29.12.2012 Aufrufe

Klinisch-psychologische Interventionen mit Mobilmedien Ein neues ...

Klinisch-psychologische Interventionen mit Mobilmedien Ein neues ...

Klinisch-psychologische Interventionen mit Mobilmedien Ein neues ...

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

Psychotherapeut 2007 · 52:127–135<br />

DOI 10.1007/s00278-006-0523-9<br />

Online publiziert: 12. Dezember 2006<br />

© Springer Medizin Verlag 2006<br />

Redaktion<br />

M. Cierpka, Heidelberg<br />

M. Stasch, Heidelberg<br />

P. Laszig, Heidelberg<br />

Das Internet hat sich zur Unterstützung<br />

und Begleitung psychosozialer<br />

und psychotherapeutischer Maßnahmen<br />

– oft unter Schlagworten<br />

wie Onlinetherapie oder E-Therapy –<br />

in zahlreichen Projekten als erfolgreich<br />

und nützlich erwiesen (für einen<br />

Überblick Ott u. Eichenberg 2003).<br />

Vor diesem Hintergrund ist es nahe<br />

liegend zu prüfen, inwiefern <strong>Mobilmedien</strong><br />

im Rahmen einer M-Therapy<br />

(„mobile therapy“) ebenfalls sinnvoll<br />

einsetzbar sind, insbesondere weil<br />

die Zahl der Handynutzer in Deutschland<br />

und international <strong>mit</strong>tlerweile<br />

die Zahl der Computer- und Internetnutzer<br />

um ein Vielfaches übersteigt.<br />

Von den Jugendlichen und jungen Erwachsenen<br />

sind in Deutschland <strong>mit</strong>tlerweile<br />

über 90% per Handy erreichbar.<br />

Mobilkommunikation ist ein Sammelbegriff<br />

für die Kommunikation über portable,<br />

drahtlos vernetzte Informations-<br />

und Kommunikationsgeräte. Neben dem<br />

Mobiltelefon gehören zu den <strong>Mobilmedien</strong><br />

auch mobile Spielkonsolen, Handhelds<br />

und Notebooks. Mit diesen Endgeräten<br />

lässt sich eine Vielzahl von mobilen<br />

Diensten und Anwendungen im Alltag<br />

nutzen. So wird das internetgestützte „E-<br />

Learning“ durch Mobilkommunikation<br />

zum „M-Learning“ („mobile learning“),<br />

das gerade in der klinischen Ausbildung<br />

Neue Medien in der Psychotherapie<br />

Nicola Döring 1 · Christiane Eichenberg 2<br />

1 Institut für Medien- und Kommunikationswissenschaft,<br />

Technische Universität Ilmenau, Ilmenau<br />

2 Institut für <strong>Klinisch</strong>e Psychologie und Psychotherapie, Universität, Köln<br />

<strong>Klinisch</strong>-<strong>psychologische</strong><br />

<strong>Interventionen</strong> <strong>mit</strong><br />

<strong>Mobilmedien</strong><br />

<strong>Ein</strong> <strong>neues</strong> Praxis- und Forschungsfeld<br />

oft erprobt und eingesetzt wird: Denn ein<br />

Taschencomputer als mobiles Lernmedium<br />

kann flexibel direkt am Krankenbett<br />

genutzt werden, etwa um Notizen<br />

zu erstellen oder Datenbanken abzurufen<br />

(Johnston et al. 2004). Ebenso ergänzen<br />

„mobile banking“ oder „mobile shopping“<br />

über Handy das herkömmliche Onlinebanking<br />

und Onlineshopping am stationären<br />

Computer.<br />

Ziel des vorliegenden Beitrages ist es,<br />

Potenziale und Grenzen einer mobilmedienbasierten<br />

„M-Therapy“ – als Ergänzung<br />

und Erweiterung der internetbasierten<br />

„E-Therapy“ sowie der herkömmlichen<br />

„Face-to-face-Therapie“ – zu erkunden,<br />

insbesondere weil die Zahl der Handynutzer<br />

in Deutschland und international<br />

<strong>mit</strong>tlerweile die Zahl der Computer- und<br />

Internetnutzer um ein Vielfaches übersteigt<br />

(. Tab. 1). Im Folgenden geht es<br />

nicht nur um Psychotherapie im engeren<br />

Sinne, sondern um das gesamte Spektrum<br />

klinisch-<strong>psychologische</strong>r Intervention.<br />

Ebenso wie Onlinemedien haben auch<br />

<strong>Mobilmedien</strong> potenziell sowohl salutogene<br />

als auch pathogene Potenziale: <strong>Mobilmedien</strong><br />

können nicht nur sozialverträglich,<br />

psychologisch unterstützend und heilend<br />

wirken, sondern – je nach Nutzungsweise<br />

und Nutzungskontext – auch vorhandene<br />

Störungen verstärken oder neue<br />

Störungen entstehen lassen (zu <strong>psychologische</strong>n<br />

Aspekten der Mobilkommunikation<br />

s. zusammenfassend Döring 2005).<br />

Beispielsweise mag sich eine – in Face-toface-Situationen<br />

noch kontrollierte – Tendenz<br />

zu antisozialem Verhalten in hochfrequenter<br />

Belästigung per Handyanruf<br />

oder Handykurz<strong>mit</strong>teilung ausdrücken;<br />

denn das Mobilmedium ist ständig bei<br />

der Hand und auch anonym nutzbar; dies<br />

setzt Hemmschwellen herab (Handystalking;<br />

Eytan u. Borras 2005). Auch eine<br />

zwanghafte oder suchtähnliche Vielnutzung<br />

(Handyabhängigkeit; Park 2005) sowie<br />

ein Zusammenhang zwischen intensiver<br />

Handynutzung und gesundheitsbeeinträchtigenden<br />

Verhaltensweisen, wie<br />

z. B. Rauchen und Alkoholkonsum (Leena<br />

et al. 2005), werden berichtet. Für die<br />

klinisch-<strong>psychologische</strong> Praxis ist es von<br />

Bedeutung, möglicherweise schädliche<br />

<strong>Mobilmedien</strong>nutzung zu erkennen und<br />

entsprechend zu behandeln. Will man pathologische<br />

Phänomene im Zusammenhang<br />

<strong>mit</strong> dem Handy umfassend betrachten,<br />

so sind beispielsweise Wahnvorstellungen<br />

im Zusammenhang <strong>mit</strong> dem Handy<br />

(z. B. Stimmenhören über Funkwellen)<br />

zu beachten. Sicherlich ist es sinnvoll, solche<br />

medienspezifischen Störungsmanifestationen<br />

in die Diagnose und die Therapie<br />

einzubeziehen, ohne jedoch die Problemursache<br />

per se im Medium zu suchen.<br />

Forschungsbedarf besteht außerdem hinsichtlich<br />

subjektiver Beschwerden durch<br />

„Elektrosmog“ bzw. „Handystrahlung“<br />

(z. B. Übelkeit, Kopfschmerz), die unter<br />

dem Störungsbild der Elektrohypersen-<br />

Psychotherapeut 2 · 2007 |<br />

127


Zusammenfassung · Abstract<br />

Psychotherapeut 2007 · 52:127–135 DOI 10.1007/s00278-006-0523-9<br />

© Springer Medizin Verlag 2006<br />

Nicola Döring · Christiane Eichenberg<br />

<strong>Klinisch</strong>-<strong>psychologische</strong> <strong>Interventionen</strong> <strong>mit</strong> <strong>Mobilmedien</strong>.<br />

<strong>Ein</strong> <strong>neues</strong> Praxis- und Forschungsfeld<br />

Zusammenfassung<br />

Mitte der 1990er-Jahre wurde das Internet<br />

populär; seine Integration in psychosoziale<br />

Versorgungsstrukturen hat sich inzwischen<br />

etabliert. In den frühen 2000er-Jahren<br />

folgte der Boom der Mobilkommunikation:<br />

Das Handy entwickelte sich binnen kürzester<br />

Zeit als persönliches Mehrzweckmedium.<br />

Vor diesem Hintergrund ist es nahe liegend<br />

zu prüfen, inwiefern neben dem Internet<br />

auch <strong>Mobilmedien</strong> die klinische Praxis<br />

sinnvoll unterstützen können. Der Beitrag<br />

gibt einen Überblick über den aktuellen<br />

Forschungs- und Entwicklungsstand zu klinisch-<strong>psychologische</strong>n<br />

<strong>Interventionen</strong> <strong>mit</strong><br />

computertechnischen <strong>Mobilmedien</strong> („mobile<br />

therapy“, kurz: M-Therapy). Im Unterschied<br />

zum stationären Internetrechner, dessen Nutzung<br />

an bestimmte Orte gebunden ist, kön-<br />

Clinical-psychological interventions with mobile<br />

media. A new field of practice and research<br />

Abstract<br />

The internet gained popularity in the midnineties;<br />

its integration into psycho-social<br />

health care structures has been established<br />

in the meantime. The mobile communication<br />

boom followed in the early years of the second<br />

millennium. Within a very short time, the<br />

cellular phone has become a personal multipurpose<br />

tool. Against this background it<br />

seems obvious to investigate to what extent<br />

mobile media, beside the internet, can meaningfully<br />

support clinical practice. This article<br />

gives an overview of the current research<br />

and development status of clinical-psychological<br />

intervention with the aid of computer-based<br />

mobile media (Mobile Therapy, abbr.<br />

M-Therapy). Contrary to a desktop with internet<br />

access, where its use is li<strong>mit</strong>ed to cer-<br />

128 | Psychotherapeut 2 · 2007<br />

nen über drahtlos vernetzte <strong>Mobilmedien</strong> jederzeit<br />

und überall instantan klinisch relevante<br />

Daten erfasst, Trainingseinheiten absolviert<br />

oder Therapeutenkontakte organisiert<br />

werden. Pilotprojekte und erste Evaluationsstudien<br />

zeigen, dass z. B. Handys, Spielkonsolen<br />

und Handhelds für <strong>psychologische</strong> Diagnostik,<br />

Beratung, Rehabilitation und Therapieunterstützung<br />

produktiv sind: Sie stoßen<br />

auf gute Akzeptanz und steigern die Therapieeffizienz.<br />

Die medienspezifischen Chancen<br />

und Grenzen der M-Therapy werden diskutiert<br />

und Implikationen für die klinische Praxis<br />

herausgestellt.<br />

Schlüsselwörter<br />

<strong>Mobilmedien</strong> · Diagnostik · Beratung · Therapie<br />

tain areas, wireless mobile media have the<br />

ability to instantly collect clinically relevant<br />

data, complete training units or organize<br />

contacts to therapists. Pilot projects and first<br />

evaluation studies show that, for example,<br />

cellular phones, game consoles and handhelds<br />

are productive in psychological diagnostics,<br />

counseling, rehabilitation and therapeutic<br />

support. They are widely accepted and<br />

increase the effectiveness of therapy. We will<br />

discuss the media-specific opportunities and<br />

li<strong>mit</strong>ations of M-Therapy as well as its implications<br />

for clinical practice.<br />

Keywords<br />

Mobile media · Diagnostics · Counseling ·<br />

Therapy<br />

Tab. 1 Ausstattungsgrad von je 100<br />

privaten Haushalten in Deutschland<br />

<strong>mit</strong> ausgewählter Informations- und<br />

Kommunikationstechnik (Statistisches<br />

Bundesamt 2003)<br />

Ausstattung der<br />

Haushalte<br />

1998 2003 Differenz<br />

Computer 39 61 +22<br />

Internet 08 42 +34<br />

Festnetztelefon 97 95 −02<br />

Mobiltelefon 11 72 +61<br />

sitivität zusammengefasst werden (Henningsen<br />

u. Priebe 2003).<br />

Im Folgenden wird nach einigen generellen<br />

Bemerkungen zum klinisch-<strong>psychologische</strong>n<br />

<strong>Ein</strong>satz von <strong>Mobilmedien</strong><br />

eine Reihe von Pilotprojekten beschrieben<br />

und zwar für die Endgeräte Handy,<br />

mobile Spielkonsole, Handheld und Notebook.<br />

Zu den Pilotprojekten liegen erste<br />

Evaluationsdaten vor; hierbei handelt es<br />

sich allerdings oft um <strong>Ein</strong>zelfallstudien<br />

ohne Kontrollgruppen. Der Beitrag endet<br />

<strong>mit</strong> einer Zusammenfassung medienspezifischer<br />

Chancen und Risiken sowie<br />

einem Ausblick auf die Relevanz der M-<br />

Therapy für die klinische Praxis.<br />

<strong>Klinisch</strong>-<strong>psychologische</strong>r<br />

<strong>Ein</strong>satz von <strong>Mobilmedien</strong><br />

Unter „klinisch-<strong>psychologische</strong>r Intervention“<br />

werden sämtliche Formen professioneller<br />

<strong>psychologische</strong>r Unterstützung bei<br />

der Bewältigung vorwiegend psychischer,<br />

aber auch sozialer und körperlicher Beeinträchtigungen<br />

und Störungen zusammengefasst.<br />

<strong>Klinisch</strong>-<strong>psychologische</strong> Intervention<br />

umfasst also nicht nur Psychotherapie<br />

im engeren Sinne, sondern auch<br />

<strong>psychologische</strong> Beratung, Krisenintervention,<br />

Selbsterfahrung und Trainings,<br />

Selbsthilfe, Etablierung sozialer Unterstützungssysteme<br />

u.v.m. Gegenstand der<br />

Behandlung sind dabei eben auch körperliche<br />

Beeinträchtigungen, sodass sich<br />

Überschneidungen <strong>mit</strong> der Gesundheitspsychologie<br />

ergeben. Die <strong>Ein</strong>satzmöglichkeiten<br />

von <strong>Mobilmedien</strong> in diesem Bereich<br />

sind breit gefächert und dabei <strong>mit</strong><br />

medienspezifischen Chancen – aber auch<br />

gewissen Risiken – verbunden.<br />

Tätigkeiten in der klinisch-<strong>psychologische</strong>n<br />

Praxis lassen sich grob in ei-


nen zeitlichen Dreischritt einteilen; in der<br />

Praxis überlappen sich diese Phasen allerdings<br />

oft:<br />

1. Diagnostik (welches Problem liegt<br />

vor, und welche Maßnahmen sind geeignet?),<br />

2. Intervention im engeren Sinne<br />

(Durchführung von Maßnahmen zur<br />

Prävention, Beratung/Krisenintervention,<br />

Selbsthilfe, Psychotherapie sowie Rehabilitation)<br />

und<br />

3. Evaluation (Erfolgsbewertung von<br />

Maßnahmen).<br />

<strong>Mobilmedien</strong> sind bislang in allen genannten<br />

Handlungsfeldern eingesetzt<br />

worden, wie die Infobox anhand exemplarischer<br />

Beispiele aus der Fachliteratur<br />

nachweist.<br />

Handy<br />

Das Mobiltelefon ist das <strong>mit</strong> Abstand populärste<br />

Mobilmedium: Es wird von der<br />

Bevölkerungsmehrheit genutzt und ist<br />

insbesondere bei Kindern sowie Jugendlichen<br />

sehr beliebt. Als persönliches Medium<br />

ist es im Alltag ständig verfügbar und<br />

niederschwellig einsetzbar. Der klinisch<strong>psychologische</strong><br />

<strong>Ein</strong>satz des Mobiltelefons<br />

konzentriert sich bislang auf den Bereich<br />

der Diagnose sowie auf Beratung und<br />

Therapie <strong>mit</strong>hilfe der Handykurz<strong>mit</strong>teilungen<br />

(„short messaging service“, SMS)<br />

und Mobiltelefonie.<br />

Handydiagnose<br />

Der diagnostische <strong>Ein</strong>satz des Handys<br />

kann die Erhebung subjektiver Selbstauskünfte<br />

umfassen (z. B. über ein digitales<br />

Tagebuch oder eine Kurz<strong>mit</strong>teilungsabfrage),<br />

aber auch objektive psychophysiologische<br />

Messungen beinhalten. Das „vitaphone“<br />

(http://www.vitaphone.de) ist ein<br />

Handy, das <strong>mit</strong>hilfe der Elektroden im Gehäuse<br />

die Herzfrequenz misst, wenn man<br />

es an die Brust hält. Bei kritischen Elektrokardiographie-<br />

(EKG-)Werten löst es<br />

automatisch einen Notruf aus und über<strong>mit</strong>telt<br />

gleichzeitig den aktuellen Aufenthaltsort.<br />

Dieser – zunächst auf den medizinischen<br />

Bereich zugeschnittene – Dienst<br />

könnte möglicherweise im Zusammenhang<br />

<strong>mit</strong> der Behandlung der Herzphobie<br />

psychologisch sinnvoll eingesetzt werden.<br />

Mit diesem und ähnlichen Diensten<br />

können die objektive und die subjektive<br />

Sicherheit gesteigert werden. <strong>Ein</strong>e digitale<br />

Diagnostik im Alltag liefert Verlaufsdaten,<br />

die nicht zuletzt auch für die Therapieplanung<br />

und -evaluation sowie zu Forschungszwecken<br />

genutzt werden können.<br />

Die Kopplung von Messgeräten an das<br />

Handy hat den Vorteil, dass kein separates<br />

Gerät <strong>mit</strong>genommen werden muss<br />

und zudem die Weiterleitung der Daten<br />

möglich ist.<br />

SMS-Beratung<br />

Beratungsreinrichtungen, wie z. B. Pro<br />

Familia (http://www.sextra.de), das private<br />

Schweizer Sorgentelefon für Kinder<br />

(http://www.sorgentelefon.ch) und die<br />

christlich-kirchliche Internetseelsorge (http://www.seelsorge.net)<br />

bieten ergänzend<br />

zu Festnetztelefonaten und E-Mail- oder<br />

Chatkontakten neuerdings auch SMS-Beratung,<br />

die allgemein gut angenommen<br />

wird (Pro Familia seit 2004, das Sorgentelefon<br />

seit 2002, die Internetseelsorge<br />

seit 1999). SMS-Beratung eignet sich vor<br />

allem für Erstkontakte und eine anschließende<br />

Weiterver<strong>mit</strong>tlung (z. B. zur Telefon-<br />

oder persönlichen Beratung) sowie<br />

für Kurzkontakte (Klärung eher eng umrissener<br />

Fragen und Probleme). Die Internetseelsorge<br />

nutzt die Freeware SMSBlaster<br />

(http://www.aspsms.com/download/<br />

smsblaster/) als technische Basis für ihre<br />

SMS-Beratung, die es ermöglicht, den<br />

SMS-Verkehr über eine Internetschnittstelle<br />

zu verwalten und zu archivieren.<br />

Das Schweizer „Sorgentelefon für Kinder“<br />

berichtet, dass nach <strong>Ein</strong>führung seiner<br />

SMS-Beratung von Februar bis Dezember<br />

2000 142 Kinder per SMS beraten<br />

wurden, im Jahr 2001 waren es schon 192<br />

(vgl. http://www.sorgentelefon.ch/Jahresberichte/JB2001.pdf).<br />

Die Anzahl der ausgetauschten<br />

SMS-Botschaften stieg von<br />

1200 SMS im Jahr 2001 auf 3.163 Kurz<strong>mit</strong>teilungen<br />

im Jahr 2002. Kinder haben<br />

eher die Möglichkeit, diskret eine SMS<br />

als eine E-Mail zu versenden, da sie seltener<br />

über einen Internetzugang verfügen.<br />

Manche SMS-Dialoge beinhalteten bis zu<br />

20 SMS des ratsuchenden Kindes, die oftmals<br />

über mehrere Tage hinweg eingingen,<br />

je nachdem, wann das Kind die nötige<br />

Zeit und Ruhe zum Texten fand. Das<br />

Themenspektrum der Anfragen umfasste


in absteigender Häufigkeit: Sexualaufklärung,<br />

Freundschaft, Familie, Sachfragen,<br />

Suchtprobleme, Schulfragen, Missbrauch,<br />

Schwangerschaft, Gewalt und Gruppen.<br />

<strong>Ein</strong> Problem stellte für die Kinder oftmals<br />

die Finanzierung der SMS-Botschaften<br />

dar. Während ein Festnetztelefonat <strong>mit</strong><br />

Notruftelefonen in der Regel kostenlos<br />

ist, müssen bei der SMS-Beratung bislang<br />

noch die einzelnen Botschaften bezahlt<br />

werden. Dies kann die Berater unter Umständen<br />

verunsichern, weil sie nicht wissen,<br />

ob eine Kontaktpause durch finanzielle<br />

Engpässe bedingt ist, Unzufriedenheit<br />

<strong>mit</strong> dem Berater widerspiegelt oder gar<br />

auf einen Suizid oder ähnlich dramatische<br />

Geschehnisse hindeutet. Umgekehrt können<br />

natürlich auch die ratsuchenden Kinder<br />

in Stress geraten, wenn sie den Beratungsdialog<br />

fortsetzen müssen, aber ihr<br />

Handyguthaben verbraucht ist.<br />

Ähnlich wie bei der Online-Beratung<br />

per E-Mail ist auch bei der SMS-Beratung<br />

ein Kanalwechsel (z. B. zum Telefon)<br />

sinnvoll, wenn es Anzeichen für eine<br />

akute Krisensituation gibt (Dokumentation<br />

SMS-Beratung bei suizidaler Krise;<br />

Aebischer-Crettol 2003). Obwohl die begrenzte<br />

Zeichenzahl sicherlich ein Handicap<br />

der SMS-Beratung sein kann, erweist<br />

es sich gleichzeitig als Vorteil, dass<br />

bei SMS-Anfragen nicht lange „drum herumgeredet“,<br />

sondern das Anliegen pointiert<br />

vorgebracht wird. Schließlich ist auch<br />

zu beachten, dass sich Menschen <strong>mit</strong> Hör-<br />

und Sprachproblemen via schriftlicher<br />

Handynachrichten gleichberechtigt artikulieren<br />

können. Nicht zuletzt wird die<br />

SMS-Kommunikation auch im Alltag<br />

oft als „soziale Nabelschnur“ empfunden:<br />

Ohne viele Worte kann man räumlich<br />

entfernte Beziehungspartner erreichen<br />

und deren soziale Präsenz durch<br />

zeitnahe Antwort spüren. Diese Funktion<br />

war möglicherweise auch für eine ältere,<br />

an terminalem Krebs erkrankte Frau von<br />

Bedeutung, die jeden Morgen eine SMS<br />

an die SMS-Seelsorge verschickte (Aebischer-Crettol<br />

2003, S. 108).<br />

SMS-Therapie<br />

<strong>Ein</strong>e Psychotherapie allein auf SMS-Basis<br />

scheint weder sinnvoll noch wünschenswert.<br />

Dafür kann die SMS eine Brückenfunktion<br />

übernehmen, wenn Patienten<br />

von stationärer Behandlung wieder in ih-<br />

130 | Psychotherapeut 2 · 2007<br />

Neue Medien in der Psychotherapie<br />

ren Alltag zurückkehren und noch keine<br />

ausgebaute ambulante Versorgungsstruktur<br />

am Wohnort vorfinden. Die Stuttgarter<br />

Forschungsstelle für Psychotherapie führte<br />

in Zusammenarbeit <strong>mit</strong> der psychosomatischen<br />

Fachklinik, Bad Pyrmont, von<br />

Mai 2002 bis Mai 2003 ein SMS-basiertes<br />

nachstationäres Betreuungsprogramm<br />

für Bulimiepatientinnen durch (Bauer et<br />

al. 2003). <strong>Ein</strong>mal pro Woche erhielten 33<br />

aus der Klinik entlassene Patientinnen eine<br />

SMS, in der sie nach Stimmung, Körpergewicht<br />

und Essverhalten gefragt wurden.<br />

Die Patientinnen bewerteten die drei<br />

Parameter auf einer Skala von 1 (sehr gut)<br />

bis 5 (miserabel). Die Bewertungsziffern<br />

wurden dann an den Zentralcomputer geschickt.<br />

Lautet diese Ziffernantwort auf die<br />

drei Fragen zum Beispiel „4,1,1“, so bedeutet<br />

dies: „schlechtes Körpergefühl, normales<br />

Körpergewicht, normales Essverhalten<br />

ohne Essanfälle oder Erbrechen“. Per Zufallsgenerator<br />

wählt der Stuttgarter Computer<br />

dann eine aus 160 möglichen Antworten<br />

auf den entsprechenden Zahlencode<br />

aus und schickt ihn als SMS der Patientin<br />

auf das Display des Mobiltelefons.<br />

Etwa so: „Dass man sich in seinem Körper<br />

manchmal nicht wohl fühlt, ist normal<br />

und geht vorüber. Seien Sie stolz darauf,<br />

dass Sie Ihre Essstörungen so gut im<br />

Griff haben.“<br />

Im Durchschnitt nahmen die Patientinnen<br />

21 Wochen am Programm teil.<br />

Die Mehrzahl äußerte sich sehr zufrieden<br />

<strong>mit</strong> dem Angebot: Es beurteilten 83% die<br />

Qualität des Programms als gut, 88% würden<br />

es weiter empfehlen und 80% würden<br />

selbst wieder teilnehmen. Als positiv<br />

erlebten es die Patientinnen, jede Woche<br />

wieder über die eigene Symptomatik<br />

nachzudenken und das Gefühl zu haben,<br />

dass sich die Klinik noch für ihr Befinden<br />

interessiert. Neben der hohen subjektiven<br />

Akzeptanz des Programms zeigten<br />

sich auch deutliche objektive Therapieerfolge<br />

anhand der Symptome; hierbei<br />

liegt jedoch kein Vergleich zu einer Kontrollgruppe<br />

vor. <strong>Ein</strong>e Fortsetzung des Pilotprojektes<br />

SMS-Brücke ist geplant. Mit<br />

sehr geringem Personal- und Kostenaufwand<br />

kann die SMS-Brücke offensichtlich<br />

eine Lücke im psychosozialen Versorgungssystem<br />

sinnvoll schließen.<br />

Mobiltelefonietherapie<br />

Die Behandlung von Angststörungen umfasst<br />

gemäß der Methode der systematischen<br />

Desensibilisierung drei Phasen:<br />

1. Zunächst werden Techniken der Entspannung<br />

und Angstkontrolle erlernt.<br />

2. Dann erfolgt eine schrittweise gedankliche<br />

(in sensu), virtuelle (<strong>Ein</strong>tauchen<br />

in eine computergenerierte<br />

„Virtual-reality-Umgebung“) oder reale<br />

(in vivo) Konfrontation <strong>mit</strong> der<br />

Angst auslösenden Situation unter<br />

therapeutischer Begleitung.<br />

3. In der letzten Phase wird dann das<br />

selbstständige Handeln des Patienten<br />

im Angst auslösenden Kontext geübt<br />

und gefestigt.<br />

Der mobile Telefoniedienst des Handys<br />

kann eingesetzt werden, um eine telepräsente<br />

Begleitung des Patienten bei einer<br />

In-vivo-Exposition zu gewährleisten.<br />

Bei der Behandlung einer Autofahrphobie<br />

können also anstelle gemeinsamer<br />

Fahrten <strong>mit</strong> dem Therapeuten frühzeitig<br />

Alleinfahrten unternommen werden, bei<br />

denen aber bei Bedarf telefonisch Kontakt<br />

zum Therapeuten aufgenommen<br />

werden darf. Dies erlaubt den Patienten<br />

ein zeit- und ortsflexibleres Üben. Es ist<br />

jedoch bei der Indikation und therapeutischen<br />

Nutzung des Mobiltelefons zu beachten,<br />

dass eine Abhängigkeit vom Handy<br />

vermieden wird: Nicht für jeden Patienten<br />

ist ein Handyeinsatz in der Therapie<br />

geeignet (z. B. wäre er bei Zwangserkrankungen<br />

vermutlich kontraindiziert).<br />

Zudem muss eine systematische Reduktion<br />

der Handyunterstützung im Behandlungsplan<br />

vorgesehen sein. So kann bei<br />

der ersten Konfrontation <strong>mit</strong> dem angstbesetzten<br />

Autofahren die Erlaubnis gegeben<br />

werden, bei Bedarf jederzeit den Therapeuten<br />

anzurufen. Im Zuge der Ausweitung<br />

der Konfrontation (längere Strecken<br />

bei Alleinfahrten) wäre dann der Handyzugriff<br />

zunächst zu begrenzen (z. B. Erlaubnis,<br />

den Therapeuten erst nach einer<br />

bestimmten Mindeststrecke anzurufen)<br />

und schließlich zu eliminieren (durch<br />

Fahrten bei ausgeschaltetem Handy bzw.<br />

ohne Handy; entsprechendes Therapiekonzept<br />

und zwei Fallbeschreibungen in<br />

Flynn et al. 1992). (Bei der telepräsenten<br />

Betreuung im Auto ist zudem eine mögliche<br />

Beeinträchtigung der Fahrleistung –


trotz Freisprechanlage – in Rechnung zu<br />

stellen.)<br />

Auch bei anderen Phobien (z. B. Agoraphobie,<br />

soziale Angst) ist eine therapeutische<br />

Begleitung per Handytelefonat<br />

denkbar. Angst mindernd scheint zum einen<br />

die Stimme des Therapeuten zu wirken,<br />

zum anderen aber auch die ständige<br />

Möglichkeit einer instantanen Kontaktaufnahme,<br />

ohne dass diese in Anspruch<br />

genommen wird. (Das Handy fungiert<br />

dann als Hinweisreiz, der Sicherheit ver<strong>mit</strong>telt.)<br />

Mobile Spielkonsole<br />

Mobile Spielkonsolen in der Tradition des<br />

„game boy“ sind vor allem bei Kindern<br />

beliebt, die im Unterschied zu Jugendlichen<br />

oft noch keinen eigenen Computer<br />

besitzen. Das Spielen von Computer-, Online-,<br />

Handy- oder Konsolenspielen wird<br />

pädagogisch oft kritisch beurteilt, etwa<br />

wegen gewalthaltiger Spielinhalte oder<br />

suchtähnlicher Vielnutzung auf Kosten<br />

anderer (z. B. geselliger, sportlicher) Aktivitäten.<br />

So ist man gerade bei der psychotherapeutischen<br />

Behandlung von Kindern<br />

und Jugendlichen nicht selten da<strong>mit</strong><br />

beschäftigt, digitalen Viel- und Extremspielern<br />

Verhaltensalternativen nahe zu<br />

bringen.<br />

Andererseits kann die Attraktivität von<br />

digitalen Spielen, die <strong>mit</strong>hilfe der mobilen<br />

Spielkonsolen im Alltag orts- und zeitflexibel<br />

verfügbar sind, auch pädagogisch<br />

und psychologisch konstruktiv eingesetzt<br />

werden, jeweils in Abhängigkeit vom Entwicklungsstand<br />

eines Kindes. Man spricht<br />

von „serious games“ oder „social impact<br />

games“ (http://www.socialimpactgames.<br />

com), sofern eine Spielanwendung neben<br />

dem Unterhaltungsnutzen einen definierten<br />

weiteren Nutzwert haben soll.<br />

Wenn wir davon ausgehen, dass Kinder<br />

und Jugendliche im Alltag heute an<br />

avancierte digitale Medien gewöhnt sind,<br />

scheint es wünschenswert, psychotherapeutische<br />

Materialien (z. B. Hausaufgaben<br />

in der Verhaltenstherapie) diesen Ansprüchen<br />

und Erwartungen anzupassen,<br />

um die Nutzungsbereitschaft zu steigern<br />

(Brezinka u. Walz 2005).<br />

<strong>Ein</strong> Beispiel für ein solches Projekt ist<br />

„glucoboy“: Es handelt sich um ein Glukosemessgerät,<br />

das auf einen Nintendo<br />

Game boy aufgesteckt wird. Gute Blutzuckerwerte<br />

werden da<strong>mit</strong> belohnt, dass zusätzliche<br />

Spiele auf den Game boy geladen<br />

werden. Glucoboy soll Kindern <strong>mit</strong> Diabetes<br />

dabei helfen, ihren Blutzuckerspiegel<br />

regelmäßig zu messen und zu kontrollieren;<br />

hierbei werden gute Messwerte<br />

im Sinne einer verhaltenstherapeutischen<br />

Verstärkung durch Zusatzspiele belohnt.<br />

Handheld<br />

Handhelds sind handtellergroße Minicomputer<br />

[ähnliche Bezeichnungen sind<br />

„personal digital assistent“ (PDA), Palm,<br />

Pocket PC usw.]. Handhelds sind im Unterschied<br />

zum Alltagsmedium Handy bislang<br />

in viel stärkerem Maße ein Businessmedium<br />

<strong>mit</strong> einer kleinen Nutzergruppe.<br />

Bei einem klinisch-<strong>psychologische</strong>n <strong>Ein</strong>satz<br />

müssen also die Klienten oder Patienten<br />

in der Regel erst <strong>mit</strong> einem entsprechenden<br />

Endgerät ausgestattet werden.<br />

Dafür bietet ein Handheld- bzw. Taschencomputer<br />

durch höhere Rechnerleistung<br />

und größeres Display auch breitere<br />

Anwendungsmöglichkeiten als ein<br />

Mobiltelefon.<br />

Handhelddiagnose<br />

Ähnlich wie Handys (s. Abschn. „Handydiagnose“)<br />

lassen sich auch Handhelds<br />

zur Diagnose einsetzen. Subjektive Selbstauskünfte<br />

werden dabei über digitale Fragebögen<br />

oder Tagebücher erhoben (z. B.<br />

Kimmel 1999). Teilweise wird daran eine<br />

Messung psychophysiologischer Parameter<br />

gekoppelt. Auf diese Weise können<br />

auch umfangreichere Datenerhebungen<br />

„im Feld“ stattfinden.<br />

Die Deutsche Gesellschaft für bipolare<br />

Störungen DGBS e.V. fördert <strong>mit</strong> ihrer<br />

Arbeitsgruppe „Neue Medien“ das Projekt<br />

Lifechart (http://www.lifechart.de).<br />

Im Rahmen des Projektes wird ein Tagebuchinstrument<br />

für PC und Handheld bereitgestellt,<br />

<strong>mit</strong> dem die Patienten binnen<br />

weniger Minuten Tagesablauf, Schlafdauer,<br />

Medikamente, Depressions- und Maniesymptome<br />

usw. registrieren. <strong>Ein</strong>e solche<br />

langfristige und detaillierte Dokumentation<br />

erlaubt es Patienten sowie behandelnden<br />

Ärzten bzw. Therapeuten,<br />

den Stimmungsverlauf im Alltag besser<br />

zu verstehen und mögliche Auslöser von<br />

Krankheitsphasen zu erkennen. Die per<br />

PC oder Handheld aufgezeichneten Da-<br />

ten werden in regelmäßigen Abständen<br />

anonymisiert auf einen Server gespielt,<br />

grafisch aufbereitet, zurückgemeldet, sowie<br />

für die Therapie – aber auch für die<br />

Forschung – bereitgestellt. Patienten, die<br />

nicht über einen eigenen Handheld verfügen,<br />

wird ein Leihgerät zur Verfügung gestellt.<br />

Die gründliche und langfristige Diagnose<br />

<strong>mit</strong>hilfe der Selbstauskunftsdaten<br />

im standardisierten Tagebuch mag gleichzeitig<br />

auch einen Interventionseffekt haben:<br />

<strong>Ein</strong> regelmäßiger Aktivitätsrhythmus<br />

im Tagesverlauf wirkt sich stabilisierend<br />

aus und wird im Zuge der täglichen Bearbeitung<br />

des strukturierten Tagebuches<br />

gefördert. Die Handhelddiagnose ist wiederum<br />

nicht als Ersatz, sondern als Ergänzung<br />

anderer Diagnoseformen (z. B. Gespräche<br />

<strong>mit</strong> Patienten und Angehörigen)<br />

zu sehen.<br />

Handheldrehabilitation<br />

Für Patienten, die unter Gedächtnis- und<br />

Orientierungsstörungen leiden, steht eine<br />

Reihe von Rehabilitationshandhelds zur<br />

Verfügung, die an Aufgaben oder Termine<br />

erinnern, durch Fotos die Zuordnung<br />

von Personen zu Namen unterstützen,<br />

durch Checklisten Tagesabläufe strukturieren<br />

usw. (z. B. Hart et al. 2004; Schulze<br />

2004). Das System MEMOS („mobile<br />

extensible memory & orientation system“;<br />

http://www.memos-online.de) läuft<br />

auf einem Handheld, der als externes Gedächtnis<br />

und Orientierungshilfe des Patienten<br />

fungiert. Das Gerät des Patienten<br />

tauscht drahtlos Informationen <strong>mit</strong> einer<br />

sog. Betreuungsstation aus. Dabei handelt<br />

es sich um einen Desktopcomputer,<br />

über den Psychotherapeuten, Ärzte, Pflegepersonal<br />

usw. in der Tagesklinik dem<br />

Patienten Termine und Abläufe <strong>mit</strong>teilen<br />

können. Erhält der Patient beispielsweise<br />

einen akustischen Hinweisreiz und dazu<br />

textuelle Handlungsanweisungen, wie er<br />

sich auf einen Termin vorzubereiten oder<br />

am gemeinsamen Abendessen teilzunehmen<br />

hat, so wird gleichzeitig eine Bestätigung<br />

von ihm gefordert, die an die Betreuungsstation<br />

zurückgemeldet wird.<br />

Das Mobilmedium hilft dem Patienten,<br />

sich selbstständiger zu organisieren und<br />

reduziert den Betreuungsaufwand, der in<br />

einer Klinik z. B. allein dadurch entsteht,<br />

dass man Patienten zuerst suchen muss,<br />

Psychotherapeut 2 · 2007 | 131


<strong>Ein</strong>satz von <strong>Mobilmedien</strong> in der klinisch-<strong>psychologische</strong>n Praxis<br />

1. Diagnostik:<br />

1 Kopfschmerzpatienten wird zur Aufzeichnung von Symptomverlauf und Auslösefaktoren<br />

ein auf einem Handheld auszufüllendes Schmerztagebuch zur Verfügung gestellt, das z. B.<br />

von Kindern gründlicher bearbeitet wird als ein äquivalentes Papiertagebuch (Palermo et al.<br />

2004).<br />

2. Intervention:<br />

1 Prävention: Grundschulkinder werden durch regelmäßige Handykurz<strong>mit</strong>teilungen zur<br />

Kontrolle und gesundheitsförderlichen Gestaltung ihrer körperlichen Aktivitäten und ihres<br />

Zuckerkonsums motiviert, um Adipositas vorzubeugen (http://www.klinikum.uni-heidelberg.<br />

de/index.php?id=7355).<br />

1 Beratung/Krisenintervention: Menschen <strong>mit</strong> Fragen, Sorgen oder in aktuellen Krisensituationen<br />

können sich per Handykurz<strong>mit</strong>teilung an Beratungs- oder Seelsorgeeinrichtungen wenden;<br />

dies ist teilweise niederschwelliger als ein Anruf (Aebischer-Crettol 2003).<br />

1 Selbsthilfe: Menschen, die sich in einer Onlineselbsthilfegruppe engagieren, können sich <strong>mit</strong><br />

einem entsprechenden Handheld unterwegs die aktuellen Aufenthaltsorte anderer „Community-Mitglieder“<br />

anzeigen lassen und sich spontan <strong>mit</strong> ihnen treffen.<br />

1 Psychotherapie: Patienten <strong>mit</strong> Autofahrphobie wird im Rahmen einer verhaltenstherapeutischen<br />

Konfrontationstherapie die Möglichkeit geboten, während ihrer Alleinfahrten vom<br />

Auto aus per Mobiltelefon bei Bedarf <strong>mit</strong> dem Therapeuten oder <strong>mit</strong> anderen Vertrauenspersonen<br />

Kontakt aufzunehmen (Flynn et al. 1992).<br />

1 Rehabilitation: Patienten, die aufgrund von Gehirnverletzungen unter Gedächtnisstörungen<br />

leiden, werden in ihrer Alltagsbewältigung durch Handhelds unterstützt, die Erinnerungs-<br />

und Überwachungsfunktionen übernehmen (Schulze 2004).<br />

3. Evaluation (inklusive Planung, Dokumentation):<br />

1 Um den Erfolg (bzw. auch Misserfolg) einer Intervention zu messen, ist es notwendig, den<br />

Behandlungsverlauf vor, während und nach der Intervention zu erfassen. Computerbasierte<br />

Systeme zur Therapieplanung, Dokumentation und Evaluation (z. B. das Kölner Doku mentationssystem<br />

für Psychotherapie und Traumabehandlung, Fischer 2000, http://www.koedops.<br />

de) erleichtern diese Prozesse ernorm. <strong>Ein</strong>e Anwendung, die die Dateneinangabe durch<br />

Patienten und Datenauswertung aufseiten des Therapeuten über eine Webschnittstelle stationär<br />

und mobil [z. B. per Notebook oder „personal digital assistent“ (PDA)] erlaubt ist Web-<br />

AKQUASI (aktive interne Qualitätssicherung; http://www.klinikum.uni-heidelberg.de/index.<br />

php?id=7354).<br />

bevor man sie für bestimmte Handlungsabläufe<br />

instruiert.<br />

Evaluationsstudien zeigen, dass Patienten<br />

nach einer Schulung Rehabilitations-<br />

und Assistenzhandhelds erfolgreich<br />

handhaben können. <strong>Ein</strong> gängiger Handheld<br />

wird durch entsprechende Software<br />

zu einer Rehabilitationshilfe bzw. assistiven<br />

Technologie, die Menschen <strong>mit</strong> temporären<br />

oder dauerhaften Beeinträchtigungen<br />

unterstützt. Erfolge bei der Rehabilitation<br />

sind im Rahmen einer <strong>Ein</strong>zellfallstudie<br />

auch für die Handheldnutzung<br />

bei jugendlichem Asperger-Syndrom belegt<br />

(Ferguson et al. 2005). Durch die<br />

Möglichkeit der digitalen Sprachausgabe<br />

können Handhelds zur Kommunikationsunterstützung<br />

auch von Personen <strong>mit</strong><br />

Sprachstörungen genutzt werden (van de<br />

Sandt-Koenderman 2005).<br />

132 | Psychotherapeut 2 · 2007<br />

Neue Medien in der Psychotherapie<br />

Handheldtherapie<br />

Therapiekonzepte <strong>mit</strong> dem Handheld<br />

sind vorwiegend verhaltenstherapeutisch<br />

orientiert und in der Regel als Ergänzung<br />

einer Face-to-face-Therapie gedacht, insbesondere<br />

um den Transfer des Gelernten<br />

auf den Alltag sowie die Durchführung<br />

von therapeutischen Hausaufgaben zu<br />

fördern. Patienten <strong>mit</strong> einer Panikstörung<br />

nahmen an therapeutischen Sitzungen teil<br />

und wurden ergänzend <strong>mit</strong> einem Handheldcomputer<br />

ausgestattet, der die Atmungsaktivität<br />

messen und durch entsprechende<br />

Lautsignale zum richtigen<br />

Atmen anleiten konnte. Zudem wurden<br />

die Messdaten gespeichert, an einen zentralen<br />

Computer des Behandlungsteams<br />

übertragen, analysiert und grafisch aufbereitet.<br />

Die Patienten bewerteten die mobilmediengestützte<br />

Intervention sehr positiv<br />

und zeigten Symtomverbesserungen<br />

(Meuret et al. 2001).<br />

Patienten <strong>mit</strong> einer sozialen Phobie<br />

nahmen an einer Gruppentherapie teil,<br />

in der sie Entspannungstechniken und<br />

Techniken der kognitiven Angstbewältigung<br />

erlernten. Zwischen den Gruppensitzungen<br />

arbeiteten sie <strong>mit</strong> einem Handheldcomputer,<br />

auf dem sie Angstsymptome<br />

und situative Auslöser protokollierten.<br />

Das System antwortete auf geringe<br />

Angstausprägungen <strong>mit</strong> positivem<br />

Feedback und bot zudem Übungsmodule<br />

für die in den Gruppensitzungen vorgestellten<br />

Techniken (detaillierte Darstellung<br />

des Programms sowie eine Fallstudie<br />

bei Przeworski u. Newman 2004).<br />

Die unterschiedlichen Module waren dabei<br />

in ein Phasenmodell eingeordnet und<br />

auf den Verlauf der Gruppensitzungen abgestimmt.<br />

Auch für Essstörungen existieren<br />

handheldbasierte Behandlungsodule;<br />

diese sollen am Anfang der Therapie zunächst<br />

die Veränderungsmotivation unterstützen<br />

und am Ende der Therapie der<br />

Rückfallvorbeugung dienen (Norton et al.<br />

2003).<br />

Im Unterschied zu therapeutischen<br />

Programmen auf stationären Computern,<br />

deren Module teilweise eine 1- bis 2stündige<br />

Bearbeitungszeit umfassen (z. B.<br />

Beschreibung eines entsprechenden Programms<br />

zur Intervention bei problematischem<br />

Trinkverhalten in Squires u. Hester<br />

2004), müssen Module für <strong>Mobilmedien</strong><br />

deutlich kürzer gehalten werden. Dadurch,<br />

dass <strong>Mobilmedien</strong> zeit- und ortsunabhängig<br />

ständig verfügbar sind, können<br />

sie einerseits durch Alarmfunktionen<br />

Zeitpunkte für die Beschäftigung <strong>mit</strong> dem<br />

Programm vorgeben und den Tag strukturieren.<br />

Andererseits können die Patienten<br />

in Abhängigkeit von der aktuellen Situation<br />

(z. B. bei angst-, zwang-, schmerz-, depressions-<br />

oder suchtauslösende Stimuli)<br />

spontan auf das Gerät zugreifen. Schließlich<br />

scheinen Hausaufgaben die Patienten<br />

durch interaktive mediale Anleitung und<br />

Dokumentation besser zu motivieren, sofern<br />

sie – und die Therapeuten – der Technologie<br />

aufgeschlossen gegenüberstehen.<br />

Notebook<br />

Auf einem Notebook können sämtliche<br />

klinisch-<strong>psychologische</strong>n Anwendungen<br />

genutzt werden, die für Desktopcomputer<br />

zur Verfügung stehen. Zudem ist über


drahtlose Netzwerke (z. B. „wireless local<br />

area network“, W-LAN) auch ein ortsflexibler<br />

Internetzugang möglich. Indem Klienten,<br />

Patienten und Therapeuten Notebooks<br />

nutzen, können sie orts- und zeitflexibler<br />

computer- und internetgestützt<br />

arbeiten. Leider liegen bislang keine Studien<br />

vor, die den Notebookeinsatz im klinisch-<strong>psychologische</strong>n<br />

Bereich beschreiben<br />

und konzeptuell weiterentwickeln,<br />

wie das bislang für den Notebookeinsatz<br />

im Bildungskontext geschehen ist. Da auf<br />

dem Notebook dieselben therapeutischen<br />

Computerprogramme und Onlinedienste<br />

(Überblick z. B. bei Bobicz u. Richard<br />

2003) genutzt werden wie am stationären<br />

Computer, erscheint der Notebookeinsatz<br />

auf den ersten Blick nicht als Innovation.<br />

Doch gerade die subtile und nachhaltige<br />

Integration der <strong>Mobilmedien</strong> in den Alltag<br />

ist besonders relevant für unser Verhalten<br />

und Erleben, sodass hier ein Forschungsdesiderat<br />

zu verzeichnen ist.<br />

Chancen und Grenzen<br />

der Mobile therapy<br />

Verallgemeinernd lassen sich vier zentrale<br />

Vorzüge von <strong>Mobilmedien</strong> im klinisch<strong>psychologische</strong>n<br />

Interventionsbereich benennen<br />

(vgl. Norton et al. 2003), die jedoch<br />

<strong>mit</strong> gewissen Risiken einhergehen.<br />

Teils gilt es, die Grenzen der M-Therapie<br />

genauer zu erforschen und anzuerkennen.<br />

(Sie ist nicht für alle Störungen, Patienten,<br />

Therapeuten usw. geeignet.) Teils<br />

gilt es aber auch, mögliche Risiken genauer<br />

zu erkunden und ihnen entgegenzuwirken,<br />

um von den folgenden Vorteilen<br />

zu profitieren.<br />

F Anreizeffekt und spezifische Leistungen<br />

von <strong>Mobilmedien</strong>,<br />

F alltagsnahe und nachhaltige Diagnostik<br />

sowie Therapiedokumentation,<br />

F Ausdehnung der therapeutischen Unterstützung<br />

über die Therapiestunde<br />

bzw. den Klinikaufenthalt hinaus in<br />

den Alltag sowie<br />

F Therapie- und Kosteneffizienz.<br />

Anreizeffekt und spezifische Leistungen<br />

von <strong>Mobilmedien</strong>. Als interaktive, digitale<br />

Informations- und Kommunikationstechnologien<br />

haben <strong>Mobilmedien</strong> für<br />

viele Menschen (insbesondere für Jüngere,<br />

die unter den Bedingungen der Me-


diengesellschaft sozialisiert wurden) einen<br />

größeren Anreiz- und Motivationscharakter<br />

als z. B. Selbsthilfematerialien<br />

in Papierform. Zudem bieten beispielsweise<br />

Spielkonsolen zusätzliche Leistungen<br />

(z. B. hoher Unterhaltungswert). <strong>Mobilmedien</strong><br />

können Therapiemotivation<br />

und Compliance steigern.<br />

Grenzen: Bestimmte Personengruppen<br />

(aufseiten der Therapeuten und Patienten)<br />

stehen der modernen Medientechnik<br />

gleichgültig oder sogar ablehnend und<br />

ängstlich gegenüber. Durch entsprechende<br />

Medienkompetenzschulungen können<br />

derartige Barrieren aber abgebaut werden.<br />

Zudem ist dafür zu sorgen, dass nur<br />

ausgereifte <strong>Mobilmedien</strong>systeme eingesetzt<br />

werden und technischer Support zur<br />

Verfügung steht, da Bedienungsprobleme<br />

oder Systemfehler rasch Vertrauen und<br />

Motivation reduzieren würden.<br />

Alltagsnahe und nachhaltige Diagnostik<br />

sowie Therapiedokumentation. <strong>Mobilmedien</strong><br />

sind orts- und zeitunabhängig<br />

verfügbar, sodass sich diagnostische Daten<br />

<strong>mit</strong> hoher Dichte und Präzision im<br />

Feld erheben lassen (ökologische Validität).<br />

Die erhobenen Daten können im<br />

Gerät gespeichert und analysiert sowie<br />

an einen Server übertragen werden. Dies<br />

erlaubt eine effiziente und nachhaltige<br />

Datenverwaltung. Datenqualität sowie<br />

Compliance können bei computerunterstützter<br />

Therapie automatisch gemessen<br />

und an den Therapeuten zurückgemeldet<br />

werden (z. B. Zeitpunkt und Zeitdauer<br />

der Bearbeitung von Therapiemodulen,<br />

Regelmäßigkeit der Erfassung und Übertragung<br />

von Diagnosedaten). Von verbesserter<br />

Diagnostik und Therapiedokumentation<br />

profitieren Therapie und Therapieforschung.<br />

Grenzen: Reaktanzphänomene durch<br />

starke Überwachung sind möglich. Zudem<br />

gilt: Je mehr Patientendaten gesammelt,<br />

übertragen und verwaltet werden,<br />

umso virulenter wird zuverlässiger Datenschutz.<br />

Dies betrifft die Handhabung<br />

des Endgerätes beim Patienten (z. B. Passwortschutz,<br />

kein Ausleihen an Dritte), die<br />

drahtlose Datenübertragung (z. B. Nutzung<br />

von Verschlüsselung zum Schutz vor<br />

Abhören oder Datenveränderung) sowie<br />

die Datenverwaltung und Datensicherung<br />

auf dem Server der Therapeuten.<br />

134 | Psychotherapeut 2 · 2007<br />

Neue Medien in der Psychotherapie<br />

Ausdehnung der therapeutischen Unterstützung<br />

über die Therapiestunde<br />

bzw. den Klinikaufenthalt hinaus in den<br />

Alltag. Durch <strong>Mobilmedien</strong> wird – im<br />

Rahmen therapeutischer Vereinbarungen<br />

– ein flexibler Kontakt zum Therapeuten<br />

– sowie in Selbsthilfekontexten auch zu<br />

anderen Betroffenen – möglich. Zudem<br />

können durch Therapiemodule sowie<br />

an das Gerät angeschlossene Messgeräte<br />

Übungen im Alltag besser strukturiert<br />

und unterstützt werden. Ubiquitäre mediale<br />

therapeutische Unterstützung kann<br />

die Therapieeffizienz steigern.<br />

Grenzen: Gefahren der Medienabhängigkeit<br />

sowie der dysfunktionalen Entgrenzung<br />

von Patient-Therapeut-Kontakten<br />

sind genauer zu untersuchen. Hinsichtlich<br />

der therapeutischen Ansätze<br />

scheint <strong>Mobilmedien</strong>unterstützung vor<br />

allem <strong>mit</strong> kognitiver Verhaltenstherapie<br />

kompatibel zu sein; die mögliche Erweiterung<br />

auf psychodynamische Ansätze<br />

wäre zu prüfen.<br />

Therapie- und Kosteneffizienz. Wenn<br />

<strong>Mobilmedien</strong> in dem Sinne eingesetzt<br />

werden, dass Motivation gesteigert, Diagnosen<br />

verbessert und Veränderungen im<br />

Alltag stärker unterstützt werden, sollte<br />

eine effizientere Therapie resultieren, die<br />

<strong>mit</strong> weniger Präsenzsitzungen auskommt<br />

und so<strong>mit</strong> Kosten einspart. In Abhängigkeit<br />

vom Mobilmedium liegen die anteiligen<br />

und langfristigen Kosten für Geräteanschaffung<br />

und mobile Datenübertragung<br />

in der Regel unter den Kosten für<br />

therapeutische Präsenzsitzungen (Przeworski<br />

u. Newman 2004, S. 184). Für ein<br />

Handheldprogramm zur Gewichtsreduktion<br />

wurde beispielsweise nachgewiesen,<br />

dass durch <strong>Mobilmedien</strong>unterstützung<br />

<strong>mit</strong> weniger Face-to-face-Sitzungen<br />

(und so<strong>mit</strong> kostengünstiger) dieselben Erfolge<br />

erzielt wurden wie durch eine herkömmliche<br />

Face-to-face-Therapie (Agras<br />

et al. 1990). Durch kostengünstige Minimalintervention<br />

über Handykurz<strong>mit</strong>teilungen<br />

können Versorgungslücken (z. B.<br />

zwischen Klinikaufenthalt und ambulanter<br />

Therapie) überbrückt werden. Kostengünstige<br />

<strong>Mobilmedien</strong>interventionen<br />

können genutzt werden, um bestehende<br />

Versorgungslücken effizient zu schließen<br />

oder um ineffiziente Face-to-face-Sitzungen<br />

zu ersetzen.<br />

Grenzen: Für abschließende und störungs-<br />

sowie therapiespezifische Effizienzbewertungen<br />

sind weitere Studien<br />

(insbesondere auch Kontrollgruppen-<br />

und Langzeitstudien notwendig), um der<br />

Gefahr zu begegnen, dass es durch vorschnelle<br />

Umstellung auf mediale Interventionsformen<br />

zu Qualitätseinbußen<br />

kommt.<br />

Fazit für die Praxis<br />

Der <strong>Ein</strong>satz von digitalen Informations-<br />

und Kommunikationstechnologien im<br />

Sozial- und Gesundheitswesen wird zunehmend<br />

selbstverständlicher und ist<br />

<strong>mit</strong> Schlagworten wie „Sozialinformatik“,<br />

„Medizininformatik“, „Telemedizin“<br />

oder „E-Health“ (vgl. Oh et al. 2005) belegt.<br />

Der klinisch-<strong>psychologische</strong> Bereich<br />

ist dabei eingeschlossen (Newman 2004).<br />

Neben den stationären Computern gewinnen<br />

<strong>Mobilmedien</strong> wie Handy oder<br />

Handheld dabei in jüngster Zeit stark an<br />

Bedeutung. Bereits jetzt existieren Pilotprojekte<br />

<strong>mit</strong> <strong>Mobilmedien</strong> wie Handy,<br />

Spielkonsole, Handheld und Notebook<br />

im gesamten Spektrum klinisch<strong>psychologische</strong>r<br />

<strong>Interventionen</strong>, die hier<br />

exemplarisch und <strong>mit</strong> ersten Evaluationsdaten<br />

vorgestellt wurden und teilweise<br />

ohne großen Aufwand für die eigene<br />

Praxis adaptiert werden können.<br />

In Zukunft gilt es, diese neuen Möglichkeiten<br />

der M-Therapy – als Ergänzung<br />

und Erweiterung der E-Therapy sowie<br />

der herkömmlichen Face-to-face-Therapie<br />

– wissenschaftlich und praktisch weiter<br />

zu entwickeln, zu evaluieren und bei<br />

positiven Evaluationsergebnissen dann<br />

auch zu veralltäglichen. Bisherige M-Therapie-Konzepte<br />

müssen dabei Kontrollgruppen-<br />

und Langzeitstudien unterzogen<br />

werden. Zudem sind neben den hier<br />

dargestellten vier <strong>Mobilmedien</strong> noch<br />

weitere innovative mobile Technologien<br />

einzubeziehen wie etwa mobile Roboter:<br />

In der Therapie autistischer Kinder wird<br />

im Aurora-Projekt (http://www.auroraproject.com)<br />

unter anderem erfolgreich<br />

<strong>mit</strong> der Roboterpuppe Robota gearbeitet<br />

(Dautenhahn u. Werry 2004). Der Roboterhund<br />

AIBO von Sony ist Bestandteil<br />

eines Therapiekonzeptes zur Gewichtsreduktion<br />

(Kidd u. Breazeal 2006). Sinnvoll<br />

einsetzbar sind zudem „wearables“,


d. h. drahtlos vernetzte, in die Kleidung<br />

integrierte bzw. am Körper tragbare Sensoren,<br />

die z. B. im Zuge der Rehabilitation<br />

nach Unfällen mögliche Überbelastung<br />

im Alltag registrieren können und<br />

so<strong>mit</strong> den Patienten Handlungssicherheit<br />

ver<strong>mit</strong>teln (Jovanov et al. 2005).<br />

Neben einem Nutzen für die Intervention<br />

können <strong>Mobilmedien</strong> auch im Bereich<br />

der Organisation, Verwaltung und Ausbildung<br />

im klinischen Bereich eingesetzt<br />

werden (z. B. Unterstützung von Projektmanagement,<br />

Teamarbeit, „controlling“,<br />

selbst organisiertem Lernen etc.). Dies<br />

wäre dann ein Schritt von der interventionsfokussierten<br />

M-Therapy zu einer auf<br />

das gesamte Gesundheitssystem bezogenen<br />

M-Health (Istepanian et al. 2006).<br />

<strong>Ein</strong>e weitere Herausforderung besteht<br />

darin, dysfunktionale und pathogene<br />

Muster der <strong>Mobilmedien</strong>nutzung im Alltag<br />

zu diagnostizieren und dafür entsprechende<br />

Interventionskonzepte zu<br />

entwickeln. Dabei wird – ähnlich wie bei<br />

pathogener Internetnutzung – nicht völlige<br />

<strong>Mobilmedien</strong>abstinenz das Ziel sein,<br />

sondern eine vernünftige Nutzung.<br />

Die Auseinandersetzung <strong>mit</strong> <strong>Mobilmedien</strong><br />

ist so<strong>mit</strong> in verschiedener Hinsicht<br />

ein relevantes und fruchtbares Arbeitsfeld<br />

für die klinisch-<strong>psychologische</strong> Forschung<br />

und Praxis.<br />

Korrespondierender Autor<br />

Prof. Dr. Nicola Döring<br />

Institut für Medien- und Kommunikationswissenschaft,<br />

Technische Universität Ilmenau<br />

Am Eichicht 1, 98693 Ilmenau<br />

nicola.doering@tu-ilmenau.de<br />

Interessenkonflikt. Es besteht kein Interessenkonflikt.<br />

Der korrespondierende Autor versichert, dass keine<br />

Verbindungen <strong>mit</strong> einer Firma, deren Produkt in<br />

dem Artikel genannt ist, oder einer Firma, die ein Konkurrenzprodukt<br />

vertreibt, bestehen. Die Präsentation<br />

des Themas ist unabhängig und die Darstellung der Inhalte<br />

produktneutral.<br />

Literatur<br />

Aebischer-Crettol M (2003) SMS-Beratung. In: Etzersdorfer<br />

E, Fiedler G, Witte M (Hrsg) Neue Medien<br />

und Suizidalität. Gefahren und Interventionsmöglichkeiten.<br />

Vandenhoeck u. Ruprecht, Göttingen,<br />

S 101–111<br />

Agras WS, Taylor CB, Feldhan DE et al. (1990) Developing<br />

computer-assisted therapy for the treatment<br />

of obesity. Behav Ther 21: 99–109<br />

Bauer S, Percevic R, Okon E et al. (2003) Use of text<br />

messaging in the aftercare of patients with bulimia<br />

nervosa. Eur Eat Disord Rev 11: 279–290<br />

Bobicz KP, Richard DCS (2003) The virtual therapist: behavior<br />

therapy in a digital age. Behav Ther Spring<br />

2003: 265–270<br />

Brezinka V, Walz S (2005) Computerspiele in der Psychotherapie<br />

von Kindern und Jugendlichen – den<br />

Teufel <strong>mit</strong> dem Beelzebub austreiben? Vortrag auf<br />

der 4. Tagung der Fachgruppe Medienpsychologie,<br />

07.–9.09.2005, Universität, Erfurt<br />

Dautenhahn K, Werry L (2004) Towards interactive robots<br />

in autism therapy: background, motivation<br />

and challenges. Pragm Cogn 12 (1): 1–35<br />

Döring N (2005) Psychologische Aspekte der Mobilkommunikation.<br />

In: Höflich J, Gebhardt J (Hrsg)<br />

Mobile Kommunikation – Perspektiven und Forschungsfelder.<br />

Lang, Berlin, S 61–88<br />

Eytan A, Borras L (2005) Stalking through SMS: a new<br />

tool for an old behaviour? Austr N Z J Psychiatry<br />

39: 204<br />

Ferguson H, Myles BS, Hagiwara T (2005) Using a personal<br />

digital assistant to enhance the independence<br />

of an adolescent with Asperger syndrome.<br />

Educ Train Dev Disabil 40: 60–67<br />

Fischer G (2000) KÖDOPS – Kölner Dokumentationssystem<br />

für Psychotherapie und Traumabehandlung.<br />

Deutsches Institut für Psychotraumatologie,<br />

Köln<br />

Flynn TM, Taylor P, Pollard CA (1992) Use of mobile<br />

phones in the behavioral treatment of driving<br />

phobias. J Behav Ther Exp Psychiatry 23: 299–302<br />

Hart T, Buchhofer R, Vaccaro M (2004) Portable electronic<br />

devices as memory and organizational aids after<br />

traumatic brain injury: a consumer survey study.<br />

J Head Trauma Rehabil 19: 351–365<br />

Henningsen P, Priebe S (2003) New environmental<br />

illnesses: what are their characteristics? Psychother<br />

Psychosom 72: 231–234<br />

Istepanian R, Laxminarayan S, Pattichis C (eds) (2006)<br />

M-Health. Emerging mobile health systems. Springer,<br />

Berlin Heidelberg New York Tokyo<br />

Jovanov E, Milenkovic A, Otto C, Groen PC de (2005) A<br />

wireless body area network of intelligent motion<br />

sensors for computer assisted physical rehabilitation.<br />

J Neuroengineering Rehabil 2: 6. http://www.<br />

jneuroengrehab.com/content/2/1/6. Cited 30 Nov<br />

2006<br />

Johnston JM, Leung GM, Tin KYK et al. (2004) Evaluation<br />

of a handheld clinical decision support tool for<br />

evidence-based learning and practice in medical<br />

undergraduates. Med Educ 38: 628–637<br />

Kidd CD, Breazeal C (2006) Designing a sociable robot<br />

system for weight maintenance. Sub<strong>mit</strong>ted to<br />

IEEE Consumer Communications and Networking<br />

Conference (IEEE CCNC 2006). Las Vegas, NV, USA,<br />

7–10 January 2006. http://web.media.<strong>mit</strong>.edu/<br />

~coryk/papers/Kidd_CCNC.pdf. Cited 30 Nov 2006<br />

Kimmel M (1999) Über die Entwicklung eines digitalen<br />

Tagebuchs für die Diagnostik der Generalisierten<br />

Angst. Begründung, Herstellung und empirische<br />

Überprüfung eines universellen Programms für<br />

den PSION Serie 3a. Ars Una, Neuried<br />

Leena K, Tomi L, Arja R (2005) Intensity of mobile<br />

phone use and health compromising behaviours<br />

– How is information and communication technology<br />

connected to health-related lifestyle in adolescence?<br />

J Adolesc 28: 35–47<br />

Meuret A, Wilhelm F, Roth W (2001) Respiratory biofeedback-assisted<br />

therapy in panic disorder. Behav<br />

Modif 25: 584–605<br />

Newman M (2004) Technology in psychotherapy: an<br />

introduction. J Clin Psychol 60: 141–145<br />

Norton M, Wonderlich S, Myers T et al. (2003) The use<br />

of palmtop computers in the treatment of bulimia<br />

nervosa. Eur Eat Disord Rev 11: 231–242<br />

Oh H, Rizo C, Enkin M, Jadad A (2005) What is eHealth<br />

(3): a systematic review of published definitions.<br />

J Med Internet Res 7 (1):e1. http://www.jmir.<br />

org/2005/1/e1/. Cited 30 Nov 2006<br />

Ott R, Eichenberg C (Hrsg) (2003) <strong>Klinisch</strong>e Psychologie<br />

und Internet. Potenziale für klinische Praxis, Intervention,<br />

Psychotherapie und Forschung.<br />

Hogrefe, Göttingen<br />

Palermo TM, Valenzuela D, Stork PP (2004) A randomized<br />

trial of electronic versus paper pain diaries<br />

in children: impact on compliance, accuracy, and<br />

acceptability. Pain 107: 213–219<br />

Park WK (2005) Mobile phone addiction. In: Ling R, Pedersen<br />

P (eds) Mobile communications: re-negotiation<br />

of the social sphere. Springer, Surrey, UK<br />

Przeworski A, Newman MG (2004) Palmtop computerassisted<br />

group therapy for social phobia. J Clin Psychol<br />

60: 179–188<br />

Schulze H (2004) MEMOS: a mobile extensible memory<br />

aid system. Telemed J e-Health 10: 233–242<br />

Squires DD, Hester RK (2004) Using technical innovations<br />

in clinical practice: the drinker’s check-up<br />

software program. JCLP 60: 159–169<br />

Sandt-Koenderman M van de (2005) A computerised<br />

communication aid for people with aphasia.<br />

Disabil Rehabil 27: 529–533<br />

Psychotherapeut 2 · 2007 |<br />

135

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!