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Lerche Nr. 24

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LEIPZIG<br />

Auf den Spuren der Buchstadt Leipzig<br />

Druckereien im »Grafischen Viertel«<br />

Leipzigs jahrhundertelange Tradition in<br />

der Produktion und Vermarktung literarischer<br />

Werke ist weithin bekannt. Verlage,<br />

Druckereien und Buchbindereien<br />

konzentrierten sich besonders um 1900<br />

in Leipzigs Osten, dem so genannten<br />

»Grafischen Viertel«.<br />

Hier wurden Bücher gedruckt, die in die<br />

Geschichte eingingen und bis in die heutige Zeit<br />

von zentraler Bedeutung für Bildung und Wissen<br />

sind. So entstanden Klassiker wie »Meyer's Lexikon«,<br />

der »Duden« oder »Brehm's Tierleben«.<br />

Die historischen Stätte, in denen diese Werke produziert<br />

wurden, spielen heute jedoch kaum eine<br />

Rolle mehr. Ihnen droht eher Verfall und Abrissbirne<br />

als beständiger Ruhm.<br />

Was über die Jahre aus den Leipziger Druckereien<br />

geworden ist, möchten wir hier dokumentieren.<br />

Im Jahre 1821 bezog F.A. Brockhaus mitsamt seiner<br />

Druckerei einen neuen Gebäudekomplex innerhalb<br />

des »Grafischen Viertels«. Das Unternehmen<br />

führte elf Jahre später Schnellpressen ein<br />

und konnte sich damit innerhalb kürzester Zeit<br />

als größtes Druckerei- und Verlagshaus Deutschlands<br />

positionieren.<br />

Während des Zweiten Weltkrieges wurden die<br />

Gebäude stark zerstört. Nach der Befreiung durch<br />

die Alliierten wurde Brockhaus, wie viele andere<br />

Verlage, dazu gezwungen, Filialen in Westdeutschland<br />

zu eröffnen. Der Verlag ging nach<br />

Brockhaus – Zentrum<br />

4 Leipziger <strong>Lerche</strong> <strong>Nr</strong>. <strong>24</strong><br />

Wiesbaden. 1953 wurde das Stammhaus durch<br />

die DDR-Regierung enteignet und verlegte daraufhin<br />

hauptsächlich Reiseliteratur.<br />

Erst 1992 verkaufte die Treuhand die VEB Brockhaus<br />

an die westdeutsche Verlagsgruppe, zuvor<br />

angestrebte Kooperationen hatten nicht funktioniert.<br />

In den folgenden Jahren wurde der Standort<br />

Leipzig wieder zum Hauptsitz des Verlages<br />

erklärt, die Lexikonredaktion hielt im »alten«<br />

neuen Gebäude Einzug und bekannte sich 1993<br />

zu ihrem Domizil in der Querstrasse 18.<br />

Die Überreste des früheren Offizin Andersen<br />

Nexö entdeckt man zwischen Gerichtsweg und<br />

Perthelstraße. Um 1870 ließ sich C.G. Röder dort<br />

mit seiner renommierten Notendruckerei nieder.<br />

Durch die gute Auftragslage wurden die Gebäude<br />

über Jahrzehnte hinweg erweitert.<br />

Bis zur Jahrhundertwende entwickelte sich das<br />

Unternehmen zum bedeutenden Buch- und<br />

Postkartenhersteller mit eigener Lichtdruckabteilung.<br />

Trotz starker Zerstörung durch den Zweiten<br />

Weltkrieg und anschließender Verstaatlichung<br />

konnte der zum Teil privat gebliebene<br />

Großbetrieb seine Arbeit fortsetzen.<br />

Erst 1972 wurde die Firma in das »Offizin<br />

Andersen Nexö« eingegliedert und endgültig<br />

verstaatlicht. Nach der Wende und der damit verbundenen<br />

Veräußerung des Offizins an die<br />

Treuhand wurde die Zerstörung der ausgedienten<br />

Gebäude beschlossen.<br />

So bestimmten Abrissbirnen und Bagger das Bild,<br />

die erst wieder vor dem H-förmigen Trakt<br />

Gerichtsweg 5-7 stoppten. Denkmalschützer hatten<br />

festgestellt, dass es sich hier um den ältesten<br />

Stahlbetonbau Deutschlands handelt.<br />

Ein riesiges Industrieareal findet sich in der<br />

Salomonstraße. Ab Ende des 19. Jahrhunderts<br />

entstand hier das Offizin Wilhelm Drugulin, die<br />

sich auf wissenschaftliche Werke in orientalischen<br />

und okzidentalischen Sprachen spezialisierte.<br />

Besonders die Hinwendung zum buchkünstlerischen<br />

Qualitätsdruck führte zum sehr<br />

guten Ruf der Druckerei.<br />

Als erstes Offizin der um 1895 erwachten Buchkunstbestrebungen<br />

in Deutschland wurden hier<br />

die Zeitschriften »Pan«, »Die Insel« und die<br />

»Zeitschrift für Bücherfreunde« gedruckt.<br />

Aufgrund finanzieller Schwierigkeiten verschmolz<br />

das Unternehmen nach einigen Übernahmen<br />

1928 schließlich mit der Leipziger<br />

Druckerei von F. E. Haag zur Haag-Drugulin AG.<br />

1953 wurde der Betrieb verstaatlicht und in<br />

Offizin Andersen Nexö umbenannt.<br />

Nach der Wende kümmerte sich die Treuhand<br />

um die Gebäudekomplexe, innovative Nutzungskonzepte<br />

für das Areal wurden seither nicht erarbeitet.<br />

Gegenwärtig wird ein umgebauter Gebäudeteil<br />

als Kindertagesstätte genutzt und so vor<br />

dem beständigen Verfall bewahrt.<br />

TEXT: STEFFI BEER<br />

FOTOS: STEFFI BEER<br />

Industrieareal Salomonstraße<br />

Druckereieingang an der Salomonstraße<br />

Überreste des Offizin Andersen Nexö, Gerichtsweg Fassade des Offizin Andersen Nexö, Gerichtsweg

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