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Prof. Dr. med. Hans Joachim Seidel

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Institut für Arbeits-, Sozial- und Umwelt<strong>med</strong>izin<br />

Leiter: <strong>Prof</strong>. <strong>Dr</strong>. <strong>med</strong>. <strong>Hans</strong> <strong>Joachim</strong> <strong>Seidel</strong><br />

<strong>Dr</strong>.<strong>med</strong>. Dipl.Chem. Lothar W. Weber<br />

Arzt für Arbeits-/Umwelt<strong>med</strong>izin<br />

BA für die Univ. Ulm<br />

Frauensteige 10, 89070 Ulm<br />

Tel. 0731/500 33109; Fax: 500 33125<br />

e-mail: Lothar.Weber@<strong>med</strong>izin.uni-ulm.de<br />

1. Arbeits<strong>med</strong>izinisch-toxikologisches Gutachten<br />

Arbeits<strong>med</strong>izinisch-toxikologische Bewertung der potentiellen Belastung<br />

beim <strong>Dr</strong>uckluftstrahlen mit Korundpulvern in der Zahn<strong>med</strong>izin durch<br />

atembare Korundstaubanteile.<br />

Einführung<br />

Neben rotierenden Schleifkörpern mit<br />

Hartmetall-, Keramik- oder Diamant als<br />

Schleifmitteloberfläche finden zunehmend auch<br />

Strahlmittel mit verschiedenen Schleif- und<br />

Polierpulvern in der Zahn<strong>med</strong>izin Anwendung.<br />

Ihre Einsatzgebiete sind der Abtrag von kariöser<br />

Zahnhartsubstanz, die Konditionierung von<br />

Zahnoberflächen, sowie als Vorbereitung für das<br />

Auflegen von Inlays, Brücken und Kronen auf<br />

Präparationen.<br />

Als härtestes Schleifmittel nach Diamant hat sich<br />

Korund (Aluminium III Oxid: Al2O3) in<br />

verschiedenen Pulverformen für die Bearbeitung<br />

von Schmelz und Dentin bewährt.<br />

Frauensteige 10, 89070 Ulm<br />

Tel.: 07 31-500 33100/01, Fax: 500-33125<br />

E-Mail: hans-joachim.seidel@.<strong>med</strong>izin.uni-ulm.de<br />

Ulm, den 18. 1. 2001<br />

Abb. 1:<br />

Korundpartikel in 2.000-facher Vergrößerung.<br />

Scharfkantige Partikel mit einem Länge-<br />

/Breitenverhältnis von ca. 1,6 bzw. 2<br />

Beim Pulverstrahlverfahren werden<br />

Korundpartikel als Strahlmittel durch <strong>Dr</strong>uckluft beschleunigt und gebündelt über eine Düse auf die<br />

Bearbeitungsfläche am Zahn gelenkt. Abgeprallte, verbrauchte Strahlmittel müssen wirkungsvoll aus<br />

dem Anwendungsgebiet und dem Arbeitskreis des Zahnarztes und seiner Helfer entfernt werden. Die<br />

angewandten Strahlmittel müssen daher hinsichtlich ihrer Partikeltoxikologie und jeweiligen<br />

Einwirkungsgröße bewertet werden.<br />

Für das Pulverstrahlgerät der Fa. KaVo wurden 2 Edelkorundpulver ausgewählt. Beide Korundpulver<br />

stellen ein weißes, geruchloses Pulver dar mit der 4-fachen Dichte von Wasser und einer<br />

Schmelztemperatur von 2040° C. Die untersuchten Chargen der beiden Korundpulver besitzen einen<br />

mittleren Partikeldurchmesser von 38 µm (F 320) bzw. 58 µm (F 230) (Streulichtmessung nach Klotz).<br />

Die für den Einsatz in der Zahn<strong>med</strong>izin ausgewählten beiden Korundpulver enthalten einen minimalen<br />

Partikelanteil von alveolar deponierbarem Feinstaub (d aerodyn. < 10 µm).<br />

Der Hauptbestandteil beider Korundpulver weist einen Partikeldurchmesser zwischen 20 µm und 90<br />

µm auf. Die morphologische Analyse der jeweiligen Partikel im Rasterelektronenmikroskop zeigt


- 2 -<br />

glattwandige, scharfkantige Korundpigmente mit einem Länge-/Breiteverhältnis von ungefähr 1.6 bzw.<br />

2.<br />

Diese Anisotropie der Korundpartikel<br />

bewirkt eine Längsausrichtung im<br />

Strömungsfeld bevorzugt entlang der<br />

Strömungslinien im Überdruckbereich. Beim<br />

teilelastischen Aufprall auf die<br />

Zahnhartsubstanz treten deshalb die<br />

vorderen Eckpunkte und Kanten des<br />

Partikels bevorzugt in Wechselwirkung. Eine<br />

korundbestrahlte Zahnoberfläche weist<br />

daher vor allem invertierte 3 flächige<br />

Pyramidenkegel und seltener beilartige<br />

Kanteneindrücke bis 20 µm Kantenlänge<br />

auf.<br />

Hinweise auf eine weitere Fraktionierung der<br />

Korundpartikel in Folge von Kollision mit<br />

sich oder mit Zahnmaterial fanden sich als<br />

dünne, partikuläre Auflagerungen in den<br />

Abb. 2:<br />

Die Übersichtaufnahme der Partikel zeigt eine homogene<br />

Verteilung der Partikelgrößen. Kleine lungengängige Partikel<br />

sind nur in geringsten unbedenklichen Mengen nachweisbar<br />

Tälern der bearbeiteten Zahnhartsubstanz. Die auf dem Rücken des Handstücks und der Hand<br />

vereinzelt anzutreffenden, tröpfchenartigen Partikelauflagerungen nach einer modellierten<br />

Zahnbearbeitung enthielten keine nachweisbaren atembaren Korundpartikel.<br />

Zum Nachweis einer möglichen Exposition gegenüber Korundstaubpartikeln – vor allem von atembaren<br />

Anteilen – wurden simulierte Zahnbehandlungen mit intraoraler Absaugung an einem humanähnlichen<br />

Kopfmodell ausgeführt. Beim Nachstellen der Behandlungssituation am Patienten wurden<br />

Gesamtstaubproben in Mundnähe des behandelnden Zahnarztes sowie in Mundnähe des behandelten<br />

Patienten gewonnen.<br />

Während einer intraoralen<br />

Strahlmittelanwendung im Seitenzahnbereich<br />

von 1 bzw. 2 Minuten Dauer wurden<br />

Gesamtstaubproben auf einem Filter (0,45 µm<br />

Porenweite) gesammelt. Aliquote Filteranteile<br />

wurden mit Hilfe der Elektronenmikroskopie<br />

auf Partikel und mittels EDX Analyse auf die<br />

Partikelzusammensetzung quantitativ untersucht.<br />

Die gefundenen und hochgerechneten<br />

Partikelzahlen vor dem Mund des Patienten<br />

bzw. im Atembereich des behandelnden<br />

Zahnarztes lagen bei allen gewonnenen<br />

Gesamtstaubfilterproben beider<br />

Korundstrahlmittel weit unterhalb der<br />

gesetzlichen Grenzwerte für atembare Stäube<br />

bzw. für Gesamtstaub.<br />

Eine Gefährdung des Zahnarztes bzw. des<br />

Abb. 3:<br />

Das Strömungsbild im Versuchsaufbau zeigt, dass mit einer<br />

guten Absaugung in der Nähe des OP-Feldes der größte<br />

Teil des Partikelstroms (


ehandelten Patienten (Nasenatmung!) ist bei<br />

ortsbezogener, intraoraler Anwendung der beiden<br />

Korundstrahlmittel bei gleichzeitiger effizienter<br />

Absaugung in Anwendungsnähe mit zeitlicher<br />

Überlappung nicht gegeben. Die im<br />

Bronchialsystem abgeschiedenen, größeren<br />

Partikel (wenige 1000 / m³) werden durch die<br />

mucociliare Clearance vollständig entfernt.<br />

Weil Staubpartikel aus dem Strahlmittel durch<br />

Kontakt mit Speichel und Sekreten im Mund<br />

infektiöse Erreger vom Patienten potentiell<br />

übertragen können, wie generell bei zahnärztlichen<br />

Eingriffen entstehende Aerosole, muss sich der<br />

Zahnarzt und seine Helferin durch Tragen von<br />

Mundschutz, Augenschutz, Handschuhe und<br />

Schutzbekleidung schützen. Vor allem bei<br />

Arbeiten im Frontzahnbereich und vorderen<br />

Seitenzahnbereich müssen diese Schutzmittel<br />

ausreichend Schutz bieten bei<br />

- 3 -<br />

Abb. 4:<br />

Nach dem Bestrahlen der Schmelzoberfläche für 20<br />

Sekunden mit 38 µm-Pulver zeigen sich V-förmige<br />

Kanteneinschläge der harten Korundpartikel. Es haben sich<br />

vor allem Kantenlängen aus den kleinen Flächen der<br />

Korundpartikel abgebildet große Täler mit 30 µm sind recht<br />

selten<br />

handhabungsbedingten, möglichen intermittierenden Austritten von Partikeln und Aerosolen.<br />

Zum Schutz der adhäsiv wirkenden Schleimhäute wird von arbeits<strong>med</strong>izinischer Seite das Tragen von<br />

filtrierenden Halbmasken der Klasse P1, bei verdächtigen oder infektiösen Patienten mindestens der<br />

Klasse P2 oder P3 sowie das Tragen von Schutzbrillen (evtl. mit Korb bei Infektiosität) generell in der<br />

Zahn<strong>med</strong>izin empfohlen. Zum Schutz der Haut wird das Tragen von Handschuhen (beim Halten des<br />

<strong>Dr</strong>uckstrahlers sind alle Handschuhe erlaubt) und<br />

von Schutzbekleidung empfohlen.<br />

Atemschutz: Partikelfilter:<br />

z.B. DIN 3181: P1<br />

Handschutz: Schutzhandschuhe<br />

(alle Materialien für <strong>med</strong>izinische<br />

Handschuhe sind geeignet )<br />

Augenschutz: Schutzbrille<br />

(Rückprall bei Bearbeitung im<br />

Frontzahnbereich möglich).<br />

EU Richtlinie 93/42 /EWG<br />

berücksichtigen. Abl. Nr. L 169 vom<br />

12.7.1993, S. 1: Richtlinie 93/42 EWG des<br />

Rates vom 14.Juni 1993 über<br />

Medizinprodukte.<br />

Änderungen/Ergänzungen: 98/79 EG –<br />

Abl. Nr. L. 331 vom 7.12.1998).<br />

Vor- und nachbereitende Arbeiten<br />

Abb. 5:<br />

Übersichtaufnahme einer Kavität nach 60 Sekunden<br />

Bearbeitung mit dem 58 µm-Pulver.


am <strong>Dr</strong>uckstrahlgerät:<br />

- 4 -<br />

Edelkorundpulver sind bei sachgemäßem Umgang und unter Beachtung der üblichen Arbeitshygiene<br />

ohne gesundheitliche Gefahren zu handhaben. Nach dem Arbeitsende sind die Hände zu waschen.<br />

Neben der feuchten, desinfizierenden Raumreinigung sollte die trockene Raumreinigung in der<br />

zahnärztlichen Praxis mit einem Staubsauger erfolgen, der hinter dem Grob- und Schwebstofffilter einen<br />

HEPA Filter (gleichzeitig Motorschutzfilter) trägt. Die HEPA-Filterstufe verhindert eine längerfristige<br />

Anreicherung von atembaren Strahlmittelanteilen im Behandlungsraum. Gebrauchte und gesammelte<br />

Strahlmittel sind infektiöser Abfall und dementsprechend zu entsorgen.<br />

Allgemeiner Staubgrenzwert: MAK-Wert ( TRGS 900 )<br />

Alveolengängiger Anteil: 1,5 mg/m³<br />

(bisher „Feinstaub“, F)<br />

Konzentration des einatembaren<br />

Anteils (E): 4 mg/m³ (bisher<br />

„Gesamtstaub“ G<br />

Der Allgemeine Staubgrenzwert soll<br />

unspezifische Wirkungen auf die<br />

Atemorgane verhindern. Er ist<br />

anzuwenden für schwerlösliche oder<br />

unlösliche Stäube, für die<br />

Korundstaub ein Vertreter ist, und die<br />

nicht anderweitig reguliert sind oder<br />

für Mischstäube.<br />

Die durchgeführten Filter-messungen<br />

am Mund des Patienten, bzw. im<br />

Atembereich des behandelnden<br />

Zahnarztes unter Einsatz des<br />

<strong>Dr</strong>uckluftstrahlers und einer<br />

Abb..6:<br />

Auf den granulär strukturierten Nitrocellulose-Filtern (Porenweite<br />

d=0,45µm) aus dem Mundbereichs des Phantoms sind keine Partikel<br />

erkennbar.<br />

intraoralen Absaugung haben sehr geringe Partikelzahlen gezeigt, welche die MAK-Grenzwerte (1,5<br />

mg/m³) weit unterschreiten.<br />

Die nachweisbaren Korundpartikelzahlen lagen im Bereich des normalen mineralischen Hausstaubs in<br />

Gebäuden, wenn im Absaugbereich ein Filtersystem bestehend aus (Papier-) Vorfilter und<br />

nachfolgendem HEPA Filter zum Einsatz kommt.<br />

Auf Grund der morphologischen Beschaffenheit der Korundpartikel sind bei sachgemäßer Handhabung<br />

und Verwendung keine gefährlichen Eigenschaften zu erwarten.<br />

Beim Umfüllen und Einfüllen von Korundpulver ist auf staubfreies Arbeiten zu achten. Nach<br />

Augenkontamination ist mit reichlich Wasser zu spülen. Beim Verschütten von Korundpulver sowie<br />

beim Trockenfegen können Schleimhautreizungen, Husten und Atemnot eintreten. Verschüttetes<br />

Korundpulver bzw. Pulverbeläge sind mit einem nassen Papiertuch aufzunehmen und in einem<br />

staubdichten Beutel zu entsorgen.

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