernobst nur ger<strong>in</strong>ge Schäden. Ungünstige Witterungsbed<strong>in</strong>gungen während<br />

<strong>der</strong> Kernobstblüte führten zu sehr wenigen möglichen Infektionstagen. E<strong>in</strong>zelfälle<br />

mit massivem Befall zeigten jedoch auf, was passieren kann, wenn <strong>in</strong><br />

Feuerbrandregionen während <strong>der</strong> Hauptblüte günstige Infektionsbed<strong>in</strong>gungen<br />

vorherrschen.<br />

Sehr starker Befall bei Birnhochstammbäumen und starker Befall <strong>in</strong> Apfel-Ertragsanlagen<br />

<strong>in</strong> gewissen Regionen. Gebietsweise nahmen die Schäden das<br />

Ausmass <strong>des</strong> Jahres 2000 an. Günstige Witterungsbed<strong>in</strong>gungen während <strong>der</strong><br />

Blüte führten zu vielen Infektionstagen.


2006<br />

2007<br />

2008<br />

( S t a n d :<br />

15.10.)<br />

E. Holliger<br />

Im Vergleich zu den letzten Jahren waren die Schäden <strong>in</strong> Ertragsanlagen deutlich<br />

ger<strong>in</strong>ger. Bei Birnhochstammbäumen wurden regional erneut e<strong>in</strong>ige hun<strong>der</strong>t<br />

Bäume befallen.<br />

Während <strong>der</strong> Kernobstblüte herrschten über fast drei Wochen optimale Infektionsbed<strong>in</strong>gungen.<br />

In Erwerbsanlagen und bei Hochstammbäumen wurden dadurch<br />

die bisher grössten Schäden verzeichnet. Mehr als 110 ha Erwerbsanlagen<br />

mussten gerodet werden. Bei den Hochstammbäumen waren Zehntausende befallen.<br />

Ende <strong>des</strong> Sommers zeigte sich erstmals starker Unterlagenbefall <strong>in</strong> Ertragsanlagen.<br />

Zur Blütezeit wurden mehrere Tage mit e<strong>in</strong>er hohen Infektionsgefahr registriert.<br />

Es wurde <strong>in</strong> 22 Kantonen Befall festgestellt (637 Geme<strong>in</strong>den). Aus den Kantone<br />

GE, NE, TI und VS liegen ke<strong>in</strong>e Befallsmeldungen vor. Grösstenteils ist das Kernobst<br />

betroffen; primär <strong>in</strong> Regionen mit starkem Befall im Vorjahr. Erstmals wurde<br />

<strong>in</strong> Apfelanlagen am Genfersee Befall festgestellt.<br />

19


Epidemiologie <strong>des</strong> <strong>Feuerbrands</strong><br />

Abbildung 1: Geme<strong>in</strong>den mit Feuerbrand <strong>in</strong> den Jahren 1989, 1995, 1997, 1998, 1999, 2000,<br />

2006 und 2007<br />

1989 (Erstbefall <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Schweiz</strong>) 1995<br />

1997 1998<br />

1999 2000<br />

20


2006 2007<br />

E. Holliger<br />

21


Transgene Ansätze zur Feuerbrandresistenz<br />

Referat von Prof. Magda-Viola Hanke, Bun<strong>des</strong>anstalt Züchtungsforschung Dresden-Pillnitz<br />

Gentechnische Methoden s<strong>in</strong>d e<strong>in</strong> wichtiges Werkzeug <strong>in</strong> <strong>der</strong> mo<strong>der</strong>nen<br />

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23


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25


Transgene Ansätze zur Feuerbrandresistenz<br />

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Transgene Ansätze zur Feuerbrandresistenz<br />

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Transgene Ansätze zur Feuerbrandresistenz<br />

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Cisgenic approach to disease resistance <strong>in</strong> Apple<br />

Referat von Prof. Cesare Gessler, Andrea Patocchi, Iris Szankowski und Giovanni Brogg<strong>in</strong>i,<br />

Phytopathologie ETHZ<br />

Apple is one of the few major crops <strong>in</strong> which the Swiss production covers<br />

overwhelm<strong>in</strong>gly the domestic consumption. Apple is mostly fresh consumed<br />

and the delivery of an optical and sensorial high quality product is essential.<br />

Additionally, apple should respond to the requirement of health enhanc<strong>in</strong>g<br />

aspect be<strong>in</strong>g uncontam<strong>in</strong>ated from un<strong>des</strong>irable chemicals. However apple is<br />

grown as <strong>in</strong>tensive monoculture (vegetative propagation) and therefore vulnerable<br />

to a range of diseases which have to be controlled by <strong>in</strong>tensive application<br />

of fungici<strong>des</strong> contrast<strong>in</strong>g with the health and environmental friendly<br />

image. World wide national breed<strong>in</strong>g programs supported by EU funded<br />

research are s<strong>in</strong>ce many deca<strong>des</strong> attempt<strong>in</strong>g to breed disease resistant<br />

cultivars. Classical breed<strong>in</strong>g has <strong>in</strong>trogressed the scab (Venturia <strong>in</strong>aequalis)<br />

resistance gene Vf from a wild Malus source and created a relevant number<br />

of scab resistant apple cultivars (Topaz, Ariwa, Flor<strong>in</strong>a). The limited commercial<br />

success of such cultivars is due to the fact that through breed<strong>in</strong>g,<br />

new cultivars are always created with organoleptic different characteristics<br />

not familiar to the consumer. With the availability of the DNA-recomb<strong>in</strong>ant,<br />

technology cultivars could be ameliorated without chang<strong>in</strong>g characteristics.<br />

Figure 1: Cisgenesis: add<strong>in</strong>g a trait us<strong>in</strong>g only genes from a crossable donor. In apple the only<br />

possibility to ameliorate a popular commercial cultivar ma<strong>in</strong>ta<strong>in</strong><strong>in</strong>g all orig<strong>in</strong>al quality traits.<br />

As the <strong>in</strong>corporation of genes from not crossable donors (bacteria fungi<br />

<strong>in</strong>sects/other plant species) is highly controversial, we opted for the use of<br />

Malus own resistance genes. We cloned and <strong>in</strong>troduced the Vf gene <strong>in</strong> pop-<br />

33


Cisgenic approach to disease resistance <strong>in</strong> Apple<br />

ular commercial cultivars (Gala, Elstar) with its own promoter. However, for<br />

technical reasons of the selection of the transgenic cells, a so called marker<br />

gene has to be <strong>in</strong>trogressed together with the target gene. Currently we are<br />

develop<strong>in</strong>g a system to elim<strong>in</strong>ate post selection of this gene (nptII cod<strong>in</strong>g for<br />

����������������������������������������������������������������������������<br />

mosaic virus). F<strong>in</strong>ally the plant will carry only Malus������������������������<br />

as cisgenic and not transgenic. A further advantage is that the selection<br />

system can be rout<strong>in</strong>ely reused to rapidly <strong>in</strong>troduce further genes.<br />

Figure 2: Effect of add<strong>in</strong>g the resistance gene from ��������������� 821 HcrVf2 on scab ex-<br />

��������������������������������������������������������������������������������������������<br />

<strong>in</strong>dicate examples of scab lesions.<br />

Fire blight is currently a disease with sporadic and erratic but highly local<br />

damages and controlled with an antibiotic, therefore cultivars offer<strong>in</strong>g<br />

������������������������������������������������������������������������<br />

<strong>des</strong>irable. The variability <strong>in</strong> susceptibility <strong>in</strong> the spectrum of the available<br />

cultivars is large, from highly susceptible cultivars such as Gala or Elstar up<br />

to relatively less susceptible cultivars Nova EasyGro or Fiesta. The difference<br />

<strong>in</strong> susceptibility is attributed to multiple genes, each with a small effect.<br />

We suppose that each s<strong>in</strong>gle gene can be present <strong>in</strong> various states with less<br />

or more effect (alleles). Moreover we have to assume that these genes may<br />

have a primary function not related to Fire blight.<br />

Higher levels of resistance can be found <strong>in</strong> wild Malus accessions (Malus x<br />

robusta 5, Peil et al. 2007; Malus Evereste’, INRA-Angers), which are <strong>in</strong>herited<br />

as a s<strong>in</strong>gle locus.<br />

34


Classical breed<strong>in</strong>g can assemble positive alleles from commercial cultivars<br />

so to reach a <strong>des</strong>ired level of resistance or to <strong>in</strong>trogress such resistance<br />

from wild Malus sources. However times are long and the above mentioned<br />

restrictions are valid, a new cultivar will always result with qualities different<br />

from any popular cultivar, moreover, test<strong>in</strong>g for Fire blight resistance when<br />

�������������������������������������������������������������������������������<br />

and costly. The selection of progeny genotypes carry<strong>in</strong>g the <strong>des</strong>ired alleles<br />

can be facilitated by us<strong>in</strong>g molecular markers l<strong>in</strong>ked to the traits. We (ETH<br />

������������������������������������������������������������������������gers)<br />

<strong>in</strong> the cultivars Fiesta and Nova EasyGro and from wild selections<br />

�����������������������������������������������������������������������������<br />

from Fiesta is estimated as about a 30 to 50% reduction <strong>in</strong> extension of Fire<br />

blight lesions <strong>in</strong> young shoots. Those markers are currently used <strong>in</strong> classical<br />

breed<strong>in</strong>g to select progeny carry<strong>in</strong>g the traits (ACW). The <strong>in</strong>dividuals hav<strong>in</strong>g<br />

��������������������������������������������������������������������������-<br />

������������������������������������������������������������������������������<br />

<strong>der</strong>ives from a wild source, several generations are needed to elim<strong>in</strong>ate the<br />

unwanted part of the genome orig<strong>in</strong>at<strong>in</strong>g from the wild donor (genetic drag)<br />

as it usually carries traits negative for our quality requirements.<br />

�����������������������������������������������������������������������������������������������-<br />

���������������������������������������������������������������������������������������������-<br />

resent different progeny <strong>in</strong>dividuals. 3, 5, 6, .. susceptible <strong>in</strong>dividuals; 4, 11,12, 13, … resistant<br />

<strong>in</strong>dividuals.<br />

C. Gessler, A. Patocchi, I. Szankowski, G. Brogg<strong>in</strong>i<br />

The cisgenic approach offers aga<strong>in</strong> a feasible solution, however, contrary to<br />

the scab resistance genes where we started assum<strong>in</strong>g as primary function<br />

the recognition of the pathogen, <strong>in</strong> the case of the genes <strong>in</strong>duc<strong>in</strong>g Fire blight<br />

resistance we have no clue on their primary function nor if the resistance<br />

function will be ma<strong>in</strong>ta<strong>in</strong>ed <strong>in</strong> any other background without alter<strong>in</strong>g qual-<br />

35


Cisgenic approach to disease resistance <strong>in</strong> Apple<br />

���������������������������������������������������������������������������������<br />

�����������������<br />

Currently we are test<strong>in</strong>g large population (1000 <strong>in</strong>dividuals) with markers<br />

for a strong resistance <strong>der</strong>ived from a wild Malus, cont<strong>in</strong>uously develop<strong>in</strong>g<br />

new closer markers so to circumscribe the locus to less than 0.1 cMorgan<br />

�������������������������������������������������������������������������<br />

chromosome library consist<strong>in</strong>g of 30–40 thousands of genome pieces. With<br />

��������������������������������������������������������������������������<br />

�������������������������������������������������������������������������<br />

����������������������������������������������������������������������������<br />

the data bases so to attribute a function. F<strong>in</strong>ally the most probable genes<br />

��������������������������������������������������������������������������������<br />

plant tested for resistance. Us<strong>in</strong>g the mentioned transformation and selec-<br />

�����������������������������������������������������������������������������<br />

any <strong>des</strong>ired apple cultivar.<br />

Is this an utopia or a realistic vision? Technically each step has already been<br />

made <strong>in</strong> other contexts. We know and have experienced that <strong>in</strong> one case<br />

����������������������������������������������������������������������<br />

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is available <strong>in</strong> the greenhouse.<br />

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36


C. Gessler, A. Patocchi, I. Szankowski, G. Brogg<strong>in</strong>i<br />

���������������������������������������������������������������������������<br />

risk assessments can be made. Risk assessment should be facilitated as<br />

the gene and its product have been extensively tested as it is present <strong>in</strong><br />

commercial cultivars which fruits are consumed without known affections;<br />

similarly, effects of outcross<strong>in</strong>g should not be a source of unacceptable effects.<br />

What has to be checked is the effect of the position of the <strong>in</strong>trogressed<br />

genes <strong>in</strong> the apple genome. This position will be casual and different <strong>in</strong><br />

each l<strong>in</strong>e, so, a l<strong>in</strong>e where the location of the genes has no negative effect<br />

��������������������������������������������������������������������������<br />

be delivered to the nurseries <strong>in</strong> three four more years. If from the technical<br />

��������������������������������������������������������������������������<br />

��������������������������������������������������������������������������������<br />

cultivar with an ameliorated version (Fire blight and scab resistance) will<br />

save to the producer the <strong>in</strong>put of a number of pesticide treatments which<br />

translates <strong>in</strong>to a sav<strong>in</strong>g of about 800 to 1000 Fr./ha. a year. So the added<br />

value of a s<strong>in</strong>gle tree may be estimated not more than 3–4 Fr., which is far<br />

����������������������������������������������������������������<br />

37


Wird neueren gentechnologischen Ansätzen<br />

e<strong>in</strong>e Chance zugesprochen?<br />

Zusammenfassung <strong>der</strong> Paneldiskussion von Dr. Alessandro Maranta<br />

Mo<strong>der</strong>ator: Handelt es sich bei <strong>der</strong> cisgenen Methode um e<strong>in</strong>e multifaktorielle<br />

Methode?<br />

Gessler: Im Pr<strong>in</strong>zip ist das so.<br />

Mo<strong>der</strong>ator: Wurden die 45000 Hochstammbäume unnötigerweise gefällt?<br />

Kranke Bäume wurden offenbar wie<strong>der</strong> gesund?<br />

Holliger: Die kantonalen Verwaltungen entscheiden jeweils darüber, ob<br />

Bäume gefällt werden.<br />

Mo<strong>der</strong>ator: Wie sieht <strong>der</strong> Vollzug aus?<br />

Fischer�����������������������������������������������������������������<br />

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die E<strong>in</strong>ordnung unklar. Bei e<strong>in</strong>er produktorientierten Betrachtung handelt es<br />

��������������������������������������������������������������������������<br />

Bei e<strong>in</strong>er prozessorientierten Betrachtung handelt es sich um gentechnisch<br />

���������������������������������������������������������������������tional<br />

zeigen unterschiedliche Vollzugformen, dass hier noch Klärungs- und<br />

E<strong>in</strong>igungsbedarf besteht: Neuseeland verfolgt e<strong>in</strong>en produkteorientierten<br />

�����������������������������������������������������������������������<br />

gentechnologischen Prozesses e<strong>in</strong>e Bewilligung erfor<strong>der</strong>lich ist. Zwischen<br />

�������������������������������������������������������������������������<br />

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Mo<strong>der</strong>ator: Gibt es biologische Unterschiede zwischen den verschiedenen<br />

����������������������������<br />

Schmid�����������������������������������������������������������������<br />

ihrem Beitrag vorgestellt wurden und <strong>der</strong>en Blütezeit früher e<strong>in</strong>setzt, kennen<br />

wir den Ort, an dem das dafür verantwortliche Gen liegt. Bei den cisgenen<br />

Äpfeln kennen wir den Ort, an dem das e<strong>in</strong>geschleuste Gen <strong>in</strong> das<br />

������������������������������������������������������������������������<br />

müssen, mit dem Feuerbrand zu leben. Es wird <strong>in</strong> Zukunft zwar resisten-<br />

39


Zusammenfassung <strong>der</strong> Paneldiskussion<br />

te Sorten geben. Es braucht aber auch Variationen und Diversität bei den<br />

������������<br />

Mo<strong>der</strong>ator: Welche Rolle spielt <strong>der</strong> Umstand, dass <strong>der</strong> Ort, an dem das<br />

Gen e<strong>in</strong>gebaut wurde, nicht genau bekannt ist?<br />

Hanke���������������������������������������������������������������������<br />

����������������������������������������������������������������������������<br />

�������������������������������������������������������������������������<br />

ist, dass das Gen <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er bestimmten Form vorhanden ist, weil dieses rezessiv<br />

ist und die Expression von <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en Form dom<strong>in</strong>iert wird. Bei<br />

������������������������������������������������������������������pischen,<br />

d.h. sichtbaren Eigenschaften und nicht nach ihren genetischen<br />

Eigenschaften ausgewählt. Das ist e<strong>in</strong> wichtiger Unterschied zu <strong>der</strong> Züch-<br />

�������������������������������������������������������������������������<br />

Gens bei gentechnologischen Methoden ist selbst bei gleichen Methoden<br />

sehr unterschiedlich.<br />

Mo<strong>der</strong>ator��������������������������������������������������������schiedliche<br />

Massstäbe?<br />

Fischer: Die gesetzlichen Regelungen spiegeln unterschiedliche Bedürfnisse<br />

<strong>der</strong> Gesellschaft wie<strong>der</strong>. Es gibt e<strong>in</strong>e deutlich erhöhte Vorsichtserwartung<br />

bei GVP.<br />

Mo<strong>der</strong>ator: Gibt es bei cisgenen Äpfeln so etwas wie e<strong>in</strong> Markergen, das<br />

erlauben würde, cisgene Äpfel von traditionellen Äpfeln mittels Laboruntersuchungen<br />

zu unterscheiden?<br />

Gessler: Der Nachweis cisgener Äpfel ist nur dann möglich, wenn <strong>der</strong> Ort<br />

�����������������������������������������������������������������������<br />

apfeleigene Gene, daher wäre <strong>der</strong> e<strong>in</strong>zige Unterschied <strong>der</strong> Ort, an dem das<br />

e<strong>in</strong>gebaute Gen im Erbgut zu liegen kommt. Die Variabilität ist abhängig<br />

vom Promoter.<br />

Mo<strong>der</strong>ator�������������������������������������������������������������<br />

sowie die Herausfor<strong>der</strong>ungen für die Koexistenz, patentrechtliche Fragen<br />

und die Regelung von Entschädigungen?<br />

Gessler����������������������������������������������������������������ren<br />

begründet die Veröffentlichung <strong>der</strong> Gensequenz noch ke<strong>in</strong>e Patentan-<br />

40


A. Maranta<br />

sprüche. Und <strong>der</strong> Sortenschutz <strong>in</strong> <strong>der</strong> Landwirtschaft ist an<strong>der</strong>s ausgestaltet<br />

als <strong>der</strong> Patentschutz.<br />

Mo<strong>der</strong>ator: Wie sieht die Zukunft <strong>der</strong> Feuerbrandforschung aus?<br />

Holliger:������������������������������������������������������������������<br />

mit dem Vortrag von Cesare Gessler aufgezeigt wurden, werden bisher<br />

nicht verfolgt.<br />

Daraufh<strong>in</strong> wird aus dem Publikum e<strong>in</strong>gewandt, dass die Züchtungsforschung<br />

verstärkt werden sollte. Zunächst müssten aber die Folgen <strong>des</strong> E<strong>in</strong>-<br />

������������������������������������������<br />

Gartner (BLW): In den vom Bun<strong>des</strong>amt für Landwirtschaft geför<strong>der</strong>ten Pro-<br />

�����������������������������������������������������������������������������<br />

sich nach <strong>der</strong> wissenschaftlichen Qualität. Die zugehörige Begleitgruppe<br />

kann sich <strong>der</strong> weiteren Forschungsbedürfnisse annehmen.<br />

Mo<strong>der</strong>ator: Wie wirken sich neue und schnellere Methoden auf das Vertrauen<br />

bei <strong>der</strong> Bevölkerung aus?<br />

Hanke: Die neuen cisgenen Methoden s<strong>in</strong>d besser zu vermitteln als transgene<br />

Methoden.<br />

Schmid�������������������������������������������������������������gen<br />

verlieren. E<strong>in</strong> e<strong>in</strong>zelnes Gen macht vielleicht noch ke<strong>in</strong>en grossen<br />

Unterschied. Der gesamte Pool <strong>der</strong> Gene ist wichtig und <strong>der</strong>en wechselseitige<br />

Position.<br />

41


Schwerpunktthema 2<br />

Herkömmliche Methoden, Streptomyc<strong>in</strong><br />

und Gentechnik gegen Feuerbrand –<br />

e<strong>in</strong>e ökologische Wertung


Vergleich ökologischer Risiken <strong>der</strong> herkömmlichen<br />

<strong>Bekämpfung</strong>smethoden versus Streptomyc<strong>in</strong><br />

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Referat von Dr. Markus Rösler, NABU – Bun<strong>des</strong>fachausschuss Streuobst und MSc Micha-<br />

el Schaad, <strong>Schweiz</strong>er Vogelschutz SVS/BirdLife <strong>Schweiz</strong><br />

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Im Vergleich <strong>der</strong> unterschiedlichen Anbauformen im Obstbau zeigt sich,<br />

dass <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e <strong>der</strong> Hochstammobstbau e<strong>in</strong>en hohen Beitrag für die<br />

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(Hochstamm-Obstbau ohne E<strong>in</strong>satz synthetischer Behandlungsmittel) bis<br />

zu viermal mehr Brutvogelarten, e<strong>in</strong> bis zu siebenmal höheres Arthropo-<br />

������������������������������������������������������������������stammanlagen.<br />

Auffällig und für die Landnutzungssysteme <strong>in</strong> Europa un-<br />

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2007).<br />

800<br />

700<br />

600<br />

500<br />

400<br />

300<br />

200<br />

100<br />

0<br />

400<br />

502<br />

250<br />

347<br />

289 293<br />

263<br />

443<br />

431<br />

A: IP-Nie<strong>der</strong>stammanlagen, B: Öko-Nie<strong>der</strong>stammanlagen, C: Streuobstbestände<br />

516<br />

785<br />

350<br />

213<br />

163 175<br />

136<br />

153<br />

144<br />

131<br />

100 100 100 100 100 100 100 100 100 100<br />

1: mittlere Brutvogelartenzahl je Kontrollfläche (Abb. 32, Tab. 30)<br />

2: mittlere Brutpaarzahl je Kontrollfläche (Abb. 32, Tab. 30)<br />

3: Ganzjahreszählung: nachgewiesene Vogelarten (Abb. 37, Tab. 40)<br />

4: Ganzjahreszählung: mittlere Vogelartenzahl je Kontrollfläche (Abb. 37, Tab. 40)<br />

5: Ganzjahreszählung: mittlere Individuenzahl je Kontrollfläche (Abb. 37, Tab. 40)<br />

6: durchschnittliches Arthropoden-Trockengewicht je Klopfprobe (Abb. 42, Tab. 47)<br />

7: mittlere Individuenzahl 'Nützl<strong>in</strong>ge' je Klopfprobe (Abb. 43, Tab. 48)<br />

8: mittlere Individuenzahl Ohrwürmer je Quartier und Zählung (Abb. 44, Tab. 50)<br />

9: Anteil <strong>der</strong> Kontrollflächen mit Heuschrecken-Nachweis (Abb. 46, Tab. 52)<br />

10: mittlere Pflanzenartenzahl je Kontrollfläche (Tab. 53)<br />

A<br />

293<br />

B<br />

C<br />

45


Vergleich ökologischer Risiken <strong>der</strong> herkömmlichen <strong>Bekämpfung</strong>smethoden versus ...<br />

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Aus naturschutzfachlicher Sicht ist daher <strong>der</strong> Hochstamm e<strong>in</strong> ganz entschei-<br />

������������������������������������������������������� � . H<strong>in</strong>zu kommt,<br />

dass das Artenspektrum <strong>der</strong> beiden Produktionsformen unterschiedlich ist.<br />

Hochstamm-Obstgärten s<strong>in</strong>d e<strong>in</strong> Ersatzlebensraum für Arten halboffener<br />

Lebensräume. In Mitteleuropa fehlen solche savannenartige Landschaften<br />

zunehmend. In ganz Europa beträgt die Fläche <strong>der</strong> Hochstamm-Obstgärten<br />

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������������������������������������������������������������������sorten.<br />

Im Bezug auf den Artenreichtum und die genetische Vielfalt s<strong>in</strong>d<br />

Hochstamm-Obstgärten Hotspots <strong>der</strong> Biodiversität, und ihre Erhaltung und<br />

För<strong>der</strong>ung ist vordr<strong>in</strong>glich.<br />

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e<strong>in</strong>geschlossenen s<strong>in</strong>d, als auch das Feuerbrandvorkommen exakt längs<br />

von Hagelschneisen <strong>des</strong> Vorjahres im Bodenseeraum s<strong>in</strong>d starke Indizien<br />

hierfür.<br />

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bei Apfel-, aber auch bei Birnenhochstämmen Fälle, <strong>in</strong> denen e<strong>in</strong> starker<br />

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46


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Holste<strong>in</strong> versucht) ist als utopisch zu bezeichnen.<br />

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2.1 Streptomyc<strong>in</strong><br />

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�����������������������������������������������������������������verbänden,<br />

<strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Bekämpfung</strong> <strong>des</strong> Feuerbran<strong>der</strong>regers im Obstbau von<br />

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Langfristig ist mit resistenten Stämmen <strong>des</strong> Feuerbran<strong>der</strong>regers zu rech-<br />

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Spurenelementen argumentiert.<br />

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E<strong>in</strong>satz von Streptomyc<strong>in</strong> zu verzichten.<br />

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Grundsätzliches<br />

Es ist davon auszugehen, dass ke<strong>in</strong>e e<strong>in</strong>fachen Lösungen gegen Antago-<br />

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Vergleich ökologischer Risiken <strong>der</strong> herkömmlichen <strong>Bekämpfung</strong>smethoden versus ...<br />

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Feuerbrand-Forschung betrifft, sollten verschiedene Lösungsansätze mit<br />

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bevorzugen.<br />

Risiko<br />

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zu befürchten, dass e<strong>in</strong>e erfolgreiche Behandlung von Patienten durch Ver-<br />

�������������������������������������������������������e<strong>in</strong> neues Ver-<br />

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Smart Breed<strong>in</strong>g<br />

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e<strong>in</strong>e Analysemethode handelt.<br />

2.3 Chemie<br />

Es existieren verschiedene Typen von <strong>Bekämpfung</strong>smitteln gegen Feuer-<br />

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zugelassen.<br />

2.5 Rückschnitt<br />

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halben Meter <strong>in</strong>s gesunde Holz entspricht beim Hochstamm e<strong>in</strong>er durch-<br />

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Blüten<strong>in</strong>fektionen.<br />

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Vergleich ökologischer Risiken <strong>der</strong> herkömmlichen <strong>Bekämpfung</strong>smethoden versus ...<br />

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�����������������������������������������������������������������������������satz<br />

völlig unbedenkliche Massnahme gegen den Feuerbrand zu bezeichnen.<br />

2.6 Rodung<br />

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«Zu fällen e<strong>in</strong>en schönen Baum braucht’s e<strong>in</strong>e halbe Stunde kaum. Zu<br />

wachsen, bis man ihn bewun<strong>der</strong>t, braucht er, bedenk es, e<strong>in</strong> Jahrhun<strong>der</strong>t.»<br />

(Eugen Roth)<br />

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<strong>der</strong> Berücksichtigung regional unterschiedlicher Obstsortensortimente<br />

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Verbreitung <strong>des</strong> Feuerbran<strong>des</strong>. Interessant ist, dass es zudem zum<strong>in</strong><strong>des</strong>t<br />

bei Hochstämmern e<strong>in</strong>e <strong>in</strong>dividuelle Anpassungsfähigkeit e<strong>in</strong>zelner Bäume<br />

(gleicher Obstsorten) gegenüber dem Feuerbran<strong>der</strong>reger zu geben<br />

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50


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den Befallsfortschritt als die verschiedenen Behandlungsvarianten. Ent-<br />

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bedroht s<strong>in</strong>d!<br />

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����������������������������������������������������������������������schutzsicht<br />

essentielle Bestandteile e<strong>in</strong>er erfolgreichen Strategie gegen<br />

den Feuerbrand.<br />

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ist deutlich zu <strong>in</strong>tensivieren.<br />

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bran<strong>des</strong> s<strong>in</strong>nvoll o<strong>der</strong> erfor<strong>der</strong>lich. Für Obstbauern s<strong>in</strong>d Forschungen<br />

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Vergleich ökologischer Risiken <strong>der</strong> herkömmlichen <strong>Bekämpfung</strong>smethoden versus ...<br />

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Hochstamm-Obstbäumen s<strong>in</strong>d nur <strong>in</strong> e<strong>in</strong>zelnen zu begründenden Fällen<br />

als zulässig e<strong>in</strong>zustufen.<br />

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52


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obstbaus im Bodenseekreis, unter beson<strong>der</strong>er Berücksichtigung ihrer historischen Ent-<br />

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Was ist nachhaltiger: Monokulturen o<strong>der</strong> GVP?<br />

Zusammenfassung <strong>der</strong> Paneldiskussion von Dr. Alessandro Maranta<br />

Mo<strong>der</strong>ator: Wie beurteilen sie den E<strong>in</strong>satz von Streptomyc<strong>in</strong> und die mögliche<br />

zukünftige Alternative mit GV-Pflanzen?<br />

Rösler: Die Umweltverbände lehnen den E<strong>in</strong>satz von Streptomyc<strong>in</strong> grundsätzlich<br />

ab. Hochstammbäume mit tiefen Wurzeln s<strong>in</strong>d bei Trockenperioden<br />

weniger anfällig und damit gegenüber dem Klimawandel besser gerüstet.<br />

Mo<strong>der</strong>ator: S<strong>in</strong>d die herkömmlichen Behandlungsmethoden gleichwertig?<br />

Holliger: Auf dem Papier ja. Es hängt aber auch vom Institut ab, das den<br />

Vergleich durchführt. Die Praktiker setzen auf Rückschneiden und Rodung.<br />

Streptomyc<strong>in</strong> hat e<strong>in</strong>en Wirkungsgrad von ±88%.<br />

Fischer: Die Frage ist, wer entscheidet und die Untersuchungen durchführt.<br />

Es bedarf e<strong>in</strong>er Güterabwägung zwischen den Schutzgütern und dem erstmaligen<br />

E<strong>in</strong>satz von Antibiotika.<br />

Mo<strong>der</strong>ator: Wie ordnen Sie die Hefe e<strong>in</strong>?<br />

Holliger: Die Rückmeldungen über die unterschiedlichen Auswirkungen<br />

werden ausgewertet.<br />

Mo<strong>der</strong>ator: Wie beurteilen Sie die Haltung <strong>der</strong> Umweltschutzorganisationen?<br />

Fischer: Die gegenwärtigen Massnahmen mit dem E<strong>in</strong>satz von Streptomyc<strong>in</strong><br />

s<strong>in</strong>d kurzfristig. In den USA werden bereits Resistenzen beobachtet.<br />

Schürer: Die Bienen bilden auch e<strong>in</strong> eigenes Antibiotikum.<br />

Holliger: Die Versuche dazu wurden abgebrochen, da im Vergleich zu<br />

Streptomyc<strong>in</strong> e<strong>in</strong>e zu ger<strong>in</strong>ge Wirkung erzielt wird.<br />

Mo<strong>der</strong>ator: Welche Auswirkungen auf die Koexistenz erwarten sie?<br />

Gessler: Mais und Apfel müssten bezüglich <strong>der</strong> Auskreuzung klar unterschieden<br />

werden: Beim Apfel s<strong>in</strong>d nur die Kerne <strong>in</strong>folge e<strong>in</strong>er Fremdbestäubung<br />

e<strong>in</strong>e Kreuzung.<br />

55


Zusammenfassung <strong>der</strong> Paneldiskussion<br />

Schmid: Entscheidend ist, dass nicht nur e<strong>in</strong>e Behandlungsmethode verwendet<br />

wird. Diversität wirkt sich auf die Koexistenz positiv aus.<br />

Mo<strong>der</strong>ator: Ist <strong>der</strong> Feuerbrand nicht auszurotten?<br />

Landwirt aus dem Publikum: Er besitzt e<strong>in</strong>en Hof mit vielen verschiedenen<br />

Sorten, die stark befallen waren, aber nur schwach reagierten.<br />

Die Bäume haben sich <strong>in</strong>zwischen erholt. 2007 gab es ke<strong>in</strong>en sichtbaren<br />

Befall.<br />

Holliger: Der Feuerbrand bleibt. Nicht wir sagen, dass <strong>der</strong> Baum weg muss.<br />

Das Problem ist ja auch nicht <strong>der</strong> Baum, <strong>der</strong> gesund bleibt. Die Gefahr besteht<br />

<strong>in</strong> <strong>der</strong> Ansteckung weiterer Bäume. Die Rodungen s<strong>in</strong>d e<strong>in</strong>e Reaktion<br />

auf e<strong>in</strong> epidemiologisches Problem.<br />

Hanke: Es braucht e<strong>in</strong>e differenzierte Betrachtung von Rodungen: Die Art<br />

bzw. die Sorte spielen e<strong>in</strong>e Rolle und ebenso <strong>der</strong> Zeitpunkt. In den USA gibt<br />

es Resistenzen, und das Spritzen ist mehr als drei Mal erlaubt. Wie auch <strong>in</strong><br />

Deutschland. Die Variation <strong>der</strong> Sorten ist noch ke<strong>in</strong>e Garantie gegen Feuerbrand.<br />

Die Forschung hat ergeben, dass bei Bienenwagen die Distanz<br />

<strong>der</strong> Auskreuzung bei max. 100m liegt. In Streuobstlandwirtschaften sollten<br />

ke<strong>in</strong>e GVP verwendet werden.<br />

Schaad: E<strong>in</strong>e Koexistenz ist längerfristig nicht möglich.<br />

Mo<strong>der</strong>ator: S<strong>in</strong>d Monokulturen mit Nie<strong>der</strong>stamm-GVP die Zukunft?<br />

Schaad: Resistenzgene s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> Hochstammkulturen vorhanden. Es gilt die<br />

Diversität zu erhalten.<br />

Mo<strong>der</strong>ator: Schaden also Monokulturen mit Nie<strong>der</strong>stammbäumen <strong>der</strong> Biodiversität<br />

mehr als GVP?<br />

Schaad: Die For<strong>der</strong>ung, die Biodiversität zu erhalten, spricht nicht gegen<br />

die Nie<strong>der</strong>stämmer.<br />

Schmid: GVP för<strong>der</strong>n längerfristig Monokulturen.<br />

Gessler: Zur Frage <strong>der</strong> längerfristigen Koexistenz bedarf es e<strong>in</strong>er Klärung:<br />

Die vegetative Vermehrung erfolgt nicht über Samen. Also ist die Auskreuzung,<br />

die das Kernproblem <strong>der</strong> Koexistenz darstellt, hier ke<strong>in</strong> Problem. Die<br />

56


A. Maranta<br />

Vielfalt kann auch mit GVP erweitert werden. Bezüglich <strong>der</strong> Biodiversität<br />

wird e<strong>in</strong> falsches Anti-GVP-Dogma gepredigt.<br />

Mo<strong>der</strong>ator: Ist es richtig, zwischen natürlichem Hochstamm und ökonomischem<br />

Nie<strong>der</strong>stamm zu unterscheiden? Stimmt da <strong>der</strong> Grundsatz, was<br />

traditioneller ist, soll stärker geschützt werden? Woher stammen denn die<br />

Erreger?<br />

Rösler: Gefahr besteht sowohl bei Monokulturen als auch h<strong>in</strong>sichtlich GVP.<br />

Deshalb sollte Streuobst ohne GVP geför<strong>der</strong>t werden, was auch ökonomisch<br />

wäre.<br />

Hanke: In Deutschlands Monokulturen gab es 2007 fünf Spritzungen. Ausbreitungsdistanzen<br />

von Feuerbrand können wegen Vogelschiss weit grösser<br />

se<strong>in</strong> als 100m. Aus rechtlicher Sicht gilt zwar <strong>in</strong> dubio pro reo, aber die<br />

Träger <strong>des</strong> <strong>Feuerbrands</strong> s<strong>in</strong>d die Hochstammbäume.<br />

Schmid: Bei e<strong>in</strong>er erweiterten Güterabwägung spielt auch <strong>der</strong> wirtschaftliche<br />

Ertrag aus dem Tourismus e<strong>in</strong>e Rolle, <strong>der</strong> bei Hochstammbäumen generiert<br />

wird.<br />

57


Schwerpunktthema 3<br />

Gentechnische Feuerbrandbekämpfung<br />

als ökonomische Option?


Die Haltung <strong>der</strong> Obstbauern<br />

Referat von Bruno Pezzatti, Direktor <strong>Schweiz</strong>erischer Obstverband<br />

Der Feuerbrand hat im Vorjahr <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Schweiz</strong> so stark gewütet wie noch<br />

nie. Über 100 Hektaren Nie<strong>der</strong>stammkulturen und rund 40’000 Hochstammbäume<br />

mussten gerodet werden. Die umfangreichen Rodungsmassnahmen<br />

haben die Existenz vieler professioneller Obstbaubetriebe bedroht. Zudem<br />

mussten bei rund e<strong>in</strong>em Viertel <strong>der</strong> <strong>in</strong>ländischen Tafelapfelanbaufläche, d.h.<br />

<strong>in</strong> ca. 1’000 Hektaren, befallene Äste <strong>in</strong> sehr aufwändiger Arbeit entfernt<br />

werden. Nach Angaben <strong>des</strong> Bun<strong>des</strong>amtes für Landwirtschaft und <strong>der</strong> betroffenen<br />

Kantone betrugen die Kosten für Bund und Kantone rund 30 Millionen<br />

Franken. Bei den Obstproduzenten betragen die ungedeckten Kosten<br />

gemäss unserer Schätzung nochmals etwa 20 Mio. Franken.<br />

Die <strong>Bekämpfung</strong> <strong>des</strong> <strong>Feuerbrands</strong> wird auch <strong>in</strong> diesem Jahr (2008) Kosten<br />

verursachen. Aufgrund <strong>der</strong> erstmals befristet zugelassenen antibiotikahaltigen<br />

Pflanzenschutzmittel wird es aller Voraussicht nach weniger zu flächenartigen<br />

Rodungen kommen. Weil aber noch e<strong>in</strong> grosses Erregerpotential<br />

aus dem Vorjahr vorhanden ist und die Wetterbed<strong>in</strong>gungen <strong>in</strong> diesem<br />

Jahr für die Infektion <strong>der</strong> Blüten wie<strong>der</strong>um günstig waren – zwar nicht mehr<br />

ganz so günstig wie 2007 – muss auch im laufenden Jahr trotz E<strong>in</strong>satz von<br />

Streptomyc<strong>in</strong> mit aufwändigen Kontrollarbeiten und gegebenenfalls auch<br />

mit Rodungen und Rückschnitt von befallenen Bäumen und Ästen gerechnet<br />

werden.<br />

Bevor ich auf die Frage <strong>der</strong> gentechnischen Feuerbrandbekämpfung als<br />

ökonomische Option e<strong>in</strong>gehe, liegt mir daran, darauf h<strong>in</strong>zuweisen, dass<br />

es nach wie vor das Ziel <strong>des</strong> <strong>Schweiz</strong>. Obstverban<strong>des</strong> ist, ohne die Anwendung<br />

von antibiotikahaltigen Pflanzenschutzmitteln auszukommen.<br />

Lei<strong>der</strong> ist es bisher we<strong>der</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Schweiz</strong> noch weltweit trotz Forschungsanstrengungen<br />

gelungen, alternative <strong>Bekämpfung</strong>sverfahren für diese<br />

verheerende Bakterienkrankheit zu entwickeln, die e<strong>in</strong>e vergleichbare<br />

Wirkung wie Antibiotika erzielen. Eben so wenig konnten bisher we<strong>der</strong><br />

marktkonforme feuerbrandresistente Sorten gezüchtet, noch mittels Gentechnik<br />

entwickelt werden. Die Forschung und Suche nach resistenten<br />

Sorten, die auch qualitativ den Markterfor<strong>der</strong>nissen genügen, und die Entwicklung<br />

von wirksamen alternativen <strong>Bekämpfung</strong>smöglichkeiten muss<br />

<strong>des</strong>halb <strong>in</strong> Zukunft <strong>in</strong>tensiviert werden. Aus diesem Grunde unterstützt <strong>der</strong><br />

<strong>Schweiz</strong>erische Obstverband das vom Bun<strong>des</strong>rat kürzlich <strong>in</strong>itiierte neue<br />

61


Die Haltung <strong>der</strong> Obstbauern<br />

nationale Feuerbrand-Forschungsprogramm mit e<strong>in</strong>em eigenen f<strong>in</strong>anziellen<br />

Beitrag.<br />

Was spricht für, was gegen, und was ist begrenzen<strong>des</strong> Element zur Feuerbrandbekämpfung<br />

mit GVO? Die Beantwortung dieser Frage hängt <strong>in</strong><br />

starkem Masse vom Schadensausmass ab, welches <strong>der</strong> Feuerbrand im<br />

Obstbau verursacht. Dabei fallen Kosten für Pflanzenschutzmittel nicht so<br />

stark <strong>in</strong>s Gewicht. Gemäss Arbocost-Berechnungen von Agridea und Agroscope<br />

Chang<strong>in</strong>s-Wädenswil beträgt <strong>der</strong> Aufwand für Pflanzenschutzmittel<br />

im Obstbau ca. 8% <strong>der</strong> gesamtem Produktionskosten (Abb. 1) o<strong>der</strong> im Mittel<br />

2‘500 Franken je Hektare.<br />

Abbildung 1: Prozentualer Kostenanteil <strong>der</strong> Pflanzenschutzmittel im Obstbau <strong>der</strong> <strong>Schweiz</strong>.<br />

Deutlich stärker <strong>in</strong>s Gewicht fällt <strong>der</strong> Zeitaufwand für die Kontrollen, für den<br />

Rückriss/Rückschnitt von befallenen Ästen sowie für die Rodung von stark<br />

befallenen Bäumen. Dieser Aufwand wurde von Agridea im 2007 <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

vom Feuerbrand am stärksten betroffenen Anbauregion, <strong>in</strong> <strong>der</strong> Ostschweiz,<br />

erhoben. Der Aufwand liegt im Mittel bei 600 Stunden, bei stark betroffenen<br />

Betrieben weit über 1‘000 Stunden. Erschwerend kommt h<strong>in</strong>zu, dass<br />

diese Stunden genau <strong>in</strong> die Zeit <strong>der</strong> Arbeitsspitzen beim Obstbau fallen.<br />

Die Produzenten müssen sehr lange Arbeitstage <strong>in</strong> Kauf nehmen. Dem<br />

Feuerbrand gilt höchste Priorität, weniger wichtige Massnahmen konnten<br />

und können oft aufgrund von Zeitmangel nicht mehr rechtzeitig getroffen<br />

werden. Zurückgestellt werden müssen Arbeiten wie die Handausdünnung<br />

62


B. Pezzatti<br />

o<strong>der</strong> <strong>der</strong> Sommerschnitt, was sich nachteilig auf die Ernte- und Fruchtqualität<br />

auswirkt, o<strong>der</strong> durch Alternanz noch bis <strong>in</strong> die Folgejahre auswirken<br />

kann. Neben <strong>der</strong> physischen Belastung kommt noch <strong>der</strong> nicht bezifferbare<br />

psychische Stress h<strong>in</strong>zu.<br />

Weil die Arbeiten beim Feuerbrand primär durch geschultes Personal, also<br />

vorwiegend durch den Betriebsleiter, ausgeführt werden müssen, ergibt<br />

sich durch die umfangreichen Kulturkontrollen, Rückschnitt- und Rodemassnahmen<br />

folgende Kostenrechnung: Durchschnittlich 600 zusätzliche<br />

Arbeitsstunden zu Fr. 35.--/h ergibt e<strong>in</strong>en Mehraufwand von ca. Fr. 20‘000.-<br />

pro Hektare. Ertragsausfall, schlaflose Nächte, etc. nicht e<strong>in</strong>gerechnet. Bezogen<br />

auf die gesamten Produktionskosten von rund 30‘000.-- Fr. pro Hektare<br />

entsprechen die feuerbrandbed<strong>in</strong>gten Mehrkosten ganze 60% (Abb.<br />

2). Diese ausserordentlich hohen Zusatzkosten gilt es zusammen mit den<br />

Pflanzenschutzmittelkosten vor Augen zuhalten, wenn es darum geht, die<br />

gentechnische Feuerbrandbekämpfung als ökonomische Option zu diskutieren.<br />

Abbildung 2: Kostenvergleich Feuerbrandbekämpfung mit den Gesamtproduktionskosten.<br />

Die hohen Zusatzkosten <strong>der</strong> Feuerbrandbekämpfung sowie <strong>der</strong> gewünschte<br />

zukünftige völlige Verzicht auf die Anwendung von antibiotikahaltigen<br />

Pflanzenschutzmitteln können als die beiden wichtigsten Hauptgründe für<br />

die Feuerbrandbekämpfung mit GVO bezeichnet werden. Unter <strong>der</strong> Annah-<br />

63


Die Haltung <strong>der</strong> Obstbauern<br />

me, dass die <strong>in</strong>ländischen Erwerbsobstproduzenten trotzdem, analog zum<br />

Vorgehen ihrer Mitkonkurrenten aus dem nahen und fernen Ausland, geprüfte<br />

und marktkonforme, feuerbrandresistente GVO-Jungbäume kaufen<br />

würden, wäre <strong>der</strong> ökonomische Vorteil dieser Handlungsweise offensichtlich<br />

und entsprechend zu würdigen: Es können rund 20‘000.-- Franken pro<br />

Hektare an Zusatzkosten e<strong>in</strong>gespart werden.<br />

Was spricht nun gegen den E<strong>in</strong>satz von GVO-verän<strong>der</strong>ten Jungbäumen? In<br />

erster L<strong>in</strong>ie die heute (noch) hohe Sensibilität <strong>der</strong> Konsumenten gegenüber<br />

GVO-Organismen <strong>in</strong> <strong>der</strong> Nahrungsmittelproduktion. Es besteht die Gefahr,<br />

dass sich diese ablehnende Grundhaltung zu eigentlichen Konsumbarrieren<br />

entwickeln. H<strong>in</strong>zu kommt, dass die vor e<strong>in</strong>igen Jahren von <strong>der</strong> AMS (Agro-<br />

Market<strong>in</strong>g Suisse) e<strong>in</strong>geführte Herkunftsmarke „Suisse Garantie“ die Bed<strong>in</strong>gung<br />

enthält, dass die so gekennzeichneten Produkte ohne GVO produziert<br />

worden s<strong>in</strong>d. Die letztere Bed<strong>in</strong>gung müsste bei e<strong>in</strong>er allfälligen Zulassung<br />

von GVO-verän<strong>der</strong>ten Sorten zum<strong>in</strong><strong>des</strong>t <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Ausnahmeklausel für die<br />

Feuerbrand geplagte Kernobstproduktion gezielt gelockert werden.<br />

Abschliessend ist festzuhalten, dass sich <strong>der</strong> <strong>in</strong>ländische Obstbau die<br />

Option e<strong>in</strong>er gentechnischen Feuerbrandbekämpfung analog zu an<strong>der</strong>en<br />

wirksamen <strong>Bekämpfung</strong>smassnahmen aus ökonomischen und<br />

an<strong>der</strong>n Gründen, vor allem im Interesse e<strong>in</strong>es späteren Verzichts auf<br />

Antibiotika <strong>in</strong> <strong>der</strong> Obstproduktion, für die Zukunft offen halten will.<br />

64


<strong>Bekämpfung</strong> <strong>des</strong> Feuerbran<strong>des</strong> 2008 im Kanton Luzern<br />

Referat von Beat Fel<strong>der</strong>, Kanton Luzern, Vollzug <strong>der</strong> Feuerbrandbekämpfung<br />

Als verantwortliche Person für Spezialkulturen habe ich die Feuerbrandbekämpfung<br />

<strong>in</strong> <strong>der</strong> Landwirtschaft im Kanton Luzern zu beaufsichtigen.<br />

Im Jahr 2007 s<strong>in</strong>d die Aufwendungen zur Feuerbrandbekämpfung im Kanton<br />

Luzern abermals höher ausgefallen als <strong>in</strong> den Vorjahren. Insgesamt<br />

wurden 83‘111 Apfel-, Birnen- und Quittenbäume behandelt sowie <strong>in</strong>tensive<br />

Erwerbskernobstkulturen auf e<strong>in</strong>er Fläche von 139 ha. Das führte zu<br />

Gesamtkosten von mehr als 9 Millionen Franken alle<strong>in</strong> im Kanton Luzern<br />

(Tabelle 1). Damit haben diese Aufwendungen zur Feuerbrandbekämpfung<br />

e<strong>in</strong> ökologisch und ökonomisch nicht mehr tragbares Ausmass angenommen.<br />

Anzahl Pflanzen Fläche (ha) Aufwand Fr.<br />

Äpfel Hochstamm 8944 3’271’300.--<br />

Birnen Hochstamm 7775 2’778’900.--<br />

Quitten 536 151’300.--<br />

Sträucher 226 11’300.--<br />

Zwischentotal Hochstamm 17481 6’212’800.--<br />

Apfelkulturen 58803 20.296 1’298’874.--<br />

Birnenkulturen 6227 4.40 264’046.--<br />

Zwischentotal Erwerbsanlagen 65630 24.696 1’562’920.--<br />

Rückriss Kernobstkulturen 114.28 306’102.--<br />

Kontrollen und Sanierungen<br />

Siedlungsgebiet<br />

1’044’613.--<br />

TOTAL 83111 138.98 9’126’435.--<br />

Tabelle 1: Aufwendungen 2007 zur Feuerbrandbekämpfung im Kanton Luzern<br />

65


<strong>Bekämpfung</strong> <strong>des</strong> Feuerbran<strong>des</strong> 2008 im Kanton Luzern<br />

Die Strategie <strong>des</strong> Bun<strong>des</strong><br />

Für die gesamte Eidgenossenschaft verfolgt <strong>der</strong> Bund e<strong>in</strong>e dreifache<br />

Strategie, die <strong>in</strong> den Begriffen Verh<strong>in</strong><strong>der</strong>n, Tilgen und E<strong>in</strong>dämmen zusammengefasst<br />

werden kann. Im E<strong>in</strong>zelnen ist darunter folgen<strong>des</strong> zu<br />

verstehen:<br />

Verh<strong>in</strong><strong>der</strong>n<br />

Regelungen und Kontrollen für den Import sollen die E<strong>in</strong>fuhr <strong>der</strong> Krankheit<br />

über importiertes Pflanzgut verh<strong>in</strong><strong>der</strong>n; Quarantäne soll bei Importmaterial<br />

den eventuel len Befall aufdecken. Schutzgebiete werden deklariert und von<br />

Nicht-Schutzgebieten unterschieden. Neben Aufklärung und Information<br />

schliesst das Schutzgebiet die vorsorgliche Vernichtung und gegebenenfalls<br />

e<strong>in</strong> Pflanzverbot e<strong>in</strong>. In <strong>der</strong> Westschweiz s<strong>in</strong>d auch Bienenverstellverbote<br />

ausgesprochen worden, da Bienen als Hauptüberträger <strong>der</strong> Krankheit<br />

gelten.<br />

Tilgen<br />

Im Fall von isolierten E<strong>in</strong>zelherden soll durch Überwachung, Kontrolle, Erkennen,<br />

Beseitigen und Vernichten <strong>der</strong> Feuerbrand getilgt werden, ehe er<br />

sich auf e<strong>in</strong> grösseres Gebiet ausdehnen kann. Dieses Verfahren wurde <strong>in</strong><br />

e<strong>in</strong>zelnen Geme<strong>in</strong>den <strong>der</strong> Deutschschweiz angewendet.<br />

E<strong>in</strong>dämmen<br />

In e<strong>in</strong>er akuten Befallszone soll Infektionspotential verm<strong>in</strong><strong>der</strong>t werden. Dazu<br />

werden Schutzobjekte def<strong>in</strong>iert, es wird Rückschnitt angeordnet und Pflanzenschutzmittel<br />

werden e<strong>in</strong>gesetzt.<br />

Auswirkungen <strong>der</strong> Bun<strong>des</strong>strategie auf den Kanton Luzern<br />

E<strong>in</strong>teilung von Luzern <strong>in</strong> die Befallszone<br />

Per 1. April 2008 wurde <strong>der</strong> ganze Kanton Luzern <strong>der</strong> Befallszone zugeteilt.<br />

Damit werden folgende Ziele verfolgt:<br />

ß Die Massnahmen sollen koord<strong>in</strong>iert auf das Wesentliche konzentriert<br />

se<strong>in</strong>.<br />

ß Es soll die gleiche Rechtsgrundlage im ganzen Kanton gelten.<br />

ß Die Massnahmen sollen an die Vorgaben <strong>des</strong> Bun<strong>des</strong> angepasst wer-<br />

den.<br />

ß Erwerbsobstkulturen und geschlossene, gepflegte Hochstammbestän-<br />

de sollen gleich behandelt werden.<br />

66


ß<br />

ß<br />

Den Bewirtschaftern soll mehr Eigenverantwortung übertragen wer-<br />

den.<br />

E<strong>in</strong>e f<strong>in</strong>anzielle Grossaktionen analog zu 2007 soll verh<strong>in</strong><strong>der</strong>t werden.<br />

Sanierung <strong>in</strong> <strong>der</strong> Befallszone<br />

In <strong>der</strong> Befallszone s<strong>in</strong>d folgende Massnahmen angeordnet und durchgeführt<br />

worden:<br />

ß Befallssymptome s<strong>in</strong>d meldepflichtig an den Feuerbrandkontrolleur.<br />

ß Kontrolliert wird auf Grund <strong>der</strong> Meldung.<br />

ß Laborproben werden nur <strong>in</strong> Ausnahmefällen als Beweismittel auf Kos-<br />

ten <strong>der</strong> Bewirtschafter genommen.<br />

ß Der sichtbare Befall wird per Entscheid <strong>des</strong> Kontrolleurs durch Rückriss<br />

o<strong>der</strong> Rückschnitt e<strong>in</strong>gedämmt.<br />

ß<br />

ß<br />

ß<br />

Rodung wird verfügt bei stark befallenen und hoch anfälligen Pflanzen<br />

(Gelbmöstler, Egnacher Mostbirnen, Quitten) sowie bei Pflanzen, die<br />

auf Grund <strong>des</strong> Befalls als «öffentliches Ärgernis» gelten (Abb. 1).<br />

Bei Rodung wird ke<strong>in</strong>e Abf<strong>in</strong>dung bzw. Entschädigung bezahlt.<br />

Mangelhafte Zusammenarbeit von Landwirten mit <strong>der</strong> Behörde wird<br />

sanktioniert nach <strong>der</strong> Direktzahlungsverordnung (DZV) Art. 54, Beiträge<br />

für Hochstammbäume, <strong>in</strong> <strong>der</strong> es heisst: «Phytosanitäre Anordnungen<br />

<strong>der</strong> Kantone s<strong>in</strong>d umzusetzen».<br />

Abbildung 1: Sehr stark befallener Baum. Solche Bäume müssen auch <strong>in</strong> <strong>der</strong> Befallszone<br />

gerodet werden.<br />

B. Fel<strong>der</strong><br />

67


<strong>Bekämpfung</strong> <strong>des</strong> Feuerbran<strong>des</strong> 2008 im Kanton Luzern<br />

Def<strong>in</strong>ition von Schutzobjekten<br />

E<strong>in</strong> wesentliches Element <strong>der</strong> «Konzentration auf das Wesentliche» ist die<br />

Def<strong>in</strong>ition von Schutzobjekten. Ziel dieser Massnahme ist es, akzeptable<br />

Rahmenbed<strong>in</strong>gungen für die Produktion von Tafel- und Mostobst zu erhalten.<br />

In dem Verfahren stellt zunächst <strong>der</strong> Bewirtschafter an den Kanton e<strong>in</strong><br />

Gesuch. Im Kanton Luzern: muss es sich dabei um mehr als 40 Aren Obstkulturen<br />

o<strong>der</strong> mehr als 50 gepflegte Hochstamm bäume <strong>in</strong> geschlossenem<br />

Bestand handeln (zur Def<strong>in</strong>ition siehe Tabelle 2).<br />

> 10x10–10x15 Meter Pflanzendistanz<br />

> weniger als 10% Lücken<br />

> regelmässiger Schnitt und Pflanzenschutz<br />

> Anteil Äpfel o<strong>der</strong> junge weniger anfällige Birnen über 80%<br />

> Obst wird geerntet<br />

> Bäume nicht <strong>in</strong> Dauerweiden<br />

> Bäume haben gegenüber Unternutzung höhere<br />

o<strong>der</strong> identische Priorität<br />

> möglichst ke<strong>in</strong>e Überschneidung (Gürtel 500 m)<br />

mit Obstkulturen<br />

Tabelle 2: Def<strong>in</strong>ition geschlossener Hochstammbestände. Nur Bestände, die diesen Kriterien<br />

genügen, kommen als Schutzobjekt <strong>in</strong> Frage.<br />

Das Landwirtschaftsamt entscheidet mit schriftlicher Bestätigung an den<br />

Bewirtschafter und den Kontrolleur. Damit wird <strong>der</strong> Bewirtschafter zu Behandlungen<br />

mit bewilligten Mitteln verpflichtet (Tabelle 3). Das Gelände wird<br />

<strong>in</strong> e<strong>in</strong>e Karte im GIS e<strong>in</strong>getragen und öffentlich publiziert.<br />

•<br />

•<br />

•<br />

•<br />

•<br />

•<br />

68<br />

Kupfer Austriebsbehandlungen<br />

Myco-S<strong>in</strong> Tonerdepräparat (Fungizid im Bio-Obstbau)<br />

Serenade WPO Antagonistenpräparat (Bacillus subtilis,<br />

Stamm QST 713)<br />

Regalis Prohexadione-Calcium, Regulator für die Pflanzenentwicklung<br />

Antibiotika Streptomyc<strong>in</strong> (Bezugssche<strong>in</strong> für 71 Betriebe mit<br />

Obstkulturen im Kanton LU)<br />

Blossom-Protect fb Hefe-Antagonistenpräparat<br />

Tabelle 3: In <strong>der</strong> <strong>Schweiz</strong> bewilligte Produkte zur Feuerbrandbekämpfung.


B. Fel<strong>der</strong><br />

Ferner ist <strong>der</strong> Bewirtschafter zu Kontrolle im Kern <strong>des</strong> Schutzobjekts verpflichtet.<br />

In <strong>der</strong> Umgebung <strong>des</strong> Objekts (‹Gürtel›) kontrolliert <strong>der</strong> Kontrolleur<br />

zweimal. In Obstkulturen (‹Kern›) kontrolliert das Landwirtschaftsamt auf<br />

Grund <strong>der</strong> Meldung <strong>des</strong> Bewirtschafters. Der Kontrolleur entscheidet als<br />

Experte über Rodung o<strong>der</strong> Rückschnitt im Kern. Als Richtl<strong>in</strong>ie soll im Kern<br />

eher Rückschnitt, im Gürtel von 500 m um das Schutzobjekt eher Tilgung<br />

angeordnet werden. Im Gürtel gilt e<strong>in</strong> Pflanzmoratorium ab Sommer 2008<br />

für die beson<strong>der</strong>s empf<strong>in</strong>dlichen Arten. Landwirte werden gemäss Richtl<strong>in</strong>ie<br />

<strong>in</strong> <strong>der</strong> Landwirtschaft ab Fr. 1’500.-- abgegolten.<br />

Sanierung im Schutzobjekt<br />

Für die Sanierung im und um das Schutzobjekt gelten folgende Richtl<strong>in</strong>ien:<br />

ß Bei Anordnung <strong>der</strong> sofortigen Rodung beträgt die Frist 30 Tage.<br />

Im Kern betrifft dies stark schleimende Wirtspflanzen, Bäume mit Befall<br />

am Mitteltrieb, Bäume mit altem Befall o<strong>der</strong> Befall <strong>der</strong> Unterlage sowie<br />

Bäume, bei denen <strong>der</strong> Feuerbrand trotz Rückriss unverm<strong>in</strong><strong>der</strong>t weiter<br />

wächst.<br />

Im Gürtel werden sichtbar befallene Obstbäume gerodet, Zierpflanzen<br />

und Wildgehölze im Abstand von weniger als 500 m zum Kern.<br />

ß Behandelte Bäume werden markiert und im Herbst nachkontrolliert.<br />

Im Kern: bei verordnetem Rückriss bzw. Rückschnitt o<strong>der</strong> bei unsicherem<br />

Befall.<br />

Im Gürtel bei unsicherem Befall, nur Blüten<strong>in</strong>fektion (ke<strong>in</strong> Übergang <strong>in</strong>s<br />

Holz) e<strong>in</strong>er robusten Obstsorte (laut Liste von Agroscope Chang<strong>in</strong>s-<br />

Wädenswil) o<strong>der</strong> wenig anfälligen Wirtspflanzen.<br />

ß Rückriss (bei Rückschnitt entsprechend mit Des<strong>in</strong>fektion <strong>der</strong> Geräte!)<br />

wird angeordnet.<br />

Im Kern: bei Hoffnung, dass Bäume gerettet werden können, <strong>in</strong> diesem<br />

Falle verbunden mit e<strong>in</strong>er Nachkontrolle und <strong>der</strong> Auflage, dass die Bäume<br />

im Frühjahr behandelt werden müssen.<br />

Im Gürtel von 500 m um Obstkulturen ist ke<strong>in</strong> Rückschnitt vorgesehen,<br />

Rückriss nur bei wenigen Infektionsstellen e<strong>in</strong>er robusten Sorte.<br />

Rückschnitt kann ausnahmsweise bei wenigen und e<strong>in</strong>zelnen Infektionsstellen<br />

und robusten Sorten/Wirtspflanzen im Gürtel von 500 m um<br />

Hochstammobstgärten <strong>in</strong> Frage kommen.<br />

69


<strong>Bekämpfung</strong> <strong>des</strong> Feuerbran<strong>des</strong> 2008 im Kanton Luzern<br />

Abbildung 2: Beispiel e<strong>in</strong>er Kernzone e<strong>in</strong>es Schutzobjektes und <strong>des</strong> Gürtels. Der Kern ist e<strong>in</strong>e<br />

Erwerbsobstanlage (Muster), die rote gestrichelte L<strong>in</strong>ie begrenzt den Gürtel von 500 m um den<br />

Kern <strong>der</strong> Schutzzone.<br />

Ausblick<br />

Mit diesen Massnahmen hoffen wir im Kanton Luzern den Feuerbrand auf<br />

e<strong>in</strong> erträgliches Mass soweit e<strong>in</strong>zudämmen, dass we<strong>der</strong> die Landwirte<br />

noch die Staatskasse übermässig belastet werden.<br />

Als ergänzende Massnahme wird im W<strong>in</strong>ter 2008/09 e<strong>in</strong> Pflanzverbot für<br />

hochanfällige Wirtspflanzen im Kern und Gürtel von Schutzobjekten verfügt.<br />

70


Weitere Auskünfte<br />

Landwirtschaft und Wald (lawa)<br />

Abteilung Landwirtschaft<br />

Fachbereich Strukturverbesserungen und Produktion<br />

Beat Fel<strong>der</strong>, Spezialkulturen<br />

Centralstrasse 33 / Postfach<br />

6210 Sursee<br />

Tel: 041 925 10 41 / Fax: 041 925 10 09<br />

mailto:beat.fel<strong>der</strong>@lu.ch<br />

www.lawa.lu.ch<br />

B. Fel<strong>der</strong><br />

71


S<strong>in</strong>d gewisse Substanzen schon <strong>des</strong>halb gefährlich,<br />

weil sie messbar s<strong>in</strong>d?<br />

Zusammenfassung <strong>der</strong> Paneldiskussion von Dr. Alessandro Maranta<br />

Mo<strong>der</strong>ator: Haben Sie, Herr Walter, auf Ihrem Betrieb Feuerbrand?<br />

Walter: Im letzten Jahr waren rund hun<strong>der</strong>t Bäume betroffen. Nach den Kategorien<br />

<strong>des</strong> Kantons Thurgau galten e<strong>in</strong> Drittel als nicht befallen, e<strong>in</strong> Drittel<br />

als leicht und e<strong>in</strong> Drittel als mittel befallen. Starker Befall wurde nicht festgestellt.<br />

Rodungen mussten bei Birnen und Quitten vorgenommen werden. Zum<br />

Schutz wurden Hefe und Pflanzenaktivatoren verwendet. Das Warnsystem<br />

war im letzten Jahr schlecht organisiert. Die Obstbauern wurden überrascht.<br />

In diesem Jahr haben wir im Vergleich zum letzten Jahr doppelt so viel gespritzt.<br />

Grundsätzlich s<strong>in</strong>d Rodungen bei Bauern, die ihre Bäume gut pflegen<br />

und schneiden, nicht erfor<strong>der</strong>lich. Bei Eigentümern, die ihre Obstgärten verpachten,<br />

fehlt zuweilen das Verständnis für diese notwendigen Schutzmassnahmen.<br />

Das Konzept <strong>des</strong> Kantons Luzern ist überzeugend.<br />

Mo<strong>der</strong>ator: 2007 wurden ausgezeichnete Erträge erzielt. Wird auf hohem<br />

Niveau gejammert?<br />

Pezzatti: Das sehr gute Wachstum konnte die Ausfälle kompensieren. Der<br />

Ausfall lag bei 3000 bis 5000 Tonnen. Gesamtwirtschaftlich sche<strong>in</strong>t das<br />

Problem gar nicht so dramatisch. Aber <strong>in</strong> e<strong>in</strong>zelnen Betrieben musste e<strong>in</strong><br />

Ertragsrückgang von 30–40% h<strong>in</strong>genommen werden. Das geht an die Substanz<br />

und bedroht die Existenz e<strong>in</strong>es Betriebes.<br />

Walter: Für Pflegemassnahmen werden Entschädigungen bezahlt. Diese lagen<br />

bei 560 Franken für drei Personen, die e<strong>in</strong>en ganzen Tag zu tun hatten.<br />

Mo<strong>der</strong>ator: Welche Bedeutung könnten resistente Sorten <strong>in</strong> Zukunft haben?<br />

Walter: Die Forschung sollte hier ganz klar ermuntert werden. Selbst gentechnisch<br />

verän<strong>der</strong>ten Obstsorten sollte e<strong>in</strong>e Chance e<strong>in</strong>geräumt werden,<br />

um dieses Problem zu lösen.<br />

Mo<strong>der</strong>ator: Sollten stark befallene Bäume <strong>in</strong> jedem Fall gerodet werden<br />

und wie ist die Strategie <strong>des</strong> Kantons Luzern zu beurteilen? Welchen E<strong>in</strong>-<br />

73


Zusammenfassung <strong>der</strong> Paneldiskussion<br />

fluss hat <strong>der</strong> Entscheid <strong>des</strong> Bun<strong>des</strong>verwaltungsgerichts. Ist es richtig, <strong>der</strong><br />

Regeneration e<strong>in</strong>e Chance zu geben?<br />

Fel<strong>der</strong>: Der Feuerbrand wird nicht aussterben, und Nichtstun konnte das<br />

Problem bisher auch nicht lösen. Befallene Bäume sollten gerodet werden<br />

o<strong>der</strong> müssen zum<strong>in</strong><strong>des</strong>t stark zurückgeschnitten werden. Es gilt, die jungen<br />

Bäume zu schützen.<br />

Mo<strong>der</strong>ator: S<strong>in</strong>d die Entschädigungen ökonomisch s<strong>in</strong>nvoll? Die Pflege <strong>der</strong><br />

Bäume ersche<strong>in</strong>t <strong>in</strong> jedem Fall e<strong>in</strong>e Aufgabe <strong>der</strong> Obstbauern.<br />

Lehmann: Es geht hier auch darum, wie mit dem Schaden umgegangen<br />

wird. Versicherungen kommen nur für Elementarschäden auf (schliesst<br />

Krankheiten nicht mit e<strong>in</strong>). Für die Obstbauern ist <strong>der</strong> Schaden durch Feuerbrand<br />

e<strong>in</strong> grosses, kollektives Problem. Die Entschädigungen fallen angesichts<br />

<strong>der</strong> Kosten kaum <strong>in</strong>s Gewicht. Gleichwohl wären Kontrollen alle<strong>in</strong><br />

ohne die Entschädigungen wenig wirksam.<br />

Walter: Entscheide zur <strong>Bekämpfung</strong> <strong>des</strong> <strong>Feuerbrands</strong>, die alle kollektiv betreffen<br />

– wie etwa die geme<strong>in</strong>deweite Beseitigung von Cotoneaster –, werden<br />

allgeme<strong>in</strong> problemlos akzeptiert.<br />

Schürer: H<strong>in</strong>sichtlich <strong>der</strong> Kosten und Entschädigungen gilt es zu relativieren:<br />

30 Mio. Franken haben Bund und Kanton übernommen, 20 Mio.<br />

mussten die Obstbauern tragen. Aber bei den Bienenvölkern s<strong>in</strong>d 30% gestorben.<br />

Das s<strong>in</strong>d rund dreissig- bis vierzigtausend Völker zu je 300 bis 400<br />

Franken. Das ergibt e<strong>in</strong>e Schadenssumme von 10 bis 20 Mio. Der E<strong>in</strong>satz<br />

von gentechnisch verän<strong>der</strong>ten Obstsorten <strong>in</strong> <strong>der</strong> Zukunft ersche<strong>in</strong>t aus ökonomischer<br />

Sicht wenig s<strong>in</strong>nvoll, selbst wenn die Gesundheit nicht gefährdet<br />

ist. Für den ‚gesunden’ Honig entstünde e<strong>in</strong> Vermarktungsproblem. Im Umkreis<br />

von rund 3 km sollten ke<strong>in</strong>e solchen Bäume wachsen, sonst wären<br />

Rückstände von GVO <strong>in</strong> Kauf zu nehmen.<br />

Mo<strong>der</strong>ator: Wie beurteilen Sie den E<strong>in</strong>satz von Streptomyc<strong>in</strong> für die Imker?<br />

Schürer: Der Bund ist bereit, für verunre<strong>in</strong>igten Honig Entschädigungen zu<br />

zahlen.<br />

Mo<strong>der</strong>ator: Bei gentechnisch verän<strong>der</strong>ten Obstsorten müsste ke<strong>in</strong> Streptomyc<strong>in</strong><br />

e<strong>in</strong>gesetzt werden. Würden Sie das begrüssen?<br />

74


Schürer: Ne<strong>in</strong>, denn das würde den Honig als gesun<strong>des</strong> Produkt <strong>in</strong> Frage<br />

stellen. Und die Imker könnten ihren Honig nicht mehr verkaufen.<br />

Lehmann: Gentechnisch verän<strong>der</strong>te Obstsorten s<strong>in</strong>d e<strong>in</strong>e Option für die<br />

Obstbauern. Aber die Frage ist, wie die weiteren Stakehol<strong>der</strong> darauf reagieren<br />

werden. Es muss e<strong>in</strong> besseres Verständnis für die technologischen<br />

Möglichkeiten geweckt werden. Die gegenwärtige polarisierte Diskussion<br />

verh<strong>in</strong><strong>der</strong>t e<strong>in</strong>e umfassende Auslegeordnung. Diese Sorten s<strong>in</strong>d e<strong>in</strong>e Option<br />

für die Zukunft. Aus <strong>der</strong> sozialwissenschaftlichen Forschung weiss<br />

man, dass Akzeptanzverän<strong>der</strong>ungen lange brauchen. Die Forschung und<br />

Entwicklung sollte daher weiter machen.<br />

Mo<strong>der</strong>ator: Aber die Zerstörung <strong>des</strong> Feldversuchs mit gentechnisch verän<strong>der</strong>tem<br />

Weizen heute Vormittag zeigt, dass die Forschung nicht akzeptiert<br />

wird.<br />

Hanke: Untersuchungen <strong>des</strong> Honigs <strong>in</strong> Apfelplantagen haben ergeben,<br />

dass nur sehr wenig Apfelpollen gefunden wurden und dass Apfel-DNA im<br />

Honig sehr schwer nachweisbar ist. Es ist daher sehr unwahrsche<strong>in</strong>lich,<br />

dass GVO nachgewiesen werden könnte.<br />

Lehmann: Die Haltung, dass <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em beschränkten Raum mit Geld kompensiert<br />

werden kann, ist falsch und auch egoistisch.<br />

Mo<strong>der</strong>ator: Wie erfolgt die Überwachung <strong>des</strong> E<strong>in</strong>satzes von Streptomyc<strong>in</strong>?<br />

Es wird selbst noch <strong>in</strong> Entfernungen von 20 bis 50 Metern von Siedlungen<br />

gespritzt, während dies <strong>in</strong> Deutschland verboten ist.<br />

Fel<strong>der</strong>: Die Auflagen hat das BLW festgelegt.<br />

A. Maranta<br />

Mo<strong>der</strong>ator: Wie beurteilen Sie die Problematik mit Streptomyc<strong>in</strong>rückständen<br />

im Honig? Wird da vielleicht übertrieben, wenn beispielsweise Geflügelprodukte<br />

aus Ch<strong>in</strong>a zum Vergleich herangezogen werden?<br />

Rösler: In Baden-Württemberg wurde <strong>in</strong> acht Fällen <strong>der</strong> Honig wegen<br />

Rückständen vom Bun<strong>des</strong>land abgekauft. Es waren <strong>in</strong>sgesamt 1’100<br />

Kilo.<br />

Schürer: Der Grenzwert liegt bei 20 Mikrogramm. In Deutschland wurde<br />

dieser teilweise auf 60 Mikrogramm erhöht. Es geht hier beim Honig aber<br />

auch um e<strong>in</strong> Spitzenprodukt, das gelegentlich nur <strong>in</strong> kle<strong>in</strong>en Mengen her-<br />

75


Zusammenfassung <strong>der</strong> Paneldiskussion<br />

gestellt wird. Im Markt geht es um e<strong>in</strong>e psychologische und nicht um e<strong>in</strong>e<br />

mediz<strong>in</strong>ische Frage.<br />

Walter: Wir wollen <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Schweiz</strong> e<strong>in</strong>wandfreie Produkte. Deshalb werden<br />

Rückstände entschädigt. Die Vermeidung von Rückständen ist e<strong>in</strong> Grundsatz<br />

<strong>der</strong> <strong>Schweiz</strong>er Landwirtschaft und ke<strong>in</strong>e Frage von Grenzwerten. Wir<br />

dürfen hier ke<strong>in</strong>e Kompromisse e<strong>in</strong>gehen.<br />

Pezzatti: Die Bestätigung für diese Haltung liefert die Vere<strong>in</strong>barung zwischen<br />

den Imkern und dem Obstverband. Der Toleranzwert wurde auf 0,01<br />

Milligramm festgesetzt. Also auf die Hälfte <strong>des</strong> rechtlich vorgesehenen<br />

Grenzwerts. Die restriktiven Vorgaben, wie etwa nicht mehr als drei Mal<br />

spritzen, wurden e<strong>in</strong>gehalten.<br />

Mo<strong>der</strong>ator: Bei ger<strong>in</strong>gen, kaum nachweisbaren Rückständen geht es offenbar<br />

eher um Psychologie. Warum bestehen diese Akzeptanzprobleme?<br />

Lehmann: Aus Sicht <strong>der</strong> Konsument<strong>in</strong>nen und Konsumenten geht es um<br />

die Verän<strong>der</strong>ung <strong>des</strong> Erbguts – also um langfristige Auswirkungen. Hier<br />

wäre Aufklärungsarbeit gefragt. Wechselseitige Anschuldigungen br<strong>in</strong>gen<br />

da nichts. Es geht um Vertrauen. Die laufende Diskussion im Podium verunsichert<br />

eher. Man fühlt sich da etwas alle<strong>in</strong> gelassen angesichts von Behauptungen<br />

über Risiken: Nicht nur welche Schäden auftreten können, son<strong>der</strong>n<br />

auch wie wahrsche<strong>in</strong>lich und gravierend e<strong>in</strong> Schaden ist. Wir brauchen<br />

die Nahrungsmittel halt nicht nur, um Hunger zu stillen.<br />

Pezzatti: Mehr Offenheit wäre zu begrüssen. Gute Informationen, damit das<br />

Verständnis vorhanden ist, dass schlechtere Auswirkungen o<strong>der</strong> Massnahmen<br />

mit dem gewählten Vorgehen vermieden werden können. Die Stossrichtung<br />

sollte auf mehr Kommunikation und Information abzielen.<br />

Fel<strong>der</strong>: Seit 1995 blühen die Bäume im Durchschnitt e<strong>in</strong>e Woche früher.<br />

Die zunehmend wärmeren Durchschnittstemperaturen werden das Problem<br />

noch verschärfen.<br />

Walter: Im Vergleich zwischen den Jahren 2007 und 2008 lagen die Blütezeiten<br />

drei Wochen ause<strong>in</strong>an<strong>der</strong>.<br />

Schürer: Das Problem entsteht wegen <strong>der</strong> häufigeren und genaueren<br />

wissenschaftlichen Messungen. Der Bevölkerung kann nicht mehr kommuniziert<br />

werden, dass zwar Rückstände vorhanden, dass diese aber<br />

76


A. Maranta<br />

nicht gefährlich s<strong>in</strong>d. Wir müssen lernen, mit den Messergebnissen umzugehen.<br />

77


Schwerpunktthema 4<br />

Antibiotika o<strong>der</strong> Gentechnik? –<br />

E<strong>in</strong>e rechtsethische Betrachtung


Antibiotika o<strong>der</strong> Gentechnik?<br />

E<strong>in</strong>e rechtsethische Betrachtung 1<br />

Vortrag vom Prof. Lutz W<strong>in</strong>gert, Philosophie ETHZ<br />

Thesen<br />

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Antibiotika o<strong>der</strong> Gentechnik? E<strong>in</strong>e rechtsethische Betrachtung<br />

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L. W<strong>in</strong>gert<br />

87


Rechtliche Aspekte <strong>der</strong> Feuerbrandbekämpfung 1<br />

Referat von Prof. Dr. Peter Hettich, LL.M., Rechtsanwalt<br />

E<strong>in</strong>leitende Bemerkungen<br />

Dieser Beitrag greift drei rechtliche Aspekte <strong>der</strong> Feuerbrandbekämpfung<br />

heraus. Der erste Teil ist <strong>der</strong> Erläuterung <strong>der</strong> hier e<strong>in</strong>schlägigen Rechtsgrundlagen<br />

gewidmet. In zwei weiteren Teilen möchte ich e<strong>in</strong>ige allgeme<strong>in</strong>e<br />

rechtliche Überlegungen anstellen, nämlich zu möglichen Rollen <strong>des</strong> Rechts<br />

bei Seuchenbekämpfungsmassnahmen und zum Umgang <strong>des</strong> Rechts mit<br />

Risiken.<br />

Rechtsgrundlagen<br />

E<strong>in</strong>heitliches <strong>Bekämpfung</strong>skonzept im Pflanzenschutz<br />

Die Feuerbrandbekämpfung berührt e<strong>in</strong>e ganze Reihe von Rechtsgebieten.<br />

Im Vor<strong>der</strong>grund stehen die umweltpolitisch motivierten Vorschriften <strong>des</strong><br />

Landwirtschaftsrechts. E<strong>in</strong>schlägig ist aber auch das Chemikalienrecht, das<br />

Recht über Stoffe und Organismen <strong>des</strong> Umweltschutzgesetzes sowie das<br />

Gentechnikrecht.<br />

Das Landwirtschaftsgesetz (LwG, SR 910.1) nimmt <strong>in</strong> Art. 149–157 Stellung<br />

zum Pflanzenschutz (Für e<strong>in</strong>e Übersicht Klaus Vallen<strong>der</strong>/Peter Hettich/Jens<br />

Lehne, Wirtschaftsfreiheit und begrenzte Staatsverantwortung, Bern 2006,<br />

§ 31.I). Diese Bestimmungen werden ausgeführt durch die 108 Seiten umfassende<br />

Pflanzenschutzverordnung (PSV, SR 916.20). Für das hier diskutierte<br />

Thema relevant s<strong>in</strong>d auch die umfangreichen Bestimmungen über das<br />

Inverkehrbr<strong>in</strong>gen von Saatgut (SR 916.151) und von Pflanzenschutzmitteln<br />

(PSMV, SR 916.161).<br />

Der Pflanzenschutz ist danach Aufgabe <strong>des</strong> Bun<strong>des</strong> (Art. 149 LwG), wobei<br />

den Kantonen <strong>der</strong> Vollzug, <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e <strong>der</strong> Unterhalt e<strong>in</strong>es Pflanzenschutzdienstes<br />

obliegt (Art. 150 LwG). Wer Pflanzenmaterial e<strong>in</strong>führt o<strong>der</strong><br />

<strong>in</strong> Verkehr br<strong>in</strong>gt, soll die Grundsätze <strong>des</strong> Pflanzenschutzes beachten und<br />

beson<strong>der</strong>s gefährliche Schadorganismen wie die Erw<strong>in</strong>ia amylovora melden<br />

(Art. 151 LwG, Art. 27 PSV). Als beson<strong>der</strong>e Massnahmen sieht <strong>der</strong> Bund<br />

Bewilligungspflichten für bestimmtes Pflanzenmaterial vor und reguliert die<br />

entsprechenden Produktionsbetriebe (Art. 152 LwG). Zur <strong>Bekämpfung</strong> von<br />

89


Rechtliche Aspekte <strong>der</strong> Feuerbrandbekämpfung<br />

Schadorganismen kann <strong>der</strong> Bund Überwachungsmassnahmen (Gebietsüberwachung<br />

nach Art. 28 PSV) und die Isolation von Pflanzenmaterial anordnen<br />

(Art. 153 LwG). Er kann aber auch die Behandlung, Des<strong>in</strong>fizierung<br />

o<strong>der</strong> Vernichtung von Kulturen verfügen (Art. 153 LwG). Damit zeichnen<br />

LwG und PSV e<strong>in</strong> <strong>Bekämpfung</strong>skonzept für alle Schadorganismen gleichermassen<br />

vor; das Konzept entspricht auch <strong>der</strong> für die EU geltenden Ordnung<br />

(RL 2000/29/EG). Für Feuerbrand wird das <strong>Bekämpfung</strong>skonzept erst <strong>in</strong><br />

<strong>der</strong> Richtl<strong>in</strong>ie Nr. 3 <strong>des</strong> Bun<strong>des</strong>amts für Landwirtschaft (BLW) konkretisiert.<br />

Die Richtl<strong>in</strong>ie <strong>des</strong> BLW unterscheidet im E<strong>in</strong>klang mit <strong>der</strong> PSV zwischen<br />

Befallszonen (Art. 30 PSV) und Schutzgebieten (Art. 3 Abs. 1 lit. j PSV). Bei<br />

begrenzt auftretendem Feuerbrand und <strong>in</strong> Schutzgebieten sieht die PSV<br />

e<strong>in</strong>e radikale Tilgungsstrategie vor. Falls dies, wie etwa <strong>in</strong> Befallsgebieten,<br />

nicht möglich ist, s<strong>in</strong>d E<strong>in</strong>dämmungsmassnahmen wie Rückschnitte zu treffen<br />

(Art. 29 PSV).<br />

Für die von <strong>Bekämpfung</strong>smassnahmen betroffenen Eigentümer können<br />

Entschädigungen nach Billigkeit ausgerichtet werden (Art. 156 LwG). Die<br />

PSV erachtet e<strong>in</strong>e Entschädigung für landwirtschaftliche Betriebe allerd<strong>in</strong>gs<br />

nur bei beson<strong>der</strong>en Härtefällen als billig (Art. 36 PSV). An durch Kantone<br />

geleistete Abf<strong>in</strong>dungen leistet <strong>der</strong> Bund e<strong>in</strong>en Beitrag (Verordnung <strong>des</strong><br />

EVD vom 22. Januar 2001 über Bun<strong>des</strong>beiträge an Abf<strong>in</strong>dungen <strong>in</strong>folge<br />

behördlich angeordneter Pflanzenschutzmassnahmen im Lan<strong>des</strong><strong>in</strong>nern,<br />

SR 916.225). E<strong>in</strong> Teil <strong>der</strong> Kantone hat weitergehende Entschädigungen wie<br />

Rodungsprämien vorgesehen.<br />

Zulassung und Verwendung von Saatgut und Pflanzenschutzmitteln<br />

Die Zulassung von Saatgut und Pflanzenschutzmitteln ist e<strong>in</strong>em strengen<br />

Bewilligungsregime unterworfen (Art. 160 LwG). Pflanzenschutzmittel und<br />

Saatgut müssen sich zur vorgesehenen Verwendung eignen, dürfen ke<strong>in</strong>e<br />

unannehmbaren Nebenwirkungen haben und die Eignung <strong>der</strong> behandelten<br />

Produkte für die Behandlung von Lebensmitteln nicht bee<strong>in</strong>trächtigen<br />

(Art. 159 LwG). Für gewisses Saatgut hat <strong>der</strong> Bund e<strong>in</strong>en Sortenkatalog geschaffen,<br />

welcher die <strong>in</strong> <strong>der</strong> Landwirtschaft ausschliesslich verwendbaren<br />

Saatgutsorten umfasst (Art. 162 LwG). Die Verwendung von nicht zugelassenen<br />

Pflanzenschutzmitteln und Saatgutsorten ist verboten und wird mit<br />

Bussen bis CHF 40’000 bestraft (Art. 173 Abs. 1 lit. i und k LwG).<br />

Gentechnisch verän<strong>der</strong>tes Vermehrungsmaterial (<strong>in</strong>kl. Edelreiser und allg.<br />

gentechnisch verän<strong>der</strong>tes Pflanzenmaterial) unterstehen nach Art. 9a f. Saat-<br />

90


gut-Verordnung e<strong>in</strong>er speziellen Bewilligungspflicht und müssen zusätzlich<br />

zu den allgeme<strong>in</strong>en Anfor<strong>der</strong>ungen die Voraussetzungen <strong>der</strong> Freisetzungsverordnung<br />

(FrSV, SR 814.911) erfüllen. Diese Sorten müssen also <strong>in</strong> Freisetzungsversuchen<br />

erprobt se<strong>in</strong> und gegebenenfalls für das Inverkehrbr<strong>in</strong>gen<br />

bewilligt se<strong>in</strong>. Zu beachten bleibt, dass die schweizerische Landwirtschaft<br />

nach dem Willen <strong>des</strong> Verfassungsgebers bis 26. November 2010 gentechnikfrei<br />

bleiben wird (Übergangsbestimmung von Art. 197 Ziffer 7 BV). Dieses<br />

Moratorium soll nach dem Willen <strong>des</strong> Bun<strong>des</strong>rates nun gar um weitere drei<br />

Jahre verlängert werden (Pressemitteilung vom 14. Mai 2008).<br />

H<strong>in</strong>sichtlich Pflanzenschutzmittel ist anzumerken, dass das hier diskutierte<br />

Antibiotikum Streptomyc<strong>in</strong> nicht allgeme<strong>in</strong> als Pflanzenschutzmittel zugelassen<br />

ist (Art. 4 PSMV). Gestützt auf e<strong>in</strong>e Bestimmung für Ausnahmesituationen<br />

(Art. 31 PSMV) kann das Antibiotikum nun aber zeitlich befristet<br />

und örtlich begrenzt e<strong>in</strong>gesetzt werden; die Verwendung von Streptomyc<strong>in</strong><br />

ist engen Begrenzungen unterworfen (Allgeme<strong>in</strong>verfügung <strong>des</strong> BLW vom<br />

28. Januar 2008). Die Ausnahmebestimmung dient <strong>der</strong> «<strong>Bekämpfung</strong> e<strong>in</strong>er<br />

unvorhergesehenen Gefahr, die mit an<strong>der</strong>en Mitteln nicht wirkungsvoll e<strong>in</strong>gedämmt<br />

o<strong>der</strong> bekämpft werden kann» (Art. 31 Abs. 1 PSMV). Das BLW<br />

darf dabei das Verfahren <strong>der</strong> Zulassung abkürzen, aber die allgeme<strong>in</strong>en Zulassungsvoraussetzungen<br />

(betreffend Eignung und Nebenwirkungen) nicht<br />

ausser Kraft setzen.<br />

Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass die erwähnten landwirtschaftsrechtlichen<br />

Normen die Materie umfassend regeln und die allgeme<strong>in</strong>en<br />

umweltrechtlichen Vorschriften weitgehend verdrängen. Dies betrifft<br />

namentlich Umweltschutzgesetz, Chemikaliengesetz, Chemikalienverordnung<br />

und Chemikalien-Risikoreduktions-Verordnung.<br />

Rolle <strong>des</strong> Rechts bei <strong>der</strong> Seuchenbekämpfung, <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e<br />

<strong>des</strong> <strong>Feuerbrands</strong><br />

P. Hettich<br />

Auf Basis <strong>der</strong> Darstellung <strong>der</strong> rechtlichen Grundlagen <strong>der</strong> Feuerbrandbekämpfung<br />

stellen sich weitergehende Fragenkomplexe. Zunächst ist<br />

überhaupt die Rolle <strong>des</strong> Rechts bei <strong>der</strong> Feuerbrandbekämpfung zu klären.<br />

Schliesslich s<strong>in</strong>d e<strong>in</strong>ige Bemerkungen zum Umgang von Recht mit Risiken<br />

im Allgeme<strong>in</strong>en anzubr<strong>in</strong>gen.<br />

Diese Tagung ist dem Thema <strong>der</strong> am meisten geeigneten <strong>Bekämpfung</strong>smethode<br />

für Feuerbrand gewidmet. Nicht ganz unerwartet kann festgestellt<br />

91


Rechtliche Aspekte <strong>der</strong> Feuerbrandbekämpfung<br />

werden, dass sich auch die Experten nicht über die zu wählende Methode<br />

e<strong>in</strong>ig s<strong>in</strong>d. Wieso soll nun ausgerechnet <strong>der</strong> Gesetzgeber – ke<strong>in</strong>eswegs e<strong>in</strong><br />

Experte <strong>der</strong> Pflanzenforschung – <strong>in</strong> <strong>der</strong> Lage se<strong>in</strong>, die beste Methode <strong>der</strong><br />

<strong>Bekämpfung</strong> <strong>des</strong> <strong>Feuerbrands</strong> zu wählen? Zu dieser Wahl ist <strong>der</strong> Gesetzgeber<br />

schon aufgrund <strong>der</strong> Une<strong>in</strong>igkeit <strong>der</strong> Experten offensichtlich nicht <strong>in</strong><br />

<strong>der</strong> Lage. Der Gesetzgeber hat aber den Vorteil <strong>der</strong> Autorität. Er hat das<br />

Gewaltmonopol <strong>in</strong>ne und kann se<strong>in</strong>e Massnahmen zwangsweise und koord<strong>in</strong>iert<br />

durchsetzen, was gerade bei sich ausbreitenden Krankheiten wie<br />

dem Feuerbrand s<strong>in</strong>nvoll sche<strong>in</strong>t.<br />

Das Spektrum <strong>der</strong> vom Bun<strong>des</strong>amt für Landwirtschaft verfolgten Massnahmen<br />

ist e<strong>in</strong>schneidend und reicht bis zur Vernichtung <strong>der</strong> befallenen<br />

Pflanzen. Die demokratische Legitimation <strong>der</strong> <strong>Bekämpfung</strong>smassnahmen<br />

ist jedoch eher schwach; das Parlament delegiert an den Bun<strong>des</strong>rat, welcher<br />

die Wahl <strong>der</strong> konkreten <strong>Bekämpfung</strong>smassnahmen wie<strong>der</strong>um an das<br />

BLW und an kantonale Vollzugstellen delegiert. Nicht überraschend f<strong>in</strong>den<br />

die Massnahmen nicht e<strong>in</strong>hellig Akzeptanz. So haben etwa Bauern <strong>in</strong> Mörschwil<br />

die Gerichte angerufen, um sich gegen die <strong>Bekämpfung</strong>smassnahmen<br />

zu wehren (Entscheide <strong>des</strong> Bun<strong>des</strong>verwaltungsgerichts vom 30. April<br />

2008, B-7369/2007, B-9370/2007, B-7372/2007).<br />

Die <strong>Bekämpfung</strong>smassnahmen greifen tief <strong>in</strong> das Eigentum <strong>der</strong> betroffenen<br />

Bauern e<strong>in</strong>; diese haben damit das Recht, die Rechtmässigkeit dieser<br />

Massnahmen von unabhängigen Gerichten prüfen zu lassen. Aber auch <strong>der</strong><br />

Bevölkerung könnte z.B. bei voraussichtlichem Antibiotika-E<strong>in</strong>satz <strong>in</strong> unmittelbarer<br />

Nachbarschaft e<strong>in</strong>e Beschwerdelegitimation gegen die Zulassung<br />

von Streptomyc<strong>in</strong> kaum abgesprochen werden. Gerade die schwache demokratische<br />

Legitimation <strong>der</strong> <strong>Bekämpfung</strong>smassnahmen macht effektiven<br />

Rechtsschutz an sich umso wichtiger.<br />

Das Recht spielt jedoch bei <strong>der</strong> Seuchenbekämpfung allgeme<strong>in</strong> e<strong>in</strong>e unglückliche<br />

Rolle. <strong>Bekämpfung</strong>smassnahmen müssen zeitnah umgesetzt<br />

werden. Die Beschwerde<strong>in</strong>stanzen haben jedoch den Beschwerden gegen<br />

<strong>Bekämpfung</strong>smassnahmen aufschiebende Wirkung erteilt, so dass diese<br />

Massnahmen im Jahr 2007 nicht zeitgleich und flächendeckend getroffen<br />

wurden. Es stellt sich daher die Frage, ob es überhaupt S<strong>in</strong>n macht, befallene<br />

Bäume zu roden, wenn ebenfalls kranke Bäume auf dem Nachbargrundstück<br />

aufgrund e<strong>in</strong>er Beschwerde stehen bleiben.<br />

Damit <strong>Bekämpfung</strong>smassnahmen rechtlich vor Gerichten standhalten,<br />

müssen sie auf e<strong>in</strong>er ausreichenden gesetzlichen Grundlage beruhen, im<br />

92


P. Hettich<br />

öffentlichen Interesse liegen und verhältnismässig se<strong>in</strong>. Der Rechtsschutz<br />

ist jedoch <strong>in</strong> verschiedener H<strong>in</strong>sicht beschränkt. Gerichte greifen <strong>in</strong> technischen<br />

Angelegenheiten kaum <strong>in</strong> den Ermessensspielraum <strong>der</strong> Behörden<br />

e<strong>in</strong> (z.B. BGE 130 II 449, 451 f.; Entscheid <strong>des</strong> Bun<strong>des</strong>verwaltungsgerichts<br />

vom 7. November 2007, C-2263/2006). Sie bejahen die Eignung von ergriffenen<br />

Massnahmen <strong>in</strong> <strong>der</strong> Regel schon dann, wenn diese nicht völlig<br />

ungeeignet s<strong>in</strong>d und dem zu erreichenden Ziel nicht zuwi<strong>der</strong>laufen. Es erstaunt<br />

daher, dass das Bun<strong>des</strong>verwaltungsgericht am 30. April 2008 den<br />

<strong>Bekämpfung</strong>smassnahmen <strong>in</strong> zwei Fällen die Eignung abgesprochen hat,<br />

weil nicht beson<strong>der</strong>s wertvoll Objekte wie Nie<strong>der</strong>stammobstanlagen o<strong>der</strong><br />

Baumschulen zu schützen waren. Das öffentliche Interesse an <strong>der</strong> <strong>Bekämpfung</strong><br />

<strong>des</strong> Feuerbran<strong>des</strong> ist an sich gegeben, und auch das Opfer <strong>der</strong> betroffenen<br />

Bauern sche<strong>in</strong>t im Vergleich zu dem auf dem Spiel stehenden<br />

öffentlichen Interesse <strong>in</strong> <strong>der</strong> Regel zumutbar. Nach <strong>der</strong> Rechtsprechung<br />

<strong>des</strong> Bun<strong>des</strong>gerichts wäre bei re<strong>in</strong> polizeilich motivierten Eigentumse<strong>in</strong>griffen<br />

wie hier wahrsche<strong>in</strong>lich nicht e<strong>in</strong>mal Entschädigung zu leisten. Es schält<br />

sich langsam heraus, dass die Gerichte die wissenschaftliche Diskussion<br />

<strong>der</strong> geeigneten <strong>Bekämpfung</strong>smassnahmen nicht entscheiden können; welche<br />

<strong>Bekämpfung</strong>smassnahmen effektiv umgesetzt werden, entscheiden<br />

die Gutachter. Die «Kapitulation» vor dem Feuerbrand wurde denn auch<br />

von den Gutachtern verkündet, auf welche sich erwähnte Bun<strong>des</strong>verwaltungsgerichtentscheide<br />

massgeblich stützen. Die Kantone, so sche<strong>in</strong>t es,<br />

sehen ebenfalls von Rodungen mehr und mehr ab. Dennoch hat das BLW<br />

am 17. Juni 2008 <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Pressemitteilung verkündet, dass es die von ihm<br />

verfolgte differenzierte <strong>Bekämpfung</strong>sstrategie nicht <strong>in</strong> Frage gestellt sieht.<br />

Die Expertengutachten hätten den epidemiologischen Überlegungen zur<br />

möglichen Ausbreitung <strong>des</strong> <strong>Feuerbrands</strong> auf regionaler Ebene e<strong>in</strong> zu ger<strong>in</strong>ges<br />

Gewicht beigemessen. Das Ziel, den Feuerbrand auf e<strong>in</strong>em möglichst<br />

tiefen Niveau zu halten, bleibe daher auch <strong>in</strong> <strong>der</strong> Befallszone bestehen.<br />

Im Zusammenhang mit dem E<strong>in</strong>satz von Antibiotika stellt sich nun auch die<br />

Frage, ob die Zulassung von Streptomyc<strong>in</strong> rechtmässig erfolgt ist. Die vom<br />

BLW angerufene gesetzliche Grundlage – Art. 31 PSMV – für die Zulassung<br />

ist gedacht zur <strong>Bekämpfung</strong> e<strong>in</strong>er unvorhergesehenen Gefahr, die mit an<strong>der</strong>en<br />

Mitteln nicht wirkungsvoll e<strong>in</strong>gedämmt o<strong>der</strong> bekämpft werden kann.<br />

Der Feuerbrand traf die <strong>Schweiz</strong> 2007 jedoch kaum unvorhergesehen, traten<br />

doch erste schwere Schäden schon 1995 auf. Auch ist Streptomyc<strong>in</strong><br />

zwar das wirkungsvollste, aber ke<strong>in</strong>eswegs das e<strong>in</strong>zig wirkungsvolle Mittel.<br />

Ausserdem wird auch mit Streptomyc<strong>in</strong> <strong>der</strong> Feuerbrand nicht ausgerottet<br />

werden können. Es ist also zweifelhaft, ob die Voraussetzungen für die Zulassung<br />

von Streptomyc<strong>in</strong> im Schnellverfahren gegeben waren.<br />

93


Rechtliche Aspekte <strong>der</strong> Feuerbrandbekämpfung<br />

Recht und Risiko<br />

Für Mensch und Umwelt bleibt e<strong>in</strong> Restrisiko ungeachtet <strong>des</strong>sen bestehen,<br />

ob nun <strong>der</strong> Feuerbrand mit Gentechnik o<strong>der</strong> mit Antibiotika bekämpft wird.<br />

Das Recht, <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e das Umweltschutzgesetz, ist aber ke<strong>in</strong> «Verh<strong>in</strong><strong>der</strong>ungsgesetz»<br />

(BGE 125 II 129, 132; BGE 116 Ib 159, 167). E<strong>in</strong>e Nullrisiko-Gesellschaft<br />

ist weltfremd und wird vom Umweltgesetzgeber nicht<br />

angestrebt (BGE 126 II 300, 311 f.). Wenn jegliches Risiko ausgeschlossen<br />

werden soll, würde dies letztendlich den Verzicht auf die <strong>in</strong> Frage stehende<br />

Technologie bedeuten.<br />

Das zu <strong>in</strong> Kauf nehmende Restrisiko wird jedoch nicht von <strong>der</strong> Wissenschaft<br />

bestimmt, son<strong>der</strong>n ist Ergebnis e<strong>in</strong>es politischen Prozesses, <strong>der</strong> sich<br />

wie<strong>der</strong>um <strong>in</strong> Rechtsnormen nie<strong>der</strong>schlägt. Aufgabe <strong>der</strong> Wissenschaft ist es,<br />

e<strong>in</strong>e für die Beurteilung <strong>des</strong> Restrisikos ausreichende Datenbasis zu liefern<br />

(Klaus Vallen<strong>der</strong>/Michael Waldner/Peter Hettich, Umweltrecht, 2. A., Bern<br />

2008 [im Ersche<strong>in</strong>en]).<br />

Dabei ist es Ausdruck <strong>des</strong> Vorsorgepr<strong>in</strong>zips, dass über mögliche Risiken<br />

nicht strenger wissenschaftlicher Beweis geführt werden muss. Der Umweltgesetzgeber<br />

nimmt für sich <strong>in</strong> Anspruch, unter Umständen auch Massnahmen<br />

zu treffen, die über das nach dem Stand <strong>der</strong> Wissenschaft und<br />

Forschung Notwendige h<strong>in</strong>ausgehen. Das Vorsorgepr<strong>in</strong>zip schafft e<strong>in</strong>e «Sicherheitsmarge,<br />

welche Unsicherheiten über die längerfristigen Wirkungen<br />

von Umweltbelastungen berücksichtigt» (BGE 124 II 219, 232). Je gesicherter<br />

allerd<strong>in</strong>gs die zugrunde liegenden wissenschaftlichen Erkenntnisse über<br />

das anzustrebende Schutzniveau, <strong>des</strong>to weniger s<strong>in</strong>d me<strong>in</strong>es Erachtens<br />

darüber h<strong>in</strong>ausgehende Massnahmen noch zumutbar. Der Vorsorgegrundsatz<br />

wird klar überdehnt, wenn es zur Elim<strong>in</strong>ation jeglichen Restrisikos angerufen<br />

wird. Genauso wie das Fehlen e<strong>in</strong>es absoluten wissenschaftlichen<br />

Schädlichkeitsbeweises nicht zur Unterlassung vernünftiger Schutzmassnahmen<br />

führen darf, kann das Fehlen <strong>des</strong> absoluten Unschädlichkeitsbeweises<br />

nicht die Beibehaltung solcher Schutzmassnahmen rechtfertigen.<br />

Aufgrund <strong>der</strong> gegenwärtigen Rechtslage fällt mittelfristig, bis zum Ablauf<br />

<strong>des</strong> Gentech-Mora toriums <strong>in</strong> <strong>der</strong> Landwirtschaft, die <strong>Bekämpfung</strong> <strong>des</strong> <strong>Feuerbrands</strong><br />

mit gentechnisch verän<strong>der</strong>ten Pflanzen ohneh<strong>in</strong> ausser Betracht.<br />

Dies selbst dann, wenn diese Methode sich als wissenschaftlich beste <strong>Bekämpfung</strong>smethode<br />

herauskristallisieren sollte. Unter den verbleibenden<br />

Möglichkeiten hat das BLW zu wählen. Soweit sich aufgrund neuer wissenschaftlicher<br />

Kenntnisse e<strong>in</strong>e Nachbesserung aufdrängt, hätte diese durch<br />

94


P. Hettich<br />

den Gesetzgeber zu erfolgen. Die von <strong>der</strong> Wissenschaft erarbeiteten Erkenntnisse<br />

bilden daher den Ausgangspunkt, nicht den Endpunkt, bei <strong>der</strong><br />

Erarbeitung e<strong>in</strong>es <strong>Bekämpfung</strong>skonzepts.<br />

95


Rechtliche Aspekte <strong>der</strong> Feuerbrandbekämpfung<br />

1 Der Autor ist Inhaber <strong>des</strong> Lehrstuhls für Öffentliches Wirtschaftsrecht mit Berücksich-<br />

tigung <strong>des</strong> Bau-, Planungs-, und Umweltrechts an <strong>der</strong> Universität St. Gallen. Frau Delia<br />

Bosshard, B.A. HSG <strong>in</strong> Law and Economics, sei herzlich gedankt für ihre wertvolle Mitar-<br />

beit bei <strong>der</strong> Erstellung dieses Beitrags.<br />

96


Kann die Kommunikation helfen, das Ansehensdefizit<br />

von GVO <strong>in</strong> <strong>der</strong> Öffentlichkeit zu reduzieren?<br />

Zusammenfassung <strong>der</strong> Paneldiskussion von Dr. Alessandro Maranta<br />

Mo<strong>der</strong>ator: Wor<strong>in</strong> besteht <strong>der</strong> politisch-kulturelle Unterschied zwischen den<br />

USA und Europa? Gentechnisch verän<strong>der</strong>te Pflanzen s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> den USA ke<strong>in</strong><br />

Problem, während sie <strong>in</strong> Europa auf wenig Akzeptanz stossen.<br />

W<strong>in</strong>gert: Rumänien hat beim EU-Beitritt GVO vom Markt genommen. In<br />

Europa s<strong>in</strong>d wissenschaftliche Erkenntnisse <strong>in</strong> <strong>der</strong> Bevölkerung verbreiteter.<br />

In den USA s<strong>in</strong>d dagegen Extremisten, wie etwa Kreationisten, verbreitet.<br />

In Europa hat man schlechte Erfahrungen gemacht mit Versprechen <strong>der</strong><br />

Wissenschaft auf e<strong>in</strong>e bessere Welt.<br />

Mo<strong>der</strong>ator: Die Mondfahrt <strong>der</strong> USA war Symbol für die Forschung und Innovation.<br />

Es war e<strong>in</strong>e Demonstration <strong>der</strong> Wissenschaft.<br />

W<strong>in</strong>gert: Das Interesse <strong>der</strong> US-Bevölkerung an den Wissenschaften ist<br />

ger<strong>in</strong>g, sofern es nicht um Heldenepen geht. Die Botschaften <strong>der</strong> Wissenschaften<br />

erreichen die breite Bevölkerung nicht. Harrisburg war e<strong>in</strong> Ausnahmefall<br />

e<strong>in</strong>es technologischen Unfalls.<br />

Hampe: Es geht hier auch um e<strong>in</strong>e Geschichte <strong>der</strong> Wörter: «Gen» o<strong>der</strong><br />

«Atom». Diese s<strong>in</strong>d negativ belegt durch die Gefahr <strong>der</strong> Atombombe o<strong>der</strong><br />

das Bedürfnis nach gentechnik-freier Nahrung. Hier geht es um Emotionen<br />

und Mythen sowie um e<strong>in</strong> tiefsitzen<strong>des</strong> Misstrauen, das etwa durch die Bedeutung<br />

<strong>der</strong> Humangenetik im NS-Regime geschürt wird. Die Erkenntnisse<br />

<strong>der</strong> Wissenschaft mit <strong>der</strong> Öffentlichkeit zu diskutieren ist schwierig. Market<strong>in</strong>gmechanismen<br />

funktionieren da schneller.<br />

Mo<strong>der</strong>ator: Der Begriff «Atom» war zunächst positiv besetzt. So wie gegenwärtig<br />

«Nano» noch positive Assoziationen weckt.<br />

Hampe: Nach den Atombombenabwürfen von Hiroshima und Nagasaki traten<br />

die Gefahren und <strong>der</strong> Schrecken <strong>in</strong>s Bewusstse<strong>in</strong> <strong>der</strong> Bevölkerung. Der<br />

Begriff «Atom» ist seither negativ besetzt. Dagegen wird von «Bio» <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em<br />

durchwegs positiven S<strong>in</strong>n gesprochen, während Chemie – zum<strong>in</strong><strong>des</strong>t<br />

<strong>in</strong> Europa und an<strong>der</strong>s als <strong>in</strong> den USA – auf Ablehnung trifft. Zu bedenken ist,<br />

dass e<strong>in</strong> Gesetz nicht e<strong>in</strong>fach nur die Bedenken <strong>der</strong> Öffentlichkeit abbilden<br />

97


Zusammenfassung <strong>der</strong> Paneldiskussion<br />

sollte, son<strong>der</strong>n die Spannungen zwischen diesen und dem Expertenwissen<br />

auffangen sollte.<br />

Mo<strong>der</strong>ator: Der E<strong>in</strong>satz von Streptomyc<strong>in</strong> hat zu politisch geführten Ause<strong>in</strong>an<strong>der</strong>setzungen<br />

geführt. Wäre etwas Ähnliches bei cisgenen Äpfeln zu<br />

erwarten?<br />

<strong>Schweiz</strong>er: Das betrifft e<strong>in</strong>erseits seuchenpolizeiliche Vorschriften. Die<br />

<strong>Bekämpfung</strong> <strong>des</strong> <strong>Feuerbrands</strong> fällt unter diese Vorschriften. An<strong>der</strong>erseits<br />

wären cisgene Äpfel aufgrund <strong>der</strong> verwendeten Methode <strong>der</strong> Gentechnologie<br />

zuzuordnen und würden unter das Gentechnikrecht fallen. Allerd<strong>in</strong>gs<br />

unterscheiden sich diese Produkte von transgenen Pflanzen wie etwa dem<br />

Bt-Mais.<br />

Hettich: Das Gentechnikgesetz hat die rechtliche Grundlage zur Anwendung<br />

dieser Technologie geschaffen und damit die politische Akzeptanz<br />

signalisiert. Die Verantwortlichkeiten etwa im Bewilligungsverfahren s<strong>in</strong>d<br />

aber zu differenziert. Das Gentechnikrecht sieht zu viele Entscheidungsträger<br />

vor.<br />

Walter: Als Politiker muss ich dagegen e<strong>in</strong>wenden, dass das BAFU bzw.<br />

<strong>der</strong> Bund die Verantwortung trägt<br />

Mo<strong>der</strong>ator: Es herrscht offenbar grosse Angst vor den Unsicherheiten.<br />

Braucht es e<strong>in</strong>e bessere Informationspolitik?<br />

W<strong>in</strong>gert: In e<strong>in</strong>er Demokratie kann es grundsätzlich nicht genug verfügbare<br />

Informationen geben. Aber es gilt auch, Prioritäten zu setzen. Zudem geht<br />

es bei <strong>der</strong> Informationspolitik nicht um PR-Kampagnen.<br />

Mo<strong>der</strong>ator: Lutz W<strong>in</strong>gert hat als Risiko-Kriterium verlangt, dass die hypothetische<br />

Bereitschaft vorhanden se<strong>in</strong> müsse, selbst die Versicherung gegen<br />

allfälligen Schaden zu übernehmen. Besteht aber nicht gerade grosse<br />

Unsicherheit bezüglich <strong>der</strong> Schäden, die von gentechnisch verän<strong>der</strong>ten<br />

Pflanzen ausgehen können?<br />

W<strong>in</strong>gert: Ja. Das ist <strong>in</strong> <strong>der</strong> Tat so. Es ist ähnlich wie bei Krankheiten. Es<br />

braucht den gefor<strong>der</strong>ten Perspektivenwechsel: Wäre ich bereit, me<strong>in</strong> Tun zu<br />

versichern? Auch auf <strong>der</strong> Ebene <strong>der</strong> möglichen Schäden: Was bedeutet <strong>der</strong><br />

mögliche Schaden für die an<strong>der</strong>en Beteiligten, und gestützt auf welches Wissen<br />

wird so e<strong>in</strong> Schaden angenommen und auch beherrschbar gemacht?<br />

98


A. Maranta<br />

Mo<strong>der</strong>ator: Die Schäden, die gentechnisch verän<strong>der</strong>ten Pflanzen zugeschrieben<br />

werden, ersche<strong>in</strong>en unverhältnismässig übertrieben – man denke<br />

etwa an den Monarchfalter. Wie verhält sich hier die Schadenswahrnehmung<br />

zur traditionellen Landwirtschaft?<br />

<strong>Schweiz</strong>er: Ausserhalb <strong>der</strong> Gentechnologie ist das Prüfungsraster nur grob.<br />

Es kann nun nicht se<strong>in</strong>, dass <strong>des</strong>halb im Gentechnikrecht wie<strong>der</strong> e<strong>in</strong> Rückschritt<br />

erfolgt. Aber es müssten auch an<strong>der</strong>e Gefahrenpotentiale beachtet<br />

und verglichen werden – beispielsweise bezüglich <strong>der</strong> cisgenen Äpfel o<strong>der</strong><br />

fäulnisresistenten Kartoffeln im Vergleich zu traditionellen Methoden <strong>der</strong><br />

Schädl<strong>in</strong>gsbekämpfung. Bei Nie<strong>der</strong>stammkulturen spielen wie<strong>der</strong>um ökonomische<br />

Überlegungen e<strong>in</strong>e Rolle.<br />

Mo<strong>der</strong>ator: Wurde das Vorsorgepr<strong>in</strong>zip beim E<strong>in</strong>satz von Streptomyc<strong>in</strong><br />

nicht angewendet?<br />

Hettich: Die Ausgangslage ist schwierig, da die Wirkungen nicht vollständig<br />

bekannt s<strong>in</strong>d. Die Risiken s<strong>in</strong>d daher nicht vollumfänglich abschätzbar.<br />

Mo<strong>der</strong>ator: Besteht da nicht e<strong>in</strong> Unterschied bei <strong>der</strong> Beweislast? Beim E<strong>in</strong>satz<br />

von Streptomyc<strong>in</strong> müsste nachgewiesen werden, dass dieser zu Schäden<br />

führt, während bei gentechnisch verän<strong>der</strong>ten Pflanzen nachgewiesen<br />

werden soll, dass diese ke<strong>in</strong>e Gefahren mit sich br<strong>in</strong>gen.<br />

Rösler: Das Vorsorgepr<strong>in</strong>zip ist e<strong>in</strong> tragen<strong>des</strong> Pr<strong>in</strong>zip <strong>des</strong> Umweltschutzes.<br />

Mögliche Schäden für die Gesundheit und die Umwelt sollen frühzeitig berücksichtigt<br />

werden. Bei e<strong>in</strong>er strikten Anwendung wäre die Anwendung <strong>der</strong><br />

Gentechnologie abzulehnen, während <strong>der</strong> E<strong>in</strong>satz von Streptomyc<strong>in</strong> weniger<br />

problematisch ist, weil dieses abgebaut wird.<br />

Mo<strong>der</strong>ator: Warum wird e<strong>in</strong>e Technologie <strong>in</strong> <strong>der</strong> Bevölkerung abgelehnt?<br />

Geht es dabei um die Technologie selbst – o<strong>der</strong> nicht vielmehr um die Monopole?<br />

Man denke etwa an Monsanto. Werden nicht solche technologische<br />

und soziale Monopole als e<strong>in</strong>e Bedrohung wahrgenommen?<br />

E<strong>in</strong>sele (Internutrition): Falsche Behauptungen wie etwa die, Monsanto besprühe<br />

die Fel<strong>der</strong>, bleiben im Raum stehen. Das Vorsorgepr<strong>in</strong>zip führt <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e<br />

Sackgasse: Wie soll bewiesen werden, dass unter ke<strong>in</strong>erlei Umständen e<strong>in</strong><br />

Schaden auftreten kann?! Dieser Anspruch besteht <strong>in</strong> den USA nicht. Dort<br />

besteht mehr Handlungsspielraum. Es bestehen berechtigte Zweifel, ob e<strong>in</strong><br />

strengeres Gentechnikrecht zu e<strong>in</strong>er verbesserten Akzeptanz beiträgt.<br />

99


Zusammenfassung <strong>der</strong> Paneldiskussion<br />

Hampe: Das Vorsorgepr<strong>in</strong>zip ist durchaus e<strong>in</strong> nobles Pr<strong>in</strong>zip. Aber es än<strong>der</strong>t<br />

nichts an unserer beschränkten Prognosefähigkeit. Das kausale Wissen ist<br />

e<strong>in</strong>geschränkt. Entscheiden bedeutet auch, dass die Macht genutzt wird,<br />

die Berücksichtigung <strong>der</strong> weiteren möglichen kausalen Ketten abzubrechen.<br />

Die Forschung muss über bei<strong>des</strong> nachdenken. Handeln ohne Wissen<br />

gemahnt zur Vorsicht. Dies ist e<strong>in</strong> Ausdruck von Angst. Das Vorsorgepr<strong>in</strong>zip<br />

ist aber etwas An<strong>der</strong>es.<br />

W<strong>in</strong>gert: Das Vorsorgepr<strong>in</strong>zip sollte zum Vergleich <strong>der</strong> Alternativen anhalten.<br />

Es geht nicht darum, das Handeln zu blockieren.<br />

E<strong>in</strong>sele: Erfahrungen und wissenschaftliche Erkenntnisse mit Bt-Mais werden<br />

nunmehr seit 15 bis 20 Jahren gesammelt. Es hat sich viel Wissen<br />

angehäuft, das aber nicht zur Kenntnis genommen wird.<br />

<strong>Schweiz</strong>er: Die Regulation <strong>der</strong> Gentechnik <strong>in</strong> <strong>der</strong> EU ist s<strong>in</strong>nvoll ausgestaltet.<br />

Aber die Medien <strong>in</strong>formieren eher negativ über diese Technologie, weil<br />

die Landwirtschaft <strong>in</strong> den USA als negatives Beispiel herangezogen wird.<br />

Der Fall <strong>des</strong> Feuerbran<strong>des</strong> ist hier spannend, weil es sich um e<strong>in</strong>e nicht<br />

bekämpfbare Seuche handelt. Das er<strong>in</strong>nert an den Kampf gegen die Tuberkulose.<br />

Alle Technologien sollten hier e<strong>in</strong>gesetzt werden.<br />

Mo<strong>der</strong>ator: Woh<strong>in</strong> steuert die Forschung?<br />

Hampe: In e<strong>in</strong>er Demokratie ist die Forschung <strong>der</strong> Öffentlichkeit gegenüber<br />

verpflichtet. Sie wird schliesslich auch mit Steuergel<strong>der</strong>n f<strong>in</strong>anziert. Es sollte<br />

ke<strong>in</strong>e PR-Masch<strong>in</strong>erie angeworfen werden, son<strong>der</strong>n die Forschung sollte<br />

reflektiert werden.<br />

Mo<strong>der</strong>ator: In Giessen und Nürt<strong>in</strong>gen wurde die Feldforschung im Bereich<br />

<strong>der</strong> grünen Gentechnologie aufgegeben.<br />

<strong>Schweiz</strong>er: Das Verhältnis zwischen Politik und Forschung ist hier das zentrale<br />

Problem. Die F<strong>in</strong>anzierung <strong>des</strong> Bun<strong>des</strong> war bisher mutig, aber <strong>in</strong> kritischen<br />

Momenten müsste die Politik h<strong>in</strong>ter <strong>der</strong> Forschung stehen. So wurde<br />

beispielsweise das SESAM-Projekt vom SNF im Regen stehen gelassen.<br />

Weitere Beispiele s<strong>in</strong>d die Versuche <strong>in</strong> Reckenholz o<strong>der</strong> die Arbeiten an<br />

<strong>der</strong> Gesetzgebung zur Forschung am Menschen. Die Verantwortung für die<br />

Freiheit <strong>der</strong> Forschung wird nicht wahrgenommen.<br />

Mo<strong>der</strong>ator: Wie beurteilen Sie vor diesem H<strong>in</strong>tergrund das NFP59?<br />

100


Walter: Die Bauern haben Fragen, die von diesem Programm beantwortet<br />

werden sollen. Ich erwarte e<strong>in</strong> klares Auftreten gegen die Zerstörung von<br />

Versuchsfel<strong>der</strong>n.<br />

<strong>Schweiz</strong>er: Die Politik muss jetzt auch die Forschenden schützen.<br />

A. Maranta<br />

Walter: Das Moratorium erlaubt ausdrücklich die Forschung. Die Verwüstungen<br />

s<strong>in</strong>d zu verurteilen. Die Forschenden sollten sich nicht mit <strong>der</strong> Kommunikation<br />

befassen. Aber <strong>in</strong> <strong>der</strong> Begleitgruppe wurden ke<strong>in</strong>e Kritiker aufgenommen.<br />

Sautter: (ETHZ): Gerade die Forschenden müssen kommunizieren. Die<br />

Begleitgruppe wurde nicht von den Forschenden zusammengestellt.<br />

101


Die Fachtagung wurde ermöglicht durch die Unterstützung folgen<strong>der</strong><br />

Organisationen:

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