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Katharina Serafimova - Lusenti Partners

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Roundtable<br />

Nachhaltigkeit<br />

SponSoRen<br />

TeilnehmeR<br />

1 Daniel Bruderer Head of Product Sales<br />

Global Change Investing,<br />

Vontobel Asset Management<br />

2 <strong>Katharina</strong> <strong>Serafimova</strong> Head of Finance<br />

Sector Engagement, WWF Schweiz<br />

3 Dr. David n. Bresch Head Sustainability<br />

& Political Risk Management, Swiss Re<br />

4 Dr. René nicolodi Head of Sustainable<br />

Investment, Zürcher Kantonalbank<br />

5 Dr. Graziano lusenti Managing Partner,<br />

<strong>Lusenti</strong> <strong>Partners</strong> LLC<br />

6 michael lennert Financial Times Ltd,<br />

Moderator, Chefredaktor spn<br />

1<br />

2<br />

3<br />

Dezember 2011 / Januar 2012 spn 17<br />

4<br />

5<br />

6


Roundtable Nachhaltigkeit<br />

18 spn Dezember 2011 / Januar 2012<br />

spn: Wir sprechen heute über Nachhaltigkeit. Helfen<br />

Sie uns zuerst bei der Begriffsklärung: Was verstehen<br />

Sie unter nachhaltig Investieren?<br />

<strong>Katharina</strong> <strong>Serafimova</strong>: Es gibt keine allgemeingültige<br />

Definition für Nachhaltigkeit. Der WWF interessiert<br />

sich in erster Linie für die Umweltwirkung, die mit<br />

nachhaltigen Investments sowie Finanzierungen erreicht<br />

werden kann. Unsere Ziele sind der Erhalt der<br />

Biodiversität und das Verringern unseres ökologischen<br />

Fussabdrucks. Wichtige Themen im Bereich der Finanzwirtschaft<br />

sind Investments in nachhaltige Rohstoffe<br />

und der Bereich rund um den Klimawandel, ferner<br />

auch der Umgang mit Wasser.<br />

Daniel Bruderer: Für uns gehen Stabilität, wirtschaftlicher<br />

Erfolg und Verantwortung Hand in Hand. Wenn<br />

wir Unternehmen analysieren, dann schauen wir nicht<br />

nur auf kurzfristige Kennzahlen, sondern verfolgen<br />

eine ganzheitliche Sicht. Immaterielle Vermögenswerte<br />

wie die Qualität des Unternehmens, soziales wie<br />

auch geistiges Kapital sowie umweltfreundliches Verhalten<br />

eines Unternehmens sind wichtige Faktoren,<br />

die neben den finanziellen Aspekten bei einer Analyse<br />

zu berücksichtigen sind.<br />

Dr. René nicolodi: Wie Nachhaltigkeit per se definiert<br />

wird und wie Nachhaltigkeit im Anlagebereich dann<br />

umgesetzt wird, ist auf zwei Ebenen zu betrachten. Die<br />

Zürcher Kantonalbank orientiert sich strategisch am<br />

Dreisäulenkonzept, das eine langfristige Berücksichtigung<br />

von Umweltverantwortung, sozialer Verantwortung<br />

und Wirtschaftlichkeit in Verbindung bringt. Bei<br />

der konkreten Umsetzung im Anlagebereich setzen<br />

„wir berücksichtigen nachhaltigkeit<br />

bei allen unseren<br />

aktivitäten.” Dr. David Bresch<br />

wir den Fokus auf relevante Umweltaspekte,<br />

Sozialthemen und Corporate<br />

Governance sowie die Wirtschaftlichkeit.<br />

Schlussendlich ist eine einheitliche<br />

Definition für Nachhaltigkeit nicht<br />

zwingend; im Anlagebereich ist die<br />

Transparenz gegenüber den Kunden viel<br />

wichtiger.<br />

Dr. Graziano lusenti: Es gibt kein einheitliches<br />

Bild auf Seiten der Anleger;<br />

jede Pensionskasse hat eine etwas andere<br />

Einstellung und einen anderen Fokus.<br />

Das ist auch die Herausforderung für<br />

uns Berater – zu erkennen, was die Verantwortlichen<br />

von Pensionskassen wollen<br />

und wie sie es dann umsetzen möchten.<br />

Für unsere Kunden sind neben der<br />

umweltfreundlichen und wirtschaftlichen<br />

Effizienz die sozialen Aspekte sehr<br />

wichtig. Stichworte sind Menschenrechte<br />

und Ethik. Wichtig ist auch die Corporate<br />

Governance. Die Stiftungsorgane<br />

der Kassen wollen mitbestimmen, was in<br />

den Firmen passiert, in denen sie investiert sind.<br />

Dr. David Bresch: Wir berücksichtigen Nachhaltigkeit<br />

bei allen unseren Aktivitäten. Als global tätiger Rückversicherer<br />

nehmen wir auch viele längerfristige Risiken<br />

auf unsere Bücher. Nachhaltigkeit heisst hier also,<br />

langfristige Risiken gut zu identifizieren und dafür<br />

adäquate Preise zu verlangen. Wir müssen unseren<br />

Zahlungsverpflichtungen aufgrund der eingegangenen<br />

Verträge auch in ferner Zukunft nachkommen.<br />

Wir haben deshalb nicht das primäre Ziel, kurzfristig<br />

den rein monetären Wert zu optimieren. Zentral ist für<br />

uns die langfristige Zahlungsfähigkeit. Diese Dimension<br />

entspricht unserem Begriff von Nachhaltigkeit, die<br />

sowohl die Umwelt als auch soziale Faktoren berücksichtigt.<br />

Dazu haben wir ein Rahmenwerk entwickelt,<br />

wo wir diese verschiedenen Dimensionen messen und<br />

entscheiden, was wir tun oder lassen.<br />

spn: Sie haben die Expertise dafür?<br />

Bresch: Ja, und zum grössten Teil in unserem Haus.<br />

Das ist eine Notwendigkeit.<br />

spn: Herr Bruderer, Sie haben von Ganzheitlichkeit<br />

gesprochen. Das tönt gut, aber wie setzen Sie<br />

dies um?<br />

Bruderer: Wir verfolgen einen integrierten Ansatz. Bei<br />

uns sind es derzeit zwölf Mitarbeiter, welche die Unternehmensanalysen<br />

durchführen. Die Daten von Drittanbietern<br />

nutzen wir zwar als Basis, aber damit ist die<br />

Arbeit nicht getan. Wer kennt den Markt besser als die<br />

Sektoranalysten? Sie führen bei uns sowohl die Finanz-<br />

als auch die Nachhaltigkeitsanalyse durch.<br />

Bresch: Wir machen das sehr ähnlich. Es braucht die Experten<br />

für langfristige Nachhaltigkeitshemen, aber auch<br />

die Spezialisten, die solche Themen in spezifischen Sektoren<br />

berücksichtigen. Das für Nachhaltigkeitsrisiken<br />

zuständige Team gestaltet das Rahmenwerk und stellt


sicher, dass die richtigen Dimensionen einfliessen.<br />

Für schwierige Fälle wird es jeweils<br />

beigezogen.<br />

<strong>Serafimova</strong>: Wir begrüssen den ganzheitlichen<br />

Ansatz. Wir wollen die Integration<br />

der Nachhaltigkeit ins normale Mainstream<br />

Business voranbringen, also beim<br />

üblichen Research und der normalen Risikoprüfung.<br />

Es geht darum, den Standard in<br />

der Gesamtbranche anzuheben. Der Umweltbereich<br />

interessiert uns natürlich besonders.<br />

Hier können wir als Umweltorganisation<br />

auch Mehrwert bringen.<br />

Bruderer: Vergessen wir aber nicht die Performance,<br />

die ist für unsere Investoren sehr<br />

wichtig.<br />

lusenti: Im Idealfall sollte es künftig so<br />

sein, dass Nachhaltigkeit ein ganz normaler<br />

Ansatz ist, um optimal und<br />

Performance-orientiert zu investieren. Ist<br />

das nicht so, wäre dies ein schlechtes Zeichen.<br />

Das würde nämlich bedeuten, dass<br />

sich nachhaltige Investments als Entwicklung<br />

im Elfenbeinturm offenbaren und<br />

nicht im Sinne von Mainstream. Ich hoffe<br />

sehr auf die Entwicklung in Richtung Mainstream.<br />

nicolodi: Das hoffe ich langfristig auch.<br />

Aber Mainstream wird im Anlagebereich,<br />

was ich messen, bewerten, in Modelle einbauen und so<br />

in einem traditionellen Anlageprozesse internalisieren<br />

kann. Für einige Aspekte der Nachhaltigkeit ist das<br />

möglich, für andere, aus Nachhaltigkeitssicht sehr<br />

wichtige Themen eher weniger.<br />

spn: Zum Beispiel?<br />

nicolodi: Nehmen Sie die Corporate Governance. Es<br />

herrscht ein breiter Konsens, dass sie eine finanzielle<br />

Relevanz hat. Für andere Nachhaltigkeitsaspekte<br />

zeigen Studien zur finanziellen Bedeutung noch kein<br />

einheitliches Bild, obwohl wir davon ausgehen, dass<br />

aus Risiko- oder Renditesicht eine Relevanz gegeben ist.<br />

<strong>Serafimova</strong>: Es gibt dazu auch Beispiele aus dem Bereich<br />

„climate change“. Man ist sich einig, dass wir auf<br />

eine Wirtschaft hinsteuern, die weniger CO2 verbrauchen<br />

wird. Dazu braucht es Regulierungen und eine<br />

Entwicklung weg von energieintensiven Branchen hin<br />

zu klimafreundlichen Lösungen. Gleichwohl ist es eine<br />

Frage der Zeitperspektive: Sind die Anlagestrategien<br />

von heute schon für die Zukunft gerüstet?<br />

nicolodi: Es stellt sich die Frage, wie es mit der Integration<br />

der Nachhaltigkeit im traditionellen Anlagebereich<br />

konkret vorangeht. Bei der Zürcher Kantonalbank<br />

beschäftigen sich sieben Analysten sektorspezifisch<br />

mit der Nachhaltigkeitsanalyse von Unternehmen<br />

und Schuldnern. Sie berücksichtigen dabei auch<br />

langfristig ökonomische Treiber. Die kurzfristigen Anlageentscheide<br />

trifft der Portfolio Manager unter Be-<br />

<strong>Katharina</strong> <strong>Serafimova</strong> ist Head of Finance<br />

Sector Engagement beim WWF Schweiz. Die<br />

grösste Schweizer Umweltschutzorganisation<br />

will Nachhaltigkeit bei Finanzierungs-<br />

und Investment-Entscheiden voranbringen<br />

und als Mainstream Business etablieren. In<br />

erster Linie geht es um die Hebelwirkung,<br />

die durch Finanzintermediäre und Investoren<br />

im Hinblick auf deren Umweltwirkung<br />

erreicht werden kann. Durch ihre internationale<br />

Präsenz und langjährige Erfahrungen<br />

mit Nachhaltigkeitsstandards entlang der<br />

Handelsketten biete die Umweltorganisation<br />

einen Mehrwert für Akteure der Finanzbranche. <br />

rücksichtigung der Ergebnisse aus der<br />

Nachhaltigkeitsanalyse. Im Spannungsfeld<br />

von kurzfristigen Marktbewegungen<br />

und Quartalszahlen ist es für Finanzanalysten<br />

und Portfolio Manager<br />

tatsächlich aber nicht immer einfach,<br />

Nachhaltigkeitsaspekte systematisch zu<br />

berücksichtigen und daraus Risiken und<br />

Chancen im Anlageentscheid abzuleiten.<br />

Bresch: Auf der Versicherungsseite beschäftigt<br />

sich der Underwriter – derjenige,<br />

der Risiken zeichnet – im Kerngeschäft<br />

mit der Risikobeurteilung, und da<br />

fliessen mehrere Dimensionen mit ein.<br />

Wer beispielsweise Bergbauprojekte versichert,<br />

kümmert sich darum, wie gut<br />

diese geführt werden. Er fragt sich auch,<br />

wie sorgfältig dort gearbeitet wird. Wer<br />

dies holistisch betrachtet, also Nachhaltigkeitskriterien<br />

miteinbezieht, hat<br />

häufig einen messbaren Vorteil. Das ist<br />

bei uns auch auf der Anlageseite so. Wir<br />

führen ein Nachhaltigkeitsportfolio, das<br />

wir aus strategischen Gründen vorantreiben.<br />

Für den Grossteil unseres Anlageuniversums<br />

gilt, dass die Assets den<br />

Principles for Responsible Investment<br />

(PRI) entsprechen. Damit ist ein Rahmen<br />

geschaffen, in dem sich unsere Analysten<br />

bewegen müssen.<br />

Bruderer: Es gibt nicht viele Analysten, die beides können<br />

– Nachhaltigkeits- und Finanzanalyse. Wer beide<br />

Kompetenzen mitbringt, wird in Zukunft seinen<br />

Marktwert steigern. Bei uns haben wir Berichte kreiert,<br />

in denen Nachhaltigkeits- und Finanzanalysten gemeinsam<br />

die einzelnen Sektoren auf ihre Chancen und<br />

Risiken beleuchtet haben. Mit diesen Berichten haben<br />

„wir wollen die integration der<br />

nachhaltigkeit ins normale mainstream<br />

business voranbringen.” <strong>Katharina</strong> <strong>Serafimova</strong><br />

wir sektorspezifische Minimumstandards eingeführt.<br />

Diese Kriterien muss ein Unternehmen erfüllen, damit<br />

es ins Anlageuniversum kommt. Darüber hinaus treffen<br />

sich unsere Analysten wöchentlich mit dem Sustainability<br />

Research Team, um kontroverse Themen oder<br />

aber auch einzelne Anlageideen zu diskutieren. Unsere<br />

Sektoranalysten sind nicht mehr mit klassischen Aktienanalysten<br />

vergleichbar.<br />

spn: Herr <strong>Lusenti</strong>, interessieren sich Pensionskassen<br />

vermehrt für nachhaltiges Investieren?<br />

lusenti: Wir haben vor zwei Jahren einen Survey bei<br />

Pensionskassen zum Thema Nachhaltigkeit durchgeführt.<br />

Zusammengefasst: Ganz allgemein ist in der<br />

Schweiz ein deutliches Interesse für dieses Thema vorhanden.<br />

Es besteht auch die Bereitschaft, nach Nachhaltigkeitskriterien<br />

anzulegen. Diese ist bei öffentlich-<br />

Dezember 2011 / Januar 2012 spn 19


Roundtable Nachhaltigkeit<br />

rechtlichen Kassen grösser als bei privatrechtlichen<br />

Vorsorgeeinrichtungen. Und<br />

das Interesse ist – für uns eher erstaunlich<br />

– in der Romandie grösser als in der<br />

Deutschschweiz. Dabei ist ja die Sensibilität<br />

für Umweltfragen in der Deutschschweiz<br />

– meines Erachtens – allgemein<br />

grösser als in der Romandie. In der Westschweiz<br />

hat das politische Umfeld diese<br />

Fragen mehr gepuscht. Ein weiterer Grund<br />

ist das Mitwirken der Gatekeeper. Der Enthusiasmus<br />

der Consultants für Nachhaltigkeit<br />

war bis anhin in der Schweiz nicht<br />

so gross. Es kann auch gut sein, dass viele<br />

Pensionskassenverantwortliche im letzten<br />

Jahrzehnt mit Markt- und Finanzkrisen<br />

überlastet waren und das Thema Nachhaltigkeit<br />

etwas vernachlässigten. Gerade die<br />

letzten Krisen ab 2008 werden aber dazu<br />

führen, dass vermehrt in reale, handfeste<br />

Werte investiert wird – man will weniger<br />

finanziellen Hokuspokus, mehr Konkretes.<br />

Nachhaltige Anlagen werden von diesem<br />

Trend profitieren.<br />

spn: Herr Nicolodi, warum lassen sich<br />

Consultants in der Deutschschweiz<br />

schwer von Nachhaltigkeit überzeugen?<br />

nicolodi: Es war bislang nicht einfach, mit<br />

Consultants über das Thema zu sprechen<br />

oder sie dafür zu begeistern. Es besteht eine<br />

gewisse Skepsis gegenüber nachhaltigen<br />

Anlagen, die extrafinanzielle Aspekte hoch gewichten,<br />

deren Wirkung als Renditetreiber unklar ist. Da ist<br />

auch eine gewisse Grundlagenarbeit notwendig, die<br />

gemeinsam mit Consultants Erkenntnisse bringen<br />

könnte. Ausserdem: In anderen europäischen Ländern<br />

ist der politische Wille und Druck von NGOs bezüglich<br />

Nachhaltigkeit bei Pensionskassen grösser als in der<br />

Schweiz. Auch deshalb sind Consultants vermutlich<br />

zurückhaltender. Die Quote nachhaltiger Anlagen in<br />

der Schweiz ist eine der tiefsten in Europa.<br />

„nach einer definition von eurosif<br />

werden nachhaltige investments in<br />

‚core‘ und ‚broad‘ aufgeteilt.“<br />

Daniel Bruderer<br />

spn: Es ist noch viel Überzeugungsarbeit nötig?<br />

nicolodi: Wir suchen regelmässig den Kontakt zu Consultants<br />

und zu den Pensionskassenverbänden, um gemeinsame<br />

Bedürfnisse abzuklären und Know-how zu<br />

vermitteln. Wir versuchen Pensionskassen auch aufzuzeigen,<br />

wie sich Nachhaltigkeit schrittweise in den Anlageprozess<br />

integrieren lässt. Die Zürcher Kantonalbank<br />

und die Pensionskasse der Bank haben beispielsweise<br />

die Principles for Responsible Investment der<br />

Vereinten Nationen (UNPRI) unterzeichnet; in diesem<br />

Sinne wollen wir auch Pensionskassen für das Thema<br />

sensibilisieren und unterstützen.<br />

20 spn Dezember 2011 / Januar 2012<br />

Daniel Bruderer ist Head of Product Sales<br />

Global Change Investing bei Vontobel Asset<br />

Management. Die Global-Change-Investing-<br />

Boutique verfolgt einen integrierten Ansatz,<br />

bei dem es darum geht, den eigenen Performance-Anspruch<br />

mit der kritischen Beurteilung<br />

einer verantwortungsvollen Unternehmensführung<br />

zu verbinden. Im Anlageprozess<br />

werden die Kapitalrenditen und Bewertungen<br />

der Unternehmen diszipliniert<br />

analysiert und gemeinsam mit Nachhaltigkeitskriterien<br />

in die Anlageentscheidung<br />

einbezogen. Die Daten von Drittanbietern<br />

könne man zwar als Basis brauchen, damit<br />

sei die Arbeit aber nicht getan.<br />

<strong>Serafimova</strong>: Auch der WWF hat den Ball<br />

aufgenommen. Wir führen kommendes<br />

Jahr zum zweiten Mal den Zertifikatskurs<br />

für Sustainable Finance Leaders<br />

durch. Ziel ist es, Entscheidungsträger<br />

aus der Finanzbranche auf Nachhaltigkeit<br />

zu schulen. Wir spüren ein zunehmendes<br />

Interesse institutioneller Investoren,<br />

die sich mit Fragen zur Nachhaltigkeit<br />

an uns wenden. Ein zentrales<br />

Thema sind Rohstoffe und dabei vor allem<br />

Soft Commodities. Der WWF engagiert<br />

sich entlang der Handelsketten<br />

und hat beispielsweise mit dem FSC-Label<br />

für die Waldbewirtschaftung Standards<br />

mitentwickelt. Diese Erfahrungen<br />

und Erkenntnisse müssen wir für Investoren<br />

„übersetzen“.<br />

lusenti: Für den Durchbruch braucht es<br />

mehrere Driver. Meistens ist es ein Stiftungsrat,<br />

der für seine Kasse mehr Nachhaltigkeit<br />

will. Es kann auch der Arbeitgeber,<br />

die Gewerkschaft oder die Politik<br />

sein – oder externe Anbieter und Stakeholder.<br />

Solange es diese Driver nicht<br />

gibt, passiert eigentlich wenig. Dazu<br />

kommt, dass die Umsetzung von Anlagen<br />

nach nachhaltigen Kriterien teilweise<br />

noch zu abstrakt ist. Wer beispielsweise<br />

in Commodities anlegt, will einen<br />

Beitrag leisten für eine bessere Nutzung<br />

der Umwelt – oder dieser mindestens<br />

nicht schaden. Vielen nachhaltigen Anlageprodukten<br />

fehlt noch der Bezug zur realen Welt: Sie sind Marketing-getrieben<br />

und es hapert bei der effektiven Umsetzung.<br />

Ein weiterer, aus unserer Sicht sehr wichtiger<br />

Punkt: Mit nachhaltigen Anlagen entstehen für Pensionskassen<br />

eine zusätzliche Komplexität bei der Umsetzung<br />

und indirekt möglicherweise auch etwas mehr<br />

Kosten. Das muss man objektiverweise sagen und auch<br />

akzeptieren.<br />

Bruderer: Das sehe ich anders. Dass nachhaltige Anlagen<br />

mehr kosten als traditionelle Investments, ist heute<br />

vom Tisch. Da besteht eine falsche Wahrnehmung.<br />

Was es baucht, ist ein Effort von uns Anbietern, den<br />

Pensionskassen das Thema näherzubringen.<br />

spn: Konkret wie?<br />

Bruderer: Jeder Investor hat unterschiedliche Interessen.<br />

Nach einer gängigen Definition von Eurosif werden<br />

nachhaltige Investments in „Core“ und in „Broad“<br />

aufgeteilt: Zu Core zählen Ansätze wie Negativ- und<br />

Positiv-Screening, der Best-in-Class-Ansatz oder der<br />

Themenansatz. Unter „Broad“ werden Strategien wie<br />

Integration von ESG-Kriterien, Engagement und aktive<br />

Aktionärspolitik zusammengefasst. Gemäss Eurosif<br />

lag das Volumen nachhaltiger Anlagen in Europa per<br />

Ende 2009 bei 5 Billionen Euro, davon entfielen rund<br />

2,8 Billionen Euro auf den integrierten Ansatz. Wir haben<br />

uns für den integrierten Ansatz entschieden, da<br />

wir mit den ESG-Kriterien Nachhaltigkeitsüberlegungen<br />

in unseren Anlageprozess miteinbeziehen, ohne


auf Rendite verzichten zu müssen. Die Strategien lassen<br />

sich auch beliebig kombinieren. Da ist es jedem Investor<br />

selbst überlassen, welche nachhaltige Strategie<br />

am besten zu seiner Anlagephilosophie passt.<br />

Bresch: Ich will ebenfalls eine Lanze brechen für den<br />

integrierten Ansatz. Das passt auch zu unserem Modell,<br />

weil wir die Risiken ja nicht nur im Anlagebereich<br />

beurteilen, sondern auch in unserem Kerngeschäft,<br />

der Rückversicherung. Da ergeben sich Synergien und<br />

der Aufwand lohnt sich – man stelle sich nur mal vor,<br />

was ein Reputationsschaden kosten kann. Diese Kosten<br />

wären für uns viel höher als der personelle Aufwand<br />

für unser integriertes System. Und wenn wir berücksichtigen,<br />

was wir risikoadjustiert an Sicherheit gewinnen,<br />

weil wir nicht in längerfristig problematische Bereiche<br />

investiert sind oder diese versichern, dann sind<br />

wir allemal im positiven Bereich.<br />

nicolodi: Wenn sich Pensionskassen für einen integrierten<br />

Ansatz entscheiden, steht die Risikosicht im<br />

Vordergrund. Dies ist sinnvoll, denn sie haben eine<br />

langfristige treuhänderische Verantwortung gegenüber<br />

ihren Versicherten, die gesetzlich hauptsächlich<br />

finanzieller Natur ist. Sollte eine Pensionskasse in diesem<br />

Rahmen beachten, dass für die Versicherten die<br />

Gesellschaft auch in 20 und 30 Jahren noch lebenswert<br />

ist? Diese Frage beantworten wir klar mit Ja. So gesehen<br />

kann Nachhaltigkeit bei Pensionskassen einen mehrfachen<br />

Nutzen bringen, wenn sie in der Anlagestrategie<br />

richtig verankert ist.<br />

spn: Frau <strong>Serafimova</strong>, will der WWF aktiv mitreden<br />

in Unternehmen?<br />

<strong>Serafimova</strong>: Der WWF arbeitet mit Unternehmen aus<br />

unterschiedlichen Branchen. Bei nachhaltigen Investments<br />

ist das sogenannte Engagement ein wichtiger<br />

Ansatz unter mehreren. Es hat beispielsweise zu mehr<br />

Transparenz von Unternehmen gegenüber Investoren<br />

geführt. Das ist zentral, um qualifizierte Entscheide zu<br />

treffen. Letztlich zählt aber nicht nur der Dialog mit<br />

dem Unternehmen, sondern welche Investitionen oder<br />

Finanzierungen effektiv getätigt wurden.<br />

nicolodi: Engagement ist für institutionelle Anleger<br />

und Pensionskassen eines der wesentlichsten Instrumente,<br />

um überhaupt etwas zu bewegen. Aufgrund der<br />

vorgegebenen Asset Allocation sind grosskapitalisierte<br />

Indextitel im Portfolio der meisten Pensionskassen. Engagement<br />

bedeutet da die Wahrnehmung der Stimmrechte<br />

oder das Einbringen von Traktanden an Generalversammlungen.<br />

Am wichtigsten ist aber der Dialog<br />

mit den Unternehmen über wesentliche strategische<br />

Ausrichtungen zum Thema Nachhaltigkeit. Wir versuchen<br />

das bei der Zürcher Kantonalbank systematisch<br />

umzusetzen. Mit allen Firmen, die in unseren nachhaltigen<br />

Anlageuniversen enthalten sind, führen wir Gespräche.<br />

Das ist ein wesentlicher Hebel, um Nachhaltigkeit<br />

voranzutreiben. Ein gutes Beispiel ist die Berichterstattung,<br />

da man nur Unternehmen bewerten<br />

kann, von denen man gute Informationen hat. Vor<br />

zehn bis 15 Jahren hatte man kaum Infos zu relevanten<br />

Nachhaltigkeitsthemen, so beispielsweise zur Corporate<br />

Governance. Das hat sich in den letzten Jahren<br />

„wir schliessen firmen aus, die sich<br />

bezüglich nachhaltigkeitsbewertung<br />

nicht gut entwickelt haben.” Dr. René nicolodi<br />

deutlich verbessert. Heute bestehen Standards zur<br />

Nachhaltigkeitsberichterstattung an zahlreichen Börsen.<br />

Diesen Prozess haben auch die Anleger im Dialog<br />

mit den Unternehmen vorangetrieben.<br />

Bruderer: Match-entscheidend ist der Dialog mit Unternehmen.<br />

Es gibt aber viele Investoren, die nehmen<br />

zwar die Daten, führen aber keinen Dialog. Das finde<br />

ich fahrlässig. Andererseits gibt es Firmen, die von sich<br />

aus uns gegenüber darlegen, wie sie ihre gesellschaftliche<br />

Verantwortung wahrnehmen. Das ist auch ein<br />

Wettbewerbsvorteil für die Firma: Nehmen Sie zwei Firmen<br />

mit dem gleichen Angebot und die eine ist nachhaltiger<br />

– die kriegt die Aufträge.<br />

spn: Wie erkennen Sie, dass es sich<br />

bei den Fimenpräsentationen nicht<br />

bloss um einen cleveren Marketing<br />

Gag handelt?<br />

Bruderer: Wir führen einen aktiven Dialog<br />

mit Unternehmen und verlassen uns<br />

nicht auf öffentlich zugängliche Daten.<br />

Wir verifizieren die Unterlagen und führen<br />

eigene Recherchen zum Unternehmen<br />

durch. Natürlich gibt es keine<br />

100-prozentige Garantie. Es ist unser Anspruch,<br />

eine solide Finanz- und Nachhaltigkeitsanalyse<br />

durchzuführen.<br />

spn: Haben Sie auch schon Firmen<br />

ausgeschlossen?<br />

nicolodi: Die Firmen werden regelmässig<br />

überprüft, insbesondere hinsichtlich<br />

aktueller Reputationsrisiken.<br />

Wir schliessen Firmen aus, die sich bezüglich<br />

Nachhaltigkeitsbewertung<br />

nicht gut entwickelt haben, ein gravierendes<br />

Problem aufweisen oder wiederholt<br />

enttäuscht haben.<br />

Bresch: Wir schliessen auch Unternehmen<br />

aus, doch wir müssen dies konsistent<br />

tun. Dazu haben wir ein Rahmenwerk<br />

für die verschiedenen Bereiche<br />

vom Bergbau über Rüstungsgüter bis zu<br />

Öl- und Gasförderung. Da gibt es jeweils<br />

Ausschlusskriterien und auch eine Ausschlussliste.<br />

So versichern wir beispielsweise<br />

keine Firmen, die Personenminen<br />

herstellen. Wir versuchen transparent<br />

zu sein und engagieren uns wo möglich<br />

und nötig in einem Dialog auf klarer Basis.<br />

Gibt es keine messbare Entwicklung,<br />

setzen wir einen Haltepunkt, drohen<br />

mit Ausschluss – und vollziehen diesen<br />

bei mangelndem Fortschritt durchaus.<br />

Dr. Graziano <strong>Lusenti</strong> ist Managing<br />

Partner bei der Beratungsfirma<br />

<strong>Lusenti</strong> <strong>Partners</strong>. Was bei<br />

seinen Kunden stark im Vordergrund<br />

stehe, sei der umweltfreundliche,<br />

aber auch der soziale<br />

Aspekt. Im Fokus stünden dabei<br />

Menschenrechte und Ethik,<br />

aber auch die Corporate Governance.<br />

Die Stiftungsorgane der<br />

Kassen wollen nach <strong>Lusenti</strong>s Erfahrungen<br />

mitbestimmen, was<br />

in den Firmen passiert, in denen<br />

sie investiert sind. Immobilien<br />

eignen sich für ihn besonders,<br />

um praktisch und effektiv einen<br />

positiven Beitrag in der Schweiz<br />

zu leisten. Insgesamt hielten<br />

sich Schweizer Pensionskassen<br />

bei nachhaltigen Anlagen aber<br />

noch zurück, insbesondere in<br />

der Deutschschweiz.<br />

Dezember 2011 / Januar 2012 spn 21


Roundtable Nachhaltigkeit<br />

22 spn Dezember 2011 / Januar 2012<br />

lusenti: Wir haben das Problem, wie wir Nachhaltigkeit<br />

nach finanziellen und nicht finanziellen Kriterien<br />

messen. Da bestehen noch grössere Mängel. Darum ist<br />

es auch so schwierig, Pensionskassen mit harten Fakten<br />

zu überzeugen. Sowohl das Zahlenmaterial als<br />

auch die angewendete Methodik sind eher soft.<br />

nicolodi: Bezüglich der Aussagekraft gebe ich Herrn<br />

<strong>Lusenti</strong> Recht. Da kann die Branche noch mit<br />

Grundlagenarbeit überzeugen. Aber auch vorhandene<br />

überzeugende Studien, und solche gibt es immer<br />

wieder, konnten in der Schweiz bei Pensionskassen<br />

bisher keinen eigentlichen Boom auslösen. Welche<br />

Ziele verfolgt ein Investor, der nachhaltig anlegen<br />

möchte? Welche Bedeutung hat das jährliche Renditeziel<br />

im Vergleich zu einer konventionellen Benchmark?<br />

Wie weit darf Nachhaltigkeit die traditionelle<br />

Benchmark beeinflussen und damit das Risiko von<br />

Renditeschwankungen erhöhen? Streubombenhersteller<br />

kann man ausschliessen, das wirkt sich nicht aus.<br />

Wenn man aber nach der Ölkatastrophe im Golf von<br />

Mexiko über den Öl- und Gassektor nachdenkt, betrifft<br />

dies 11 Prozent der Kapitalisierung des Weltaktienmarktes.<br />

lusenti: Viele Pensionskassen wären wahrscheinlich<br />

bereit, etwas weniger Performance zu erwirtschaften,<br />

wenn dafür ein Mehr an Nachhaltigkeit entsteht. Nur<br />

muss man dieses Mehr auch erfassen und messen können.<br />

Und das können wir zurzeit leider noch nicht. Die<br />

Stiftung Ethos legt bei Aktien Schweiz nachhaltig an<br />

und hat eine Zeit lang weniger Performance erwirtschaftet,<br />

weil sie einen Titel – den Saatguthersteller<br />

Syngenta, so scheint mir – nicht berücksichtigt hatte.<br />

Das muss man erklären. Wir haben einen Kunden, der<br />

in Commodities anlegt und sich fragt, ob dies zu Preissteigerungen<br />

bei Grundnährmitteln und dadurch zu<br />

Hunger in der Dritten Welt führt. Der Kunde schliesst<br />

nun von den vier Commodity-Bereichen das Agro-Business<br />

aus. Wir können hier weder wissenschaftlich noch<br />

„grundsätzlich geht es um ein<br />

zusammenspiel unterschiedlicher<br />

welten.“ Dr. Graziano <strong>Lusenti</strong><br />

wirtschaftlich begründen, ob dieses Vorgehen sinnvoll<br />

ist oder nicht. Es fehlen die harten Fakten.<br />

<strong>Serafimova</strong>: Ich will da nachdoppeln. Es gibt Studien<br />

zur Performance, aber kaum Studien, die der Frage<br />

nachgehen, ob unsere Welt nachhaltiger wird, wenn<br />

wir nachhaltig anlegen. Hier braucht es harte Fakten,<br />

um darzulegen, dass wir mit nachhaltigen Anlagen unsere<br />

Ziele erreichen.<br />

Bresch: Um Nachhaltigkeit zu messen, müsste man<br />

zumindest die bekannten Externalitäten internalisieren.<br />

Das versuchen wir auf der Risikoseite zu tun.<br />

Bruderer: Hypothetisch könnte ich ein Datenset der<br />

letzten 15 Jahre nehmen und versuchen, das Nachhaltigkeitsalpha<br />

herauszufiltern. Manche Anbieter behaupten,<br />

hier zu Ergebnissen gekommen zu sein.<br />

Schlussendlich trifft der Portfolio Manager die Entscheide<br />

– und da berücksichtigt er nicht nur das Resultat<br />

der Nachhaltigkeitsanalyse, sondern auch das Kurspotenzial<br />

einer Unternehmung und Faktoren wie Stil,<br />

Grösse, Anlageregion etc. Dies sind alles Faktoren, welche<br />

einen wesentlichen Einfluss auf die Performance<br />

haben können. Deshalb haben wir uns ein übergreifendes<br />

Outperformance-Ziel gesetzt.<br />

Bresch: Und wir müssen berücksichtigen, dass solche<br />

Studien die Welt immer im Rückspiegel betrachten.<br />

Wenn man wirklich daran glaubt, dass eine Energiewende<br />

stattfinden muss, dann kann ich nicht die Performance<br />

der letzten zehn Jahre anschauen. Diese Information<br />

ist praktisch wertlos. Will ich strategisch in<br />

Richtung erneuerbare Energien gehen, muss ich nach<br />

vorne schauen.<br />

<strong>Serafimova</strong>: Wir brauchen Instrumente, um zu beurteilen:<br />

Ist ein Unternehmen strategisch vorbereitet auf<br />

die Zukunft oder nicht?<br />

Bruderer: Aber starke makroökonomische Einflüsse<br />

lassen sich kurz- bis mittelfristig nicht ausblenden.<br />

Nehmen Sie die Schuldenkrise 2008. Egal ob Sie nachhaltig<br />

anlegten oder nicht, Sie wurden abgestraft.<br />

nicolodi: Wir beurteilen unsere nachhaltigen Produkte<br />

relativ zu ihren jeweiligen nachhaltigen Anlageuniversen<br />

als Ausgangslage und relativ zu den traditionellen<br />

Benchmarks. Damit haben wir ein besseres Bild,<br />

welchen Peformanceeffekt Nachhaltigkeit hat. Gleichzeitig<br />

haben wir mit der ETH Zürich eine dreijährige<br />

Studie durchgeführt, um auf der Grundlage eines Multifaktorenmodells<br />

die Performance nachhaltiger Anlageuniversen<br />

zu analysieren. Die Ergebnisse werden wir<br />

Ende Jahr präsentieren.<br />

lusenti: Grundsätzlich geht es um ein Zusammenspiel<br />

unterschiedlicher Welten – der Welt der Nachhaltigkeit,<br />

wo es darum geht, die Umwelt in verschiedener<br />

Hinsicht wirklich zu verbessern, und der Finanzwelt,<br />

der es um Profitmaximierung geht. Zynisch ausgedrückt:<br />

Die Asset Manager interessieren sich vor allem<br />

dafür, möglichst viele Assets under Management zu<br />

haben, weil dies ihren Einnahmestrom bestimmt.<br />

Wenn ein Nachhaltigkeitslabel noch mehr Assets


ingt, um sobesser. Und wenn es die Marge erhöht, ist<br />

es noch viel besser! Es ist schwierig, diese Welten zusammenzubringen.<br />

Ich finde es wichtig, dass unabhängige<br />

Organisationen wie der WWF hier näher hinschauen<br />

und prüfen. Nachhaltigkeit ist trendy und<br />

eben deswegen muss man Acht geben, dass sie nicht zu<br />

einem Verkaufs- oder Marketing Gimmick degradiert<br />

wird.<br />

<strong>Serafimova</strong>: Entscheidend ist die Wirkung von nachhaltigen<br />

Anlagen auf die reale Welt. Sonst verliert dieser<br />

Ansatz seine Glaubwürdigkeit.<br />

Bruderer: Es gibt in der Schweiz nur wenige seriöse Anbieter<br />

von nachhaltigen Anlageprodukten. Auch<br />

grössere Anbieter hatten mal eine breite Palette, die<br />

mittlerweile eingeschränkt wurde beziehungsweise<br />

nicht ausgebaut wird.<br />

nicolodi: Ein Kriterium ist die Unterzeichnung der<br />

Prinzipien für verantwortungsbewusstes Anlegen der<br />

Vereinten Nationen; diese Verpflichtung ist nicht<br />

ohne. Wenn institutionelle Investoren Nachhaltigkeit<br />

langfristig erfolgreich umsetzen wollen, muss das Thema<br />

strategisch integriert sein. Ansonsten ist es ein Marketing<br />

Gag.<br />

spn: Sind Ereignisse wie die Finanzkrise oder die<br />

Atomkatastrophe von Fukushima auch Treiber<br />

für mehr nachhaltige Anlagen?<br />

nicolodi: Die von Ihnen erwähnten Ereignisse führen<br />

dazu, dass langfristig denkende Stiftungsräte sich vermehrt<br />

diesen Fragen stellen. Wir verzeichnen eine<br />

leicht höhere Nachfrage von Pensionskassen.<br />

lusenti: Wir sollten uns die Relationen vor<br />

Augen führen. Im internationalen Vergleich<br />

ist das Gesamtvermögen der zweiten<br />

Säule zwar gross, aber die einzelnen<br />

Schweizer Pensionskassen sind klein, weil<br />

unser System weit weniger konzentriert ist<br />

als in den Niederlanden, in Grossbritannien<br />

oder in den USA; die grössten unter ihnen<br />

verwalten rund 30 Milliarden Franken.<br />

Es fehlt an den nötigen Ressourcen, um die<br />

ganze Problematik der Nachhaltigkeit im<br />

grossen Stil anzupacken. Auch das ist eine<br />

Erklärung, warum Pensionskassen in der<br />

Schweiz in Sachen Nachhaltigkeit eher zurückhaltend<br />

sind. Es kommen also nur verhältnismässig<br />

einfache Lösungen in Frage,<br />

sowohl bei den Produkten als auch bei den<br />

zusätzlichen Dienstleistungen zur Verbesserung<br />

der Schlagkraft.<br />

spn: Herr Bresch, sind Sie mit der Performance<br />

Ihrer nachhaltigen Anlagen<br />

zufrieden?<br />

Bresch: In unserem Nachhaltigkeitsportfolio<br />

haben wir 400 Millionen Franken investiert.<br />

Insgesamt legen wir aber 150 Milliarden<br />

an. Aufgrund der Grösse ist das Nachhaltigkeitsportfolio<br />

nicht der Treiber unse-<br />

„entscheidend ist die wirkung auf<br />

die reale welt.” <strong>Katharina</strong> <strong>Serafimova</strong><br />

Dr. René Nicolodi ist Head of Sustainable Investment<br />

bei der Zürcher Kantonalbank<br />

ZKB. Bei der konkreten Umsetzung nachhaltiger<br />

Anlagen beachtet das eigene Nachhaltigkeitsresearch<br />

die Faktoren im Umwelt-,<br />

Sozial- und Corporate-Governance-<br />

Bereich sowie die Wirtschaftlichkeit. Wichtig<br />

sei vor allem Transparenz gegenüber den<br />

Kunden in Bezug auf die Umsetzung von<br />

Nachhaltigkeit im Anlagebereich.<br />

rer Performance. Rein finanziell betrachtet, ist es noch<br />

keine grosse Geschichte – aber auch keine schlechte.<br />

Fakt ist aber, dass wir dank unseres Engagements für<br />

Nachhaltigkeit Mitarbeitende finden konnten, die<br />

sonst nicht bei uns wären. So gesehen rechnet sich das<br />

allemal. Bei Neuanstellungen sind Themen wie Nachhaltigkeit<br />

des Unternehmens heute mitentscheidend.<br />

spn: Lassen sich Nachhaltigkeitskriterien bei allen<br />

Anlageklassen implementieren?<br />

nicolodi: Bei Aktien und Obligationen ist das unproblematisch.<br />

Dort kann ich beispielsweise nach dem Bestin-Class-Ansatz<br />

die nachhaltigsten Vertreter in jedem<br />

Sektor auswählen und die am wenigsten nachhaltigen<br />

nicht berücksichtigen. Für den Bereich Private Equity<br />

gibt es spezialisierte Cleantech Investments. Komplizierter<br />

wird es für Rohstoffe. Schlussendlich ist es dort<br />

eine ethische Frage, die man sich stellen muss. Nach<br />

unserer Meinung kann man heute nicht in Rohstoffe<br />

investieren, ohne in Konflikt mit Nachhaltigkeitsanforderungen<br />

zu kommen. Das heisst aber nicht, dass<br />

Investoren per se auf Rohstoffe verzichten müssen. Zunächst<br />

kann man in Anlageklassen anlegen, wo glaubwürdige<br />

und bewährte Konzepte bestehen.<br />

Bresch: Ich gebe dazu ein Beispiel. Gewinnung des<br />

Rohstoffs Öl aus Ölsand ist eine umstrittene Methode.<br />

Davor können wir unsere Augen nicht verschliessen,<br />

aber als Rückversicherer auch nicht einfach aussteigen.<br />

Wir stehen mit zu vielen Firmen in Geschäftsverbindung,<br />

die in irgendeiner Form mit<br />

Ölsänden zu tun haben. Wir können<br />

aber den Best-in-Class-Ansatz fahren.<br />

Das tun wir auch. Ich persönlich hätte<br />

das Öl lieber nicht aus diesen Quellen,<br />

aber der Abbau findet statt. Best-in-Class<br />

ist da viel besser als wegschauen.<br />

lusenti: Best-in-class ist gut, auch Diskussionen<br />

hinter den Kulissen in der<br />

Form eines „Engagements“, wenn sie etwas<br />

fruchten.<br />

nicolodi: Wir setzen Nachhaltigkeit<br />

über die gesamte Asset Allocation um. Es<br />

bestehen aber Spannungsfelder. Die<br />

Rohstoffe habe ich bereits erwähnt.<br />

Kann ich in Hedgefonds nachhaltig investieren,<br />

ja oder nein? Wir behaupten,<br />

es ist schwierig oder geht nicht. Als Pensionskasse<br />

muss ich verstehen, wo ich<br />

den Ansatz Nachhaltigkeit umsetzen<br />

kann und wo es heute noch nicht möglich<br />

ist.<br />

lusenti: Wichtig ist für Pensionskassen,<br />

dass sie schrittweise und pragmatisch<br />

vorgehen. Zu theoretisch funktioniert<br />

nicht.<br />

Dezember 2011 / Januar 2012 spn 23


Roundtable Nachhaltigkeit<br />

Bruderer: Ich frage mich auch, wie nachhaltig<br />

sind nachhaltige Benchmarks? Diese<br />

werden oft als Proxy herangezogen, ohne<br />

die zugrunde liegenden Daten zu hinterfragen.<br />

Es fällt auf, dass Daten-Provider<br />

zum Teil diametral unterschiedliche Einschätzungen<br />

für gleiche Titel abgeben.<br />

nicolodi: Ja, das ist so. Ich kann Ihnen aber<br />

auch für jeden SMI-Titel einen Analysten<br />

mit einer jeweils unterschiedlichen Bewertung<br />

für den Titel nennen.<br />

lusenti: Die Qualität von Nachhaltigkeitsbenchmarks<br />

kann man in Frage stellen.<br />

Diese Einstellung haben auch viele Pensionskassen:<br />

Sie wollen Nachhaltigkeit, aber<br />

verwenden weiterhin den MSCI World oder<br />

den SPI als Benchmark. Das ist zwar nicht<br />

ganz korrekt, aber irgendwie die überzeugendere<br />

Lösung.<br />

nicolodi: Unsere Produkte haben traditionelle<br />

Benchmarks. Man muss den Investoren<br />

auch transparent darlegen, dass mit einem<br />

Best-in-Class-Ansatz das aktive Risiko<br />

im Vergleich mit einer traditionellen<br />

Benchmark in der Regel erhöht wird. Das<br />

kann sich phasenweise positiv oder negativ<br />

auswirken. Wer hingegen eine sehr Benchmark-nahe<br />

Rendite möchte, der braucht allenfalls andere<br />

Ansätze. Das müssen Investoren verstehen und<br />

langfristig akzeptieren, wenn sie nachhaltige Anlagestrategien<br />

prüfen.<br />

Bresch: Das am wenigsten Nachhaltige für eine Kasse<br />

wäre, wenn sie einen Schlingerkurs beschreitet. Also<br />

lieber sorgfältig und weniger ambitiös starten und dabeibleiben,<br />

statt sich zu weit nach vorne zu wagen und<br />

die halbe Mannschaft zu verlieren, weil sie nicht mehr<br />

daran glaubt. Der Aufbau unserer Nachhaltigkeitsportfolios<br />

ist auch von der Krise überschattet. Wir haben<br />

das Volumen zwar beibehalten, aber auch nicht aggressiv<br />

ausgebaut. Uns hat es geholfen, den Stein nicht zu<br />

weit zu werfen, dafür längerfristig dabeizubleiben.<br />

lusenti: Schritt für Schritt ist besser als der grosse<br />

Wurf. Ich würde mit den Aktien anfangen, dann auf<br />

Obligationen ausweiten. Der Best-in-Class“-Ansatz hat<br />

sich hier am besten bewährt. Immobilien dürfen auf<br />

keinen Fall vergessen werden, es sind sogar die Anlagen,<br />

die sich für nachhaltiges Wirtschaften besonders<br />

gut eignen: Pensionskassen, die selbst das Immobilien-<br />

PorteFOLIO verwalten, verfügen dort über den meisten<br />

Spielraum, um konkrete Massnahmen umsetzen zu<br />

können! In der Tat sind Immobilienanlagen für schweizerische<br />

Kassen der effizienteste und direkteste Weg,<br />

um in der Schweiz einen positiven Effekt auf die Umwelt<br />

zu erzielen. Das ist ein sehr wichtiges Thema, vor<br />

allem bei öffentlich-rechtlichen Kassen. Es braucht ein<br />

ganzheitliches, praxisorientiertes Konzept.<br />

<strong>Serafimova</strong>: Das Stichwort Immobilien greife ich gerne<br />

auf. Da besteht ein grosses Potenzial und Nachholbedarf.<br />

Es gibt strukturelle, finanzielle und organisatori-<br />

24 spn Dezember 2011 / Januar 2012<br />

Dr. David N. Bresch ist Head Sustainability &<br />

Political Risk Management beim Rückversicherer<br />

Swiss Re. Das am wenigsten Nachhaltige<br />

für eine Pensionskasse wäre seiner<br />

Ansicht nach, wenn sie einen Schlingerkurs<br />

beschreite. Bezüglich der Nachhaltigkeitsstrategie<br />

heisst das: Lieber sorgfältig vorbereitet<br />

und weniger ambitiös starten und dabeibleiben.<br />

Um Nachhaltigkeit zu messen,<br />

müsse man zumindest die bekannten Externalitäten<br />

internalisieren. Rückversicherung<br />

muss im Kern nachhaltig sein.<br />

sche Stolpersteine, etwa sind Investitionen<br />

in Energieeffizienz häufig fragmentiert<br />

und daher mit höheren<br />

Transaktionskosten verbunden. Aufgrund<br />

solcher Hindernisse, wird bei der<br />

Energieeffizienz nicht mehr investiert.<br />

Dabei wären nachhaltige Investitionen<br />

in Immobilien ganz im Sinne der institutionellen<br />

Anleger.<br />

Bresch: Swiss Re hat eine nachhaltige<br />

Gebäudestrategie beschlossen und seither<br />

bauen wir nur noch nach dem<br />

Minergie-Standard. Welches Energie-Label<br />

das beste ist, darüber kann man lange<br />

streiten. Wichtig ist es, dabeizubleiben<br />

und mit der Zeit zu lernen. Bei jeder<br />

Renovation, die wir tätigen, fliesst<br />

diesein. Und es rechnet sich: Die Amortisationszyklen<br />

sind kürzer, als wir dachten.<br />

Nehmen Sie den Ölpreis, wo Experten<br />

von 30 Dollar als Obergrenze ausgingen.<br />

Heute sind wir bei über 100 Dollar.<br />

nicolodi: Bei der ZKB entsprechen 20<br />

Prozent der Gebäudeparks dem Minergie-Standard.<br />

Dieser Anteil soll schrittweise<br />

ausgebaut werden. Aber neue Investment-Projekte<br />

sind rar und bei Renovationen<br />

ist es schlussendlich immer<br />

auch eine Frage der Wirtschaftlichkeit.<br />

spn: Wohin wird die Nachhaltigkeitreise gehen?<br />

nicolodi: Die Professionalisierung bei nachhaltigen<br />

Anlagen wird zunehmen, wir werden über aussagekräftigere<br />

Daten verfügen und das Know-How und Wissen<br />

wird sich weiter erhöhen. Nachhaltigkeit wird<br />

schrittweise zum Mainstream, und das auf ganz anderem<br />

Niveau, als es heute der Fall ist.<br />

Bresch: Nehmen wir die Energiewende. Ist sie für die<br />

Schweizer Volkswirtschaft zu packen, und zwar so,<br />

dass wir auch exportmässig Geld verdienen? Da sind<br />

wir daran, die Chancen und Risiken des Wandels zu<br />

verstehen – und die passenden Produkte anzubieten.<br />

lusenti: Der Anteil an nachhaltigen Anlagen wird steigen,<br />

auch wenn es zurzeit schwierig ist und die Märkte<br />

nicht mitspielen. Ausschlaggebend sind einzelne Driver<br />

mit Überzeugungskaft. Sie müssen zeigen, dass der<br />

Nutzen finanziell, gesamtwirtschaftlich und langfristig<br />

besteht.<br />

Bruderer: Nachhaltigkeit wird zum Mainstream. Dabei<br />

wird es nicht eine Anlagelösung geben, die für alle<br />

Investoren funktioniert. Ich empfehle den institutionellen<br />

Investoren, die verschiedenen Ansätze genau<br />

unter die Lupe zu nehmen. Nachhaltige Kriterien werden<br />

zunehmend auf mehr Asset-Klassen angewendet<br />

werden und auch in den Emerging Markets eine grössere<br />

Rolle spielen.<br />

spn: Sehr geehrte Damen und Herren, vielen Dank<br />

für die angeregte Diskussion. ■

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