30.12.2012 Aufrufe

Soziale Arbeit mit psychisch Erkrankten - DBSH LV Niedersachsen

Soziale Arbeit mit psychisch Erkrankten - DBSH LV Niedersachsen

Soziale Arbeit mit psychisch Erkrankten - DBSH LV Niedersachsen

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

Landesrundbrief<br />

<strong>Niedersachsen</strong> / Hamburg / Bremen<br />

& Schleswig-Holstein 01/10<br />

Schwerpunkt<br />

<strong>Soziale</strong> <strong>Arbeit</strong><br />

<strong>mit</strong> <strong>psychisch</strong> <strong>Erkrankten</strong><br />

Themen u.a.:<br />

Hilfs- und Wohnangebote für <strong>psychisch</strong>e Kranke ▪ Stationäre Jugendhilfe <strong>mit</strong> <strong>psychisch</strong> kran-<br />

ken Kindern ▪ „Was soll ich tun?“ - Vom Umgang <strong>mit</strong> Ohnmachtsgefühlen ▪ Doppeldiagnose<br />

Psychose und Sucht ▪ Zum Alltag einer Heimeinrichtung in Südafrika<br />

© Cmon - Fotolia.com


Inhalt:<br />

„Von der Raupe zum Schmetterling“<br />

KOKON - ein Wohnangebot für Menschen <strong>mit</strong> <strong>psychisch</strong>er<br />

Erkrankung und ihre Kinder 3<br />

<strong>Soziale</strong> <strong>Arbeit</strong> <strong>mit</strong> <strong>psychisch</strong> kranken Menschen 5<br />

Man muss sich mögen!<br />

Das PiB-Patenschaftsprogramm 9<br />

Ambulant betreutes Wohnen<br />

Ein Wegweiser 11<br />

Intensives „Sich Kümmern“ rund um die Uhr<br />

Stationäre Jugendhilfe <strong>mit</strong> <strong>psychisch</strong> kranken<br />

Kindern und Jugendlichen 12<br />

Vom Umgang <strong>mit</strong> Ohnmachtsgefühlen<br />

„Was soll ich tun?“ - Handeln und Verstehen 14<br />

Netzwerkbildung<br />

<strong>Arbeit</strong>skreis „Kinder <strong>psychisch</strong> kranker Eltern“ 15<br />

Doppeldiagnose Psychose und Sucht<br />

Sozialtherapie im Krelinger Reha-Zentrum 16<br />

Protokolle des nds. Landesverbandes<br />

E<strong>LV</strong>/Landes<strong>mit</strong>gliederversammlung 21<br />

Südafrika - Spuren der Apartheid<br />

Im Alltag einer Heimeinrichtung 23<br />

Gerechtigkeit<br />

Verdienst und Verdienen <strong>Soziale</strong>r <strong>Arbeit</strong> 25<br />

<strong>DBSH</strong> Bremen aktuell 26<br />

Beitrittserklärung 27<br />

Liebe Kolleginnen<br />

und Kollegen,<br />

in Deutschland leiden ca. 8 Millionen<br />

Menschen unter behandlungsbedürftigen<br />

<strong>psychisch</strong>en Störungen. In<br />

dieser Ausgabe des Landesrundbriefes<br />

für <strong>Niedersachsen</strong>, Bremen,<br />

Hamburg und Schleswig-Holstein<br />

möchten wir Ihnen unterschiedliche<br />

Ansätze von sozialer <strong>Arbeit</strong> <strong>mit</strong> <strong>psychisch</strong> <strong>Erkrankten</strong> näherbringen.<br />

Frau Garnet Helen Bräunig berichtet in ihrem Artikel "<strong>Soziale</strong> <strong>Arbeit</strong> <strong>mit</strong> <strong>psychisch</strong> <strong>Erkrankten</strong>"<br />

über ihre Erfahrungen, die sie als Krankenschwester, aber auch als Sozialpädagogin<br />

in der <strong>Arbeit</strong> <strong>mit</strong> <strong>psychisch</strong> erkrankten Menschen gemacht hat. Insbesondere<br />

geht sie hierbei auf den gängigen Umgang <strong>mit</strong> Psychopharmaka ein, der leider nur zu oft<br />

eine wirkliche Therapie der <strong>psychisch</strong>en Störung des Patienten/Klienten durch seine<br />

bloße Ruhigstellung <strong>mit</strong>tels Psychopharmaka erschwerte, verhinderte und schlimmstenfalls<br />

ersetzt.<br />

In diesem Landesrundbrief ist es uns ferner gelungen, spezielle Angebote der sozialen<br />

<strong>Arbeit</strong> <strong>mit</strong> seelisch <strong>Erkrankten</strong> darzustellen. So berichtet Hartmut Lauter in seinem Artikel<br />

„Doppeldiagnose Psychose und Sucht“ über die <strong>Arbeit</strong> <strong>mit</strong> Menschen, die auf der einen<br />

Seite unter einer <strong>psychisch</strong>en Erkrankung, auf der anderen Seite auch unter einer<br />

Suchterkrankung leiden. Frau Jana Görndt berichtet aus ihrer <strong>Arbeit</strong> in einer stationären<br />

Jugendhilfeeinrichtung für <strong>psychisch</strong> erkrankte Kinder und Jugendliche. Die „PiB–<br />

Pflegekinder in Bremen GmbH“ hat vor etwa fünf Jahren ein Patenschaftsprogramm für<br />

Kinder <strong>psychisch</strong> kranker Eltern ins Leben gerufen, über das Frau Gudrun Bollwahn in<br />

diesem Heft berichtet. Frau Manuela Schellworth beschreibt ferner das ambulant Betreute<br />

Wohnen für Menschen <strong>mit</strong> <strong>psychisch</strong>en Erkrankungen.<br />

Immer wieder kommt es in der<br />

<strong>Arbeit</strong> <strong>mit</strong> unserer Klientel zu Situationen,<br />

in denen wir uns überfordert<br />

oder sogar ohnmächtig fühlen. In<br />

dem Artikel „Vom Umgang <strong>mit</strong><br />

Ohnmachtsgefühlen“ bietet Frau<br />

Annette Gleßner einen verstehenden<br />

Zugang zu solchen Situationen<br />

als Grundlage für ein verantwortungsbewusstes<br />

Handeln an.<br />

Neben diesen Schwerpunktthemen<br />

finden sich in diesem Heft noch ein<br />

Artikel von Frau Friederike Lorenz<br />

über ihre <strong>Arbeit</strong> in einem Kinderheim<br />

in Südafrika sowie die Protokolle<br />

der zurückliegenden Sitzungen<br />

des erweiterten nds. Landesvorstandes<br />

sowie der nds. Landes<strong>mit</strong>gliederversammlung.<br />

Ich wünsche Ihnen viel Freude <strong>mit</strong><br />

den vielfältigen Artikel und möchte<br />

mich ganz herzlich bei allen bedanken,<br />

die an diesem Rundbrief in<br />

vielfältiger Art und Weise <strong>mit</strong>gewirkt<br />

haben.<br />

Frank Mattioli-Danker<br />

1.Vorsitzender <strong>DBSH</strong>-<strong>Niedersachsen</strong><br />

Herausgeber<br />

Deutscher Berufsverband<br />

für <strong>Soziale</strong> <strong>Arbeit</strong> e.V.<br />

Landesverband <strong>Niedersachsen</strong><br />

c/o Frank Mattioli-Danker<br />

Handy: 0173 / 74 84 682<br />

Email: mattida@aol.com<br />

Email: lv-niedersachsen@dbsh.de<br />

www.dbsh-niedersachsen.de<br />

Impressum<br />

Bundesgeschäftsstelle<br />

Friedrich-Ebert-Str. 30<br />

45127 Essen<br />

Tel. 02 01 / 8 20 78 – 0<br />

Fax 02 01 / 8 20 78 – 40<br />

Mail: geschaeftsstelle@dbsh.de<br />

www.dbsh.de<br />

Landesgeschäftsstelle<br />

Harald Martens<br />

Postbruch 4<br />

29693 Hodenhagen<br />

Tel.: 05164 / 8 00 371<br />

Telefonisch erreichbar von montags bis<br />

freitags in der Zeit von14.00 – 17.00 Uhr<br />

Redaktion<br />

Frank Mattioli-Danker (V.i.S.d.P.)<br />

und der Landesvorstand<br />

Gestaltung<br />

Harald Martens<br />

Tom Brodhuhn<br />

Druck<br />

Gemeindebriefdruckerei,<br />

29393 Groß Oesingen<br />

Auflage: 1.500<br />

Der Landesrundbrief erscheint drei-<br />

bis viermal jährlich, der Bezugspreis<br />

ist im Mitgliedsbeitrag enthalten.<br />

Die namentlich gekennzeichneten<br />

Artikel geben nicht unbedingt die<br />

Meinung der Redaktion wieder.<br />

Der Landesrundbrief im Internet:<br />

www.dbsh-niedersachsen.de<br />

Thema der nächsten Ausgabe:<br />

ErzieherIn in der<br />

Kindertagesstätte<br />

Redaktionsschluß: 30.05.10<br />

Seite 2 <strong>DBSH</strong>-Landesrundbrief <strong>Niedersachsen</strong>/Hamburg/Bremen/Schleswig-Holstein 01/10


<strong>Soziale</strong> <strong>Arbeit</strong> <strong>mit</strong> <strong>psychisch</strong> <strong>Erkrankten</strong><br />

„Von der Raupe zum Schmetterling“<br />

KOKON - ein Wohnangebot für Menschen <strong>mit</strong> <strong>psychisch</strong>er Erkrankung<br />

und ihre Kinder ● Brigitte Kreiner<br />

© Jean-Claude Drillon - Fotolia.com<br />

Ausgangspunkt von KOKON war, die Versorgungslücke für<br />

<strong>psychisch</strong> kranke Erwachsene zu schließen, die <strong>mit</strong> ihren Kindern<br />

trotz ihrer Erkrankung zusammen leben möchten. Diese Lücke<br />

sollte durch das Kooperationsprojekt KOKON der Bremer<br />

Werkgemeinschaft (BWG) und der Caritas-Erziehungshilfe gGmbH<br />

geschlossen werden. Unter einem Dach finden sowohl das<br />

Betreute Wohnen für <strong>psychisch</strong> erkrankte Elternteile als auch die<br />

Sozialpädagogische Familienhilfe statt.<br />

Der Name KOKON weist einerseits auf den geschützten Rahmen<br />

zur Entwicklung und Entfaltung hin, andererseits markiert er einen<br />

lebendigen dynamischen Veränderungsprozess, dessen Ziel die<br />

Eigenständigkeit und Unabhängigkeit der BewohnerInnen ist. Der<br />

Wohngemeinschaftscharakter spielt in dem Projekt eine wichtige<br />

Rolle. Die BewohnerInnen können von ihren jeweiligen<br />

Erfahrungen (Erziehung der Kinder, Umgang <strong>mit</strong> Krisen etc.)<br />

lernen, nach Wunsch zusammen den Alltag teilen (Haushalt,<br />

Kinderbetreuung) und sich auf diese Weise gegenseitig<br />

unterstützen.<br />

Ziel des Wohnprojektes KOKON ist es, den BewohnerInnen Halt<br />

und Struktur in <strong>psychisch</strong>en Krisen zu bieten, den Kindern<br />

Entwicklungschancen zu sichern, mögliche Beziehungsabbrüche<br />

zu vermeiden und beim Aufbau einer tragfähigen Beziehung<br />

zwischen Eltern und Kindern zu helfen. Langfristig zielt das<br />

Hilfsangebot darauf hin, die Mütter und Väter zu unterstützen,<br />

außerhalb stationärer Einrichtungen zusammen <strong>mit</strong> ihren Kindern<br />

leben zu können.<br />

Für KOKON gibt es zwei Zugangswege: zum Einen können<br />

betroffene Eltern sich an das Jugendamt wenden, wo der Bedarf<br />

für Sozialpädagogische Familienhilfe nach § 31 SGB VIII und in<br />

diesem Rahmen ein zusätzlicher Bedarf nach intensiverer<br />

Betreuung festgestellt wird.<br />

Das „Wohnangebot für Menschen <strong>mit</strong> <strong>psychisch</strong>er<br />

Erkrankung und ihre Kinder – KOKON“<br />

hat im Frühjahr 2007 zum ersten Mal seine<br />

Türen geöffnet für eine <strong>psychisch</strong> kranke Mutter<br />

und ihren zweijährigen Sohn. Sie war infolge<br />

einer drogeninduzierten psychotischen<br />

Episode über einen längeren Zeitraum nicht<br />

mehr in der Lage, ihren Sohn adäquat zu versorgen.<br />

Um eine Fremdplatzierung des Kindes<br />

zu verhindern, nahm die Mutter das gemeinsame<br />

Wohnangebot sehr gerne an. Ihre<br />

Krise dauerte ca. ein halbes Jahr, dann konnte<br />

sie – deutlich stabilisiert – in ihre alte<br />

Wohnform zurückziehen.<br />

Die zuständige CasemanagerIn setzt sich dann <strong>mit</strong> dem KOKON-<br />

Koordinationsteam in Verbindung und veranlasst die weiteren<br />

Schritte.<br />

Zum Zweiten kann eine Mutter/ein Vater über den sozialpsychiatrischen<br />

Dienst, die behandelnde Nervenärztin, das Fachpersonal<br />

der behandelnden Klinik u. a. auf das Wohnprojekt KOKON als<br />

mögliche Betreuungsform hingewiesen werden und einen Antrag<br />

auf diese Form des betreuten Wohnens bei der Bremer Werkgemeinschaft<br />

stellen. Nach dem Erstellen einer Diagnose kann im<br />

Rahmen von SGB XII § 53 Abs. 4 ff sowie SGB II ein Antrag auf<br />

die Betreuung durch KOKON gestellt werden.<br />

Zu den Bedingungen für die Aufnahme in das KOKON-Projekt<br />

gehört neben der Diagnose einer <strong>psychisch</strong>en Erkrankung und<br />

des festgestellten Bedarfs an Familienhilfe ebenfalls die Kündigung<br />

der bisherigen Wohnung. Die Mietkosten für das Appartement<br />

im KOKON werden bei Hartz-IV-Bezug (<strong>Arbeit</strong>slosengeld,<br />

Sozialhilfe und Grundsicherung) von der BAgIS bzw. dem Sozialamt<br />

übernommen.<br />

Bei der Zielgruppe für die KOKON - Nutzung handelte es sich<br />

bislang überwiegend um<br />

� junge (werdende) <strong>psychisch</strong> kranke Mütter, die bei den<br />

Eltern, beim Freund oder in eher prekären<br />

Wohnverhältnissen lebten und direkt nach einem stationären<br />

Aufenthalt in der Psychiatrie noch während ihrer<br />

Schwangerschaft oder direkt nach der Entbindung ihres<br />

Kindes in das Wohnprojekt KOKON überwechselten oder um<br />

� Familien, bei denen das Kind bzw. die Kinder infolge einer<br />

akuten <strong>psychisch</strong>en Krise der Mutter oder des Vaters kurz<br />

oder selten auch längerfristig fremdplatziert wurde/n und die<br />

Einrichtung KOKON als Klärungsmöglichkeit für eine<br />

Rückführung genutzt werden konnte.<br />

<strong>DBSH</strong>-Landesrundbrief <strong>Niedersachsen</strong>/Hamburg/Bremen/Schleswig-Holstein 01/10 Seite 3


<strong>Soziale</strong> <strong>Arbeit</strong> <strong>mit</strong> <strong>psychisch</strong> <strong>Erkrankten</strong><br />

Vorstellbar sind aber noch sehr viel mehr Situationen, in denen<br />

eine kurz- oder auch langfristige Aufnahme im KOKON-Projekt<br />

sinnvoll und notwendig erscheint. Der Verweildauer im KOKON ist<br />

dabei keine Grenze gesetzt, von drei Monaten bis zu drei Jahren<br />

oder mehr wäre - je nach Bedarf - alles möglich.<br />

Die Unterstützung und Begleitung durch die Sozialpädagogische<br />

Familienhilfe erfolgt im KOKON <strong>mit</strong> dem Ziel, den Eltern trotz<br />

<strong>psychisch</strong>er Erkrankung die Beziehung zum Kind zu ermöglichen<br />

sowie eine Fremdplatzierung und den da<strong>mit</strong> verbundenen Beziehungsabbruch<br />

für das Kind zu vermeiden. Schwerpunkt der <strong>Arbeit</strong><br />

ist daher die Unterstützung beim Aufbau und bei der Aufrechterhaltung<br />

einer vertrauensvollen, der Entwicklung des Kindes wie<br />

des Elternteils förderlichen Beziehung. Folgende Aspekte sind<br />

dabei von zentraler Bedeutung:<br />

� Sicherstellung des Wohles des Kindes<br />

� Unterstützung bei der Wahrnehmung der elterlichen<br />

Pflichten<br />

� Sensibilisierung der Eltern für die Bedürfnisse des Kindes<br />

� Verselbständigung der Erwachsenen in den Bereichen<br />

Lebenspraxis, Gesundheit und Hygiene, Kultur und Freizeit<br />

� berufliche Rehabilitation<br />

� Früherkennung und Umgang <strong>mit</strong> Krisen.<br />

Die eingesetzten Methoden in der <strong>Arbeit</strong> sind vielfältig und erstrecken<br />

sich über das Lernen am Modell, die Familienkonferenz, das<br />

Video-Home-Training hin zu reflektierenden Gesprächen, praktischer<br />

und ressourcenorientierter Erziehungsberatung,<br />

Biografiearbeit u.v.m. Auch die Einbindung in Gruppenangebote<br />

(Gesprächsgruppe für <strong>psychisch</strong> belastete Mütter, Elterntraining,<br />

Kochkurs, Kindergruppe für Kinder aus <strong>psychisch</strong> belasteten<br />

Familien etc.) ist gerade im Sinne der Enttabuisierung von <strong>psychisch</strong>en<br />

Erkrankungen ebenfalls ein fester Bestandteil der <strong>Arbeit</strong> <strong>mit</strong><br />

der Familie.<br />

Die 19jährige Frau M. wurde das erste Mal auffällig bei einem<br />

Krankenhausaufenthalt. Sie machte auf das Personal dort einen derart<br />

desolaten Eindruck, dass dieses sofort das zuständige Behandlungszentrum<br />

sowie - Frau M. war zu dem Zeitpunkt im 4. Monat schwanger - das<br />

Amt für <strong>Soziale</strong> Dienste in Kenntnis setzte. Zu dieser Zeit lebte Frau M. auf<br />

dem Land nahe Bremen in einer sehr karg möblierten Wohngemeinschaft.<br />

Sie bewegte sich in einem Milieu, in dem nicht nur der massive Konsum<br />

von Alkohol und anderen Drogen, sondern auch lautstarke und z. T.<br />

aggressive Auseinandersetzungen zum Alltag gehörten. Ihr Freund<br />

forderte von ihr die Abtreibung, drohte <strong>mit</strong> Trennung und versuchte sie so<br />

unter Druck zu setzen. Frau M. wollte aber trotz anfänglicher Ängste gerne<br />

ihr Baby bekommen und begann zusehends, sich von diesem Milieu<br />

zurückzuziehen. Da Frau M. neben ihrer <strong>psychisch</strong> extrem labilen<br />

Verfassung infolge einer Persönlichkeitsstörung noch zusätzlich unter<br />

Absencen litt, die wegen unregelmäßiger Medikamenteneinnahme nicht<br />

richtig behandelt werden konnten, wurde <strong>mit</strong> ihrer Kenntnis das<br />

Familiengericht dazugezogen und ihr kurz vor Geburt des Kindes das<br />

Sorgerecht entzogen. Es gab für sie zwei Möglichkeiten: der Aufenthalt in<br />

der Wohngemeinschaft KOKON oder die Fremdunterbringung ihres Babys<br />

sofort nach der Geburt.<br />

Im Krankenhaus zeigte sich, dass Frau M. einen guten Kontakt zu ihrem<br />

Baby aufbauen konnte und überwiegend in der Lage war, dessen<br />

Bedürfnisse wahrzunehmen und zu beantworten.<br />

Im neuen Zuhause KOKON empfand Frau M. den schützenden Charakter<br />

der Einrichtung anfänglich als sehr wohltuend; sie war daher weiterhin in<br />

der Lage, ihre Tochter unter kundiger Anleitung der Nachsorge-Hebamme,<br />

der Familienhebamme, der Kinderärztin, der Familienpädagogin u. a.<br />

relativ gut zu versorgen. Für sich selbst konnte sie die psychosoziale<br />

Betreuung durch die Fachkräfte der Bremer Werkgemeinschaft gut nutzen.<br />

Der Wohngemeinschaftsaspekt kam ihr sehr zugute, da die zweite<br />

Bewohnerin größere Kinder hatte und sie so von deren Erfahrung<br />

profitieren konnte. In den wöchentlichen WG-Besprechungen wurden alle<br />

anfallenden Belange (Abwasch- und Putzplan, Konflikte wegen<br />

verschwundenem Haushaltsgeld, Auseinandersetzungen über unter-<br />

schiedliche Lärmgrenzen u. ä.) angesprochen und versucht zu klären. Der<br />

Freund von Frau M. konnte seine Schwellenangst überwinden und wurde<br />

als verantwortungsvoller Vater gerne in der Einrichtung gesehen und<br />

willkommen geheißen. Trotz dieser relativ guten Entwicklung gab es<br />

weiterhin Auflagen vom Jugendamt (Übernachtung nur im KOKON-Projekt,<br />

kein Kontakt zum alten Umfeld und da<strong>mit</strong> auch zu Alkohol, Drogen und<br />

Gewalt, keine Betreuung des Kindes durch unbekannte Dritte etc.), die<br />

Frau M. <strong>mit</strong> fortschreitender Stabilisierung als zunehmend einengend<br />

empfand.<br />

Im Kontakt <strong>mit</strong> ihrer kleinen Tochter fühlte sie sich zwar zusehends sicherer<br />

und wirkte ihr gegenüber überwiegend gelassen, ruhig und liebevoll,<br />

gleichzeitig fühlte sie sich aber auch hier durch die Fülle von Terminen<br />

bezüglich ihrer Tochter und letztendlich durch die Verantwortung ihr gegenüber<br />

stark überfordert.<br />

Die Entscheidung, ihre Tochter in eine Pflegefamilie zu geben - und das<br />

heißt, die eigene Überforderung und die eigenen Grenzen zu sehen und<br />

zu akzeptieren - kam von daher nicht überraschend und konnte von allen<br />

Beteiligten des Hilfesystems sehr wertgeschätzt und gewürdigt werden.<br />

Frau M. zeigte <strong>mit</strong> diesem Schritt einen überaus verantwortlichen Umgang<br />

ihrer damaligen Lebenssituation und vor allem ihrer Tochter gegenüber.<br />

Da sie durch das KOKON-Projekt den Raum zur Verfügung hatte, diese<br />

Entscheidung zwar schweren Herzens, aber selbstverantwortlich zu fällen,<br />

gelang es ihr und ihrem Freund, einen liebevollen Abschied von ihrer<br />

Tochter zu gestalten: die Eltern machten Fotos von sich und ihrer Tochter,<br />

schrieben eine Liste für die neuen Betreuungspersonen, um wichtige<br />

Dinge (Einnahme von Medikamenten, bestimmte Befindlichkeiten und<br />

Vorlieben ihrer Tochter etc.) <strong>mit</strong>zuteilen und konnten so ihre Tochter den<br />

neuen "Eltern" der Übergangspflege relativ beruhigt anvertrauen.<br />

In den meisten Fällen gelingt es den Müttern, sich im<br />

KOKON soweit zu stabilisieren, dass sie <strong>mit</strong> ihren Kindern<br />

in ihr altes Wohnumfeld zurückziehen können.<br />

Zur Zeit wird KOKON von zwei Familien bewohnt, einer<br />

jungen Mutter <strong>mit</strong> Säugling und einer Mutter <strong>mit</strong> drei Kindern<br />

im Alter von zwölf, zehn und zwei Jahren. Beide bilden<br />

jeweils die oben erwähnten Zielgruppen ab: Die Mutter<br />

<strong>mit</strong> Baby kam wegen ihrer Angststörung noch während<br />

ihrer Schwangerschaft nach einem Klinikaufenthalt in das<br />

KOKON-Projekt; bei der anderen Familie handelt es sich<br />

um eine Rückführung <strong>mit</strong> dem Ziel der Stabilisierung der<br />

<strong>psychisch</strong> erkrankten Mutter und dem - erneuten - Aufbau<br />

einer tragfähigen Beziehung zwischen ihr und ihren Kindern.<br />

In jedem Fall konnte KOKON bisher den nötigen Schutzraum<br />

für die Bewohnerinnen bieten und sie in <strong>psychisch</strong>en<br />

Krisen auffangen und begleiten. Dazu tragen neben der<br />

intensiven Betreuung durch das Team des Betreuten Wohnens<br />

und der Sozialpädagogischen Familienhilfe sowie der<br />

Rufbereitschaft zu jeder Tages- und Nachtzeit auch die<br />

Bewohnerinnen der Wohngemeinschaft KOKON einen<br />

wesentlichen Teil bei: sie unterstützen sich gegenseitig im<br />

Alltag und können so ganz nebenbei wichtige soziale Kompetenzen<br />

entfalten.<br />

Autorin Brigitte Kreiner ist<br />

Diplompsychologin und arbeitet<br />

seit 7 Jahren als Familienpädagogin<br />

in den Ambulanten Hilfen<br />

zur Erziehung der Caritas-<br />

Erziehungshilfe gGmbH überwiegend<br />

<strong>mit</strong> <strong>psychisch</strong> kranken<br />

Müttern. Seit zwei Jahren ist sie<br />

die Koordinatorin für KOKON.<br />

Seite 4 <strong>DBSH</strong>-Landesrundbrief <strong>Niedersachsen</strong>/Hamburg/Bremen/Schleswig-Holstein 01/10


<strong>Soziale</strong> <strong>Arbeit</strong> <strong>mit</strong> <strong>psychisch</strong> <strong>Erkrankten</strong><br />

<strong>Soziale</strong> <strong>Arbeit</strong> <strong>mit</strong> <strong>psychisch</strong> kranken Menschen<br />

„Die dramatischen Veränderungen der Gesellschaft<br />

<strong>mit</strong> ihren weitreichenden sozialen und <strong>psychisch</strong>en<br />

Anforderungen und Belastungen, die für viele<br />

Menschen Unsicherheit und Orientierungslosigkeit<br />

bedeuten, schlagen sich in vielfältigen und<br />

schwerwiegenden Gesundheitsproblemen nieder. Wer<br />

nicht über die notwendigen konstitutionellen,<br />

sozialen, <strong>psychisch</strong>en und materiellen Ressourcen<br />

verfügt, die Herausforderungen der Modernisierung<br />

`gesund` zu bewältigen, ist ohne professionelle Hilfe<br />

den Zufällen seiner Lebenssituation und der sozialen<br />

Wandlungen ausgeliefert.“ 1<br />

Zunahme <strong>psychisch</strong>er Erkrankungen<br />

Entsprechend bilden in der beruflichen Praxis der <strong>Soziale</strong>n <strong>Arbeit</strong><br />

zunehmend seelisch stark gefährdete, chronisch kranke und<br />

mehrfach belastete Menschen den Schwerpunkt des Klientels,<br />

das dringender denn je eine spezialisierte psycho-soziale Behandlung<br />

in Form einer gesundheitsspezifischen Fachsozialarbeit<br />

benötigt. Psychische Erkrankungen und Behinderungen gehören<br />

zu den vordringlichen Gesundheitsproblemen der Bevölkerung.<br />

Der Anteil <strong>psychisch</strong> kranker Menschen nimmt in den Industrienationen<br />

stetig zu. So hat sich in Deutschland seit 1985 der Anteil<br />

<strong>psychisch</strong>er Erkrankungen an den Frühberentungen auf 29,2%<br />

nahezu verdreifacht. Nahezu jeder zehnte Bürger leidet im Laufe<br />

eines Jahres unter <strong>psychisch</strong> bedingten Störungen. 32,1% (= 15,6<br />

Mio.) der Bevölkerung im Alter von 18 - 65 Jahren, d.h. im erwerbsfähigen<br />

Alter, leiden subjektiv an <strong>psychisch</strong>en Störungen<br />

und sind von störungsspezifischen psychosozialen Einschränkungen<br />

betroffen. 17,5% der Kinder und Jugendlichen (bis 18 Jahre)<br />

leiden an <strong>psychisch</strong>en Störungen, und ca. 23% der über 65jährigen<br />

weisen behandlungsbedürftige <strong>psychisch</strong>e Erkrankungen<br />

auf. Das Lebenszeitrisiko, <strong>psychisch</strong> zu erkranken, liegt insgesamt<br />

bei 42,6%. 18% aller Arztbesuche (ohne Fachärzte für<br />

Psychiatrie und Psychotherapie) gehen auf <strong>psychisch</strong>e Störungen<br />

zurück. Ökonomisch von Bedeutung ist, dass 41% aller <strong>Arbeit</strong>s-<br />

Unfähigkeits-Tage der letzten 4 Wochen auf <strong>psychisch</strong>e Störungen<br />

zurückgehen. 2<br />

Aufgaben der <strong>Soziale</strong>n <strong>Arbeit</strong><br />

Obwohl sich weniger als ein Drittel der <strong>psychisch</strong> <strong>Erkrankten</strong> an<br />

einen Fachdienst wendet oder eine angemessene medikamentöse<br />

bzw. psychotherapeutische Behandlung in Anspruch nimmt, ist<br />

die Notwendigkeit einer gesundheitsspezifischen Fachsozialarbeit<br />

enorm gestiegen, liegt doch der Gegenstand der Klinischen<br />

Sozialarbeit in der „Behandlung psychosozialer Störungen und<br />

körperlicher Beeinträchtigungen <strong>mit</strong> dem Ziel der Heilung, Linderung<br />

und Besserung“ 3 , wobei die Behandlung aus einer Vielzahl<br />

von psycho-sozialen Interventionsmöglichkeiten besteht, aus der<br />

man nicht einfach die richtige Intervention wie ein Medikament<br />

auswählen und verordnen kann, sondern <strong>mit</strong>tels wissenschaftlich<br />

fundierter Methoden notwendige Veränderungen der psychosozialen<br />

Lebenslage und Lebensweise anstrebt, die nur unter<br />

1 Helmut Pauls: Klinische Sozialarbeit. Grundlagen und Methoden psycho-sozialer<br />

Behandlung. Juventa Verlag Weinheim und München 2004, S. 11<br />

2 Ernst von Kardorff / Heike Ohlbrecht: Die Bedeutung der <strong>Arbeit</strong> für <strong>psychisch</strong><br />

kranke Menschen im gesellschaftlichen Wandel – soziologische Anmerkungen zur<br />

beruflichen Rehabilitation. Erschienen in: Heilpädagogik online im Juni 2006<br />

3 Stimmer: Fachlexikon der <strong>Soziale</strong>n <strong>Arbeit</strong><br />

Einbeziehung der Betroffenen, ihrer Bezugspersonen, ihrem<br />

sozialen Netzwerk und den beteiligten Institutionen und Professionen<br />

erreicht werden können.<br />

Das erklärte Ziel der psycho-sozialen <strong>Arbeit</strong> <strong>mit</strong> <strong>psychisch</strong> kranken<br />

Menschen ist deren soziale Integration in ihrem natürlichen<br />

Umfeld. Die Auswirkungen der <strong>psychisch</strong>en Störung auf alle<br />

Lebensbereiche (<strong>Arbeit</strong>, Wohnen, Familie, Beziehungen, Freizeit)<br />

sollen durch sozial-integrative Maßnahmen aufgefangen und<br />

da<strong>mit</strong> sozialer Abstieg, Verarmung und Isolation verhindert werden.<br />

Hierbei ist es wichtig, diagnostisch die Ursachen der <strong>psychisch</strong>en<br />

Krise auf allen Manifestationsebenen (bio-psycho-sozial)<br />

abzuklären und bei Interventionen zu berücksichtigen. Denn nur<br />

bei Anwendung des multikausalen bio-psycho-sozialen Behandlungsansatzes<br />

können alle zusammenwirkenden Faktoren der<br />

<strong>psychisch</strong>en Störung und nicht nur das Symptom erfasst werden.<br />

Medikalisierung der Gesellschaft<br />

In der Praxis stößt die <strong>Soziale</strong> <strong>Arbeit</strong> <strong>mit</strong> <strong>psychisch</strong> kranken<br />

Menschen jedoch trotz Sensibilisierung für deren Probleme und<br />

Reformpsychiatrie auf eine fortschreitende Medikalisierung der<br />

Gesellschaft, die auf die „Herrschaft der technologisch bestimmten<br />

Lebensbedingungen“ zurückzuführen ist, „die auch das<br />

Gesundheitswesen kennzeichnet“ und „die Technisierung der<br />

Medizin in den Vordergrund der Gesundheitsbehandlung…schiebt“.<br />

4 Dies findet ihren Ausdruck in der Medizinalisierung<br />

abweichenden Verhaltens und in zu häufig verordneten und<br />

zu hoch dosierten Psychopharmaka 5 , deren Nebenwirkungen<br />

nicht selten ein Ausmaß annehmen, dass sich die Frage stellt, ob<br />

es sich noch um ein durch die Krankheit ausgelöstes Symptom<br />

oder um ein Symptom als Nebenwirkung eines eingesetzten<br />

Medikaments handelt. Der Glaube an Medikamente als einzige<br />

Behandlungsmöglichkeit von <strong>psychisch</strong>en Erkrankungen ist in<br />

unserer Zeit so ausgeprägt, dass Psychopharmaka einen festen<br />

Bestandteil jeder psychiatrischen Behandlung darstellen.<br />

Dabei möchte niemand ernsthaft bestreiten, dass eine pharmakologische<br />

Behandlung durchaus ein sinnvoller Bestandteil der<br />

psychiatrischen Behandlung sein kann, wenn <strong>mit</strong> psychologischer<br />

oder sozialer Einwirkung zu wenig oder nichts erreicht wird, und<br />

dass sie von vielen <strong>psychisch</strong> erkrankten Menschen als hilfreich<br />

erlebt wird. Allerdings stechen schon bei oberflächlicher Betrachtung<br />

die unterschiedlichen Interessen von Pharmakonsumenten<br />

und -herstellern ins Auge und geben Anlass zum Nachdenken.<br />

Während für die Nutzer von Psychopharmaka Lebensqualität und<br />

–zufriedenheit im Mittelpunkt stehen, prüfen die im Auftrag der<br />

Pharmahersteller durchgeführten Arznei<strong>mit</strong>telstudien ausschließlich<br />

Kriterien wie Symptom-, Rückfall- und Nebenwirkungsminderung,<br />

wobei der Zusammenhang zwischen <strong>psychisch</strong>er Erkrankung<br />

und psychosozialen Einflussfaktoren völlig vernachlässigt<br />

wird. Und bei näherem Hinsehen geben bekannt gewordene<br />

Psychopharmakaschäden wie die von dem Hamburger Psychiater<br />

und Psychotherapeuten Volkmar Aderhold publizierte<br />

neuroleptikabedingte hohe Sterblichkeitsrate großen Anlass zur<br />

Sorge und lassen nicht nur die Antipsychiatrie eine Neubewertung<br />

der pharmakologischen Behandlung in der Psychiatrie fordern.<br />

4 Helmut Pauls: Klinische Sozialarbeit. Grundlagen und Methoden psycho-sozialer<br />

Behandlung. Juventa Verlag Weinheim und München 2004, S. 11<br />

5 Psychopharmaka: = die Psyche beeinflußende Medikamente. Sie finden üblicherweise<br />

als Beruhigungs<strong>mit</strong>tel, Medikamente gegen Depressionen oder <strong>psychisch</strong>e<br />

Erkrankungen Anwendung. Man setzt solche Medikamente manchmal aber auch zur<br />

Schmerztherapie ein, weil sie z.T. auch eine günstige Wirkung auf die Schmerzwahrnehmung<br />

haben.<br />

<strong>DBSH</strong>-Landesrundbrief <strong>Niedersachsen</strong>/Hamburg/Bremen/Schleswig-Holstein 01/10 Seite 5


<strong>Soziale</strong> <strong>Arbeit</strong> <strong>mit</strong> <strong>psychisch</strong> <strong>Erkrankten</strong><br />

Schädigende Nebenwirkungen von Neuroleptika 1<br />

In ihrer Studie listen die Psychiater und Psychotherapeuten<br />

Volkmar Aderhold und Stefan Weinmann neben der erhöhten<br />

Mortalität zahlreiche andere schwerwiegende schädigende Nebenwirkungen<br />

der Neuroleptika 2 auf:<br />

� plötzlicher Herztod<br />

� metabolische (Stoffwechsel-)Syndrome<br />

� zerebro- (Blutgefäße und Blutversorgung des Gehirns<br />

betreffende) und kardiovaskuläre (Herz und Gefäßsysteme<br />

betreffende) Folgeerkrankungen<br />

� erhöhte Diabetesrate<br />

� pulmonale (Lungen-)Embolie<br />

� Demenzen<br />

� frontale Neurodegeneration (Nervenzelltod im Stirnlappen<br />

des Gehirns, der Motorik und Kognition kontrolliert)<br />

� 3 bis 6fach erhöhte Rückfallquote durch Absetzpsychosen<br />

� Neuroleptika-induziertes Defizitsyndrom<br />

Angesichts dieser furchteinflößenden Aufzählung der schädigenden<br />

Nebenwirkungen von Neuroleptika stellt sich<br />

zwangsläufig die Frage, warum Psychiater diese dennoch<br />

verabreichen, zumal die Antipsychiatrie schon seit den<br />

80iger Jahren das Leiden unter psychiatrischer Behandlung<br />

ins öffentliche Bewusstsein zu rücken versucht, und warum<br />

es angesichts des riesigen Verwendungsbereiches von<br />

Neuroleptika kaum angemessene Veröffentlichungen über<br />

ihre Wirkungen und Auswirkungen gibt. Erst die Veröffentlichung<br />

seines Buches „Der chemische Knebel 3 “, das zum<br />

größten Teil auf eigenen, unveröffentlichten Untersuchungen<br />

von Psychiatern und Psychopharmaka-Herstellern<br />

beruht, durch den Schwarzwälder Diplompädagogen Peter<br />

Lehmann, der in den 70iger Jahren selbst psychiatrisch<br />

behandelt wurde und seitdem antipsychiatrische Positionen<br />

vertritt, rechnet umfassend <strong>mit</strong> der herrschenden Psychiatrie<br />

ab. Von Asthma bis Schizophrenie, von Bettnässen bis<br />

Neurose, von Juckreiz bis Depression gibt es kaum eine<br />

Diagnose, die nicht den Einsatz von Neuroleptika nach sich<br />

ziehen kann. Die Verordnungspraxis zeichnet sich durch<br />

eine zu hohe Dosierung und eine zu leichtfertige Verordnung<br />

aus. Die Verschreibungsrate von Atypika 4 hat in den<br />

letzten Jahren derart zugenommen, dass zeitweise bis zu<br />

6% der Bevölkerung unter Neuroleptika standen und stehen.<br />

Im Zeitraum von 2000 bis 2006 steigerte sich die<br />

Verordnung von Atypika an Kinder und Jugendliche (!) um<br />

400%, während die Verordnungsrate von Typika 5 konstant<br />

blieb. Insgesamt hat die Verordnungsrate von Neuroleptika<br />

von 2006 bis 2007 um 14% zugenommen.<br />

1 Volkmar Aderhold / Stefan Weinmann: Thesen zur Anwendung Neuroleptika. März<br />

2009<br />

2 Als Neuroleptikum (etwa „Nervendämpfungs<strong>mit</strong>tel“) wird ein Medikament bezeichnet,<br />

das als psychotrope Substanz eine antipsychotische, sedierende und psychomotorische<br />

Wirkung besitzt und vor allem zur Behandlung von Psychosen eingesetzt<br />

wird.<br />

3 Peter Lehmann: Der chemische Knebel. Warum Psychiater Neuroleptika verabreichen.<br />

Erstausgabe 1986<br />

4 Atypische Neuroleptika (syn. atypische Antipsychotika, oder kurz Atypika) sind<br />

Arznei<strong>mit</strong>tel, die in der Psychiatrie zur Behandlung von Psychosen eingesetzt<br />

werden. Sie unterscheiden sich von den typischen Neuroleptika im Allgemeinen<br />

dadurch, dass sie die „typischen“ Nebenwirkungen der zugehörigen Arzneistoffe<br />

signifikant seltener aufweisen.<br />

5 Typische Neuroleptika: nebenwirkungsreiche Neuroleptika der ersten Generation<br />

Moderne pharmakologisch-<br />

therapeutische Erfordernisse 6<br />

Laut der amerikanischen Neurowissenschaftlerin Nancy<br />

Andreasen müssen „diese Medikamente … <strong>mit</strong> der niedrigsten<br />

möglichen Dosierung angewandt werden, was heute häufig nicht<br />

passiert.“ Auch andere PsychiaterInnen wie z. B. B. Lieberman<br />

konstatieren, dass für alle Medikamente die erwünschte Dosis die<br />

niedrigste Dosierung sei, <strong>mit</strong> der man Vorteile erreiche. Es entspräche<br />

also den modernen pharmakologischen therapeutischen<br />

Erfordernissen,<br />

� Neuroleptika nur minimal einzusetzen,<br />

� nur die Akutbehandlungsdosis zu verordnen,<br />

� möglichst neuroleptikafrei zu behandeln,<br />

� die Neuroleptikaeinnahme langsam zu reduzieren und abzusetzen,<br />

� Polypharmazie 7 bzw. Kombinationsbehandlungen nur unter strenger<br />

Kontrolle der kardialen und metabolischen Nebenwirkungen durchzuführen<br />

und wenn möglich ganz zu vermeiden,<br />

� bei Medikamentenumstellungen regelmäßige Kontrolluntersuchungen<br />

gemäß den S3-Leitlinien 8 der DGPPN 9 durchzuführen.<br />

Versorgungsrealität<br />

<strong>psychisch</strong> kranker Menschen 10<br />

Zwar sind die Vorgaben bei der Neuroleptika-Verordnung heute<br />

deutlich strenger als zuvor, aber die Versorgungsrealität <strong>psychisch</strong><br />

kranker Menschen spricht nach wie vor eine deutliche<br />

Sprache. Sie ist gekennzeichnet von<br />

� unzureichenden psychotherapeutischen und psychosozialen Versorgungsangeboten,<br />

� unzureichenden Entgeltsystemen <strong>mit</strong> der Folge der Verschiebung<br />

von Kosten in den öffentlichen Sektor und in Bereiche, in denen wenig<br />

Behandlung und weitgehend Versorgung erfolgt (z. B. Heime,<br />

Werkstätten für behinderte Menschen etc.),<br />

� Personalabbau,<br />

� pathologische Behandlungsmilieus und kurzen Liegezeiten (20-30-<br />

Betten-Stationen zur Akutbehandlung erzwingen Überdosierungen),<br />

� Biologisierung der Versorgung für schwere <strong>psychisch</strong>e Erkrankungen,<br />

� Fokus auf medikamentöser Compliance 11 <strong>mit</strong> Psychoedukation bei<br />

seit Jahren gleich bleibend hoher Non-Compliance von 60-70% über<br />

18 Monaten,<br />

� 2-3 Nervenarztkontakten von 10 Minuten pro Quartal (55-72<br />

€/Quartal).<br />

6 Volkmar Aderhold / Stefan Weinmann: Thesen zur Anwendung Neuroleptika. März<br />

2009, S. 2<br />

7 Eine allgemein anerkannte Definition der Polypharmazie gibt es nicht. Die Breite<br />

reicht von zwei und mehr pharmakologischen Substanzen an 240 und mehr Tagen<br />

im Jahr bis hin zu fünf und mehr bzw. auch zur Einnahme verschiedener „High risk“-<br />

Medikamente.<br />

8 Leitlinien sind systematisch entwickelte, wissenschaftlich begründete und<br />

praxisorientierte Entscheidungshilfen für die angemessene ärztliche Vorgehensweise<br />

bei speziellen gesundheitlichen Problemen. Nach AWMF werden aufsteigend<br />

drei derartige Stufen definiert: S1: Expertengruppe S2: Formale evidence-Recherche<br />

(S2e) oder Formale Konsensfindung (S2k) S3: Leitlinie <strong>mit</strong> allen Elementen systematischer<br />

Entwicklung<br />

9 DGPPN: Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie, Psychotherapie und Nervenheilkunde<br />

10 Volkmar Aderhold / Stefan Weinmann: Thesen zur Anwendung Neuroleptika. März<br />

2009, S. 2<br />

11 In der Medizin spricht man von der Compliance des Patienten als Oberbegriff für<br />

das kooperative Verhalten des Patienten im Rahmen der Therapie. Der Begriff kann<br />

als Therapietreue übersetzt werden. Eine gute Compliance entspricht dem konsequenten<br />

Befolgen der ärztlichen Ratschläge. Weiter gefasst versteht man hierunter<br />

die Bereitschaft des Patienten und seines gesamten relevanten Umfelds, sich gegen<br />

die Erkrankung zur Wehr zu setzen.<br />

Seite 6 <strong>DBSH</strong>-Landesrundbrief <strong>Niedersachsen</strong>/Hamburg/Bremen/Schleswig-Holstein 01/10


Diese Mißstände verwandeln die Versorgungsrealität <strong>psychisch</strong><br />

kranker Menschen in eine Drehtür <strong>mit</strong> ansteigendem Tempo,<br />

deren Folgen der Anstieg der Zwangseinweisungen und Zwangsbehandlungen<br />

und der Anstieg der gesetzlichen Betreuungen <strong>mit</strong><br />

dem aktuell bisher teuersten Versorgungssystem sind. Die Schizophrenie<br />

ist die teuerste <strong>psychisch</strong>e Erkrankung unseres<br />

Gesundheitssystems. Und was kommt davon bei dem Patienten<br />

an? Die Behandlungsrealität der meisten Patienten ist schlecht.<br />

„Mängel in der psychosozialen Versorgung und psychotherapeutischen<br />

Behandlung, Fehlinformation durch die Pharmaindustrie,<br />

Mängel und Fehler der Leitlinien und biologistische Krankheitskonzepte<br />

führen zu einem zu häufigen und zu hoch dosiertem Einsatz<br />

von Neuroleptika. Dies bedingt eine zusätzliche Chronifizierung<br />

und Frühsterblichkeit von Patienten. Wirksame psychotherapeutische<br />

Behandlungsformen werden den Patienten vorenthalten bzw.<br />

sind <strong>mit</strong> den derzeitigen Versorgungs- und Vergütungsstrukturen<br />

schwer zu realisieren.“ 1<br />

Durch Atypika verursachte Kosten und Profite 2<br />

Im deutschen Gesundheitswesen fallen jedes Jahr ca. 2,7 Mrd. €<br />

als zusätzliche Kosten für Atypika an. Die Folgekosten, die für die<br />

Behandlung der neuroleptikabedingten kardiovaskulären und<br />

diabetischen Schädigungen von PatientInnen entstehen, sind<br />

bisher von niemandem hochgerechnet worden, dürften jedoch<br />

einen Großteil der Krankenhauskosten verursachen. Warum wird<br />

der übermässigen, PatientInnen und Gesundheitswesen belastenden<br />

Atypikaverordnung nicht Einhalt geboten?<br />

Wer profitiert eigentlich von der gegenwärtigen Struktur des<br />

Gesundheitssystems?<br />

� 40% des Umsatzes der Pharmaindustrie werden durch<br />

Neuroleptika eingefahren,<br />

� Das Geschäft <strong>mit</strong> Neuroleptika bescherte der Pharmaindustrie<br />

im Jahre 2001 eine Rendite von 18,5%,<br />

� Die PsychiaterInnen werden von der Pharmaindustrie für<br />

die Verordnung von Neuroleptika <strong>mit</strong> 4-6stelligen Summen<br />

pro Jahr honoriert,<br />

� Jeder Arzt verdient jährlich ca. 8.000 bis 13.000 € durch die<br />

Verordnung von Neuroleptika,<br />

� Den Kliniken in privater Trägerschaft beschert die Verordnung<br />

von Neuroleptika eine Rendite von bis zu 20%,<br />

� Die somatische Versorgung wird teilweise durch<br />

Neuroleptikaverordnung querfinanziert,<br />

� Komplementären Trägern beschert die<br />

Neuroleptikaverordnung Belegung, Ausbau und Immobilienerwerb,<br />

� 90% der Medikamentenstudien sind industrieabhängig und<br />

erklären zu ebenfalls 90% das Präparat ihres Sponsors anderen<br />

Medikamenten und Therapieformen gegenüber für<br />

überlegen.<br />

Von ausserwissenschaftlichen Interessen<br />

geleitete Forschung und Therapie 3<br />

Wie man sieht, ist der Handel <strong>mit</strong> Neuroleptika ein lukratives<br />

Geschäft. Die (Pharma-) Industrieabhängigkeit der Psychiatrie ist<br />

verantwortlich für die weitreichende Täuschung der Fachöffent-<br />

1 Volkmar Aderhold / Stefan Weinmann: Thesen zur Anwendung Neuroleptika. März<br />

2009, S. 3<br />

2 Ebda., S. 4-5<br />

3 Ebda., S. 5<br />

<strong>Soziale</strong> <strong>Arbeit</strong> <strong>mit</strong> <strong>psychisch</strong> <strong>Erkrankten</strong><br />

lichkeit über die Behandlungseffekte und Nebenwirkungen der<br />

Atypika durch interessengeleitete, teilweise manipulative Forschungsdesigns,<br />

irreführende Publikationen und Marketing. Die<br />

zurückliegende Periode der Erforschung und Vermarktung neuer<br />

Antipsychotika und die zu geringe Berücksichtigung und Erforschung<br />

schädlicher Kurz- und Langzeitwirkungen hat die Psychiatrie<br />

in ihrer Glaubwürdigkeit beschädigt. Wie viele andere invasive<br />

Behandlungsmethoden hat sich die Höher- und Hochdosierung<br />

von Neuroleptika nachträglich als falsch und schädigend erwiesen.<br />

Ihre Folgen sind:<br />

� erhöhte Frühsterblichkeit,<br />

� Chronifizierung der <strong>psychisch</strong>en Erkrankung,<br />

� Verstärkung der Drehtürpsychiatrie,<br />

� (Re)Traumatisierung durch die Behandlung <strong>mit</strong> Neuroleptika.<br />

Da viele PsychiaterInnen am Marketing der Atypika verdient<br />

haben, haben sie sich nur zu bereitwillig an der ungerechtfertigten<br />

Biologisierung der psychiatrischen Forschungs- und Behandlungsparadigmen,<br />

an der Überbewertung der Pharmakotherapie<br />

und an der manipulativen Täuschung ihrer PatientInnen beteiligt.<br />

Ein verengter Fokus auf die Sympomverringerung in der Akutphase<br />

und ein geringer bis fehlender Fokus auf die psychotherapeutische<br />

Verarbeitung der psychotischen Krise durch die PatientInnen<br />

ist bis heute gängige Praxis in der psychiatrischen Behandlung.<br />

Solange die Psychiatrie sich nicht aus dieser Industrieabhängigkeit<br />

löst, diskreditiert sie sich selbst und kann nicht als wahrhaft<br />

wissenschaftlich bezeichnet werden.<br />

Psychotherapeutische Erfordernisse 4<br />

Der Berliner Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie Stefan<br />

Weinmann und der Schweizer Arzt und Psychotherapeut Marc<br />

Rufer sind zwei weitere von vielen Experten und Betroffenen, die<br />

gängige Paradigmen der Psychiatrie in Frage stellen und ebenso<br />

wie die Recovery-Bewegung und die skandinavischen Modelle zur<br />

bedürfnisorientierten Behandlung von <strong>psychisch</strong>en Erkrankungen<br />

die stärkere Einbeziehung der Familie und des sozialen Bezugsfeldes<br />

des erkrankten Menschen in die Therapie fordern. Zur<br />

Vermeidung von Hospitalisierung sollte die Akutbehandlung zu<br />

Hause erfolgen und von Anfang an und kontinuierlich therapeutische<br />

<strong>Arbeit</strong> unter Einbeziehung der Familien und des sozialen<br />

Kontextes geleistet werden. Wichtig sind:<br />

� psychotherapeutische Kompetenz<br />

� Individualpsychotherapie<br />

� Beziehungskontinuität über 5 Jahre<br />

� Traumatherapie, da 50% aller PatientInnen <strong>mit</strong> Schizophrenie<br />

sexuell oder physisch traumatisiert sind<br />

� reizschützende, traumasensible und psychosebegleitende<br />

Milieus<br />

� direkter Lebensfeldbezug<br />

� frühestmögliche Integration in Ausbildung und Beruf<br />

Psychosoziale Erfordernisse in der <strong>Soziale</strong>n <strong>Arbeit</strong><br />

<strong>mit</strong> <strong>psychisch</strong> kranken Menschen 5<br />

In der personenbezogenen psychosozialen Betreuung <strong>psychisch</strong><br />

kranker Menschen (PPM) begegnet man sehr häufig KlientInnen,<br />

die sich schon seit Jahren in neurologischer und/oder psychotherapeutischer<br />

Behandlung befinden. Sie leben nicht selten sozial<br />

völlig zurückgezogen und weitgehend aus dem <strong>Arbeit</strong>sleben<br />

exkludiert – unfähig zur Selbstversorgung und Autonomie und seit<br />

Jahren abhängig von Psychopharmaka.<br />

4 Ebda., S. 2<br />

5 Ebda., S. 2<br />

<strong>DBSH</strong>-Landesrundbrief <strong>Niedersachsen</strong>/Hamburg/Bremen/Schleswig-Holstein 01/10 Seite 7


<strong>Soziale</strong> <strong>Arbeit</strong> <strong>mit</strong> <strong>psychisch</strong> <strong>Erkrankten</strong><br />

Ebenso häufig trifft man in der PPM auf SozialarbeiterInnen, die die<br />

verbreitete Biologisierung der Behandlungsparadigmen und die<br />

Überbewertung der Pharmakologie in die psychosoziale Betreuung der<br />

ihnen anvertrauten KlientInnen übernommen haben.<br />

Entgegen ihrem professionellen Anspruch, die Ursachen der <strong>psychisch</strong>en<br />

Krise ihres Klienten auf allen Manifestationsebenen (bio-psycho-sozial)<br />

abzuklären und bei Interventionen dem multikausalen bio-psycho-sozialen<br />

Behandlungsansatz zu folgen, um eben nicht nur das Symptom zu<br />

erfassen und zu bekämpfen, vertreten sie die Auffassung, dass die<br />

unbedingte Voraussetzung ihrer eigenen erfolgreichen sozial-integrativen<br />

Maßnahmen die medikamentöse Compliance des Klienten sei. Dessen<br />

eventuelle Bestrebungen, sich endlich aus seiner Medikamentenabhängigkeit<br />

zu befreien und wieder die Kontrolle über sein Leben zu erlangen,<br />

wobei er die Notwendigkeit, „endlich wieder einen klaren Kopf zu haben“,<br />

oftmals überdeutlich erkennt, werden nicht selten und in bester Absicht<br />

von seinem sozialpädagogischen Betreuer zu verhindern versucht, da<br />

dieser darin fehlende Krankheitseinsicht, die mangelnde Bereitschaft, sich<br />

der notwendigen Behandlung zu unterziehen, und sogar einen akuten<br />

psychotischen Schub, der einer sofortigen stationären (Zwangs-)<br />

Einweisung bedarf, vermutet.<br />

In Unkenntnis über die Notwendigkeit der Reduktion der<br />

Neuroleptikaeinnahme und einer neuroleptikafreien Behandlung, die bei<br />

40% der schizophrenen KlientInnen und einem bei anderen psychotischen<br />

Störungen noch weit höherem Anteil der Betroffenen nicht nur möglich,<br />

sondern angesichts der verheerenden Nebenwirkungen von Neuroleptika<br />

auch nötig ist, betrachten viele <strong>mit</strong> <strong>psychisch</strong> Kranken arbeitende<br />

SozialarbeiterInnen den Einsatz von Neuroleptika nicht als Ergänzung,<br />

sondern geradezu als Bedingung für den gewünschten Erfolg ihrer psychosozialen<br />

<strong>Arbeit</strong>, nämlich die negativen Auswirkungen der <strong>psychisch</strong>en<br />

Störung des Klienten auf seine Lebensbereiche abzumildern und<br />

aufzufangen und ihn in seinem sozialen Umfeld zu integrieren. Dadurch<br />

treiben sie ihren Klienten nicht nur tiefer in die Medikamentenabhängigkeit,<br />

sondern befördern regelrecht die Chronifizierung seiner <strong>psychisch</strong>en<br />

Erkrankung und machen ihn zum Opfer der Drehtürpsychiatrie.<br />

Mit <strong>psychisch</strong> Kranken arbeitende SozialarbeiterInnen verzichten viel zu<br />

häufig darauf, dem verbreiteten biologisierten psychiatrischen<br />

Behandlungsparadigma die sozialen Erklärungsansätze ihrer Profession<br />

entgegenzusetzen und opfern da<strong>mit</strong> ihre sozialwissenschaftliche<br />

Kompetenz dem immer noch vorherrschenden Glauben an die Allmacht<br />

der Halbgötter in Weiss, deren Neuroleptikaverordnung sie allen Ernstes<br />

für hilfreicher für die soziale Integration ihres Klienten halten als dessen<br />

eigene aktive und selbstbestimmte Mitwirkung unter Einbeziehung seiner<br />

Angehörigen und seines sozialen Umfeldes. Liegt es womöglich daran,<br />

dass sie vor lauter Medikamentengläubigkeit dem <strong>psychisch</strong> kranken<br />

Klienten die notwendigen Ressourcen für seine Genesung und<br />

Reintegration schon gar nicht mehr zutrauen? Oder befördern sie gar <strong>mit</strong><br />

der Biologisierung der Devianz des Klienten die Akutpsychiatrie, weil ihnen<br />

die Geduld für dessen erforderliche Langzeitbegleitung mangels<br />

umfassender Information über Psychopharmaka, mangels psychotherapeutischer<br />

Kompetenz und wegen ihrer Tendenz zur Selbstabwertung, die<br />

der Hannoveraner Psychologe und Psychotherapeut Dr. Gregor<br />

Terbuyken 1 beanstandet, fehlt? Dieser moniert, dass sich das Dasein<br />

vieler SozialarbeiterInnen in der Psychiatrie in ihren Anpassungsleistungen<br />

an die Institutionen erschöpfe, und betitelte es als „professionelle<br />

1 Gregor Terbuyken: Verstehen und Begleiten. In: <strong>Soziale</strong> <strong>Arbeit</strong> 2/1997<br />

Chamäleonexistenz“. Der Sozialarbeiter unterwerfe sich medizinischen<br />

Standards und übernehme ärztliche oder psychotherapeutische Rollen im<br />

psychiatrischen <strong>Arbeit</strong>sfeld.<br />

Aber nur als selbstbewusste Profession spielt die <strong>Soziale</strong> <strong>Arbeit</strong> in der<br />

psychosozialen Betreuung <strong>psychisch</strong> kranker Menschen eine ihrem Auftrag<br />

angemessene Rolle, die sich nicht darauf beschränkt, als medizinische<br />

Hilfskraft zu fungieren, sondern gleich mehrere Rollen umfasst:<br />

� <strong>Soziale</strong> <strong>Arbeit</strong> als lebensweltorientierte Profession<br />

� <strong>Soziale</strong> <strong>Arbeit</strong> als Anbieter soziotherapeutischer Leistungen<br />

� <strong>Soziale</strong> <strong>Arbeit</strong> zur Sicherstellung der Teilhabe an gesellschaftlichen<br />

Ressourcen und der Bewältigung von Lebenskrisen.<br />

Die Dortmunder Sozialarbeiterin und –therapeutin Waltraud Himmelmann 2<br />

nennt dies den „Generalistischen Ansatz“ <strong>Soziale</strong>r <strong>Arbeit</strong> im psychiatrischen<br />

<strong>Arbeit</strong>sfeld, der sich auf eine arbeitsfeldunspezifische Herangehensweise<br />

beruft, die sich eben nicht in Anlehnung an das gängige psychiatrische<br />

Paradigma in der Biologisierung der <strong>psychisch</strong>en Problematik<br />

des Klienten und der Medikalisierung seiner Behandlung erschöpft, sondern<br />

vielmehr dessen alltags- und lebensumfeldspezifische Umstände,<br />

dessen eigene Perspektive sowie dessen sozialen Kontext berücksichtigt,<br />

um eben nicht nur <strong>mit</strong>tels Psychopharmakagabe das Symptom zu bekämpfen,<br />

sondern um Zusammenhänge entweder in die Behandlungsplanung<br />

aufzunehmen oder durch Beratung und Behandlung zu ändern. Dazu<br />

müssen alle zusammenwirkenden Faktoren der <strong>psychisch</strong>en Störung und<br />

nicht nur das Symptom erfasst werden, wo<strong>mit</strong> wir wieder beim multikausalen<br />

bio-psycho-sozialen Behandlungsansatz wären.<br />

Weiterhin konstatiert Waltraud Himmelmann, dass die Umsetzung des<br />

Generalistischen Ansatzes <strong>Soziale</strong>r <strong>Arbeit</strong> im psychiatrischen <strong>Arbeit</strong>sfeld<br />

nur bei fortlaufendem Updating der arbeitsfeldspezifischen Kenntnisse<br />

möglich ist. Nur bei berufslebenslangem Lernen zur Erweiterung der<br />

Kenntnisse zur Beratungskompetenz sowie der Hilfswissenschaften kann<br />

<strong>Soziale</strong> <strong>Arbeit</strong> im psychiatrischen <strong>Arbeit</strong>sfeld ihren Auftrag, „soziale Problemlagen<br />

bestimmter Personengruppen zu vermeiden, zu lindern oder zu<br />

lösen“ 3 , gerecht werden. Und dazu gehört auch oder gerade, über den<br />

Tellerrand der ausserwissenschaftlich und (pharma-)industriell gelenkten<br />

Forschung und Therapie hinauszublicken und sich umfassende Kenntnisse<br />

über Psychopharmaka und ihre Kurz- und Langzeitwirkungen anzueignen.<br />

Dann schafft es auch ein sozialpädagogisches Chamäleon, der<br />

Allmacht eines Halbgottes in Weiss und der von ihm verordneten Psychopharmaka<br />

eine umfassende, wissenschaftlich überprüfbare Soziotherapie<br />

entgegenzusetzen und den Klienten zu ermutigen, seine <strong>psychisch</strong>en<br />

Probleme und sein Leben möglichst neuroleptikafrei zu bewältigen. Anstelle<br />

von Psychopharmaka können so profane Dinge wie Joggen, Meditation,<br />

Wahrnehmungsübungen oder ein Haustier zur Verbesserung der <strong>psychisch</strong>en<br />

Gesundheit beitragen. Es ist die Aufgabe des Sozialarbeiters, den<br />

Klienten auf diese Möglichkeiten hinzuweisen. Auch die Anwendung einer<br />

speziellen Gesprächsführung und von bestimmten Methoden zur Verhaltensänderung<br />

zeigen häufig sehr gute Erfolge. Neuroleptika sind allenfalls<br />

befristet, niedrigdosiert und selektiv zur Ergänzung der psychosozialen<br />

Behandlung zu verabreichen, wenn diese allein nicht ausreicht. Ansonsten<br />

sind sie schlichtweg tabu!<br />

Autorin: Garnet Bräunig<br />

Sozialpädagogin & Krankenschwester / <strong>DBSH</strong>-Mitglied im Landesverband Hamburg<br />

2 R. Wilczek, M. Stöber, B. Klösel, W. Himmelmann, A. Frohn und U. Freisen:<br />

Qualitätskonzept für die Sozialarbeit in den psychiatrischen Kliniken. Hrsg.: <strong>DBSH</strong>,<br />

Berlin 2002<br />

3 Grundsatzprogramm des <strong>DBSH</strong> zum <strong>Arbeit</strong>sauftrag <strong>Soziale</strong>r <strong>Arbeit</strong><br />

Seite 8 <strong>DBSH</strong>-Landesrundbrief <strong>Niedersachsen</strong>/Hamburg/Bremen/Schleswig-Holstein 01/10


<strong>Soziale</strong> <strong>Arbeit</strong> <strong>mit</strong> <strong>psychisch</strong> <strong>Erkrankten</strong><br />

Einblicke in den Alltag des PiB-Patenschaftsprogramms ● Gudrun Bollwahn<br />

Seit fünf Jahren stabilisiert und stärkt das PiB-Patenschaftsprogramm Kinder <strong>psychisch</strong><br />

kranker Eltern in Bremen: Mit einer Patenschaft unbeschwerte Momente schenken - was<br />

in der Werbung so verlockend einfach klingt, hat es im <strong>Arbeit</strong>salltag in sich. Gudrun<br />

Bollwahn, Sozialpädagogin bei der „PiB – Pflegekinder in Bremen gGmbH“ und seit Beginn<br />

des Programms „Patenschaften für Kinder <strong>psychisch</strong> kranker Eltern“ vor fünf Jahren<br />

dabei, kennt die Höhen und Tiefen des Präventionsangebots. Es soll vor allem den<br />

Kindern Entlastung und Stabilisierung bringen. Doch ganz einfach ist das nicht. Bis heute<br />

hängt die Grußkarte ihrer ersten Klientin über Bollwahns Schreibtisch. „Ich weiß, ich war<br />

ganz schwierig“, steht darauf. Und: „Fröhliche Weihnachten“.<br />

Solche Gesten von <strong>psychisch</strong> angeschlagenen Müttern<br />

und zugleich die sichtbare Stabilisierung der<br />

Kinder in Patenfamilien - das Lachen und das neu<br />

gewonnene Zutrauen der Kinder – sind das Zuckerbrot<br />

im <strong>Arbeit</strong>salltag von Gudrun Bollwahn. Die „unbeschwerten<br />

Momente“ eben, für die die Sozialpädagogin<br />

viel Beharrlichkeit und Fingerspitzengefühl<br />

investiert. Denn die Patenschaften funktionieren nur,<br />

wenn Mutter und Kind die Patenfamilie mögen - und<br />

umgekehrt. „Die Einsicht in die eigene Krankheit ist<br />

ja schon eine Leistung“, sagt Gudrun Bollwahn.<br />

© Marcel Mooij - Fotolia.com<br />

Menschen schwer – auch gesunden. Außerdem<br />

müssten die Mütter, meist allein erziehende Frauen<br />

<strong>mit</strong> eigenen schwierigen Kindheitserinnerungen, ihr<br />

Kind an ein bis zwei Wochenenden im Monat und<br />

mindestens einmal wöchentlich zur Patenfamilie<br />

gehen lassen. Auch über Nacht. „Da tauchen Verlustängste<br />

und Konkurrenzgefühle auf, <strong>mit</strong> denen alle<br />

Beteiligten fair umgehen müssen“, sagt die Pädagogin.<br />

Umso mehr schätzt sie die Leistung der kranken<br />

Mütter, sich trotz Krisen, Depressionen und Angstzuständen<br />

auf eine Kooperation <strong>mit</strong> PiB einzulassen.<br />

Grenzen von Belastbarkeit einzugestehen, falle vielen<br />

.<br />

In Bremen wird das PiB-Patenschaftsprogramm, empfohlen von Kliniken und Ärzten, vom Jugendamt und von<br />

Sozialarbeitern. Doch das Misstrauen der kranken Frauen, die viel Erfahrung <strong>mit</strong> Sozialarbeit und Psychiatrie<br />

<strong>mit</strong>bringen, schwinde erst, wenn sie die Grundlage der PiB-<strong>Arbeit</strong> selbst erleben könnten. „Wir akzeptieren deren<br />

Leben! Ohne diese Akzeptanz, die auch Patenfamilien <strong>mit</strong>bringen müssen, gelingt die Patenschaft nicht“,<br />

sagt Bollwahn. „Und auch <strong>mit</strong> diesem Grundverständnis haben wir nicht nur Erfolge.“<br />

<strong>DBSH</strong>-Landesrundbrief <strong>Niedersachsen</strong>/Hamburg/Bremen/Schleswig-Holstein 01/10 Seite 9


<strong>Soziale</strong> <strong>Arbeit</strong> <strong>mit</strong> <strong>psychisch</strong> <strong>Erkrankten</strong><br />

Oft sei die Krankheit ein ganz eigener und schwer kalkulierbarer Faktor – übrigens auch für Patenfamilien, die<br />

sich <strong>mit</strong> gutem Willen auf ein Experiment einlassen, das die Großen und die Kleinen am Ende enttäuscht zurücklassen<br />

kann.<br />

Auch solche Tiefschläge sind in Bollwahns <strong>Arbeit</strong>szimmer auf Postkarten dokumentiert. „Wir haben uns in den<br />

Ferien erholt und frisch aufgetankt. Sie können uns wieder anrufen“, schrieb beispielsweise eine Familie, die<br />

den schmerzhaften Abbruch der Patenschaft durch eine Mutter erst verarbeiten musste. Zwischen dem Kind der<br />

Familie und dem Patenkind hatte sich eine Beziehung entwickelt – die enttäuscht wurde. „Aus der Pädagogik<br />

können wir uns nicht alles erklären“, sagt die Sozialpädagogin Gudrun Bollwahn. „Ein Psychiater weiß da sicher<br />

mehr.“ Sie selbst hat <strong>mit</strong> kranken Müttern gesprochen, die offen sagen, dass die Patenschaft dem Kind gut tut –<br />

dass sie selber jedoch die Situation nicht ertragen können.<br />

Am schwierigsten fällt es der Bremer Sozialpädagogin<br />

dann, <strong>mit</strong> anzusehen wie ein Abbruch dem Kind<br />

Unterstützung entzieht, wie nur Paten sie bieten: Da<br />

dürfen Kinder Kind sein – und müssen nicht die Verantwortung<br />

für kranke Eltern übernehmen. Da gibt es<br />

keine belastenden Geheimnisse über Krankheit und<br />

die Familie – sondern alle wissen Bescheid. Und da<br />

gibt es regelmäßig Essen, Zuneigung und die notwendigen<br />

Regeln, wie es in einem Haushalt, wo<br />

Krankheit regiert, so nicht garantiert ist. „Diese Verlässlichkeit<br />

und Kontinuität stärkt die Kinder für ihr<br />

Leben. Das ist der Sinn des Programms“, sagt Bollwahn.<br />

Wer im Leben früher schon positive Erfahrungen von<br />

Fürsorge und Zusammenhalt gemacht hat, kann als<br />

kranker Mensch eher Hilfe annehmen, beobachtet<br />

Bollwahn. „Und wenn die Mütter ihr Kind bei Paten<br />

gut aufgehoben wissen, fällt ihnen der nächste Klinikaufenthalt<br />

leichter.“ Doch auch die Patenfamilie gewinne<br />

neue Einsichten und Erfahrungen. „Manche<br />

Paten melden zurück, dass ihre eigenen Kinder umsichtiger<br />

werden. Bei anderen genießen die Kinder<br />

den neuen Kontakt als neue Freundschaft.“<br />

Anders als ursprünglich erwartet, ist für das Gelingen einer Patenschaft weniger bedeutsam, ob sie nahe am<br />

Wohnort des Kindes angeboten wird. Zwar erleichtert das dem Kind Übergänge – nehme Müttern aber auch die<br />

Anony<strong>mit</strong>ät, die sie manchmal brauchen. Eine wichtige Erkenntnis für PiB sei zudem gewesen, dass ein fester<br />

Ablaufplan für Patenschaften kaum funktioniere, sagt Bollwahn. Im Interesse der Kinder und aller Beteiligten<br />

brauche es für das Gelingen einer Patenschaft viele individuelle, <strong>mit</strong> Einfühlung gestaltete Kontakte. Das bestätigt<br />

auch eine jüngste Evaluation des Programms.<br />

Hochgerechnet 2.000 Bremer Kinder leben übers<br />

Jahr da<strong>mit</strong>, dass ihre Eltern wegen einer <strong>psychisch</strong>en<br />

Erkrankung in eine Klinik müssen – und<br />

für die Erziehung vorübergehend ausfallen.<br />

Das PiB-Patenschaftsprogramm bietet betroffenen<br />

Kindern und Eltern Entlastung. Seit 2004<br />

gab es 231 Anfragen nach einer Patenschaft<br />

durch Kranke oder ihre UnterstützerInnen, 38<br />

Ver<strong>mit</strong>tlungen und 83 fortgeschrittene Anbahnungen,<br />

die im Prozess abgebrochen wurden.<br />

Insgesamt wurden 1188 Beratungskontakte gezählt.<br />

Weitere Informationen finden Sie unter<br />

www.pib-bremen.de. Auskunft erteilt Gudrun<br />

Bollwahn, PiB, Tel.: 0421-95 88 20 - 43.<br />

PiB<br />

Pflegekinder<br />

in Bremen gGmbH<br />

Information, Ver<strong>mit</strong>tlung und Begleitung von<br />

Tagespflege, Vollzeitpflege und Patenschaften<br />

Bahnhofstraße 28 – 31<br />

28195 Bremen<br />

Tel. Zentrale: 0421-95 88 20-0<br />

Tel. Durchwahl: 0421-95 88 20-43<br />

Fax: 0421-95 88 20-45<br />

Seite 10 <strong>DBSH</strong>-Landesrundbrief <strong>Niedersachsen</strong>/Hamburg/Bremen/Schleswig-Holstein 01/10


<strong>Soziale</strong> <strong>Arbeit</strong> <strong>mit</strong> <strong>psychisch</strong> <strong>Erkrankten</strong><br />

Ambulant betreutes Wohnen - Ein Wegweiser<br />

Eine Eingliederungshilfemaßnahme ● Manuela Schellworth<br />

Wer kann diese Hilfe in Anspruch nehmen?<br />

Menschen, die von einer seelischen Behinderung betroffen<br />

oder bedroht sind, die von Dauer oder mindestens 6 Monate<br />

anhält und die so<strong>mit</strong> zum Personenkreis gemäß §§ 53,<br />

54 SGB XII gehören. Folgende Erkrankungen können zu<br />

einer solchen seelischen Behinderung führen:<br />

� Körperlich nicht begründbare Psychosen<br />

� Seelischen Störungen als Folge von Krankheiten oder<br />

Verletzungen des Gehirns, von Anfallsleiden oder von<br />

anderen Krankheiten oder körperlichen Beeinträchtigungen<br />

� Suchtkrankheiten<br />

� Neurosen und Persönlichkeitsstörungen<br />

� Essstörungen und autistische Erkrankungen zählen<br />

<strong>mit</strong>tlerweile auch dazu.<br />

Weitere Kriterien sind:<br />

� Das Angebot wird freiwillig in Anspruch genommen<br />

� Es sollte die Fähigkeit vorhanden sein, <strong>mit</strong> dieser<br />

Unterstützungsform allein in einer Wohnung leben zu<br />

können, in einer WG oder <strong>mit</strong> Partner/Partnerin, als<br />

Familie oder bei den Eltern<br />

� Der Wohnsitz muss in der Stadt oder Region Hannover<br />

ansässig sein oder werden.<br />

Wie bekommt man ABW und wer kann es verordnen?<br />

Das Aufsuchen eines Psychiaters oder einer Sozialpsychiatrischen<br />

Beratungsstelle ist von Nöten. Diese müssen eine<br />

psychiatrische Diagnose stellen und die Empfehlung für o.<br />

g. Eingliederungshilfeform geben. D.h., es muss offensichtlich<br />

sein, dass der Patient/Patientin ihr Leben bzw. ihren<br />

Alltag ohne diese Form der Eingliederungshilfe nicht bewerkstelligen<br />

kann und so<strong>mit</strong> vom gesellschaftlichen Leben<br />

ausgeschlossen zu werden droht und/oder sich die Krankheit<br />

und für die betroffene Person störenden Verhaltensauffälligkeiten<br />

manifestieren und Krankenhausaufenthalte<br />

vorprogrammiert sind.<br />

Psychiatrische Krankenhäuser und gesetzliche Betreuer<br />

sowie jede/r Betroffene selbst kann einen Antrag auf Eingliederungshilfe<br />

stellen.<br />

Betroffene wenden sich an Werte e.V., weil sie von uns<br />

gehört oder gelesen haben, durch Empfehlung oder weil<br />

der Name so „gut und passend“ klingt. Wir laden zu einem<br />

unverbindlichen Infogespräch ein (bei uns im Büro oder<br />

als Hausbesuch oder in einem Café). Dort erfragen wir<br />

� die individuelle Situation, den Grund der Anfrage und<br />

welche Ziele <strong>mit</strong> unserer Hilfe erreicht werden sollen<br />

� den finanziellen Hintergrund, die psychiatrische Karriere<br />

/ Arzt und welche Schritte schon zu Erlangung der<br />

Hilfe gegangen wurden und<br />

� stellen unserer <strong>Arbeit</strong> und unser Team vor und bieten<br />

Hilfestellung bei der Beantragung an.<br />

Folgende Schritte müssen/können eingeleitet werden:<br />

� Termin <strong>mit</strong> Psychiater zum Ausfüllen einer Fachärztlichen<br />

Stellungnahme<br />

� Termin <strong>mit</strong> uns zum Ausfüllen des Sozialhilfeantrages<br />

für die Kostenübernahme und Anschreiben für die Hilfebeantragung<br />

bei der Region Hannover, Fachbereich<br />

Gemeindepsychiatrie<br />

� Einladung zur Hilfekonferenz beim zuständigen sozialpsychiatrischen<br />

Dienst. Der/die Betroffene kann eine<br />

Person seines/ihres Vertrauens dazu <strong>mit</strong>nehmen.<br />

� Die Hilfe wird empfohlen. Ziele, Stärken und Schwächen,<br />

Zeit und Dauer der Hilfe werden in einem Hilfeplanprotokoll<br />

festgehalten und an den zuständigen Kostenträger<br />

geschickt (Kopie gehen an den Adressaten<br />

und bei Wunsch an den Anbieter).<br />

Wie arbeiten wir:<br />

Wir bieten eine individuelle sozialpädagogische Begleitung.<br />

Die Hilfe wird geleistet durch<br />

� Hausbesuche, ausserhäusige Kontakte oder Bürokontakte<br />

an Werktagen<br />

� mehrere Kontakte in kritischen Phasen bzw. auch<br />

Hilfen am Wochenende – unabhängig von unserer<br />

Leistungsvereinbarung individuell zugeschnitten.<br />

Die Dauer der Hilfe richtet sich nach dem persönlichen<br />

Bedarf und wird 1-2x im Jahr von der Hilfekonferenz und<br />

dem Kostenträger überprüft. Die Betreuungsinhalte orientieren<br />

sich am Einzelfall und können beispielsweise sein:<br />

� Begleitung zu Ämtern, Hilfen bei Antragstellungen<br />

� Systemische Beratung und Begleitung bei Inanspruchnahme<br />

sozialer, therapeutischer und medizinischer Hilfen<br />

� Unterstützung bei der Wohnungs-, Körper- und Kleiderpflege,<br />

bei Ernährungsfragen<br />

� Hilfe bei der Wohnraumbeschaffung<br />

� Ver<strong>mit</strong>tlung von weiterführenden Hilfen<br />

� Beratung im Umgang <strong>mit</strong> Finanzen<br />

� Krisen- und Konfliktintervention<br />

� Einbeziehung von Familienangehörige, Freunden (nach<br />

Wunsch), Kontaktaufbau und –pflege<br />

� Nutzung der sozialräumlichen Ressourcen.<br />

Rechtliche Grundlagen<br />

Eingliederungshilfe für Erwachsene <strong>mit</strong> <strong>psychisch</strong>en Erkrankungen<br />

im Rahmen des Ambulant Betreuten Wohnen<br />

gemäß §§ 53,54 SGB XII.<br />

Autorin:<br />

Manuela Schellworth<br />

Dipl.-Sozialpädagogin/Sozialarbeiterin, Sozialmanagement<br />

stellvertr. päd. Leitung „Werte e.V. – Verein für soziale Dienste“, Hannover<br />

<strong>DBSH</strong>-Landesrundbrief <strong>Niedersachsen</strong>/Hamburg/Bremen/Schleswig-Holstein 01/10 Seite 11


<strong>Soziale</strong> <strong>Arbeit</strong> <strong>mit</strong> <strong>psychisch</strong> <strong>Erkrankten</strong><br />

Intensives „Sich Kümmern“ rund um die Uhr<br />

<strong>Arbeit</strong> in der stationären Jugendhilfe <strong>mit</strong> <strong>psychisch</strong> kranken Kindern und Jugendlichen ● Jana Görndt<br />

In der Jugendhilfeeinrichtung „Mühlenhof<br />

Eilte“ finden seit dem Jahr 1994 Kinder<br />

und Jugendliche <strong>mit</strong> <strong>psychisch</strong>en Störungen<br />

und starken Verhaltensauffälligkeiten,<br />

<strong>mit</strong>ten in der Natur ein neues, überschaubares<br />

Zuhause. Bei uns leben sieben zu<br />

Betreuende zwischen sechs und 18 Jahren<br />

aus verschiedenen Landkreisen. Die Unterbringung<br />

findet meist nach dem § 35a<br />

SGB VIII statt. Die Diagnosen, <strong>mit</strong> denen<br />

die Kinder und Jugendlichen zu uns kom-<br />

men sind vielfältig: AD(H)S, Autismus,<br />

dissoziative Störung, Entwicklungsverzögerungen<br />

(z.B. Legasthenie), Bindungsstörung,<br />

(leichte) geistige Behinderung, sozial-emotionale<br />

Störungen <strong>mit</strong> Impulsivität,<br />

Enuresis, Borderline-Symptome. Der Umgang<br />

<strong>mit</strong> den durch diese Störungen entstehenden<br />

Problemen wie Schulverweigerung,<br />

Diebstähle, Zündeln, hohe Aggressivität,<br />

sexuelle Übergriffe, Abhauen und so<br />

weiter, sind unser tägliches Geschäft.<br />

Die Herausforderungen bei der <strong>Arbeit</strong> <strong>mit</strong> diesen Kindern und Jugendlichen sind facettenreich:<br />

� Hauptaufgabe für das Team ist, Strategien zu entwickeln, um die oft extremen Verhaltensweisen aushalten<br />

zu können. Erst wenn wir Wertschätzung und Respekt spürbar werden lassen und uns wirklich um das Kind<br />

kümmern, schaffen wir die Grundlage für das Einhalten unserer Regeln und Strukturen. Oftmals sind die<br />

Störungen so massiv, das Misstrauen gegenüber Erwachsenen so groß, dass allein das „nicht abhauen“ ein<br />

Erfolg ist.<br />

� Durch die „Grenzgänge“ unserer Klientel ist immer wieder die Zusammenarbeit <strong>mit</strong> Polizei und Psychiatrien<br />

gefragt. Diese ist durch unterschiedliche Interessenlagen, Ausbildungen und Schwerpunktsetzungen nicht<br />

immer einfach. Therapieplätze zu finden ist langwierig. Eine adäquate medikamentöse Behandlung zu erreichen<br />

ist nicht selten geprägt von Fehleinschätzungen und Rückschlägen.<br />

� Soweit die Kinder und Jugendlichen beschulbar sind besuchen sie verschiedene Förderschulen im Umkreis.<br />

Oft sind die Lehrer <strong>mit</strong> unserer Klientel überfordert, wir müssen bei uns beschulen, Schulbegleitungen organisieren<br />

und um die Finanzierung kämpfen sowie für jedes Kind intensiv um Kooperation der Schule werben.<br />

Eng gestrickte, hoch strukturierte Angebote <strong>mit</strong> gutem Betreuungsschlüssel, die für unsere Klientel<br />

notwendig sind, um Schulpflichterfüllung geschweige denn Wege in die Ausbildung zu meistern, sind Mangelware<br />

bzw. nicht vorhanden.<br />

� Die Elternarbeit ist bei uns davon geprägt, die Akzeptanz innerhalb der Familie zu fördern, dass der bessere<br />

Platz für ihr Kind außerhalb ihres engeren Systems ist. Eine Rückführung ist meistens nicht förderlich für<br />

das Kindeswohl, ohne die Mitarbeit der Eltern/Sorgeberechtigten fruchten aber unsere Interventionen nichts.<br />

Die Balance zwischen Unterstützung der Eltern in Erziehungsfragen („Was machen Sie beim Tagesbesuch?<br />

Wie reagieren Sie auf Regelbrüche?“) und andererseits der klaren Stärkung der Interessen des Kindes/Jugendlichen,<br />

dessen Abnabelung und Verselbstständigung bedarf großen Fingerspitzengefühls.<br />

Trotz dieser fordernden Kombination an Widrigkeiten<br />

und meist extremen Verhaltensauffälligkeiten der<br />

Kinder, die dadurch bislang nirgendwo anders einen<br />

Platz für sich fanden, können wir aus verschiedenen<br />

Gründen erfolgreich arbeiten:<br />

Die Lage des Mühlenhofes, außerhalb vom Dorf Eilte,<br />

<strong>mit</strong> dazugehörigem 40000qm Gelände <strong>mit</strong> Wald und<br />

teilweise am Ufer der Aller gelegenen Wiesen, ermöglicht<br />

erlebnispädagogisches <strong>Arbeit</strong>en (Kanutouren,<br />

Lagerfeuer, Baumhütten bauen). Die jungen Menschen<br />

können sich austoben, ohne sofort Ärger <strong>mit</strong><br />

Nachbarn zu bekommen. Sie ecken schon an so<br />

vielen Stellen in ihrem Leben an, fallen auf, müssen<br />

sich zusammennehmen, so dass sie hier positive<br />

Momente erleben. Auch bei uns müssen sich die uns<br />

anvertrauten Kinder und Jugendlichen zwar an Regeln<br />

halten, aber die Toleranzschwelle ist höher, als<br />

in anderen Bereichen der Gesellschaft. Wenn jemand<br />

aggressiv wird, lernt derjenige, das Haus zu verlassen,<br />

gegen Bäume zu treten oder in den Wald zu<br />

brüllen. Unser Briefkasten muss regelmäßig „leiden“,<br />

wird dann aber eigenhändig erneut eingegraben. Als<br />

nächstes wird <strong>mit</strong> dem/der Betroffenen das Ziel vereinbart,<br />

sich so weit zu kontrollieren, am Boxsack<br />

seine Wut abzulassen und dann wieder das Gespräch<br />

zu suchen. Durch die Abgeschiedenheit des Mühlenhofes<br />

sind potentielle Reize wie Geschäfte, „anheizende“<br />

Kumpel, Bahnhöfe etc. schwerer zu erreichen.<br />

Seite 12 <strong>DBSH</strong>-Landesrundbrief <strong>Niedersachsen</strong>/Hamburg/Bremen/Schleswig-Holstein 01/10


<strong>Soziale</strong> <strong>Arbeit</strong> <strong>mit</strong> <strong>psychisch</strong> <strong>Erkrankten</strong><br />

Das Umfeld erleichtert auch das Umsetzen weiterer pädagogischer Ziele: Die Kinder und Jugendlichen<br />

müssen die Dinge des Alltags, <strong>mit</strong> unserer Anleitung, selbst verrichten. Sie müssen unsere Katze Mickey und die<br />

Ponys Pica und Bella versorgen, beim Baumfällen helfen, das Holz hacken und herein tragen zum Kamin, da<strong>mit</strong><br />

es warm ist. Auch die Pflege des großen Grundstücks (Rasenmähertrecker fahren, Beete jäten, Instandhaltung<br />

der Weiden), Tischdienst, Badreinigung, Kochen und Backen am Wochenende, Autos sauber machen und alles<br />

andere, was in und ums Haus anfällt gehört dazu, wenn sie in unserer „Mikrogesellschaft Mühlenhof“ teilhaben<br />

wollen.<br />

Dafür gibt es klare Regeln und Strukturen. Beispiele: Mittagessen gibt es um 13 Uhr, bis 14:30 ist Mittagsruhe,<br />

dann holen die in der Übergabe festgelegten Ansprechpartner ihre Kinder aus dem Zimmer. Um 15 Uhr gibt es<br />

eine Kaffeezeit, ab 18 Uhr gehen nacheinander alle duschen, um 19 Uhr gibt es Abendbrot, um 21 Uhr ist Zimmerruhe.<br />

Die Hausregeln sind eindeutig: Wer den Gruppenraum oder die Küche ohne Erlaubnis betritt, bekommt<br />

Verbot für diese Räume und muss dadurch auf schöne Aktivitäten in ihnen verzichten. Wer den Flur ohne Hausschuhe<br />

betritt muss diesen fegen und wischen. Wer anderen Gewalt antut, kann nicht am gemeinsamen Essen<br />

teilnehmen oder Privilegien genießen (wie Fernsehen, Playstation spielen), sondern kann sich langweilen oder<br />

etwas für die Gemeinschaft arbeiten. So werden Verlässlichkeit und Routinen gegeben sowie Gesetze der Gesellschaft<br />

und die Konsequenzen ihrer Übertretung im Kleinen geübt.<br />

Da<strong>mit</strong> die Kinder und Jugendlichen sich auf die Regeln<br />

der „Mikrogesellschaft Mühlenhof“ einlassen<br />

können, bedarf dieses Klientel zusätzlich zu den<br />

günstigen Umgebungsfaktoren ein hohes Maß an<br />

professioneller Betreuung, sowie Fachlichkeit, Engagement<br />

und Geduld der Mitarbeiter. Hierfür ist ein<br />

Team von 4 Erzieherinnen und Erziehern und einer<br />

Sozialpädagogin rund um die Uhr verantwortlich. Sie<br />

werden unterstützt von drei Nachtbereitschaften, einer<br />

Hauswirtschafterin, einem Hausmeister <strong>mit</strong> landwirtschaftlicher<br />

Ausbildung und mehreren pädagogisch<br />

geschulten Aushilfen. So können wir meistens eine<br />

1:1 Betreuung gewährleisten, die diese Kinder benöti-<br />

gen. Ich selbst habe die Leitung des Mühlenhofes<br />

Anfang 2008 übernommen, bin die Tochter der beiden<br />

Gründer, die mich weiterhin beraten, und habe eine<br />

Ausbildung als Diplom-Psychologin und Verhaltenstherapeutin.<br />

Ich bin täglich für die Kinder und Jugendlichen<br />

sowie die Mitarbeiter ansprechbar. Kontinuierlich<br />

machen wir Fortbildungen (z.B. zum Thema „Deeskalation<br />

und Selbstverteidigung“), Fall- und Teamsupervision<br />

sowie Einrichtungssupervision durch die<br />

Kinder- und Jugendpsychiatrie. Nur so können wir<br />

unser fachliches Know-how ständig verbessern, unser<br />

Handeln überprüfen und emotionale Betroffenheit<br />

bearbeiten.<br />

Für diese intensive <strong>Arbeit</strong> Mitarbeiter zu finden, für die es selten Anerkennung gibt, die Erfolge oft<br />

niedrigschwellig sind (keine Straftaten, keine Psychiatrieaufenthalte, Schulpflicht erfüllen) und ein großes persönliches<br />

Engagement sowie extreme <strong>psychisch</strong>e Belastungsfähigkeit fordert, ist schwierig. Trotz aller Widrigkeiten<br />

macht aber gerade dieses <strong>Arbeit</strong>en außerhalb des „Normalen“, <strong>mit</strong> ständigen Grenzgängen und Finden individueller<br />

Nischen für die Kinder und Jugendlichen den Reiz und die Freude an dieser Tätigkeit aus.<br />

Dieser Artikel kann nur einen kleinen<br />

Einblick in die Dimensionen<br />

unserer <strong>Arbeit</strong> geben und viele<br />

Probleme nur anreißen. Wenn<br />

hierzu Fragen entstehen, Diskussion<br />

angeregt wird oder Mitstreiter<br />

motiviert werden können, bin ich an<br />

Rückmeldungen interessiert.<br />

Autorin:<br />

Jana Görndt<br />

www.muehlenhof-eilte.de<br />

kontakt@muehlenhof-eilte.de<br />

Telefon 05164/2763<br />

<strong>DBSH</strong>-Landesrundbrief <strong>Niedersachsen</strong>/Hamburg/Bremen/Schleswig-Holstein 01/10 Seite 13


<strong>Soziale</strong> <strong>Arbeit</strong> <strong>mit</strong> <strong>psychisch</strong> <strong>Erkrankten</strong><br />

Vom Umgang <strong>mit</strong> Ohnmachtsgefühlen<br />

„Was soll ich tun?“ - Handeln und Verstehen ● Annette Gleßner<br />

In meiner Tätigkeit als Dozentin an der Saxion Hogeschol<br />

(Fachhochschule für Sozialpädagogik) in Enschede , NL,<br />

begegnen mir Studenten, die Situationen aus ihrer Praxis<br />

schildern, in denen sie sich als ohnmächtig und überfordert<br />

erlebt haben. Die häufig gestellte Frage lautet dann: „Was<br />

hätte ich tun können, - was soll ich tun?“<br />

Diese Frage ist zugleich Indiz für ein Missverständnis. In<br />

Ohnmachtssituationen geht es zunächst nicht um das<br />

Handeln, sondern um das Verstehen. Nur der verstehende<br />

Zugang zur Situation bildet die ausreichende Grundlage für<br />

ein verantwortungsbewusstes Handeln.<br />

Eine Beispielsituation:<br />

Herr K., 29 Jahre alt, ca. 195 cm groß und normal gebaut, lebt in<br />

einer 2- Zimmer – Wohnung und wird aufgrund seiner psychiatrischen<br />

Erkrankung (Psychose aus dem schizophrenen Formenkreis)<br />

seitens des Ambulant Betreuten Wohnens für <strong>psychisch</strong><br />

erkrankte Erwachsene begleitet. Der zuständige Mitarbeiter führt<br />

regelmäßige Hausbesuche durch. Der Klient nimmt seine Medikamente<br />

oral und in Selbstverwaltung zu sich. In letzter Zeit hat<br />

sich das Zustandsbild des Klienten verschlechtert, er ist z.B.<br />

weniger in der Lage, seine Wohnung zu verlassen, zeigt geringen<br />

Antrieb, lässt sich jedoch nicht auf eine stationäre Krisenintervention<br />

ein.<br />

Der Mitarbeiter übergibt die Betreuung an seine Kollegin, da sein<br />

Jahresurlaub kurz bevorsteht. Er informiert sie über den aktuellen<br />

Stand, sieht zurzeit noch keine Möglichkeit, Herrn K, von einer<br />

stationären Behandlung zu überzeugen und bittet die Kollegin<br />

daher, sich bei regelmäßigen Hausbesuchen ein Bild der aktuellen<br />

Lage zu machen. Der Klient ist der Kollegin bekannt, jedoch<br />

liegt der letzte Kontakt ca. 1 Jahr zurück.<br />

Beim ersten Hausbesuch öffnet Herr K. im Morgenmantel die Tür<br />

und bittet Frau X in seine Wohnung. Die Wohnung ist unaufgeräumt,<br />

jedoch nicht verwahrlost. Herr K. wirkt im Gespräch leicht<br />

abwesend, ist nur bedingt erreichbar. Vorgeschlagene Aktionen<br />

außerhalb der Wohnung lehnt er ab. Nach ca. 30 Minuten beendet<br />

Frau X das Gespräch und will die Wohnung verlassen.<br />

Herr K. baut sich vor der Wohnungstür auf und schaut Frau X<br />

eindringlich an:<br />

„ Und was machen Sie,<br />

wenn ich Sie jetzt nicht gehen lasse?“<br />

Frau X spürt die von Herrn K. ausgehende Bedrohung körperlich.<br />

Sie erinnert sich an die Krankengeschichte, nach der er mehrfach<br />

gegenüber seiner Mutter gewalttätig geworden ist. Sie ist sich in<br />

diesem Moment nicht sicher, ob Herr K. noch differenzieren kann,<br />

wer vor ihm steht. Angesichts der empfundenen Hilflosigkeit und<br />

Ohnmacht antwortet Frau X: „ Dann kann ich gar nichts machen. „<br />

Diese Antwort, die das Machtverhältnis in dieser Situation ungeschönt<br />

beschreibt, bewirkt bei Herrn K., dass er aus seiner<br />

Gedankenwelt auftaucht und antwortet: „ Das war auch nur ein<br />

Scherz.“<br />

Er öffnet die Tür zum Flur und Frau X geht hinaus. Wieder im<br />

Auto sitzend wird ihr erst das Ausmaß der Gefahr bewusst, der<br />

sie ausgesetzt war. Einen Tag später wird Herr K. in stationäre<br />

Behandlung eingewiesen.<br />

Welche Ebenen von Ohnmacht wurden in dieser Situation<br />

deutlich?<br />

Die interpersonelle Ebene<br />

Frau X kannte Herrn K. von früher als sehr sympathischen jungen<br />

Mann, hatte ihm aber nie in einer akuten psychotischen Phase<br />

erlebt. Entsprechend irritiert war sie durch die plötzliche Verschärfung<br />

der Gefährdungslage. Sie blieb im Kontakt authentisch und<br />

setzte so auf die Beziehungsebene.<br />

Grundlage ihrer Haltung war die „unbedingte Wertschätzung“ im<br />

Sinne von „eine Person schätzen, ungeachtet der verschiedenen<br />

Bewertungen, die man selbst ihren Verhaltensweisen gegenüber<br />

hat" (Rogers, 1959, S.35)<br />

Diese radikale Form der Wertschätzung drückte sich in der Akzeptanz<br />

der körperlichen Unterlegenheit und des Ausgeliefertseins<br />

aus.<br />

Die strukturelle Ebene<br />

Frau X arbeitete in Vertretung. Eine Übergabe hatte zwar stattgefunden,<br />

jedoch ist eine gemeinsam vorgenommene Einschätzung<br />

der Gefährdungslage unterblieben. Frau X. war sich nicht bewusst,<br />

wieweit Herr K. bereits in sein psychotisches Erleben<br />

verstrickt war. Gerade die Schnittstelle der Vertretungssituation<br />

bedarf einer gründlichen Vorbereitung. Ungeachtet dessen bleibt<br />

<strong>mit</strong> Margret Dörr festzustellen: „ Professionelles Handeln hat es …<br />

<strong>mit</strong> komplexen, nicht standardisierbaren Problemstellungen zu<br />

tun, die nur in Kooperation (Koproduktion) <strong>mit</strong> den Betroffenen<br />

bearbeitet werden können. Es ist immer ein `Handeln <strong>mit</strong> Risiko´„<br />

(Dörr, 2005, S.93)<br />

Die persönliche Ebene<br />

Bei gleichzeitiger Zugewandtheit war Frau X sich der Gefährdung<br />

in dieser Situation durchaus bewusst. Sie war langjährig tätig in<br />

der Psychiatrie und wusste, dass es galt, jegliche Eskalation und<br />

jeglichen Machtkampf zu vermeiden. Sie benannte Herrn K.<br />

gegenüber die Situation deshalb klar und deutlich, jedoch nicht<br />

aggressiv oder anklagend. Dörr spricht in diesem Zusammenhang<br />

von „ affektiver Kompetenz „ als „ insbesondere zur Bewältigung<br />

von Belastungssituationen <strong>mit</strong> den Adressaten erforderliche<br />

Fähigkeit „ Affektive Kompetenz umschreibt die Fähigkeit, „ sich<br />

auf individuelle Problemlagen einzulassen „ und selbstreflexiv <strong>mit</strong><br />

( Gegen-) Übertragungsreaktionen umgehen zu können. ( Dörr,<br />

2005 S. 99 + 100 )<br />

Ohnmachtsgefühle sind ein wichtiger diagnostischer Indikator,<br />

spiegeln sie doch auch eine Facette des Innenlebens des Gegenübers.<br />

Es gilt sie ernst zu nehmen, auf keinen Fall zu ignorieren,<br />

sie stattdessen als Anlass zu nehmen, inne zuhalten. Dem Wiedergewinnen<br />

der Handlungsfähigkeit geht das Verstehen der<br />

Situation voraus. Wie das obige Beispiel zeigt, kann explizites<br />

Nicht – Handeln das einzig angezeigte Handeln sein.<br />

Literaturhinweise<br />

Dörr, Margret ( 2005 ): <strong>Soziale</strong> <strong>Arbeit</strong> in der Psychiatrie, München, Basel<br />

UTB<br />

Rogers, C.R. (1959 dt. 1991): Eine Theorie der Psychotherapie der<br />

Persönlichkeit und der zwischenmenschlichen Beziehungen, Köln GwG<br />

Autorin:<br />

Annette Gleßner<br />

Supervisorin und Dozentin an der Saxion Hogeschol, Enschede NL<br />

Kleiner Send 2, 48477 Hörstel<br />

Seite 14 <strong>DBSH</strong>-Landesrundbrief <strong>Niedersachsen</strong>/Hamburg/Bremen/Schleswig-Holstein 01/10


Netzwerkbildung<br />

Kinder <strong>psychisch</strong> kranker<br />

Eltern in Bremen<br />

● Birgit Kramer & Monika Meyer<br />

Der <strong>Arbeit</strong>skreis (AK) „Kinder <strong>psychisch</strong> kranker<br />

Eltern“ hat sich im Jahr 2000 nach einem Fachtag in<br />

Bremen gebildet. Vierteljährlich kommen hier<br />

regelmäßig ca. 15 Vertreter/innen aus den Bereichen<br />

Kinder- und Jugendhilfe, Kinder- und Jugendpsychiatrie,<br />

Erwachsenenpsychiatrie und Gesundheitswesen<br />

zum professionellen Austausch zusammen.<br />

Im September 08 wurden im AK die „Handlungsempfehlungen zur<br />

Netzwerkbildung für Kinder <strong>psychisch</strong> kranker Eltern“ von Trägern<br />

der Gemeindepsychiatrie und der Jugendhilfe der Stadt Duisburg<br />

vorgestellt (Informationen hierzu im Internet unter: www.psagduisburg.de).<br />

Der AK entschloss sich, auf Basis der Erfahrungen in Duisburg die<br />

Netzwerkbildung für die Zielgruppe Kinder von <strong>psychisch</strong> kranken<br />

Eltern in Bremen konkret umzusetzen. Da<strong>mit</strong> verbunden ist die<br />

Hoffnung, dass die Schwierigkeiten in der Zusammenarbeit<br />

zwischen Kinder- und Jugendhilfe und der Psychiatrie abgebaut<br />

werden und sich im Sinne des Kindesschutzes eine Kooperation der<br />

Fachkräfte entwickelt, in der die Bedürfnisse der Kinder <strong>psychisch</strong><br />

kranker Eltern und die Bedarfe der Erwachsenen angemessen<br />

berücksichtigt werden.<br />

Es wurde aus dem AK heraus eine Steuerungsgruppe <strong>mit</strong> vier<br />

Fachkräften aus unterschiedlichen Einrichtungen gebildet. Diese<br />

haben die Aufgabe, den Prozess der Netzwerkbildung anzuschieben<br />

und eng zu begleiten. Ebenso ist es notwendig, dass<br />

Öffentlichkeit hergestellt wird und die Fachkräfte aus der<br />

Steuerungsgruppe zunächst als Ansprechpartner/innen für weitere,<br />

interessierte Einrichtungen zur Verfügung stehen.<br />

Bei der Auftaktveranstaltung im Februar 09 waren zusätzlich zu den<br />

o.g. Institutionen Vertreter/innen des Amtes für <strong>Soziale</strong> Dienste<br />

anwesend. Um die betroffenen Kinder und deren Eltern konstruktiv<br />

und nachhaltig zu unterstützen, wurde als wesentliche Zielsetzung<br />

des Netzwerks benannt:<br />

� die Zusammenarbeit der Systeme „Kinder- und Jugendhilfe“,<br />

„Kinder- und Jugendpsychiatrie“ und „Erwachsenenpsychiatrie“<br />

(ambulant und stationär) zu optimieren,<br />

� Verbindlichkeiten zu schaffen,<br />

� neue Angebote für die Zielgruppe Kinder <strong>psychisch</strong> kranker<br />

Eltern einzurichten,<br />

� die Frage der Verantwortlichkeit zu klären, da<strong>mit</strong> weitere<br />

notwendige Hilfsangebote für die Familien installiert werden<br />

können<br />

� und Ansprechpartner/innen in den Netzwerkinstitutionen zu<br />

benennen.<br />

<strong>Soziale</strong> <strong>Arbeit</strong> <strong>mit</strong> <strong>psychisch</strong> <strong>Erkrankten</strong><br />

Das Netzwerk versteht sich als offenes System. Interessierte<br />

Einrichtungen ordnen sich auf den Netzwerktreffen den<br />

einzelnen <strong>Arbeit</strong>sgruppen zu. Neue Netzwerk<strong>mit</strong>glieder sind<br />

jederzeit herzlich willkommen.<br />

Im Juni und November 09 fanden Folgetreffen statt, auf<br />

denen die jeweiligen Ergebnisse der <strong>Arbeit</strong>sgruppen vorgestellt<br />

und weitere <strong>Arbeit</strong>sschritte verabredet wurden. Folgende<br />

Ergebnisse konnten in den vier <strong>Arbeit</strong>sgruppen<br />

schon erzielt werden:<br />

1. Öffentlichkeitsarbeit/Online-Vernetzung<br />

Die Gruppe berichtet halbjährlich über den Verlauf der Netzwerkbildung<br />

in dem Faltblatt „Neues vom Netzwerk“. Eine Onlinevernetzung<br />

wurde bereits umgesetzt: Auf der Web-Seite<br />

www.familiennetz-bremen.de können am Netzwerk interessierte<br />

Fachkräfte sich für das interne Forum „Kinder <strong>psychisch</strong> kranker<br />

Eltern“ anmelden und den Informationsaustausch aktiv <strong>mit</strong>gestalten.<br />

2. Aufbau von Kindergruppen<br />

In dieser Gruppe haben Vertreter/innen unterschiedlicher Institutionen<br />

ein Konzeptes für fachlich organisierte Kindergruppen entwickelt<br />

(Zugang zur Kindergruppe, Kontakt zu den Eltern, fachliche<br />

Standards, Anforderungen an das Personal, Datenschutz...). In<br />

Kooperation <strong>mit</strong> dem Amt für <strong>Soziale</strong> Dienste wurde die befristete<br />

Finanzierung für eine erste Kindergruppe organisiert.<br />

3. Regionale Recherche über vorhandene Angebote in Bremen<br />

Die Gruppe ist bei ihren Recherchen auf viel Interesse gestoßen.<br />

Die Sozialraumkoordinator/innen des Amtes für <strong>Soziale</strong> Dienste<br />

konnten für die weitere Entwicklung des Netzwerkes gewonnen<br />

werden. In der Region Bremen-Nord wird demnächst der Kontakt<br />

<strong>mit</strong> den ansässigen Kinderärzt/innen zur Regelung einer verbesserten<br />

Zusammenarbeit hergestellt.<br />

4. Entwicklung von Kommunikationsstrukturen, Erarbeitung<br />

von Kooperationsverträgen, Anwerben neuer Netzwerk<strong>mit</strong>glieder<br />

Die Gruppe hat einen Entwurf für einen Kooperationsvertrag<br />

erarbeitet. Vertreter/innen des Netzwerks haben das Netzwerk und<br />

die dort vertretenden Einrichtungen in den vier regionalen psychiatrischen<br />

Behandlungszentren in Bremen vorgestellt.<br />

Die Planung für 2010 sieht vor, Kommunikationsstrukturen<br />

und konkrete Verfahrensregelungen zwischen den Netzwerkpartner/innen<br />

zu gestalten und den Kooperationsvertrag<br />

<strong>mit</strong> Leben zu füllen. Schon jetzt zeigt sich, dass die<br />

Kommunikation zwischen den Bereichen Kinder- und Jugendhilfe<br />

und Gesundheitswesen sich verbessert, es<br />

schneller zu gemeinsamen Helferkonferenzen kommt und<br />

die Fachlichkeit der verschiedenen Institutionen gezielter<br />

eingesetzt und angefragt wird.<br />

Autorinnen:<br />

Birgit Kramer<br />

Diplom-Pädagogin, Fachberatung in der Sozialpädagogischen Familienhilfe<br />

Monika Meyer<br />

Dipl. Sozialpädagogin, Ressourcen- und lösungsorientierte Sozialtherapeutin<br />

(für die Steuerungsgruppe „Netzwerkbildung für Kinder <strong>psychisch</strong> kranker<br />

Eltern in Bremen“)<br />

<strong>DBSH</strong>-Landesrundbrief <strong>Niedersachsen</strong>/Hamburg/Bremen/Schleswig-Holstein 01/10 Seite 15


<strong>Soziale</strong> <strong>Arbeit</strong> <strong>mit</strong> <strong>psychisch</strong> <strong>Erkrankten</strong><br />

Doppeldiagnose Psychose und Sucht<br />

Sozialtherapie <strong>mit</strong> Perspektiven im Krelinger Reha-Zentrum (Walsrode) ● Hartmut Lauter<br />

Es wird zu Recht darauf hingewiesen, dass Menschen,<br />

die an einer <strong>psychisch</strong>en Störung und gleichzeitig an<br />

substanzgebundenem Suchtverhalten leiden, bislang<br />

nicht zureichend versorgt werden. Auch der Übergang<br />

von persönlich stabilisierenden, medizinischen und<br />

therapeutischen Maßnahmen zu Leistungen der<br />

Teilhabe am <strong>Arbeit</strong>sleben gelingt diesen Menschen oft<br />

nicht oder nur unter großen Schwierigkeiten. Sie<br />

gelten als „Systemsprenger“ und sind insofern Beleg<br />

für Defizite im Versorgungssystem.<br />

Wenn wir davon ausgehen, dass unter schizophrenen Patienten der<br />

Alkoholismus mindestens 3-mal häufiger und andere Substanzen<br />

mindestens 6-mal häufiger im Vergleich zu einer Durchschnittspopulation<br />

vorkommen (Gouzoulis-Mayfrank, 2007), wird deutlich,<br />

dass die komorbiden Patienten keinesfalls eine Randgruppe<br />

darstellen.<br />

Als wir vor einigen Jahren in unserer stationären Sozialtherapie für<br />

Menschen <strong>mit</strong> seelischen Behinderungen/Erkrankungen vor die<br />

Herausforderung gestellt wurden, <strong>mit</strong> Rehabilitanden zu arbeiten,<br />

die neben der seelischen Erkrankung einen Suchthintergrund und<br />

auch weitere Störungen aufwiesen, lag dies nicht unbedingt in<br />

unserer Planung. Die Menschen fragten um Hilfe nach, wir wollten<br />

sie nicht abweisen, und so erfolgte eine Mitbetreuung im Rahmen<br />

unseres vorhandenen Konzeptes. Inzwischen liegt ein indikatives<br />

Konzept vor, das die besonderen Herausforderungen berücksichtigt,<br />

vor die uns dieses Klientel stellt.<br />

Wir verfügen in unserer Einrichtung zwar über langjährige<br />

Erfahrungen sowohl in der Entwöhnungsbehandlung Drogenabhängiger<br />

als auch in der Sozialtherapie von Menschen <strong>mit</strong> seelischen<br />

Erkrankungen; doch in der Umsetzung dieses Konzeptes, das eine<br />

Behandlung beider Symptomgruppen gleichzeitig vorsieht, ist<br />

unsere Praxiserfahrung noch ausbaufähig.<br />

Wir verstehen uns als ein Teilangebot einer Versorgungskette und<br />

wollen vorrangig sozialtherapeutisch und (im Anschluss daran)<br />

beruflich rehabilitierend die <strong>Arbeit</strong> der Fachkrankenhäuser<br />

weiterführen. Die Aufnahmen erfolgen überwiegend überregional<br />

aber auch aus unserer Region.<br />

Unsere Hilfe ist aufgrund der komplexen Störungen der Betroffenen,<br />

längerfristig angelegt, und die Therapiezeiten werden individuell<br />

festgelegt.<br />

Die Einrichtung gilt vom Leistungstyp her als Wohneinrichtung <strong>mit</strong><br />

heiminterner Tagestruktur, und die Finanzierung erfolgt i.d.R. nach<br />

dem SGB XII (Sozialhilfe), in Einzelfällen auch nach dem SGB VIII<br />

(Jugendhilfe).<br />

Doppeldiagnose – das Verständnis<br />

Unter Doppeldiagnose wird in der Psychiatrie ein Spezialfall<br />

von Komorbidität verstanden, der das zeitliche Zusammentreffen<br />

eines Missbrauchs bzw. einer Abhängigkeit von einer<br />

oder mehreren psychotropen Substanzen und einer anderen<br />

<strong>psychisch</strong>en Störung (z. B. Schizophrenie, Depression)<br />

beschreibt. (Evans & Sullivan 1990).<br />

Wir gehen <strong>mit</strong> Gouzoulis-Mayfrank (2007) einerseits davon<br />

aus, dass das Suchtverhalten eine Reaktion bzw. einen<br />

ungünstigen Coping-Versuch auf direkte Symptome oder<br />

Auswirkungen der psychotischen Erkrankung darstellt<br />

(Selbstmedikationshypothese/Affektregulationsmodell). Das<br />

zweite Modell der Komorbidität besagt, dass durch den<br />

Konsum psychotroper Substanzen Psychosen induziert<br />

werden (Psychoseinduktion). Schließlich ist es vorstellbar,<br />

dass bei einzelnen Patienten eine Kombination aus den<br />

Mechanismen beider Modelle vorliegen kann.<br />

Personenkreis (unserer Einrichtung)<br />

Bei den <strong>psychisch</strong>en Erkrankungen handelt es sich in der<br />

Regel um (schizophrene) Psychosen und Persönlichkeitsstörungen.<br />

Bei den Suchtstörungen handelt es sich um nicht (mehr)<br />

klinisch zu behandelnde Abhängigkeiten (in der Regel<br />

Polytoxikomanien), die wir als Suchthintergrund bezeichnen.<br />

Die <strong>psychisch</strong>e Beeinträchtigung steht im Vordergrund.<br />

Der sozialtherapeutische Ansatz<br />

Die sozialtherapeutische Hilfe für Menschen <strong>mit</strong> der Doppeldiagnose<br />

Psychose und Sucht erfordert ein Konzept, in<br />

dem stützende und begleitende Vorgehensweisen (wie in<br />

der Versorgung <strong>psychisch</strong> Kranker) <strong>mit</strong> einem auf Eigenverantwortlichkeit<br />

und Konfrontation abzielenden therapeutischen<br />

Setting (wie in der Suchttherapie) verzahnt sind.<br />

Wir sehen das komplexe Störungsbild Psychose / Sucht<br />

in einem Zusammenhang <strong>mit</strong><br />

� einer ausgeprägten Ich-Schwäche, regressiven Tendenzen<br />

und Störungen in der Beziehungsfähigkeit,<br />

� Entwicklungsverzögerungen, daraus folgender misslingender<br />

Alltagsbewältigung und Schwierigkeiten im Umgang<br />

<strong>mit</strong> der eigenen Emotionalität<br />

� Defiziten im Sinn- und Werteerleben.<br />

Vor diesem Hintergrund impliziert unser Konzept folgende<br />

Schwerpunkte:<br />

� Die therapeutische Gemeinschaft <strong>mit</strong> ihren besonderen<br />

Chancen und Herausforderungen und deren<br />

Einordnung in das einrichtungsinterne Netzwerk der<br />

Hilfe <strong>mit</strong> den verschiedenen, unseren rehabilitativen<br />

Ansatz unterstützenden Modulen.<br />

� Die persönliche/therapeutische Beziehung, bei<br />

der den Rehabilitanden Akzeptanz, Wertschätzung und<br />

persönliche Wärme und Verstehen entgegen gebracht<br />

werden, in der aber auch das Orientierende, ggf. auch<br />

Grenzen und Regeln setzende Gegenüber erlebbar<br />

wird.<br />

� Wir geben explizit Gelegenheit zu Diskussionen<br />

und persönlichen Gesprächen über Fragen nach Lebenssinn,<br />

über das, was wertvoll sein soll und das,<br />

was das Leben erfüllend machen kann.<br />

Seite 16 <strong>DBSH</strong>-Landesrundbrief <strong>Niedersachsen</strong>/Hamburg/Bremen/Schleswig-Holstein 01/10


Die therapeutische Gemeinschaft<br />

Die Umsetzung des Konzeptes erfolgt<br />

im Rahmen der therapeutischen Gemeinschaft<br />

von Hof Birkengrund <strong>mit</strong> 14<br />

Bewohnerplätzen zuzüglich einer<br />

Außenwohngruppe für das Realitätstraining<br />

<strong>mit</strong> 3 Plätzen.<br />

Diese Teileinrichtung, ein ehemals<br />

landwirtschaftliches Anwesen, befindet<br />

sich etwas abseits der Wohnbebauung,<br />

von Wald und Wiesen umgeben,<br />

zwischen den Ortschaften Krelingen<br />

und Hodenhagen.<br />

Diese Lage hat sich als hilfreich herausgestellt,<br />

um den Bewohnern den<br />

Zugang zu Rausch<strong>mit</strong>teln zu erschweren<br />

und auch um Konflikte <strong>mit</strong> angrenzend<br />

Wohnenden zu vermeiden.<br />

<strong>Soziale</strong> <strong>Arbeit</strong> <strong>mit</strong> <strong>psychisch</strong> <strong>Erkrankten</strong><br />

In diesem Setting gelten klare Ordnungen<br />

und erkennbare Grenzen als<br />

Hilfe zur Selbststeuerung. Die Abläufe<br />

sind durch den überschaubar strukturierten<br />

Tages- und Wochenplan gut<br />

einsehbar vorgegeben. Das<br />

Aufeinanderachthaben, die gegenseitige<br />

Unterstützung, das Erleben von<br />

Schutz und Herausforderung, das<br />

Sich-Identifizieren <strong>mit</strong> gemeinsamen<br />

Zielen und Anliegen hat einen wichtigen<br />

Stellenwert. Die für die Gemeinschaft<br />

zu leistenden <strong>Arbeit</strong>en wie<br />

Kochen, Waschen, Säubern der Räume,<br />

Renovierung, Reparaturen, Gartenarbeit<br />

sowie projektorientierte<br />

Auftragsarbeiten lassen sich in übersichtliche<br />

Verantwortungsbereiche<br />

gliedern.<br />

Krelinger Reha-Zentrum - Netzwerk der Hilfe<br />

(Schaubild aus dem Prospekt der Einrichtung)<br />

Der personenzentrierte Ansatz (der die<br />

individuellen Bedarfe des Einzelnen<br />

betont) und das Zusammenleben in<br />

einer therapeutischen Gemeinschaft<br />

(in der die sozialen Bezüge und Verpflichtungen<br />

einen hohen Stellenwert<br />

haben) stellt für uns keinen Widerspruch<br />

dar. Auch hier verwirklicht sich<br />

unser ganzheitlicher Hilfeansatz.<br />

Hof Birkengrund ist Teil der stationären<br />

sozialtherapeutischen Einrichtung<br />

für Menschen <strong>mit</strong> seelischen Erkrankungen/Behinderungen,<br />

und diese<br />

gehört wiederum zum Krelinger Reha-<br />

Zentrum.<br />

<strong>DBSH</strong>-Landesrundbrief <strong>Niedersachsen</strong>/Hamburg/Bremen/Schleswig-Holstein 01/10 Seite 17


<strong>Soziale</strong> <strong>Arbeit</strong> <strong>mit</strong> <strong>psychisch</strong> <strong>Erkrankten</strong><br />

Es werden Männer (Aufnahmealter: 18<br />

bis 35 Jahre) <strong>mit</strong> Komorbidität Psychose/Sucht<br />

ausschließlich auf Hof<br />

Birkengrund aufgenommen. Es werden<br />

hier allerdings auch solche Bewerber<br />

aufgenommen, bei denen<br />

lediglich eine seelische Erkrankung/Behinderung<br />

(ohne Komorbidität)<br />

vorliegt.<br />

Mit diesem Netzwerk sind wesentliche<br />

Voraussetzungen geschaffen, so dass<br />

die Nutzer im Rahmen der Hilfe-<br />

/Reha-Planung individuell auf ihre<br />

Bedarfe abgestimmte Leistungen aus<br />

einer Hand erhalten können.<br />

Dies bedeutet z.B., dass Rehabilitanden,<br />

die bereits die Angebote der<br />

Überbetrieblichen Ausbildungsstätte<br />

(ÜBA) nutzen, bei <strong>psychisch</strong>en Krisen<br />

oder Suchtrückfällen, ggf. anteilig<br />

Kompetenz und Leistungen der Sozialtherapie<br />

in Anspruch nehmen. Bei<br />

Bedarf kann auch das Wohnangebot<br />

der Sozialtherapie (<strong>mit</strong> verstärkter<br />

Beteuungsdichte) genutzt werden, was<br />

dazu helfen kann, dass eine Unterbre-<br />

Was für uns bedeutsam ist - unsere Essentials<br />

chung der berufsfördernden Maßnahme<br />

vermieden wird.<br />

Bewohner der sozialtherapeutischen<br />

Einrichtung machen Praktika in den<br />

Ausbildungsbereichen der ÜBA<br />

und finden so fließende Übergänge in<br />

die Anschlussmaßnahme.<br />

Wir sorgen dafür, dass Leistungen<br />

anderer Anbieter bzw. anderer Netzwerke<br />

unseren Rehabilitanden nach<br />

ihren Bedarfen zugänglich gemacht<br />

werden.<br />

� Wir wollen den Menschen, dessen Würde oft wenig geachtet wird und der sich selbst auch nur wenig achtet,<br />

<strong>mit</strong> diakonischer Wertschätzung wahrnehmen.<br />

� Die <strong>Arbeit</strong> <strong>mit</strong> <strong>psychisch</strong> kranken Menschen ist Beziehungsarbeit, und Behandlungstechnik ist nicht primär<br />

gefordert. Nicht im Üben von professioneller Distanz ist ein <strong>Arbeit</strong>sbündnis erreichbar, sondern auf der Beziehungsebene.<br />

Der Bezugs<strong>mit</strong>arbeiter bietet sich an als „gutes Objekt“ <strong>mit</strong> für den Rehabilitanden herausfordernden<br />

Anteilen, so dass die Beziehung als Hilfe dient, gute und böse Erfahrungen hinzunehmen und zu integrieren.<br />

� Wir nehmen immer wieder das Sinnthema in den Focus unseres <strong>Arbeit</strong>ens. Victor Frankl (Begründer der<br />

Logotherapie) hat den Menschen beschrieben als körperliches und <strong>psychisch</strong>es Wesen <strong>mit</strong> entsprechend zu<br />

berücksichtigen Bedürfnissen. Er definierte ihn aber auch als geistiges Wesen, dem es um Sinn und Werte<br />

geht. Wichtig für sein Leben sind demnach personale Werte wie Liebe, Glaube, innerer Halt, für andere einstehen,<br />

Wahrheit und Gerechtigkeit. Dies „in kleiner Münze“ umzusetzen und da<strong>mit</strong> für den Lebensalltag<br />

nutzbar zu machen, liegt in unserem therapeutischen Auftrag. Dies beginnt schon da<strong>mit</strong>, dass Mühsames im<br />

Therapiealltag wie z.B. das morgendliche Aufstehen, das Säubern der Räume, Unkraut Jäten, Fegen des Hofes<br />

und immer wiederkehrende Tätigkeiten auf ihren Wert befragt werden (dürfen) und eine Zuordnung erfahren<br />

sollen.<br />

Aber nicht nur Alltägliches fordert seine Sinn- und Wertbestimmung ein. Augustin, der große Philosoph des Altertums,<br />

sieht den Menschen als Wesen <strong>mit</strong> einer unstillbaren Sehnsucht nach Leben, fast im Sinne von Sucht, und<br />

stellt – aufgrund eigener existentieller Erfahrungen – fest, dass diese Erde ein Ort des Mangels ist und seine<br />

Sehnsüchte nicht erfüllen kann. Augustin liebte das Leben maßlos, und deshalb konnte es ihm nicht genügen. Er<br />

war frustriert durch das Wenige (Safranski 2001, S. 49). Daraus folgte für ihn über Umwege, dass seine Suchbewegung<br />

über das christliche Evangelium hin zu Gott, den Schöpfer, führte. Und hier fand er den übergreifenden<br />

Sinnzusammenhang, erfülltes Leben, und eine Perspektive über die kurze Spanne menschlichen Lebens hinaus.<br />

Von diesen Gedanken ist auch unsere <strong>Arbeit</strong> geprägt, und unsere Erfahrung zeigt, dass Menschen <strong>mit</strong> Suchterfahrung<br />

oft unbefangen Zugänge zu dieser Thematik finden und sich davon ansprechen lassen. In der Auseinandersetzung<br />

<strong>mit</strong> Sinn- und Wertefragen im Rahmen von Gruppen- und Einzelgesprächen sehen wir einen wichtigen<br />

Baustein unseres Angebotes.<br />

Für die Aufnahme in unsere Einrichtung bestehen jedoch keine religiösen oder weltanschaulichen Vorbedingungen.<br />

In dieser Hinsicht ist uns jeder Bewerber willkommen.<br />

Seite 18 <strong>DBSH</strong>-Landesrundbrief <strong>Niedersachsen</strong>/Hamburg/Bremen/Schleswig-Holstein 01/10


Einzelleistungen<br />

Bei Doppeldiagnose-Patienten handelt es sich in<br />

Bezug auf Symptomatik und Krankheitsursachen<br />

um eine eher heterogene Patientengruppe, wo<br />

neben der <strong>psychisch</strong>en und Suchterkrankung<br />

Persönlichkeitsstörungen, eine ADHS-<br />

Problematik, Borderline-Symptome etc. vorliegen<br />

können.<br />

Dies bedeutet, dass standardisierte Therapieprogramme<br />

nur dann Wirkung entfalten können,<br />

wenn gleichzeitig ein auf die individuellen Bedürfnisse<br />

der Betroffenen abgestimmtes Vorgehen<br />

erfolgt. Dies hat zur Voraussetzung, dass ein<br />

differenziertes Angebot an Einzelmaßnahmen<br />

vorgehalten und – im Rahmen der Hilfeplanung -<br />

sinnvoll zugeordnet werden kann.<br />

Zu unseren Angeboten gehören neben den einzeltherapeutischen<br />

Gesprächen u.a. eine<br />

psychoedukative Gruppe Psychose und Sucht<br />

sowie eine Indikationsgruppe Sucht, ein soziales<br />

Kompetenztraining und ein PC-gestützes Lernprogramm.<br />

Breiten Raum nehmen <strong>Arbeit</strong>stherapie<br />

und Selbstversorgertraining im relativ dicht durchstrukturierten<br />

Tages- und Wochenpan ein. Sportliche<br />

Aktivitäten sollen die allgemeine Fitness fördern,<br />

und das therapeutische Reiten betont den<br />

Körper-Seele-Zusammenhang.<br />

Es finden in unserer Einrichtung regelmäßig<br />

Angehörigenseminare statt, und Trialog-<br />

Gespräche werden immer wieder angestrebt.<br />

Wir stellen die allgemein- und fachärztliche Betreuung<br />

und die Medikamentenversorgung sicher<br />

und bieten Begleitung bei Arztterminen an.<br />

Die Anbindung der Einrichtung an das psychiatrische<br />

Versorgungssystem unseres regionalen<br />

Klinikums - <strong>mit</strong> psychiatrischer Abteilung, Tagesklinik<br />

und Institutsambulanz – garantiert patientenorientierte<br />

medizinische Maßnahmen <strong>mit</strong> hoher<br />

Behandlungs- und Beziehungskontinuität.<br />

<strong>Soziale</strong> <strong>Arbeit</strong> <strong>mit</strong> <strong>psychisch</strong> <strong>Erkrankten</strong><br />

Die Perspektiven<br />

Bewerber für unsere sozialtherapeutische Hilfe<br />

kommen häufig deshalb zu uns, weil sie die hier<br />

angebotene Perspektive der Teilhabe am <strong>Arbeit</strong>sleben<br />

nutzen wollen.<br />

Diese Chance vor Augen, werden hierdurch gerade<br />

in Zeiten des Motivationsabfalls Durchhaltekräfte<br />

mobilisiert, wenngleich es auch immer wieder<br />

dadurch zu Motivationsproblemen führt, dass<br />

dieser Gedanke das Therapieanliegen überlagert.<br />

Nach Beendigung des Aufenthaltes auf Hof Birkengrund<br />

kommen zwar auch eine Aufnahme<br />

einer Tätigkeit auf dem allgemeinen <strong>Arbeit</strong>smarkt,<br />

die Ver<strong>mit</strong>tlung in ambulante, teilstationäre oder<br />

stationäre Maßnahmen in Betracht. Doch berufsvorbereitende<br />

Lehrgänge, Ausbildung und Umschulung<br />

im Rahmen unserer ÜBA, und die spezielle<br />

Förderung und Begleitung von Teilnehmern<br />

<strong>mit</strong> Suchthintergrund im Internat wird als attraktive<br />

Perspektive sehr gern in Anspruch genommen.<br />

Gelingende Eingliederung wird von den Betroffenen<br />

dann zu Recht als großer Erfolg erlebt,<br />

wenngleich nicht immer alle gewünschten Ziele<br />

erreichbar sind.<br />

Wir stellen aber fest, dass eine relativ lange, intensiv<br />

genutzte Gesamtverweilzeit (Sozialtherapie:<br />

1-2 Jahre; Berufsvorbereitung/Ausbildung: 3-<br />

4 Jahre) die Chancen für die soziale und die berufliche<br />

Teilhabe wesentlich verbessert.<br />

Eine geringe Zahl von Ausbildungsabbrüchen und<br />

ein hoher Anteil an Absolventen und deren Eingliederung<br />

auf dem allgemeinen <strong>Arbeit</strong>smarkt<br />

sehen wir als Bestätigung für den hier eingeschlagenen<br />

Weg.<br />

Autor:<br />

Hartmut Lauter<br />

Diplom-Sozialarbeiter / Suchttherapeut<br />

Krelinger Reha-Zentrum<br />

29664 Walsrode<br />

Tel.: 05167/979-137<br />

Literatur:<br />

Gouzoulis-Mayfrank: Komorbidität Psychose und Sucht, Steinkopff 2007<br />

Frankl, V.: Der Mensch vor der Frage nach dem Sinn, Serie Piper 2009<br />

Safranski: Das Böse oder das Drama der Freiheit, Fischer 2001<br />

Quellen:<br />

Kerbe 1/2006 und 2/2009<br />

<strong>DBSH</strong>-Landesrundbrief <strong>Niedersachsen</strong>/Hamburg/Bremen/Schleswig-Holstein 01/10 Seite 19


<strong>Soziale</strong> <strong>Arbeit</strong> <strong>mit</strong> <strong>psychisch</strong> <strong>Erkrankten</strong><br />

Anzeige<br />

Schritte ins Leben<br />

Krelinger Reha-Zentrum<br />

� Sozialtherapie und Berufliche Rehabilitation für Menschen<br />

<strong>mit</strong> seelischen Erkrankungen und Suchthintergrund<br />

� Tagesstätte für Menschen <strong>mit</strong> seelischen Erkrankungen<br />

� Ambulant betreutes Wohnen (im Einzelfall)<br />

� Hilfen für Menschen <strong>mit</strong> AD(H)S und Angehörige<br />

Krelinger Reha-Zentrum � 29664 Walsrode<br />

Tel. 0 51 67 / 9 70 137 � Fax 9 70 160<br />

reha@grz-krelingen.de � www.grz-krelingen.de/reha<br />

� Kreative Floristik & Geschenkideen<br />

� Hochzeits- und Trauerfloristik<br />

� Dekorationen für jeden Anlass<br />

� Beet- und Balkonpflanzen<br />

� Biologisches Gemüse aus eigenem Anbau<br />

Krelinger Landgärtnerei<br />

im Geistlichen Rüstzentrum • 29664 Walsrode<br />

Tel. 0 51 67 / 970 164 • Fax 0 51 67 / 970 160<br />

www.krelinger-landgaertnerei.de<br />

Öffnungszeiten:<br />

Mo-Fr 8.30-12.00 + 14.00-18.00 Uhr<br />

Sa 9.00-14.00 Uhr<br />

Küchen � Einbauschränke � Möbel � Büroeinrichtungen<br />

Fenster � Türen � Treppen � Innenausbau<br />

29664 Walsrode-Krelingen<br />

Tel. 05167/970162 � Fax 970169<br />

info@holzwerkstatt-krelingen.de<br />

www.holzwerkstatt-krelingen.de<br />

Ein starkes Team braucht<br />

Eure Unterstützung<br />

Der <strong>DBSH</strong> ist einerseits Fachverband zugleich<br />

aber auch gewerkschaftliche bzw.<br />

arbeitsrechtliche Vertretung unserer Berufsgruppe.<br />

Auch in den kommenden Tarifverhandlungen<br />

sitzt der <strong>DBSH</strong> so<strong>mit</strong> als Mitgliedsgewerkschaft<br />

des dbb für unsere<br />

Mitglieder gestaltend <strong>mit</strong> am Verhandlungstisch.<br />

Auf der Ebene der Landestarifkommissionen<br />

besteht in verschiedenen Bundesländern ein<br />

kontinuierlicher Bedarf an Mitgliedern, die<br />

vor allem an arbeitsrechtlicher Beratung und<br />

Vertretung interessiert sind, so auch in<br />

<strong>Niedersachsen</strong>.<br />

Wir freuen uns sehr darüber, im Landesverband<br />

<strong>Niedersachsen</strong> eine aktive Tarifkommission<br />

zu haben, die konkret zu entsprechenden<br />

Belangen von Mitgliedern und<br />

Noch-Nicht-Mitgliedern Stellung beziehen,<br />

Informationen geben und beraten kann. Für<br />

die überaus reizvolle <strong>Arbeit</strong> in der Landestarifkommission<br />

brauchen wir aber noch Verstärkung.<br />

An gewerkschaftlichen und tarifrechtlichen<br />

Fragen interessierte Kolleginnen<br />

und Kollegen, die sich eine Mitarbeit in<br />

diesem Gremium vorstellen können, sollten<br />

sich deshalb bei uns melden. Es erwartet<br />

Euch eine interessante Herausforderung<br />

und eine bundesweite Vernetzung <strong>mit</strong> der<br />

Bundestarifkommission, <strong>mit</strong> dem Landesvorstand<br />

<strong>Niedersachsen</strong> und <strong>mit</strong> der dbb-<br />

Tarif-union.<br />

Ansprechpartner sind die derzeitigen Mitglieder<br />

der Kommission (siehe Homepage<br />

<strong>DBSH</strong> <strong>Niedersachsen</strong>). Ihr könnt Euch aber<br />

auch gerne bei mir melden:<br />

Harald Martens<br />

Postbruch 4<br />

29693 Hodenhagen<br />

Tel.: 05164 / 800 371<br />

Seite 20 <strong>DBSH</strong>-Landesrundbrief <strong>Niedersachsen</strong>/Hamburg/Bremen/Schleswig-Holstein 01/10


www.dbsh-niedersachsen.de Landesverband <strong>Niedersachsen</strong><br />

Protokoll des Erweiterten Landesvorstands vom 14. November 2009<br />

Ort: Hannover<br />

Zeit: 10:00 – 11:00 Uhr<br />

anwesend: siehe unten (Protokoll der LMV)<br />

Tagesordnung:<br />

1. Begrüßung<br />

2. Genehmigung der Tagesordnung<br />

3. Genehmigung des Protokolls der letzten Sitzung<br />

4. Beschluss des Haushaltplans 2010<br />

TOP 1: Begrüßung<br />

Frank Mattioli-Danker begrüßt alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer und erläutert, dass dies die letzte Sitzung des<br />

E<strong>LV</strong> ist, da nach der neuen Ordnung diese Organisationsform nicht mehr vorhanden sein wird.<br />

TOP 2: Genehmigung der Tagesordnung<br />

Die obige Tagesordnung wird einstimmig genehmigt und die Beschlussfähigkeit und die ordnungsgemäße Einladung<br />

werden festgestellt.<br />

TOP 3: Genehmigung des Protokolls der letzten Sitzung<br />

Das Protokoll der Sitzung vom 06.06.2009 wird einstimmig genehmigt.<br />

TOP 4: Beschluss des Haushaltsplans 2010<br />

Harald Martens stellt den Haushaltsplan 2010 vor. Es wird einstimmig genehmigt, dass dieser Entwurf der Landes<strong>mit</strong>gliederversammlung<br />

vorgelegt wird.<br />

gez. Frank Mattioli-Danker<br />

Protokollant und Landesvorsitzender<br />

Protokoll der Landes<strong>mit</strong>gliederversammlung vom 14. November 2009<br />

Ort: Hannover<br />

Zeit: 11.00 Uhr – 14:30 Uhr<br />

anwesend: Anke Berkemeyer (ab TOP 10), Elke Bindbeutel, Christian Biringer, Claudia Brörmann, Olaf Bürke, Sibylle<br />

Kleiner, Harald Martens, Frank Mattioli-Danker (Protokollant), Erika Rautenberg, Bärbel Springer (bis<br />

TOP 10)<br />

Tagesordnung:<br />

1. Begrüßung<br />

2. Wahl einer Versammlungsleiterin/Versammlungsleiter<br />

3. Wahl einer Protokollführerin/Protokollführer<br />

4. Genehmigung der Tagesordnung<br />

5. Genehmigung des letzten Protokolls<br />

6. Berichte aus dem Landesvorstand<br />

a. Vorstandsarbeit<br />

b. Kassenbericht<br />

c. Kassenprüfungsbericht<br />

d. Aussprache<br />

7. Entlastung des Vorstandes<br />

8. Neuwahl einer Beisitzern/Beisitzer<br />

9. Berichte von der Bundesebene<br />

a. Erweiterter Bundesvorstand<br />

b. Geschäftsführender Vorstand<br />

c. Aussprache<br />

10. Berichte aus<br />

a. den Bezirksverbänden<br />

b. der Bundes- und Landestarifkommissionen<br />

c. der Bundesausbildungskommission<br />

d. dem Landesfrauenrat<br />

e. Aussprache<br />

11. Evtl. Anträge an die Landes<strong>mit</strong>gliederversammlung<br />

12. Haushaltsdebatte 2009 und Haushaltsplanentwurf 2010<br />

13. Verschiedenes / Aktuelle Themen<br />

<strong>DBSH</strong>-Landesrundbrief <strong>Niedersachsen</strong>/Hamburg/Bremen/Schleswig-Holstein 01/10 Seite 21


Landesverband <strong>Niedersachsen</strong> www.dbsh-niedersachsen.de<br />

TOP 1: Begrüßung<br />

Der Landesvorsitzende, Frank Mattioli-Danker begrüßt alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer und stellt die ordnungsgemäße Einladung und die Beschlussfähigkeit<br />

fest.<br />

TOP 2 + 3: Wahl einer Versammlungsleiterin/Versammlungsleiter und Protokollantin/Protokollant<br />

Claudia Brörmann wird als Versammlungsleiterin und Frank Mattioli-Danker als Protokollant einstimmig gewählt.<br />

TOP 4: Genehmigung der Tagesordnung<br />

Die obige Tagesordnung wird einstimmig <strong>mit</strong> folgenden Ergänzungen genehmigt:<br />

TOP 8: Wahl der Kassenprüferin/Kassenprüfer<br />

TOP 11: Verabschiedung der neuen Landesordnung<br />

TOP 5: Genehmigung des letzten Protokolls<br />

Das Protokoll der Landes<strong>mit</strong>gliederversammlung 2008 wurde auf der Homepage des Landesverbandes und zusammengefasst im Landesrundbrief 03/08<br />

veröffentlicht und wird <strong>mit</strong> 8 Ja-Stimmen und einer Enthaltung genehmigt.<br />

TOP 6: Berichte aus dem Landesvorstand<br />

a) Vorstandsarbeit<br />

Frank Mattioli-Danker berichtet über die Inhalte der Vorstandssitzungen in 2009. Das neue Layout der Landesrundbriefe ist sehr oft gelobt worden und die<br />

inhaltlichen Themen wurden positiv gewürdigt. Die Honorarzahlung für die Erstellung von Artikeln im Landesrundbrief hat auch dazu beigetragen, dass der<br />

Umfang des Heftes quantitativ gewachsen ist.<br />

Die neue Landesordnung wurde erarbeitet, da diese aufgrund der neuen Bundessatzung notwendig wurde. Die Öffentlichkeitsarbeit an den Hochschulen<br />

hat sich intensiviert und gehört zum festen Bestandteil der Vorstandsarbeit. Ebenso wurde die Vertretung in der Landesarmutskonferenz regelmäßig wahrgenommen.<br />

Durch die Bemühungen von Karl-Heinz Rieke hat der Landesverband jetzt auch Stimmrecht im Landeshauptvorstand des dbb Niedersachen.<br />

b) Kassenbericht<br />

Harald Martens stellt den Abschluss 2008 vor und berichtet, dass die Planung für 2008 eingehalten wurde.<br />

c) Kassenprüfung<br />

Elke Bindbeutel und Erika Rautenberg berichten als Kassenprüferinnen von der Kassenprüfung 2008, die sie in 2009 stichprobenweise durchführten. Sie<br />

empfehlen der LMV die Entlastung des Vorstandes zu beschließen.<br />

TOP 7: Entlastung des Vorstandes<br />

Einstimmig wird dem Vorstand Entlastung für 2008 erteilt.<br />

TOP 8: Neuwahl einer Beisitzern/Beisitzer / Wahl der Kassenprüfer<br />

Nach einer kurzen Vorstellung wird Petra Hartleben-Baildon einstimmig als weitere Beisitzerin im Landesvorstand gewählt.<br />

Ebenfalls werden Elke Bindbeutel und Erika Rautenberg einstimmig als Kassenprüferinnen gewählt.<br />

TOP 9: Berichte von der Bundesebene<br />

a) Erweiterter Bundesvorstand<br />

Claudia Brörmann berichtet über die Themen der erweiterten Bundesvorstandssitzungen (EBV). Die neuen Ordnungen, die durch die neue Satzung notwendig<br />

wurden, waren ein wesentlicher Bestandteil der Sitzung.<br />

Erfreulicherweise gibt es auf der Bundesebene einen Mitgliederzuwachs, der auch in <strong>Niedersachsen</strong> zu verzeichnen ist.<br />

Informationen über die Tarifverhandlungen und die neuen Eingruppierungen in den S-Klassen sind ebenfalls Bestandteil der EBV-Sitzung gewesen.<br />

In der nächsten Sitzung Ende November 2009 soll eine neue Ehrenordnung verabschiedet werden und ein Datenschutzbeauftragter soll gewählt werden.<br />

Die Landes<strong>mit</strong>gliederversammlung empfiehlt, dass eine externe Suche für diese Position favorisiert werden soll und auch der Nachweis der Qualifikationen<br />

der Bewerber eingefordert werden sollte.<br />

Ferner wird über die Funktionsträgerschulungen, dem Geschäftsbericht aus 2008 von der Bundesebene, dem Berufskongress in Köln, die durchgeführten<br />

Streiks und die erschienen Schlüsselkompetenz berichtet.<br />

b) Geschäftsführender Vorstand<br />

Frank Mattioli-Danker berichtet zusätzlich noch über die personellen Veränderungen auf der Bundesebene. Frau Redemann ist die neue Verwaltungskraft in<br />

der Geschäftsstelle in Berlin und evtl. wird Volker Schneider nach seinem Bundestagsmandat zurückkehren.<br />

TOP 10: Berichte aus<br />

a) den Bezirksverbänden<br />

Frank Mattioli-Danker berichtet, dass grundsätzlich kaum noch Bezirksverbände aktiv sind. Eine Unterstützung vom Landesvorstand soll für einen neuen<br />

Aufbau ermöglicht werden.<br />

b) der Bundes- und Landestarifkommissionen<br />

Harald Martens berichtet von der Beteiligung der LTK an der Maikundgebung in Hannover. Außerdem hat sich die LTK auf zwei Mitglieder reduziert, die<br />

aber beide beim dbb Gewerkschaftstag waren. Wesentliche Themen waren im letzten Jahr die Umwandlung der Verträge vom BAT zum TvöD und die<br />

neuen S-Eingruppierungen.<br />

c) der Bundesausbildungskommission<br />

Frank Mattioli-Danker berichtet, dass die Treffen zukünftig immer am Rande der BMV sein sollen, da man so Fahrkosten spart und auch eine größere<br />

Teilnahme an der BMV ermöglichen kann.<br />

Die Gutachtertätigkeit bei Akkreditierungsverfahren hat zugenommen und so<strong>mit</strong> kann der <strong>DBSH</strong> an den Hochschulen mehr Einfluss nehmen.<br />

d) dem Landesfrauenrat<br />

Claudia Brörmann berichtet von den Aktivitäten des Landesfrauenrates bezüglich des Betreuungsgeldes, Vorsorgeuntersuchungen, psycho-soziale Anforderungen<br />

im TvöD und Frauengeschichte.<br />

TOP 11: Verabschiedung der neuen Landesordnung<br />

Frank Mattioli-Danker legt die empfohlene Landesordnung für <strong>Niedersachsen</strong> und erläutert die einzelnen Positionen. Die Ordnung wird <strong>mit</strong> 7 Ja-Stimmen<br />

und 2 Enthaltungen angenommen.<br />

TOP 12: Haushaltsdebatte 2009 und Haushaltsplanentwurf 2010<br />

Harald Martens stellt den derzeitigen Haushalt 2009 und den Entwurf für 2010 vor und erläutert die einzelnen Positionen.<br />

Der Haushaltsplan für 2010 wird einstimmig angenommen und so<strong>mit</strong> Grundlage für die weitere <strong>Arbeit</strong> des Landesverbandes.<br />

TOP 13: Verschiedenes / Aktuelle Themen<br />

Um 14.30 Uhr wird die Sitzung <strong>mit</strong> Dank an alle Teilnehmer von Frank Mattioli-Danker beendet.<br />

gez. Frank Mattioli-Danker gez. Claudia Brörmann<br />

Protokollant stellv. Landesvorsitzende<br />

Seite 22 <strong>DBSH</strong>-Landesrundbrief <strong>Niedersachsen</strong>/Hamburg/Bremen/Schleswig-Holstein 01/10


© Katrin Linke - Fotolia.com<br />

Meine Praxisstelle 1 , das Kinderhuis Durbanville<br />

(Afrikaans für Children´s Home) liegt in einem<br />

Vorort von Kapstadt, in dem in der einen Hälfte<br />

ausschließlich schwarze und in der anderen fast<br />

nur weiße SüdafrikanerInnen leben. Das weitläufige<br />

Heimgelände ist von einem zwei Meter hohen<br />

Eisengitter umzäunt und über zwei Tore betretbar,<br />

die per Kamera von der Rezeption aus überwacht<br />

und nur von dort aus geöffnet werden können.<br />

Diese Sicherheitsvorkehrungen werden <strong>mit</strong> der<br />

hohen Kriminalitätsrate Südafrikas begründet und<br />

sind nichts Ungewöhnliches: viele der<br />

Einfamilienhäuser in den überwiegend von Weißen<br />

bewohnten Vierteln sind derartig gesichert.<br />

Einige Kilometer entfernt von Durbanville beginnt<br />

Khayelitsha, das Township, in dem die meisten der<br />

im Children´s Home tätigen Coloureds 2 und<br />

Schwarzen wohnen. Während das Management<br />

des Heims sowie die Stellen der Sozialarbeiterinnen<br />

<strong>mit</strong> weißen SüdafrikanerInnen besetzt sind,<br />

besteht das gemischtgeschlechtliche Team der<br />

direkt <strong>mit</strong> den Kindern und Jugendlichen<br />

arbeitenden Childcareworker überwiegend aus<br />

Coloureds. Die Reinigungskräfte und das<br />

Küchenpersonal sind ausschließlich schwarze<br />

Frauen.<br />

Es scheint, als würde die Trennung nach<br />

Hautfarben gegenwärtig nicht mehr durch<br />

Gesetze sondern durch Geld- und<br />

Bildungsbarrieren legitimiert.<br />

Das Children´s Home feierte im Jahr 2008 sein<br />

125jähriges Bestehen. Auf den im Jahresbericht<br />

abgebildeten Photos sind bis zu den Ende der<br />

1990er Jahre aufgenommenen Bildern nur weiße<br />

Kinder zu sehen, Gründe für diese einseitige<br />

Zusammensetzung der Kinder werden nicht<br />

genannt (vgl. Annual Report 2007/08).<br />

Die aus dieser Beobachtung resultierende<br />

Vermutung einer Ausgrenzung von nicht-weißen<br />

Kindern, wurde inoffiziell durch die Childcareworker<br />

3 bestätigt: Das Children´s Home war bis<br />

1996 ausschließlich für weiße Kinder und<br />

Jugendliche geöffnet.<br />

1 Im Rahmen des Projektpraktikums des Studiengangs<br />

<strong>Soziale</strong> <strong>Arbeit</strong><br />

2 Der in Südafrika gängige, englische Begriff „Coloureds“<br />

wird verwendet, da der deutsche Ausdruck „Farbige“ nicht<br />

die gleiche Bedeutung hat und als rassistisch empfunden<br />

wird.<br />

3 Da die Berufsbezeichnung Childcareworker aufgrund der<br />

fehlenden pädagogischen Ausbildung nicht <strong>mit</strong> dem der<br />

Erzieherin gleichzusetzen ist, wird der englische Begriff<br />

verwendet.<br />

Eine Aufarbeitung oder Stellungnahme zu<br />

diesem Kapitel der Einrichtungsgeschichte<br />

konnte ich nicht finden.<br />

Heutzutage sind in jedem der zehn Häuser<br />

auf dem Gelände 12-16 Kinder und Jugendliche<br />

im Alter von 2-18 Jahren untergebracht.<br />

Die allen BewohnerInnen gemeinsame<br />

Sprache ist Englisch. Während<br />

die Sozialarbeiterinnen in der Regel auf<br />

Afrikaans kommunizieren, beherrschen die<br />

Childcareworker und die schwarzen und<br />

coloured Jugendlichen zumeist mindestens<br />

eine Stammessprache wie z.B. Xhosa. Die<br />

Betreuung wird in jedem Haus im Schichtdienst<br />

durch zwei Childcareworker geleistet,<br />

die <strong>mit</strong> jeweils einer/einem internationalen<br />

VolontärIn zusammen arbeiten.<br />

Zudem ist für jede/n HeimbewohnerIn eine<br />

externe Sozialarbeiterin im Jugendamt und<br />

eine interne Sozialarbeiterin als Bezugsbetreuerin<br />

im Children´s Home, zuständig.<br />

Ein Blick auf die Apartheidsgeschichte 4<br />

verdeutlicht, welche Erfahrungen alle<br />

südafrikanischen MitarbeiterInnen der<br />

Einrichtung gemeinsam haben. Der Konflikt<br />

durch die Trennung der Bevölkerung<br />

nach Hautfarben reicht bis in die Anfänge<br />

der Kolonialisierung Südafrikas im 18.<br />

Jahrhundert zurück. Zum Höhepunkt der<br />

Unterdrückung der nicht-weißen Bevölkerung<br />

kam es durch den Wahlsieg der Na-<br />

tional Party 1948 und durch die während<br />

der darauf folgenden vier Jahrzehnte<br />

erlassenen, die Schwarzen und Coloureds<br />

massiv diskriminierenden Gesetze. In der<br />

Apartheid standen die schwarzen Menschen,<br />

die <strong>mit</strong> 70% die größte Bevölkerungsgruppe<br />

waren und sind, ganz unten<br />

in der Hierarchie. Je heller die Hautfarbe<br />

als desto wertvoller wurde der Mensch<br />

betrachtet. Diese Haltung hatten zahlreiche<br />

Jugendliche des Children´s Home offenbar<br />

internalisiert: viele von ihnen legten Wert<br />

darauf, dass sie Coloureds seien und nicht<br />

schwarz.<br />

Das Ende des rassistischen Machtsystems<br />

wurde maßgeblich durch den<br />

Widerstand des unter der National Party<br />

verbotenen African National Congress<br />

(ANC) bewirkt.<br />

4 Apartheid ist ein Ausdruck aus der Burensprache<br />

Afrikaans und bedeutet „Trennung“.<br />

Der Blick über den Tellerrand…<br />

SÜDAFRIKA<br />

Spuren der Apartheid im Alltag einer Heimeinrichtung<br />

<strong>Soziale</strong> <strong>Arbeit</strong> wird un<strong>mit</strong>telbar durch die Politik des Landes beeinflusst, in dem<br />

sie praktiziert wird. Dementsprechend reizvoll ist es, einen Teil Realität der <strong>Soziale</strong>n<br />

<strong>Arbeit</strong> in der südafrikanischen Gesellschaft, die grundlegend von politischen<br />

Umbrüchen geprägt wurde, als Praktikantin vor Ort <strong>mit</strong>zubekommen.<br />

Dieser erreichte, <strong>mit</strong> großen persönlichen Opfern,<br />

schließlich eine internationale Solidarität,<br />

die eine Isolierung der südafrikanischen Regierung<br />

durch zahlreiche Länder bewirkte. Anfang<br />

der 1990er Jahre führte dieser Druck zur Zulassung<br />

des ANC als legale Partei und zur Einführung<br />

einer demokratischen Regierungsform<br />

(vgl. Marx 2004: 325). Nelson Mandela wurde<br />

1994 der erste schwarze Präsident Südafrikas.<br />

Deutlich wurde der uneingeschränkte Respekt,<br />

der ihm von der schwarzen und coloured Bevölkerung<br />

entgegen gebracht wird.<br />

So sprachen die Kinder des Heims liebevoll von<br />

„Madiba“ (Mandelas Stammesname) und die Erwachsenen<br />

äußerten die Befürchtung, dass nach<br />

Mandelas Tod eine bedeutsame Orientierung<br />

verloren gehen wird, da er ausnahmslos geachtet<br />

würde und dadurch immer wieder konstruktiv<br />

eingreifen könne. Den auf Mandela folgenden<br />

Präsidenten werde hingegen eine Tabuisierung der<br />

HIV/AIDS-Problematik und eine von persönlichen<br />

Interessen gesteuerte Regierungsweise vorgeworfen.<br />

Die Verdrängung der Krankheit, <strong>mit</strong> der in<br />

Südafrika in einzelnen Regionen bis zu 28% der<br />

Bevölkerung infiziert sind (vgl. WHO 2008), war<br />

auch im Heimalltag spürbar.<br />

AIDS war kein Gesprächsthema, über die Anzahl<br />

der infizierten Kinder kursierten nur in Zweiergesprächen<br />

Gerüchte, die sich zwischen der Annahme,<br />

dass niemand infiziert sei und der Angabe von<br />

5 infizierten Kindern bewegten.<br />

Gründe für die stationäre Unterbringung der Kinder<br />

und Jugendlichen sind nahezu ausschließlich<br />

sexueller Missbrauch sowie Suchtkrankheiten der<br />

Eltern. In der Regel haben die BewohnerInnen<br />

lebende Eltern zu denen Kontakt gehalten wird, da<br />

die Rückführung in die Herkunftsfamilie ein gewünschtes<br />

Ziel ist. Die Besuchsregelungen sind<br />

deutlich freier geregelt als z.B. in der Jugendwohngruppe,<br />

in der ich in der BRD als Erzieherin tätig<br />

bin: Viele der BewohnerInnen fuhren jedes Wochenende<br />

alleine nach Hause, auch, wenn sie<br />

zuvor aufgrund von Missbrauch oder Gewalt aus<br />

der Familie genommen worden sind.<br />

Erfahrungsräume außerhalb des Heimes existieren<br />

für die Jugendlichen nur durch ihren Schulbesuch<br />

und im Rahmen ihrer Besuche zu Hause. Mit der<br />

Sicherheitslage begründet wird ihnen das Verlassen<br />

des Heimgeländes ansonsten verboten. Eine<br />

individuelle Freizeitgestaltung, beispielsweise durch<br />

den Besuch eines Sportvereins, ist den Bewohner-<br />

Innen des Heimes infolgedessen unbekannt.<br />

<strong>DBSH</strong>-Landesrundbrief <strong>Niedersachsen</strong>/Hamburg/Bremen/Schleswig-Holstein 01/10 Seite 23


Der Blick über den Tellerrand…<br />

Die der Heimarbeit zugrunde liegenden<br />

südafrikanischen Rechtsvorschriften beruhen auf<br />

dem Child´s Act. Dieser ist die seit 1997<br />

verfassungsrechtlich garantierte Grundlage aller<br />

südafrikanischen Einrichtungen der Jugendhilfe, in<br />

der unter anderem das Recht des Kindes auf eine<br />

gewaltfreie Erziehung ausgedrückt wird (vgl.<br />

Constitutional Court of South Africa 2009 ). Rechte<br />

für alle Minderjährigen, unabhängig von ihrer<br />

Hautfarbe, sind in Südafrika eine sehr junge<br />

Errungenschaft, und, wie auch die <strong>Arbeit</strong>nehmerrechte,<br />

erst seit dem Ende der Apartheid eine<br />

staatliche Aufgabe.<br />

Meinen Informationen zufolge sind die Definition<br />

des Kindeswohls, das staatliche Wächteramt, die<br />

Inobhutnahme sowie die einzuhaltenden Fristen bis<br />

zum richterlichen Beschluss ähnlich wie in der BRD<br />

geregelt. Differenzen zwischen den deutschen und<br />

den südafrikanischen Regelungen schlagen sich<br />

vornehmlich in der Finanzierung und in der<br />

Nachbetreuung der Jugendlichen, sowie in der<br />

Rolle der im Heim tätigen Sozialarbeiterinnen<br />

nieder.<br />

So erhält das Heim laut der Social Work Managerin<br />

nur für die behinderten Kinder einen Zuschuss,<br />

sowie einen geringen Beitrag für die BewohnerInnen,<br />

die regelmäßig die Schule besuchen. Hier<br />

entsteht häufig ein Problem, denn der Schulbesuch<br />

ist in Südafrika sehr teuer und da die Schulen für<br />

Heimkinder kein Geld verlangen dürfen, gestaltet<br />

sich die Schulplatzsuche entsprechend schwierig.<br />

Den Anspruch auf eine finanzielle Unterstützung<br />

nach dem Verlassen der Einrichtung haben die<br />

Jugendlichen nur, wenn sie eine <strong>Arbeit</strong>sstelle<br />

vorweisen können. Eine Zuständigkeit für die<br />

Jugendlichen nach ihrer Volljährigkeit ist nicht<br />

vorgesehen. Die Konsequenz aus diesen<br />

Regelungen ist, dass viele ehemalige<br />

HeimbewohnerInnen direkt nach ihrem 18.<br />

Geburtstag in die Familie zurückkehren müssen,<br />

die sie einst aufgrund einer massiven<br />

Kindeswohlgefährdung verlassen haben.<br />

Eine große Differenz zu stationären Jugendhilfeeinrichtungen<br />

in der BRD besteht darin, dass die<br />

zuständigen Sozialarbeiterinnen des Children´s<br />

Home nicht im Gruppendienst tätig sind, und ihre<br />

KlientInnen so<strong>mit</strong> nur zu den verabredeten Einzel-<br />

oder Hilfeplangesprächen sehen. Aus meiner<br />

Hospitation bei mehreren Hilfeplangesprächen,<br />

dem Austausch <strong>mit</strong> der Social Work Managerin und<br />

aus den Inhalten des Studiums schloss ich, dass<br />

die südafrikanische <strong>Soziale</strong> <strong>Arbeit</strong> in der Theorie<br />

auf einem sehr hohen Standard ist. Gleichzeitig<br />

waren im Alltagsgeschehen des Heims der Einsatz<br />

von entwürdigenden Strafen wie die Kinder <strong>mit</strong> dem<br />

Gesicht zur Wand unter dem Tisch auf dem Boden<br />

sitzen lassen oder sie eine halbe Stunde auf einem<br />

Bein stehen lassen zu beobachten. Angesichts<br />

solcher Praktiken, die sich nicht <strong>mit</strong> kulturellen<br />

Unterschieden rechtfertigen lassen, drängt sich die<br />

Frage auf, wieso das offensichtliche pädagogische<br />

Fachwissen der Sozialarbeiterinnen nicht im<br />

Alltagsgeschehen zwischen den BetreuerInnen und<br />

den BewohnerInnen ankommt und umgesetzt wird.<br />

Eine mögliche Antwort liefern die den<br />

BetreuerInnen zugeschriebene Rolle sowie<br />

ihre <strong>Arbeit</strong>sbedingungen. Im Rahmen<br />

eines leitfadengestützten Interviews befragte<br />

ich eine der Childcareworker (M.)<br />

nach ihrer Biographie, ihren Erfahrungen<br />

<strong>mit</strong> der Apartheid sowie ihren <strong>Arbeit</strong>sbedingungen.<br />

Besonders ausführlich antwortete<br />

M. auf die Fragen nach ihren <strong>Arbeit</strong>sbedingungen<br />

und dem südafrikanischen<br />

Sozialsystem. Sie schilderte ihre langen<br />

<strong>Arbeit</strong>szeiten von 6.00 bis 22.00 Uhr bei<br />

einer 5 Tage-Woche, die fehlende Pausenregelung<br />

und die daraus resultierende<br />

ständige Übermüdung. Ihr Urlaub würde<br />

vom Management zugeteilt werden. Aufgrund<br />

von Krankheit nicht zur <strong>Arbeit</strong> zu<br />

kommen sei unüblich. Einen Betriebsrat<br />

oder eine andere Form der Selbstorganisation<br />

der Childcareworker gäbe es nicht.<br />

Keine/r der Childcareworker habe eine<br />

mehrjährige pädagogische Ausbildung.<br />

Einigen sei eine mehrmonatige pädagogische<br />

Weiterbildung finanziert worden,<br />

diese sei aber keine Einstellungsbedingung.<br />

Ihr monatliches Gehalt gab M. <strong>mit</strong><br />

3500 Rand an, das entsprach im September<br />

2008 etwa 330 Euro. Die Sozialarbeiterinnen,<br />

deren <strong>Arbeit</strong>szeiten von Montag bis<br />

Freitag von 9.00-16.00 Uhr gingen, erhielten<br />

nach ihrer Angabe etwa 12.000 Rand<br />

(ca. 1100 Euro). Bezüglich ihrer Absicherungen<br />

erzählte sie, dass die<br />

Childcareworker knapp über der Einkommensgrenze<br />

von 2000 Rand liegen, unter<br />

der sie Kindergeld erhalten würden. Sie<br />

sei, wie alle übrigen Childcareworker auch,<br />

nicht krankenversichert. Von ihrem Lohn<br />

müsse sie ihre zwei Söhne im Kleinkindalter<br />

sowie ihren arbeitslosen Mann<br />

<strong>mit</strong>ernähren.<br />

Eine weitere Frage war, wie sie, die ich nur<br />

in ihrer Stammessprache Xhosa oder auf<br />

Englisch sprechen hörte, <strong>mit</strong> den stets<br />

Afrikaans sprechenden Sozialarbeiterinnen<br />

kommuniziere. M. erzählte, dass das<br />

Vorstellungsgespräch im Children´s Home<br />

von den Sozialarbeiterinnen auf Afrikaans<br />

geführt worden sei, was sich für sie, die vor<br />

ihrer Tätigkeit in der Einrichtung kaum<br />

Afrikaans konnte, entsprechend schwierig<br />

gestaltete.<br />

Auf die Frage, ob sie Kritikpunkte an der<br />

Einrichtung hätte, erwiderte sie, dass sie<br />

diese Frage nicht beantworten wolle, da<br />

sie Angst um ihre <strong>Arbeit</strong>sstelle habe. Auf<br />

die abschließende Frage, ob sie noch<br />

etwas hinzufügen wolle, sagte M., dass<br />

sie, die Childcareworker, nichts Negatives<br />

äußern können, da sie auf ihre <strong>Arbeit</strong><br />

angewiesen sind. Die Volontäre könnten<br />

das aber, auf sie würde das Management<br />

hören, weil sie von außen kämen und<br />

meistens Weiße seien. Die Tatsache, dass<br />

M. keine direkte Kritik an ihrer Situation als<br />

Angestellte äußerte, sondern in der reinen<br />

Beschreibung ihrer <strong>Arbeit</strong>sbedingungen blieb,<br />

interpretiere ich als Widerspiegelung der Einrichtungsstrukturen,<br />

in denen die Childcareworker am<br />

unteren Ende der Erwachsenenhierarchie stehen.<br />

Diese Struktur spiegelt sich sowohl in der geringen<br />

Entlohnung als auch in der Haltung der Sozialarbeiterinnen<br />

beim Vorstellungsgespräch wider, in<br />

dessen Rahmen nicht auf die gemeinsame Sprache<br />

Englisch zurückgegriffen, sondern die Sprache der<br />

Vorgesetzten vorausgesetzt wurde. Meine Interpretation<br />

ihrer Beschreibung des <strong>Arbeit</strong>salltags geht<br />

dahin, dass die <strong>Arbeit</strong>sbedingungen der<br />

Childcareworker aufgrund der fehlenden Erholungsphasen<br />

und der geringen Wertschätzung in<br />

hohem Maße belastend sind. Eine mögliche<br />

Schlussfolgerung ist, dass diese Form der strukturellen<br />

Gewalt einen Einfluss auf die Erziehungspraktiken<br />

in den Häusern hat, in der Form, dass<br />

die Childcareworker den autoritären Führungsstil,<br />

den sie in der Beziehung zu ihren Vorgesetzten<br />

erfahren, an die Kinder weitergeben.<br />

Die BRD und Südafrika lassen sich aufgrund ihrer<br />

sehr verschiedenen geschichtlichen Verläufe in den<br />

letzten Jahrzehnten und der unterschiedlichen<br />

wirtschaftlichen Situation nicht vergleichen. Viele<br />

der in der südafrikanischen Heimeinrichtung beobachteten<br />

strukturellen Gegebenheiten können<br />

jedoch beim ehrlichen Hingucken in abgeschwächter<br />

Form auch im Heimbereich der BRD wieder<br />

gefunden werden. Folglich lässt sich die Kritik an<br />

den Strukturen des Children´s Home bis zu einer<br />

kritischen Reflexion meiner eigenen <strong>Arbeit</strong> in einer<br />

Bremer Heimeinrichtung herunter brechen. Die<br />

Auseinandersetzung <strong>mit</strong> den in der südafrikanischen<br />

Praxisstelle beobachteten Mustern stellte<br />

so<strong>mit</strong> einen wertvollen Anstoß für die Reflexion<br />

meiner eigenen Rolle als Fachkraft in einer Institution<br />

dar.<br />

In mehreren Gesprächen zeigten sich<br />

Childcareworker sehr interessiert an den <strong>Arbeit</strong>sbedingungen<br />

im Heimbereich der BRD. Aktuell wird<br />

die <strong>Arbeit</strong> der Childcareworker durch Volontäre,<br />

überwiegend aus Europa, unterstützt. Diese, in der<br />

Regel unausgebildeten, Freiwilligen arbeiten <strong>mit</strong><br />

den südafrikanischen BetreuerInnen gleichgestellt<br />

zusammen. Es stellt sich die Frage, ob für die<br />

Childcareworker selber nicht ein internationaler<br />

Fachkräfteaustausch <strong>mit</strong> SozialarbeiterInnen und<br />

Erzieherinnen aus stationären Jugendhilfeeinrichtungen<br />

anderer Länder bereichernder wäre. Im<br />

Rahmen eines solchen Austausches würden sie als<br />

ExpertInnen für ihre <strong>Arbeit</strong> gewürdigt und könnten<br />

sich im Dialog <strong>mit</strong> Fachkräften fortbilden. Gerade in<br />

Anbetracht der jahrzehntelangen Isolierung Südafrikas<br />

durch die Apartheid, könnte es eine Stärkung<br />

der Childcareworker sein, Professionellen der<br />

internationalen Jugendhilfe zu begegnen und <strong>mit</strong>-<br />

und voneinander zu lernen.<br />

Autorin: Friederike Lorenz<br />

Kontakt florenz@web.de<br />

Literatur<br />

Children´s Home Durbanville (Hrsg.): Annual report 2007/8- 125 years of<br />

care, Broschüre (ohne AutorInnen)<br />

Homepage des Constitutional Court of South Africa (Hrsg.): Sub-Menu-your<br />

rights;URL:http://www.constitutionalcourt.org.za/site/yourrights/knowyourright<br />

s-childrensrights.htm, Stand: 01.06.2009<br />

Marx, Christoph (Hrsg.): Geschichte Afrikas- von 1800 bis zur Gegenwart.<br />

UTB Ferdinand Schöningh, Paderborn 2004<br />

UNAIDS (Hrsg.): 2008 Report on the global AIDS epidemic, July 2008<br />

Seite 24 <strong>DBSH</strong>-Landesrundbrief <strong>Niedersachsen</strong>/Hamburg/Bremen/Schleswig-Holstein 01/10


www.dbsh-bremen.de Landesverband Bremen<br />

Gerechtigkeit<br />

Verdienst und Verdienen <strong>Soziale</strong>r <strong>Arbeit</strong> - viele Fragezeichen, eine Antwort ● Michael Böwer<br />

Wenn wir aktuell auf die Tarifverhandlungen, den 2009 erzielten<br />

Tarifkompromiss <strong>mit</strong> den öffentlichen <strong>Arbeit</strong>gebern und auf das schauen,<br />

was in unseren Händen davon bleibt – wenn wir sehen, wie viele von uns<br />

Fachkräften längst weit unterhalb Tarif bezahlt werden – wenn wir sehen,<br />

dass es unserer Politik immer nur auf neue Forderungen an die ‚Draußen‘<br />

und den ach so lähmenden Sozialstaat anzukommen scheint – wenn wir es<br />

hören und schon nicht mehr hören können: Die „Effektivität“ der Kinder- und<br />

Jugendhilfe soll überprüft, individuelle ‚Bildungsprämien‘ sollen vergeben,<br />

Hochbegabte besser gefördert werden (so der schwarzgelbe<br />

Koalitionsvertrag) - und vor (je)der Wahl hieß es noch, man wolle sich<br />

gegen Kinderarmut engagieren, für mehr Personal in Jugendämtern sein<br />

und, ja, es brauche eine bessere Bildungsausstattung! Ach ja, stimmt – da<br />

war doch mal so eine Pisa-Studie… Na gut, die Besserverdienenden<br />

spüren es schon jetzt, die Familien haben ‚satte‘ 20 Euro mehr Kindergeld<br />

(aber Hartz IV-`ler lange noch nicht) und Steuersenkungen 201x werden<br />

„den Steuerbürger“ sicher dann erst recht entlasten - alles dass wird zu<br />

mehr, so heißt es doch tatsächlich, Gerechtigkeit führen!<br />

Und wir in der <strong>Soziale</strong>n <strong>Arbeit</strong>? Einige von uns 3oo.ooo SozialberuflerInnen<br />

bundesweit haben sich an den Streiks für bessere Bezahlung<br />

beteiligt. Den ErzieherInnen sei Dank, dass es überhaupt zu einigen Euro<br />

mehr gekommen ist; für manche! Zu den ‚Gewinnern‘ zählen die bislang<br />

ungleich Bezahlten in den Kitas - und die, die in den Jugendämtern<br />

Entscheidungen in Kindeswohlbelangen fällen, werden demnächst (zu<br />

Recht, keine Frage) höher entlohnt, als bisher. Aber sind 2,5 olivgrüne<br />

Scheine mehr genug? Und, mehr noch: Wie ist es <strong>mit</strong> den Kolleginnen und<br />

Kollegen ‚da draußen‘– z.B. in der ambulanten Erziehungshilfe, die selbst in<br />

Garantenpflichten eingebunden sind und die ihren Kopf genauso hinhalten<br />

müssen, wenn, wie zuletzt in Hamburg, ein Kind in ihrer, unserer Obhut zu<br />

Tode kommt? Wie ist es <strong>mit</strong> unseren Kollegen im Pflegekinderdienst, in der<br />

Jugendsozialarbeit, im stationären Bereich, in der Beratungsstelle, im<br />

Streetwork? Wird <strong>Soziale</strong> <strong>Arbeit</strong> als Ganze adäquat bezahlt? Lassen wir<br />

uns - ähnlich wie Lokführerinnen und Zugbegleiter, Pilotinnen und Stewards<br />

- aufteilen, in die, die den Zug zu lenken (bzw. den Fall zu ‚casemanagen‘)<br />

und für die, wie es in derzeit Berlin die Runde macht, leider allzu hohen<br />

„Fallstückkosten“ einzustehen haben und in die, die für die ‚basisbezogene<br />

Dienstleistung‘ verantwortlich sind, d.h. die, die die „Fallstücke“ betreuen!<br />

Nein, uns selbst wird man ein gewolltes ‚Oben/Unten‘ nicht unterstellen<br />

können, oder? Wer hier <strong>mit</strong> dem Kopf schüttelt, sei direkt gefragt: Wie ist<br />

die eigene Bereitschaft, für unsere Anliegen auf die Straße zu gehen? Als<br />

Angehörige/r einer Berufsgruppe und nicht nur als Mitarbeiter jener<br />

Einrichtung, die als nächste vom Rotstift bedroht ist? Wo ist unsere eigene<br />

Solidarität <strong>mit</strong> uns selbst? Ist das schon Egoismus oder kann vielleicht nur<br />

der, der sicheren Boden unter den Füßen hat, anderen auf denselben<br />

helfen?<br />

Jedoch, welche Sicherheit brauchen wir, welchem neuen ‚Hype‘ sind wir<br />

willig auf der Spur? Wollen auch wir auf jedem Bahnhof Polizei <strong>mit</strong> MP im<br />

Anschlag und in jeder Schule einen amoklaufpräventiven Sozialarbeiter?<br />

Was ist unsere Vision? Eine Aufwertung für uns alle?<br />

Mehr Tarifentlohnung in der <strong>Soziale</strong>n <strong>Arbeit</strong>? Keine Mini-Jobs mehr und<br />

keine entgeltfreien Praxissemester? Festverträge und Studieren für alle -<br />

und keine Dumpinglohnträger mehr, die für 20 Euro die Stunde ohne Urlaubsanspruch<br />

beschäftigen? Oder Systeme, wie in NRW, die nach Streichung<br />

des Berufsanerkennungsjahres am Ende von nun drei Jahren Studium<br />

alle Neueinsteiger im ASD erst einmal steuerfinanziert in Coachings<br />

derselben Hochschule stecken, da ihnen, angeblich, Gesprächsführung und<br />

Grundlagen des KJHG beigebracht werden müssen?! Wo setzen wir an?<br />

Die Antwort ist einfach; so einfach, dass sie bedrohlich klingt: Bei uns<br />

selbst! Bei uns, wo man schlichtweg jedem Trend hinterher läuft, wo man<br />

zu allem ja und ‚yes, we can (it billiger)‘ ruft, wo auch gern umsonst gearbeitet<br />

wird, nur um Beratung anbieten zu können!<br />

Und doch: Was für eine Anforderung! Denn wer zu dogmatisch wird,<br />

dem ist schnell der Blick verstellt. Es geht wohl mehr um ein ‚Dazwischen‘!<br />

Wie sagten doch unlängst die Mit-Verlierer der einmal großen Volkspartei,<br />

Nahles und Gabriel, die nun Phönixen gleich, ihren ins Abseits geratenen<br />

Verein neu beflügeln sollen: Es gehe nicht nur ums ‚Führen‘, sondern auch<br />

ums ‚Sammeln‘. Ihr Ruf ist der nach mehr Dialog – jedoch: sie sind in einem<br />

System groß geworden, dass das ‚Sammeln‘ verlernte. Seien wir ehrlich:<br />

Wie sieht es bei uns selber aus? Haben wir an unseren (Hoch)Schulen, in<br />

unseren Trägern, in unserem Verband, unter unseren Anstellungsträgern<br />

Vorbilder, die uns stärken und die uns zeigen, wie man Bündnisse schafft?<br />

Oder sind medial-omnipräsente Kirchenchefinnen bzw. paritätische Ge-<br />

schäftsführer jene Leuchttürme, die wir mehr denn je brauchen? Oder<br />

geht’s doch ums ‚Dunkelfeld‘: Wie kann es sein, dass auch große Kirchen<br />

auf Zeitarbeit statt Festanstellung setzen? Dass es so sein darf, dass ein<br />

<strong>Arbeit</strong>geber, der wegen 1,30 Euro Pfandbons engagierte Mitarbeiterinnen<br />

vor die Tür setzt, die es zufällig zuvor wagten, zur Bildung eines Betriebsrats<br />

aufzurufen oder die (im Maultaschen-Fall) Gesicht zeigten in dienstanweisender<br />

Wegwerfgesellschaft. Da ist es gut, dass sich manche Eigenwerbung<br />

(„Lidl lohnt sich“) selbst entlarvt. Vielleicht aber sind ‚S-Bahn-Killer‘<br />

einfach ‚schöner‘, weil auflagensteigernd in Szene zu setzen, als das<br />

verdienstvolle Tun jener Fachkräfte in all ihrem Mühen und ihrer Begrenztheit<br />

anzuerkennen, die sie angeblich in ‚Kuschelpädagogik‘ einlullten (so<br />

die ‚Zeitung‘ <strong>mit</strong> den vier schlichten Buchstaben). Eben waren die Ackermänner<br />

noch Skandal, schon gibt es wieder Boni. Wann, liebe Leserinnen<br />

und Leser, entdecken wir unser ‚Supertalent‘ und machen ‚Competition‘ –<br />

schlicht für uns, für jene, für die wir arbeiten: Für die Gesellschaft?! Wir<br />

brauchen, so einfach ist es, Investitionen ins pädagogische Personal, nicht<br />

in Gehwegplatten auf dem Pausenhof. Hohes Ansehen, dass wir haben<br />

(siehe ‚Demoscope‘-Studie) muss sich lohnen, denn wer nicht zahlt, wer<br />

nicht ausstattet, wer nicht ausbaut: Der schadet der Gesellschaft! Das ist<br />

Un-Gerechtigkeit, die keine Gesellschaft sich wünschen wird!<br />

Der Autor: Michael Böwer<br />

Jg. 1972, verheiratet, ein Kind, ist Diplom-Sozialarbeiter/Sozialpädagoge<br />

und Diplom-Pädagoge. Nach rund zehn Jahren in der ambulanten Erziehungshilfe<br />

jetzt Promotionsstipendiat der Hans-Böckler-Stiftung und Doktorand<br />

an der Universität Hildesheim. Landesvorsitzender im <strong>DBSH</strong> Bremen.<br />

Kontakt: boewer@dbsh.de oder Web: www.dbsh-bremen.de<br />

<strong>DBSH</strong>-Landesrundbrief <strong>Niedersachsen</strong>/Hamburg/Bremen/Schleswig-Holstein 01/10 Seite 25


<strong>DBSH</strong> Bremen aktuell www.dbsh-bremen.de<br />

AnsprechpartnerInnen<br />

im <strong>DBSH</strong> Landesverband Bremen<br />

Landesvorstand<br />

1. Vorsitzender<br />

Michael Böwer<br />

Email: lv-bremen@dbsh.de bzw. boewer@dbsh.de<br />

Tel. 0421 - 2401350, Mobil: 0176 - 53513351<br />

Stv. Vorsitzende<br />

Simone Kröner<br />

E-Mail: kroener@dbsh.de<br />

Finanzreferent<br />

Clemens Gödeke<br />

E-Mail: goedeke@dbsh.de<br />

Weitere Vorstands<strong>mit</strong>glieder<br />

Christiane Schellong<br />

E-Mail: schellong@dbsh.de<br />

Helmut Kurth<br />

E-Mail: kurth@dbsh.de<br />

Holger Kühl<br />

E-Mail: kuehl@dbsh.de<br />

Ellen Gutschmidt (auch Bremer Frauenausschuss)<br />

E-Mail: gutschmidt@dbsh.de<br />

Gute Ideen für 2010:<br />

Wir begrüßen als neues<br />

Mitglied:<br />

Friederike Lorenz, Bremen<br />

Marie Seedorf, Bremen<br />

Anita Böwer, Stuhr<br />

Wir freuen uns auf das Gespräch <strong>mit</strong> Ihnen!<br />

In der Vorstandsklausur am 15.01.10 standen die fachlichen<br />

Schwerpunkte für uns im Jahr 2010 auf dem Programm.<br />

Zwei <strong>Arbeit</strong>sgruppen wurden gebildet, um Angebote<br />

unsererseits zum Feld Schulsozialarbeit und Schule<br />

sowie zu den Wegen selbstständiger Tätigkeit angesichts<br />

verschlechterter <strong>Arbeit</strong>sbedingungen zu prüfen und zu<br />

entwickeln. Ferner soll uns das Thema Tarif und Überleitung<br />

in die neue Gehaltsgruppen beschäftigen. Die Website<br />

wird auf Web 2.0 umgestellt – incl. RSS-Feed, <strong>mit</strong> dem<br />

neue Infos von uns direkt zu Ihnen kommen. Auch an eine<br />

uns anregende Aktivität ist gedacht. Sie als Mitglied sind<br />

herzlich eingeladen, sich bei uns einzubringen.<br />

Birgit Warnke, Bremen<br />

Thomas Lehneke, Bremen<br />

<strong>DBSH</strong> Bremen auf der Praxismesse:<br />

Foto: (c)Henry@flickr.com;<br />

Creative Commons 2.0 Lizenz<br />

vor Antritt der Fortbildung zu stellen.<br />

Zuschüsse zu<br />

Fortbildungen:<br />

Die <strong>Soziale</strong> <strong>Arbeit</strong> lebt von Fachkräften,<br />

die ihr professionelles<br />

Handeln immer neu an der Wirklichkeit<br />

und einer wissenschaftlich<br />

fundierten Basis ausrichten. Daher<br />

unterstützt der Landesverband<br />

Bremen seine Mitglieder bei Fortbildungen<br />

– <strong>mit</strong> einem Zuschuss<br />

von bis zu 50 Euro! Ein Antrag ist<br />

Verabschiedung und Wünsche:<br />

Am 02.12.09<br />

stellte sich der<br />

<strong>DBSH</strong> einem<br />

breiten Publikum<br />

auf der Praxismesse<br />

der Hochschule<br />

Bremen<br />

vor. Dem folgten<br />

zwei weitere<br />

Veranstaltungen<br />

dort: Angesichts<br />

des Bildungsstreiks<br />

stellten<br />

wir die Position<br />

den <strong>DBSH</strong> als<br />

Fachgewerkschaft<br />

vor und<br />

diskutierten <strong>mit</strong><br />

dem 7. Semester<br />

über Professionalität<br />

und Anforderungen<br />

an<br />

AbsolventInnen.<br />

Der Landesverband<br />

Bremen<br />

verabschiedete<br />

Anfang Dezember<br />

im Rahmen<br />

einer kleinen<br />

vorweihnachtlichen<br />

Feier ihre<br />

ehemaligen<br />

Vorstands<strong>mit</strong>glieder<br />

Herrn Siebers und Frau Klump, die lange Jahre<br />

im Vorstand tätig gewesen waren. In raumfüllender<br />

Runde saßen die Mitglieder bei Plätzchen und Stollen<br />

zusammen und hörten besinnliche Geschichten sowie<br />

Geschichten zum Schmunzeln, wurden auf einen Rückblick<br />

über das letzte Vierteljahrhundert <strong>DBSH</strong>-Bremen<br />

<strong>mit</strong>genommen und hielten ihre Wünsche für das <strong>DBSH</strong>-<br />

Jahr-Bremen auf Weihnachtskugeln fest.<br />

Seite 26 <strong>DBSH</strong>-Landesrundbrief <strong>Niedersachsen</strong>/Hamburg/Bremen/Schleswig-Holstein 01/10


Beitrittserklärung<br />

________________________________________________<br />

Familienname<br />

________________________________________________<br />

Vorname<br />

________________________________________________<br />

Straße Nr.<br />

________________________________________________<br />

PLZ/Ort<br />

________________________________________________<br />

Geburtsdatum Tel. privat<br />

________________________________________________<br />

<strong>Arbeit</strong>geber<br />

________________________________________________<br />

Tel. dienstl. E-Mail<br />

________________________________________________<br />

ausgeübte Tätigkeit<br />

Ich bin<br />

(Status)<br />

��vollzeitbeschäftigt ��teilzeitbeschäftigt<br />

�<br />

��angestellt ��im Erziehungsurlaub<br />

�<br />

��verbeamtet ��in der Ausbildung bis<br />

Monat/Jahr<br />

�<br />

��selbständig ��BerufspraktikantIn bis<br />

Monat/Jahr<br />

��im Ruhestand ��arbeitslos<br />

Beschäftigt bei<br />

(Einstellungsträger)<br />

�<br />

��Bund/Länder ��Sonstiger Träger<br />

�<br />

��Kommune ��Ev. Kirche (inkl. Diakonie)<br />

�<br />

��Wohlfahrtsverband ��Kath. Kirche (inkl. Caritas)<br />

Staatliche Anerkennung ___________________ Monat/Jahr<br />

Beschluss der Gründungsversammlung vom 24. 7. 1993 zur Beitragsstruktur und<br />

Höhe des Mitgliedsbeitrages. Die Bemessungsgrundlage des monatlichen<br />

Mitgliedsbeitrages für Mitglieder <strong>mit</strong> Erwerbseinkommen ist das monatliche<br />

Bruttoeinkommen*). Die Bemessungsgrundlage des monatlichen Mitgliedsbeitrages<br />

für Mitglieder ohne Erwerbseinkommen, arbeitslose Mitglieder, BezieherInnen<br />

von Erziehungsgeld, StudentInnen ist das tatsächliche Monatseinkommen.<br />

Selbsteinstufungshinweise:<br />

Für jedes auf Ihrer Steuerkarte eingetragene Kind können 80,00 Euro vom<br />

Bruttolohn abgezogen werden. Die verbleibende Summe ist maßgeblich für Ihre<br />

persönliche Beitragseinstufung. Bezieher und Bezieherinnen von Renten<br />

undPensionseinkommen können sich zwei Stufen niedriger einstufen als Berufstätige<br />

oder im erwerbstätigen Alter befindliche Mitglieder gleichen Einkommens.<br />

Nimmt das Mitglied eine Selbsteinstufung nicht vor, oder ist aus sonstigen<br />

Gründen die Beitragsstufe nicht zu er<strong>mit</strong>teln, ist bei der Berechnung des Beitrags<br />

mindestens die Beitragsstufe 08 zugrunde zu legen. Der Nachweis der Berechtigung<br />

der Einstufung in einer niedrigeren Beitragsstufe ist auf Verlangen gegenüber<br />

der Bundesgeschäftsstelle zu führen.<br />

Wichtige Hinweise:<br />

Im Falle der unrichtigen Selbsteinstufung entfällt der Anspruch auf Rechtsberatung<br />

und Rechtsvertretung durch den Verband. Die richtige Einstufung liegt in<br />

der Verantwortung des einzelnen Verbands<strong>mit</strong>glieds. Bitte berücksichtigen Sie<br />

auch die aktuellen Tarifabschlüsse! Zahlen Sie bitte Ihre Beiträge satzungsgemäß<br />

im Einzugsverfahren oder per Dauerauftrag. Sie erleichtern der Geschäftsstelle<br />

die <strong>Arbeit</strong>, schaffen so Raum für andere Aktivitäten und ersparen sich<br />

Überweisungsgebühren!<br />

*) Das Bruttoeinkommen umfasst: Grundgehalt – Ortszuschlag – allgemeine<br />

Stellenzulage – Heimzulage – Schichtzulage<br />

Friedrich-Ebert-Straße 30 · 45127 Essen<br />

Tel. (0201) 82078-0 · Fax (0201) 8 20 78 40<br />

http://www.dbsh.de · E-Mail: info@dbsh.de<br />

Ich erkläre meinen Beitritt zum <strong>DBSH</strong> ab ______ Monat/Jahr<br />

Ich stufe mich ein in Beitragsstufe ____________________<br />

Mit meiner Unterschrift erkenne ich die Satzung des <strong>DBSH</strong><br />

und die berufsethischen Prinzipien an. Änderungen meiner<br />

obigen Angaben werde ich der Bundesgeschäftsstelle <strong>mit</strong>teilen.<br />

Mit einer EDV-Erfassung dieser Daten bin ich einverstanden.<br />

________________________________________________<br />

Datum Unterschrift<br />

Einzugsermächtigung<br />

Ich ermächtige den <strong>DBSH</strong>, meinen Mitgliedsbeitrag<br />

�<br />

��vierteljährlich ��halbjährlich ��jährlich<br />

stets widerruflich, von dem genannten Konto abzubuchen.<br />

________________________________________________<br />

Geldinstitut in<br />

________________________________________________<br />

Kontonummer Bankleitzahl<br />

Mit einer EDV-Erfassung meiner oben genannten Kontodaten bin ich einverstanden.<br />

________________________________________________<br />

Datum Unterschrift Kontoinhaber<br />

<strong>DBSH</strong>-Beitragstabelle<br />

Stufe Bruttoeinkommen<br />

bis<br />

06<br />

07<br />

08<br />

09<br />

10<br />

11<br />

12<br />

13<br />

14<br />

Beitrag<br />

pro<br />

Monat<br />

1750,00 € 8,00 €<br />

2000,00 € 10,00 €<br />

2250,00 € 11,00 €<br />

2500,00 € 12,00 €<br />

2750,00 € 13,00 €<br />

Stufe Bruttoeinkommen<br />

bis<br />

Einstufung in die Beitragsstufen<br />

01-05 nur nach entsprechendem<br />

jährlich zu führenden Nachweis<br />

Bankverbindung: Bank für Sozialwirtschaft, Essen,<br />

BLZ 370 205 00,<br />

Beitragskonto-Nr.: 8 213 201<br />

Beitrag<br />

pro<br />

Monat<br />

3000,00 € 15,00 € 01 500,00 € 3,00 €<br />

3250,00 € 16,00 € 02 750,00 € 4,00 €<br />

3500,00 € 17,00 € 03 1000,00 € 5,00 €<br />

3750,00 € 18,00 € 04 1250,00 € 6,00 €<br />

15 4000,00 € 20,00 € 05 1500,00 € 7,00 €<br />

Oder ganz einfach online beitreten: www.dbsh.de/html/beitrittserkl.html


Ihre AnsprechpartnerInnen in den <strong>DBSH</strong>-Landesverbänden<br />

Landesverband <strong>Niedersachsen</strong><br />

Vorsitzender<br />

Frank Mattioli-Danker<br />

Handy: 0173 / 74 84 682<br />

Email: mattida@aol.com<br />

Finanzreferent<br />

Harald Martens<br />

Postbruch 4<br />

29693 Hodenhagen<br />

Tel.: 05164 / 8 00 371<br />

Email: H_und_H.Martens@t-online.de<br />

Geschäftsstelle des nds. Landesverbandes<br />

Harald Martens<br />

Postbruch 4<br />

29693 Hodenhagen<br />

Tel.: 05164 / 8 00 371<br />

Email: H_und_H.Martens@t-online.de<br />

Telefonisch erreichbar von montags bis freitags<br />

in der Zeit von14.00 – 17.00 Uhr<br />

Nähere Informationen zu <strong>Arbeit</strong>sgruppen, Kommissionen und<br />

Projekten etc. erhalten Sie bei Ihren Ansprechpartnern des<br />

<strong>DBSH</strong>-Landesverbandes <strong>Niedersachsen</strong> oder unter www.dbshniedersachsen.de<br />

Landesverband Bremen<br />

Vorsitzender<br />

Michael Böwer<br />

Diplom-Sozialarbeiter/Sozialpädagoge, Diplom-Pädagoge<br />

Beauftragter für <strong>Arbeit</strong>s-, Tarif- und BeamtInnenrecht (komm.)<br />

Email: boewer@dbsh.de<br />

Internet: www.dbsh-bremen.de<br />

Moselallee 109, 28816 Stuhr<br />

Tel. 0421 / 2 401 350<br />

Mobil: 0176 / 53 513 351<br />

Weitere Informationen, Termine und Aktuelles Sie<br />

auf unserer Website www.dbsh-bremen.de<br />

Landesverband Hamburg<br />

Vorsitzender<br />

Frank Hail<br />

Saselbergweg 74, 22395 Hamburg<br />

Tel. (dienstl.): 04532 / 20 86 15<br />

Roland Sch<strong>mit</strong>z<br />

Sandfoort 56<br />

22415 Hamburg<br />

Tel. (dienstl.): 040 / 428 04 – 21 32<br />

Fax (dienstl.): 040 / 428 04 – 29 36<br />

Schatzmeister<br />

Klaus Behrens<br />

Neuengammer Hinterdeich 243 a<br />

21037 Hamburg<br />

Mail-Adresse des Landesverbandes Hamburg: lvhh@gmx.de<br />

Weitere Informationen aus dem Landesverband finden Sie<br />

auf der Seite www.dbsh-hamburg.de<br />

Der <strong>LV</strong> HH trifft sich jeden zweiten Mittwoch im Monat um 17.30<br />

Uhr in der Weinstube "Da Luigi", Hellbrookstr. 59, Hamburg-<br />

Barmbek (Nähe S/U-Bhf. Barmbek, Bus 7 und 117 Haltestelle<br />

Hellbrookstrasse).<br />

Der <strong>DBSH</strong>-Stammtisch findet jeden vierten Mittwoch im Monat<br />

um 19 Uhr im "Big Easy" in der Fuhlsbütteler Str. 113 in Hamburg-Barmbek<br />

statt (Nähe S/U-Bhf. Barmbek).<br />

Landesverband Schleswig-Holstein<br />

Vorsitzender<br />

Dirk Relling<br />

Up’n Knust 30<br />

23619 Rehhorst<br />

p. Tel.: 0 45 33 / 55 93<br />

Email D.Relling@t-online.de<br />

Email: lv-schleswig-holstein@dbsh.de<br />

Für den Landesrundbrief<br />

Catharina Lietdke<br />

<strong>DBSH</strong>-Landesrundbrief <strong>Niedersachsen</strong>/Hamburg/Bremen/Schleswig-Holstein 01/10

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!