Soziale Arbeit mit psychisch Erkrankten - DBSH LV Niedersachsen
Soziale Arbeit mit psychisch Erkrankten - DBSH LV Niedersachsen
Soziale Arbeit mit psychisch Erkrankten - DBSH LV Niedersachsen
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Landesrundbrief<br />
<strong>Niedersachsen</strong> / Hamburg / Bremen<br />
& Schleswig-Holstein 01/10<br />
Schwerpunkt<br />
<strong>Soziale</strong> <strong>Arbeit</strong><br />
<strong>mit</strong> <strong>psychisch</strong> <strong>Erkrankten</strong><br />
Themen u.a.:<br />
Hilfs- und Wohnangebote für <strong>psychisch</strong>e Kranke ▪ Stationäre Jugendhilfe <strong>mit</strong> <strong>psychisch</strong> kran-<br />
ken Kindern ▪ „Was soll ich tun?“ - Vom Umgang <strong>mit</strong> Ohnmachtsgefühlen ▪ Doppeldiagnose<br />
Psychose und Sucht ▪ Zum Alltag einer Heimeinrichtung in Südafrika<br />
© Cmon - Fotolia.com
Inhalt:<br />
„Von der Raupe zum Schmetterling“<br />
KOKON - ein Wohnangebot für Menschen <strong>mit</strong> <strong>psychisch</strong>er<br />
Erkrankung und ihre Kinder 3<br />
<strong>Soziale</strong> <strong>Arbeit</strong> <strong>mit</strong> <strong>psychisch</strong> kranken Menschen 5<br />
Man muss sich mögen!<br />
Das PiB-Patenschaftsprogramm 9<br />
Ambulant betreutes Wohnen<br />
Ein Wegweiser 11<br />
Intensives „Sich Kümmern“ rund um die Uhr<br />
Stationäre Jugendhilfe <strong>mit</strong> <strong>psychisch</strong> kranken<br />
Kindern und Jugendlichen 12<br />
Vom Umgang <strong>mit</strong> Ohnmachtsgefühlen<br />
„Was soll ich tun?“ - Handeln und Verstehen 14<br />
Netzwerkbildung<br />
<strong>Arbeit</strong>skreis „Kinder <strong>psychisch</strong> kranker Eltern“ 15<br />
Doppeldiagnose Psychose und Sucht<br />
Sozialtherapie im Krelinger Reha-Zentrum 16<br />
Protokolle des nds. Landesverbandes<br />
E<strong>LV</strong>/Landes<strong>mit</strong>gliederversammlung 21<br />
Südafrika - Spuren der Apartheid<br />
Im Alltag einer Heimeinrichtung 23<br />
Gerechtigkeit<br />
Verdienst und Verdienen <strong>Soziale</strong>r <strong>Arbeit</strong> 25<br />
<strong>DBSH</strong> Bremen aktuell 26<br />
Beitrittserklärung 27<br />
Liebe Kolleginnen<br />
und Kollegen,<br />
in Deutschland leiden ca. 8 Millionen<br />
Menschen unter behandlungsbedürftigen<br />
<strong>psychisch</strong>en Störungen. In<br />
dieser Ausgabe des Landesrundbriefes<br />
für <strong>Niedersachsen</strong>, Bremen,<br />
Hamburg und Schleswig-Holstein<br />
möchten wir Ihnen unterschiedliche<br />
Ansätze von sozialer <strong>Arbeit</strong> <strong>mit</strong> <strong>psychisch</strong> <strong>Erkrankten</strong> näherbringen.<br />
Frau Garnet Helen Bräunig berichtet in ihrem Artikel "<strong>Soziale</strong> <strong>Arbeit</strong> <strong>mit</strong> <strong>psychisch</strong> <strong>Erkrankten</strong>"<br />
über ihre Erfahrungen, die sie als Krankenschwester, aber auch als Sozialpädagogin<br />
in der <strong>Arbeit</strong> <strong>mit</strong> <strong>psychisch</strong> erkrankten Menschen gemacht hat. Insbesondere<br />
geht sie hierbei auf den gängigen Umgang <strong>mit</strong> Psychopharmaka ein, der leider nur zu oft<br />
eine wirkliche Therapie der <strong>psychisch</strong>en Störung des Patienten/Klienten durch seine<br />
bloße Ruhigstellung <strong>mit</strong>tels Psychopharmaka erschwerte, verhinderte und schlimmstenfalls<br />
ersetzt.<br />
In diesem Landesrundbrief ist es uns ferner gelungen, spezielle Angebote der sozialen<br />
<strong>Arbeit</strong> <strong>mit</strong> seelisch <strong>Erkrankten</strong> darzustellen. So berichtet Hartmut Lauter in seinem Artikel<br />
„Doppeldiagnose Psychose und Sucht“ über die <strong>Arbeit</strong> <strong>mit</strong> Menschen, die auf der einen<br />
Seite unter einer <strong>psychisch</strong>en Erkrankung, auf der anderen Seite auch unter einer<br />
Suchterkrankung leiden. Frau Jana Görndt berichtet aus ihrer <strong>Arbeit</strong> in einer stationären<br />
Jugendhilfeeinrichtung für <strong>psychisch</strong> erkrankte Kinder und Jugendliche. Die „PiB–<br />
Pflegekinder in Bremen GmbH“ hat vor etwa fünf Jahren ein Patenschaftsprogramm für<br />
Kinder <strong>psychisch</strong> kranker Eltern ins Leben gerufen, über das Frau Gudrun Bollwahn in<br />
diesem Heft berichtet. Frau Manuela Schellworth beschreibt ferner das ambulant Betreute<br />
Wohnen für Menschen <strong>mit</strong> <strong>psychisch</strong>en Erkrankungen.<br />
Immer wieder kommt es in der<br />
<strong>Arbeit</strong> <strong>mit</strong> unserer Klientel zu Situationen,<br />
in denen wir uns überfordert<br />
oder sogar ohnmächtig fühlen. In<br />
dem Artikel „Vom Umgang <strong>mit</strong><br />
Ohnmachtsgefühlen“ bietet Frau<br />
Annette Gleßner einen verstehenden<br />
Zugang zu solchen Situationen<br />
als Grundlage für ein verantwortungsbewusstes<br />
Handeln an.<br />
Neben diesen Schwerpunktthemen<br />
finden sich in diesem Heft noch ein<br />
Artikel von Frau Friederike Lorenz<br />
über ihre <strong>Arbeit</strong> in einem Kinderheim<br />
in Südafrika sowie die Protokolle<br />
der zurückliegenden Sitzungen<br />
des erweiterten nds. Landesvorstandes<br />
sowie der nds. Landes<strong>mit</strong>gliederversammlung.<br />
Ich wünsche Ihnen viel Freude <strong>mit</strong><br />
den vielfältigen Artikel und möchte<br />
mich ganz herzlich bei allen bedanken,<br />
die an diesem Rundbrief in<br />
vielfältiger Art und Weise <strong>mit</strong>gewirkt<br />
haben.<br />
Frank Mattioli-Danker<br />
1.Vorsitzender <strong>DBSH</strong>-<strong>Niedersachsen</strong><br />
Herausgeber<br />
Deutscher Berufsverband<br />
für <strong>Soziale</strong> <strong>Arbeit</strong> e.V.<br />
Landesverband <strong>Niedersachsen</strong><br />
c/o Frank Mattioli-Danker<br />
Handy: 0173 / 74 84 682<br />
Email: mattida@aol.com<br />
Email: lv-niedersachsen@dbsh.de<br />
www.dbsh-niedersachsen.de<br />
Impressum<br />
Bundesgeschäftsstelle<br />
Friedrich-Ebert-Str. 30<br />
45127 Essen<br />
Tel. 02 01 / 8 20 78 – 0<br />
Fax 02 01 / 8 20 78 – 40<br />
Mail: geschaeftsstelle@dbsh.de<br />
www.dbsh.de<br />
Landesgeschäftsstelle<br />
Harald Martens<br />
Postbruch 4<br />
29693 Hodenhagen<br />
Tel.: 05164 / 8 00 371<br />
Telefonisch erreichbar von montags bis<br />
freitags in der Zeit von14.00 – 17.00 Uhr<br />
Redaktion<br />
Frank Mattioli-Danker (V.i.S.d.P.)<br />
und der Landesvorstand<br />
Gestaltung<br />
Harald Martens<br />
Tom Brodhuhn<br />
Druck<br />
Gemeindebriefdruckerei,<br />
29393 Groß Oesingen<br />
Auflage: 1.500<br />
Der Landesrundbrief erscheint drei-<br />
bis viermal jährlich, der Bezugspreis<br />
ist im Mitgliedsbeitrag enthalten.<br />
Die namentlich gekennzeichneten<br />
Artikel geben nicht unbedingt die<br />
Meinung der Redaktion wieder.<br />
Der Landesrundbrief im Internet:<br />
www.dbsh-niedersachsen.de<br />
Thema der nächsten Ausgabe:<br />
ErzieherIn in der<br />
Kindertagesstätte<br />
Redaktionsschluß: 30.05.10<br />
Seite 2 <strong>DBSH</strong>-Landesrundbrief <strong>Niedersachsen</strong>/Hamburg/Bremen/Schleswig-Holstein 01/10
<strong>Soziale</strong> <strong>Arbeit</strong> <strong>mit</strong> <strong>psychisch</strong> <strong>Erkrankten</strong><br />
„Von der Raupe zum Schmetterling“<br />
KOKON - ein Wohnangebot für Menschen <strong>mit</strong> <strong>psychisch</strong>er Erkrankung<br />
und ihre Kinder ● Brigitte Kreiner<br />
© Jean-Claude Drillon - Fotolia.com<br />
Ausgangspunkt von KOKON war, die Versorgungslücke für<br />
<strong>psychisch</strong> kranke Erwachsene zu schließen, die <strong>mit</strong> ihren Kindern<br />
trotz ihrer Erkrankung zusammen leben möchten. Diese Lücke<br />
sollte durch das Kooperationsprojekt KOKON der Bremer<br />
Werkgemeinschaft (BWG) und der Caritas-Erziehungshilfe gGmbH<br />
geschlossen werden. Unter einem Dach finden sowohl das<br />
Betreute Wohnen für <strong>psychisch</strong> erkrankte Elternteile als auch die<br />
Sozialpädagogische Familienhilfe statt.<br />
Der Name KOKON weist einerseits auf den geschützten Rahmen<br />
zur Entwicklung und Entfaltung hin, andererseits markiert er einen<br />
lebendigen dynamischen Veränderungsprozess, dessen Ziel die<br />
Eigenständigkeit und Unabhängigkeit der BewohnerInnen ist. Der<br />
Wohngemeinschaftscharakter spielt in dem Projekt eine wichtige<br />
Rolle. Die BewohnerInnen können von ihren jeweiligen<br />
Erfahrungen (Erziehung der Kinder, Umgang <strong>mit</strong> Krisen etc.)<br />
lernen, nach Wunsch zusammen den Alltag teilen (Haushalt,<br />
Kinderbetreuung) und sich auf diese Weise gegenseitig<br />
unterstützen.<br />
Ziel des Wohnprojektes KOKON ist es, den BewohnerInnen Halt<br />
und Struktur in <strong>psychisch</strong>en Krisen zu bieten, den Kindern<br />
Entwicklungschancen zu sichern, mögliche Beziehungsabbrüche<br />
zu vermeiden und beim Aufbau einer tragfähigen Beziehung<br />
zwischen Eltern und Kindern zu helfen. Langfristig zielt das<br />
Hilfsangebot darauf hin, die Mütter und Väter zu unterstützen,<br />
außerhalb stationärer Einrichtungen zusammen <strong>mit</strong> ihren Kindern<br />
leben zu können.<br />
Für KOKON gibt es zwei Zugangswege: zum Einen können<br />
betroffene Eltern sich an das Jugendamt wenden, wo der Bedarf<br />
für Sozialpädagogische Familienhilfe nach § 31 SGB VIII und in<br />
diesem Rahmen ein zusätzlicher Bedarf nach intensiverer<br />
Betreuung festgestellt wird.<br />
Das „Wohnangebot für Menschen <strong>mit</strong> <strong>psychisch</strong>er<br />
Erkrankung und ihre Kinder – KOKON“<br />
hat im Frühjahr 2007 zum ersten Mal seine<br />
Türen geöffnet für eine <strong>psychisch</strong> kranke Mutter<br />
und ihren zweijährigen Sohn. Sie war infolge<br />
einer drogeninduzierten psychotischen<br />
Episode über einen längeren Zeitraum nicht<br />
mehr in der Lage, ihren Sohn adäquat zu versorgen.<br />
Um eine Fremdplatzierung des Kindes<br />
zu verhindern, nahm die Mutter das gemeinsame<br />
Wohnangebot sehr gerne an. Ihre<br />
Krise dauerte ca. ein halbes Jahr, dann konnte<br />
sie – deutlich stabilisiert – in ihre alte<br />
Wohnform zurückziehen.<br />
Die zuständige CasemanagerIn setzt sich dann <strong>mit</strong> dem KOKON-<br />
Koordinationsteam in Verbindung und veranlasst die weiteren<br />
Schritte.<br />
Zum Zweiten kann eine Mutter/ein Vater über den sozialpsychiatrischen<br />
Dienst, die behandelnde Nervenärztin, das Fachpersonal<br />
der behandelnden Klinik u. a. auf das Wohnprojekt KOKON als<br />
mögliche Betreuungsform hingewiesen werden und einen Antrag<br />
auf diese Form des betreuten Wohnens bei der Bremer Werkgemeinschaft<br />
stellen. Nach dem Erstellen einer Diagnose kann im<br />
Rahmen von SGB XII § 53 Abs. 4 ff sowie SGB II ein Antrag auf<br />
die Betreuung durch KOKON gestellt werden.<br />
Zu den Bedingungen für die Aufnahme in das KOKON-Projekt<br />
gehört neben der Diagnose einer <strong>psychisch</strong>en Erkrankung und<br />
des festgestellten Bedarfs an Familienhilfe ebenfalls die Kündigung<br />
der bisherigen Wohnung. Die Mietkosten für das Appartement<br />
im KOKON werden bei Hartz-IV-Bezug (<strong>Arbeit</strong>slosengeld,<br />
Sozialhilfe und Grundsicherung) von der BAgIS bzw. dem Sozialamt<br />
übernommen.<br />
Bei der Zielgruppe für die KOKON - Nutzung handelte es sich<br />
bislang überwiegend um<br />
� junge (werdende) <strong>psychisch</strong> kranke Mütter, die bei den<br />
Eltern, beim Freund oder in eher prekären<br />
Wohnverhältnissen lebten und direkt nach einem stationären<br />
Aufenthalt in der Psychiatrie noch während ihrer<br />
Schwangerschaft oder direkt nach der Entbindung ihres<br />
Kindes in das Wohnprojekt KOKON überwechselten oder um<br />
� Familien, bei denen das Kind bzw. die Kinder infolge einer<br />
akuten <strong>psychisch</strong>en Krise der Mutter oder des Vaters kurz<br />
oder selten auch längerfristig fremdplatziert wurde/n und die<br />
Einrichtung KOKON als Klärungsmöglichkeit für eine<br />
Rückführung genutzt werden konnte.<br />
<strong>DBSH</strong>-Landesrundbrief <strong>Niedersachsen</strong>/Hamburg/Bremen/Schleswig-Holstein 01/10 Seite 3
<strong>Soziale</strong> <strong>Arbeit</strong> <strong>mit</strong> <strong>psychisch</strong> <strong>Erkrankten</strong><br />
Vorstellbar sind aber noch sehr viel mehr Situationen, in denen<br />
eine kurz- oder auch langfristige Aufnahme im KOKON-Projekt<br />
sinnvoll und notwendig erscheint. Der Verweildauer im KOKON ist<br />
dabei keine Grenze gesetzt, von drei Monaten bis zu drei Jahren<br />
oder mehr wäre - je nach Bedarf - alles möglich.<br />
Die Unterstützung und Begleitung durch die Sozialpädagogische<br />
Familienhilfe erfolgt im KOKON <strong>mit</strong> dem Ziel, den Eltern trotz<br />
<strong>psychisch</strong>er Erkrankung die Beziehung zum Kind zu ermöglichen<br />
sowie eine Fremdplatzierung und den da<strong>mit</strong> verbundenen Beziehungsabbruch<br />
für das Kind zu vermeiden. Schwerpunkt der <strong>Arbeit</strong><br />
ist daher die Unterstützung beim Aufbau und bei der Aufrechterhaltung<br />
einer vertrauensvollen, der Entwicklung des Kindes wie<br />
des Elternteils förderlichen Beziehung. Folgende Aspekte sind<br />
dabei von zentraler Bedeutung:<br />
� Sicherstellung des Wohles des Kindes<br />
� Unterstützung bei der Wahrnehmung der elterlichen<br />
Pflichten<br />
� Sensibilisierung der Eltern für die Bedürfnisse des Kindes<br />
� Verselbständigung der Erwachsenen in den Bereichen<br />
Lebenspraxis, Gesundheit und Hygiene, Kultur und Freizeit<br />
� berufliche Rehabilitation<br />
� Früherkennung und Umgang <strong>mit</strong> Krisen.<br />
Die eingesetzten Methoden in der <strong>Arbeit</strong> sind vielfältig und erstrecken<br />
sich über das Lernen am Modell, die Familienkonferenz, das<br />
Video-Home-Training hin zu reflektierenden Gesprächen, praktischer<br />
und ressourcenorientierter Erziehungsberatung,<br />
Biografiearbeit u.v.m. Auch die Einbindung in Gruppenangebote<br />
(Gesprächsgruppe für <strong>psychisch</strong> belastete Mütter, Elterntraining,<br />
Kochkurs, Kindergruppe für Kinder aus <strong>psychisch</strong> belasteten<br />
Familien etc.) ist gerade im Sinne der Enttabuisierung von <strong>psychisch</strong>en<br />
Erkrankungen ebenfalls ein fester Bestandteil der <strong>Arbeit</strong> <strong>mit</strong><br />
der Familie.<br />
Die 19jährige Frau M. wurde das erste Mal auffällig bei einem<br />
Krankenhausaufenthalt. Sie machte auf das Personal dort einen derart<br />
desolaten Eindruck, dass dieses sofort das zuständige Behandlungszentrum<br />
sowie - Frau M. war zu dem Zeitpunkt im 4. Monat schwanger - das<br />
Amt für <strong>Soziale</strong> Dienste in Kenntnis setzte. Zu dieser Zeit lebte Frau M. auf<br />
dem Land nahe Bremen in einer sehr karg möblierten Wohngemeinschaft.<br />
Sie bewegte sich in einem Milieu, in dem nicht nur der massive Konsum<br />
von Alkohol und anderen Drogen, sondern auch lautstarke und z. T.<br />
aggressive Auseinandersetzungen zum Alltag gehörten. Ihr Freund<br />
forderte von ihr die Abtreibung, drohte <strong>mit</strong> Trennung und versuchte sie so<br />
unter Druck zu setzen. Frau M. wollte aber trotz anfänglicher Ängste gerne<br />
ihr Baby bekommen und begann zusehends, sich von diesem Milieu<br />
zurückzuziehen. Da Frau M. neben ihrer <strong>psychisch</strong> extrem labilen<br />
Verfassung infolge einer Persönlichkeitsstörung noch zusätzlich unter<br />
Absencen litt, die wegen unregelmäßiger Medikamenteneinnahme nicht<br />
richtig behandelt werden konnten, wurde <strong>mit</strong> ihrer Kenntnis das<br />
Familiengericht dazugezogen und ihr kurz vor Geburt des Kindes das<br />
Sorgerecht entzogen. Es gab für sie zwei Möglichkeiten: der Aufenthalt in<br />
der Wohngemeinschaft KOKON oder die Fremdunterbringung ihres Babys<br />
sofort nach der Geburt.<br />
Im Krankenhaus zeigte sich, dass Frau M. einen guten Kontakt zu ihrem<br />
Baby aufbauen konnte und überwiegend in der Lage war, dessen<br />
Bedürfnisse wahrzunehmen und zu beantworten.<br />
Im neuen Zuhause KOKON empfand Frau M. den schützenden Charakter<br />
der Einrichtung anfänglich als sehr wohltuend; sie war daher weiterhin in<br />
der Lage, ihre Tochter unter kundiger Anleitung der Nachsorge-Hebamme,<br />
der Familienhebamme, der Kinderärztin, der Familienpädagogin u. a.<br />
relativ gut zu versorgen. Für sich selbst konnte sie die psychosoziale<br />
Betreuung durch die Fachkräfte der Bremer Werkgemeinschaft gut nutzen.<br />
Der Wohngemeinschaftsaspekt kam ihr sehr zugute, da die zweite<br />
Bewohnerin größere Kinder hatte und sie so von deren Erfahrung<br />
profitieren konnte. In den wöchentlichen WG-Besprechungen wurden alle<br />
anfallenden Belange (Abwasch- und Putzplan, Konflikte wegen<br />
verschwundenem Haushaltsgeld, Auseinandersetzungen über unter-<br />
schiedliche Lärmgrenzen u. ä.) angesprochen und versucht zu klären. Der<br />
Freund von Frau M. konnte seine Schwellenangst überwinden und wurde<br />
als verantwortungsvoller Vater gerne in der Einrichtung gesehen und<br />
willkommen geheißen. Trotz dieser relativ guten Entwicklung gab es<br />
weiterhin Auflagen vom Jugendamt (Übernachtung nur im KOKON-Projekt,<br />
kein Kontakt zum alten Umfeld und da<strong>mit</strong> auch zu Alkohol, Drogen und<br />
Gewalt, keine Betreuung des Kindes durch unbekannte Dritte etc.), die<br />
Frau M. <strong>mit</strong> fortschreitender Stabilisierung als zunehmend einengend<br />
empfand.<br />
Im Kontakt <strong>mit</strong> ihrer kleinen Tochter fühlte sie sich zwar zusehends sicherer<br />
und wirkte ihr gegenüber überwiegend gelassen, ruhig und liebevoll,<br />
gleichzeitig fühlte sie sich aber auch hier durch die Fülle von Terminen<br />
bezüglich ihrer Tochter und letztendlich durch die Verantwortung ihr gegenüber<br />
stark überfordert.<br />
Die Entscheidung, ihre Tochter in eine Pflegefamilie zu geben - und das<br />
heißt, die eigene Überforderung und die eigenen Grenzen zu sehen und<br />
zu akzeptieren - kam von daher nicht überraschend und konnte von allen<br />
Beteiligten des Hilfesystems sehr wertgeschätzt und gewürdigt werden.<br />
Frau M. zeigte <strong>mit</strong> diesem Schritt einen überaus verantwortlichen Umgang<br />
ihrer damaligen Lebenssituation und vor allem ihrer Tochter gegenüber.<br />
Da sie durch das KOKON-Projekt den Raum zur Verfügung hatte, diese<br />
Entscheidung zwar schweren Herzens, aber selbstverantwortlich zu fällen,<br />
gelang es ihr und ihrem Freund, einen liebevollen Abschied von ihrer<br />
Tochter zu gestalten: die Eltern machten Fotos von sich und ihrer Tochter,<br />
schrieben eine Liste für die neuen Betreuungspersonen, um wichtige<br />
Dinge (Einnahme von Medikamenten, bestimmte Befindlichkeiten und<br />
Vorlieben ihrer Tochter etc.) <strong>mit</strong>zuteilen und konnten so ihre Tochter den<br />
neuen "Eltern" der Übergangspflege relativ beruhigt anvertrauen.<br />
In den meisten Fällen gelingt es den Müttern, sich im<br />
KOKON soweit zu stabilisieren, dass sie <strong>mit</strong> ihren Kindern<br />
in ihr altes Wohnumfeld zurückziehen können.<br />
Zur Zeit wird KOKON von zwei Familien bewohnt, einer<br />
jungen Mutter <strong>mit</strong> Säugling und einer Mutter <strong>mit</strong> drei Kindern<br />
im Alter von zwölf, zehn und zwei Jahren. Beide bilden<br />
jeweils die oben erwähnten Zielgruppen ab: Die Mutter<br />
<strong>mit</strong> Baby kam wegen ihrer Angststörung noch während<br />
ihrer Schwangerschaft nach einem Klinikaufenthalt in das<br />
KOKON-Projekt; bei der anderen Familie handelt es sich<br />
um eine Rückführung <strong>mit</strong> dem Ziel der Stabilisierung der<br />
<strong>psychisch</strong> erkrankten Mutter und dem - erneuten - Aufbau<br />
einer tragfähigen Beziehung zwischen ihr und ihren Kindern.<br />
In jedem Fall konnte KOKON bisher den nötigen Schutzraum<br />
für die Bewohnerinnen bieten und sie in <strong>psychisch</strong>en<br />
Krisen auffangen und begleiten. Dazu tragen neben der<br />
intensiven Betreuung durch das Team des Betreuten Wohnens<br />
und der Sozialpädagogischen Familienhilfe sowie der<br />
Rufbereitschaft zu jeder Tages- und Nachtzeit auch die<br />
Bewohnerinnen der Wohngemeinschaft KOKON einen<br />
wesentlichen Teil bei: sie unterstützen sich gegenseitig im<br />
Alltag und können so ganz nebenbei wichtige soziale Kompetenzen<br />
entfalten.<br />
Autorin Brigitte Kreiner ist<br />
Diplompsychologin und arbeitet<br />
seit 7 Jahren als Familienpädagogin<br />
in den Ambulanten Hilfen<br />
zur Erziehung der Caritas-<br />
Erziehungshilfe gGmbH überwiegend<br />
<strong>mit</strong> <strong>psychisch</strong> kranken<br />
Müttern. Seit zwei Jahren ist sie<br />
die Koordinatorin für KOKON.<br />
Seite 4 <strong>DBSH</strong>-Landesrundbrief <strong>Niedersachsen</strong>/Hamburg/Bremen/Schleswig-Holstein 01/10
<strong>Soziale</strong> <strong>Arbeit</strong> <strong>mit</strong> <strong>psychisch</strong> <strong>Erkrankten</strong><br />
<strong>Soziale</strong> <strong>Arbeit</strong> <strong>mit</strong> <strong>psychisch</strong> kranken Menschen<br />
„Die dramatischen Veränderungen der Gesellschaft<br />
<strong>mit</strong> ihren weitreichenden sozialen und <strong>psychisch</strong>en<br />
Anforderungen und Belastungen, die für viele<br />
Menschen Unsicherheit und Orientierungslosigkeit<br />
bedeuten, schlagen sich in vielfältigen und<br />
schwerwiegenden Gesundheitsproblemen nieder. Wer<br />
nicht über die notwendigen konstitutionellen,<br />
sozialen, <strong>psychisch</strong>en und materiellen Ressourcen<br />
verfügt, die Herausforderungen der Modernisierung<br />
`gesund` zu bewältigen, ist ohne professionelle Hilfe<br />
den Zufällen seiner Lebenssituation und der sozialen<br />
Wandlungen ausgeliefert.“ 1<br />
Zunahme <strong>psychisch</strong>er Erkrankungen<br />
Entsprechend bilden in der beruflichen Praxis der <strong>Soziale</strong>n <strong>Arbeit</strong><br />
zunehmend seelisch stark gefährdete, chronisch kranke und<br />
mehrfach belastete Menschen den Schwerpunkt des Klientels,<br />
das dringender denn je eine spezialisierte psycho-soziale Behandlung<br />
in Form einer gesundheitsspezifischen Fachsozialarbeit<br />
benötigt. Psychische Erkrankungen und Behinderungen gehören<br />
zu den vordringlichen Gesundheitsproblemen der Bevölkerung.<br />
Der Anteil <strong>psychisch</strong> kranker Menschen nimmt in den Industrienationen<br />
stetig zu. So hat sich in Deutschland seit 1985 der Anteil<br />
<strong>psychisch</strong>er Erkrankungen an den Frühberentungen auf 29,2%<br />
nahezu verdreifacht. Nahezu jeder zehnte Bürger leidet im Laufe<br />
eines Jahres unter <strong>psychisch</strong> bedingten Störungen. 32,1% (= 15,6<br />
Mio.) der Bevölkerung im Alter von 18 - 65 Jahren, d.h. im erwerbsfähigen<br />
Alter, leiden subjektiv an <strong>psychisch</strong>en Störungen<br />
und sind von störungsspezifischen psychosozialen Einschränkungen<br />
betroffen. 17,5% der Kinder und Jugendlichen (bis 18 Jahre)<br />
leiden an <strong>psychisch</strong>en Störungen, und ca. 23% der über 65jährigen<br />
weisen behandlungsbedürftige <strong>psychisch</strong>e Erkrankungen<br />
auf. Das Lebenszeitrisiko, <strong>psychisch</strong> zu erkranken, liegt insgesamt<br />
bei 42,6%. 18% aller Arztbesuche (ohne Fachärzte für<br />
Psychiatrie und Psychotherapie) gehen auf <strong>psychisch</strong>e Störungen<br />
zurück. Ökonomisch von Bedeutung ist, dass 41% aller <strong>Arbeit</strong>s-<br />
Unfähigkeits-Tage der letzten 4 Wochen auf <strong>psychisch</strong>e Störungen<br />
zurückgehen. 2<br />
Aufgaben der <strong>Soziale</strong>n <strong>Arbeit</strong><br />
Obwohl sich weniger als ein Drittel der <strong>psychisch</strong> <strong>Erkrankten</strong> an<br />
einen Fachdienst wendet oder eine angemessene medikamentöse<br />
bzw. psychotherapeutische Behandlung in Anspruch nimmt, ist<br />
die Notwendigkeit einer gesundheitsspezifischen Fachsozialarbeit<br />
enorm gestiegen, liegt doch der Gegenstand der Klinischen<br />
Sozialarbeit in der „Behandlung psychosozialer Störungen und<br />
körperlicher Beeinträchtigungen <strong>mit</strong> dem Ziel der Heilung, Linderung<br />
und Besserung“ 3 , wobei die Behandlung aus einer Vielzahl<br />
von psycho-sozialen Interventionsmöglichkeiten besteht, aus der<br />
man nicht einfach die richtige Intervention wie ein Medikament<br />
auswählen und verordnen kann, sondern <strong>mit</strong>tels wissenschaftlich<br />
fundierter Methoden notwendige Veränderungen der psychosozialen<br />
Lebenslage und Lebensweise anstrebt, die nur unter<br />
1 Helmut Pauls: Klinische Sozialarbeit. Grundlagen und Methoden psycho-sozialer<br />
Behandlung. Juventa Verlag Weinheim und München 2004, S. 11<br />
2 Ernst von Kardorff / Heike Ohlbrecht: Die Bedeutung der <strong>Arbeit</strong> für <strong>psychisch</strong><br />
kranke Menschen im gesellschaftlichen Wandel – soziologische Anmerkungen zur<br />
beruflichen Rehabilitation. Erschienen in: Heilpädagogik online im Juni 2006<br />
3 Stimmer: Fachlexikon der <strong>Soziale</strong>n <strong>Arbeit</strong><br />
Einbeziehung der Betroffenen, ihrer Bezugspersonen, ihrem<br />
sozialen Netzwerk und den beteiligten Institutionen und Professionen<br />
erreicht werden können.<br />
Das erklärte Ziel der psycho-sozialen <strong>Arbeit</strong> <strong>mit</strong> <strong>psychisch</strong> kranken<br />
Menschen ist deren soziale Integration in ihrem natürlichen<br />
Umfeld. Die Auswirkungen der <strong>psychisch</strong>en Störung auf alle<br />
Lebensbereiche (<strong>Arbeit</strong>, Wohnen, Familie, Beziehungen, Freizeit)<br />
sollen durch sozial-integrative Maßnahmen aufgefangen und<br />
da<strong>mit</strong> sozialer Abstieg, Verarmung und Isolation verhindert werden.<br />
Hierbei ist es wichtig, diagnostisch die Ursachen der <strong>psychisch</strong>en<br />
Krise auf allen Manifestationsebenen (bio-psycho-sozial)<br />
abzuklären und bei Interventionen zu berücksichtigen. Denn nur<br />
bei Anwendung des multikausalen bio-psycho-sozialen Behandlungsansatzes<br />
können alle zusammenwirkenden Faktoren der<br />
<strong>psychisch</strong>en Störung und nicht nur das Symptom erfasst werden.<br />
Medikalisierung der Gesellschaft<br />
In der Praxis stößt die <strong>Soziale</strong> <strong>Arbeit</strong> <strong>mit</strong> <strong>psychisch</strong> kranken<br />
Menschen jedoch trotz Sensibilisierung für deren Probleme und<br />
Reformpsychiatrie auf eine fortschreitende Medikalisierung der<br />
Gesellschaft, die auf die „Herrschaft der technologisch bestimmten<br />
Lebensbedingungen“ zurückzuführen ist, „die auch das<br />
Gesundheitswesen kennzeichnet“ und „die Technisierung der<br />
Medizin in den Vordergrund der Gesundheitsbehandlung…schiebt“.<br />
4 Dies findet ihren Ausdruck in der Medizinalisierung<br />
abweichenden Verhaltens und in zu häufig verordneten und<br />
zu hoch dosierten Psychopharmaka 5 , deren Nebenwirkungen<br />
nicht selten ein Ausmaß annehmen, dass sich die Frage stellt, ob<br />
es sich noch um ein durch die Krankheit ausgelöstes Symptom<br />
oder um ein Symptom als Nebenwirkung eines eingesetzten<br />
Medikaments handelt. Der Glaube an Medikamente als einzige<br />
Behandlungsmöglichkeit von <strong>psychisch</strong>en Erkrankungen ist in<br />
unserer Zeit so ausgeprägt, dass Psychopharmaka einen festen<br />
Bestandteil jeder psychiatrischen Behandlung darstellen.<br />
Dabei möchte niemand ernsthaft bestreiten, dass eine pharmakologische<br />
Behandlung durchaus ein sinnvoller Bestandteil der<br />
psychiatrischen Behandlung sein kann, wenn <strong>mit</strong> psychologischer<br />
oder sozialer Einwirkung zu wenig oder nichts erreicht wird, und<br />
dass sie von vielen <strong>psychisch</strong> erkrankten Menschen als hilfreich<br />
erlebt wird. Allerdings stechen schon bei oberflächlicher Betrachtung<br />
die unterschiedlichen Interessen von Pharmakonsumenten<br />
und -herstellern ins Auge und geben Anlass zum Nachdenken.<br />
Während für die Nutzer von Psychopharmaka Lebensqualität und<br />
–zufriedenheit im Mittelpunkt stehen, prüfen die im Auftrag der<br />
Pharmahersteller durchgeführten Arznei<strong>mit</strong>telstudien ausschließlich<br />
Kriterien wie Symptom-, Rückfall- und Nebenwirkungsminderung,<br />
wobei der Zusammenhang zwischen <strong>psychisch</strong>er Erkrankung<br />
und psychosozialen Einflussfaktoren völlig vernachlässigt<br />
wird. Und bei näherem Hinsehen geben bekannt gewordene<br />
Psychopharmakaschäden wie die von dem Hamburger Psychiater<br />
und Psychotherapeuten Volkmar Aderhold publizierte<br />
neuroleptikabedingte hohe Sterblichkeitsrate großen Anlass zur<br />
Sorge und lassen nicht nur die Antipsychiatrie eine Neubewertung<br />
der pharmakologischen Behandlung in der Psychiatrie fordern.<br />
4 Helmut Pauls: Klinische Sozialarbeit. Grundlagen und Methoden psycho-sozialer<br />
Behandlung. Juventa Verlag Weinheim und München 2004, S. 11<br />
5 Psychopharmaka: = die Psyche beeinflußende Medikamente. Sie finden üblicherweise<br />
als Beruhigungs<strong>mit</strong>tel, Medikamente gegen Depressionen oder <strong>psychisch</strong>e<br />
Erkrankungen Anwendung. Man setzt solche Medikamente manchmal aber auch zur<br />
Schmerztherapie ein, weil sie z.T. auch eine günstige Wirkung auf die Schmerzwahrnehmung<br />
haben.<br />
<strong>DBSH</strong>-Landesrundbrief <strong>Niedersachsen</strong>/Hamburg/Bremen/Schleswig-Holstein 01/10 Seite 5
<strong>Soziale</strong> <strong>Arbeit</strong> <strong>mit</strong> <strong>psychisch</strong> <strong>Erkrankten</strong><br />
Schädigende Nebenwirkungen von Neuroleptika 1<br />
In ihrer Studie listen die Psychiater und Psychotherapeuten<br />
Volkmar Aderhold und Stefan Weinmann neben der erhöhten<br />
Mortalität zahlreiche andere schwerwiegende schädigende Nebenwirkungen<br />
der Neuroleptika 2 auf:<br />
� plötzlicher Herztod<br />
� metabolische (Stoffwechsel-)Syndrome<br />
� zerebro- (Blutgefäße und Blutversorgung des Gehirns<br />
betreffende) und kardiovaskuläre (Herz und Gefäßsysteme<br />
betreffende) Folgeerkrankungen<br />
� erhöhte Diabetesrate<br />
� pulmonale (Lungen-)Embolie<br />
� Demenzen<br />
� frontale Neurodegeneration (Nervenzelltod im Stirnlappen<br />
des Gehirns, der Motorik und Kognition kontrolliert)<br />
� 3 bis 6fach erhöhte Rückfallquote durch Absetzpsychosen<br />
� Neuroleptika-induziertes Defizitsyndrom<br />
Angesichts dieser furchteinflößenden Aufzählung der schädigenden<br />
Nebenwirkungen von Neuroleptika stellt sich<br />
zwangsläufig die Frage, warum Psychiater diese dennoch<br />
verabreichen, zumal die Antipsychiatrie schon seit den<br />
80iger Jahren das Leiden unter psychiatrischer Behandlung<br />
ins öffentliche Bewusstsein zu rücken versucht, und warum<br />
es angesichts des riesigen Verwendungsbereiches von<br />
Neuroleptika kaum angemessene Veröffentlichungen über<br />
ihre Wirkungen und Auswirkungen gibt. Erst die Veröffentlichung<br />
seines Buches „Der chemische Knebel 3 “, das zum<br />
größten Teil auf eigenen, unveröffentlichten Untersuchungen<br />
von Psychiatern und Psychopharmaka-Herstellern<br />
beruht, durch den Schwarzwälder Diplompädagogen Peter<br />
Lehmann, der in den 70iger Jahren selbst psychiatrisch<br />
behandelt wurde und seitdem antipsychiatrische Positionen<br />
vertritt, rechnet umfassend <strong>mit</strong> der herrschenden Psychiatrie<br />
ab. Von Asthma bis Schizophrenie, von Bettnässen bis<br />
Neurose, von Juckreiz bis Depression gibt es kaum eine<br />
Diagnose, die nicht den Einsatz von Neuroleptika nach sich<br />
ziehen kann. Die Verordnungspraxis zeichnet sich durch<br />
eine zu hohe Dosierung und eine zu leichtfertige Verordnung<br />
aus. Die Verschreibungsrate von Atypika 4 hat in den<br />
letzten Jahren derart zugenommen, dass zeitweise bis zu<br />
6% der Bevölkerung unter Neuroleptika standen und stehen.<br />
Im Zeitraum von 2000 bis 2006 steigerte sich die<br />
Verordnung von Atypika an Kinder und Jugendliche (!) um<br />
400%, während die Verordnungsrate von Typika 5 konstant<br />
blieb. Insgesamt hat die Verordnungsrate von Neuroleptika<br />
von 2006 bis 2007 um 14% zugenommen.<br />
1 Volkmar Aderhold / Stefan Weinmann: Thesen zur Anwendung Neuroleptika. März<br />
2009<br />
2 Als Neuroleptikum (etwa „Nervendämpfungs<strong>mit</strong>tel“) wird ein Medikament bezeichnet,<br />
das als psychotrope Substanz eine antipsychotische, sedierende und psychomotorische<br />
Wirkung besitzt und vor allem zur Behandlung von Psychosen eingesetzt<br />
wird.<br />
3 Peter Lehmann: Der chemische Knebel. Warum Psychiater Neuroleptika verabreichen.<br />
Erstausgabe 1986<br />
4 Atypische Neuroleptika (syn. atypische Antipsychotika, oder kurz Atypika) sind<br />
Arznei<strong>mit</strong>tel, die in der Psychiatrie zur Behandlung von Psychosen eingesetzt<br />
werden. Sie unterscheiden sich von den typischen Neuroleptika im Allgemeinen<br />
dadurch, dass sie die „typischen“ Nebenwirkungen der zugehörigen Arzneistoffe<br />
signifikant seltener aufweisen.<br />
5 Typische Neuroleptika: nebenwirkungsreiche Neuroleptika der ersten Generation<br />
Moderne pharmakologisch-<br />
therapeutische Erfordernisse 6<br />
Laut der amerikanischen Neurowissenschaftlerin Nancy<br />
Andreasen müssen „diese Medikamente … <strong>mit</strong> der niedrigsten<br />
möglichen Dosierung angewandt werden, was heute häufig nicht<br />
passiert.“ Auch andere PsychiaterInnen wie z. B. B. Lieberman<br />
konstatieren, dass für alle Medikamente die erwünschte Dosis die<br />
niedrigste Dosierung sei, <strong>mit</strong> der man Vorteile erreiche. Es entspräche<br />
also den modernen pharmakologischen therapeutischen<br />
Erfordernissen,<br />
� Neuroleptika nur minimal einzusetzen,<br />
� nur die Akutbehandlungsdosis zu verordnen,<br />
� möglichst neuroleptikafrei zu behandeln,<br />
� die Neuroleptikaeinnahme langsam zu reduzieren und abzusetzen,<br />
� Polypharmazie 7 bzw. Kombinationsbehandlungen nur unter strenger<br />
Kontrolle der kardialen und metabolischen Nebenwirkungen durchzuführen<br />
und wenn möglich ganz zu vermeiden,<br />
� bei Medikamentenumstellungen regelmäßige Kontrolluntersuchungen<br />
gemäß den S3-Leitlinien 8 der DGPPN 9 durchzuführen.<br />
Versorgungsrealität<br />
<strong>psychisch</strong> kranker Menschen 10<br />
Zwar sind die Vorgaben bei der Neuroleptika-Verordnung heute<br />
deutlich strenger als zuvor, aber die Versorgungsrealität <strong>psychisch</strong><br />
kranker Menschen spricht nach wie vor eine deutliche<br />
Sprache. Sie ist gekennzeichnet von<br />
� unzureichenden psychotherapeutischen und psychosozialen Versorgungsangeboten,<br />
� unzureichenden Entgeltsystemen <strong>mit</strong> der Folge der Verschiebung<br />
von Kosten in den öffentlichen Sektor und in Bereiche, in denen wenig<br />
Behandlung und weitgehend Versorgung erfolgt (z. B. Heime,<br />
Werkstätten für behinderte Menschen etc.),<br />
� Personalabbau,<br />
� pathologische Behandlungsmilieus und kurzen Liegezeiten (20-30-<br />
Betten-Stationen zur Akutbehandlung erzwingen Überdosierungen),<br />
� Biologisierung der Versorgung für schwere <strong>psychisch</strong>e Erkrankungen,<br />
� Fokus auf medikamentöser Compliance 11 <strong>mit</strong> Psychoedukation bei<br />
seit Jahren gleich bleibend hoher Non-Compliance von 60-70% über<br />
18 Monaten,<br />
� 2-3 Nervenarztkontakten von 10 Minuten pro Quartal (55-72<br />
€/Quartal).<br />
6 Volkmar Aderhold / Stefan Weinmann: Thesen zur Anwendung Neuroleptika. März<br />
2009, S. 2<br />
7 Eine allgemein anerkannte Definition der Polypharmazie gibt es nicht. Die Breite<br />
reicht von zwei und mehr pharmakologischen Substanzen an 240 und mehr Tagen<br />
im Jahr bis hin zu fünf und mehr bzw. auch zur Einnahme verschiedener „High risk“-<br />
Medikamente.<br />
8 Leitlinien sind systematisch entwickelte, wissenschaftlich begründete und<br />
praxisorientierte Entscheidungshilfen für die angemessene ärztliche Vorgehensweise<br />
bei speziellen gesundheitlichen Problemen. Nach AWMF werden aufsteigend<br />
drei derartige Stufen definiert: S1: Expertengruppe S2: Formale evidence-Recherche<br />
(S2e) oder Formale Konsensfindung (S2k) S3: Leitlinie <strong>mit</strong> allen Elementen systematischer<br />
Entwicklung<br />
9 DGPPN: Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie, Psychotherapie und Nervenheilkunde<br />
10 Volkmar Aderhold / Stefan Weinmann: Thesen zur Anwendung Neuroleptika. März<br />
2009, S. 2<br />
11 In der Medizin spricht man von der Compliance des Patienten als Oberbegriff für<br />
das kooperative Verhalten des Patienten im Rahmen der Therapie. Der Begriff kann<br />
als Therapietreue übersetzt werden. Eine gute Compliance entspricht dem konsequenten<br />
Befolgen der ärztlichen Ratschläge. Weiter gefasst versteht man hierunter<br />
die Bereitschaft des Patienten und seines gesamten relevanten Umfelds, sich gegen<br />
die Erkrankung zur Wehr zu setzen.<br />
Seite 6 <strong>DBSH</strong>-Landesrundbrief <strong>Niedersachsen</strong>/Hamburg/Bremen/Schleswig-Holstein 01/10
Diese Mißstände verwandeln die Versorgungsrealität <strong>psychisch</strong><br />
kranker Menschen in eine Drehtür <strong>mit</strong> ansteigendem Tempo,<br />
deren Folgen der Anstieg der Zwangseinweisungen und Zwangsbehandlungen<br />
und der Anstieg der gesetzlichen Betreuungen <strong>mit</strong><br />
dem aktuell bisher teuersten Versorgungssystem sind. Die Schizophrenie<br />
ist die teuerste <strong>psychisch</strong>e Erkrankung unseres<br />
Gesundheitssystems. Und was kommt davon bei dem Patienten<br />
an? Die Behandlungsrealität der meisten Patienten ist schlecht.<br />
„Mängel in der psychosozialen Versorgung und psychotherapeutischen<br />
Behandlung, Fehlinformation durch die Pharmaindustrie,<br />
Mängel und Fehler der Leitlinien und biologistische Krankheitskonzepte<br />
führen zu einem zu häufigen und zu hoch dosiertem Einsatz<br />
von Neuroleptika. Dies bedingt eine zusätzliche Chronifizierung<br />
und Frühsterblichkeit von Patienten. Wirksame psychotherapeutische<br />
Behandlungsformen werden den Patienten vorenthalten bzw.<br />
sind <strong>mit</strong> den derzeitigen Versorgungs- und Vergütungsstrukturen<br />
schwer zu realisieren.“ 1<br />
Durch Atypika verursachte Kosten und Profite 2<br />
Im deutschen Gesundheitswesen fallen jedes Jahr ca. 2,7 Mrd. €<br />
als zusätzliche Kosten für Atypika an. Die Folgekosten, die für die<br />
Behandlung der neuroleptikabedingten kardiovaskulären und<br />
diabetischen Schädigungen von PatientInnen entstehen, sind<br />
bisher von niemandem hochgerechnet worden, dürften jedoch<br />
einen Großteil der Krankenhauskosten verursachen. Warum wird<br />
der übermässigen, PatientInnen und Gesundheitswesen belastenden<br />
Atypikaverordnung nicht Einhalt geboten?<br />
Wer profitiert eigentlich von der gegenwärtigen Struktur des<br />
Gesundheitssystems?<br />
� 40% des Umsatzes der Pharmaindustrie werden durch<br />
Neuroleptika eingefahren,<br />
� Das Geschäft <strong>mit</strong> Neuroleptika bescherte der Pharmaindustrie<br />
im Jahre 2001 eine Rendite von 18,5%,<br />
� Die PsychiaterInnen werden von der Pharmaindustrie für<br />
die Verordnung von Neuroleptika <strong>mit</strong> 4-6stelligen Summen<br />
pro Jahr honoriert,<br />
� Jeder Arzt verdient jährlich ca. 8.000 bis 13.000 € durch die<br />
Verordnung von Neuroleptika,<br />
� Den Kliniken in privater Trägerschaft beschert die Verordnung<br />
von Neuroleptika eine Rendite von bis zu 20%,<br />
� Die somatische Versorgung wird teilweise durch<br />
Neuroleptikaverordnung querfinanziert,<br />
� Komplementären Trägern beschert die<br />
Neuroleptikaverordnung Belegung, Ausbau und Immobilienerwerb,<br />
� 90% der Medikamentenstudien sind industrieabhängig und<br />
erklären zu ebenfalls 90% das Präparat ihres Sponsors anderen<br />
Medikamenten und Therapieformen gegenüber für<br />
überlegen.<br />
Von ausserwissenschaftlichen Interessen<br />
geleitete Forschung und Therapie 3<br />
Wie man sieht, ist der Handel <strong>mit</strong> Neuroleptika ein lukratives<br />
Geschäft. Die (Pharma-) Industrieabhängigkeit der Psychiatrie ist<br />
verantwortlich für die weitreichende Täuschung der Fachöffent-<br />
1 Volkmar Aderhold / Stefan Weinmann: Thesen zur Anwendung Neuroleptika. März<br />
2009, S. 3<br />
2 Ebda., S. 4-5<br />
3 Ebda., S. 5<br />
<strong>Soziale</strong> <strong>Arbeit</strong> <strong>mit</strong> <strong>psychisch</strong> <strong>Erkrankten</strong><br />
lichkeit über die Behandlungseffekte und Nebenwirkungen der<br />
Atypika durch interessengeleitete, teilweise manipulative Forschungsdesigns,<br />
irreführende Publikationen und Marketing. Die<br />
zurückliegende Periode der Erforschung und Vermarktung neuer<br />
Antipsychotika und die zu geringe Berücksichtigung und Erforschung<br />
schädlicher Kurz- und Langzeitwirkungen hat die Psychiatrie<br />
in ihrer Glaubwürdigkeit beschädigt. Wie viele andere invasive<br />
Behandlungsmethoden hat sich die Höher- und Hochdosierung<br />
von Neuroleptika nachträglich als falsch und schädigend erwiesen.<br />
Ihre Folgen sind:<br />
� erhöhte Frühsterblichkeit,<br />
� Chronifizierung der <strong>psychisch</strong>en Erkrankung,<br />
� Verstärkung der Drehtürpsychiatrie,<br />
� (Re)Traumatisierung durch die Behandlung <strong>mit</strong> Neuroleptika.<br />
Da viele PsychiaterInnen am Marketing der Atypika verdient<br />
haben, haben sie sich nur zu bereitwillig an der ungerechtfertigten<br />
Biologisierung der psychiatrischen Forschungs- und Behandlungsparadigmen,<br />
an der Überbewertung der Pharmakotherapie<br />
und an der manipulativen Täuschung ihrer PatientInnen beteiligt.<br />
Ein verengter Fokus auf die Sympomverringerung in der Akutphase<br />
und ein geringer bis fehlender Fokus auf die psychotherapeutische<br />
Verarbeitung der psychotischen Krise durch die PatientInnen<br />
ist bis heute gängige Praxis in der psychiatrischen Behandlung.<br />
Solange die Psychiatrie sich nicht aus dieser Industrieabhängigkeit<br />
löst, diskreditiert sie sich selbst und kann nicht als wahrhaft<br />
wissenschaftlich bezeichnet werden.<br />
Psychotherapeutische Erfordernisse 4<br />
Der Berliner Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie Stefan<br />
Weinmann und der Schweizer Arzt und Psychotherapeut Marc<br />
Rufer sind zwei weitere von vielen Experten und Betroffenen, die<br />
gängige Paradigmen der Psychiatrie in Frage stellen und ebenso<br />
wie die Recovery-Bewegung und die skandinavischen Modelle zur<br />
bedürfnisorientierten Behandlung von <strong>psychisch</strong>en Erkrankungen<br />
die stärkere Einbeziehung der Familie und des sozialen Bezugsfeldes<br />
des erkrankten Menschen in die Therapie fordern. Zur<br />
Vermeidung von Hospitalisierung sollte die Akutbehandlung zu<br />
Hause erfolgen und von Anfang an und kontinuierlich therapeutische<br />
<strong>Arbeit</strong> unter Einbeziehung der Familien und des sozialen<br />
Kontextes geleistet werden. Wichtig sind:<br />
� psychotherapeutische Kompetenz<br />
� Individualpsychotherapie<br />
� Beziehungskontinuität über 5 Jahre<br />
� Traumatherapie, da 50% aller PatientInnen <strong>mit</strong> Schizophrenie<br />
sexuell oder physisch traumatisiert sind<br />
� reizschützende, traumasensible und psychosebegleitende<br />
Milieus<br />
� direkter Lebensfeldbezug<br />
� frühestmögliche Integration in Ausbildung und Beruf<br />
Psychosoziale Erfordernisse in der <strong>Soziale</strong>n <strong>Arbeit</strong><br />
<strong>mit</strong> <strong>psychisch</strong> kranken Menschen 5<br />
In der personenbezogenen psychosozialen Betreuung <strong>psychisch</strong><br />
kranker Menschen (PPM) begegnet man sehr häufig KlientInnen,<br />
die sich schon seit Jahren in neurologischer und/oder psychotherapeutischer<br />
Behandlung befinden. Sie leben nicht selten sozial<br />
völlig zurückgezogen und weitgehend aus dem <strong>Arbeit</strong>sleben<br />
exkludiert – unfähig zur Selbstversorgung und Autonomie und seit<br />
Jahren abhängig von Psychopharmaka.<br />
4 Ebda., S. 2<br />
5 Ebda., S. 2<br />
<strong>DBSH</strong>-Landesrundbrief <strong>Niedersachsen</strong>/Hamburg/Bremen/Schleswig-Holstein 01/10 Seite 7
<strong>Soziale</strong> <strong>Arbeit</strong> <strong>mit</strong> <strong>psychisch</strong> <strong>Erkrankten</strong><br />
Ebenso häufig trifft man in der PPM auf SozialarbeiterInnen, die die<br />
verbreitete Biologisierung der Behandlungsparadigmen und die<br />
Überbewertung der Pharmakologie in die psychosoziale Betreuung der<br />
ihnen anvertrauten KlientInnen übernommen haben.<br />
Entgegen ihrem professionellen Anspruch, die Ursachen der <strong>psychisch</strong>en<br />
Krise ihres Klienten auf allen Manifestationsebenen (bio-psycho-sozial)<br />
abzuklären und bei Interventionen dem multikausalen bio-psycho-sozialen<br />
Behandlungsansatz zu folgen, um eben nicht nur das Symptom zu<br />
erfassen und zu bekämpfen, vertreten sie die Auffassung, dass die<br />
unbedingte Voraussetzung ihrer eigenen erfolgreichen sozial-integrativen<br />
Maßnahmen die medikamentöse Compliance des Klienten sei. Dessen<br />
eventuelle Bestrebungen, sich endlich aus seiner Medikamentenabhängigkeit<br />
zu befreien und wieder die Kontrolle über sein Leben zu erlangen,<br />
wobei er die Notwendigkeit, „endlich wieder einen klaren Kopf zu haben“,<br />
oftmals überdeutlich erkennt, werden nicht selten und in bester Absicht<br />
von seinem sozialpädagogischen Betreuer zu verhindern versucht, da<br />
dieser darin fehlende Krankheitseinsicht, die mangelnde Bereitschaft, sich<br />
der notwendigen Behandlung zu unterziehen, und sogar einen akuten<br />
psychotischen Schub, der einer sofortigen stationären (Zwangs-)<br />
Einweisung bedarf, vermutet.<br />
In Unkenntnis über die Notwendigkeit der Reduktion der<br />
Neuroleptikaeinnahme und einer neuroleptikafreien Behandlung, die bei<br />
40% der schizophrenen KlientInnen und einem bei anderen psychotischen<br />
Störungen noch weit höherem Anteil der Betroffenen nicht nur möglich,<br />
sondern angesichts der verheerenden Nebenwirkungen von Neuroleptika<br />
auch nötig ist, betrachten viele <strong>mit</strong> <strong>psychisch</strong> Kranken arbeitende<br />
SozialarbeiterInnen den Einsatz von Neuroleptika nicht als Ergänzung,<br />
sondern geradezu als Bedingung für den gewünschten Erfolg ihrer psychosozialen<br />
<strong>Arbeit</strong>, nämlich die negativen Auswirkungen der <strong>psychisch</strong>en<br />
Störung des Klienten auf seine Lebensbereiche abzumildern und<br />
aufzufangen und ihn in seinem sozialen Umfeld zu integrieren. Dadurch<br />
treiben sie ihren Klienten nicht nur tiefer in die Medikamentenabhängigkeit,<br />
sondern befördern regelrecht die Chronifizierung seiner <strong>psychisch</strong>en<br />
Erkrankung und machen ihn zum Opfer der Drehtürpsychiatrie.<br />
Mit <strong>psychisch</strong> Kranken arbeitende SozialarbeiterInnen verzichten viel zu<br />
häufig darauf, dem verbreiteten biologisierten psychiatrischen<br />
Behandlungsparadigma die sozialen Erklärungsansätze ihrer Profession<br />
entgegenzusetzen und opfern da<strong>mit</strong> ihre sozialwissenschaftliche<br />
Kompetenz dem immer noch vorherrschenden Glauben an die Allmacht<br />
der Halbgötter in Weiss, deren Neuroleptikaverordnung sie allen Ernstes<br />
für hilfreicher für die soziale Integration ihres Klienten halten als dessen<br />
eigene aktive und selbstbestimmte Mitwirkung unter Einbeziehung seiner<br />
Angehörigen und seines sozialen Umfeldes. Liegt es womöglich daran,<br />
dass sie vor lauter Medikamentengläubigkeit dem <strong>psychisch</strong> kranken<br />
Klienten die notwendigen Ressourcen für seine Genesung und<br />
Reintegration schon gar nicht mehr zutrauen? Oder befördern sie gar <strong>mit</strong><br />
der Biologisierung der Devianz des Klienten die Akutpsychiatrie, weil ihnen<br />
die Geduld für dessen erforderliche Langzeitbegleitung mangels<br />
umfassender Information über Psychopharmaka, mangels psychotherapeutischer<br />
Kompetenz und wegen ihrer Tendenz zur Selbstabwertung, die<br />
der Hannoveraner Psychologe und Psychotherapeut Dr. Gregor<br />
Terbuyken 1 beanstandet, fehlt? Dieser moniert, dass sich das Dasein<br />
vieler SozialarbeiterInnen in der Psychiatrie in ihren Anpassungsleistungen<br />
an die Institutionen erschöpfe, und betitelte es als „professionelle<br />
1 Gregor Terbuyken: Verstehen und Begleiten. In: <strong>Soziale</strong> <strong>Arbeit</strong> 2/1997<br />
Chamäleonexistenz“. Der Sozialarbeiter unterwerfe sich medizinischen<br />
Standards und übernehme ärztliche oder psychotherapeutische Rollen im<br />
psychiatrischen <strong>Arbeit</strong>sfeld.<br />
Aber nur als selbstbewusste Profession spielt die <strong>Soziale</strong> <strong>Arbeit</strong> in der<br />
psychosozialen Betreuung <strong>psychisch</strong> kranker Menschen eine ihrem Auftrag<br />
angemessene Rolle, die sich nicht darauf beschränkt, als medizinische<br />
Hilfskraft zu fungieren, sondern gleich mehrere Rollen umfasst:<br />
� <strong>Soziale</strong> <strong>Arbeit</strong> als lebensweltorientierte Profession<br />
� <strong>Soziale</strong> <strong>Arbeit</strong> als Anbieter soziotherapeutischer Leistungen<br />
� <strong>Soziale</strong> <strong>Arbeit</strong> zur Sicherstellung der Teilhabe an gesellschaftlichen<br />
Ressourcen und der Bewältigung von Lebenskrisen.<br />
Die Dortmunder Sozialarbeiterin und –therapeutin Waltraud Himmelmann 2<br />
nennt dies den „Generalistischen Ansatz“ <strong>Soziale</strong>r <strong>Arbeit</strong> im psychiatrischen<br />
<strong>Arbeit</strong>sfeld, der sich auf eine arbeitsfeldunspezifische Herangehensweise<br />
beruft, die sich eben nicht in Anlehnung an das gängige psychiatrische<br />
Paradigma in der Biologisierung der <strong>psychisch</strong>en Problematik<br />
des Klienten und der Medikalisierung seiner Behandlung erschöpft, sondern<br />
vielmehr dessen alltags- und lebensumfeldspezifische Umstände,<br />
dessen eigene Perspektive sowie dessen sozialen Kontext berücksichtigt,<br />
um eben nicht nur <strong>mit</strong>tels Psychopharmakagabe das Symptom zu bekämpfen,<br />
sondern um Zusammenhänge entweder in die Behandlungsplanung<br />
aufzunehmen oder durch Beratung und Behandlung zu ändern. Dazu<br />
müssen alle zusammenwirkenden Faktoren der <strong>psychisch</strong>en Störung und<br />
nicht nur das Symptom erfasst werden, wo<strong>mit</strong> wir wieder beim multikausalen<br />
bio-psycho-sozialen Behandlungsansatz wären.<br />
Weiterhin konstatiert Waltraud Himmelmann, dass die Umsetzung des<br />
Generalistischen Ansatzes <strong>Soziale</strong>r <strong>Arbeit</strong> im psychiatrischen <strong>Arbeit</strong>sfeld<br />
nur bei fortlaufendem Updating der arbeitsfeldspezifischen Kenntnisse<br />
möglich ist. Nur bei berufslebenslangem Lernen zur Erweiterung der<br />
Kenntnisse zur Beratungskompetenz sowie der Hilfswissenschaften kann<br />
<strong>Soziale</strong> <strong>Arbeit</strong> im psychiatrischen <strong>Arbeit</strong>sfeld ihren Auftrag, „soziale Problemlagen<br />
bestimmter Personengruppen zu vermeiden, zu lindern oder zu<br />
lösen“ 3 , gerecht werden. Und dazu gehört auch oder gerade, über den<br />
Tellerrand der ausserwissenschaftlich und (pharma-)industriell gelenkten<br />
Forschung und Therapie hinauszublicken und sich umfassende Kenntnisse<br />
über Psychopharmaka und ihre Kurz- und Langzeitwirkungen anzueignen.<br />
Dann schafft es auch ein sozialpädagogisches Chamäleon, der<br />
Allmacht eines Halbgottes in Weiss und der von ihm verordneten Psychopharmaka<br />
eine umfassende, wissenschaftlich überprüfbare Soziotherapie<br />
entgegenzusetzen und den Klienten zu ermutigen, seine <strong>psychisch</strong>en<br />
Probleme und sein Leben möglichst neuroleptikafrei zu bewältigen. Anstelle<br />
von Psychopharmaka können so profane Dinge wie Joggen, Meditation,<br />
Wahrnehmungsübungen oder ein Haustier zur Verbesserung der <strong>psychisch</strong>en<br />
Gesundheit beitragen. Es ist die Aufgabe des Sozialarbeiters, den<br />
Klienten auf diese Möglichkeiten hinzuweisen. Auch die Anwendung einer<br />
speziellen Gesprächsführung und von bestimmten Methoden zur Verhaltensänderung<br />
zeigen häufig sehr gute Erfolge. Neuroleptika sind allenfalls<br />
befristet, niedrigdosiert und selektiv zur Ergänzung der psychosozialen<br />
Behandlung zu verabreichen, wenn diese allein nicht ausreicht. Ansonsten<br />
sind sie schlichtweg tabu!<br />
Autorin: Garnet Bräunig<br />
Sozialpädagogin & Krankenschwester / <strong>DBSH</strong>-Mitglied im Landesverband Hamburg<br />
2 R. Wilczek, M. Stöber, B. Klösel, W. Himmelmann, A. Frohn und U. Freisen:<br />
Qualitätskonzept für die Sozialarbeit in den psychiatrischen Kliniken. Hrsg.: <strong>DBSH</strong>,<br />
Berlin 2002<br />
3 Grundsatzprogramm des <strong>DBSH</strong> zum <strong>Arbeit</strong>sauftrag <strong>Soziale</strong>r <strong>Arbeit</strong><br />
Seite 8 <strong>DBSH</strong>-Landesrundbrief <strong>Niedersachsen</strong>/Hamburg/Bremen/Schleswig-Holstein 01/10
<strong>Soziale</strong> <strong>Arbeit</strong> <strong>mit</strong> <strong>psychisch</strong> <strong>Erkrankten</strong><br />
Einblicke in den Alltag des PiB-Patenschaftsprogramms ● Gudrun Bollwahn<br />
Seit fünf Jahren stabilisiert und stärkt das PiB-Patenschaftsprogramm Kinder <strong>psychisch</strong><br />
kranker Eltern in Bremen: Mit einer Patenschaft unbeschwerte Momente schenken - was<br />
in der Werbung so verlockend einfach klingt, hat es im <strong>Arbeit</strong>salltag in sich. Gudrun<br />
Bollwahn, Sozialpädagogin bei der „PiB – Pflegekinder in Bremen gGmbH“ und seit Beginn<br />
des Programms „Patenschaften für Kinder <strong>psychisch</strong> kranker Eltern“ vor fünf Jahren<br />
dabei, kennt die Höhen und Tiefen des Präventionsangebots. Es soll vor allem den<br />
Kindern Entlastung und Stabilisierung bringen. Doch ganz einfach ist das nicht. Bis heute<br />
hängt die Grußkarte ihrer ersten Klientin über Bollwahns Schreibtisch. „Ich weiß, ich war<br />
ganz schwierig“, steht darauf. Und: „Fröhliche Weihnachten“.<br />
Solche Gesten von <strong>psychisch</strong> angeschlagenen Müttern<br />
und zugleich die sichtbare Stabilisierung der<br />
Kinder in Patenfamilien - das Lachen und das neu<br />
gewonnene Zutrauen der Kinder – sind das Zuckerbrot<br />
im <strong>Arbeit</strong>salltag von Gudrun Bollwahn. Die „unbeschwerten<br />
Momente“ eben, für die die Sozialpädagogin<br />
viel Beharrlichkeit und Fingerspitzengefühl<br />
investiert. Denn die Patenschaften funktionieren nur,<br />
wenn Mutter und Kind die Patenfamilie mögen - und<br />
umgekehrt. „Die Einsicht in die eigene Krankheit ist<br />
ja schon eine Leistung“, sagt Gudrun Bollwahn.<br />
© Marcel Mooij - Fotolia.com<br />
Menschen schwer – auch gesunden. Außerdem<br />
müssten die Mütter, meist allein erziehende Frauen<br />
<strong>mit</strong> eigenen schwierigen Kindheitserinnerungen, ihr<br />
Kind an ein bis zwei Wochenenden im Monat und<br />
mindestens einmal wöchentlich zur Patenfamilie<br />
gehen lassen. Auch über Nacht. „Da tauchen Verlustängste<br />
und Konkurrenzgefühle auf, <strong>mit</strong> denen alle<br />
Beteiligten fair umgehen müssen“, sagt die Pädagogin.<br />
Umso mehr schätzt sie die Leistung der kranken<br />
Mütter, sich trotz Krisen, Depressionen und Angstzuständen<br />
auf eine Kooperation <strong>mit</strong> PiB einzulassen.<br />
Grenzen von Belastbarkeit einzugestehen, falle vielen<br />
.<br />
In Bremen wird das PiB-Patenschaftsprogramm, empfohlen von Kliniken und Ärzten, vom Jugendamt und von<br />
Sozialarbeitern. Doch das Misstrauen der kranken Frauen, die viel Erfahrung <strong>mit</strong> Sozialarbeit und Psychiatrie<br />
<strong>mit</strong>bringen, schwinde erst, wenn sie die Grundlage der PiB-<strong>Arbeit</strong> selbst erleben könnten. „Wir akzeptieren deren<br />
Leben! Ohne diese Akzeptanz, die auch Patenfamilien <strong>mit</strong>bringen müssen, gelingt die Patenschaft nicht“,<br />
sagt Bollwahn. „Und auch <strong>mit</strong> diesem Grundverständnis haben wir nicht nur Erfolge.“<br />
<strong>DBSH</strong>-Landesrundbrief <strong>Niedersachsen</strong>/Hamburg/Bremen/Schleswig-Holstein 01/10 Seite 9
<strong>Soziale</strong> <strong>Arbeit</strong> <strong>mit</strong> <strong>psychisch</strong> <strong>Erkrankten</strong><br />
Oft sei die Krankheit ein ganz eigener und schwer kalkulierbarer Faktor – übrigens auch für Patenfamilien, die<br />
sich <strong>mit</strong> gutem Willen auf ein Experiment einlassen, das die Großen und die Kleinen am Ende enttäuscht zurücklassen<br />
kann.<br />
Auch solche Tiefschläge sind in Bollwahns <strong>Arbeit</strong>szimmer auf Postkarten dokumentiert. „Wir haben uns in den<br />
Ferien erholt und frisch aufgetankt. Sie können uns wieder anrufen“, schrieb beispielsweise eine Familie, die<br />
den schmerzhaften Abbruch der Patenschaft durch eine Mutter erst verarbeiten musste. Zwischen dem Kind der<br />
Familie und dem Patenkind hatte sich eine Beziehung entwickelt – die enttäuscht wurde. „Aus der Pädagogik<br />
können wir uns nicht alles erklären“, sagt die Sozialpädagogin Gudrun Bollwahn. „Ein Psychiater weiß da sicher<br />
mehr.“ Sie selbst hat <strong>mit</strong> kranken Müttern gesprochen, die offen sagen, dass die Patenschaft dem Kind gut tut –<br />
dass sie selber jedoch die Situation nicht ertragen können.<br />
Am schwierigsten fällt es der Bremer Sozialpädagogin<br />
dann, <strong>mit</strong> anzusehen wie ein Abbruch dem Kind<br />
Unterstützung entzieht, wie nur Paten sie bieten: Da<br />
dürfen Kinder Kind sein – und müssen nicht die Verantwortung<br />
für kranke Eltern übernehmen. Da gibt es<br />
keine belastenden Geheimnisse über Krankheit und<br />
die Familie – sondern alle wissen Bescheid. Und da<br />
gibt es regelmäßig Essen, Zuneigung und die notwendigen<br />
Regeln, wie es in einem Haushalt, wo<br />
Krankheit regiert, so nicht garantiert ist. „Diese Verlässlichkeit<br />
und Kontinuität stärkt die Kinder für ihr<br />
Leben. Das ist der Sinn des Programms“, sagt Bollwahn.<br />
Wer im Leben früher schon positive Erfahrungen von<br />
Fürsorge und Zusammenhalt gemacht hat, kann als<br />
kranker Mensch eher Hilfe annehmen, beobachtet<br />
Bollwahn. „Und wenn die Mütter ihr Kind bei Paten<br />
gut aufgehoben wissen, fällt ihnen der nächste Klinikaufenthalt<br />
leichter.“ Doch auch die Patenfamilie gewinne<br />
neue Einsichten und Erfahrungen. „Manche<br />
Paten melden zurück, dass ihre eigenen Kinder umsichtiger<br />
werden. Bei anderen genießen die Kinder<br />
den neuen Kontakt als neue Freundschaft.“<br />
Anders als ursprünglich erwartet, ist für das Gelingen einer Patenschaft weniger bedeutsam, ob sie nahe am<br />
Wohnort des Kindes angeboten wird. Zwar erleichtert das dem Kind Übergänge – nehme Müttern aber auch die<br />
Anony<strong>mit</strong>ät, die sie manchmal brauchen. Eine wichtige Erkenntnis für PiB sei zudem gewesen, dass ein fester<br />
Ablaufplan für Patenschaften kaum funktioniere, sagt Bollwahn. Im Interesse der Kinder und aller Beteiligten<br />
brauche es für das Gelingen einer Patenschaft viele individuelle, <strong>mit</strong> Einfühlung gestaltete Kontakte. Das bestätigt<br />
auch eine jüngste Evaluation des Programms.<br />
Hochgerechnet 2.000 Bremer Kinder leben übers<br />
Jahr da<strong>mit</strong>, dass ihre Eltern wegen einer <strong>psychisch</strong>en<br />
Erkrankung in eine Klinik müssen – und<br />
für die Erziehung vorübergehend ausfallen.<br />
Das PiB-Patenschaftsprogramm bietet betroffenen<br />
Kindern und Eltern Entlastung. Seit 2004<br />
gab es 231 Anfragen nach einer Patenschaft<br />
durch Kranke oder ihre UnterstützerInnen, 38<br />
Ver<strong>mit</strong>tlungen und 83 fortgeschrittene Anbahnungen,<br />
die im Prozess abgebrochen wurden.<br />
Insgesamt wurden 1188 Beratungskontakte gezählt.<br />
Weitere Informationen finden Sie unter<br />
www.pib-bremen.de. Auskunft erteilt Gudrun<br />
Bollwahn, PiB, Tel.: 0421-95 88 20 - 43.<br />
PiB<br />
Pflegekinder<br />
in Bremen gGmbH<br />
Information, Ver<strong>mit</strong>tlung und Begleitung von<br />
Tagespflege, Vollzeitpflege und Patenschaften<br />
Bahnhofstraße 28 – 31<br />
28195 Bremen<br />
Tel. Zentrale: 0421-95 88 20-0<br />
Tel. Durchwahl: 0421-95 88 20-43<br />
Fax: 0421-95 88 20-45<br />
Seite 10 <strong>DBSH</strong>-Landesrundbrief <strong>Niedersachsen</strong>/Hamburg/Bremen/Schleswig-Holstein 01/10
<strong>Soziale</strong> <strong>Arbeit</strong> <strong>mit</strong> <strong>psychisch</strong> <strong>Erkrankten</strong><br />
Ambulant betreutes Wohnen - Ein Wegweiser<br />
Eine Eingliederungshilfemaßnahme ● Manuela Schellworth<br />
Wer kann diese Hilfe in Anspruch nehmen?<br />
Menschen, die von einer seelischen Behinderung betroffen<br />
oder bedroht sind, die von Dauer oder mindestens 6 Monate<br />
anhält und die so<strong>mit</strong> zum Personenkreis gemäß §§ 53,<br />
54 SGB XII gehören. Folgende Erkrankungen können zu<br />
einer solchen seelischen Behinderung führen:<br />
� Körperlich nicht begründbare Psychosen<br />
� Seelischen Störungen als Folge von Krankheiten oder<br />
Verletzungen des Gehirns, von Anfallsleiden oder von<br />
anderen Krankheiten oder körperlichen Beeinträchtigungen<br />
� Suchtkrankheiten<br />
� Neurosen und Persönlichkeitsstörungen<br />
� Essstörungen und autistische Erkrankungen zählen<br />
<strong>mit</strong>tlerweile auch dazu.<br />
Weitere Kriterien sind:<br />
� Das Angebot wird freiwillig in Anspruch genommen<br />
� Es sollte die Fähigkeit vorhanden sein, <strong>mit</strong> dieser<br />
Unterstützungsform allein in einer Wohnung leben zu<br />
können, in einer WG oder <strong>mit</strong> Partner/Partnerin, als<br />
Familie oder bei den Eltern<br />
� Der Wohnsitz muss in der Stadt oder Region Hannover<br />
ansässig sein oder werden.<br />
Wie bekommt man ABW und wer kann es verordnen?<br />
Das Aufsuchen eines Psychiaters oder einer Sozialpsychiatrischen<br />
Beratungsstelle ist von Nöten. Diese müssen eine<br />
psychiatrische Diagnose stellen und die Empfehlung für o.<br />
g. Eingliederungshilfeform geben. D.h., es muss offensichtlich<br />
sein, dass der Patient/Patientin ihr Leben bzw. ihren<br />
Alltag ohne diese Form der Eingliederungshilfe nicht bewerkstelligen<br />
kann und so<strong>mit</strong> vom gesellschaftlichen Leben<br />
ausgeschlossen zu werden droht und/oder sich die Krankheit<br />
und für die betroffene Person störenden Verhaltensauffälligkeiten<br />
manifestieren und Krankenhausaufenthalte<br />
vorprogrammiert sind.<br />
Psychiatrische Krankenhäuser und gesetzliche Betreuer<br />
sowie jede/r Betroffene selbst kann einen Antrag auf Eingliederungshilfe<br />
stellen.<br />
Betroffene wenden sich an Werte e.V., weil sie von uns<br />
gehört oder gelesen haben, durch Empfehlung oder weil<br />
der Name so „gut und passend“ klingt. Wir laden zu einem<br />
unverbindlichen Infogespräch ein (bei uns im Büro oder<br />
als Hausbesuch oder in einem Café). Dort erfragen wir<br />
� die individuelle Situation, den Grund der Anfrage und<br />
welche Ziele <strong>mit</strong> unserer Hilfe erreicht werden sollen<br />
� den finanziellen Hintergrund, die psychiatrische Karriere<br />
/ Arzt und welche Schritte schon zu Erlangung der<br />
Hilfe gegangen wurden und<br />
� stellen unserer <strong>Arbeit</strong> und unser Team vor und bieten<br />
Hilfestellung bei der Beantragung an.<br />
Folgende Schritte müssen/können eingeleitet werden:<br />
� Termin <strong>mit</strong> Psychiater zum Ausfüllen einer Fachärztlichen<br />
Stellungnahme<br />
� Termin <strong>mit</strong> uns zum Ausfüllen des Sozialhilfeantrages<br />
für die Kostenübernahme und Anschreiben für die Hilfebeantragung<br />
bei der Region Hannover, Fachbereich<br />
Gemeindepsychiatrie<br />
� Einladung zur Hilfekonferenz beim zuständigen sozialpsychiatrischen<br />
Dienst. Der/die Betroffene kann eine<br />
Person seines/ihres Vertrauens dazu <strong>mit</strong>nehmen.<br />
� Die Hilfe wird empfohlen. Ziele, Stärken und Schwächen,<br />
Zeit und Dauer der Hilfe werden in einem Hilfeplanprotokoll<br />
festgehalten und an den zuständigen Kostenträger<br />
geschickt (Kopie gehen an den Adressaten<br />
und bei Wunsch an den Anbieter).<br />
Wie arbeiten wir:<br />
Wir bieten eine individuelle sozialpädagogische Begleitung.<br />
Die Hilfe wird geleistet durch<br />
� Hausbesuche, ausserhäusige Kontakte oder Bürokontakte<br />
an Werktagen<br />
� mehrere Kontakte in kritischen Phasen bzw. auch<br />
Hilfen am Wochenende – unabhängig von unserer<br />
Leistungsvereinbarung individuell zugeschnitten.<br />
Die Dauer der Hilfe richtet sich nach dem persönlichen<br />
Bedarf und wird 1-2x im Jahr von der Hilfekonferenz und<br />
dem Kostenträger überprüft. Die Betreuungsinhalte orientieren<br />
sich am Einzelfall und können beispielsweise sein:<br />
� Begleitung zu Ämtern, Hilfen bei Antragstellungen<br />
� Systemische Beratung und Begleitung bei Inanspruchnahme<br />
sozialer, therapeutischer und medizinischer Hilfen<br />
� Unterstützung bei der Wohnungs-, Körper- und Kleiderpflege,<br />
bei Ernährungsfragen<br />
� Hilfe bei der Wohnraumbeschaffung<br />
� Ver<strong>mit</strong>tlung von weiterführenden Hilfen<br />
� Beratung im Umgang <strong>mit</strong> Finanzen<br />
� Krisen- und Konfliktintervention<br />
� Einbeziehung von Familienangehörige, Freunden (nach<br />
Wunsch), Kontaktaufbau und –pflege<br />
� Nutzung der sozialräumlichen Ressourcen.<br />
Rechtliche Grundlagen<br />
Eingliederungshilfe für Erwachsene <strong>mit</strong> <strong>psychisch</strong>en Erkrankungen<br />
im Rahmen des Ambulant Betreuten Wohnen<br />
gemäß §§ 53,54 SGB XII.<br />
Autorin:<br />
Manuela Schellworth<br />
Dipl.-Sozialpädagogin/Sozialarbeiterin, Sozialmanagement<br />
stellvertr. päd. Leitung „Werte e.V. – Verein für soziale Dienste“, Hannover<br />
<strong>DBSH</strong>-Landesrundbrief <strong>Niedersachsen</strong>/Hamburg/Bremen/Schleswig-Holstein 01/10 Seite 11
<strong>Soziale</strong> <strong>Arbeit</strong> <strong>mit</strong> <strong>psychisch</strong> <strong>Erkrankten</strong><br />
Intensives „Sich Kümmern“ rund um die Uhr<br />
<strong>Arbeit</strong> in der stationären Jugendhilfe <strong>mit</strong> <strong>psychisch</strong> kranken Kindern und Jugendlichen ● Jana Görndt<br />
In der Jugendhilfeeinrichtung „Mühlenhof<br />
Eilte“ finden seit dem Jahr 1994 Kinder<br />
und Jugendliche <strong>mit</strong> <strong>psychisch</strong>en Störungen<br />
und starken Verhaltensauffälligkeiten,<br />
<strong>mit</strong>ten in der Natur ein neues, überschaubares<br />
Zuhause. Bei uns leben sieben zu<br />
Betreuende zwischen sechs und 18 Jahren<br />
aus verschiedenen Landkreisen. Die Unterbringung<br />
findet meist nach dem § 35a<br />
SGB VIII statt. Die Diagnosen, <strong>mit</strong> denen<br />
die Kinder und Jugendlichen zu uns kom-<br />
men sind vielfältig: AD(H)S, Autismus,<br />
dissoziative Störung, Entwicklungsverzögerungen<br />
(z.B. Legasthenie), Bindungsstörung,<br />
(leichte) geistige Behinderung, sozial-emotionale<br />
Störungen <strong>mit</strong> Impulsivität,<br />
Enuresis, Borderline-Symptome. Der Umgang<br />
<strong>mit</strong> den durch diese Störungen entstehenden<br />
Problemen wie Schulverweigerung,<br />
Diebstähle, Zündeln, hohe Aggressivität,<br />
sexuelle Übergriffe, Abhauen und so<br />
weiter, sind unser tägliches Geschäft.<br />
Die Herausforderungen bei der <strong>Arbeit</strong> <strong>mit</strong> diesen Kindern und Jugendlichen sind facettenreich:<br />
� Hauptaufgabe für das Team ist, Strategien zu entwickeln, um die oft extremen Verhaltensweisen aushalten<br />
zu können. Erst wenn wir Wertschätzung und Respekt spürbar werden lassen und uns wirklich um das Kind<br />
kümmern, schaffen wir die Grundlage für das Einhalten unserer Regeln und Strukturen. Oftmals sind die<br />
Störungen so massiv, das Misstrauen gegenüber Erwachsenen so groß, dass allein das „nicht abhauen“ ein<br />
Erfolg ist.<br />
� Durch die „Grenzgänge“ unserer Klientel ist immer wieder die Zusammenarbeit <strong>mit</strong> Polizei und Psychiatrien<br />
gefragt. Diese ist durch unterschiedliche Interessenlagen, Ausbildungen und Schwerpunktsetzungen nicht<br />
immer einfach. Therapieplätze zu finden ist langwierig. Eine adäquate medikamentöse Behandlung zu erreichen<br />
ist nicht selten geprägt von Fehleinschätzungen und Rückschlägen.<br />
� Soweit die Kinder und Jugendlichen beschulbar sind besuchen sie verschiedene Förderschulen im Umkreis.<br />
Oft sind die Lehrer <strong>mit</strong> unserer Klientel überfordert, wir müssen bei uns beschulen, Schulbegleitungen organisieren<br />
und um die Finanzierung kämpfen sowie für jedes Kind intensiv um Kooperation der Schule werben.<br />
Eng gestrickte, hoch strukturierte Angebote <strong>mit</strong> gutem Betreuungsschlüssel, die für unsere Klientel<br />
notwendig sind, um Schulpflichterfüllung geschweige denn Wege in die Ausbildung zu meistern, sind Mangelware<br />
bzw. nicht vorhanden.<br />
� Die Elternarbeit ist bei uns davon geprägt, die Akzeptanz innerhalb der Familie zu fördern, dass der bessere<br />
Platz für ihr Kind außerhalb ihres engeren Systems ist. Eine Rückführung ist meistens nicht förderlich für<br />
das Kindeswohl, ohne die Mitarbeit der Eltern/Sorgeberechtigten fruchten aber unsere Interventionen nichts.<br />
Die Balance zwischen Unterstützung der Eltern in Erziehungsfragen („Was machen Sie beim Tagesbesuch?<br />
Wie reagieren Sie auf Regelbrüche?“) und andererseits der klaren Stärkung der Interessen des Kindes/Jugendlichen,<br />
dessen Abnabelung und Verselbstständigung bedarf großen Fingerspitzengefühls.<br />
Trotz dieser fordernden Kombination an Widrigkeiten<br />
und meist extremen Verhaltensauffälligkeiten der<br />
Kinder, die dadurch bislang nirgendwo anders einen<br />
Platz für sich fanden, können wir aus verschiedenen<br />
Gründen erfolgreich arbeiten:<br />
Die Lage des Mühlenhofes, außerhalb vom Dorf Eilte,<br />
<strong>mit</strong> dazugehörigem 40000qm Gelände <strong>mit</strong> Wald und<br />
teilweise am Ufer der Aller gelegenen Wiesen, ermöglicht<br />
erlebnispädagogisches <strong>Arbeit</strong>en (Kanutouren,<br />
Lagerfeuer, Baumhütten bauen). Die jungen Menschen<br />
können sich austoben, ohne sofort Ärger <strong>mit</strong><br />
Nachbarn zu bekommen. Sie ecken schon an so<br />
vielen Stellen in ihrem Leben an, fallen auf, müssen<br />
sich zusammennehmen, so dass sie hier positive<br />
Momente erleben. Auch bei uns müssen sich die uns<br />
anvertrauten Kinder und Jugendlichen zwar an Regeln<br />
halten, aber die Toleranzschwelle ist höher, als<br />
in anderen Bereichen der Gesellschaft. Wenn jemand<br />
aggressiv wird, lernt derjenige, das Haus zu verlassen,<br />
gegen Bäume zu treten oder in den Wald zu<br />
brüllen. Unser Briefkasten muss regelmäßig „leiden“,<br />
wird dann aber eigenhändig erneut eingegraben. Als<br />
nächstes wird <strong>mit</strong> dem/der Betroffenen das Ziel vereinbart,<br />
sich so weit zu kontrollieren, am Boxsack<br />
seine Wut abzulassen und dann wieder das Gespräch<br />
zu suchen. Durch die Abgeschiedenheit des Mühlenhofes<br />
sind potentielle Reize wie Geschäfte, „anheizende“<br />
Kumpel, Bahnhöfe etc. schwerer zu erreichen.<br />
Seite 12 <strong>DBSH</strong>-Landesrundbrief <strong>Niedersachsen</strong>/Hamburg/Bremen/Schleswig-Holstein 01/10
<strong>Soziale</strong> <strong>Arbeit</strong> <strong>mit</strong> <strong>psychisch</strong> <strong>Erkrankten</strong><br />
Das Umfeld erleichtert auch das Umsetzen weiterer pädagogischer Ziele: Die Kinder und Jugendlichen<br />
müssen die Dinge des Alltags, <strong>mit</strong> unserer Anleitung, selbst verrichten. Sie müssen unsere Katze Mickey und die<br />
Ponys Pica und Bella versorgen, beim Baumfällen helfen, das Holz hacken und herein tragen zum Kamin, da<strong>mit</strong><br />
es warm ist. Auch die Pflege des großen Grundstücks (Rasenmähertrecker fahren, Beete jäten, Instandhaltung<br />
der Weiden), Tischdienst, Badreinigung, Kochen und Backen am Wochenende, Autos sauber machen und alles<br />
andere, was in und ums Haus anfällt gehört dazu, wenn sie in unserer „Mikrogesellschaft Mühlenhof“ teilhaben<br />
wollen.<br />
Dafür gibt es klare Regeln und Strukturen. Beispiele: Mittagessen gibt es um 13 Uhr, bis 14:30 ist Mittagsruhe,<br />
dann holen die in der Übergabe festgelegten Ansprechpartner ihre Kinder aus dem Zimmer. Um 15 Uhr gibt es<br />
eine Kaffeezeit, ab 18 Uhr gehen nacheinander alle duschen, um 19 Uhr gibt es Abendbrot, um 21 Uhr ist Zimmerruhe.<br />
Die Hausregeln sind eindeutig: Wer den Gruppenraum oder die Küche ohne Erlaubnis betritt, bekommt<br />
Verbot für diese Räume und muss dadurch auf schöne Aktivitäten in ihnen verzichten. Wer den Flur ohne Hausschuhe<br />
betritt muss diesen fegen und wischen. Wer anderen Gewalt antut, kann nicht am gemeinsamen Essen<br />
teilnehmen oder Privilegien genießen (wie Fernsehen, Playstation spielen), sondern kann sich langweilen oder<br />
etwas für die Gemeinschaft arbeiten. So werden Verlässlichkeit und Routinen gegeben sowie Gesetze der Gesellschaft<br />
und die Konsequenzen ihrer Übertretung im Kleinen geübt.<br />
Da<strong>mit</strong> die Kinder und Jugendlichen sich auf die Regeln<br />
der „Mikrogesellschaft Mühlenhof“ einlassen<br />
können, bedarf dieses Klientel zusätzlich zu den<br />
günstigen Umgebungsfaktoren ein hohes Maß an<br />
professioneller Betreuung, sowie Fachlichkeit, Engagement<br />
und Geduld der Mitarbeiter. Hierfür ist ein<br />
Team von 4 Erzieherinnen und Erziehern und einer<br />
Sozialpädagogin rund um die Uhr verantwortlich. Sie<br />
werden unterstützt von drei Nachtbereitschaften, einer<br />
Hauswirtschafterin, einem Hausmeister <strong>mit</strong> landwirtschaftlicher<br />
Ausbildung und mehreren pädagogisch<br />
geschulten Aushilfen. So können wir meistens eine<br />
1:1 Betreuung gewährleisten, die diese Kinder benöti-<br />
gen. Ich selbst habe die Leitung des Mühlenhofes<br />
Anfang 2008 übernommen, bin die Tochter der beiden<br />
Gründer, die mich weiterhin beraten, und habe eine<br />
Ausbildung als Diplom-Psychologin und Verhaltenstherapeutin.<br />
Ich bin täglich für die Kinder und Jugendlichen<br />
sowie die Mitarbeiter ansprechbar. Kontinuierlich<br />
machen wir Fortbildungen (z.B. zum Thema „Deeskalation<br />
und Selbstverteidigung“), Fall- und Teamsupervision<br />
sowie Einrichtungssupervision durch die<br />
Kinder- und Jugendpsychiatrie. Nur so können wir<br />
unser fachliches Know-how ständig verbessern, unser<br />
Handeln überprüfen und emotionale Betroffenheit<br />
bearbeiten.<br />
Für diese intensive <strong>Arbeit</strong> Mitarbeiter zu finden, für die es selten Anerkennung gibt, die Erfolge oft<br />
niedrigschwellig sind (keine Straftaten, keine Psychiatrieaufenthalte, Schulpflicht erfüllen) und ein großes persönliches<br />
Engagement sowie extreme <strong>psychisch</strong>e Belastungsfähigkeit fordert, ist schwierig. Trotz aller Widrigkeiten<br />
macht aber gerade dieses <strong>Arbeit</strong>en außerhalb des „Normalen“, <strong>mit</strong> ständigen Grenzgängen und Finden individueller<br />
Nischen für die Kinder und Jugendlichen den Reiz und die Freude an dieser Tätigkeit aus.<br />
Dieser Artikel kann nur einen kleinen<br />
Einblick in die Dimensionen<br />
unserer <strong>Arbeit</strong> geben und viele<br />
Probleme nur anreißen. Wenn<br />
hierzu Fragen entstehen, Diskussion<br />
angeregt wird oder Mitstreiter<br />
motiviert werden können, bin ich an<br />
Rückmeldungen interessiert.<br />
Autorin:<br />
Jana Görndt<br />
www.muehlenhof-eilte.de<br />
kontakt@muehlenhof-eilte.de<br />
Telefon 05164/2763<br />
<strong>DBSH</strong>-Landesrundbrief <strong>Niedersachsen</strong>/Hamburg/Bremen/Schleswig-Holstein 01/10 Seite 13
<strong>Soziale</strong> <strong>Arbeit</strong> <strong>mit</strong> <strong>psychisch</strong> <strong>Erkrankten</strong><br />
Vom Umgang <strong>mit</strong> Ohnmachtsgefühlen<br />
„Was soll ich tun?“ - Handeln und Verstehen ● Annette Gleßner<br />
In meiner Tätigkeit als Dozentin an der Saxion Hogeschol<br />
(Fachhochschule für Sozialpädagogik) in Enschede , NL,<br />
begegnen mir Studenten, die Situationen aus ihrer Praxis<br />
schildern, in denen sie sich als ohnmächtig und überfordert<br />
erlebt haben. Die häufig gestellte Frage lautet dann: „Was<br />
hätte ich tun können, - was soll ich tun?“<br />
Diese Frage ist zugleich Indiz für ein Missverständnis. In<br />
Ohnmachtssituationen geht es zunächst nicht um das<br />
Handeln, sondern um das Verstehen. Nur der verstehende<br />
Zugang zur Situation bildet die ausreichende Grundlage für<br />
ein verantwortungsbewusstes Handeln.<br />
Eine Beispielsituation:<br />
Herr K., 29 Jahre alt, ca. 195 cm groß und normal gebaut, lebt in<br />
einer 2- Zimmer – Wohnung und wird aufgrund seiner psychiatrischen<br />
Erkrankung (Psychose aus dem schizophrenen Formenkreis)<br />
seitens des Ambulant Betreuten Wohnens für <strong>psychisch</strong><br />
erkrankte Erwachsene begleitet. Der zuständige Mitarbeiter führt<br />
regelmäßige Hausbesuche durch. Der Klient nimmt seine Medikamente<br />
oral und in Selbstverwaltung zu sich. In letzter Zeit hat<br />
sich das Zustandsbild des Klienten verschlechtert, er ist z.B.<br />
weniger in der Lage, seine Wohnung zu verlassen, zeigt geringen<br />
Antrieb, lässt sich jedoch nicht auf eine stationäre Krisenintervention<br />
ein.<br />
Der Mitarbeiter übergibt die Betreuung an seine Kollegin, da sein<br />
Jahresurlaub kurz bevorsteht. Er informiert sie über den aktuellen<br />
Stand, sieht zurzeit noch keine Möglichkeit, Herrn K, von einer<br />
stationären Behandlung zu überzeugen und bittet die Kollegin<br />
daher, sich bei regelmäßigen Hausbesuchen ein Bild der aktuellen<br />
Lage zu machen. Der Klient ist der Kollegin bekannt, jedoch<br />
liegt der letzte Kontakt ca. 1 Jahr zurück.<br />
Beim ersten Hausbesuch öffnet Herr K. im Morgenmantel die Tür<br />
und bittet Frau X in seine Wohnung. Die Wohnung ist unaufgeräumt,<br />
jedoch nicht verwahrlost. Herr K. wirkt im Gespräch leicht<br />
abwesend, ist nur bedingt erreichbar. Vorgeschlagene Aktionen<br />
außerhalb der Wohnung lehnt er ab. Nach ca. 30 Minuten beendet<br />
Frau X das Gespräch und will die Wohnung verlassen.<br />
Herr K. baut sich vor der Wohnungstür auf und schaut Frau X<br />
eindringlich an:<br />
„ Und was machen Sie,<br />
wenn ich Sie jetzt nicht gehen lasse?“<br />
Frau X spürt die von Herrn K. ausgehende Bedrohung körperlich.<br />
Sie erinnert sich an die Krankengeschichte, nach der er mehrfach<br />
gegenüber seiner Mutter gewalttätig geworden ist. Sie ist sich in<br />
diesem Moment nicht sicher, ob Herr K. noch differenzieren kann,<br />
wer vor ihm steht. Angesichts der empfundenen Hilflosigkeit und<br />
Ohnmacht antwortet Frau X: „ Dann kann ich gar nichts machen. „<br />
Diese Antwort, die das Machtverhältnis in dieser Situation ungeschönt<br />
beschreibt, bewirkt bei Herrn K., dass er aus seiner<br />
Gedankenwelt auftaucht und antwortet: „ Das war auch nur ein<br />
Scherz.“<br />
Er öffnet die Tür zum Flur und Frau X geht hinaus. Wieder im<br />
Auto sitzend wird ihr erst das Ausmaß der Gefahr bewusst, der<br />
sie ausgesetzt war. Einen Tag später wird Herr K. in stationäre<br />
Behandlung eingewiesen.<br />
Welche Ebenen von Ohnmacht wurden in dieser Situation<br />
deutlich?<br />
Die interpersonelle Ebene<br />
Frau X kannte Herrn K. von früher als sehr sympathischen jungen<br />
Mann, hatte ihm aber nie in einer akuten psychotischen Phase<br />
erlebt. Entsprechend irritiert war sie durch die plötzliche Verschärfung<br />
der Gefährdungslage. Sie blieb im Kontakt authentisch und<br />
setzte so auf die Beziehungsebene.<br />
Grundlage ihrer Haltung war die „unbedingte Wertschätzung“ im<br />
Sinne von „eine Person schätzen, ungeachtet der verschiedenen<br />
Bewertungen, die man selbst ihren Verhaltensweisen gegenüber<br />
hat" (Rogers, 1959, S.35)<br />
Diese radikale Form der Wertschätzung drückte sich in der Akzeptanz<br />
der körperlichen Unterlegenheit und des Ausgeliefertseins<br />
aus.<br />
Die strukturelle Ebene<br />
Frau X arbeitete in Vertretung. Eine Übergabe hatte zwar stattgefunden,<br />
jedoch ist eine gemeinsam vorgenommene Einschätzung<br />
der Gefährdungslage unterblieben. Frau X. war sich nicht bewusst,<br />
wieweit Herr K. bereits in sein psychotisches Erleben<br />
verstrickt war. Gerade die Schnittstelle der Vertretungssituation<br />
bedarf einer gründlichen Vorbereitung. Ungeachtet dessen bleibt<br />
<strong>mit</strong> Margret Dörr festzustellen: „ Professionelles Handeln hat es …<br />
<strong>mit</strong> komplexen, nicht standardisierbaren Problemstellungen zu<br />
tun, die nur in Kooperation (Koproduktion) <strong>mit</strong> den Betroffenen<br />
bearbeitet werden können. Es ist immer ein `Handeln <strong>mit</strong> Risiko´„<br />
(Dörr, 2005, S.93)<br />
Die persönliche Ebene<br />
Bei gleichzeitiger Zugewandtheit war Frau X sich der Gefährdung<br />
in dieser Situation durchaus bewusst. Sie war langjährig tätig in<br />
der Psychiatrie und wusste, dass es galt, jegliche Eskalation und<br />
jeglichen Machtkampf zu vermeiden. Sie benannte Herrn K.<br />
gegenüber die Situation deshalb klar und deutlich, jedoch nicht<br />
aggressiv oder anklagend. Dörr spricht in diesem Zusammenhang<br />
von „ affektiver Kompetenz „ als „ insbesondere zur Bewältigung<br />
von Belastungssituationen <strong>mit</strong> den Adressaten erforderliche<br />
Fähigkeit „ Affektive Kompetenz umschreibt die Fähigkeit, „ sich<br />
auf individuelle Problemlagen einzulassen „ und selbstreflexiv <strong>mit</strong><br />
( Gegen-) Übertragungsreaktionen umgehen zu können. ( Dörr,<br />
2005 S. 99 + 100 )<br />
Ohnmachtsgefühle sind ein wichtiger diagnostischer Indikator,<br />
spiegeln sie doch auch eine Facette des Innenlebens des Gegenübers.<br />
Es gilt sie ernst zu nehmen, auf keinen Fall zu ignorieren,<br />
sie stattdessen als Anlass zu nehmen, inne zuhalten. Dem Wiedergewinnen<br />
der Handlungsfähigkeit geht das Verstehen der<br />
Situation voraus. Wie das obige Beispiel zeigt, kann explizites<br />
Nicht – Handeln das einzig angezeigte Handeln sein.<br />
Literaturhinweise<br />
Dörr, Margret ( 2005 ): <strong>Soziale</strong> <strong>Arbeit</strong> in der Psychiatrie, München, Basel<br />
UTB<br />
Rogers, C.R. (1959 dt. 1991): Eine Theorie der Psychotherapie der<br />
Persönlichkeit und der zwischenmenschlichen Beziehungen, Köln GwG<br />
Autorin:<br />
Annette Gleßner<br />
Supervisorin und Dozentin an der Saxion Hogeschol, Enschede NL<br />
Kleiner Send 2, 48477 Hörstel<br />
Seite 14 <strong>DBSH</strong>-Landesrundbrief <strong>Niedersachsen</strong>/Hamburg/Bremen/Schleswig-Holstein 01/10
Netzwerkbildung<br />
Kinder <strong>psychisch</strong> kranker<br />
Eltern in Bremen<br />
● Birgit Kramer & Monika Meyer<br />
Der <strong>Arbeit</strong>skreis (AK) „Kinder <strong>psychisch</strong> kranker<br />
Eltern“ hat sich im Jahr 2000 nach einem Fachtag in<br />
Bremen gebildet. Vierteljährlich kommen hier<br />
regelmäßig ca. 15 Vertreter/innen aus den Bereichen<br />
Kinder- und Jugendhilfe, Kinder- und Jugendpsychiatrie,<br />
Erwachsenenpsychiatrie und Gesundheitswesen<br />
zum professionellen Austausch zusammen.<br />
Im September 08 wurden im AK die „Handlungsempfehlungen zur<br />
Netzwerkbildung für Kinder <strong>psychisch</strong> kranker Eltern“ von Trägern<br />
der Gemeindepsychiatrie und der Jugendhilfe der Stadt Duisburg<br />
vorgestellt (Informationen hierzu im Internet unter: www.psagduisburg.de).<br />
Der AK entschloss sich, auf Basis der Erfahrungen in Duisburg die<br />
Netzwerkbildung für die Zielgruppe Kinder von <strong>psychisch</strong> kranken<br />
Eltern in Bremen konkret umzusetzen. Da<strong>mit</strong> verbunden ist die<br />
Hoffnung, dass die Schwierigkeiten in der Zusammenarbeit<br />
zwischen Kinder- und Jugendhilfe und der Psychiatrie abgebaut<br />
werden und sich im Sinne des Kindesschutzes eine Kooperation der<br />
Fachkräfte entwickelt, in der die Bedürfnisse der Kinder <strong>psychisch</strong><br />
kranker Eltern und die Bedarfe der Erwachsenen angemessen<br />
berücksichtigt werden.<br />
Es wurde aus dem AK heraus eine Steuerungsgruppe <strong>mit</strong> vier<br />
Fachkräften aus unterschiedlichen Einrichtungen gebildet. Diese<br />
haben die Aufgabe, den Prozess der Netzwerkbildung anzuschieben<br />
und eng zu begleiten. Ebenso ist es notwendig, dass<br />
Öffentlichkeit hergestellt wird und die Fachkräfte aus der<br />
Steuerungsgruppe zunächst als Ansprechpartner/innen für weitere,<br />
interessierte Einrichtungen zur Verfügung stehen.<br />
Bei der Auftaktveranstaltung im Februar 09 waren zusätzlich zu den<br />
o.g. Institutionen Vertreter/innen des Amtes für <strong>Soziale</strong> Dienste<br />
anwesend. Um die betroffenen Kinder und deren Eltern konstruktiv<br />
und nachhaltig zu unterstützen, wurde als wesentliche Zielsetzung<br />
des Netzwerks benannt:<br />
� die Zusammenarbeit der Systeme „Kinder- und Jugendhilfe“,<br />
„Kinder- und Jugendpsychiatrie“ und „Erwachsenenpsychiatrie“<br />
(ambulant und stationär) zu optimieren,<br />
� Verbindlichkeiten zu schaffen,<br />
� neue Angebote für die Zielgruppe Kinder <strong>psychisch</strong> kranker<br />
Eltern einzurichten,<br />
� die Frage der Verantwortlichkeit zu klären, da<strong>mit</strong> weitere<br />
notwendige Hilfsangebote für die Familien installiert werden<br />
können<br />
� und Ansprechpartner/innen in den Netzwerkinstitutionen zu<br />
benennen.<br />
<strong>Soziale</strong> <strong>Arbeit</strong> <strong>mit</strong> <strong>psychisch</strong> <strong>Erkrankten</strong><br />
Das Netzwerk versteht sich als offenes System. Interessierte<br />
Einrichtungen ordnen sich auf den Netzwerktreffen den<br />
einzelnen <strong>Arbeit</strong>sgruppen zu. Neue Netzwerk<strong>mit</strong>glieder sind<br />
jederzeit herzlich willkommen.<br />
Im Juni und November 09 fanden Folgetreffen statt, auf<br />
denen die jeweiligen Ergebnisse der <strong>Arbeit</strong>sgruppen vorgestellt<br />
und weitere <strong>Arbeit</strong>sschritte verabredet wurden. Folgende<br />
Ergebnisse konnten in den vier <strong>Arbeit</strong>sgruppen<br />
schon erzielt werden:<br />
1. Öffentlichkeitsarbeit/Online-Vernetzung<br />
Die Gruppe berichtet halbjährlich über den Verlauf der Netzwerkbildung<br />
in dem Faltblatt „Neues vom Netzwerk“. Eine Onlinevernetzung<br />
wurde bereits umgesetzt: Auf der Web-Seite<br />
www.familiennetz-bremen.de können am Netzwerk interessierte<br />
Fachkräfte sich für das interne Forum „Kinder <strong>psychisch</strong> kranker<br />
Eltern“ anmelden und den Informationsaustausch aktiv <strong>mit</strong>gestalten.<br />
2. Aufbau von Kindergruppen<br />
In dieser Gruppe haben Vertreter/innen unterschiedlicher Institutionen<br />
ein Konzeptes für fachlich organisierte Kindergruppen entwickelt<br />
(Zugang zur Kindergruppe, Kontakt zu den Eltern, fachliche<br />
Standards, Anforderungen an das Personal, Datenschutz...). In<br />
Kooperation <strong>mit</strong> dem Amt für <strong>Soziale</strong> Dienste wurde die befristete<br />
Finanzierung für eine erste Kindergruppe organisiert.<br />
3. Regionale Recherche über vorhandene Angebote in Bremen<br />
Die Gruppe ist bei ihren Recherchen auf viel Interesse gestoßen.<br />
Die Sozialraumkoordinator/innen des Amtes für <strong>Soziale</strong> Dienste<br />
konnten für die weitere Entwicklung des Netzwerkes gewonnen<br />
werden. In der Region Bremen-Nord wird demnächst der Kontakt<br />
<strong>mit</strong> den ansässigen Kinderärzt/innen zur Regelung einer verbesserten<br />
Zusammenarbeit hergestellt.<br />
4. Entwicklung von Kommunikationsstrukturen, Erarbeitung<br />
von Kooperationsverträgen, Anwerben neuer Netzwerk<strong>mit</strong>glieder<br />
Die Gruppe hat einen Entwurf für einen Kooperationsvertrag<br />
erarbeitet. Vertreter/innen des Netzwerks haben das Netzwerk und<br />
die dort vertretenden Einrichtungen in den vier regionalen psychiatrischen<br />
Behandlungszentren in Bremen vorgestellt.<br />
Die Planung für 2010 sieht vor, Kommunikationsstrukturen<br />
und konkrete Verfahrensregelungen zwischen den Netzwerkpartner/innen<br />
zu gestalten und den Kooperationsvertrag<br />
<strong>mit</strong> Leben zu füllen. Schon jetzt zeigt sich, dass die<br />
Kommunikation zwischen den Bereichen Kinder- und Jugendhilfe<br />
und Gesundheitswesen sich verbessert, es<br />
schneller zu gemeinsamen Helferkonferenzen kommt und<br />
die Fachlichkeit der verschiedenen Institutionen gezielter<br />
eingesetzt und angefragt wird.<br />
Autorinnen:<br />
Birgit Kramer<br />
Diplom-Pädagogin, Fachberatung in der Sozialpädagogischen Familienhilfe<br />
Monika Meyer<br />
Dipl. Sozialpädagogin, Ressourcen- und lösungsorientierte Sozialtherapeutin<br />
(für die Steuerungsgruppe „Netzwerkbildung für Kinder <strong>psychisch</strong> kranker<br />
Eltern in Bremen“)<br />
<strong>DBSH</strong>-Landesrundbrief <strong>Niedersachsen</strong>/Hamburg/Bremen/Schleswig-Holstein 01/10 Seite 15
<strong>Soziale</strong> <strong>Arbeit</strong> <strong>mit</strong> <strong>psychisch</strong> <strong>Erkrankten</strong><br />
Doppeldiagnose Psychose und Sucht<br />
Sozialtherapie <strong>mit</strong> Perspektiven im Krelinger Reha-Zentrum (Walsrode) ● Hartmut Lauter<br />
Es wird zu Recht darauf hingewiesen, dass Menschen,<br />
die an einer <strong>psychisch</strong>en Störung und gleichzeitig an<br />
substanzgebundenem Suchtverhalten leiden, bislang<br />
nicht zureichend versorgt werden. Auch der Übergang<br />
von persönlich stabilisierenden, medizinischen und<br />
therapeutischen Maßnahmen zu Leistungen der<br />
Teilhabe am <strong>Arbeit</strong>sleben gelingt diesen Menschen oft<br />
nicht oder nur unter großen Schwierigkeiten. Sie<br />
gelten als „Systemsprenger“ und sind insofern Beleg<br />
für Defizite im Versorgungssystem.<br />
Wenn wir davon ausgehen, dass unter schizophrenen Patienten der<br />
Alkoholismus mindestens 3-mal häufiger und andere Substanzen<br />
mindestens 6-mal häufiger im Vergleich zu einer Durchschnittspopulation<br />
vorkommen (Gouzoulis-Mayfrank, 2007), wird deutlich,<br />
dass die komorbiden Patienten keinesfalls eine Randgruppe<br />
darstellen.<br />
Als wir vor einigen Jahren in unserer stationären Sozialtherapie für<br />
Menschen <strong>mit</strong> seelischen Behinderungen/Erkrankungen vor die<br />
Herausforderung gestellt wurden, <strong>mit</strong> Rehabilitanden zu arbeiten,<br />
die neben der seelischen Erkrankung einen Suchthintergrund und<br />
auch weitere Störungen aufwiesen, lag dies nicht unbedingt in<br />
unserer Planung. Die Menschen fragten um Hilfe nach, wir wollten<br />
sie nicht abweisen, und so erfolgte eine Mitbetreuung im Rahmen<br />
unseres vorhandenen Konzeptes. Inzwischen liegt ein indikatives<br />
Konzept vor, das die besonderen Herausforderungen berücksichtigt,<br />
vor die uns dieses Klientel stellt.<br />
Wir verfügen in unserer Einrichtung zwar über langjährige<br />
Erfahrungen sowohl in der Entwöhnungsbehandlung Drogenabhängiger<br />
als auch in der Sozialtherapie von Menschen <strong>mit</strong> seelischen<br />
Erkrankungen; doch in der Umsetzung dieses Konzeptes, das eine<br />
Behandlung beider Symptomgruppen gleichzeitig vorsieht, ist<br />
unsere Praxiserfahrung noch ausbaufähig.<br />
Wir verstehen uns als ein Teilangebot einer Versorgungskette und<br />
wollen vorrangig sozialtherapeutisch und (im Anschluss daran)<br />
beruflich rehabilitierend die <strong>Arbeit</strong> der Fachkrankenhäuser<br />
weiterführen. Die Aufnahmen erfolgen überwiegend überregional<br />
aber auch aus unserer Region.<br />
Unsere Hilfe ist aufgrund der komplexen Störungen der Betroffenen,<br />
längerfristig angelegt, und die Therapiezeiten werden individuell<br />
festgelegt.<br />
Die Einrichtung gilt vom Leistungstyp her als Wohneinrichtung <strong>mit</strong><br />
heiminterner Tagestruktur, und die Finanzierung erfolgt i.d.R. nach<br />
dem SGB XII (Sozialhilfe), in Einzelfällen auch nach dem SGB VIII<br />
(Jugendhilfe).<br />
Doppeldiagnose – das Verständnis<br />
Unter Doppeldiagnose wird in der Psychiatrie ein Spezialfall<br />
von Komorbidität verstanden, der das zeitliche Zusammentreffen<br />
eines Missbrauchs bzw. einer Abhängigkeit von einer<br />
oder mehreren psychotropen Substanzen und einer anderen<br />
<strong>psychisch</strong>en Störung (z. B. Schizophrenie, Depression)<br />
beschreibt. (Evans & Sullivan 1990).<br />
Wir gehen <strong>mit</strong> Gouzoulis-Mayfrank (2007) einerseits davon<br />
aus, dass das Suchtverhalten eine Reaktion bzw. einen<br />
ungünstigen Coping-Versuch auf direkte Symptome oder<br />
Auswirkungen der psychotischen Erkrankung darstellt<br />
(Selbstmedikationshypothese/Affektregulationsmodell). Das<br />
zweite Modell der Komorbidität besagt, dass durch den<br />
Konsum psychotroper Substanzen Psychosen induziert<br />
werden (Psychoseinduktion). Schließlich ist es vorstellbar,<br />
dass bei einzelnen Patienten eine Kombination aus den<br />
Mechanismen beider Modelle vorliegen kann.<br />
Personenkreis (unserer Einrichtung)<br />
Bei den <strong>psychisch</strong>en Erkrankungen handelt es sich in der<br />
Regel um (schizophrene) Psychosen und Persönlichkeitsstörungen.<br />
Bei den Suchtstörungen handelt es sich um nicht (mehr)<br />
klinisch zu behandelnde Abhängigkeiten (in der Regel<br />
Polytoxikomanien), die wir als Suchthintergrund bezeichnen.<br />
Die <strong>psychisch</strong>e Beeinträchtigung steht im Vordergrund.<br />
Der sozialtherapeutische Ansatz<br />
Die sozialtherapeutische Hilfe für Menschen <strong>mit</strong> der Doppeldiagnose<br />
Psychose und Sucht erfordert ein Konzept, in<br />
dem stützende und begleitende Vorgehensweisen (wie in<br />
der Versorgung <strong>psychisch</strong> Kranker) <strong>mit</strong> einem auf Eigenverantwortlichkeit<br />
und Konfrontation abzielenden therapeutischen<br />
Setting (wie in der Suchttherapie) verzahnt sind.<br />
Wir sehen das komplexe Störungsbild Psychose / Sucht<br />
in einem Zusammenhang <strong>mit</strong><br />
� einer ausgeprägten Ich-Schwäche, regressiven Tendenzen<br />
und Störungen in der Beziehungsfähigkeit,<br />
� Entwicklungsverzögerungen, daraus folgender misslingender<br />
Alltagsbewältigung und Schwierigkeiten im Umgang<br />
<strong>mit</strong> der eigenen Emotionalität<br />
� Defiziten im Sinn- und Werteerleben.<br />
Vor diesem Hintergrund impliziert unser Konzept folgende<br />
Schwerpunkte:<br />
� Die therapeutische Gemeinschaft <strong>mit</strong> ihren besonderen<br />
Chancen und Herausforderungen und deren<br />
Einordnung in das einrichtungsinterne Netzwerk der<br />
Hilfe <strong>mit</strong> den verschiedenen, unseren rehabilitativen<br />
Ansatz unterstützenden Modulen.<br />
� Die persönliche/therapeutische Beziehung, bei<br />
der den Rehabilitanden Akzeptanz, Wertschätzung und<br />
persönliche Wärme und Verstehen entgegen gebracht<br />
werden, in der aber auch das Orientierende, ggf. auch<br />
Grenzen und Regeln setzende Gegenüber erlebbar<br />
wird.<br />
� Wir geben explizit Gelegenheit zu Diskussionen<br />
und persönlichen Gesprächen über Fragen nach Lebenssinn,<br />
über das, was wertvoll sein soll und das,<br />
was das Leben erfüllend machen kann.<br />
Seite 16 <strong>DBSH</strong>-Landesrundbrief <strong>Niedersachsen</strong>/Hamburg/Bremen/Schleswig-Holstein 01/10
Die therapeutische Gemeinschaft<br />
Die Umsetzung des Konzeptes erfolgt<br />
im Rahmen der therapeutischen Gemeinschaft<br />
von Hof Birkengrund <strong>mit</strong> 14<br />
Bewohnerplätzen zuzüglich einer<br />
Außenwohngruppe für das Realitätstraining<br />
<strong>mit</strong> 3 Plätzen.<br />
Diese Teileinrichtung, ein ehemals<br />
landwirtschaftliches Anwesen, befindet<br />
sich etwas abseits der Wohnbebauung,<br />
von Wald und Wiesen umgeben,<br />
zwischen den Ortschaften Krelingen<br />
und Hodenhagen.<br />
Diese Lage hat sich als hilfreich herausgestellt,<br />
um den Bewohnern den<br />
Zugang zu Rausch<strong>mit</strong>teln zu erschweren<br />
und auch um Konflikte <strong>mit</strong> angrenzend<br />
Wohnenden zu vermeiden.<br />
<strong>Soziale</strong> <strong>Arbeit</strong> <strong>mit</strong> <strong>psychisch</strong> <strong>Erkrankten</strong><br />
In diesem Setting gelten klare Ordnungen<br />
und erkennbare Grenzen als<br />
Hilfe zur Selbststeuerung. Die Abläufe<br />
sind durch den überschaubar strukturierten<br />
Tages- und Wochenplan gut<br />
einsehbar vorgegeben. Das<br />
Aufeinanderachthaben, die gegenseitige<br />
Unterstützung, das Erleben von<br />
Schutz und Herausforderung, das<br />
Sich-Identifizieren <strong>mit</strong> gemeinsamen<br />
Zielen und Anliegen hat einen wichtigen<br />
Stellenwert. Die für die Gemeinschaft<br />
zu leistenden <strong>Arbeit</strong>en wie<br />
Kochen, Waschen, Säubern der Räume,<br />
Renovierung, Reparaturen, Gartenarbeit<br />
sowie projektorientierte<br />
Auftragsarbeiten lassen sich in übersichtliche<br />
Verantwortungsbereiche<br />
gliedern.<br />
Krelinger Reha-Zentrum - Netzwerk der Hilfe<br />
(Schaubild aus dem Prospekt der Einrichtung)<br />
Der personenzentrierte Ansatz (der die<br />
individuellen Bedarfe des Einzelnen<br />
betont) und das Zusammenleben in<br />
einer therapeutischen Gemeinschaft<br />
(in der die sozialen Bezüge und Verpflichtungen<br />
einen hohen Stellenwert<br />
haben) stellt für uns keinen Widerspruch<br />
dar. Auch hier verwirklicht sich<br />
unser ganzheitlicher Hilfeansatz.<br />
Hof Birkengrund ist Teil der stationären<br />
sozialtherapeutischen Einrichtung<br />
für Menschen <strong>mit</strong> seelischen Erkrankungen/Behinderungen,<br />
und diese<br />
gehört wiederum zum Krelinger Reha-<br />
Zentrum.<br />
<strong>DBSH</strong>-Landesrundbrief <strong>Niedersachsen</strong>/Hamburg/Bremen/Schleswig-Holstein 01/10 Seite 17
<strong>Soziale</strong> <strong>Arbeit</strong> <strong>mit</strong> <strong>psychisch</strong> <strong>Erkrankten</strong><br />
Es werden Männer (Aufnahmealter: 18<br />
bis 35 Jahre) <strong>mit</strong> Komorbidität Psychose/Sucht<br />
ausschließlich auf Hof<br />
Birkengrund aufgenommen. Es werden<br />
hier allerdings auch solche Bewerber<br />
aufgenommen, bei denen<br />
lediglich eine seelische Erkrankung/Behinderung<br />
(ohne Komorbidität)<br />
vorliegt.<br />
Mit diesem Netzwerk sind wesentliche<br />
Voraussetzungen geschaffen, so dass<br />
die Nutzer im Rahmen der Hilfe-<br />
/Reha-Planung individuell auf ihre<br />
Bedarfe abgestimmte Leistungen aus<br />
einer Hand erhalten können.<br />
Dies bedeutet z.B., dass Rehabilitanden,<br />
die bereits die Angebote der<br />
Überbetrieblichen Ausbildungsstätte<br />
(ÜBA) nutzen, bei <strong>psychisch</strong>en Krisen<br />
oder Suchtrückfällen, ggf. anteilig<br />
Kompetenz und Leistungen der Sozialtherapie<br />
in Anspruch nehmen. Bei<br />
Bedarf kann auch das Wohnangebot<br />
der Sozialtherapie (<strong>mit</strong> verstärkter<br />
Beteuungsdichte) genutzt werden, was<br />
dazu helfen kann, dass eine Unterbre-<br />
Was für uns bedeutsam ist - unsere Essentials<br />
chung der berufsfördernden Maßnahme<br />
vermieden wird.<br />
Bewohner der sozialtherapeutischen<br />
Einrichtung machen Praktika in den<br />
Ausbildungsbereichen der ÜBA<br />
und finden so fließende Übergänge in<br />
die Anschlussmaßnahme.<br />
Wir sorgen dafür, dass Leistungen<br />
anderer Anbieter bzw. anderer Netzwerke<br />
unseren Rehabilitanden nach<br />
ihren Bedarfen zugänglich gemacht<br />
werden.<br />
� Wir wollen den Menschen, dessen Würde oft wenig geachtet wird und der sich selbst auch nur wenig achtet,<br />
<strong>mit</strong> diakonischer Wertschätzung wahrnehmen.<br />
� Die <strong>Arbeit</strong> <strong>mit</strong> <strong>psychisch</strong> kranken Menschen ist Beziehungsarbeit, und Behandlungstechnik ist nicht primär<br />
gefordert. Nicht im Üben von professioneller Distanz ist ein <strong>Arbeit</strong>sbündnis erreichbar, sondern auf der Beziehungsebene.<br />
Der Bezugs<strong>mit</strong>arbeiter bietet sich an als „gutes Objekt“ <strong>mit</strong> für den Rehabilitanden herausfordernden<br />
Anteilen, so dass die Beziehung als Hilfe dient, gute und böse Erfahrungen hinzunehmen und zu integrieren.<br />
� Wir nehmen immer wieder das Sinnthema in den Focus unseres <strong>Arbeit</strong>ens. Victor Frankl (Begründer der<br />
Logotherapie) hat den Menschen beschrieben als körperliches und <strong>psychisch</strong>es Wesen <strong>mit</strong> entsprechend zu<br />
berücksichtigen Bedürfnissen. Er definierte ihn aber auch als geistiges Wesen, dem es um Sinn und Werte<br />
geht. Wichtig für sein Leben sind demnach personale Werte wie Liebe, Glaube, innerer Halt, für andere einstehen,<br />
Wahrheit und Gerechtigkeit. Dies „in kleiner Münze“ umzusetzen und da<strong>mit</strong> für den Lebensalltag<br />
nutzbar zu machen, liegt in unserem therapeutischen Auftrag. Dies beginnt schon da<strong>mit</strong>, dass Mühsames im<br />
Therapiealltag wie z.B. das morgendliche Aufstehen, das Säubern der Räume, Unkraut Jäten, Fegen des Hofes<br />
und immer wiederkehrende Tätigkeiten auf ihren Wert befragt werden (dürfen) und eine Zuordnung erfahren<br />
sollen.<br />
Aber nicht nur Alltägliches fordert seine Sinn- und Wertbestimmung ein. Augustin, der große Philosoph des Altertums,<br />
sieht den Menschen als Wesen <strong>mit</strong> einer unstillbaren Sehnsucht nach Leben, fast im Sinne von Sucht, und<br />
stellt – aufgrund eigener existentieller Erfahrungen – fest, dass diese Erde ein Ort des Mangels ist und seine<br />
Sehnsüchte nicht erfüllen kann. Augustin liebte das Leben maßlos, und deshalb konnte es ihm nicht genügen. Er<br />
war frustriert durch das Wenige (Safranski 2001, S. 49). Daraus folgte für ihn über Umwege, dass seine Suchbewegung<br />
über das christliche Evangelium hin zu Gott, den Schöpfer, führte. Und hier fand er den übergreifenden<br />
Sinnzusammenhang, erfülltes Leben, und eine Perspektive über die kurze Spanne menschlichen Lebens hinaus.<br />
Von diesen Gedanken ist auch unsere <strong>Arbeit</strong> geprägt, und unsere Erfahrung zeigt, dass Menschen <strong>mit</strong> Suchterfahrung<br />
oft unbefangen Zugänge zu dieser Thematik finden und sich davon ansprechen lassen. In der Auseinandersetzung<br />
<strong>mit</strong> Sinn- und Wertefragen im Rahmen von Gruppen- und Einzelgesprächen sehen wir einen wichtigen<br />
Baustein unseres Angebotes.<br />
Für die Aufnahme in unsere Einrichtung bestehen jedoch keine religiösen oder weltanschaulichen Vorbedingungen.<br />
In dieser Hinsicht ist uns jeder Bewerber willkommen.<br />
Seite 18 <strong>DBSH</strong>-Landesrundbrief <strong>Niedersachsen</strong>/Hamburg/Bremen/Schleswig-Holstein 01/10
Einzelleistungen<br />
Bei Doppeldiagnose-Patienten handelt es sich in<br />
Bezug auf Symptomatik und Krankheitsursachen<br />
um eine eher heterogene Patientengruppe, wo<br />
neben der <strong>psychisch</strong>en und Suchterkrankung<br />
Persönlichkeitsstörungen, eine ADHS-<br />
Problematik, Borderline-Symptome etc. vorliegen<br />
können.<br />
Dies bedeutet, dass standardisierte Therapieprogramme<br />
nur dann Wirkung entfalten können,<br />
wenn gleichzeitig ein auf die individuellen Bedürfnisse<br />
der Betroffenen abgestimmtes Vorgehen<br />
erfolgt. Dies hat zur Voraussetzung, dass ein<br />
differenziertes Angebot an Einzelmaßnahmen<br />
vorgehalten und – im Rahmen der Hilfeplanung -<br />
sinnvoll zugeordnet werden kann.<br />
Zu unseren Angeboten gehören neben den einzeltherapeutischen<br />
Gesprächen u.a. eine<br />
psychoedukative Gruppe Psychose und Sucht<br />
sowie eine Indikationsgruppe Sucht, ein soziales<br />
Kompetenztraining und ein PC-gestützes Lernprogramm.<br />
Breiten Raum nehmen <strong>Arbeit</strong>stherapie<br />
und Selbstversorgertraining im relativ dicht durchstrukturierten<br />
Tages- und Wochenpan ein. Sportliche<br />
Aktivitäten sollen die allgemeine Fitness fördern,<br />
und das therapeutische Reiten betont den<br />
Körper-Seele-Zusammenhang.<br />
Es finden in unserer Einrichtung regelmäßig<br />
Angehörigenseminare statt, und Trialog-<br />
Gespräche werden immer wieder angestrebt.<br />
Wir stellen die allgemein- und fachärztliche Betreuung<br />
und die Medikamentenversorgung sicher<br />
und bieten Begleitung bei Arztterminen an.<br />
Die Anbindung der Einrichtung an das psychiatrische<br />
Versorgungssystem unseres regionalen<br />
Klinikums - <strong>mit</strong> psychiatrischer Abteilung, Tagesklinik<br />
und Institutsambulanz – garantiert patientenorientierte<br />
medizinische Maßnahmen <strong>mit</strong> hoher<br />
Behandlungs- und Beziehungskontinuität.<br />
<strong>Soziale</strong> <strong>Arbeit</strong> <strong>mit</strong> <strong>psychisch</strong> <strong>Erkrankten</strong><br />
Die Perspektiven<br />
Bewerber für unsere sozialtherapeutische Hilfe<br />
kommen häufig deshalb zu uns, weil sie die hier<br />
angebotene Perspektive der Teilhabe am <strong>Arbeit</strong>sleben<br />
nutzen wollen.<br />
Diese Chance vor Augen, werden hierdurch gerade<br />
in Zeiten des Motivationsabfalls Durchhaltekräfte<br />
mobilisiert, wenngleich es auch immer wieder<br />
dadurch zu Motivationsproblemen führt, dass<br />
dieser Gedanke das Therapieanliegen überlagert.<br />
Nach Beendigung des Aufenthaltes auf Hof Birkengrund<br />
kommen zwar auch eine Aufnahme<br />
einer Tätigkeit auf dem allgemeinen <strong>Arbeit</strong>smarkt,<br />
die Ver<strong>mit</strong>tlung in ambulante, teilstationäre oder<br />
stationäre Maßnahmen in Betracht. Doch berufsvorbereitende<br />
Lehrgänge, Ausbildung und Umschulung<br />
im Rahmen unserer ÜBA, und die spezielle<br />
Förderung und Begleitung von Teilnehmern<br />
<strong>mit</strong> Suchthintergrund im Internat wird als attraktive<br />
Perspektive sehr gern in Anspruch genommen.<br />
Gelingende Eingliederung wird von den Betroffenen<br />
dann zu Recht als großer Erfolg erlebt,<br />
wenngleich nicht immer alle gewünschten Ziele<br />
erreichbar sind.<br />
Wir stellen aber fest, dass eine relativ lange, intensiv<br />
genutzte Gesamtverweilzeit (Sozialtherapie:<br />
1-2 Jahre; Berufsvorbereitung/Ausbildung: 3-<br />
4 Jahre) die Chancen für die soziale und die berufliche<br />
Teilhabe wesentlich verbessert.<br />
Eine geringe Zahl von Ausbildungsabbrüchen und<br />
ein hoher Anteil an Absolventen und deren Eingliederung<br />
auf dem allgemeinen <strong>Arbeit</strong>smarkt<br />
sehen wir als Bestätigung für den hier eingeschlagenen<br />
Weg.<br />
Autor:<br />
Hartmut Lauter<br />
Diplom-Sozialarbeiter / Suchttherapeut<br />
Krelinger Reha-Zentrum<br />
29664 Walsrode<br />
Tel.: 05167/979-137<br />
Literatur:<br />
Gouzoulis-Mayfrank: Komorbidität Psychose und Sucht, Steinkopff 2007<br />
Frankl, V.: Der Mensch vor der Frage nach dem Sinn, Serie Piper 2009<br />
Safranski: Das Böse oder das Drama der Freiheit, Fischer 2001<br />
Quellen:<br />
Kerbe 1/2006 und 2/2009<br />
<strong>DBSH</strong>-Landesrundbrief <strong>Niedersachsen</strong>/Hamburg/Bremen/Schleswig-Holstein 01/10 Seite 19
<strong>Soziale</strong> <strong>Arbeit</strong> <strong>mit</strong> <strong>psychisch</strong> <strong>Erkrankten</strong><br />
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Schritte ins Leben<br />
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� Sozialtherapie und Berufliche Rehabilitation für Menschen<br />
<strong>mit</strong> seelischen Erkrankungen und Suchthintergrund<br />
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Ein starkes Team braucht<br />
Eure Unterstützung<br />
Der <strong>DBSH</strong> ist einerseits Fachverband zugleich<br />
aber auch gewerkschaftliche bzw.<br />
arbeitsrechtliche Vertretung unserer Berufsgruppe.<br />
Auch in den kommenden Tarifverhandlungen<br />
sitzt der <strong>DBSH</strong> so<strong>mit</strong> als Mitgliedsgewerkschaft<br />
des dbb für unsere<br />
Mitglieder gestaltend <strong>mit</strong> am Verhandlungstisch.<br />
Auf der Ebene der Landestarifkommissionen<br />
besteht in verschiedenen Bundesländern ein<br />
kontinuierlicher Bedarf an Mitgliedern, die<br />
vor allem an arbeitsrechtlicher Beratung und<br />
Vertretung interessiert sind, so auch in<br />
<strong>Niedersachsen</strong>.<br />
Wir freuen uns sehr darüber, im Landesverband<br />
<strong>Niedersachsen</strong> eine aktive Tarifkommission<br />
zu haben, die konkret zu entsprechenden<br />
Belangen von Mitgliedern und<br />
Noch-Nicht-Mitgliedern Stellung beziehen,<br />
Informationen geben und beraten kann. Für<br />
die überaus reizvolle <strong>Arbeit</strong> in der Landestarifkommission<br />
brauchen wir aber noch Verstärkung.<br />
An gewerkschaftlichen und tarifrechtlichen<br />
Fragen interessierte Kolleginnen<br />
und Kollegen, die sich eine Mitarbeit in<br />
diesem Gremium vorstellen können, sollten<br />
sich deshalb bei uns melden. Es erwartet<br />
Euch eine interessante Herausforderung<br />
und eine bundesweite Vernetzung <strong>mit</strong> der<br />
Bundestarifkommission, <strong>mit</strong> dem Landesvorstand<br />
<strong>Niedersachsen</strong> und <strong>mit</strong> der dbb-<br />
Tarif-union.<br />
Ansprechpartner sind die derzeitigen Mitglieder<br />
der Kommission (siehe Homepage<br />
<strong>DBSH</strong> <strong>Niedersachsen</strong>). Ihr könnt Euch aber<br />
auch gerne bei mir melden:<br />
Harald Martens<br />
Postbruch 4<br />
29693 Hodenhagen<br />
Tel.: 05164 / 800 371<br />
Seite 20 <strong>DBSH</strong>-Landesrundbrief <strong>Niedersachsen</strong>/Hamburg/Bremen/Schleswig-Holstein 01/10
www.dbsh-niedersachsen.de Landesverband <strong>Niedersachsen</strong><br />
Protokoll des Erweiterten Landesvorstands vom 14. November 2009<br />
Ort: Hannover<br />
Zeit: 10:00 – 11:00 Uhr<br />
anwesend: siehe unten (Protokoll der LMV)<br />
Tagesordnung:<br />
1. Begrüßung<br />
2. Genehmigung der Tagesordnung<br />
3. Genehmigung des Protokolls der letzten Sitzung<br />
4. Beschluss des Haushaltplans 2010<br />
TOP 1: Begrüßung<br />
Frank Mattioli-Danker begrüßt alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer und erläutert, dass dies die letzte Sitzung des<br />
E<strong>LV</strong> ist, da nach der neuen Ordnung diese Organisationsform nicht mehr vorhanden sein wird.<br />
TOP 2: Genehmigung der Tagesordnung<br />
Die obige Tagesordnung wird einstimmig genehmigt und die Beschlussfähigkeit und die ordnungsgemäße Einladung<br />
werden festgestellt.<br />
TOP 3: Genehmigung des Protokolls der letzten Sitzung<br />
Das Protokoll der Sitzung vom 06.06.2009 wird einstimmig genehmigt.<br />
TOP 4: Beschluss des Haushaltsplans 2010<br />
Harald Martens stellt den Haushaltsplan 2010 vor. Es wird einstimmig genehmigt, dass dieser Entwurf der Landes<strong>mit</strong>gliederversammlung<br />
vorgelegt wird.<br />
gez. Frank Mattioli-Danker<br />
Protokollant und Landesvorsitzender<br />
Protokoll der Landes<strong>mit</strong>gliederversammlung vom 14. November 2009<br />
Ort: Hannover<br />
Zeit: 11.00 Uhr – 14:30 Uhr<br />
anwesend: Anke Berkemeyer (ab TOP 10), Elke Bindbeutel, Christian Biringer, Claudia Brörmann, Olaf Bürke, Sibylle<br />
Kleiner, Harald Martens, Frank Mattioli-Danker (Protokollant), Erika Rautenberg, Bärbel Springer (bis<br />
TOP 10)<br />
Tagesordnung:<br />
1. Begrüßung<br />
2. Wahl einer Versammlungsleiterin/Versammlungsleiter<br />
3. Wahl einer Protokollführerin/Protokollführer<br />
4. Genehmigung der Tagesordnung<br />
5. Genehmigung des letzten Protokolls<br />
6. Berichte aus dem Landesvorstand<br />
a. Vorstandsarbeit<br />
b. Kassenbericht<br />
c. Kassenprüfungsbericht<br />
d. Aussprache<br />
7. Entlastung des Vorstandes<br />
8. Neuwahl einer Beisitzern/Beisitzer<br />
9. Berichte von der Bundesebene<br />
a. Erweiterter Bundesvorstand<br />
b. Geschäftsführender Vorstand<br />
c. Aussprache<br />
10. Berichte aus<br />
a. den Bezirksverbänden<br />
b. der Bundes- und Landestarifkommissionen<br />
c. der Bundesausbildungskommission<br />
d. dem Landesfrauenrat<br />
e. Aussprache<br />
11. Evtl. Anträge an die Landes<strong>mit</strong>gliederversammlung<br />
12. Haushaltsdebatte 2009 und Haushaltsplanentwurf 2010<br />
13. Verschiedenes / Aktuelle Themen<br />
<strong>DBSH</strong>-Landesrundbrief <strong>Niedersachsen</strong>/Hamburg/Bremen/Schleswig-Holstein 01/10 Seite 21
Landesverband <strong>Niedersachsen</strong> www.dbsh-niedersachsen.de<br />
TOP 1: Begrüßung<br />
Der Landesvorsitzende, Frank Mattioli-Danker begrüßt alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer und stellt die ordnungsgemäße Einladung und die Beschlussfähigkeit<br />
fest.<br />
TOP 2 + 3: Wahl einer Versammlungsleiterin/Versammlungsleiter und Protokollantin/Protokollant<br />
Claudia Brörmann wird als Versammlungsleiterin und Frank Mattioli-Danker als Protokollant einstimmig gewählt.<br />
TOP 4: Genehmigung der Tagesordnung<br />
Die obige Tagesordnung wird einstimmig <strong>mit</strong> folgenden Ergänzungen genehmigt:<br />
TOP 8: Wahl der Kassenprüferin/Kassenprüfer<br />
TOP 11: Verabschiedung der neuen Landesordnung<br />
TOP 5: Genehmigung des letzten Protokolls<br />
Das Protokoll der Landes<strong>mit</strong>gliederversammlung 2008 wurde auf der Homepage des Landesverbandes und zusammengefasst im Landesrundbrief 03/08<br />
veröffentlicht und wird <strong>mit</strong> 8 Ja-Stimmen und einer Enthaltung genehmigt.<br />
TOP 6: Berichte aus dem Landesvorstand<br />
a) Vorstandsarbeit<br />
Frank Mattioli-Danker berichtet über die Inhalte der Vorstandssitzungen in 2009. Das neue Layout der Landesrundbriefe ist sehr oft gelobt worden und die<br />
inhaltlichen Themen wurden positiv gewürdigt. Die Honorarzahlung für die Erstellung von Artikeln im Landesrundbrief hat auch dazu beigetragen, dass der<br />
Umfang des Heftes quantitativ gewachsen ist.<br />
Die neue Landesordnung wurde erarbeitet, da diese aufgrund der neuen Bundessatzung notwendig wurde. Die Öffentlichkeitsarbeit an den Hochschulen<br />
hat sich intensiviert und gehört zum festen Bestandteil der Vorstandsarbeit. Ebenso wurde die Vertretung in der Landesarmutskonferenz regelmäßig wahrgenommen.<br />
Durch die Bemühungen von Karl-Heinz Rieke hat der Landesverband jetzt auch Stimmrecht im Landeshauptvorstand des dbb Niedersachen.<br />
b) Kassenbericht<br />
Harald Martens stellt den Abschluss 2008 vor und berichtet, dass die Planung für 2008 eingehalten wurde.<br />
c) Kassenprüfung<br />
Elke Bindbeutel und Erika Rautenberg berichten als Kassenprüferinnen von der Kassenprüfung 2008, die sie in 2009 stichprobenweise durchführten. Sie<br />
empfehlen der LMV die Entlastung des Vorstandes zu beschließen.<br />
TOP 7: Entlastung des Vorstandes<br />
Einstimmig wird dem Vorstand Entlastung für 2008 erteilt.<br />
TOP 8: Neuwahl einer Beisitzern/Beisitzer / Wahl der Kassenprüfer<br />
Nach einer kurzen Vorstellung wird Petra Hartleben-Baildon einstimmig als weitere Beisitzerin im Landesvorstand gewählt.<br />
Ebenfalls werden Elke Bindbeutel und Erika Rautenberg einstimmig als Kassenprüferinnen gewählt.<br />
TOP 9: Berichte von der Bundesebene<br />
a) Erweiterter Bundesvorstand<br />
Claudia Brörmann berichtet über die Themen der erweiterten Bundesvorstandssitzungen (EBV). Die neuen Ordnungen, die durch die neue Satzung notwendig<br />
wurden, waren ein wesentlicher Bestandteil der Sitzung.<br />
Erfreulicherweise gibt es auf der Bundesebene einen Mitgliederzuwachs, der auch in <strong>Niedersachsen</strong> zu verzeichnen ist.<br />
Informationen über die Tarifverhandlungen und die neuen Eingruppierungen in den S-Klassen sind ebenfalls Bestandteil der EBV-Sitzung gewesen.<br />
In der nächsten Sitzung Ende November 2009 soll eine neue Ehrenordnung verabschiedet werden und ein Datenschutzbeauftragter soll gewählt werden.<br />
Die Landes<strong>mit</strong>gliederversammlung empfiehlt, dass eine externe Suche für diese Position favorisiert werden soll und auch der Nachweis der Qualifikationen<br />
der Bewerber eingefordert werden sollte.<br />
Ferner wird über die Funktionsträgerschulungen, dem Geschäftsbericht aus 2008 von der Bundesebene, dem Berufskongress in Köln, die durchgeführten<br />
Streiks und die erschienen Schlüsselkompetenz berichtet.<br />
b) Geschäftsführender Vorstand<br />
Frank Mattioli-Danker berichtet zusätzlich noch über die personellen Veränderungen auf der Bundesebene. Frau Redemann ist die neue Verwaltungskraft in<br />
der Geschäftsstelle in Berlin und evtl. wird Volker Schneider nach seinem Bundestagsmandat zurückkehren.<br />
TOP 10: Berichte aus<br />
a) den Bezirksverbänden<br />
Frank Mattioli-Danker berichtet, dass grundsätzlich kaum noch Bezirksverbände aktiv sind. Eine Unterstützung vom Landesvorstand soll für einen neuen<br />
Aufbau ermöglicht werden.<br />
b) der Bundes- und Landestarifkommissionen<br />
Harald Martens berichtet von der Beteiligung der LTK an der Maikundgebung in Hannover. Außerdem hat sich die LTK auf zwei Mitglieder reduziert, die<br />
aber beide beim dbb Gewerkschaftstag waren. Wesentliche Themen waren im letzten Jahr die Umwandlung der Verträge vom BAT zum TvöD und die<br />
neuen S-Eingruppierungen.<br />
c) der Bundesausbildungskommission<br />
Frank Mattioli-Danker berichtet, dass die Treffen zukünftig immer am Rande der BMV sein sollen, da man so Fahrkosten spart und auch eine größere<br />
Teilnahme an der BMV ermöglichen kann.<br />
Die Gutachtertätigkeit bei Akkreditierungsverfahren hat zugenommen und so<strong>mit</strong> kann der <strong>DBSH</strong> an den Hochschulen mehr Einfluss nehmen.<br />
d) dem Landesfrauenrat<br />
Claudia Brörmann berichtet von den Aktivitäten des Landesfrauenrates bezüglich des Betreuungsgeldes, Vorsorgeuntersuchungen, psycho-soziale Anforderungen<br />
im TvöD und Frauengeschichte.<br />
TOP 11: Verabschiedung der neuen Landesordnung<br />
Frank Mattioli-Danker legt die empfohlene Landesordnung für <strong>Niedersachsen</strong> und erläutert die einzelnen Positionen. Die Ordnung wird <strong>mit</strong> 7 Ja-Stimmen<br />
und 2 Enthaltungen angenommen.<br />
TOP 12: Haushaltsdebatte 2009 und Haushaltsplanentwurf 2010<br />
Harald Martens stellt den derzeitigen Haushalt 2009 und den Entwurf für 2010 vor und erläutert die einzelnen Positionen.<br />
Der Haushaltsplan für 2010 wird einstimmig angenommen und so<strong>mit</strong> Grundlage für die weitere <strong>Arbeit</strong> des Landesverbandes.<br />
TOP 13: Verschiedenes / Aktuelle Themen<br />
Um 14.30 Uhr wird die Sitzung <strong>mit</strong> Dank an alle Teilnehmer von Frank Mattioli-Danker beendet.<br />
gez. Frank Mattioli-Danker gez. Claudia Brörmann<br />
Protokollant stellv. Landesvorsitzende<br />
Seite 22 <strong>DBSH</strong>-Landesrundbrief <strong>Niedersachsen</strong>/Hamburg/Bremen/Schleswig-Holstein 01/10
© Katrin Linke - Fotolia.com<br />
Meine Praxisstelle 1 , das Kinderhuis Durbanville<br />
(Afrikaans für Children´s Home) liegt in einem<br />
Vorort von Kapstadt, in dem in der einen Hälfte<br />
ausschließlich schwarze und in der anderen fast<br />
nur weiße SüdafrikanerInnen leben. Das weitläufige<br />
Heimgelände ist von einem zwei Meter hohen<br />
Eisengitter umzäunt und über zwei Tore betretbar,<br />
die per Kamera von der Rezeption aus überwacht<br />
und nur von dort aus geöffnet werden können.<br />
Diese Sicherheitsvorkehrungen werden <strong>mit</strong> der<br />
hohen Kriminalitätsrate Südafrikas begründet und<br />
sind nichts Ungewöhnliches: viele der<br />
Einfamilienhäuser in den überwiegend von Weißen<br />
bewohnten Vierteln sind derartig gesichert.<br />
Einige Kilometer entfernt von Durbanville beginnt<br />
Khayelitsha, das Township, in dem die meisten der<br />
im Children´s Home tätigen Coloureds 2 und<br />
Schwarzen wohnen. Während das Management<br />
des Heims sowie die Stellen der Sozialarbeiterinnen<br />
<strong>mit</strong> weißen SüdafrikanerInnen besetzt sind,<br />
besteht das gemischtgeschlechtliche Team der<br />
direkt <strong>mit</strong> den Kindern und Jugendlichen<br />
arbeitenden Childcareworker überwiegend aus<br />
Coloureds. Die Reinigungskräfte und das<br />
Küchenpersonal sind ausschließlich schwarze<br />
Frauen.<br />
Es scheint, als würde die Trennung nach<br />
Hautfarben gegenwärtig nicht mehr durch<br />
Gesetze sondern durch Geld- und<br />
Bildungsbarrieren legitimiert.<br />
Das Children´s Home feierte im Jahr 2008 sein<br />
125jähriges Bestehen. Auf den im Jahresbericht<br />
abgebildeten Photos sind bis zu den Ende der<br />
1990er Jahre aufgenommenen Bildern nur weiße<br />
Kinder zu sehen, Gründe für diese einseitige<br />
Zusammensetzung der Kinder werden nicht<br />
genannt (vgl. Annual Report 2007/08).<br />
Die aus dieser Beobachtung resultierende<br />
Vermutung einer Ausgrenzung von nicht-weißen<br />
Kindern, wurde inoffiziell durch die Childcareworker<br />
3 bestätigt: Das Children´s Home war bis<br />
1996 ausschließlich für weiße Kinder und<br />
Jugendliche geöffnet.<br />
1 Im Rahmen des Projektpraktikums des Studiengangs<br />
<strong>Soziale</strong> <strong>Arbeit</strong><br />
2 Der in Südafrika gängige, englische Begriff „Coloureds“<br />
wird verwendet, da der deutsche Ausdruck „Farbige“ nicht<br />
die gleiche Bedeutung hat und als rassistisch empfunden<br />
wird.<br />
3 Da die Berufsbezeichnung Childcareworker aufgrund der<br />
fehlenden pädagogischen Ausbildung nicht <strong>mit</strong> dem der<br />
Erzieherin gleichzusetzen ist, wird der englische Begriff<br />
verwendet.<br />
Eine Aufarbeitung oder Stellungnahme zu<br />
diesem Kapitel der Einrichtungsgeschichte<br />
konnte ich nicht finden.<br />
Heutzutage sind in jedem der zehn Häuser<br />
auf dem Gelände 12-16 Kinder und Jugendliche<br />
im Alter von 2-18 Jahren untergebracht.<br />
Die allen BewohnerInnen gemeinsame<br />
Sprache ist Englisch. Während<br />
die Sozialarbeiterinnen in der Regel auf<br />
Afrikaans kommunizieren, beherrschen die<br />
Childcareworker und die schwarzen und<br />
coloured Jugendlichen zumeist mindestens<br />
eine Stammessprache wie z.B. Xhosa. Die<br />
Betreuung wird in jedem Haus im Schichtdienst<br />
durch zwei Childcareworker geleistet,<br />
die <strong>mit</strong> jeweils einer/einem internationalen<br />
VolontärIn zusammen arbeiten.<br />
Zudem ist für jede/n HeimbewohnerIn eine<br />
externe Sozialarbeiterin im Jugendamt und<br />
eine interne Sozialarbeiterin als Bezugsbetreuerin<br />
im Children´s Home, zuständig.<br />
Ein Blick auf die Apartheidsgeschichte 4<br />
verdeutlicht, welche Erfahrungen alle<br />
südafrikanischen MitarbeiterInnen der<br />
Einrichtung gemeinsam haben. Der Konflikt<br />
durch die Trennung der Bevölkerung<br />
nach Hautfarben reicht bis in die Anfänge<br />
der Kolonialisierung Südafrikas im 18.<br />
Jahrhundert zurück. Zum Höhepunkt der<br />
Unterdrückung der nicht-weißen Bevölkerung<br />
kam es durch den Wahlsieg der Na-<br />
tional Party 1948 und durch die während<br />
der darauf folgenden vier Jahrzehnte<br />
erlassenen, die Schwarzen und Coloureds<br />
massiv diskriminierenden Gesetze. In der<br />
Apartheid standen die schwarzen Menschen,<br />
die <strong>mit</strong> 70% die größte Bevölkerungsgruppe<br />
waren und sind, ganz unten<br />
in der Hierarchie. Je heller die Hautfarbe<br />
als desto wertvoller wurde der Mensch<br />
betrachtet. Diese Haltung hatten zahlreiche<br />
Jugendliche des Children´s Home offenbar<br />
internalisiert: viele von ihnen legten Wert<br />
darauf, dass sie Coloureds seien und nicht<br />
schwarz.<br />
Das Ende des rassistischen Machtsystems<br />
wurde maßgeblich durch den<br />
Widerstand des unter der National Party<br />
verbotenen African National Congress<br />
(ANC) bewirkt.<br />
4 Apartheid ist ein Ausdruck aus der Burensprache<br />
Afrikaans und bedeutet „Trennung“.<br />
Der Blick über den Tellerrand…<br />
SÜDAFRIKA<br />
Spuren der Apartheid im Alltag einer Heimeinrichtung<br />
<strong>Soziale</strong> <strong>Arbeit</strong> wird un<strong>mit</strong>telbar durch die Politik des Landes beeinflusst, in dem<br />
sie praktiziert wird. Dementsprechend reizvoll ist es, einen Teil Realität der <strong>Soziale</strong>n<br />
<strong>Arbeit</strong> in der südafrikanischen Gesellschaft, die grundlegend von politischen<br />
Umbrüchen geprägt wurde, als Praktikantin vor Ort <strong>mit</strong>zubekommen.<br />
Dieser erreichte, <strong>mit</strong> großen persönlichen Opfern,<br />
schließlich eine internationale Solidarität,<br />
die eine Isolierung der südafrikanischen Regierung<br />
durch zahlreiche Länder bewirkte. Anfang<br />
der 1990er Jahre führte dieser Druck zur Zulassung<br />
des ANC als legale Partei und zur Einführung<br />
einer demokratischen Regierungsform<br />
(vgl. Marx 2004: 325). Nelson Mandela wurde<br />
1994 der erste schwarze Präsident Südafrikas.<br />
Deutlich wurde der uneingeschränkte Respekt,<br />
der ihm von der schwarzen und coloured Bevölkerung<br />
entgegen gebracht wird.<br />
So sprachen die Kinder des Heims liebevoll von<br />
„Madiba“ (Mandelas Stammesname) und die Erwachsenen<br />
äußerten die Befürchtung, dass nach<br />
Mandelas Tod eine bedeutsame Orientierung<br />
verloren gehen wird, da er ausnahmslos geachtet<br />
würde und dadurch immer wieder konstruktiv<br />
eingreifen könne. Den auf Mandela folgenden<br />
Präsidenten werde hingegen eine Tabuisierung der<br />
HIV/AIDS-Problematik und eine von persönlichen<br />
Interessen gesteuerte Regierungsweise vorgeworfen.<br />
Die Verdrängung der Krankheit, <strong>mit</strong> der in<br />
Südafrika in einzelnen Regionen bis zu 28% der<br />
Bevölkerung infiziert sind (vgl. WHO 2008), war<br />
auch im Heimalltag spürbar.<br />
AIDS war kein Gesprächsthema, über die Anzahl<br />
der infizierten Kinder kursierten nur in Zweiergesprächen<br />
Gerüchte, die sich zwischen der Annahme,<br />
dass niemand infiziert sei und der Angabe von<br />
5 infizierten Kindern bewegten.<br />
Gründe für die stationäre Unterbringung der Kinder<br />
und Jugendlichen sind nahezu ausschließlich<br />
sexueller Missbrauch sowie Suchtkrankheiten der<br />
Eltern. In der Regel haben die BewohnerInnen<br />
lebende Eltern zu denen Kontakt gehalten wird, da<br />
die Rückführung in die Herkunftsfamilie ein gewünschtes<br />
Ziel ist. Die Besuchsregelungen sind<br />
deutlich freier geregelt als z.B. in der Jugendwohngruppe,<br />
in der ich in der BRD als Erzieherin tätig<br />
bin: Viele der BewohnerInnen fuhren jedes Wochenende<br />
alleine nach Hause, auch, wenn sie<br />
zuvor aufgrund von Missbrauch oder Gewalt aus<br />
der Familie genommen worden sind.<br />
Erfahrungsräume außerhalb des Heimes existieren<br />
für die Jugendlichen nur durch ihren Schulbesuch<br />
und im Rahmen ihrer Besuche zu Hause. Mit der<br />
Sicherheitslage begründet wird ihnen das Verlassen<br />
des Heimgeländes ansonsten verboten. Eine<br />
individuelle Freizeitgestaltung, beispielsweise durch<br />
den Besuch eines Sportvereins, ist den Bewohner-<br />
Innen des Heimes infolgedessen unbekannt.<br />
<strong>DBSH</strong>-Landesrundbrief <strong>Niedersachsen</strong>/Hamburg/Bremen/Schleswig-Holstein 01/10 Seite 23
Der Blick über den Tellerrand…<br />
Die der Heimarbeit zugrunde liegenden<br />
südafrikanischen Rechtsvorschriften beruhen auf<br />
dem Child´s Act. Dieser ist die seit 1997<br />
verfassungsrechtlich garantierte Grundlage aller<br />
südafrikanischen Einrichtungen der Jugendhilfe, in<br />
der unter anderem das Recht des Kindes auf eine<br />
gewaltfreie Erziehung ausgedrückt wird (vgl.<br />
Constitutional Court of South Africa 2009 ). Rechte<br />
für alle Minderjährigen, unabhängig von ihrer<br />
Hautfarbe, sind in Südafrika eine sehr junge<br />
Errungenschaft, und, wie auch die <strong>Arbeit</strong>nehmerrechte,<br />
erst seit dem Ende der Apartheid eine<br />
staatliche Aufgabe.<br />
Meinen Informationen zufolge sind die Definition<br />
des Kindeswohls, das staatliche Wächteramt, die<br />
Inobhutnahme sowie die einzuhaltenden Fristen bis<br />
zum richterlichen Beschluss ähnlich wie in der BRD<br />
geregelt. Differenzen zwischen den deutschen und<br />
den südafrikanischen Regelungen schlagen sich<br />
vornehmlich in der Finanzierung und in der<br />
Nachbetreuung der Jugendlichen, sowie in der<br />
Rolle der im Heim tätigen Sozialarbeiterinnen<br />
nieder.<br />
So erhält das Heim laut der Social Work Managerin<br />
nur für die behinderten Kinder einen Zuschuss,<br />
sowie einen geringen Beitrag für die BewohnerInnen,<br />
die regelmäßig die Schule besuchen. Hier<br />
entsteht häufig ein Problem, denn der Schulbesuch<br />
ist in Südafrika sehr teuer und da die Schulen für<br />
Heimkinder kein Geld verlangen dürfen, gestaltet<br />
sich die Schulplatzsuche entsprechend schwierig.<br />
Den Anspruch auf eine finanzielle Unterstützung<br />
nach dem Verlassen der Einrichtung haben die<br />
Jugendlichen nur, wenn sie eine <strong>Arbeit</strong>sstelle<br />
vorweisen können. Eine Zuständigkeit für die<br />
Jugendlichen nach ihrer Volljährigkeit ist nicht<br />
vorgesehen. Die Konsequenz aus diesen<br />
Regelungen ist, dass viele ehemalige<br />
HeimbewohnerInnen direkt nach ihrem 18.<br />
Geburtstag in die Familie zurückkehren müssen,<br />
die sie einst aufgrund einer massiven<br />
Kindeswohlgefährdung verlassen haben.<br />
Eine große Differenz zu stationären Jugendhilfeeinrichtungen<br />
in der BRD besteht darin, dass die<br />
zuständigen Sozialarbeiterinnen des Children´s<br />
Home nicht im Gruppendienst tätig sind, und ihre<br />
KlientInnen so<strong>mit</strong> nur zu den verabredeten Einzel-<br />
oder Hilfeplangesprächen sehen. Aus meiner<br />
Hospitation bei mehreren Hilfeplangesprächen,<br />
dem Austausch <strong>mit</strong> der Social Work Managerin und<br />
aus den Inhalten des Studiums schloss ich, dass<br />
die südafrikanische <strong>Soziale</strong> <strong>Arbeit</strong> in der Theorie<br />
auf einem sehr hohen Standard ist. Gleichzeitig<br />
waren im Alltagsgeschehen des Heims der Einsatz<br />
von entwürdigenden Strafen wie die Kinder <strong>mit</strong> dem<br />
Gesicht zur Wand unter dem Tisch auf dem Boden<br />
sitzen lassen oder sie eine halbe Stunde auf einem<br />
Bein stehen lassen zu beobachten. Angesichts<br />
solcher Praktiken, die sich nicht <strong>mit</strong> kulturellen<br />
Unterschieden rechtfertigen lassen, drängt sich die<br />
Frage auf, wieso das offensichtliche pädagogische<br />
Fachwissen der Sozialarbeiterinnen nicht im<br />
Alltagsgeschehen zwischen den BetreuerInnen und<br />
den BewohnerInnen ankommt und umgesetzt wird.<br />
Eine mögliche Antwort liefern die den<br />
BetreuerInnen zugeschriebene Rolle sowie<br />
ihre <strong>Arbeit</strong>sbedingungen. Im Rahmen<br />
eines leitfadengestützten Interviews befragte<br />
ich eine der Childcareworker (M.)<br />
nach ihrer Biographie, ihren Erfahrungen<br />
<strong>mit</strong> der Apartheid sowie ihren <strong>Arbeit</strong>sbedingungen.<br />
Besonders ausführlich antwortete<br />
M. auf die Fragen nach ihren <strong>Arbeit</strong>sbedingungen<br />
und dem südafrikanischen<br />
Sozialsystem. Sie schilderte ihre langen<br />
<strong>Arbeit</strong>szeiten von 6.00 bis 22.00 Uhr bei<br />
einer 5 Tage-Woche, die fehlende Pausenregelung<br />
und die daraus resultierende<br />
ständige Übermüdung. Ihr Urlaub würde<br />
vom Management zugeteilt werden. Aufgrund<br />
von Krankheit nicht zur <strong>Arbeit</strong> zu<br />
kommen sei unüblich. Einen Betriebsrat<br />
oder eine andere Form der Selbstorganisation<br />
der Childcareworker gäbe es nicht.<br />
Keine/r der Childcareworker habe eine<br />
mehrjährige pädagogische Ausbildung.<br />
Einigen sei eine mehrmonatige pädagogische<br />
Weiterbildung finanziert worden,<br />
diese sei aber keine Einstellungsbedingung.<br />
Ihr monatliches Gehalt gab M. <strong>mit</strong><br />
3500 Rand an, das entsprach im September<br />
2008 etwa 330 Euro. Die Sozialarbeiterinnen,<br />
deren <strong>Arbeit</strong>szeiten von Montag bis<br />
Freitag von 9.00-16.00 Uhr gingen, erhielten<br />
nach ihrer Angabe etwa 12.000 Rand<br />
(ca. 1100 Euro). Bezüglich ihrer Absicherungen<br />
erzählte sie, dass die<br />
Childcareworker knapp über der Einkommensgrenze<br />
von 2000 Rand liegen, unter<br />
der sie Kindergeld erhalten würden. Sie<br />
sei, wie alle übrigen Childcareworker auch,<br />
nicht krankenversichert. Von ihrem Lohn<br />
müsse sie ihre zwei Söhne im Kleinkindalter<br />
sowie ihren arbeitslosen Mann<br />
<strong>mit</strong>ernähren.<br />
Eine weitere Frage war, wie sie, die ich nur<br />
in ihrer Stammessprache Xhosa oder auf<br />
Englisch sprechen hörte, <strong>mit</strong> den stets<br />
Afrikaans sprechenden Sozialarbeiterinnen<br />
kommuniziere. M. erzählte, dass das<br />
Vorstellungsgespräch im Children´s Home<br />
von den Sozialarbeiterinnen auf Afrikaans<br />
geführt worden sei, was sich für sie, die vor<br />
ihrer Tätigkeit in der Einrichtung kaum<br />
Afrikaans konnte, entsprechend schwierig<br />
gestaltete.<br />
Auf die Frage, ob sie Kritikpunkte an der<br />
Einrichtung hätte, erwiderte sie, dass sie<br />
diese Frage nicht beantworten wolle, da<br />
sie Angst um ihre <strong>Arbeit</strong>sstelle habe. Auf<br />
die abschließende Frage, ob sie noch<br />
etwas hinzufügen wolle, sagte M., dass<br />
sie, die Childcareworker, nichts Negatives<br />
äußern können, da sie auf ihre <strong>Arbeit</strong><br />
angewiesen sind. Die Volontäre könnten<br />
das aber, auf sie würde das Management<br />
hören, weil sie von außen kämen und<br />
meistens Weiße seien. Die Tatsache, dass<br />
M. keine direkte Kritik an ihrer Situation als<br />
Angestellte äußerte, sondern in der reinen<br />
Beschreibung ihrer <strong>Arbeit</strong>sbedingungen blieb,<br />
interpretiere ich als Widerspiegelung der Einrichtungsstrukturen,<br />
in denen die Childcareworker am<br />
unteren Ende der Erwachsenenhierarchie stehen.<br />
Diese Struktur spiegelt sich sowohl in der geringen<br />
Entlohnung als auch in der Haltung der Sozialarbeiterinnen<br />
beim Vorstellungsgespräch wider, in<br />
dessen Rahmen nicht auf die gemeinsame Sprache<br />
Englisch zurückgegriffen, sondern die Sprache der<br />
Vorgesetzten vorausgesetzt wurde. Meine Interpretation<br />
ihrer Beschreibung des <strong>Arbeit</strong>salltags geht<br />
dahin, dass die <strong>Arbeit</strong>sbedingungen der<br />
Childcareworker aufgrund der fehlenden Erholungsphasen<br />
und der geringen Wertschätzung in<br />
hohem Maße belastend sind. Eine mögliche<br />
Schlussfolgerung ist, dass diese Form der strukturellen<br />
Gewalt einen Einfluss auf die Erziehungspraktiken<br />
in den Häusern hat, in der Form, dass<br />
die Childcareworker den autoritären Führungsstil,<br />
den sie in der Beziehung zu ihren Vorgesetzten<br />
erfahren, an die Kinder weitergeben.<br />
Die BRD und Südafrika lassen sich aufgrund ihrer<br />
sehr verschiedenen geschichtlichen Verläufe in den<br />
letzten Jahrzehnten und der unterschiedlichen<br />
wirtschaftlichen Situation nicht vergleichen. Viele<br />
der in der südafrikanischen Heimeinrichtung beobachteten<br />
strukturellen Gegebenheiten können<br />
jedoch beim ehrlichen Hingucken in abgeschwächter<br />
Form auch im Heimbereich der BRD wieder<br />
gefunden werden. Folglich lässt sich die Kritik an<br />
den Strukturen des Children´s Home bis zu einer<br />
kritischen Reflexion meiner eigenen <strong>Arbeit</strong> in einer<br />
Bremer Heimeinrichtung herunter brechen. Die<br />
Auseinandersetzung <strong>mit</strong> den in der südafrikanischen<br />
Praxisstelle beobachteten Mustern stellte<br />
so<strong>mit</strong> einen wertvollen Anstoß für die Reflexion<br />
meiner eigenen Rolle als Fachkraft in einer Institution<br />
dar.<br />
In mehreren Gesprächen zeigten sich<br />
Childcareworker sehr interessiert an den <strong>Arbeit</strong>sbedingungen<br />
im Heimbereich der BRD. Aktuell wird<br />
die <strong>Arbeit</strong> der Childcareworker durch Volontäre,<br />
überwiegend aus Europa, unterstützt. Diese, in der<br />
Regel unausgebildeten, Freiwilligen arbeiten <strong>mit</strong><br />
den südafrikanischen BetreuerInnen gleichgestellt<br />
zusammen. Es stellt sich die Frage, ob für die<br />
Childcareworker selber nicht ein internationaler<br />
Fachkräfteaustausch <strong>mit</strong> SozialarbeiterInnen und<br />
Erzieherinnen aus stationären Jugendhilfeeinrichtungen<br />
anderer Länder bereichernder wäre. Im<br />
Rahmen eines solchen Austausches würden sie als<br />
ExpertInnen für ihre <strong>Arbeit</strong> gewürdigt und könnten<br />
sich im Dialog <strong>mit</strong> Fachkräften fortbilden. Gerade in<br />
Anbetracht der jahrzehntelangen Isolierung Südafrikas<br />
durch die Apartheid, könnte es eine Stärkung<br />
der Childcareworker sein, Professionellen der<br />
internationalen Jugendhilfe zu begegnen und <strong>mit</strong>-<br />
und voneinander zu lernen.<br />
Autorin: Friederike Lorenz<br />
Kontakt florenz@web.de<br />
Literatur<br />
Children´s Home Durbanville (Hrsg.): Annual report 2007/8- 125 years of<br />
care, Broschüre (ohne AutorInnen)<br />
Homepage des Constitutional Court of South Africa (Hrsg.): Sub-Menu-your<br />
rights;URL:http://www.constitutionalcourt.org.za/site/yourrights/knowyourright<br />
s-childrensrights.htm, Stand: 01.06.2009<br />
Marx, Christoph (Hrsg.): Geschichte Afrikas- von 1800 bis zur Gegenwart.<br />
UTB Ferdinand Schöningh, Paderborn 2004<br />
UNAIDS (Hrsg.): 2008 Report on the global AIDS epidemic, July 2008<br />
Seite 24 <strong>DBSH</strong>-Landesrundbrief <strong>Niedersachsen</strong>/Hamburg/Bremen/Schleswig-Holstein 01/10
www.dbsh-bremen.de Landesverband Bremen<br />
Gerechtigkeit<br />
Verdienst und Verdienen <strong>Soziale</strong>r <strong>Arbeit</strong> - viele Fragezeichen, eine Antwort ● Michael Böwer<br />
Wenn wir aktuell auf die Tarifverhandlungen, den 2009 erzielten<br />
Tarifkompromiss <strong>mit</strong> den öffentlichen <strong>Arbeit</strong>gebern und auf das schauen,<br />
was in unseren Händen davon bleibt – wenn wir sehen, wie viele von uns<br />
Fachkräften längst weit unterhalb Tarif bezahlt werden – wenn wir sehen,<br />
dass es unserer Politik immer nur auf neue Forderungen an die ‚Draußen‘<br />
und den ach so lähmenden Sozialstaat anzukommen scheint – wenn wir es<br />
hören und schon nicht mehr hören können: Die „Effektivität“ der Kinder- und<br />
Jugendhilfe soll überprüft, individuelle ‚Bildungsprämien‘ sollen vergeben,<br />
Hochbegabte besser gefördert werden (so der schwarzgelbe<br />
Koalitionsvertrag) - und vor (je)der Wahl hieß es noch, man wolle sich<br />
gegen Kinderarmut engagieren, für mehr Personal in Jugendämtern sein<br />
und, ja, es brauche eine bessere Bildungsausstattung! Ach ja, stimmt – da<br />
war doch mal so eine Pisa-Studie… Na gut, die Besserverdienenden<br />
spüren es schon jetzt, die Familien haben ‚satte‘ 20 Euro mehr Kindergeld<br />
(aber Hartz IV-`ler lange noch nicht) und Steuersenkungen 201x werden<br />
„den Steuerbürger“ sicher dann erst recht entlasten - alles dass wird zu<br />
mehr, so heißt es doch tatsächlich, Gerechtigkeit führen!<br />
Und wir in der <strong>Soziale</strong>n <strong>Arbeit</strong>? Einige von uns 3oo.ooo SozialberuflerInnen<br />
bundesweit haben sich an den Streiks für bessere Bezahlung<br />
beteiligt. Den ErzieherInnen sei Dank, dass es überhaupt zu einigen Euro<br />
mehr gekommen ist; für manche! Zu den ‚Gewinnern‘ zählen die bislang<br />
ungleich Bezahlten in den Kitas - und die, die in den Jugendämtern<br />
Entscheidungen in Kindeswohlbelangen fällen, werden demnächst (zu<br />
Recht, keine Frage) höher entlohnt, als bisher. Aber sind 2,5 olivgrüne<br />
Scheine mehr genug? Und, mehr noch: Wie ist es <strong>mit</strong> den Kolleginnen und<br />
Kollegen ‚da draußen‘– z.B. in der ambulanten Erziehungshilfe, die selbst in<br />
Garantenpflichten eingebunden sind und die ihren Kopf genauso hinhalten<br />
müssen, wenn, wie zuletzt in Hamburg, ein Kind in ihrer, unserer Obhut zu<br />
Tode kommt? Wie ist es <strong>mit</strong> unseren Kollegen im Pflegekinderdienst, in der<br />
Jugendsozialarbeit, im stationären Bereich, in der Beratungsstelle, im<br />
Streetwork? Wird <strong>Soziale</strong> <strong>Arbeit</strong> als Ganze adäquat bezahlt? Lassen wir<br />
uns - ähnlich wie Lokführerinnen und Zugbegleiter, Pilotinnen und Stewards<br />
- aufteilen, in die, die den Zug zu lenken (bzw. den Fall zu ‚casemanagen‘)<br />
und für die, wie es in derzeit Berlin die Runde macht, leider allzu hohen<br />
„Fallstückkosten“ einzustehen haben und in die, die für die ‚basisbezogene<br />
Dienstleistung‘ verantwortlich sind, d.h. die, die die „Fallstücke“ betreuen!<br />
Nein, uns selbst wird man ein gewolltes ‚Oben/Unten‘ nicht unterstellen<br />
können, oder? Wer hier <strong>mit</strong> dem Kopf schüttelt, sei direkt gefragt: Wie ist<br />
die eigene Bereitschaft, für unsere Anliegen auf die Straße zu gehen? Als<br />
Angehörige/r einer Berufsgruppe und nicht nur als Mitarbeiter jener<br />
Einrichtung, die als nächste vom Rotstift bedroht ist? Wo ist unsere eigene<br />
Solidarität <strong>mit</strong> uns selbst? Ist das schon Egoismus oder kann vielleicht nur<br />
der, der sicheren Boden unter den Füßen hat, anderen auf denselben<br />
helfen?<br />
Jedoch, welche Sicherheit brauchen wir, welchem neuen ‚Hype‘ sind wir<br />
willig auf der Spur? Wollen auch wir auf jedem Bahnhof Polizei <strong>mit</strong> MP im<br />
Anschlag und in jeder Schule einen amoklaufpräventiven Sozialarbeiter?<br />
Was ist unsere Vision? Eine Aufwertung für uns alle?<br />
Mehr Tarifentlohnung in der <strong>Soziale</strong>n <strong>Arbeit</strong>? Keine Mini-Jobs mehr und<br />
keine entgeltfreien Praxissemester? Festverträge und Studieren für alle -<br />
und keine Dumpinglohnträger mehr, die für 20 Euro die Stunde ohne Urlaubsanspruch<br />
beschäftigen? Oder Systeme, wie in NRW, die nach Streichung<br />
des Berufsanerkennungsjahres am Ende von nun drei Jahren Studium<br />
alle Neueinsteiger im ASD erst einmal steuerfinanziert in Coachings<br />
derselben Hochschule stecken, da ihnen, angeblich, Gesprächsführung und<br />
Grundlagen des KJHG beigebracht werden müssen?! Wo setzen wir an?<br />
Die Antwort ist einfach; so einfach, dass sie bedrohlich klingt: Bei uns<br />
selbst! Bei uns, wo man schlichtweg jedem Trend hinterher läuft, wo man<br />
zu allem ja und ‚yes, we can (it billiger)‘ ruft, wo auch gern umsonst gearbeitet<br />
wird, nur um Beratung anbieten zu können!<br />
Und doch: Was für eine Anforderung! Denn wer zu dogmatisch wird,<br />
dem ist schnell der Blick verstellt. Es geht wohl mehr um ein ‚Dazwischen‘!<br />
Wie sagten doch unlängst die Mit-Verlierer der einmal großen Volkspartei,<br />
Nahles und Gabriel, die nun Phönixen gleich, ihren ins Abseits geratenen<br />
Verein neu beflügeln sollen: Es gehe nicht nur ums ‚Führen‘, sondern auch<br />
ums ‚Sammeln‘. Ihr Ruf ist der nach mehr Dialog – jedoch: sie sind in einem<br />
System groß geworden, dass das ‚Sammeln‘ verlernte. Seien wir ehrlich:<br />
Wie sieht es bei uns selber aus? Haben wir an unseren (Hoch)Schulen, in<br />
unseren Trägern, in unserem Verband, unter unseren Anstellungsträgern<br />
Vorbilder, die uns stärken und die uns zeigen, wie man Bündnisse schafft?<br />
Oder sind medial-omnipräsente Kirchenchefinnen bzw. paritätische Ge-<br />
schäftsführer jene Leuchttürme, die wir mehr denn je brauchen? Oder<br />
geht’s doch ums ‚Dunkelfeld‘: Wie kann es sein, dass auch große Kirchen<br />
auf Zeitarbeit statt Festanstellung setzen? Dass es so sein darf, dass ein<br />
<strong>Arbeit</strong>geber, der wegen 1,30 Euro Pfandbons engagierte Mitarbeiterinnen<br />
vor die Tür setzt, die es zufällig zuvor wagten, zur Bildung eines Betriebsrats<br />
aufzurufen oder die (im Maultaschen-Fall) Gesicht zeigten in dienstanweisender<br />
Wegwerfgesellschaft. Da ist es gut, dass sich manche Eigenwerbung<br />
(„Lidl lohnt sich“) selbst entlarvt. Vielleicht aber sind ‚S-Bahn-Killer‘<br />
einfach ‚schöner‘, weil auflagensteigernd in Szene zu setzen, als das<br />
verdienstvolle Tun jener Fachkräfte in all ihrem Mühen und ihrer Begrenztheit<br />
anzuerkennen, die sie angeblich in ‚Kuschelpädagogik‘ einlullten (so<br />
die ‚Zeitung‘ <strong>mit</strong> den vier schlichten Buchstaben). Eben waren die Ackermänner<br />
noch Skandal, schon gibt es wieder Boni. Wann, liebe Leserinnen<br />
und Leser, entdecken wir unser ‚Supertalent‘ und machen ‚Competition‘ –<br />
schlicht für uns, für jene, für die wir arbeiten: Für die Gesellschaft?! Wir<br />
brauchen, so einfach ist es, Investitionen ins pädagogische Personal, nicht<br />
in Gehwegplatten auf dem Pausenhof. Hohes Ansehen, dass wir haben<br />
(siehe ‚Demoscope‘-Studie) muss sich lohnen, denn wer nicht zahlt, wer<br />
nicht ausstattet, wer nicht ausbaut: Der schadet der Gesellschaft! Das ist<br />
Un-Gerechtigkeit, die keine Gesellschaft sich wünschen wird!<br />
Der Autor: Michael Böwer<br />
Jg. 1972, verheiratet, ein Kind, ist Diplom-Sozialarbeiter/Sozialpädagoge<br />
und Diplom-Pädagoge. Nach rund zehn Jahren in der ambulanten Erziehungshilfe<br />
jetzt Promotionsstipendiat der Hans-Böckler-Stiftung und Doktorand<br />
an der Universität Hildesheim. Landesvorsitzender im <strong>DBSH</strong> Bremen.<br />
Kontakt: boewer@dbsh.de oder Web: www.dbsh-bremen.de<br />
<strong>DBSH</strong>-Landesrundbrief <strong>Niedersachsen</strong>/Hamburg/Bremen/Schleswig-Holstein 01/10 Seite 25
<strong>DBSH</strong> Bremen aktuell www.dbsh-bremen.de<br />
AnsprechpartnerInnen<br />
im <strong>DBSH</strong> Landesverband Bremen<br />
Landesvorstand<br />
1. Vorsitzender<br />
Michael Böwer<br />
Email: lv-bremen@dbsh.de bzw. boewer@dbsh.de<br />
Tel. 0421 - 2401350, Mobil: 0176 - 53513351<br />
Stv. Vorsitzende<br />
Simone Kröner<br />
E-Mail: kroener@dbsh.de<br />
Finanzreferent<br />
Clemens Gödeke<br />
E-Mail: goedeke@dbsh.de<br />
Weitere Vorstands<strong>mit</strong>glieder<br />
Christiane Schellong<br />
E-Mail: schellong@dbsh.de<br />
Helmut Kurth<br />
E-Mail: kurth@dbsh.de<br />
Holger Kühl<br />
E-Mail: kuehl@dbsh.de<br />
Ellen Gutschmidt (auch Bremer Frauenausschuss)<br />
E-Mail: gutschmidt@dbsh.de<br />
Gute Ideen für 2010:<br />
Wir begrüßen als neues<br />
Mitglied:<br />
Friederike Lorenz, Bremen<br />
Marie Seedorf, Bremen<br />
Anita Böwer, Stuhr<br />
Wir freuen uns auf das Gespräch <strong>mit</strong> Ihnen!<br />
In der Vorstandsklausur am 15.01.10 standen die fachlichen<br />
Schwerpunkte für uns im Jahr 2010 auf dem Programm.<br />
Zwei <strong>Arbeit</strong>sgruppen wurden gebildet, um Angebote<br />
unsererseits zum Feld Schulsozialarbeit und Schule<br />
sowie zu den Wegen selbstständiger Tätigkeit angesichts<br />
verschlechterter <strong>Arbeit</strong>sbedingungen zu prüfen und zu<br />
entwickeln. Ferner soll uns das Thema Tarif und Überleitung<br />
in die neue Gehaltsgruppen beschäftigen. Die Website<br />
wird auf Web 2.0 umgestellt – incl. RSS-Feed, <strong>mit</strong> dem<br />
neue Infos von uns direkt zu Ihnen kommen. Auch an eine<br />
uns anregende Aktivität ist gedacht. Sie als Mitglied sind<br />
herzlich eingeladen, sich bei uns einzubringen.<br />
Birgit Warnke, Bremen<br />
Thomas Lehneke, Bremen<br />
<strong>DBSH</strong> Bremen auf der Praxismesse:<br />
Foto: (c)Henry@flickr.com;<br />
Creative Commons 2.0 Lizenz<br />
vor Antritt der Fortbildung zu stellen.<br />
Zuschüsse zu<br />
Fortbildungen:<br />
Die <strong>Soziale</strong> <strong>Arbeit</strong> lebt von Fachkräften,<br />
die ihr professionelles<br />
Handeln immer neu an der Wirklichkeit<br />
und einer wissenschaftlich<br />
fundierten Basis ausrichten. Daher<br />
unterstützt der Landesverband<br />
Bremen seine Mitglieder bei Fortbildungen<br />
– <strong>mit</strong> einem Zuschuss<br />
von bis zu 50 Euro! Ein Antrag ist<br />
Verabschiedung und Wünsche:<br />
Am 02.12.09<br />
stellte sich der<br />
<strong>DBSH</strong> einem<br />
breiten Publikum<br />
auf der Praxismesse<br />
der Hochschule<br />
Bremen<br />
vor. Dem folgten<br />
zwei weitere<br />
Veranstaltungen<br />
dort: Angesichts<br />
des Bildungsstreiks<br />
stellten<br />
wir die Position<br />
den <strong>DBSH</strong> als<br />
Fachgewerkschaft<br />
vor und<br />
diskutierten <strong>mit</strong><br />
dem 7. Semester<br />
über Professionalität<br />
und Anforderungen<br />
an<br />
AbsolventInnen.<br />
Der Landesverband<br />
Bremen<br />
verabschiedete<br />
Anfang Dezember<br />
im Rahmen<br />
einer kleinen<br />
vorweihnachtlichen<br />
Feier ihre<br />
ehemaligen<br />
Vorstands<strong>mit</strong>glieder<br />
Herrn Siebers und Frau Klump, die lange Jahre<br />
im Vorstand tätig gewesen waren. In raumfüllender<br />
Runde saßen die Mitglieder bei Plätzchen und Stollen<br />
zusammen und hörten besinnliche Geschichten sowie<br />
Geschichten zum Schmunzeln, wurden auf einen Rückblick<br />
über das letzte Vierteljahrhundert <strong>DBSH</strong>-Bremen<br />
<strong>mit</strong>genommen und hielten ihre Wünsche für das <strong>DBSH</strong>-<br />
Jahr-Bremen auf Weihnachtskugeln fest.<br />
Seite 26 <strong>DBSH</strong>-Landesrundbrief <strong>Niedersachsen</strong>/Hamburg/Bremen/Schleswig-Holstein 01/10
Beitrittserklärung<br />
________________________________________________<br />
Familienname<br />
________________________________________________<br />
Vorname<br />
________________________________________________<br />
Straße Nr.<br />
________________________________________________<br />
PLZ/Ort<br />
________________________________________________<br />
Geburtsdatum Tel. privat<br />
________________________________________________<br />
<strong>Arbeit</strong>geber<br />
________________________________________________<br />
Tel. dienstl. E-Mail<br />
________________________________________________<br />
ausgeübte Tätigkeit<br />
Ich bin<br />
(Status)<br />
��vollzeitbeschäftigt ��teilzeitbeschäftigt<br />
�<br />
��angestellt ��im Erziehungsurlaub<br />
�<br />
��verbeamtet ��in der Ausbildung bis<br />
Monat/Jahr<br />
�<br />
��selbständig ��BerufspraktikantIn bis<br />
Monat/Jahr<br />
��im Ruhestand ��arbeitslos<br />
Beschäftigt bei<br />
(Einstellungsträger)<br />
�<br />
��Bund/Länder ��Sonstiger Träger<br />
�<br />
��Kommune ��Ev. Kirche (inkl. Diakonie)<br />
�<br />
��Wohlfahrtsverband ��Kath. Kirche (inkl. Caritas)<br />
Staatliche Anerkennung ___________________ Monat/Jahr<br />
Beschluss der Gründungsversammlung vom 24. 7. 1993 zur Beitragsstruktur und<br />
Höhe des Mitgliedsbeitrages. Die Bemessungsgrundlage des monatlichen<br />
Mitgliedsbeitrages für Mitglieder <strong>mit</strong> Erwerbseinkommen ist das monatliche<br />
Bruttoeinkommen*). Die Bemessungsgrundlage des monatlichen Mitgliedsbeitrages<br />
für Mitglieder ohne Erwerbseinkommen, arbeitslose Mitglieder, BezieherInnen<br />
von Erziehungsgeld, StudentInnen ist das tatsächliche Monatseinkommen.<br />
Selbsteinstufungshinweise:<br />
Für jedes auf Ihrer Steuerkarte eingetragene Kind können 80,00 Euro vom<br />
Bruttolohn abgezogen werden. Die verbleibende Summe ist maßgeblich für Ihre<br />
persönliche Beitragseinstufung. Bezieher und Bezieherinnen von Renten<br />
undPensionseinkommen können sich zwei Stufen niedriger einstufen als Berufstätige<br />
oder im erwerbstätigen Alter befindliche Mitglieder gleichen Einkommens.<br />
Nimmt das Mitglied eine Selbsteinstufung nicht vor, oder ist aus sonstigen<br />
Gründen die Beitragsstufe nicht zu er<strong>mit</strong>teln, ist bei der Berechnung des Beitrags<br />
mindestens die Beitragsstufe 08 zugrunde zu legen. Der Nachweis der Berechtigung<br />
der Einstufung in einer niedrigeren Beitragsstufe ist auf Verlangen gegenüber<br />
der Bundesgeschäftsstelle zu führen.<br />
Wichtige Hinweise:<br />
Im Falle der unrichtigen Selbsteinstufung entfällt der Anspruch auf Rechtsberatung<br />
und Rechtsvertretung durch den Verband. Die richtige Einstufung liegt in<br />
der Verantwortung des einzelnen Verbands<strong>mit</strong>glieds. Bitte berücksichtigen Sie<br />
auch die aktuellen Tarifabschlüsse! Zahlen Sie bitte Ihre Beiträge satzungsgemäß<br />
im Einzugsverfahren oder per Dauerauftrag. Sie erleichtern der Geschäftsstelle<br />
die <strong>Arbeit</strong>, schaffen so Raum für andere Aktivitäten und ersparen sich<br />
Überweisungsgebühren!<br />
*) Das Bruttoeinkommen umfasst: Grundgehalt – Ortszuschlag – allgemeine<br />
Stellenzulage – Heimzulage – Schichtzulage<br />
Friedrich-Ebert-Straße 30 · 45127 Essen<br />
Tel. (0201) 82078-0 · Fax (0201) 8 20 78 40<br />
http://www.dbsh.de · E-Mail: info@dbsh.de<br />
Ich erkläre meinen Beitritt zum <strong>DBSH</strong> ab ______ Monat/Jahr<br />
Ich stufe mich ein in Beitragsstufe ____________________<br />
Mit meiner Unterschrift erkenne ich die Satzung des <strong>DBSH</strong><br />
und die berufsethischen Prinzipien an. Änderungen meiner<br />
obigen Angaben werde ich der Bundesgeschäftsstelle <strong>mit</strong>teilen.<br />
Mit einer EDV-Erfassung dieser Daten bin ich einverstanden.<br />
________________________________________________<br />
Datum Unterschrift<br />
Einzugsermächtigung<br />
Ich ermächtige den <strong>DBSH</strong>, meinen Mitgliedsbeitrag<br />
�<br />
��vierteljährlich ��halbjährlich ��jährlich<br />
stets widerruflich, von dem genannten Konto abzubuchen.<br />
________________________________________________<br />
Geldinstitut in<br />
________________________________________________<br />
Kontonummer Bankleitzahl<br />
Mit einer EDV-Erfassung meiner oben genannten Kontodaten bin ich einverstanden.<br />
________________________________________________<br />
Datum Unterschrift Kontoinhaber<br />
<strong>DBSH</strong>-Beitragstabelle<br />
Stufe Bruttoeinkommen<br />
bis<br />
06<br />
07<br />
08<br />
09<br />
10<br />
11<br />
12<br />
13<br />
14<br />
Beitrag<br />
pro<br />
Monat<br />
1750,00 € 8,00 €<br />
2000,00 € 10,00 €<br />
2250,00 € 11,00 €<br />
2500,00 € 12,00 €<br />
2750,00 € 13,00 €<br />
Stufe Bruttoeinkommen<br />
bis<br />
Einstufung in die Beitragsstufen<br />
01-05 nur nach entsprechendem<br />
jährlich zu führenden Nachweis<br />
Bankverbindung: Bank für Sozialwirtschaft, Essen,<br />
BLZ 370 205 00,<br />
Beitragskonto-Nr.: 8 213 201<br />
Beitrag<br />
pro<br />
Monat<br />
3000,00 € 15,00 € 01 500,00 € 3,00 €<br />
3250,00 € 16,00 € 02 750,00 € 4,00 €<br />
3500,00 € 17,00 € 03 1000,00 € 5,00 €<br />
3750,00 € 18,00 € 04 1250,00 € 6,00 €<br />
15 4000,00 € 20,00 € 05 1500,00 € 7,00 €<br />
Oder ganz einfach online beitreten: www.dbsh.de/html/beitrittserkl.html
Ihre AnsprechpartnerInnen in den <strong>DBSH</strong>-Landesverbänden<br />
Landesverband <strong>Niedersachsen</strong><br />
Vorsitzender<br />
Frank Mattioli-Danker<br />
Handy: 0173 / 74 84 682<br />
Email: mattida@aol.com<br />
Finanzreferent<br />
Harald Martens<br />
Postbruch 4<br />
29693 Hodenhagen<br />
Tel.: 05164 / 8 00 371<br />
Email: H_und_H.Martens@t-online.de<br />
Geschäftsstelle des nds. Landesverbandes<br />
Harald Martens<br />
Postbruch 4<br />
29693 Hodenhagen<br />
Tel.: 05164 / 8 00 371<br />
Email: H_und_H.Martens@t-online.de<br />
Telefonisch erreichbar von montags bis freitags<br />
in der Zeit von14.00 – 17.00 Uhr<br />
Nähere Informationen zu <strong>Arbeit</strong>sgruppen, Kommissionen und<br />
Projekten etc. erhalten Sie bei Ihren Ansprechpartnern des<br />
<strong>DBSH</strong>-Landesverbandes <strong>Niedersachsen</strong> oder unter www.dbshniedersachsen.de<br />
Landesverband Bremen<br />
Vorsitzender<br />
Michael Böwer<br />
Diplom-Sozialarbeiter/Sozialpädagoge, Diplom-Pädagoge<br />
Beauftragter für <strong>Arbeit</strong>s-, Tarif- und BeamtInnenrecht (komm.)<br />
Email: boewer@dbsh.de<br />
Internet: www.dbsh-bremen.de<br />
Moselallee 109, 28816 Stuhr<br />
Tel. 0421 / 2 401 350<br />
Mobil: 0176 / 53 513 351<br />
Weitere Informationen, Termine und Aktuelles Sie<br />
auf unserer Website www.dbsh-bremen.de<br />
Landesverband Hamburg<br />
Vorsitzender<br />
Frank Hail<br />
Saselbergweg 74, 22395 Hamburg<br />
Tel. (dienstl.): 04532 / 20 86 15<br />
Roland Sch<strong>mit</strong>z<br />
Sandfoort 56<br />
22415 Hamburg<br />
Tel. (dienstl.): 040 / 428 04 – 21 32<br />
Fax (dienstl.): 040 / 428 04 – 29 36<br />
Schatzmeister<br />
Klaus Behrens<br />
Neuengammer Hinterdeich 243 a<br />
21037 Hamburg<br />
Mail-Adresse des Landesverbandes Hamburg: lvhh@gmx.de<br />
Weitere Informationen aus dem Landesverband finden Sie<br />
auf der Seite www.dbsh-hamburg.de<br />
Der <strong>LV</strong> HH trifft sich jeden zweiten Mittwoch im Monat um 17.30<br />
Uhr in der Weinstube "Da Luigi", Hellbrookstr. 59, Hamburg-<br />
Barmbek (Nähe S/U-Bhf. Barmbek, Bus 7 und 117 Haltestelle<br />
Hellbrookstrasse).<br />
Der <strong>DBSH</strong>-Stammtisch findet jeden vierten Mittwoch im Monat<br />
um 19 Uhr im "Big Easy" in der Fuhlsbütteler Str. 113 in Hamburg-Barmbek<br />
statt (Nähe S/U-Bhf. Barmbek).<br />
Landesverband Schleswig-Holstein<br />
Vorsitzender<br />
Dirk Relling<br />
Up’n Knust 30<br />
23619 Rehhorst<br />
p. Tel.: 0 45 33 / 55 93<br />
Email D.Relling@t-online.de<br />
Email: lv-schleswig-holstein@dbsh.de<br />
Für den Landesrundbrief<br />
Catharina Lietdke<br />
<strong>DBSH</strong>-Landesrundbrief <strong>Niedersachsen</strong>/Hamburg/Bremen/Schleswig-Holstein 01/10