30.12.2012 Aufrufe

Lerche Nr. 24

Lerche Nr. 24

Lerche Nr. 24

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

<strong>Nr</strong>. <strong>24</strong>/ Frühjahr 2006<br />

LEIPZIGER LERCHE<br />

Zeitschrift des Studiengangs Buchhandel/Verlagswirtschaft der Hochschule für Technik, Wirtschaft und Kultur Leipzig (FH)<br />

Leipzigs steinerne Zeitzeugen<br />

books.google.com<br />

Der junge Blick auf die Branche<br />

Bulgarische Streifzüge<br />

Fotos: Steffi Beer, Fabienne Werner


AKTUELL<br />

Anzeige<br />

Aufgepasst und mitgemacht!<br />

Wir laden Sie ein!<br />

Der Studiengang Buchhandel/Verlagswirtschaft<br />

der HTWK Leipzig hat sich in<br />

Kooperation mit den Hochschulen aus<br />

Leipzig, München, Stuttgart, Mainz und<br />

Erlangen wieder eine Vielzahl von Veranstaltungen<br />

während der Leipziger Buchmesse<br />

für Sie ausgedacht. Ob diverse<br />

Lesungen, ein Poetry Slam, »ZitateGeschnetzeltes«<br />

oder aber die Vorstellung<br />

des neu gegründeten Fachbereichs Medien<br />

der HTWK Leipzig, für jeden ist etwas<br />

dabei. Alle Veranstaltungen finden am<br />

Gemeinschaftsstand »Studium rund ums<br />

Buch« in Halle 5, Gang A, Standnummer<br />

400 statt.<br />

Donnerstag, 16. März 2006<br />

12 Uhr »Studieren rund ums Buch«, eine Informationsveranstaltung<br />

an der Ausbild-Bar in Halle<br />

4, Gang A, Standnummer 505.<br />

15 Uhr Lesung mit Michal Hvorecky anlässlich<br />

seines Romandebuts »City: Der unwahrscheinlichste<br />

aller Orte«, erschienen im Tropen Verlag,<br />

Berlin.<br />

2 Leipziger <strong>Lerche</strong> <strong>Nr</strong>. <strong>24</strong><br />

19 Uhr Geyserhausparty in der Gräfestraße 25.<br />

Der Studiengang Buchhandel/Verlagswirtschaft<br />

lädt Professoren, Studenten, Absolventen, Gastdozenten<br />

und alle dem Studiengang Verbundene<br />

zum gemeinsamen Abend ein.<br />

Freitag, 17. März 2006<br />

11 Uhr »Neugründung Fachbereich Medien«,<br />

Informationsveranstaltung der HTWK Leipzig.Vorstellung<br />

und Podiumsdiskussion mit Gründungsdekan<br />

Prof. Dr. Uwe Kulisch und der studentischen<br />

Vertreterin Katja-Elisabetth Splichal.<br />

14 Uhr Poetry Slam - Fünf Wortakrobaten treten<br />

in poetischen Wettstreit. Dem Gewinner winkt<br />

eine Veröffentlichung seines Werkes bei BoD.<br />

Mit freundlicher Unterstützung von livelyrix<br />

Leipzig und Books on Demand.<br />

Samstag, 18. März 2006<br />

14 Uhr Vorstellung des internationalen Studiengangs<br />

»European Master in Publishing« am<br />

Gemeinschaftsstand »Studium rund ums Buch«.<br />

Zu Gast sind Kelvin Smith, leitender Dozent der<br />

Verlagswirtschaft an der Oxford Brookes University<br />

und Projektkoordinator Prof. Dr. Steffen<br />

Hillebrecht, Studiendekan der Fachrichtung<br />

Buchhandel/Verlagswirtschaft der HTWK Leipzig.<br />

15 Uhr Absolvententreffen des Studiengangs<br />

Buchhandel/Verlagswirtschaft am Gemeinschaftsstand<br />

»Studium rund ums Buch«.<br />

Sonntag, 19. März<br />

11 Uhr Lesung von Melanie Arns, Absolventin<br />

des Literaturinstituts Leipzig, aus ihrem Buch<br />

»Heul doch!«, erschienen im Jung und Jung<br />

Verlag, Salzburg.<br />

16. - 19. März 2006<br />

von 10 – 16 Uhr »ZitateGeschnetzeltes« und<br />

»LiterRad«. Jeweils um 16 Uhr Ermittlung der<br />

Tagessieger.<br />

Ansprechpartner bei Fragen zu den Veranstaltungen:<br />

Messeteam des Studiengangs Buchhandel/Verlagswirtschaft:<br />

Franziska Wesener: franziska.wesener@freenet.de<br />

Katja Walter: katja_wal@web.de


Das sind wir (von links nach rechts):<br />

Isabel Kirsche, Steffi Grimm, Fabienne Werner, Franziska Immisch, Ursula Eitzen, Steffi Beer, Sabine<br />

Giesser, Natalie Dittmann, Yvonne Anger, Johanna Krobitzsch, Nadja Zeughan, Michaela Bartzsch, Claudia<br />

Hanke, Anne Jurack, Katja-Elisabetth Splichal, Maja Franke<br />

Editorial<br />

Liebe Leserin, lieber Leser,<br />

Prüfungszeiten, stundenlange Recherchen, durchwachte Nächte und etliche<br />

Tassen Kaffee hielten uns nicht davon ab, Ihnen pünktlich zur Buchmesse eine<br />

neue Frühjahrs-Ausgabe der Leipziger <strong>Lerche</strong> vorzulegen. Auch dieses Mal präsentieren<br />

wir ein buntgemischtes Sammelsurium an Themen rund um die<br />

Branche und HTWK Leipzig.<br />

Wo entstand der Duden? Was ist das »Grafische Viertel«? Und warum interessiert<br />

uns das überhaupt? Ein Ausflug in die Vergangenheit bereinigt das Bild<br />

rosiger Zeiten, ein Blick in die Zukunft verdrängt den Pessimismus der<br />

Gegenwart. Die Fotoreportage »Auf den Spuren der Buchstadt Leipzig« führt Sie<br />

zu traditionsreichen Druckereien und dokumentiert deren Kampf gegen Verfall<br />

und Abrissbirne.<br />

Olympia liegt hinter uns, die WM steht vor der Tür. Kämpfen ist das Motto des<br />

Jahres. Auch Google schließt sich dieser Devise an und setzt sich mit seiner<br />

Internet-Buchsuche über Kontroversen hinweg. Frech, frisch und frei widmen<br />

wir uns diesen Entwicklungen und wagen einen Zwischenruf. Das britische<br />

Unternehmen ICUE klinkt sich in den Wettstreit um die Gunst neuer Zielgruppen<br />

mit ein – Literaturverhunzung versus hohe technische Anforderungen.<br />

Aus dem Osten in den Osten. Bulgarien bietet mehr als LastMinute. Der bevorstehende<br />

EU-Beitritt lenkt unseren Fokus auf Kultur und Tradition. Was war? Was<br />

ist? Was kommt? Ein literarischer Streifzug.<br />

Abseits der erwähnten Pfade können wir auch dieses Mal zahlreiche Abstecher<br />

in andere Regionen unserer Zeitschrift nur empfehlen.<br />

Allen treuen und neuen Lesern eine genüssliche Lektüre!<br />

Ihre LERCHE-Redaktion<br />

Inhaltsverzeichnis<br />

2 Aufgepasst und mitgemacht!<br />

– Veranstaltungsplan zur<br />

Leipziger Buchmesse<br />

3 Editorial<br />

LEIPZIG<br />

4 Auf den Spuren der Buchstadt Leipzig<br />

– Druckereien im »Grafischen Viertel«<br />

5 Deutsche Fußballkunst<br />

– Das Kulturprogramm der FIFA zur WM<br />

2006<br />

BRANCHE<br />

6 www.books.google.com<br />

– Ein Zwischenruf<br />

7 ICUE<br />

– Moving the way you read<br />

Shakespeare goes mobile<br />

– British phone company offers world<br />

literature via SMS<br />

8 Detailgenau und einzigartig<br />

– Der Buchbinderberuf zwischen industrieller<br />

Moderne und manueller Kunst<br />

9 »Wir haben der Welt etwas geschenkt«<br />

– Ein literarischer Streifzug durch<br />

Bulgarien<br />

10 Auf neuen Wegen<br />

– Die Vielfalt der Zusatzgeschäfte<br />

REZENSIONEN<br />

12 Aufgeschlagen<br />

»Die Gruppe 47«<br />

»Bulgarien Prosa«<br />

»Crashkurs Typo und Layout«<br />

KARRIERE<br />

13 CRM für kleine Verlage<br />

– Voland & Quist über Kundenbeziehungsmanagement<br />

HTWK LEIPZIG<br />

14 Typografie im Alltag<br />

– Kreativität zwischen Vorlesung und<br />

Prüfungsstress<br />

15 Kompetent und voller Erwartungen<br />

– Neuer Professor am Fachbereich<br />

16 Impressum<br />

Leipziger <strong>Lerche</strong> <strong>Nr</strong>. <strong>24</strong> 3<br />

EDITORIAL


LEIPZIG<br />

Auf den Spuren der Buchstadt Leipzig<br />

Druckereien im »Grafischen Viertel«<br />

Leipzigs jahrhundertelange Tradition in<br />

der Produktion und Vermarktung literarischer<br />

Werke ist weithin bekannt. Verlage,<br />

Druckereien und Buchbindereien<br />

konzentrierten sich besonders um 1900<br />

in Leipzigs Osten, dem so genannten<br />

»Grafischen Viertel«.<br />

Hier wurden Bücher gedruckt, die in die<br />

Geschichte eingingen und bis in die heutige Zeit<br />

von zentraler Bedeutung für Bildung und Wissen<br />

sind. So entstanden Klassiker wie »Meyer's Lexikon«,<br />

der »Duden« oder »Brehm's Tierleben«.<br />

Die historischen Stätte, in denen diese Werke produziert<br />

wurden, spielen heute jedoch kaum eine<br />

Rolle mehr. Ihnen droht eher Verfall und Abrissbirne<br />

als beständiger Ruhm.<br />

Was über die Jahre aus den Leipziger Druckereien<br />

geworden ist, möchten wir hier dokumentieren.<br />

Im Jahre 1821 bezog F.A. Brockhaus mitsamt seiner<br />

Druckerei einen neuen Gebäudekomplex innerhalb<br />

des »Grafischen Viertels«. Das Unternehmen<br />

führte elf Jahre später Schnellpressen ein<br />

und konnte sich damit innerhalb kürzester Zeit<br />

als größtes Druckerei- und Verlagshaus Deutschlands<br />

positionieren.<br />

Während des Zweiten Weltkrieges wurden die<br />

Gebäude stark zerstört. Nach der Befreiung durch<br />

die Alliierten wurde Brockhaus, wie viele andere<br />

Verlage, dazu gezwungen, Filialen in Westdeutschland<br />

zu eröffnen. Der Verlag ging nach<br />

Brockhaus – Zentrum<br />

4 Leipziger <strong>Lerche</strong> <strong>Nr</strong>. <strong>24</strong><br />

Wiesbaden. 1953 wurde das Stammhaus durch<br />

die DDR-Regierung enteignet und verlegte daraufhin<br />

hauptsächlich Reiseliteratur.<br />

Erst 1992 verkaufte die Treuhand die VEB Brockhaus<br />

an die westdeutsche Verlagsgruppe, zuvor<br />

angestrebte Kooperationen hatten nicht funktioniert.<br />

In den folgenden Jahren wurde der Standort<br />

Leipzig wieder zum Hauptsitz des Verlages<br />

erklärt, die Lexikonredaktion hielt im »alten«<br />

neuen Gebäude Einzug und bekannte sich 1993<br />

zu ihrem Domizil in der Querstrasse 18.<br />

Die Überreste des früheren Offizin Andersen<br />

Nexö entdeckt man zwischen Gerichtsweg und<br />

Perthelstraße. Um 1870 ließ sich C.G. Röder dort<br />

mit seiner renommierten Notendruckerei nieder.<br />

Durch die gute Auftragslage wurden die Gebäude<br />

über Jahrzehnte hinweg erweitert.<br />

Bis zur Jahrhundertwende entwickelte sich das<br />

Unternehmen zum bedeutenden Buch- und<br />

Postkartenhersteller mit eigener Lichtdruckabteilung.<br />

Trotz starker Zerstörung durch den Zweiten<br />

Weltkrieg und anschließender Verstaatlichung<br />

konnte der zum Teil privat gebliebene<br />

Großbetrieb seine Arbeit fortsetzen.<br />

Erst 1972 wurde die Firma in das »Offizin<br />

Andersen Nexö« eingegliedert und endgültig<br />

verstaatlicht. Nach der Wende und der damit verbundenen<br />

Veräußerung des Offizins an die<br />

Treuhand wurde die Zerstörung der ausgedienten<br />

Gebäude beschlossen.<br />

So bestimmten Abrissbirnen und Bagger das Bild,<br />

die erst wieder vor dem H-förmigen Trakt<br />

Gerichtsweg 5-7 stoppten. Denkmalschützer hatten<br />

festgestellt, dass es sich hier um den ältesten<br />

Stahlbetonbau Deutschlands handelt.<br />

Ein riesiges Industrieareal findet sich in der<br />

Salomonstraße. Ab Ende des 19. Jahrhunderts<br />

entstand hier das Offizin Wilhelm Drugulin, die<br />

sich auf wissenschaftliche Werke in orientalischen<br />

und okzidentalischen Sprachen spezialisierte.<br />

Besonders die Hinwendung zum buchkünstlerischen<br />

Qualitätsdruck führte zum sehr<br />

guten Ruf der Druckerei.<br />

Als erstes Offizin der um 1895 erwachten Buchkunstbestrebungen<br />

in Deutschland wurden hier<br />

die Zeitschriften »Pan«, »Die Insel« und die<br />

»Zeitschrift für Bücherfreunde« gedruckt.<br />

Aufgrund finanzieller Schwierigkeiten verschmolz<br />

das Unternehmen nach einigen Übernahmen<br />

1928 schließlich mit der Leipziger<br />

Druckerei von F. E. Haag zur Haag-Drugulin AG.<br />

1953 wurde der Betrieb verstaatlicht und in<br />

Offizin Andersen Nexö umbenannt.<br />

Nach der Wende kümmerte sich die Treuhand<br />

um die Gebäudekomplexe, innovative Nutzungskonzepte<br />

für das Areal wurden seither nicht erarbeitet.<br />

Gegenwärtig wird ein umgebauter Gebäudeteil<br />

als Kindertagesstätte genutzt und so vor<br />

dem beständigen Verfall bewahrt.<br />

TEXT: STEFFI BEER<br />

FOTOS: STEFFI BEER<br />

Industrieareal Salomonstraße<br />

Druckereieingang an der Salomonstraße<br />

Überreste des Offizin Andersen Nexö, Gerichtsweg Fassade des Offizin Andersen Nexö, Gerichtsweg


GESCHICHTLICHER EXKURS<br />

• Das »Grafische Viertel« um 1900<br />

Die volle Blüte erreichte das Viertel gegen 1900 und es erlangte Weltruhm. Das Bild wurde dominiert<br />

durch wuchtige Industriepaläste von Firmen wie Ph. Reclam jun., F. A. Brockhaus, E. A. Seemann,<br />

Breitkopf & Härtel und andere.<br />

Neben den Riesen waren zahlreiche mittlere und kleine Verlage, Papierhandlungen, Buchbindereien,<br />

Druckereien, Kommisionsgeschäfte, Antiquariate und Buchhandlungen zu finden. In dieser Zeit existierten<br />

im gesamten Leipziger Stadtgebiet laut Stadtadressbuch 848 Verlage und Buchhandlungen, 113<br />

Musikalienhandlungen, 44 Antiquariate, 201 Buchbindereien und 189 Druckereien, zusammengefasst<br />

waren es mehr als 2200 Betriebe des Buchgewerbes.<br />

Erwähnenswert ist dabei, dass 95% der Firmen ihren Sitz im »Grafischen Viertel« hatten.<br />

• Der Anfang vom Ende: 1943<br />

Auch der Leipziger Osten blieb von Angriffen im Zweiten Weltkrieg nicht verschont. Am 4.Dezember<br />

1943 wurden 70-80% des »Grafischen Viertels« zerstört.<br />

In dem Inferno dieses Tages verbrannten mehr als 50 Millionen Bücher, etwa 1000 Firmen hatten<br />

schwere Schäden zu beklagen, welche auch in den Folgejahren nicht mehr komplett beseitigt wurden.<br />

Der langsame Verfall des Viertels nahm seinen Lauf.<br />

Die LEIPZIGER LERCHE berichtete bereits darüber in in ihrer 20ten Ausgabe im Frühjahr 2004: »Nun liegt<br />

alles in Schutt und Trümmern – Die Zerstörung der Buchstadt Leipzig«<br />

Deutsche Fußballkunst<br />

Das Kulturprogramm der Fifa zur WM 2006<br />

Mit jedem Tag, mit dem die Fußball-Weltmeisterschaft<br />

näher rückt, schlagen die<br />

Herzen der Fans höher.<br />

Damit auch Kunst- und Kulturanhänger<br />

anlässlich des bevorstehenden Ereignisses<br />

strahlende Augen bekommen, wurde in<br />

Zusammenarbeit mit dem Organisationskomitee<br />

FIFA WM 2006 ein spezielles Programm<br />

der Bundesregierung beschlossen.<br />

André Heller, Multimedia-Artist und künstlerischer<br />

Leiter der Aktion, verknüpft die beiden<br />

Bereiche miteinander, indem er Fans an Kultur<br />

und Kulturbegeisterte an Sport heranführt. Unter<br />

dem Gütesiegel »Offizieller Beitrag des<br />

Kunst- und Kulturprogramms der Bundesregierung<br />

zur FIFA WM 2006« entstehen diverse<br />

Projekte in den Sparten Tanz, Theater, Film,<br />

Kunst, Musik und Literatur.<br />

Der Anpfiff für die literarische Fußball-Saison<br />

erfolgte bereits im vergangenen Jahr bei einem<br />

»Fest der Fußball-Poesie« im Münchner Literaturhaus.<br />

Acht renommierte Autorinnen und<br />

Autoren - Ilse Aichinger, Ulrike Draesner, Péter<br />

Esterházy, Franzobel, Robert Gernhardt, Günter<br />

Grass, Elfriede Jelinek und Urs Widmer - gestalteten<br />

zu diesem Anlass »philosophische« Kernaussagen<br />

des Fußballs wie »Der Ball ist rund«<br />

oder »Ein Spiel dauert 90 Minuten« zu Gedichten<br />

und lyrischen Kurztexten um.<br />

»Kopfballspieler – Ein Gipfel der Welt-<br />

Literaturen«<br />

In Berlin kamen Anfang 2006 Autoren zusammen,<br />

um über ihre zweite Leidenschaft, den<br />

Fußball, ins Gespräch zu kommen. Erklärtes Ziel<br />

war, die Faszination des Fußballs zu ergründen<br />

sowie Rituale, Symbolwertcharakter und Ästhetik<br />

dieses Sports zu beleuchten. Eine ebenso große<br />

Bedeutung kam dem Blick auf verschiedene<br />

Kulturen und der dortigen Rolle des Fußballspiels<br />

zu. Bereits im Vorfeld erweckten diese auch<br />

bei Nichtsportlern die Vorfreude auf das bevorstehende<br />

Weltereignis. Ein Dialog der anderen Art<br />

– ob im Streit der Meinungen oder mit Geschichten,<br />

Versen und Erzähltem entwickelten die<br />

Schriftsteller eigene, literarische Spielzüge. Sie<br />

zählen zu der wachsenden Gemeinschaft intellektueller<br />

Kicker: Per Olov Enquist, Henning Mankell,<br />

Hwang Chi-Woo, Javier Marías, Franzobel,<br />

Burkhard Spinnen, Ugo Riccarelli und Tim Parks<br />

spielten zusammen mit Péter Esterházy, Thomas<br />

Hürlimann, Ryszard Kapu´ci´ski,Viktor Jerofejew<br />

und Calixthe Beyala. All jene sind große Schriftsteller<br />

unserer Zeit. Die Veranstaltung »Kopfballspieler.<br />

Ein Gipfel der Welt-Literaturen« führte sie<br />

zum ersten Mal zusammen.<br />

Leipzig<br />

Im Museum der bildenden Künste Leipzig beginnt<br />

Mitte Juni 2006 die Ausstellung »Weltelf -<br />

Ballkünstler«, die elf internationale künstlerische<br />

Positionen in einer Gegenüberstellung zu elf<br />

Beiträgen aus Deutschland zeigt. Der Sport und<br />

seine künstlerische Ästhetik kann hier aus den<br />

unterschiedlichen Blickwinkeln der an der WM<br />

teilnehmenden Nationen betrachtet werden. Das<br />

Spektrum der Ausstellungsstücke umfasst Skulpturen,<br />

Malereien, Grafiken, Fotografien und vieles<br />

mehr. Im Haus des Buches sowie an anderen Orten<br />

in und um Leipzig finden Literaturveranstaltungen<br />

statt.<br />

Die Literaturhäuser Berlin, Hamburg, Frankfurt,<br />

München, Köln, Stuttgart und Leipzig stellen zu<br />

Beginn der WM 2006 mit der Veranstaltungsreihe<br />

»Fussballnationenimdialog« die spielenden Nationen<br />

selbst in den Vordergrund.<br />

Die Länder, die in der Vorrunde gegeneinander<br />

spielen, werden in den jeweiligen Literaturhäusern<br />

vorgestellt. Prominente Schriftsteller der<br />

Teilnehmerländer lesen aus ihren Werken und<br />

diskutieren den Mythos Fußball und seine Rolle<br />

in ihrem Land. »Da gibt es ein dramatisches<br />

Element im Fußball. Das ist es, was die Menschen<br />

womöglich so stark anspricht. So wie man einen<br />

Schauspieler an seinen Bewegungen erkennen<br />

H-förmiger Trakt des Offizin Andersen Nexö, Gerichtsweg<br />

Offizieller Fußball »Teamgeist« zur WM 2006<br />

kann, so kann man einen Fußballer an ihnen<br />

erkennen. Ohne dass man die Nummer sehen<br />

muss.« (Javier Marías)<br />

TEXT: ANNE JURACK<br />

FOTO: STEFFI BEER<br />

WEITERE INFORMATIONEN<br />

• ANSTOSS.<br />

Die Zeitschrift des Kunst- und Kulturprogramms<br />

der Bundesregierung zur FIFA WM<br />

2006<br />

• DORT WO DER BALL ROLLT<br />

Das Kulturprogramm des Netzwerks der<br />

Literaturhäuser in Berlin, Frankfurt, Hamburg,<br />

Köln, Leipzig, München, Salzburg und<br />

Stuttgart<br />

• POESIE-AUTOMAT<br />

Der »Poesie-Automat« verwandelt Zahlen in<br />

Poesie. Die Software generiert aus Toren und<br />

Spielergebnissen einzigartige Gedichte, die<br />

auf Anzeigetafeln, Fernsehschirmen, Handys<br />

und im Feuilleton erscheinen.<br />

• www.dfb-kulturstiftung.de<br />

• www.literaturhaeuser.net<br />

Leipziger <strong>Lerche</strong> <strong>Nr</strong>. <strong>24</strong> 5<br />

LEIPZIG


BRANCHE<br />

Anzeige<br />

www.books.google.com<br />

Ein Zwischenruf<br />

Bibliotheken und Verlage sind seit<br />

Oktober 2004 vom Online-Riesen Google<br />

herzlich eingeladen, sich an der Einrichtung<br />

einer Millionen Bände umfassenden<br />

Internet-Buchsuche zu beteiligen.<br />

Das Angebot der dort verfügbaren Titel<br />

wächst international und seit einem Jahr<br />

auch in Deutschland beständig – einhergehend<br />

mit dem Geschrei um Urheberrechte,<br />

Autorenschutz und Unterwanderung<br />

des Verlagswesen. Ein genauerer Blick<br />

scheint unerlässlich.<br />

Während zunächst nur Werke im Volltext erfasst<br />

werden sollten, deren Urheberrechtsschutz abgelaufen<br />

ist, finden sich nun mehr und mehr Verlage,<br />

die eine Chance erkannt haben, ihren Absatz<br />

zu steigern – durch die Buchsuche bei Google<br />

Print. Hierfür werden – stark vereinfacht – Auszüge<br />

oder ganze Werke gescannt, aufbereitet und<br />

online gestellt, verlinkt und damit abrufbar<br />

gemacht. Das soll schon alles sein? Ein Besuch der<br />

Seite zwängt sich geradezu auf, natürlich nur zu<br />

Forschungszwecken!<br />

Land der unbegrenzten Möglichkeiten<br />

»Das Ziel von Google ist es, die weltweit vorhandenen<br />

Informationen zugänglich zu machen.<br />

Viele dieser Informationen sind jedoch noch<br />

nicht online. Google Buchsuche will Informationen<br />

online verfügbar machen, indem es den<br />

Inhalt von Büchern dort platziert, wo Sie ihn am<br />

leichtesten finden – in Ihren Google-Suchergebnissen.«<br />

Von den Betreibern mit derart verheißungsvollen<br />

Worten begrüßt und herzlich empfangen im<br />

Land der unbegrenzten Möglichkeiten, sind es<br />

freilich nur noch ein paar wenige Schritte, bis<br />

man auch als Verleger in spe der Versuchung<br />

6 Leipziger <strong>Lerche</strong> <strong>Nr</strong>. <strong>24</strong><br />

erliegt und die verpönten Inhalte einer gründlichen<br />

(und kostenlosen) Inspektion unterzieht.<br />

Vielleicht lässt sich ganz nebenbei noch die ein<br />

oder andere Perle der Weisheit aufschnappen –<br />

schließlich stehen alle möglichen Prüfungen ins<br />

Haus.<br />

Ein Selbstversuch<br />

Zur pflichtbewussten Suchanfrage zum Stichwort<br />

»Urheberrecht« werden – beschränkt auf deutsche<br />

Publikationen – in der Rekordzeit von 0,3<br />

Sekunden 1730 Titel angezeigt. Eine internationale<br />

Suche würde den Rahmen der studentischen<br />

Imagination und des investigativen Journalismus<br />

sprengen. Eine stichprobenhafte Untersuchung<br />

der angezeigten Fundstücke bringt jedoch<br />

ernüchternde Ergebnisse. So können beispielsweise<br />

bei einem großen Teil der erfassten Bücher<br />

lediglich die Inhaltsverzeichnisse oder kurze<br />

Passagen eingesehen werden, andere bieten noch<br />

nicht einmal diese Möglichkeit, sondern bitten<br />

um Geduld und verweisen auf technische<br />

Schwierigkeiten bei der Vervollständigung des<br />

Angebots. Aha. Eine Spezifizierung der Anfrage<br />

auf »urheberrecht, schutz, verlag« bringt »nur«<br />

noch 46 Treffer und plötzlich brauchbares<br />

Material in komprimierter Form, voll erfasst und<br />

auch auf einem schlecht auflösenden Bildschirm<br />

gut lesbar – der Konkurrenzgedanke nimmt<br />

nachhaltig Gestalt an.<br />

Die umfassende Datenbank erweist sich als einfach<br />

zu handhaben, informativ und bequem, ausgesprochen<br />

preisgünstig – nämlich kostenlos –<br />

und im Gegensatz zur Universitätsbibliothek in<br />

den eigenen vier Wänden befindlich, allzeit geöffnet<br />

und völlig mahngebührenfrei. Allein der<br />

Umfang und die Aktualität scheinen das Manko<br />

zu sein, denn was nützen Gesetzestexte von anno<br />

dazumal? Unseren Selbstversuch hat »books.google.com«<br />

mit Bravour bestanden, ist aber in kaum<br />

einem Fall mehr als ein Zusatzangebot. Eine wei-<br />

Digitale Bibliothek<br />

tere Möglichkeit unter vielen – jedoch kein Ersatz<br />

für das Buch im Schrank.<br />

Und die Verleger? Sie sind wie immer geteilter<br />

Meinung. Während die einen eher Bereicherung<br />

erwarten und begeistert mitmachen oder – mal<br />

wieder – abwarten wollen wie sich die Lage am<br />

amerikanischen Markt austangiert, vermuten andere<br />

hinter den gegenwärtigen Entwicklungen<br />

und Errungenschaften böswillige Angriffe auf<br />

den ohnehin schon hart umkämpften Absatzmarkt.<br />

Denn das Mitmachen ist ganz einfach, vor<br />

allem für Bibliotheken, die sich am Buchprogramm<br />

mit gutem Willen und wenigen Mausklicks<br />

beteiligen können. Werke, deren Schutz<br />

erloschen ist, aber auch von Verlagen freigegebene<br />

Titel sind lediglich von legitimierter Hand auf<br />

einer Liste zu vermerken und schon geht’s los –<br />

aber nur fast, denn die zu erfassende Warteliste<br />

umfasst bereits jetzt mehrere Millionen Seiten.<br />

Der Börsenverein des Deutschen Buchhandels als<br />

Zentralorgan und gleichsam liebevolle Branchen-<br />

Mutti hat den »Eindringlingen« den Kampf<br />

angesagt. Da der Aufbau einer gemeinsamen<br />

Plattform im Interesse aller Verleger liege, scheint<br />

dies die adäquate Antwort auf den sich anbahnenden<br />

Kontrollverlust zu sein: »Sich von branchenfremden<br />

Anbietern nicht die Butter vom<br />

Brot nehmen lassen«, »mit Erfahrung und technischem<br />

Know-How die Kontrolle über die eigenen<br />

Titel behalten« – löbliche Ansätze, aber<br />

solange das deutsche Verlagswesen immer mindestens<br />

ein Jahr hinter den globalen Entwicklungen<br />

herhinkt, auch nicht mehr als das.<br />

Chancen und Ausblicke<br />

Warum nicht die Gelegenheit beim Schopfe<br />

packen und die so entstehende Plattform nutzen,<br />

als Schnupperstation, als virtuellen Buchladen,<br />

wo ein Titel durchblättert und geprüft werden<br />

kann, auf Tauglichkeit getestet, bestellt und auf<br />

einem neuen Absatzweg an den Leser gebracht<br />

werden kann? Weil Buchmarkt Tradition bedeutet?<br />

Weil neue Dinge Angst machen? Weil alles<br />

immer schlimmer wird? Technischer Fortschritt<br />

hat sich noch nie aufhalten lassen und wird auch<br />

diesmal auf lange Sicht in die Haushalte Einzug<br />

halten – und wenn es soweit ist, profitieren<br />

sicher nur die davon, die dabei sind!<br />

TEXT: KATJA-ELISABETTH SPLICHAL<br />

FOTO: THOMAS SCHULZE


ICUE<br />

Moving the way you read<br />

December 7th, 2005: A new era of reading<br />

begins with the official launch of a promising<br />

idea in the United Kingdom. ICUE<br />

enables the user to read books whenever<br />

and wherever he or she wants. Nothing<br />

special, you think? It’s special when you<br />

haven’t got a ‘real’ book and just a mobile<br />

phone at your fingertips.<br />

This private enterprise presents a new way of<br />

distributing content to readers by sending entire<br />

books to their mobile phone, and enabling them<br />

to read comfortably without having to press any<br />

keys. To avoid the impractical aspect of reading<br />

long texts on a tiny screen, the system uses the so<br />

called tachistoscope technology: one word after<br />

the other appears on the screen of your mobile,<br />

flickering up in front of your eyes to let them absorb<br />

it.The system can be downloaded to any colour-screen<br />

mobile phone, but isn’t yet working<br />

in Germany due to missing contracts with<br />

German mobile providers.<br />

How to get it?<br />

Within the UK, only a few seconds after sending<br />

a text message to 64888, the ICUE-programme<br />

appears on your phone’s applications menu. It<br />

includes a direct link to the book store and a<br />

WAP-based internet site, as well as generating an<br />

internal ‘library’ in which to store the bought<br />

books. It has a system for setting up reading preferences,<br />

such as style, text size and the speed at<br />

which the words appear. The text can also be set<br />

up to scroll automatically across the screen or it<br />

Shakespeare goes mobile<br />

British phone company offers world literature via SMS<br />

The British mobile service for students<br />

Dot Mobile, offered by the London company<br />

Taylor Herring Communications,<br />

follows a new path in sending poems and<br />

literary quotations via SMS. Classics of<br />

English literature – varying from Jane<br />

Austen over Charles Dickens to the great<br />

William Shakespeare – are optimized for<br />

mobile-phones.<br />

The words are transformed into the typical »SMSlanguage«<br />

or even substituted by symbols.The so<br />

called »textification« was developed by John<br />

Sutherland, professor for English at University<br />

College London. He says that this service is a great<br />

opportunity for both, introducing classic literature<br />

to the youth and for students’ preparation for<br />

exams. »The educational opportunities the service<br />

offers are immense.«<br />

can appear word by word or phrase by phrase. In<br />

every chosen way the text will appear automatically,<br />

which is essential for comfortable reading.<br />

Even during reading the user is able to control<br />

the speed, pause and skip back or forward in the<br />

The mobile book<br />

text, just like you can do with a ‘real’ book.<br />

Getting used to the tachistoscope technique will<br />

take two or three minutes reading and a little bit<br />

of practice. Publishing houses in the UK are very<br />

interested in this new way of distribution.<br />

Currently ICUE has deals with major publishing<br />

houses such as Harper Collins, Pan Macmillan<br />

and Egmont. They are negotiating with other<br />

houses including every major player in the UK.<br />

ICUE gets the license for the content of the booksto-mobile<br />

sector and the publisher gets a royalty<br />

split for every book sold. »We ask in exchange<br />

that they make us their exclusive mobile distributor«,<br />

says Jane Tappuni, managing director of<br />

ICUE.<br />

While the project began in January 2006, it’s still<br />

questionable if this method is useful because the<br />

interest of teens in reading books dwindled to a<br />

shocking level. Isn’t it actually an alarming step<br />

back to bring up more and more facilitations<br />

which make thorough reading somehow unnecessary?<br />

Don’t we partly lose the richness and<br />

colourfulness of a beautiful language?<br />

Furthermore, this new kind of »language« doesn’t<br />

follow the grammatical rules. Often letters are<br />

left out and words shortened, which detracts the<br />

ability of reading and understanding longer texts<br />

or writing correctly.<br />

Mr. Sutherland also states, that even Charles<br />

Dickens himself would have supported this idea<br />

because he also worked as a shorthand copyist.<br />

The average cost of a book will be around £5<br />

(approximately Euro 7.50). The mobile operator<br />

takes around 35 per cent of this fee, and the rest<br />

is shared between ICUE and the licenser. »People,<br />

and in particular kids, are far more open to the<br />

idea of using their mobile phones for a variety of<br />

purposes – they’re already using them to play<br />

games, watch TV clips, and send photos to their<br />

friends. Reading off your mobile phone is the<br />

natural next step«, said Sally Gritten, managing<br />

director at Harper Collins. And because of that<br />

teenagers are a main target group of ICUE, but they<br />

are a market that statistics show does not read as<br />

much as other segments.The company hopes that<br />

the new system on a familiar gadget will show<br />

teenagers the modern way to enjoy books and<br />

encourage them to read far more. The promotion<br />

of reading is one of ICUE´s main objectives.<br />

Marc Lewis, a well known new media innovator in<br />

the UK, is the founder of ICUE and represents a 75 per<br />

cent share of the company. »All his profits are being<br />

used to fund a new charity, which focuses on improving<br />

reading skills among teenagers and adults.«,<br />

as you can read on the homepage of the company.<br />

ICUE is also liaising with organisations such as<br />

The Book Trust and the British government, »to<br />

explore ways which ICUE can use to improve<br />

reading skills and to broaden access to books.«<br />

TEXT: NADJA ZEUGHAN, MARIE LOMAX<br />

FOTO: FABIENNE WERNER<br />

MORE INFORMATION<br />

• www.i-cue.co.uk<br />

LITERATURE VIA SMS<br />

• Jane Austen:<br />

1) Fit&Loadd<br />

• William Shakespeare:<br />

2) 2B?NT2B?=???<br />

3) Romeo, Romeo-wher4 R thou Romeo?<br />

• Solutions:<br />

1) ». . .handsome and wealthy . . .«<br />

(Pride and Prejudice)<br />

2) »To be or not to be – That’s the question«<br />

(Hamlet)<br />

3) »Romeo, Romeo, wherefore are<br />

thou Romeo?« (Romeo & Juliet)<br />

Try and find out, whether you might be a fan of<br />

textification yourself, technically you are ready –<br />

if you only own a mobile-phone. TEXT: YVONNE ANGER, FRANSISKA IMMISCH<br />

Leipziger <strong>Lerche</strong> <strong>Nr</strong>. <strong>24</strong> 7<br />

BRANCHE


BRANCHE<br />

Detailgenau und einzigartig<br />

Industrielle Moderne versus manuelle Kunst<br />

In den letzten Jahrzehnten erfuhr das frühere<br />

Traditionshandwerk eine beachtliche<br />

Wandlung: technische und wirtschaftliche<br />

Entwicklungen in der Buchbinderei<br />

prägten den Beruf in eine handwerkliche<br />

und eine industrielle Richtung.<br />

Noch in der ehemaligen DDR wurden alle Arbeiten<br />

vom Satz bis zur endgültigen Fassung als<br />

Komplettpaket unter einem Dach angeboten und<br />

getätigt. Im Zuge der Wiedervereinigung und<br />

einhergehendem Kapitalismus veränderte sich<br />

dieser Herstellungsprozess.<br />

Mit dem technischen Fortschritt bildeten sich<br />

neue Verfahrensweisen heraus, die das Handwerk<br />

des Buchbinders maßgeblich veränderten. Der<br />

Wandel der Zeit hielt auch vor dem traditionellen<br />

Gewerbe nicht inne, so dass zunehmende Konzentrationsprozesse<br />

zu beobachten waren. Heute<br />

tendiert der Buchbinder zu einer Art »Selbstversorger«<br />

– er ist nicht länger ein Glied der<br />

Kette in der Reihe der Produktionsschritte, er ist<br />

die Kette. Die Arbeitsschritte und –techniken des<br />

Buchbinders sind vielseitig, der Kreativität ist<br />

hierbei kaum Grenzen gesetzt.<br />

Auf die Technik kommt es an<br />

Ein Blick in die Werkstatt von Thomas Schulze,<br />

Reproduktionstechniker an der HTWK Leipzig und<br />

Inhaber einer kleinen Allround-Buchbinderei in<br />

der Nähe von Berlin zeigt, dass Buchbinder die<br />

Fähigkeit besitzen müssen, kunstgerecht mit den<br />

verschiedensten Materialien umzugehen: so entstehen<br />

Gewebebänder,Titelprägungen, Schnittverzierungen<br />

und verspielte Elemente wie das Zeichenband,<br />

das als klassische Orientierungshilfe<br />

im ungezügelten Lesefluss verwendet wird.<br />

Auch Ledereinbände erstatten überzeugend<br />

Bericht über die Wandlungsfähigkeit der buchhändlerischen<br />

Arbeit: die aufwändig gearbeiteten<br />

Franzbände spiegeln verblüffende Lederbearbeitungskunst<br />

wider. Schließlich attestiert das<br />

Endprodukt dem Meister großes Einfühlungsvermögen,<br />

Können und das unermüdliche Bestreben,<br />

etwas Besonderes zu kreieren.<br />

Die richtige Verpackung im Blick<br />

Besonders gefragt sind Alben, Schmuckkästchen,<br />

Kassetten für Münz- oder Markensammlungen,<br />

Buchhüllen oder Mappen. Eine Ausstellung<br />

ausgefallener Werke ließe sich problemlos arrangieren:<br />

Bücher, die sich von sechs Seiten öffnen<br />

lassen oder mit Medaillons versehen sind, herzförmige<br />

oder runde Bücher, Poesiealben aus reiner<br />

Handarbeit – die Fantasie wird hier kaum<br />

eingeschränkt.<br />

Der Buchbinder gibt dem Buch sein adäquates<br />

Gewand und baut durch die Verknüpfung von<br />

Inhalt und Äußerem eine Verbindung zum Leser<br />

auf. Da diese Formen in Zeiten von Massenanfertigungen<br />

dem Industrieeinband zum Opfer<br />

fallen, braucht es kleine Buchbindereien, die in<br />

zwei Bereiche aufgeteilt werden: einerseits auf<br />

Partiearbeit konzentriert, die sich der Klein- bis<br />

Großauflagen annehmen, andererseits Handbuchbinder<br />

wie Thomas Schulze. Sie spezialisie-<br />

8 Leipziger <strong>Lerche</strong> <strong>Nr</strong>. <strong>24</strong><br />

Von 6 verschiedenen Seiten zu öffnen: ein Buch des Verlags Faber und Faber<br />

ren sich lediglich auf Kleinstserien mit Schwerpunkt<br />

auf handwerklichen und künstlerischen<br />

Anfertigungen. Handbuchbinder produzieren<br />

überwiegend Bucheinbände. Sie nehmen sich<br />

Zeit für Einzelaufträge und erledigen die meisten<br />

Schritte liebevoll von Hand; im Gegensatz zur<br />

Industriebuchbinderei, wo die Buchfließstrecke<br />

viele Arbeitsplätze ersetzt.<br />

Kurioserweise lassen spanische Unternehmen<br />

Buchbinderarbeiten oftmals in Deutschland fertigen,<br />

deutsche Firmen vergeben ihrerseits wieder<br />

so manch einen Auftrag nach Polen, Tschechien<br />

oder Italien. Gründe für diese Verschiebungen<br />

finden sich in der Angst vor Ideenklau: Damit die<br />

Konkurrenz einem Unternehmen nicht gefährlich<br />

wird, werden Sprachbarrieren und Entfernungen<br />

dazwischen geschoben.<br />

Zur Existenzsicherung der meisten Buchbinder<br />

gehören jedoch nicht die vor Raubkopie zu<br />

schützenden Errungenschaften moderner Bindekunst,<br />

sondern die Standardaufträge aus öffentlicher<br />

Hand. Diese bringen zwar weniger Umsatz<br />

und schränken die kreative Freiheit des Buchbinders<br />

ein, geben ihm zugleich aber Einkommenssicherheit.<br />

Unbemerkt der breiten Öffentlichkeit verfügen<br />

einige Gefängnisse über bestens ausgestattete<br />

Buchbinderwerkstätten. Haftinsassen arbeiten in<br />

diesen Handwerksbetrieben für einen geringen<br />

Lohn und übernehmen einen Teil öffentlicher<br />

Aufträge.<br />

Unterschiedliche, kreative Aufträge<br />

Auch die Deutsche Bücherei in Leipzig besitzt<br />

eine eigene Buchbinderei, die strapazierfähige<br />

Einbände für den Bibliotheksbetrieb herstellt.<br />

Lackiert oder in Folie geschweißt halten sie vielen<br />

Entleihungen stand.<br />

Die Aufträge von Thomas Schulze reichen dagegen<br />

von Bibeln bis hin zu Kochbüchern. In den<br />

meisten Fällen geht es um komplette Anfertigungen:<br />

vom Buchblock über die Einbandfertigung<br />

bis zur Veredelung mit Medaillons oder<br />

dem Verschönern von Buchdecken. Von reinen<br />

Restaurierungen nehmen die meisten Buchbinder<br />

Abstand und geben diese Aufträge an Betriebe<br />

mit entsprechender Spezialisierung weiter.<br />

Realistische Ausblicke<br />

Kunden können heutzutage oftmals<br />

nur schwer nachvollziehen, dass<br />

Einzelanfertigungen, Reparatur oder<br />

Restaurierung eines Buches nach<br />

anderen Zeit- und Kostenmaßstäben<br />

berechnet werden müssen als industrielle<br />

Massenanfertigungen. Selbst<br />

Brancheninterne sehen die Tätigkeit<br />

des Buchbinders oft als sekundär an.<br />

Peter Jessen, Kunsthistoriker und<br />

Bibliothekar, hat diese Entwicklung<br />

folgendermaßen formuliert: »Wie<br />

kommt es doch, dass Tausende und<br />

Abertausende, die ihre Dichter verehren<br />

und lieben, so völlig blind<br />

gegen das Gewand sind, in dem sie<br />

ihnen begegnen, blind gegen alle<br />

Form im und am Buche, gegen den<br />

Einband, die Buchstaben, den Satz,<br />

das Papier, oft genug sogar gleichgültig gegen die<br />

gewöhnlichsten Ansprüche der Ordnung und<br />

Sauberkeit?«<br />

Ist es nicht erstaunlich, dass sich die eigentliche<br />

Arbeitsweise des Buchbinders seit Jahrzehnten<br />

kaum verändert hat? Es ist und bleibt ein Beruf<br />

mit langer Tradition, dessen Geschichte sich im<br />

handgefertigten Buch widerspiegelt. Nehmen Sie<br />

doch beim nächsten Lesen die Schöpfung des<br />

Buchbinders einmal genauer in Augenschein und<br />

genießen Sie traditionelles Handwerk.<br />

TEXT: SABINE GIESSER, MAJA FRANKE<br />

FOTO: VERLAG FABER UND FABER<br />

WEITERE INFORMATIONEN<br />

• Gründung der Leipziger Innung 1544<br />

von 13 Meistern<br />

• Neugründung 1990 mit Beteiligung von<br />

19 Buchbindermeistern und 40 Mitarbeitern<br />

• Kontakt:<br />

www.buchbinder-innungleipzig.de<br />

Mitgliederverzeichnis mit Leistungsprofilen<br />

und Adressen, Preisen und Möglichkeiten<br />

der individuellen Buchbinderleistungen<br />

• Termine:<br />

Leipziger Buchmesse<br />

Buchwerkstatt in Halle 2<br />

Täglich zwischen 10 – 18 Uhr finden<br />

Vorführungen und Veranstaltungen statt


Wir haben der Welt etwas geschenkt<br />

Ein literarischer Streifzug durch Bulgarien<br />

Mit der EU-Osterweiterung wurden westund<br />

osteuropäische Länder zusammen<br />

geführt, deren gemeinsame Wurzeln sich<br />

bis weit in die Vergangenheit zurückverfolgen<br />

lassen. Die Auswirkungen dieses<br />

Zusammenschlusses sind nicht nur auf<br />

politischer und wirtschaftlicher Ebene<br />

spürbar: frischer Wind aus dem Osten beeinflusst<br />

modische und musikalische<br />

Trends westlicher Gesellschaften. Im<br />

Januar 2007 stehen zwei zusätzliche Beitritte<br />

an, sofern Bulgarien und Rumänien<br />

die Kopenhagener Kriterien weiter einhalten.<br />

Grund für uns, einmal genauer<br />

hinzusehen und eine kleine literarische<br />

Reise anzutreten.<br />

Bulgarische Geschichte, Kultur und Tradition löst<br />

wohl bei den meisten westeuropäischen Studenten<br />

ein Gefühl leichter Ahnungslosigkeit aus,<br />

Kenntnisse des Landes beschränken sich im<br />

Allgemeinen auf Oberflächlichkeiten: Sofia als<br />

Hauptstadt, die Donau Grenzfluss zu Rumänien,<br />

der Balkan im Innern Namensgeber für die Halbinsel<br />

sowie die geografische Lage am Schwarzen<br />

Meer. Beginnen wir daher unsere Expedition mit<br />

einem Blick auf vergangene Zeiten.<br />

Geschichtlicher Rückblick<br />

Bis zur Machtübernahme der Osmanen am Ende<br />

des 14. Jahrhunderts pflegte Bulgarien enge<br />

Kontakte innerhalb Europas und war in gesamteuropäische<br />

Entwicklungen involviert. Nachdem<br />

der Staat türkische Provinz geworden war, zerrissen<br />

diese Verbindungen. Die beinahe fünf<br />

Jahrhunderte andauernde Herrschaft der Osmanen<br />

(1396-1878) war, besonders in den<br />

Anfängen, durch erfolglose Aufstände zur<br />

Erlangung der Unabhängigkeit gekennzeichnet.<br />

Mit den Jahren entwickelte sich eine gut organisierte<br />

Befreiungsbewegung, sodass, beeinflusst<br />

durch die bulgarische Aufklärung, ein Nationalgefühl<br />

im Land entstand.<br />

Diese Zeit, die unter dem Stichwort »Nationale<br />

Wiedergeburt« in die Geschichtsbücher einging,<br />

ist durch die Entstehung einer unabhängigen<br />

Kirche und dem Aufkommen bulgarischer<br />

Bildung und Kultur gekennzeichnet. 1855 veröffentlichte<br />

der erste bulgarische Verlag in Plovdiv<br />

nationale Literatur.<br />

Im darauf folgenden Jahr entstanden Lesestuben,<br />

so genannte Tschitalischta, die noch heute als<br />

Bildungseinrichtungen betrieben werden. Militärische<br />

Unterstützung in seinem Freiheitskampf<br />

erhielt Bulgarien 1877 durch die offizielle<br />

Kriegserklärung Russlands an das Osmanische<br />

Reich, ein Jahr später erkannte die Türkei die<br />

Unabhängigkeit des bulgarischen Staates an. Die<br />

folgenden Jahrzehnte waren geprägt von immer<br />

wieder aufflammenden Konflikten und Kleinkriegen<br />

um Gebietszugehörigkeiten mit angrenzenden<br />

Nachbarländern.<br />

Literatur zwischen zwei Jahrhunderten<br />

Wer sich mit dieser Epoche bulgarischer<br />

Geschichte beschäftigt, stößt unweigerlich auf<br />

den Namen Ivan Vazov. Der Schriftsteller, der von<br />

1850 bis 1921 lebte, wird noch heute als<br />

Nationaldichter verehrt und gilt als Begründer<br />

der modernen Landesliteratur. Als Verfasser des<br />

ersten bulgarischen Romans nutzte er einen<br />

Wortschatz von rund 40 000 Wörtern und machte<br />

die Sprache literaturfähig. Seine bekannteste<br />

Erzählung »Unter dem Joch« beschreibt<br />

Situationen des Alltags zur Zeit der Osmanenherrschaft.<br />

Vazov, der selbst in der Bewegung der<br />

nationalen Wiedergeburt engagiert war, schilderte<br />

hier das Leiden der Bevölkerung und sensibilisierte<br />

damit die europäische Öffentlichkeit. In der<br />

Kurzgeschichte »Großvater Joco schaut« erhält<br />

der Leser Einblicke in das Leben eines blinden<br />

Bauern, der seine Tage als Knecht bei Türken ver-<br />

Bulgarische Dorfbewohner am Rande des Balkans<br />

bringt und im greisen Alter erste Vorboten der<br />

bulgarischen Unabhängigkeit erfährt.<br />

Neben Ivan Vazov verarbeiteten weitere<br />

Schriftsteller in ihren Werken die Zeit der türkischen<br />

Herrschaft sowie die anschließenden<br />

Anfänge eines freien Bulgariens. Die Loslösung<br />

vom osmanischen Reich gab der Literatur<br />

schließlich spürbare Impulse: das aufkommende<br />

Freiheitsgefühl war Triebfeder für die Entstehung<br />

neuer Genres.<br />

Die Gedichte Pentscho Slawejkows (1866-1912),<br />

der bisher als einziger Bulgare für den Literaturnobelpreis<br />

nominiert wurde, gelten als Meisterwerke<br />

bulgarischer Lyrik. Slawejkow, der sein<br />

Studium in Leipzig absolviert hatte, trug wie kein<br />

anderer zur Verbreitung deutscher Literatur in seinem<br />

Lande bei. Zu erwähnen wäre an dieser Stelle<br />

auch Jordan Jowkow (1880-1937), der auf einfühlsame<br />

Weise das Leben bulgarischer Bauern<br />

beschrieb. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts sowie<br />

zwischen den beiden Weltkriegen entstand<br />

zudem Literatur, die den europäischen Zeitgeist<br />

aufgriff und sich mit revolutionären und antifaschistischen<br />

Themen auseinandersetzte.<br />

Auf dem Weg ins 21. Jahrhundert<br />

Im kommunistischen Bulgarien besaß Literatur,<br />

wie auch in anderen Ländern der Sowjetunion,<br />

einen hohen gesellschaftlichen Stellenwert.<br />

Schriftsteller genossen besonderes Ansehen, vermittelte<br />

doch das Lesen ein Gefühl von Freiheit.<br />

In diesem Zusammenhang ist die doppelte<br />

Wirkungsmacht der Bücher von Bedeutung: so<br />

wurden systemkonforme, anerkannte Autoren<br />

von Seiten des Staates mit Auszeichnungen und<br />

einer entsprechend hohen Auflage belohnt, während<br />

regimekritische, der Regierung verdächtig<br />

wirkende Dichter bei der Opposition einen<br />

besonderen moralischen Stellenwert hatten.<br />

Stellvertretend sei in diesem Zusammenhang<br />

Schelju Schelew erwähnt, der sich in seiner 1982<br />

erschienenen kontroversen Dokumentation »Der<br />

Faschismus« mit dem deutschen, italienischen<br />

und spanischen Faschismus auseinandersetzte<br />

und Parallelen zum sozialistischen Gesellschaftssystem<br />

aufzeigte. Das Buch wurde aufgrund seines<br />

brisanten Inhalts innerhalb weniger Tage verboten,<br />

Schelew selbst nach dem politischen<br />

Umbruch 1990 zum ersten nichtkommunistischen<br />

Staatsoberhaupt Bulgariens gewählt.<br />

Die Bedeutung anspruchsvoller Literatur hat sich<br />

seitdem gewandelt: Wie in allen kapitalistischen<br />

Staaten hat die Zahl der verlegten Trivialwerke<br />

zugenommen, auch in Bulgarien steht das Buch<br />

in ständiger Konkurrenz zu den elektronischen<br />

Massenmedien. Bulgarische Autoren haben nun<br />

zwar das Privileg der uneingeschränkten Themenwahl,<br />

müssen für diese Freiheit jedoch einen<br />

Ansehensverlust in Kauf nehmen.<br />

Geteilter Blick auf die Balkanhalbinsel<br />

Mit unterschiedlichen Vorstellungen gehen Leser,<br />

Verleger und Buchhändler heute auf das Land am<br />

Schwarzen Meer zu: während die einen das Gefühl<br />

haben, einem Exoten zu begegnen, ist einem<br />

anderen Teil literarisch interessierter Bürger die<br />

bulgarische Literatur stets bewusst gewesen. Auf<br />

der diesjährigen Frankfurter Buchmesse verleiht<br />

KulturKontaktAustria in Kooperation mit dem<br />

Klagenfurter Wieser Verlag zum ersten Mal den<br />

»Großen Preis für Osteuropäische Literatur«. Mit<br />

der Auszeichnung soll Schriftstellern aus dem<br />

europäischen Osten im deutschsprachigen Raum<br />

eine öffentliche Plattform geboten werden.<br />

Eine Anthologie »Bulgarische Prosa« mit einem<br />

Überblick über bulgarische Erzählungen des 20.<br />

Jahrhunderts wird auf Seite 12 vorgestellt.<br />

TEXT: STEFFI GRIMM<br />

FOTO: BALZ WEINGAND<br />

Leipziger <strong>Lerche</strong> <strong>Nr</strong>. <strong>24</strong> 9<br />

BRANCHE


BRANCHE<br />

Anzeige<br />

10 Leipziger <strong>Lerche</strong> <strong>Nr</strong>. <strong>24</strong><br />

Auf neuen Wegen<br />

Die Vielfalt der Zusatzgeschäfte<br />

Hier stehen wir, inmitten einer unendlich scheinenden Büchervielfalt.<br />

Unser erster Blick fällt auf bunt gemischte Bücherregale,<br />

die bis unter die Decke reichen.<br />

Nachdem wir uns eine Weile umgeschaut haben, entdecken wir etwas weiter<br />

hinten Tische mit Sonderangeboten. Doch im nächsten Moment richtet<br />

sich unsere Aufmerksamkeit auf eine Bücherreihe, die durch Preis und Aussehen<br />

zu überzeugen scheint.Wir entdecken einen Titel, der uns bereits vorher<br />

im Regal aufgefallen ist. Diesmal wesentlich preiswerter aber dennoch<br />

qualitativ gut verarbeitet, macht er dem anderen Buch starke Konkurrenz.<br />

Hin und her gerissen zwischen diesen beiden Angeboten fällt die Entscheidung<br />

nicht gerade leicht.<br />

Im Dschungel der Bücher<br />

Neben dem Sortiment der Buchverlage bieten Buchhandlungen immer öfter<br />

auch die Bibliotheken und Editionen der Zeitungsverlage an. Aufgrund von<br />

Einbrüchen im Anzeigenmarkt 2001 mussten sich viele Zeitungsverlage raffinierte<br />

Überlebensstrategien einfallen lassen. So entstand eine neue Werbeform<br />

mit Refinanzierungspotential und zusätzlichen Erlösmöglichkeiten.<br />

Zudem konnte die Marke auf diesem Weg, über das eigentliche Kerngeschäft<br />

hinaus, gestärkt werden. Auftakt für diese Entwicklung gab der Süddeutsche<br />

Verlag. Mittlerweile befinden sich Leser wahrlich in einem Dschungel der<br />

Zusatzgeschäfte. Nahezu alle großen Verlagshäuser, die Zeitungen und<br />

Zeitschriften wie »Brigitte«, »FAZ«, »Die Welt«, »Die Zeit«, »Spiegel«,<br />

»Stern« und »Handelsblatt« herausgeben, versuchen ihre neuen Produkte an<br />

den Mann zu bringen. Dabei zeigen sie viel Kreativität. So reicht das<br />

Spektrum des Süddeutschen Verlags beispielsweise von einer allgemeinen<br />

Belletristik-Bibliothek, über eine DVD-Reihe und eine Kinderbibliothek, bis<br />

hin zu einer Krimi-Edition.<br />

Auch die Brigitte Hörbuchedition »Starke Stimmen« und die Brigitte Edition<br />

sind auf dem Markt der Zusatzgeschäfte zu finden. Hierbei scheint der Verlag<br />

darauf zu achten, jene Zielgruppe anzusprechen, die auch mit der Zeitschrift<br />

angesprochen werden soll. Anders ist das Konzept der Frankfurter<br />

Allgemeinen Zeitung bezüglich ihrer Comic-Bibliothek, denn richtet sich<br />

diese doch an ein bedeutend breiteres Publikum, als die Zeitung selbst.<br />

An dieser Stelle könnten noch viele weitere Beispiele aufgezählt werden,<br />

doch sollte man sich auch fragen, wie weit dieser Boom noch gehen wird.<br />

Einerseits besteht die Gefahr, dass sich das Preisbewusstsein für Bücher stark<br />

verändert und Sortimenter große Überzeugungskraft leisten müssen, um den<br />

Käufer von den Preisen der Novitäten überzeugen zu können. Andererseits<br />

könnte der Boom dazu führen, dass dem Medium Buch mehr Aufmerksamkeit<br />

entgegengebracht wird. Durch den geringen Preis und die neuen<br />

Absatzwege könnten auch all diejenigen erreicht werden, welche nicht zu<br />

den alltäglichen Kunden einer Buchhandlung gehören.Vielleicht würde dies<br />

dazu führen, dass wieder mehr gelesen wird.


Andere Wege<br />

So hat es sich auch »Die Zeit« zur Aufgabe<br />

gemacht, mit ihrer Kinder-Edition die Lust am<br />

Lesen und Vorlesen zu wecken, um Kindern die<br />

Welt der Bücher zu eröffnen. Dazu verriet uns<br />

Susanne Gaschke, Herausgeberin der »Zeit«<br />

Kinder-Edition: »In Büchern findet der Leser<br />

Spannung, Abenteuer, Leid, Kummer, Gefahren,<br />

Heldentaten, große Erlebnisse und kleine<br />

Alltagssorgen. Er findet sich selbst und entdeckt<br />

zugleich andere, aufregende Welten, die er nach<br />

Belieben betreten und wieder verlassen kann. Um<br />

diese Freiheit, auf die jedes Kind ein Recht hat,<br />

geht es uns.«<br />

Konzipiert als Vorlesebibliothek beinhaltet die<br />

Kinder-Edition fünfzehn »besondere Schätze der<br />

Kinderliteratur«, die schon lange nicht mehr aufgelegt<br />

wurden und Eltern eventuell aus eigenen<br />

Kindertagen bekannt sein dürften. Ein weiteres<br />

Zusatzgeschäft, bei dem der Verlag jedoch einen<br />

neuen Weg einschlägt. Denn so arbeitet »Die<br />

Zeit« hierfür mit der »Stiftung Lesen« zusammen,<br />

der gesamte Reinerlös kommt den Leseförderungsprojekten<br />

der »Stiftung Lesen« zugute<br />

und unterstützt somit deren Bemühungen, das<br />

Ganz vertieft in die Geschichten des ersten Bands<br />

Lesen in der Medienkultur zu stärken und zu fördern.<br />

Da das Hamburger Verlagshaus bereits seit<br />

längerem mit der »Stiftung Lesen« zusammenarbeitet,<br />

war es wohl nur eine Frage der Zeit, bis<br />

ein solches Projekt verwirklicht werden würde.<br />

Wie auch bei der bundesweiten Vorlesekampagne<br />

»Wir lesen, überall und jederzeit« hat die<br />

Kooperation auch diesmal das Ziel, Vorlesen und<br />

Erzählen populär zu machen. Dabei liefert »Die<br />

Zeit« mit der Kinder-Edition attraktives »Lesefutter«.<br />

Begleitet wird die Kinder-Edition jede Woche<br />

durch einen Artikel in der »Zeit« über das jeweilig<br />

erscheinende Buch. Hier kann man viel<br />

Spannendes über die Autoren, die Erzählung und<br />

deren Entstehung erfahren.<br />

So macht Lesen Spaß!<br />

Neben dem Inhalt der Bücher ist auch die<br />

Gestaltung und Aufbereitung der Werke erwähnenswert.<br />

So werden die fünfzehn hochwertig<br />

ausgestatteten Bände im vorlesefreundlichen<br />

Format erscheinen.<br />

Liebevoll gestaltet mit Halbleinen-Einband,<br />

Leseband und Fadenheftung sorgen die Hardcover<br />

dafür, dass Kinder und Eltern lange Freude<br />

daran haben werden. Für die Illustrationen der<br />

Umschläge sorgte die Kinderbuchillustratorin<br />

Sybille Hein und verleiht ihnen somit ein unverwechselbares<br />

Äußeres. Im Inneren entdecken die<br />

Kleinsten unter uns Lesern die Originalzeichnungen,<br />

die beim Zuhören der Fantasie<br />

keine Grenzen setzen.<br />

Angeregt durch diese schönen Bücher werden<br />

Eltern vielleicht einmal öfter den Gang in die<br />

Buchhandlung wagen, um mit ihren Kindern<br />

zuhause gemeinsam in die Welt von »Frederico<br />

Oktopod und Tünne Tintenfisch« von Adolf Himmel,<br />

»Die Puppe Mirabell« von Astrid Lindgren<br />

oder »Drachen, Katzen, Königskinder« von Edith<br />

Nesbit einzutauchen. »Sie werden kämpferischen<br />

Prinzessinnen und desorientierten Prinzen<br />

begegnen, Zauberer durch den Wilden Westen<br />

und sprechende Tintenfische tief hinunter ins<br />

Meer begleiten.«<br />

Damit ist die neue Edition der »Zeit« nicht nur<br />

ein Zusatzgeschäft des Verlags, sondern vor allem<br />

eine Reise. Eine Reise, die Eltern und Kinder<br />

gemeinsam gehen können.<br />

Ausblicke<br />

Trotz des kaum noch überschaubaren Angebots<br />

an neuen Produkten der Zeitungsverlage würden<br />

die Pressehäuser durchaus gerne mehr Projekte<br />

dieser Art starten. Doch haben sie Probleme,<br />

attraktive Lizenzen für die jeweilige Zielgruppe<br />

zu ergattern. Fraglich ist aber, wie lange sich dieser<br />

Markt noch hält, könnte doch schon bald eine<br />

Sättigung beim Leser eintreten. Doch vielleicht<br />

ebnet »Die Zeit« Kinder-Edition mit ihrer Cha-<br />

rity-Kampagne auch nur einen neuen Weg für<br />

ähnliche Projekte und wir werden noch des Öfteren<br />

zwischen Originaltitel und Editionsausgabe<br />

entscheiden müssen. Werden noch mehrmals<br />

Buchhändler dabei beobachten, wie sie Platz für<br />

die neuen Editionen der Zeitungsverlage schaffen.<br />

Doch so können wir am Ende immer wieder<br />

mit einem guten Gefühl aus der Buchhandlung<br />

gehen, denn alles in allem sind die<br />

Zusatzgeschäfte eine Bereicherung für die<br />

Buchbranche.<br />

TEXT: FABIENNE WERNER, ISABEL KIRSCHE<br />

FOTO: ISABEL KIRSCHE<br />

ILLUSTRATION: SYBILLE HEIN<br />

WEITERE INFORMATIONEN<br />

• www. zeit-kinderedition.de<br />

• www. stiftunglesen.de<br />

Leipziger <strong>Lerche</strong> <strong>Nr</strong>. <strong>24</strong> 11<br />

BRANCHE<br />

Anzeige


REZENSIONEN<br />

Aufgeschlagen<br />

Akustik, Haptik, Optik<br />

Heinz Ludwig Arnold: »Die Gruppe 47.<br />

Zwei Jahrzehnte deutscher Literatur«,<br />

Der Hörverlag in Zusammenarbeit mit<br />

dem Hessischen Rundfunk, München<br />

2002, 19,95 Euro, ISBN 3-89940-014-3<br />

In diesem Feature stellt Heinz Ludwig<br />

Arnold eine sehr interessante Ausprägung<br />

der deutschen Literaturgeschichte<br />

vor. Er erklärt, wie es zur Gruppe 47<br />

kam, beschreibt mit zahlreichen Originaltönen<br />

das Bestreben der Gruppe und<br />

gibt einen Überblick über wichtige Besucher<br />

der jährlichen Treffen. Oft wird<br />

von der Gründung der Gruppe 47 gesprochen.<br />

Das vorliegende Hörbuch<br />

verdeutlicht dagegen, dass sie zufällig<br />

entstand und viele unterschiedliche Autoren einmal,<br />

mehrmals oder auch die ganzen zwanzig<br />

Jahre des Bestehens der Einladung Hans Werner<br />

Richters folgten. Mit vielen sehr eigenen Charak-<br />

Valeria Jäger, Alexander Sitzmann<br />

(Hrsg.): »Bulgarien Prosa«, Reihe<br />

»Europa erlesen«,Wieser Verlag,<br />

Klagenfurt 2005, 25,90 Euro,<br />

ISBN 3-851-29431<br />

Unter dem Motto »Das Buch hebt<br />

Grenzen auf« veröffentlicht der österreichische<br />

Wieser Verlag seit 1997 literarische<br />

Entdeckungsreisen durch die<br />

Länder Südosteuropas.<br />

»Bulgarien Prosa«, das jüngste Werk in<br />

der Reihe »Europa erlesen«, erfasst die<br />

Vielschichtigkeit der bulgarischen Erzählkunst<br />

des 20. Jahrhunderts. Die<br />

Anthologie enthält 57 kurze Erzählungen<br />

von 39 Autoren. Vertreten sind Klassiker wie<br />

Ivan Vazov (1850-1921), der Begründer der modernen<br />

Nationalliteratur, sowie Autoren der Ge-<br />

Cyrus Dominik Khazaeli: »Crashkurs<br />

Typo und Layout« Rowohlt Taschenbuchverlag,<br />

Reinbek bei Hamburg<br />

2005, 14,90 Euro,<br />

ISBN 3-499-61252-6<br />

Der Erfolg eines Buches, einer Zeitung<br />

oder Zeitschrift hängt selbstverständlich<br />

von den dargebotenen Inhalten ab.<br />

Mindestens genauso wichtig sind aber<br />

der Aufbau des Textes und das Layout,<br />

führen diese doch oft zum ersten Interesse<br />

und zur späteren Kaufentscheidung.<br />

Einen Einblick in die Fähigkeit,<br />

Satzmaterial so anzuordnen, dass beste<br />

Lesbarkeit ermöglicht wird und die Form dem<br />

Inhalt gerecht wird, bietet »Crashkurs Typo und<br />

Layout« von Cyrus Khazaeli. Der Autor spannt in<br />

12 Leipziger <strong>Lerche</strong> <strong>Nr</strong>. <strong>24</strong><br />

teren wie Günter Grass, Martin Walser oder<br />

Marcel Reich-Ranicki fanden Treffen der Gruppe<br />

statt, bei denen für alle die selben Regeln galten:<br />

Einer der Autoren setzte sich auf einen Stuhl, las<br />

aus einem unveröffentlichten Manuskript und<br />

stellte sich dann den Kommentaren der anwesenden<br />

Versammlung. Dabei ging<br />

es um handwerkliche und<br />

inhaltliche Kritik. Die vom<br />

Krieg missbrauchte Sprache<br />

sollte von propagandistischen<br />

und belasteten Wörtern befreit<br />

werden. »Nicht einmal<br />

die Sprache war mehr zu gebrauchen,<br />

die Nazijahre und<br />

die Kriegsjahre hatten sie<br />

unrein gemacht. Sie musste<br />

erst mühsam wieder Wort<br />

für Wort abgeklopft werden. Jedem Und, jedem<br />

Adjektiv gegenüber war Vorsicht geboten.« (W.<br />

Schnurre, 1960) Nachdem sich die Gruppe 1967<br />

getrennt hatte, veranstaltete Günter Grass im<br />

genwart wie Alek Popov, Christo Zaprjanov und<br />

Georgi Gospodinov. Das Anliegen des Werkes ist,<br />

der bulgarischen Literatur Gehör und Anerkennung<br />

in Europa zu verschaffen.<br />

Den Auftakt der Literatursammlung<br />

stellt die patriotische Erzählung<br />

»Großvater Joco schaut«<br />

von Ivan Vazov dar. Deren Hauptfigur<br />

ist ein aufgeweckter alter<br />

Bauer, der in einem unzugänglichen<br />

Bergdorf im Balkan lebt.<br />

Sein Leben ist geprägt von der<br />

schweren, leidvollen Zeit unter<br />

osmanischer Herrschaft. Mit Ausbruch<br />

des Russisch-Türkischen<br />

Krieges, der die Unabhängigkeit<br />

Bulgariens einleitete, erblindet<br />

Joco. In der Finsternis seiner Blindheit und der<br />

Tristesse des Dorflebens werden die Symbole der<br />

Unabhängigkeit zu hoffnungsvollen Strahlen.<br />

seinem Buch einen Bogen von den Anfängen der<br />

Schrift bis zu den typografischen Elementen<br />

unserer Zeit. Der Leser erhält eine solide Einführung<br />

in das Thema Typografie<br />

und Layout: die Harmonie einer<br />

Buchseite, praktische Hilfen für<br />

den Aufbau von Zeitungs- und<br />

Zeitschriftenseiten und die Entwicklung<br />

von Marken. Auch den<br />

Besonderheiten, die sich aus der<br />

heutigen Reizüberflutung für<br />

Werbekonzepte als auch der allgemeinen<br />

Gestaltung der Medien<br />

ergeben, ist ein Kapitel gewidmet.<br />

Kurz und knapp werden die<br />

Grundlagen dargelegt, Hintergründe<br />

gezeigt und an Beispielen verdeutlicht.<br />

Die Beispieltexte sind, mit ihren teilweise eigenen<br />

Inhalten, auch selbst lesenswert.<br />

Dezember 2005 mit den Autoren Thomas Brussig,<br />

Michael Kumpfmüller, Katja Lange-Müller,<br />

Benjamin Lebert, Eva Menasse, Matthias Politycki,<br />

Tilman Spengler und Burkhard Spinnen ein<br />

Treffen nach dem früheren Vorbild. Grass geht es<br />

jedoch, im Gegensatz zu damaligen Treffen, darum,<br />

dass aus den literarischen Werkstattgesprächen<br />

politisches Engagement entsteht. Eine der Regeln<br />

Hans Werner Richters war, dass es während der<br />

Lesungs- und Kritikzeit keine politischen Diskussionen<br />

geben sollte.Aber es gab sie natürlich doch:<br />

»In den Pausen ja, abends, nächtelang.« Was für<br />

ihn besonders wichtig war, möchte Grass den<br />

jungen Autoren auch bieten: eine »literarische<br />

Hauptstadt«. Spannend und absolut hörenswert!<br />

TEXT: URSULA EITZEN<br />

Großvater Joco ist stolz auf die Uniform des einzigen<br />

Soldaten des Ortes sowie auf den Pfiff der<br />

neu entstandenen Eisenbahnlinie durch die felsige<br />

Schlucht. Ivan Vazov wird auf Seite 9 dieser<br />

<strong>Lerche</strong>-Ausgabe näher vorgestellt.<br />

Die Erzählungen der Gegenwart in »Bulgarien<br />

Prosa« stimmen den Leser nachdenklich und<br />

sind zum Teil überraschend skurril. So beschreibt<br />

Alek Popov (geb.1966) in »Die Dienstleistung«<br />

ein absonderliches Geschäft mit dem Tod durch<br />

Enthauptung. Kunden, die diese Dienstleistung in<br />

Anspruch nehmen, werden von den skrupellosen<br />

Geschäftsleuten aber nicht enthauptet, sondern<br />

lediglich um ihr Geld erleichtert. Die Sammlung<br />

ist besonders lesenswert durch ihre Vielseitigkeit,<br />

die den Reichtum der bulgarischen Literatur verdeutlicht.<br />

TEXT: JOHANNA KROBITZSCH<br />

So erfährt man z.B., dass es sich bei den hilfreichen<br />

Informationen am Rand um Marginalien<br />

handelt. Zum Teil geht dadurch der Überblick<br />

etwas verloren, wobei es sich um Text, hilfreichen<br />

Hinweis oder Beispiel handelt. Das tut dem<br />

kompakten Informationsgehalt dieses Buches<br />

aber keinen Abbruch.<br />

Dem anwendungsnahen Konzept wird durch<br />

erste praktische Einblicke in Quark XPress sowie<br />

InDesign Rechnung getragen. Dank der gut nachvollziehbaren<br />

Informationseinheiten eignet sich<br />

das Buch bestens für Einsteiger in das Thema.<br />

TEXT: MICHAELA BARTZSCH


CRM für kleine Verlage<br />

Voland & Quist über Kundenbeziehungsmanagement<br />

Mit dem fast alle Branchen betreffenden<br />

Wandel vom Verkäufer-zum Käufermarkt<br />

hat sich in den letzten Jahren, vornehmlich<br />

bisher bei Großunternehmen, ein<br />

neues Verständnis der Beziehung zum<br />

Kunden entwickelt.<br />

Customer Relationship Management beziehungsweise<br />

das deutsche Pendant<br />

»Kundenbeziehungsmanagement« beschreibt<br />

einen ganzheitlichen Ansatz zur<br />

Unternehmensführung und vereint Aufgaben<br />

aus Marketing, Vertrieb und Kundenservice.<br />

Die übergeordnete Zielsetzung von CRM ist, die<br />

Profitabilität des Unternehmens zu erhöhen.Verbunden<br />

mit einer langfristigen Umsatz- und<br />

Gewinnsteigerung wird als oberstes Ziel die Stärkung<br />

der Kundenbindung über eine höhere Kundenzufriedenheit<br />

anvisiert.<br />

Auch wenn vor allem Softwarehersteller CRM-<br />

Systeme als neue Technologien darstellen und<br />

vermarkten, geht es im Grunde um etwas ganz<br />

Alltägliches, um Höflichkeit gegenüber den Kunden<br />

und Partnerunternehmen. Die verstärkte<br />

Kundenorientierung im Marketing und Vertrieb<br />

kann grundsätzlich losgelöst von jedem Datenverarbeitungs-Bezug<br />

in die Praxis umgesetzt<br />

werden. CRM-Software bietet allerdings die notwendige<br />

Hilfe, um die komplexen Anforderungen<br />

beim Kundenmanagement zu erfüllen<br />

und trägt zu transparenteren und effizienteren<br />

Prozessen bei. Software und Datenbank bilden<br />

also lediglich das Werkzeug, um die Prozesse im<br />

Marketing und Vertrieb optimal zu gestalten. Die<br />

Integration aller Arbeitsplätze mit dem Kundenkontakt<br />

und das Zusammenführen sämtlicher<br />

Kommunikationskanäle, wie Fax, Brief, E-Mail,<br />

Telefon und SMS auf Grundlage einer Datenbank,<br />

sind Kernstück von erfolgreichen CRM-Projekten.<br />

Hinter CRM steht die vielfach zitierte Vorstellung,<br />

die Kunden wie im Tante Emma Laden individuell<br />

anzusprechen, persönliche Präferenzen zu<br />

kennen und dementsprechende Kaufvorschläge<br />

zu unterbreiten. Notwendig dafür sind Data-<br />

Mining-Verfahren, mit deren Hilfe die Daten analysiert<br />

und Zusammenhänge hergestellt werden.<br />

So können über die Kaufhistorie und Interessen,<br />

die man vom Kunden kennt, Klassifizierung und<br />

Segmentierung vorgenommen werden. CRM zielt<br />

darauf ab, jeden Kunden atomar zu betrachten<br />

und im besten Fall Ein-Personen-Segmente zu<br />

bilden.<br />

Gerade bei kleineren Verlagen sind nicht nur<br />

monetäre Ressourcen knapp, sondern meist auch<br />

die zeitlichen. Effizienz im Vertrieb optimiert das<br />

Verhältnis von Vertriebskosten zu Umsätzen.<br />

Durch schnelleres Ausliefern werden Lagerkosten<br />

verringert und Zahlungseingänge können früher<br />

verbucht und damit die Liquidität erhöht werden.<br />

Gleichzeitig trägt Effizienzsteigerung zu ei-<br />

ner gesteigerten Kundenzufriedenheit bei. Auch<br />

die Effektivität kann durch Kundenmanagement-<br />

Programme gesteigert werden. Mehr Informationen<br />

über Kunden können gesammelt und<br />

gezielter verarbeitet werden. Ein CRM-System in<br />

einem Verlag bezieht sich grundsätzlich auf alle<br />

Kunden, ob Sortimenter oder Endkunde, und<br />

Partner (Pressevertreter, Multiplikatoren und<br />

Autoren).<br />

Oft haben gerade kleinere Unternehmen überwiegend<br />

Insellösungen in ihrer kaufmännischen<br />

Software. Wo das Debitorenmanagement nicht<br />

mit der Kundendatenbank verknüpft ist, lassen<br />

sich schwer Aussagen über die Bonität und damit<br />

Profitabilität eines Kunden machen und gezielt<br />

auswerten. Erstes Prinzip von CRM ist daher, alle<br />

Informationen über einen Kunden redundanzfrei<br />

Leif Greinus und Sebastian Wolter<br />

in einer Datenbank abzulegen und bei verteilten<br />

Kundendatenbanken diese miteinander zu verknüpfen.<br />

Die Kundendaten bilden die Basis einer CRM-<br />

Software. Neben den allgemeinen Datenfeldern<br />

wie den Adressdetails oder Bankverbindung sind<br />

Datenfelder zur Segmentierung und Klassifizierung<br />

notwendig. Gute CRM-Systeme bieten<br />

dem Anwender die Option, diese Datenfelder frei<br />

zu konfigurieren und neue anzulegen. Ein weiteres<br />

Indiz für eine funktionale CRM-Anwendung<br />

ist dann gegeben, wenn für jeden Kunden persönliche<br />

Briefanreden und Grußformeln entworfen<br />

werden können. Nur so sind Serienbriefe individuell<br />

gestaltbar und Mailings mit einer höheren<br />

Erfolgsquote versehen. In kleinen Verlagen<br />

wirken sich Fluktuation und Abwesenheit von<br />

Verantwortlichen für Vertrieb/Marketing ungleich<br />

stärker aus, als bei großen Verlagen mit<br />

mehreren Angestellten pro Abteilung. Eine wirkliche<br />

Kundenorientierung ist nur gegeben, wenn<br />

jeder Mitarbeiter den Kundenkontakt sofort und<br />

mit dem gleichen Wissensstand ausführen kann.<br />

Die Kontakthistorie liefert Auskunft über alle<br />

Kontakte von Seiten des Kunden an den Verlag,<br />

wie auch die Kontakte und Mailings vom Verlag<br />

an den Kunden. Dabei sollten das Kontaktmedium,<br />

Datum und Inhalt der Kontakte abrufbar<br />

sein.<br />

Durch diese Dokumentation kann schneller und<br />

gezielter auf die Wünsche des Kunden eingegangen<br />

werden, was die Kundenzufriedenheit erhöht<br />

und die Vertriebsprozesse optimiert.<br />

Grundsätzlich sind Module zur Auftragsverwaltung<br />

und Debitorenmanagement nicht<br />

zwangsläufig Bestandteil von CRM-Software. Eine<br />

Verknüpfung oder besser noch Integration zu<br />

entsprechenden Anwendungen ist in jedem Falle<br />

unabdingbar. Nur so können Informationen über<br />

aktuelle Bestellvorgänge, Vormerker, bisher gekaufte<br />

Titel und den Umsatz abgerufen und analysiert<br />

werden.<br />

Während bei der Hardwareausstattung eine hohe<br />

Abdeckung mit neuer Technik gegeben ist und<br />

modernste Grafikprogramme Anwendung finden,<br />

so ergab eine Umfrage unter kleinen Verlagen,<br />

ist die Aufstellung mit Software für die<br />

Verlagsverwaltung mehr als mangelhaft.<br />

Ob das allein eine Frage des Geldes ist? Zum Teil<br />

sicher schon, kosten doch einzelne Programme<br />

einen fünfstelligen Betrag in der Anschaffung.<br />

Ein anderer Faktor ist sicherlich die Fülle von<br />

Angeboten. Ob nun eine der preiswerten Standardanwendungen<br />

für unter 300 Euro, die allerdings<br />

nicht auf die Buchhandelsbranche abgestimmt<br />

sind, oder die komplexe Software eines<br />

Branchenanbieters für 10.000 Euro, es gibt<br />

immense Unterschiede in Funktionalität, Gestaltung,<br />

Support und Preis. Was fehlt, sind branchenspezifische<br />

Softwarelösungen, die sehr gut<br />

gestaltet und intuitiv bedienbar sind und deren<br />

Basislizenz 1500 Euro nicht übersteigt.<br />

TEXT: LEIF GREINUS, SEBASTIAN WOLTER<br />

FOTO: CORDULA GIESE<br />

WEITERE INFORMATIONEN<br />

• »Voland & Quist« präsentiert lebendige<br />

Literatur:<br />

Als erster Verlag in Deutschland setzt er konsequent<br />

auf die Kombination von Buch und Audio<br />

CD. Auf diese Weise kann man den Lesungen<br />

passionierter Bühnenpoeten lauschen und die<br />

Live-Atmosphäre einer Literaturshow auch zu<br />

Hause nacherleben.<br />

• Leif Greinus und Sebastian Wolter sind Alumnis<br />

des Studiengangs Buchhandel/Verlagswirtschaft<br />

der HTWK.<br />

• www.voland-quist.de<br />

Leipziger <strong>Lerche</strong> <strong>Nr</strong>. <strong>24</strong> 13<br />

KARRIERE


HTWK LEIPZIG<br />

Typografie im Alltag<br />

Kreativität zwischen Vorlesung und Prüfungsstress<br />

Unter der Headline »Fototype« hat das<br />

Projekt Kulturmanagement des Studiengangs<br />

Buchhandel/ Verlagswirtschaft im<br />

vergangenen Herbst Studierende animiert,<br />

den – künstlerischen – Blick auf<br />

Typografie im alltäglichen Leben zu richten.<br />

Entstanden ist eine Ausstellung, die<br />

ab dem 29. März im »Blickwinkel« im<br />

südlichen Zentrum Leipzigs die originellsten<br />

Bilder der Öffentlichkeit präsentiert.<br />

Ein dampfender Pott Kaffee, dazu die frischen<br />

Brötchen vom Bäcker um die Ecke und die neueste<br />

Ausgabe der Tageszeitung. Studentenleben<br />

morgens um halb zehn, irgendwo in Deutschland.<br />

Während im Nebenzimmer Stapel von<br />

Büchern zur Vorbereitung der kommenden Prüfungen<br />

lagern, nimmt der eifrige Zeitungsleser in<br />

der Küche das aktuelle Weltgeschehen auf – und<br />

setzt sich dabei unbewusst mit Typografie auseinander.<br />

Im Gegensatz zu früher bezeichnet der<br />

Terminus heute das reproduzierte Schriftbild als<br />

solches und wird nur noch selten mit klassischem<br />

Buchdruck in Verbindung gebracht. Laut<br />

Zukunftsträchtiges Kooperationsprojekt<br />

der Universität Leipzig, der Hochschule<br />

für Technik Wirtschaft und Kultur Leipzig<br />

(FH) und der Medienstiftung der Stadtund<br />

Kreissparkasse Leipzig hat begonnen.<br />

Seit dem Wintersemester 2005/06 gibt es in<br />

Leipzig zwei weitere verlockende Angebote für<br />

medial orientierte Studier- und Weiterbildungswillige.<br />

Während an der Universität Leipzig zusätzlich<br />

der Master – Studiengang »Web Content<br />

Management« angeboten wird, hält der neue<br />

Fachbereich Medien der HTWK Leipzig seit<br />

Oktober letzten Jahres den Weiterbildungs-<br />

Master-Studiengang »Technology of Multimedia<br />

Production« bereit. Beide Studiengänge richten<br />

sich an Medienschaffende mit abgeschlossenem<br />

Studium und erster Berufserfahrung, die im immer<br />

feiner vernetzten Geflecht neuer Informations-<br />

und Kommunikationstechnologien auf<br />

disziplinübergreifendes Wissen und spezielle<br />

Fortbildungsangebote angewiesen sind.<br />

Web Content Management (Universität Leipzig)<br />

widmet sich informationstechnischen, journalistischen<br />

und rechtlich – wirtschaftlichen Aspekten.<br />

Der Studiengang Technologies of Multimedia<br />

Production (HTWK Leipzig) legt den Schwerpunkt<br />

auf technische, gestalterische und inhaltliche<br />

Umsetzung von Multimedia-Produktionen.<br />

14 Leipziger <strong>Lerche</strong> <strong>Nr</strong>. <strong>24</strong><br />

Plakat zu Fototype<br />

»Galileo Design« ist Typografie die Kunst, Satzmaterial<br />

in Übereinstimmung mit einem bestimmten<br />

Zweck zu gliedern, Typen anzuordnen<br />

und Zwischenräume so zu bestimmen, dass<br />

Lesern das Verständnis von Texten im Höchstmaß<br />

erleichtert wird. Ob in den Massenmedien, auf<br />

Reklametafeln oder dem Klingelschild des Nachbarns,Typografie<br />

umgibt uns überall und wird in<br />

den meisten Fällen als nichts Besonderes wahrgenommmen.<br />

So wie auch Alltag als vertraute<br />

Routine, als Kontrast zum Außergewöhnlichen<br />

verstanden wird. Studenten, Zielgruppe der<br />

erwähnten Ausschreibung. Lebensabschnitte, die<br />

Masterprogramm Medien Leipzig<br />

Web Content Management/Technologies of Multimedia Production<br />

An Konzeption und Vermittlung beteiligt sind<br />

daher auch alle tangierten Lehrgebiete der Hochschulen:<br />

Journalistik, Medieninformatik, Medientechnik,<br />

Informatik, Rechts- und Wirtschaftswissenschaften.<br />

So stellen beide Aufbaustudiengänge<br />

eine fächerübergreifende, berufsbegleitende Ausbildung<br />

und Weiterqualifikation im Bereich<br />

Medien dar und richten sich ob ihrer inhaltlichen<br />

und ausbilderischen Schwerpunktlegung insbesondere<br />

an die potentiellen Führungskräfte von<br />

morgen.<br />

Der Master »Technologies of Multimedia<br />

Production« an unserer Hochschule basiert auf<br />

der Grundlage des Studienfachs »Multimedia-<br />

Technologie« im Studiengang Informatik und ist<br />

– dem System der bereits existierenden Regelund<br />

Masterstudiengänge nachempfunden – in<br />

Module gegliedert. Diese werden in Form von<br />

Präsenz- und E-Learning – Seminaren, Projektarbeiten<br />

und Praktika angeboten. Seminare finden<br />

bis zur Fertigstellung des Mediencampus an<br />

Wochenenden in den Räumlichkeiten der<br />

Medienstiftung der Sparkasse Leipzig in Gohlis<br />

sowie an der HTWK statt und – nomen est omen<br />

– weiterer Lernstoff wird in Form von E-Learning<br />

an der »virtuellen Hochschule« vermittelt. Nach<br />

erfolgreichem Studium werden beide aus vier<br />

Semestern bestehenden Studiengänge mit dem<br />

Master of Science abgeschlossen. Doch nicht der<br />

inhaltliche Novitätswert allein birgt Erfolgs-<br />

sich von den übrigen abheben. Das erste Zimmer<br />

in einer WG oder im Wohnheim, ohne Eltern auf<br />

dem Weg in die Selbstständigkeit. Neugierde auf<br />

die Welt, naive Lebensfreude. Zumindest am<br />

Anfang. Die Entdeckung neuer Interessen,<br />

Fähigkeiten und Hobbys führt – in Zusammenhang<br />

mit kontinuierlichem Wissenserwerbdazu,<br />

dass sich der studentische Blick verschärft,<br />

Hintergründe miteinander verknüpft werden.<br />

Das Projekt Kulturmanagement hat dies erkannt<br />

und mit der Ausstellung aufgegriffen: Studierende<br />

machen sich auf, das Besondere der<br />

Schriftgestaltung im Alltäglichen zu entdecken<br />

und künstlerisch umzusetzen. Als Ausdrucksmittel<br />

steht die Fotografie zur Verfügung. Dass<br />

eine gewisse Sensibilität notwendig ist, um das<br />

Eigentümliche der Typografie zu erkennen und<br />

kunstgerecht auf Fotopapier zu bannen, verdeutlichen<br />

die von einer Jury prämierten Arbeiten der<br />

Ausstellung. Interessierte sind ab dem 29. März<br />

herzlich willkommen, im Blickwinkel, dem roten<br />

Haus am Floßplatz in Leipzig, die studentischen<br />

Werke zu besichtigen.<br />

TEXT: STEFFI GRIMM<br />

FOTO: FABIENNE WERNER<br />

chancen, sondern auch die Kooperation der<br />

Hochschulen. Diese sieht ausdrücklich vor, den<br />

Studierenden das Wissen der Lehrenden beider<br />

Einrichtungen zu Gute kommen zu lassen – gebündelte<br />

Kompetenzen auf einem umfassenden<br />

Lehrgebiet für den entscheidenden Vorteil in der<br />

Praxis.<br />

Dass dieser allerdings nicht ganz umsonst zu<br />

haben ist, bleibt der nicht weg zu diskutierende<br />

Wehrmutstropfen an dem so verheißungsvollen<br />

und staatlich geförderten Verbundprojekt. 2.500<br />

Euro Studiengebühren pro Semester, also 10.000<br />

Euro für einen Master in Regelstudienzeit, könnten<br />

für die meisten Interessenten durchaus eine<br />

Einstiegsbarriere darstellen – nichts desto trotz<br />

geht der Trend deutschlandweit zum Bezahlstudiengang<br />

und es scheint absehbar, dass sich<br />

auch im Kopf der Studierenden ein Umdenkprozess<br />

anbahnt. Qualität hat Ihren Preis. Wenn<br />

dies überall akzeptabel ist, warum dann nicht<br />

auch für eine hochwertige Weiterbildung?<br />

TEXT: KATJA-ELISABETTH SPLICHAL, NATALIE DITTMANN<br />

WEITERE INFORMATIONEN<br />

• www.mml-leipzig.de


Kompetent und voller Erwartungen<br />

Neuer Professor am Fachbereich<br />

Studenten des Studienganges Buchhandel/Verlagswirtschaft<br />

interviewten den<br />

neuen Professor für Rechnungswesen,<br />

Controlling sowie Unternehmensgründung<br />

und -führung.<br />

LEIPZIGER LERCHE: Zum Sommersemester 2006 treten<br />

Sie die Nachfolge von Frau Prof. Erika Barth<br />

an.Was reizt Sie besonders an der neuen Aufgabe<br />

und wie bereiten Sie sich vor?<br />

DR. DIECKMANN: Mit den Gebieten, die ich hier<br />

unterrichten werde, habe ich mich in den letzten<br />

Jahren hauptsächlich beschäftigt. Als kaufmännischer<br />

Leiter bei Weltbild plus war ich zuständig<br />

für Rechnungswesen, Controlling und IT.<br />

Außerdem habe ich schon im Rahmen meiner<br />

Promotion an der Universität Hamburg Begleitkurse<br />

zur BWL gegeben. Insofern ist es mir nichts<br />

Neues, vor Studenten fachliche Inhalte zu vermitteln.<br />

Trotzdem werde ich mich natürlich intensiv<br />

vorbereiten; insbesondere was Didaktik<br />

und Neuheiten in den Bereichen Rechnungswesen<br />

und Controlling betrifft. Ich hoffe auf das<br />

Interesse der Studenten, ich erwarte, dass Studenten<br />

mitmachen, den Stoff kritisch hinterfragen<br />

und den Willen zeigen, ihr Studium erfolgreich<br />

zu Ende zu führen. Nicht nur in meinen Fächern,<br />

sondern in allen.<br />

LEIPZIGER LERCHE: Welches Projekt werden Sie<br />

betreuen?<br />

DR. DIECKMANN: Ich werde von Frau Prof. Barth<br />

das Projekt der Lehrbuchhandlung Bumerang<br />

übernehmen. Erfahrungen im Buchhandel zu<br />

sammeln halte ich für sehr wichtig, besonders<br />

für Studenten ohne buchhändlerische Ausbildung.<br />

Als ich direkt nach der Promotion zu Gondrom<br />

kam, musste man mir »Belletristik« noch<br />

buchstabieren. Gut, buchstabieren nicht, aber in<br />

der Einarbeitungszeit hatte ich Fragen wie: Was<br />

ist ein Barsortiment? Wieso heißt der<br />

Branchenverband »Börsenverein«? Warum muss<br />

man auf Preisbindung Rücksicht nehmen? Obwohl<br />

ich mich intensiv mit Handelsbetriebslehre<br />

beschäftigt habe, waren mir die Branchenspezifika<br />

nicht bekannt.<br />

LEIPZIGER LERCHE: Außer Rechnungswesen und<br />

Controlling geben Sie auch Vorlesungen in Unternehmensgründung<br />

und -führung. Wo werden<br />

Sie den Schwerpunkt legen?<br />

DR. DIECKMANN: Als Assistent des Verlegers beim<br />

Falken Verlag hatte ich den ersten Kontakt zur<br />

Verlagswirtschaft. Dort hatte ich viel mit Lizenzgeschäften<br />

zu tun und habe mich mit Kalkulation<br />

und Preisfindung auseinander gesetzt. Das war<br />

eine spannende Zeit. Trotzdem komme ich aus<br />

dem Buchhandel und würde den Schwerpunkt<br />

hier auch gerne auf den Buchhandel legen. Zum<br />

einen, weil ich mich da auskenne, zum anderen,<br />

weil die großen Buchhandlungen in der Branche<br />

ein immer größeres Gewicht bekommen. Es sind<br />

die Filialisten, die das Gesicht der Branche in Zukunft<br />

noch stärker prägen werden als heute. Aus<br />

meiner Erfahrung bei Weltbild plus, die eine<br />

Tochter von Weltbild und Hugendubel ist, weiß<br />

Prof. Dr. Randolf Dieckmann<br />

ich, dass es bei diesen Unternehmen einen gewissen<br />

Personalbedarf auf der unteren und mittleren<br />

Managementebene geben wird. Dabei sind<br />

aber nicht nur buchhändlerische Fähigkeiten gefragt.<br />

Gesucht werden Menschen mit Personalführungsqualitäten<br />

und damit auch Controllingkenntnissen.<br />

Es ist wichtig eine Wirtschaftlichkeitsrechnung<br />

lesen und verstehen zu können,<br />

denn es bedeutet zu wissen, wo die Stellhebel<br />

sind: Wo kann ich angreifen um erfolgreich zu<br />

sein, um dann auch besondere Bücher herstellen<br />

und verkaufen zu können? Ich denke aber, dass<br />

wir nicht nur buchhandelsspezifisch arbeiten,<br />

sondern eher einen betriebswirtschaftlichen<br />

Rundumschlag machen werden.<br />

LEIPZIGER LERCHE: Es ist zu beobachten, dass<br />

immer öfter Buchhandelsunternehmen von<br />

Filialisten übernommen werden, wie seit dem 1.<br />

Januar 2006 Gondrom von Thalia. Wie sehen Sie<br />

die Zukunft der Filialunternehmen, die noch in<br />

Familienhand sind und die der kleineren Sortimenter?<br />

Haben diese in Zeiten von Konzentrationsprozessen<br />

eine Chance zu überleben?<br />

DR. DIECKMANN: Der Buchhandel nimmt die gleiche<br />

Entwicklung wie andere Branchen des<br />

Einzelhandels vor ihm auch. Inhabergeführte<br />

Einzelunternehmen haben es zunehmend schwerer,<br />

das eigene Geschäft bei stagnierenden<br />

Margen und steigenden Kosten wirtschaftlich zu<br />

betreiben.<br />

Die »großen« Filialisten haben es dagegen vielfach<br />

leichter, unrentable durch ertragsstarke<br />

Filialen zu subventionieren und können an<br />

einem Standort existieren, wenn dies für einen<br />

»kleinen« Sortimenter nicht mehr möglich ist.<br />

Gleichzeitig müssen die Filialisten Marktanteile<br />

gewinnen, um zu wachsen, denn Wachstum<br />

bedeutet unter anderem, mit großen Verlagen auf<br />

Augenhöhe zu verhandeln und dadurch die<br />

besten Konditionen zu erzielen. Bei einem stagnierenden<br />

Markt geht das nur über einen<br />

Verdrängungswettbewerb, wobei die Gefahr besteht,<br />

dass insbesondere die finanziell schwachen<br />

Sortimenter auf der Strecke bleiben. Familienbetriebe,<br />

die filialisieren, müssen dabei<br />

besonders aufpassen. Ein Flop in der Standortwahl<br />

kann das Aus für das gesamte Unternehmen<br />

bedeuten. Aber es gibt genug Ansatzpunkte für<br />

Filialunternehmen in Familienhand oder die<br />

kleineren Sortimente. Für die Familien-Filialunternehmen<br />

wie Hugendubel und Mayersche bieten<br />

sich zum Beispiel Kooperationsmodelle an,<br />

indem bestimmte Buchhandelsprozesse gemeinsam<br />

betrieben werden. Kleinere Sortimente<br />

haben unzweifelhaft eine große persönliche<br />

Kompetenz in Sortiments-gestaltung und -kenntnis,<br />

sie sind häufig engagierter und flexibler oder<br />

haben bestimmte Schwerpunkte.<br />

Das sind alles Ansatzpunkte zur langfristigen<br />

Kundenbindung oder zur Verfolgung einer<br />

Nischenstrategie, in der sich hervorragend überleben<br />

lässt. Man sollte die Entwicklung nicht<br />

kleinreden oder ignorieren, aber auch nicht den<br />

Kopf in den Sand stecken, sondern bewusst und<br />

aktiv mit der steigenden Konzentration umgehen.<br />

LEIPZIGER LERCHE: Sie haben in Großstädten wie<br />

Hamburg und München gelebt.Wie gefällt Ihnen<br />

Leipzig?<br />

DR. DIECKMANN: Ich war schon öfter hier zu<br />

Tagungen und es gibt sehr schöne Gebiete. Ich<br />

werde mich in Leipzig sehr wohl fühlen. Da bin<br />

ich ganz sicher.<br />

LEIPZIGER LERCHE: Das ist schön zu hören. Vielen<br />

Dank für das Interview.<br />

INTERVIEW: URSULA EITZEN, CLAUDIA HANKE<br />

FOTO: PROF. DR. RANDOLF DIECKMANN<br />

ZUR PERSON<br />

• Prof. Dr. Randolf Dieckmann<br />

• 1982-88 Studium der Betriebswirtschaftslehre<br />

an der Universität Hamburg<br />

• Schwerpunkte: Handelsbetriebslehre,<br />

Personalwirtschaftslehre<br />

und Wirtschaftsrecht<br />

• 1988-1992 Promotionsstudium<br />

• 1993-1996 Filialleiter bei Gondrom<br />

• 1996-1998 Verlegerassistent<br />

beim Falken Verlag<br />

• 1998-2006 Kaufmännischer Leiter<br />

bei Weltbild plus<br />

HTWK LEIPZIG<br />

Leipziger <strong>Lerche</strong> <strong>Nr</strong>. <strong>24</strong> 15


Schleipen<br />

Papier zum Lesen<br />

Studiengang Buchhandel/Verlagswirtschaft<br />

Hochschule: Hochschule für Technik, Wirtschaft<br />

und Kultur Leipzig (FH)<br />

Fachbereich: Buch und Museum<br />

Regelstudienzeit: 8 Semester (incl. Praxis-Semester)<br />

Voraussetzungen: allgemeine oder fachgebundene<br />

Hochschulreife,Vorpraktikum<br />

Studienabschluss: Diplom-BuchhandelswirtIn (FH)<br />

Bewerbungszeitraum: 01.05. - 15.07.2006<br />

Studienbeginn: Wintersemester 2006/07<br />

Informationstag: 22.04.2006<br />

Internet: http://www.htwk-leipzig.de/bum<br />

Weitere Informationen zu den Bewerbungsmodalitäten:<br />

HTWK Leipzig<br />

Dezernat für Studienangelegenheiten<br />

Postfach 30 11 66<br />

04251 Leipzig<br />

„Studium rund ums Buch“<br />

Besuchen Sie den<br />

Gemeinschaftsstand der Hochschulen<br />

„Studium rund ums Buch“<br />

auf der Leipziger Buchmesse 2006<br />

Halle 5, Stand A 400.<br />

Wir freuen uns auf Sie!<br />

LEIPZIGER LERCHE<br />

ISSN: 1430-0737<br />

AUFLAGE: 3.000 Exemplare<br />

HERAUSGEBER: Hochschule für Technik, Wirtschaft und Kultur Leipzig (FH)<br />

Fachbereich Buch und Museum<br />

Studiengang Buchhandel/Verlagswirtschaft<br />

Karl-Liebknecht-Straße 145, 04277 Leipzig<br />

Internet: http://www.htwk-leipzig.de/bum/bv/<br />

projekte/lerche.html<br />

E-Mail: lerche-online@htwk-leipzig.de<br />

V.i.S.d.P. Prof. Dr. Steffen Hillebrecht<br />

REDAKTION: Yvonne Anger,Anja Bareinz, Michaela Bartzsch, Stefanie Beer,<br />

Natalie Dittmann, Ursula Eitzen, Maja Franke, Sabine Giesser,<br />

Steffi Grimm, Claudia Hanke, Franziska Immisch, Anne<br />

Jurack, Isabel Kirsche, Johanna Krobitzsch, Katja-Elisabetth<br />

Splichal, Fabienne Werner, Nadja Zeughan<br />

KORREKTUR: Ursula Eitzen, Steffi Grimm, Katja-Elisabetth Splichal<br />

BILDREDAKTION: Fabienne Werner<br />

ANZEIGEN: Michaela Bartzsch, Maja Franke,Anne Jurack, Katja-Elisabetth<br />

Splichal, Nadja Zeughan<br />

HERSTELLUNG: Ursula Eitzen, Isabel Kirsche<br />

Papierfabrik Schleipen<br />

Kaiserslauterer Straße 405<br />

67098 Bad Dürkheim<br />

Telefon 0 63 22/6 00 80<br />

Fax 0 63 22/6 17 02<br />

Ein Unternehmen der<br />

Cordier Spezialpapier GmbH<br />

Die LEIPZIGER LERCHE<br />

wurde gedruckt auf<br />

Schleipen-Fly 05 spezialweiß<br />

1,2faches Volumen<br />

100g/qm<br />

LAYOUT: Steffi Beer, Natalie Dittmann, Sabine Giesser, Claudia<br />

Hanke, Franziska Immisch, Isabel Kirsche, Johanna<br />

Krobitzsch, Fabienne Werner<br />

VERTRIEB: Michaela Bartzsch, Maja Franke, Anne Jurack, Nadja Zeughan<br />

REPRODUKTION,DRUCK UND WEITERVERARBEITUNG:<br />

Fachbereich Polygrafische Technik:Thomas Schulze, Roger<br />

Troks und Petra Kraft (Fb BuM)<br />

Wir bedanken uns für die freundliche Unterstützung bei:<br />

Marie Lomax, Heiko Rechenberger, Regina Bruch, Prof. Dr. Steffen<br />

Hillebrecht, Linda Tsardakas-Grimm, Dipl.-Ing. Thomas Schulze,<br />

Anke Schlegel, Roger Troks und der Papierfabrik Schleipen.

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!