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gelernt hatte, obwohl ich damals noch nicht
so gut war. Drei Jahre lang trafen wir uns
nachmittags im Teehaus und plauderten.
Er sagte mir damals, dass das WingTsun-Training
seiner Meinung nach nicht nur aus dem
Erlernen der Techniken und Formen bestand.
Manchmal, meinte er, kommt es vielmehr
darauf an, wie gut man die Kampfprinzipien
verinnerlicht hat, nicht wie viele Techniken
und Formen man beherrscht. WingTsun ist
flexibel. Hat man viel trainiert und hohe technische
Fähigkeiten und Reaktionen erworben,
braucht man diese ganzen Sequenzen in den
Formen nicht so sehr.
Alle Techniken gelernt zu haben bedeutet deswegen,
dass man nur die ersten vier Stufen des
ersten Stadiums absolviert hat. Dann sollte
man die Kampfprinzipien und die Kampfmottos
im Chi-Sao-Training verwirklichen. Es
sind vor allem die Mottos, die ein besseres
Verständnis geben und Fehler korrigieren. Das
sind die weiteren vier Stufen im zweiten oder
mittleren Stadium.
Im letzten Stadium haben wir tatsächlich
nur zwei Stufen: die 9. und die 10. Wenn ein
WT-ler seit vielen Jahren trainiert und unterrichtet
hat, gehen wir davon aus, dass
er die Mottos vollkommen oder jedenfalls
weitgehend verinnerlicht hat. Dass er nicht
»Es kommt darauf an,
wie gut man die Kampfprinzipien
verinnerlicht
hat, nicht wie viele Techniken
und Formen man
beherrscht.«
mehr nur auswendig lernt, sondern die
Anwendungen analysieren kann. Tatsächlich
beinhalten die Mottos eine tiefgründige Logik,
die man nicht nur im Kampf, sondern
auch als Lebensphilosophie zum Überleben
anwenden kann.
Wie kamst Du auf die Idee, die Jacke so
zu schnüren? Und auf den „Schwalbenschwanz“?
Und dann die „Randstreifen“?
Da ich meine besondere Ausbilderuniform
bereits hatte, wusste ich bald, wie man sie am
besten trägt. Schließlich bin ich ja Designer.
Es ist ganz einfach: Man führt die beiden
Schnüre um den „Schmetterling“ und bindet
sie zusammen. Den „Schwalbenschwanz“ in
Deiner Frage haben wir früher „Schmetterling“
genannt – ein Schwalbenschwanz ist hinten,
aber ein Schmetterling kann vor dem Körper
sein.
Da ich nun das Graduierungssystem entworfen
hatte, musste ich Unterscheidungsmerkmale
für Außenstehende und Zuschauer einbauen
und kam auf das „Streifensystem“.
Für den ersten Technikergrad hatten wir keine
Streifen an den Rändern der Uniform.
Für die 2. bis 4. Stufe haben wir einen 1,25 cm
breiten, purpurroten Streifen mit einem 1,25
cm breiten, schwarzen Rand. Das sind die
Technikergrade. Für die 5. bis 8. Stufe haben
wir einen 2,5 cm breiten, purpurroten Streifen
an den Rändern der Uniform. Das sind
die Praktikergrade. Für die 9. und 10. Stufe
haben wir einen 2,5 cm breiten, gelben Streifen
an den Rändern der Uniform. Das sind
die beiden höchsten Graduierungen.
Für die 11. und 12. Stufe gibt es keine Uniform.
Die 11. Stufe ist für den 10. Grad, der
sich vom Unterricht zurückgezogen hat, und
der 12. Grad wird dem höchstgraduierten
Großmeister nach seinem Tode „verliehen“.
Könntest Du erklären, wie Deine Uniform
sich über die Jahre entwickelt hat?
Ich hoffe, dass alle meine Schüler die von
mir gestalteten traditionellen Techniker- und
Praktikeranzüge nicht verändern. (Anm. d.
Red.: Die EWTO wird diese Klassiker nicht
antasten.) Es enttäuscht mich, dass die Leute
immerzu ihre eigenen komischen Ideen entwerfen,
um sämtliche Systeme des WingTsun
zu verändern. Tatsächlich bringt dies wahre
Anhänger des WingTsun in große Verwirrung.
Hast Du jemals erlebt, dass japanische
Karatekas komische Veränderungen an ihren
Uniformen vornehmen? Sie behalten alles bei,
um Leuten ein strukturiertes und bewusstes
Ziel zu zeigen. Wenn sie also jemanden sehen,
der eine solche Uniform trägt, wissen sie sofort,
dass es Karate ist.
WingTsun-WELT 1