Jahresbericht 2005 - StUA Herten
Jahresbericht 2005 - StUA Herten
Jahresbericht 2005 - StUA Herten
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Landesbehörde im Dienst des Umweltschutzes
<strong>Herten</strong>, im Februar 2006<br />
<strong>Jahresbericht</strong> <strong>2005</strong>
Vorwort<br />
Durch den politischen Wechsel in NRW hatte das Jahr <strong>2005</strong> für die Umweltverwaltung eine besondere<br />
Bedeutung. Zum einen bestimmt seit Mai ein neuer Umweltminister, Minister Eckhard Uhlenberg,<br />
die Umweltpolitik in Düsseldorf, zum anderen hat die neue Landesregierung eine umfassende<br />
Verwaltungsstrukturreform angekündigt. Die Eckpunkte dieser Reform, die auch an der<br />
Umweltverwaltung nicht halt machen wird, sollen Anfang 2006 beschlossen werden. Naturgemäß<br />
erzeugen solche Ankündigungen bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern eine gespannte Nervosität.<br />
Von den Beschäftigten wurde sehr positiv wahrgenommen, dass der neue Staatssekretär, Herr<br />
Dr. Schink, nach seinem Amtsantritt alle ihm nachgeordneten Behörden besucht hat beziehungsweise<br />
noch besuchen wird, um sich persönlich einen Eindruck von der Organisation und dem Aufgaben-<br />
und Leistungsspektrum seiner Behörden zu machen. Dadurch wird bei den Beschäftigten<br />
der Umweltverwaltung auch die Hoffnung gestärkt, dass die Entscheidungsprozesse über die<br />
beabsichtigten strukturellen Veränderungen maßgeblich von sachlichen Argumenten und nicht<br />
ausschließlich von politischen Erwägungen bestimmt sein werden.<br />
Im abgelaufenen Jahr <strong>2005</strong> haben wir wieder ein reiches Arbeitspensum absolviert. Im Bereich<br />
der Wasserwirtschaft standen nach wie vor die Arbeiten im Zusammenhang mit der Wasserrahmenrichtlinie<br />
im Vordergrund. Die Bestandsaufnahme ist abgeschlossen und wird zukünftig durch<br />
die zurzeit diskutierten Monitoringkonzepte fortlaufend ergänzt. Im Immissionsschutz waren<br />
neben der Routinearbeit wieder zahlreiche kleinere und größere Problemfälle zu lösen. In schwierigen<br />
wirtschaftlichen Zeiten erfordert das besonders viel Einsatzbereitschaft, Kompetenz und Fingerspitzengefühl.<br />
Auch die Labor- und Messdienste haben <strong>2005</strong> wieder ihre Leistungsbereitschaft<br />
und ihr Engagement unter Beweis gestellt. Durch einige größere Sonderaktionen, insbesondere<br />
im Duisburger Amtsbezirk, war hier besonders große Flexibilität und ein entsprechender Einsatz<br />
gefragt. Im Verwaltungsbereich stellt sich das Amt schrittweise auf die kommende elektronische<br />
Dokumenten- und Aktenverwaltung ein. Hierzu wurde das hausinterne „Sachbearbeiter orientierte<br />
Fachinformationssystem“ (SOFIS) unter anderem um den Baustein der elektronischen Aktenführung<br />
erweitert.<br />
Der <strong>Jahresbericht</strong> <strong>2005</strong> dokumentiert wieder einmal die Vielfalt der Aufgaben des Amtes durch die<br />
Darstellung interessanter Beispiele aus der Alltagsarbeit der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen. Ich<br />
hoffe, dass diese Beiträge Ihr Interesse fi nden und danke allen, die zum Gelingen dieses <strong>Jahresbericht</strong>es<br />
beigetragen haben.<br />
Wolfgang Feldmann<br />
Leiter des Staatlichen Umweltamtes <strong>Herten</strong><br />
Vorwort
Inhaltsverzeichnis<br />
<strong>StUA</strong> <strong>Herten</strong> in Zahlen und Fakten 1<br />
Luft und Lärm<br />
Die TA Luft in Israel 7<br />
„Wer qualmt, der zahlt“ 9<br />
Aktionsplan des Staatlichen Umweltamtes <strong>Herten</strong> erfolgreich 13<br />
Crash Boom Bang<br />
Biogasanlagen in der Landwirtschaft aus Sicht<br />
15<br />
der Genehmigungsbehörde<br />
Emission des Krebs erzeugenden Stoffes Vinylchlorid<br />
16<br />
erfolgreich minimiert! 23<br />
Saurer Auswurf ??? 25<br />
Großfl ächiger Einzelhandel im Planverfahren 26<br />
Vorhabenbezogener Bebauungsplan nach aktueller Rechtsprechung 28<br />
Containerdienst oder „WAS BIN ICH?“<br />
Kalibrierung von Messgeräten zur<br />
30<br />
kontinuierlichen Emissionsüberwachung 31<br />
Biowäscher auch in landwirtschaftlichen Familienbetrieben 34<br />
Vorspiel & Zusammenspiel<br />
Der Beginn eines neuen Müllzeitalters:<br />
37<br />
Entsorgungs“notstand“ nach dem 31.05.<strong>2005</strong><br />
22:30 Uhr MEZ – Starke Rauchentwicklung auf der<br />
39<br />
Zeche Prosper in Bottrop 40<br />
Nicht nur die „neue“ Störfall-Verordnung <strong>2005</strong> 41<br />
Real oder virtuell? Überwachung einer industriellen Großanlage 47<br />
Inhalt
Inhalt<br />
Wasser<br />
Umsetzung der Wasserrahmenrichtlinie<br />
– WRRL in Europa und Nordrhein-Westfalen<br />
Trendbetrachtungen zum Nitrat-Stickstoff im Grundwasser<br />
51<br />
des WRRL-Arbeitsgebietes der Ijsselmeer-Zufl üsse/NRW<br />
Rohstoffgewinnung im WRRL-Arbeitsgebiet<br />
52<br />
der Ijsselmeer-Zufl üsse/NRW und der Lippe<br />
Der Hochwasseraktionsplan Emscher<br />
57<br />
– Startpunkt für eine Verbesserung des Hochwasserschutzes 68<br />
Das Boye-System wandelt sich 71<br />
Schilf als Saubermann 72<br />
Niederschlag im Wasserwirtschaftsjahr 2004/<strong>2005</strong> 75<br />
Der Kanal in Olfen lief leer wie eine Badewanne 76<br />
Die perfekte Welle<br />
Hochwassermeldenetz Ijsselgebiet<br />
78<br />
– aktueller Stand und Perspektive 80<br />
„Hol über“ 82<br />
Die Abwasserüberwachung in unserem Laborbezirk 84<br />
Zebrabärblinge im Dienste der Umwelt 89<br />
Nich` alles watt schwatt iss, iss Russ 91<br />
Das Ende der Schlümpfe - Final SMURF Workshop<br />
Ein Kraftstoffzusatz unter der analytischen Lupe<br />
92<br />
MTBE – Vergleichsuntersuchung 95<br />
Die Fossa Eugeniana und das PCB 98<br />
Prioritäre Stoffe in Oberfl ächenwässern 101<br />
Von Daten und Enten – Laborstatistik <strong>2005</strong> 104
Aus dem Haus<br />
Energiemanagement im Staatlichen Umweltamt <strong>Herten</strong> 113<br />
Betriebliches Gesundheitsmanagement 114<br />
Benchlearning statt Benchmarking 120<br />
Barometer Personalzufriedenheit 121<br />
Verwaltung – Update 2006 123<br />
Refl exion von Führung und Teambildung 124<br />
SOFIS – Fit für die Zukunft 127<br />
InterGEO <strong>2005</strong> 129<br />
Berichtswesen der staatlichen Umweltämter 131<br />
Telearbeit um jeden Preis? 132<br />
Mein Weg zur Ausbildung 134<br />
Die digitale Unterschrift 135<br />
Neues aus der Chemielaborantenausbildung 138<br />
Karibikfi eber in Abteilung 4 139<br />
Bericht zum hauseigenen Umweltschutz 141<br />
Inhalt
<strong>StUA</strong> <strong>Herten</strong> in Zahlen und Fakten<br />
Das Staatliche Umweltamt (<strong>StUA</strong>)<br />
<strong>Herten</strong> ist eine Sonderordnungsbehörde<br />
für den technischen Umweltschutz<br />
des Landes Nordrhein-Westfalen und<br />
als Untere Landesbehörde der Bezirksregierung<br />
Münster zugeordnet. Oberste<br />
Dienstbehörde ist das Ministerium für<br />
Umwelt und Naturschutz, Landwirtschaft<br />
und Verbraucherschutz des Landes Nordrhein-Westfalen<br />
in Düsseldorf. Der<br />
Dienstbezirk umfasst die Kreise Borken<br />
und Recklinghausen sowie die kreisfreien<br />
Städte Bottrop und Gelsenkirchen.<br />
Kernaufgaben des Amtes sind die Genehmigung und Überwachung von Industrieanlagen,<br />
die Bearbeitung von Nachbarbeschwerden, die Erhebung wasserwirtschaftlicher Grund- und<br />
Rahmendaten, die Überwachung von Gewässern und Abwasseranlagen und die Ausübung<br />
der Funktion als technische Fachbehörde der Bezirksregierung.<br />
Insgesamt stehen dem <strong>StUA</strong> <strong>Herten</strong> zur Erledigung dieser Aufgaben 160 Mitarbeiter und<br />
Mitarbeiterinnen zur Verfügung. Davon gehören 140 Beschäftigte dem technischen/naturwissenschaftlichen<br />
Dienst und 20 Beschäftigte dem nicht technischen Dienst an. Zusätzlich<br />
werden 8 Auszubildende beschäftigt.<br />
Mit eindeutigen Ansprechpartnern/-innen<br />
für den Kunden trägt das <strong>StUA</strong> <strong>Herten</strong><br />
den Anforderungen an einen modernen<br />
Dienstleister Rechnung.<br />
So wurde bereits 1994 die Medien<br />
übergreifende Arbeitsweise mit<br />
einem/er zentralen Ansprechpartner/-in<br />
für alle Umweltfachbereiche des Amtes<br />
eingeführt.<br />
<strong>StUA</strong> <strong>Herten</strong><br />
in Zahlen und<br />
Fakten<br />
1
<strong>StUA</strong> <strong>Herten</strong><br />
in Zahlen und<br />
Fakten<br />
2<br />
Um zügige Genehmigungsverfahren<br />
zu gewährleisten, wurde außerdem<br />
eine zentrale Verfahrensstelle für<br />
Genehmigungsverfahren eingerichtet.<br />
Die Website des Amtes bietet neben<br />
aktuellen Informationen auch einen<br />
Formularservice an, der den Kunden/-innen<br />
die Antragsstellung<br />
erleichtern soll.<br />
Spezielle Informationshandbücher<br />
für Überwachungs- und<br />
Genehmigungsfragen bei Störfallanlagen,<br />
Windenergieanlagen und landwirtschaftlichen<br />
Betrieben werden<br />
nicht nur von anderen kommunalen<br />
und staatlichen Behörden genutzt,<br />
sondern dienen auch Ingenieurbüros<br />
und Architekten als Planungshilfe und<br />
zur Antragsbearbeitung.<br />
Den Staatlichen Umweltämtern steht<br />
in NRW eine eigene umfassende Vorschriftensammlung<br />
für den technischen<br />
Umweltschutz (VtU) zur<br />
Verfügung. Mit über 1000 Gesetzen,<br />
Verordnungen, technischen Vorschriften<br />
und Normen ist diese „Arbeitshilfe“<br />
aus der Umweltverwaltung nicht<br />
mehr wegzudenken.<br />
Mit dem hauseigenen sachbearbeiterorientiertenFachinformationssystem<br />
(SOFIS) ist im Staatlichen<br />
Umweltamt <strong>Herten</strong> eine moderne<br />
elektronische Arbeitsplattform entwickelt<br />
worden, die speziell auf die<br />
Bedürfnisse der Sachbearbeiterinnen<br />
und Sachbearbeiter ausgerichtet ist.
Unter dem Dach von SOFIS sind verschiedenste Anwendungen, wie geographische Informationen<br />
(GIS), Datenbanken, spezielle Auswertungen und eine elektronische Aktenführung,<br />
so miteinander verknüpft, dass einzelne Arbeitsschritte oder vollständige Geschäftsprozesse<br />
ohne logischen Bruch bearbeitet werden können, insbesondere ohne umständliche Umstiege<br />
zwischen verschiedenen Datenbanken und Datenverarbeitungs-Anwendungen.<br />
Eine seit 1988 kontinuierlich durchgeführte Organisationsentwicklung hat die<br />
Zusammenarbeit im Amt über alle Hierarchieebenen hinweg positiv beeinfl usst und zu einer<br />
gestärkten Motivation der Beschäftigten sowie zur Festigung eines guten Arbeitsklimas beigetragen.<br />
Gerade in Zeiten großer Veränderungen spielt ein einheitliches Führungsverständnis<br />
in Verbindung mit Teamarbeit eine tragende Rolle.<br />
Die Beschäftigten einer Behörde sind das tragende Element für eine gute Arbeitsleistung,<br />
deshalb ist die Zufriedenheit der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ein wichtiges Kriterium<br />
einer Behörde. Zufriedene Mitarbeiter/-innen sind motivierter, engagierter, leistungsorientierter.<br />
Sie arbeiten besser im Team zusammen und erhöhen die Effi zienz und Qualität<br />
durch eigenes Engagement. Bei einem guten Arbeits- und Betriebsklima liegt auch der<br />
Krankenstand in der Regel unter dem Durchschnitt. Seit September 2004 werden im <strong>StUA</strong><br />
regelmäßige Befragungen zur Zufriedenheit der Mitarbeiter/-innen in Bezug auf den Arbeitsbereich,<br />
das Arbeitsklima, die berufl iche Entwicklung und die Führung beziehungsweise das<br />
Management des Amtes durchgeführt. Ziel ist es, Schwachstellen im Arbeitsklima wesentlich<br />
schneller zu erkennen und abzubauen.<br />
Als Pilotamt in der staatlichen Umweltverwaltung NRW hat das Staatliche Umweltamt <strong>Herten</strong><br />
maßgeblich an der betriebswirtschaftlichen Konzeption, Implementierung und Einführung<br />
der Kosten-Leistungsrechnung und des Berichtswesens mitgearbeitet. Darauf<br />
aufbauend wird zurzeit ein Controllingsystem entwickelt.<br />
<strong>StUA</strong> <strong>Herten</strong><br />
in Zahlen und<br />
Fakten<br />
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<strong>StUA</strong> <strong>Herten</strong><br />
in Zahlen und<br />
Fakten<br />
4<br />
Mit der Kosten- und Leistungsrechnung verfügt das Staatliche Umweltamt <strong>Herten</strong> über<br />
die grundlegenden Instrumente zur Kontrolle und Steuerung der Kosten. In der Funktion<br />
als Ordnungsbehörde und als Dienstleister und Berater wird die Kostenstruktur des Amtes<br />
naturgemäß überwiegend durch die Personalkosten bestimmt. Die Einnahmen setzen sich<br />
hauptsächlich aus Gebühren für Genehmigungen und für ordnungsrechtliche Maßnahmen<br />
zusammen. Eine Deckung der entstandenen Kosten ist mit den vorhandenen Gebührensätzen<br />
nicht möglich und auch nicht bezweckt.<br />
Die den Kosten gegenüberstehenden Leistungen der einzelnen Fachbereiche stellen sich für<br />
das Jahr <strong>2005</strong> zusammengefasst wie folgt dar:<br />
Im Technischen Umweltschutz wurden <strong>2005</strong> folgende Genehmigungs- und Zulassungsverfahren<br />
durchgeführt beziehungsweise bearbeitet:<br />
Aufgabe Anzahl Kosten<br />
Prüfung in eigener Zuständigkeit Genehmigungsverfahren und Anzeigen 374 842.456,00 €<br />
Beteiligung als Technische Fachbehörde Stellungnahmen zu Bauanträgen und<br />
Erlaubnisverfahren<br />
1334 783.016,00 €<br />
Beteiligung bei Zuständigkeit der Bezirksregierung<br />
Stellungnahmen 118 508.691,00 €<br />
Überwachung der Einhaltung der Umweltschutzvorschriften<br />
in den Fachbereichen:<br />
Berichte und Gutachten 339 130.583,00 €<br />
Luftreinhaltung, Lärmschutz, Anlagensicherheit,<br />
Gewässerschutz<br />
Nachbarschaftsbeschwerden 587 600.040,00 €<br />
Ausnahmeanträge 166 45.816,00 €
Die Überwachung der Gewässer und des Grundwassers erfolgt in der Regel durch<br />
amtseigene Messstellen:<br />
Gegenstand der Überwachung Verteilung im Dienstbezirk Menge<br />
Niederschlagsmenge 24 Messstellen Kontinuierliche Messung<br />
Oberirdischer Abfl uss<br />
(nach Wasserstand und Menge)<br />
19 Pegelanlagen 140 Überprüfungen/Jahr<br />
Grundwasserstand 860 Messstellen 33.000 Messwerte/Jahr<br />
Grundwasserproben 75 Messstellen 100 Proben/Jahr<br />
Grundwasserförderung 25 Wassergewinnungsanlagen 187 Millionen m³/Jahr<br />
Die 14 Anlagen zur Aufbereitung von Trinkwasser, die von 9 Wasserversorgungsunternehmen<br />
im Dienstbezirk betrieben werden, wurden ebenso wie die 34 kommunalen Kläranlagen<br />
und zirka 300 Anlagen im Bereich kommunalen Niederschlagswassers (Regenüberlaufbecken,<br />
Staukanäle, Regenklärbecken, und andere) im Hinblick auf die Umweltqualität kontinuierlich<br />
überwacht.<br />
Die Gesamtkosten für die Überwachung der Gewässer und der Abwasseranlagen betrugen<br />
im Jahr <strong>2005</strong> insgesamt 1.083.030 Euro.<br />
Im Jahr <strong>2005</strong> wurden durch das hauseigene Labor insgesamt 4108 Probenahmeaufträge<br />
(PNA) erfolgreich abgewickelt. Dabei wurden 99.579 eigene Messwerte ermittelt. Im Rahmen<br />
der analytischen Überwachung der Abwasserproben wurden im Jahr <strong>2005</strong> insgesamt<br />
482 Grenzwertverletzungen festgestellt. Zusätzlich wurden 18 Sonderuntersuchungsprogramme,<br />
zum Beispiel für den Verbraucherschutz, durchgeführt. Das Labor des <strong>StUA</strong> <strong>Herten</strong><br />
arbeitet auch für den Amtsbezirk des <strong>StUA</strong> Duisburg.<br />
Der Kostenaufwand für den Betrieb des hauseigenen Labors betrug im Jahr <strong>2005</strong> insgesamt<br />
2.350.580 Euro. Der Anteil des <strong>StUA</strong> <strong>Herten</strong> betrug daran 37 % = 869.714 Euro.<br />
Gewisse Schwierigkeiten bestehen noch in der Defi nition aussagefähiger Kennzahlen zur<br />
Qualität und Wirkung der Behördentätigkeit. Die Arbeit der staatlichen Umweltverwaltung<br />
liegt nämlich nicht nur im Bereich kundenorientierter Dienstleistungen, sondern beinhaltet<br />
überwiegend einen gesellschaftlich gewünschten Steuerungs- und Präventionsauftrag. Der<br />
<strong>StUA</strong> <strong>Herten</strong><br />
in Zahlen und<br />
Fakten<br />
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<strong>StUA</strong> <strong>Herten</strong><br />
in Zahlen und<br />
Fakten<br />
6<br />
Wertgewinn liegt in der Verbesserung der Umweltbedingungen, die nur schwer als Geldwert<br />
oder wirtschaftlicher Gewinn gemessen werden kann. Der „Gewinn“ an Umweltqualität wirkt<br />
sich im Unterschied zur Privatwirtschaft in keiner Weise auf die betriebswirtschaftliche Bilanz<br />
der Umweltbehörde aus. Insofern müssen hier andere Leistungsmessgrößen herangezogen<br />
werden.<br />
Leistungsanreize zur Qualitätssteigerung behördlichen Handelns werden insbesondere durch<br />
das so genannte Benchmarking erwartet. Durch Leistungsvergleiche mehrerer Staatlicher<br />
Umweltämter (StUÄ) untereinander wird ein Wettbewerb entstehen, der marktwirtschaftliche<br />
Mechanismen enthält. Erste Erfahrungen zeigen bereits positive Ansätze.
Die TA Luft in Israel<br />
Luft und Lärm<br />
Ulrich Buntrock<br />
Dem überraschten Leser stellt sich sicher<br />
die Frage: Was hat die Technische Anleitung<br />
zur Reinhaltung der Luft (TA Luft) mit Israel<br />
zu tun? Die TA Luft ist immerhin nur eine<br />
deutsche Verwaltungsvorschrift, die nicht<br />
mal bei uns für jedermann eine unmittelbare<br />
Wirkung entfaltet, sondern lediglich die<br />
Behörden bindet. Also, warum Israel?<br />
Nun, nachdem die israelische Regierung mit<br />
einem Verordnungsentwurf zur Luftreinhaltung<br />
in der Knesseth (israelisches Parlament)<br />
gescheitert war, hat sie 1998 mit dem<br />
israelischen Industrieverband ein Abkommen<br />
geschlossen. Kernstücke sind die allgemeinen<br />
Maßstäbe der TA Luft sowie spezielle<br />
Emissionsgrenzwerte, die aus der TA Luft<br />
1986 abgeschrieben worden waren.<br />
Für Problemfälle der Anwendung wurde eine<br />
sogenannte Umsetzungskommission aus<br />
Vertretern des Umweltministeriums und der<br />
Industrie gegründet. Deren Wirken scheint<br />
aber keine für beide Seiten befriedigende<br />
Lösungen erbracht zu haben. Die eine Seite<br />
beklagt eine Dominanz der Umweltministeriumsvertreter/innen,<br />
die andere Seite die<br />
der Industrievertreter/innen. Jedenfalls hat<br />
die Industrie jahrelang behaupten können,<br />
dass die Grenzwerte eingehalten werden.<br />
Bei einer groß angelegten Messkampagne<br />
der Umweltverwaltung wurde jedoch vor<br />
einiger Zeit nachgewiesen, dass die Werte<br />
auf breiter Front überschritten werden, teilweise<br />
um das Mehrfache.<br />
Nach dem israelischen Rechtssystem war<br />
die Folge eine Vielzahl von Strafprozessen<br />
vor den ordentlichen Gerichten. Geldstrafen<br />
gegen Unternehmer wurden verhängt. Diese<br />
Strafverfahren sind sowohl von der Umweltverwaltung<br />
als auch den Umweltverbänden<br />
beantragt worden.<br />
In dieser Situation kamen Kontakte auf<br />
Staatssekretärsebene zwischen dem<br />
israelischen Umweltministerium und dem<br />
NRW-Umweltministerium gerade recht, die<br />
Unterstützung der deutschen Behörden zu<br />
erbitten. Insbesondere ging es um das Verständnis<br />
und die Umsetzung der TA Luft<br />
generell sowie der Neuerungen in der<br />
TA Luft 2002, aber auch der 13., 17. und<br />
31. BImSchV. Das israelische Umweltministerium<br />
organisierte dazu im Juli <strong>2005</strong> eine<br />
Fachtagung. Nordrhein-Westfalen stellte als<br />
Vortragende und Diskussionsteilnehmer je<br />
einen Vertreter aus dem Umweltministerium<br />
und dem Staatlichen Umweltamt (<strong>StUA</strong>)<br />
<strong>Herten</strong> zur Verfügung. Auch ein Vertreter<br />
des Umweltbundesamtes war beteiligt.<br />
Die Tagung bestand aus zwei Teilen, einem<br />
Fachgespräch an der juristischen Fakultät<br />
Luft und Lärm<br />
7<br />
Die TA-Luft in Israel
Luft und Lärm<br />
8<br />
der Universität Tel Aviv und einem Workshop<br />
im Konrad-Adenauer-Kongresszentrum<br />
in Jerusalem.<br />
Die zirka 250 Teilnehmer in Tel Aviv bestanden<br />
aus dem Lehrkörper, Studierenden, Vertretern<br />
der Umweltverwaltung, der Industrie,<br />
Unternehmerverbänden, einzelnen Firmen<br />
sowie freiberufl ich Tätigen (Anwälte<br />
und Ingenieurbüros).<br />
Die Vortragsthemen betrafen grundsätzliche<br />
Aspekte der israelischen Umweltpolitik<br />
sowie die Umsetzung von Umweltvorschriften<br />
in Deutschland und Nordrhein-Westfalen.<br />
Hier waren auch die<br />
Vorgehensweise und die Möglichkeiten der<br />
Rechtsanwendung durch eine regionale<br />
staatliche Behörde wie dem Staatlichen<br />
Umweltamt <strong>Herten</strong> gefragt.<br />
An dem Workshop in Jerusalem haben zirka<br />
50 der Personen teilgenommen, die auch<br />
schon in Tel Aviv dabei waren. Hier waren<br />
das hauptsächlich Vertreter der Industrie,<br />
der Verwaltung und der Umweltverbände.<br />
Das Interesse an einer Teilnahme war sehr<br />
viel größer gewesen, aber die Teilnehmerzahl<br />
war limitiert worden.<br />
Dieser Workshop war weit mehr technisch<br />
geprägt. Hier wurden detaillierte Regelungen<br />
der TA Luft 2002 und der 13., 17. und<br />
31. BImSchV behandelt.<br />
Für die israelischen Zuhörer war insbesondere<br />
wichtig, welche Maßnahmen in<br />
Deutschland bei verschiedenen Anlagearten,<br />
die auch in Israel vorhanden sind, umgesetzt<br />
oder konkret geplant sind, insbeson-<br />
dere bei Feuerungsanlagen, chemischen<br />
Anlagen und Schmelzanlagen. Weitere Themen<br />
waren VOC-Verminderung, Emissionen<br />
und rechtliche Regelungen bei diskontinuierlichen<br />
Prozessen sowie Aspekte der<br />
Emissionsmessungen.<br />
Es entspannten sich zu allen Themen<br />
äußerst lebhafte Diskussionen, wobei die<br />
israelischen Zuhörer öfter untereinander in<br />
engagierte Streitgespräche kamen. Dabei<br />
zeigten sich die Industrievertreter/innen<br />
erfreut darüber, zu hören, dass in Deutschland<br />
nicht jede Überschreitung von Emissionsgrenzwerten<br />
zu einer strafrichterlichen<br />
Aktion führt, sondern zunächst verwaltungsrechtlich<br />
bewertet wird. Die Umweltschutzverbände<br />
dagegen waren erfreut zu<br />
hören, was in Deutschland den Betreibern<br />
an technischen Maßnahmen und an Grenzwerten<br />
abverlangt wird. Nicht selten riefen<br />
die Umweltverbände das Umweltministerium<br />
und die Industrie zu weitergehenden Schritten<br />
in Israel auf.<br />
Das israelische Umweltministerium hat nach<br />
meinem Eindruck an der einen oder anderen<br />
Stelle Argumente für eine Verschärfung der<br />
israelischen Umweltanforderungen und des<br />
Umweltrechts gesammelt. Wir konnten dazu<br />
sicherlich beitragen.<br />
Ob dies jedoch durchschlaggebend genug<br />
sein wird, muss sich noch zeigen, da die<br />
israelische Politik auch andere Aspekte als<br />
den Umweltschutz zu beachten hat. Insbesondere<br />
wird es wichtig sein, wie sich das<br />
Bewusstsein der Öffentlichkeit für Umweltprobleme<br />
in Israel entwickelt. Dies ist jedoch<br />
eindeutig auf dem Vormarsch.
„Wer qualmt, der zahlt“<br />
Dr. Claudia Abel<br />
… so lautete eine Schlagzeile des „Rheinischen<br />
Merkur“ zum Beginn des Emissionshandels<br />
im Januar <strong>2005</strong>. Bislang konnten<br />
die Unternehmen die Atmosphäre als kostenloses<br />
Auffangbecken für ihre Abgase<br />
benutzen, nun wird der Ausstoß des klimaschädlichen<br />
Kohlendioxids limitiert, und<br />
die Unternehmen benötigen entsprechende<br />
Berechtigungen für den Ausstoß – die so<br />
genannten Emissionszertifi kate.<br />
Ziel des Handels mit Emissionszertifi katen<br />
ist es, den Ausstoß von insgesamt sechs<br />
Treibhausgasen (Kohlendioxid, Methan,<br />
Distickstoffoxid, teilhalogenierte Fluorkohlenwasserstoffe,<br />
perfl uorierte Kohlenwasserstoffe,<br />
Schwefelhexafl uorid) zu senken.<br />
Im Jahr 1997 wurde mit dem Protokoll von<br />
Kyoto ein internationales Klimaschutzabkommen<br />
getroffen, in dem verbindliche<br />
Reduktionsziele festgelegt sind. Damit hat<br />
sich die Europäische Union (EU) dazu verpfl<br />
ichtet, ihre Kohlendioxid-Emissionen bis<br />
zum Jahr 2012 gegenüber 1990 um acht<br />
Prozent zu reduzieren.<br />
Der Grundgedanke hierbei<br />
ist, dass es für den weltweiten<br />
Klimaschutz unwichtig ist,<br />
wo die Treibhausgas-Emissionen<br />
reduziert werden, wichtig<br />
ist nur, dass sie insgesamt<br />
reduziert werden. Damit soll<br />
der Emissionshandel dort<br />
stattfi nden, wo er technisch<br />
mit den geringsten Kosten<br />
realisiert werden kann; so ist die Grundlage<br />
für einen EU-weiten Handel mit Zertifi katen<br />
eröffnet. Stehen den Unternehmen nicht<br />
genügend Zertifi kate zur Verfügung, so<br />
kann es seinen Ausstoß durch Einbau klimafreundlicher<br />
Technologien verringern oder<br />
zusätzliche Zertifi kate erwerben. Überschüssige<br />
Zertifi kate können am Markt verkauft<br />
werden. Dabei ist die Gesamtmenge der<br />
verfügbaren Zertifi kate begrenzt.<br />
Im Februar <strong>2005</strong> haben die Unternehmen<br />
von der Deutschen Emissionshandelsstelle<br />
(DEHSt) beim Umweltbundesamt die ihnen<br />
zugeteilten Zertifi kate auf ihre Konten gutgeschrieben<br />
bekommen. Die Pfl icht zur Minderung<br />
von Treibhausgasen richtet sich in<br />
erster Linie an Betreiber von Anlagen der<br />
Energieumwandlung, Raffi nerie-Betreiber,<br />
den Eisen- und Stahlsektor, Zementwerke<br />
wie auch die Papierherstellung. Es sind zwei<br />
Handelsperioden vorgesehen: <strong>2005</strong> bis<br />
2007 und 2008 bis 2012. In der ersten Handelsperiode<br />
wird zunächst nur Kohlendioxid<br />
als eins der sechs relevanten Treibhausgase<br />
betrachtet und dem Handel unterworfen.<br />
Eine konkrete Ausgestaltung der zweiten<br />
Handelperiode ist zurzeit noch offen und<br />
wird hier nicht behandelt.<br />
Luft und Lärm<br />
9<br />
„Wer qualmt, der zahlt“
Luft und Lärm<br />
10<br />
Mit einem Zertifi kat erwirbt das Unternehmen<br />
das Recht, eine Tonne Kohlendioxid<br />
in die Atmosphäre abzugeben. Das Unternehmen<br />
muss bis zum 31. März 2006 mittels<br />
eines so genannten Emissionsberichtes<br />
die tatsächlichen Kohlendioxid-Emissionen<br />
im Handelsjahr gegenüber den zuständigen<br />
Behörden nachweisen.<br />
Hat das Unternehmen mehr Treibhausgas<br />
ausgestoßen, als ihm Zertifi kate zur Verfügung<br />
stehen, muss es entweder Zertifi kate<br />
dazukaufen oder 40 Euro Strafe für jede<br />
zusätzliche Tonne bezahlen. Im April <strong>2005</strong><br />
lag der Tagespreis eines Zertifi kats für eine<br />
Tonne Kohlendioxid bei der Leipziger Strombörse<br />
EEX bei 17,70 Euro.<br />
Die DEHSt übernimmt als zentrale Bundesstelle<br />
wesentliche Teile der Administration<br />
im Rahmen des Handels mit Emissionszertifi<br />
katen (zum Beispiel Zuteilung der Zertifi<br />
kate, Kontoführung mit Übertragung und<br />
Löschung von Emissionsrechten, Sanktionierung<br />
von Verstößen). Die Landes-Immissionsschutzbehörden<br />
haben die Aufgabe,<br />
die Emissionshandelspfl ichten der<br />
Unternehmen, die im Treibhausgas-Emissionshandelsgesetz<br />
(TEHG) festgeschrieben<br />
sind - wie Aufl agen zur Ermittlung der<br />
Kohlendioxid-Emissionen und Aufl agen zur<br />
Berichterstattung über die tatsächlich emittierten<br />
Emissionen - in den entsprechenden<br />
Genehmigungen nach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz<br />
zu verankern. Basis für<br />
die Ermittlung der Emissionen und somit<br />
auch für den Emissionsbericht des Unternehmens<br />
ist ein Monitoringkonzept, welches<br />
entsprechend den EU-rechtlichen Vorschriften<br />
zu erstellen ist. Will das Unternehmen<br />
bei der Ermittlung der Emissionen von diesem<br />
Monitoring-Konzept abweichen, so ist<br />
dafür die behördliche Zustimmung einzuholen.<br />
Andernfalls besteht die Gefahr, dass die<br />
DEHSt das Konzept im Rahmen der Prüfung<br />
des Emissionsberichtes im April 2006 nicht<br />
akzeptiert, was wiederum Sanktionen nach<br />
dem TEHG nach sich ziehen kann.<br />
Das MUNLV hat die Unternehmen, die dem<br />
Emissionshandel unterliegen, im Juli <strong>2005</strong><br />
auf dieses Risiko hingewiesen und ein Angebot<br />
zur frühzeitigen Prüfung der Konzepte<br />
durch die Landes-Immissionsschutzbehörden<br />
offensiv angeboten. Zurzeit liegen<br />
uns einzelne Monitoring-Konzepte vor, die<br />
wir gemeinsam mit dem Landesumweltamt<br />
prüfen. Eine weitere Aufgabe wird sein,<br />
im März 2006 die eingehenden Emissionsberichte<br />
über die tatsächlich im Jahr <strong>2005</strong><br />
ausgestoßenen Kohlendioxid-Emissionen<br />
stichprobenhaft zu prüfen.<br />
Vom Emissionshandel, der derzeit nur auf<br />
die EU-Staaten beschränkt ist, gehen bereits<br />
jetzt weltweite Impulse für den Klimaschutz<br />
aus. Der Rheinische Merkur schreibt<br />
dazu: „Mit den so genannten CDM-Projekten<br />
(Clean-Development-Mechanism) können<br />
Staaten und Unternehmen emissionsmindernd<br />
in Entwicklungsländern investieren.<br />
Dadurch können sie sowohl Emissionsgutschriften<br />
sammeln als auch den<br />
umweltschonenden Fortschritt in diesen<br />
Ländern vorantreiben. Derzeit liegen rund<br />
70 Projekte bei der internationalen Registrierungsstelle<br />
vor, weltweit sind etwa<br />
1200 geplant.<br />
Der Natur kann´s nur recht sein.“
Emissionsminderung bei der<br />
Entladung von Steinkohlenteer<br />
aus Eisenbahnkesselwagen<br />
Josef Hilgers<br />
Im Aufsichtsbezirk des Staatlichen Umweltamtes<br />
(<strong>StUA</strong>) <strong>Herten</strong> ist eine von drei europäischen<br />
Firmen ansässig, die Steinkohlenteere<br />
verarbeitet. Steinkohlenteer fällt als<br />
Nebenprodukt in Kokereien an und enthält<br />
Krebs erzeugende Stoffe im Sinne von Nummer<br />
5.2.7.1 der Technischen Anleitung (TA)<br />
Luft. Insbesondere sind bei den niedrig siedenden<br />
Fraktionen Benzol und bei den hoch<br />
siedenden Fraktionen Benzo(a)pyren zu<br />
nennen. Zurzeit werden zirka 525.000 Tonnen<br />
Rohteer pro Jahr verarbeitet.<br />
Die Anlieferung erfolgt über zum Teil angemietete<br />
Eisenbahnkesselwagen. Die Eisenbahnkesselwagen<br />
werden in zwei Schritten<br />
entladen.<br />
• Im ersten Schritt wird der Steinkohlenteer<br />
im Kesselwagen soweit erwärmt,<br />
bis er pumpfähig ist (zirka<br />
60 °C). Die Aufheizung erfolgt aus<br />
Gründen des Explosionsschutzes<br />
mittels Dampf.<br />
• Im zweiten Schritt wird der verfl üssigte<br />
Steinkohlenteer mit Pumpenunterstützung<br />
aus den Kesselwagen abgesaugt<br />
und einem Lagertank zugeführt.<br />
Um Beschädigungen des Kesselwagens<br />
durch erhöhte Drücke zu vermeiden, bleibt<br />
der Domdeckel des Waggons während des<br />
zirka achtstündigen Verladevorgangs geöffnet.<br />
Hierbei kommt es zu erheblichen Emissionen<br />
an Krebs erzeugenden Stoffen, die<br />
gemäß Nummer 5.2.7 der TA Luft zu minimieren<br />
sind.<br />
Wie sich bei der Durchführung von Betriebsversuchen<br />
unter Beteiligung des Staatlichen<br />
Umweltamtes <strong>Herten</strong> gezeigt hat, sind die<br />
klassischen Möglichkeiten zur Emissionsminderung<br />
hier nicht praktikabel:<br />
• Erfassung der Abluft mittels am<br />
Domdeckel angeschweißten Stutzen<br />
(siehe Bild 1)<br />
Eine Abluftleitung konnte am Stutzen<br />
angeschlossen werden. Es<br />
besteht eine Möglichkeit, die Abluft<br />
über einen Wäscher der zentralen<br />
Abgasverbrennungsanlage zuzuführen.<br />
Bei den Versuchen kam es zu technischen<br />
Problemen beim Ablassen des<br />
Teers, wie kristalline Ablagerungen<br />
in Leitungen und Pumpen sowie dem<br />
damit zusammenhängenden, ständigen<br />
Pumpenausfall.<br />
• Ableitung der Abluft über einen Aluminiumadapter<br />
mit aufblasbarem<br />
Dichtkissen (siehe Bild 2)<br />
Hierbei erwies sich die Beständigkeit<br />
des Dichtkissens gegenüber der Abluft<br />
und Ablagerungen am Dichtkissen als<br />
problematisch.<br />
Außerdem kam es während eines<br />
Verladevorgangs zu einem Arbeitsunfall.<br />
Auf Grund der betrieblichen Probleme wurde<br />
Luft und Lärm<br />
11<br />
Emisionsminderung bei der Entladung von<br />
Steinkohlenteer aus Eisenbahnkesselwagen
Luft Luft und und Lärm<br />
12<br />
Bild 1: Betriebsversuch<br />
mit angeschweißtem<br />
Stutzen und<br />
Abluftleitung<br />
Bild 2: Betriebsversuch<br />
mit Aluminiumadapter<br />
und<br />
Dichtkissen<br />
Bild 3: Betriebsversuch<br />
mit Unterdruckanzeige<br />
und Unterdruckventil<br />
am<br />
Domdeckel des<br />
neuen Kesselwagens<br />
Bild 4: Betriebsversuch<br />
Produktablass mit<br />
neuem Kesselwagen<br />
in einer Projektgruppe ein neuer<br />
Kesselwagen konstruiert und gefertigt.<br />
Der neu entwickelte Kesselwagen<br />
bietet folgende Verbesserungen:<br />
• Fest installierte Temperaturmessung<br />
Bei Erreichen einer Produkttemperatur<br />
von 60 °C wird der<br />
Kesselwagen nahezu vollständig<br />
entleert. Die Kontrolle des<br />
Füllstandes über den Domdeckel<br />
entfällt, Reste werden beim<br />
Wiegen festgestellt und verbleiben<br />
im Kesselwagen.<br />
• Innen liegende Heizschlangen<br />
Verkrustungen auf den Heizschlangen<br />
entfallen, besserer<br />
Temperaturübergang, Reinigungsintervalle<br />
des Kesselwagens<br />
können verlängert werden.<br />
• V-Stellung des Tanks<br />
Produktreste können besser<br />
ablaufen<br />
• Druckfeste Auslegung des Tanks<br />
Überdruck<br />
Ein Öffnen des Tanks während<br />
der Aufheizphase ist nicht mehr<br />
erforderlich.<br />
Unterdruck<br />
Der Tank ist so ausgelegt, dass<br />
er ohne Druckausgleich entladen<br />
werden kann.
Mit diesem Kesselwagen ist, abgesehen von<br />
Tropfverlusten (siehe Bild 4), eine emissionsfreie<br />
Steinkohlenteerentladung möglich,<br />
da der Domdeckel während der Entladung<br />
geschlossen bleibt.<br />
Nach einer betrieblichen Testphase wird der<br />
erste gemietete Kesselwagen Ende <strong>2005</strong><br />
den Betrieb aufnehmen. Der Einsatz wird<br />
dem Staatlichen Umweltamt <strong>Herten</strong> gemäß<br />
§ 15 Absatz 1 BImSchG angezeigt.<br />
Im Jahr 2006 sollen 60 weitere Kesselwagen<br />
in Betrieb gehen. Nach erfolgreichem<br />
Großversuch sollen in 2007 weitere 60 Kesselwagen<br />
folgen. Über die Erfahrungen der<br />
betrieblichen Einsatzpraxis, des Emissionsminderungspotenzials<br />
und der Immissionsentwicklung<br />
wird weiter berichtet.<br />
Aktionsplan des Staatlichen<br />
Umweltamtes <strong>Herten</strong><br />
erfolgreich<br />
Claudia Pudwell-Sauer<br />
Bei dem betrachteten Firmenstandort handelt<br />
es sich um einen seit mehr als hundert<br />
Jahren existierenden Altstandort, der von<br />
Wohnbebauung umgeben ist. Aufgrund des<br />
über Jahre kontinuierlich gewachsenen Unternehmens<br />
und der von ihm erzeugten<br />
Produktpalette war zu erwarten, dass dieser<br />
Standort luftseitig nicht unerheblich<br />
belastet ist. Aus diesem Grund wurde er<br />
auf Vorschlag des Staatlichen Umweltamtes<br />
(<strong>StUA</strong>) <strong>Herten</strong> prioritär in das so<br />
genannte SEBB-Programm des Landes<br />
Nordrhein-Westfalen (Systematische Er-<br />
fassung und Beseitigung von Belastungsschwerpunkten)<br />
aufgenommen.<br />
Im Rahmen der durchgeführten Untersuchungen<br />
wurden an die betriebliche Produktionspalette<br />
entsprechend angepasste anorganische<br />
und organische Immissionskomponenten<br />
ermittelt. Ihre Daten sollten anfänglich<br />
einen Überblick über die eigentliche Belastung<br />
vor Ort und einen Einblick in das Werk<br />
und die dortigen Betriebsabläufe geben.<br />
Dabei stellte sich erwartungsgemäß heraus,<br />
dass die Umgebung des Standortes<br />
nicht unerheblich mit Immissionen aus dem<br />
Betriebsgelände belastet ist. Die weiteren<br />
Überwachungen sollten Fortschritte als Folge<br />
technischer Maßnahmen durch die Firma<br />
dokumentieren und neue Erkenntnisse zu<br />
immissionsrelevanten Vorgängen eröffnen.<br />
Bild 1: MILIS-Station<br />
Aus den Messungen und übrigen Ermittlungen<br />
vielfältigster Art auf dem Werksgelände<br />
entstanden systematische Grundsatzbetrachtungen<br />
zur luftseitigen Bewertung.<br />
Bei den weiteren Maßnahmen haben<br />
wir uns zusammen mit der Firma priotär<br />
auf die Reduzierung der kanzerogenen<br />
Luft und Lärm<br />
13<br />
Aktionsplan des Staatlichen Umweltamtes <strong>Herten</strong> erfolgreich
Luft und Lärm<br />
14<br />
Emissionen (Leitkomponenten Benzol und<br />
Benzo(a)pyren) konzentriert. Diese Vorgehensweise<br />
setzte ein hohes Kommunikationspotenzial<br />
zwischen Behörde und Betreiber<br />
voraus, wobei neben Anlagenbegehungen,<br />
Analysen auffälliger Immissionsdaten<br />
systematisch regelmäßige Jour fi xe durchgeführt<br />
werden.<br />
Aus den hieraus gewonnenen Erkenntnissen<br />
ist in Abstimmung mit der Firma ein Aktionsplan<br />
zur Reduzierung der Immissionsbelastung<br />
vor Ort entstanden. Der Aktionsplan<br />
konzentriert sich bislang im Wesentlichen<br />
auf die Beseitigung der kanzerogenen Emissionen<br />
Benzol und Benzo(a)pyren durch<br />
• die Senkung der Grundbelastung<br />
durch einzelne Maßnahmen in Verbindung<br />
mit der Inbetriebnahme neuer<br />
Anlagen sowie der Außerbetriebnahme<br />
von Altanlagen,<br />
• die Senkung der Anzahl von Immissionsspitzenwerten,<br />
• die Quellenbetrachtungen mittels<br />
Emissionsmessungen durch den<br />
<strong>StUA</strong>-eigenen Mess- und Prüfdienst<br />
sowie<br />
• die Ermittlung besonderer anlagenbezogener<br />
Einzelquellen.<br />
Diese auch von der Firma progressiv vorangetriebenen<br />
technischen und organisatorischen<br />
Maßnahmen gehen konform mit den<br />
Erkenntnissen aus den seit 2001 laufenden<br />
Untersuchungen, ergänzt von bereits vor<br />
dem Jahr 2000 mit dem Staatlichen Umweltamt<br />
<strong>Herten</strong> vereinbarten grundsätzlichen<br />
Umstrukturierungsmaßnahmen.<br />
Alle bisherigen technischen Maßnamen zeigen<br />
nach ihrer Umsetzung deutliche Wirkung.<br />
Hierdurch wurde bereits eine Verbesserung<br />
des Immissionswertes für<br />
Benzo(a)pyren um ein Drittel erreicht.<br />
Weitere Maßnahmen hierzu werden zurzeit<br />
mit dem Betreiber diskutiert. Für Benzol<br />
ergibt sich für die ersten elf Monate des<br />
Jahres <strong>2005</strong> eine immissionsseitige Verbesserung<br />
um etwa 40 %, an besonders beaufschlagten<br />
Immissionsorten sogar um mehr<br />
als 200 % (auf Basis des ermittelten Wertes<br />
aus <strong>2005</strong>). Ebenso erfolgreich werden hoffentlich<br />
die weiteren laufenden Umsetzungsmaßnahmen<br />
sein, denen relevante Einzelquellenbetrachtungen<br />
zugrunde liegen. Der<br />
von der Europäischen Union vorgegebene<br />
zeitlich gestaffelte Immissionsgrenzwert für<br />
Benzol wird dadurch bereits jetzt an allen<br />
Immissionsmesspunkten unterschritten.<br />
Die Erreichbarkeit in Bezug auf den endgültigen<br />
Benzolimmissionswert in 2010 scheint<br />
damit machbar zu sein.<br />
Bild 2 und 3: Links: Besonders beaufschlagter Immissionsort CARA 6 in der Wohnbebauung (siehe auch Ausschnitt links); Rechts: Gegenüberliegende Straßenseite mit Anlage
Durch die vom <strong>StUA</strong> <strong>Herten</strong> initiierte Immissionsmessung<br />
im Umfeld der Anlage, wurde<br />
für Benzol sogar die Erstellung eines Luftreinhalteplans<br />
notwendig. Auch hier waren<br />
wir in die von der Bezirksregierung Münster<br />
einberufene Projektgruppe integriert.<br />
Im Rahmen der Recherchen haben alle Beteiligten<br />
viel über Quellen auf dem Betriebsgelände<br />
und ihr Emissionsverhalten sowie<br />
ihre Relevanz, aber auch über positivere<br />
Kommunikationsweisen in dieser Angelegenheit<br />
erfahren. Es wäre wünschenswert,<br />
diesen Prozess bei den weiter notwendigen<br />
Reduzierungen an Emissionsquellen zugunsten<br />
der umweltrelevanten Auswirkungen<br />
insbesondere auf die dortige Nachbarschaft<br />
weiter so fortzuführen.<br />
Crash Boom Bang<br />
Claudia Pudwell-Sauer<br />
In einem Betrieb ereignete sich eine Tankexplosion<br />
mit Folgebrand. Durch den Bereitschaftsdienst<br />
herbeigerufen, fand ich einem<br />
Bienenschwarm gleich Anwohner, Polizei,<br />
Feuerwehren, betriebsangehörige Mitarbeiter<br />
und Journalisten vor.<br />
Durch das weithin bemerkbare Explosionsereignis<br />
mit Druckwelle und Brand traten auf<br />
dem Betriebsgelände ausschließlich materielle<br />
Schäden durch Trümmerfl ug beim Abheben<br />
des Tankdaches, Verformungsschäden,<br />
Brand und geborstene Fensterscheiben<br />
sowie außerhalb des Betriebsgeländes<br />
abgerissene bauliche Verblendungen und<br />
Deckenbeleuchtungen auf.<br />
Ursächlicher Anlass für das Schadensereignis<br />
waren einige Tage zuvor durchgeführte<br />
Reparaturarbeiten an einem Wärmetauscher<br />
im Zulaufbereich des Tankes. Hierdurch ist<br />
heißes Produkt in den Tank eingetreten und<br />
hat dort zu einem explosionsfähigen Gas-/<br />
Dampfgemisch geführt, das aber erst zum<br />
Ereigniszeitpunkt durch elektrostatische<br />
Aufl adungsprozesse innerhalb des Tankes<br />
gezündet hat. Durch die Explosion wurde<br />
das komplette Tankdach an der Reißnaht<br />
abgetrennt und klappte seitlich um.<br />
Eine Messung durch den Sondereinsatz des<br />
Landesumweltamtes hat keine Beeinträchtigung<br />
der Nachbarschaft durch Schadstoffe<br />
ergeben. Trotz der an diesem Abend teilweise<br />
„chaotisch erscheinenden Verhältnisse<br />
vor Ort“ hat die Kommunikation mit der<br />
Firma gut funktioniert.<br />
So wurden neben den sofort vorgenommenen<br />
Untersuchungen durch das Labor des<br />
Staatlichen Umweltamtes <strong>Herten</strong> auch von<br />
der Firma diverse Gutachter zur<br />
detaillierten sicherheitstechnischen<br />
Beurteilung der Anlage<br />
sowie der relevanten Folgeerscheinungen<br />
eingeschaltet, so<br />
dass die nachfolgenden Recherchen<br />
und Abwicklungen dieses<br />
Schadensereignisses „problemlos“<br />
abliefen.<br />
Luft und Lärm<br />
15<br />
Crash Boom Bang
Biogasanlagen in der Landwirtschaft<br />
aus der Sicht der Genehmigunsbehörde<br />
Luft und Lärm<br />
16<br />
Biogasanlagen in der<br />
Landwirtschaft aus Sicht<br />
der Genehmigungsbehörde<br />
Rainer Wegner<br />
Die verstärkte Nutzung regenerativer Energien<br />
zur Reduktion der energiebedingten<br />
Treibhausgas-Emissionen hat dazu geführt,<br />
dass in den vergangenen Jahren und bis<br />
heute die landwirtschaftliche Biomassenutzung<br />
stetig zunimmt. Insbesondere die<br />
Erzeugung und Nutzung von Biogas wird<br />
mehr und mehr zu einer festen Größe.<br />
Die Gründe, die zur Errichtung und zum<br />
Betrieb einer Biogasanlage führen, sind häufi<br />
g vielschichtig und oft von speziellen Randbedingungen<br />
abhängig.<br />
Die Genehmigungssituation für Biogasanlagen<br />
hat sich unter anderem durch die<br />
Änderung des Baugesetzbuches aufgrund<br />
des Europarechtsanpassungsgesetzes<br />
Bau (EAG Bau) und die so genannte EU-<br />
Hygieneverordnung geändert. Weiterhin<br />
sind durch die Novellierung des Energie-<br />
Einspeise-Gesetzes (EEG) neue beziehungsweise<br />
veränderte wirtschaftliche Rahmenbedingungen<br />
entstanden.<br />
Rückblick<br />
Aufgrund der Anreize durch das Energie-<br />
Einspeise-Gesetz und der Regelung, in der<br />
Landwirtschaft Flächen stillzulegen und<br />
nicht mehr für den Futteranbau zu nutzen,<br />
kam bei den Landwirten recht früh der Gedanke<br />
auf, die auf den Stilllegungsfl ächen<br />
erzeugten Biomassen in Biogasanlagen zu<br />
verwerten. Nach unseren Unterlagen wer-<br />
den zurzeit zirka 50 Biogasanlagen im Aufsichtsbezirk<br />
betrieben. Die älteste Anlage<br />
ist vor 25 Jahren errichtet worden und noch<br />
heute in Betrieb.<br />
Da eine zufrieden stellende Gasausbeute<br />
und somit eine Rentabilität allein mit diesen<br />
Materialien nicht sicher zu stellen war,<br />
wurde auf dem Markt nach energiereichen<br />
Materialien gesucht. Diese als Abfälle jeglicher<br />
Art eingesetzten Materialien brachten<br />
aber eine Reihe von Problemen mit sich.<br />
Insbesondere führte der Einsatz von Abfällen<br />
dazu, dass der anfallende Gärrest auf<br />
dem freien Markt in der Regel nicht mehr<br />
ohne weiteres als Dünger abgesetzt werden<br />
konnte. Ein weiterer Grund, sich mit dem<br />
Betrieb von Biogasanlagen zu befassen,<br />
ergab sich durch die bessere Verwertung<br />
der Gärreste. Diese waren deutlich geruchsärmer.<br />
Somit konnte der Landwirt dieses<br />
Material zum Beispiel dichter an die Wohnbebauung<br />
heran ausbringen. Bei den hohen<br />
Kosten für zusätzliche Pachtfl ächen in den<br />
Regionen, wo Wohnbebauung und landwirtschaftliche<br />
Nutzung aufeinander treffen, ein<br />
nicht zu unterschätzender Faktor.<br />
Viele Landwirte waren froh, dass mit der<br />
Novelle zum Baugesetzbuch (BauGB) im<br />
Jahre 2004 hinsichtlich der Privilegierung<br />
von Biomasseanlagen Regelungen getroffen<br />
wurden. Eine Zunahme der Änderungsgenehmigungsverfahren<br />
war deutlich feststellbar.<br />
Technisch gesehen würden viele Antragsteller<br />
gerne weiter Abfälle einsetzen, aber aufgrund<br />
der zusätzlichen Vergütung für nachwachsende<br />
Rohstoffe (NawaRo’s) im Rahmen<br />
des EEG ist dies unattraktiv geworden.
Auf die Änderungen und deren Auswirkungen<br />
durch die geänderte Rechtslage soll<br />
nachfolgend näher eingegangen werden.<br />
Planungsrecht<br />
Baugesetzbuch (BauBG) –<br />
Privilegierung -<br />
Vorhaben der energetischen Nutzung von<br />
Biomasse (§ 35 Absatz 1 Nummer 6 BauGB)<br />
Durch die BauGB-Novelle 2004 zählen nun<br />
auch Biomasseanlagen zu den privilegierten<br />
Bauvorhaben. Voraussetzung ist hierbei,<br />
dass das Vorhaben im Rahmen eines landoder<br />
forstwirtschaftlichen Betriebes, eines<br />
Gartenbau- oder eines Tierhaltungsbetriebes,<br />
der aufgrund seiner nachteiligen Wirkung<br />
auf die Umgebung in den Außenbereich<br />
gehört sowie dem Anschluss solcher Anlagen<br />
an das öffentliche Versorgungsnetz dient.<br />
Das Vorhaben muss dabei in einem räumlich-funktionalen<br />
Zusammenhang mit dem<br />
Betrieb stehen, die Biomasse überwiegend<br />
aus dem Betrieb oder überwiegend aus<br />
diesem und aus nahe gelegenen Betrieben<br />
stammen. Die Kooperation von mehreren<br />
Biomasse erzeugenden Betrieben wird<br />
damit ermöglicht. Die Einschränkung auf<br />
nahe liegende Betriebe soll aus ökologischen<br />
und auch aus volkswirtschaftlichen<br />
Gründen einen überregionalen Transport<br />
des Rohmaterials verhindern. Je Hofstelle<br />
oder Betriebsstandort darf nur eine Anlage<br />
betrieben werden. Die installierte elektrische<br />
Leistung der privilegierten Biomasseanlage<br />
ist auf 0,5 Megawatt (MW) begrenzt.<br />
Zu beachten ist, dass diese Beschränkung<br />
auch für Biogasanlagen gilt, die das erzeugte<br />
Gas zu anderen Standorten des BHKW’s weiterleiten.<br />
Hierbei ist entweder deren kumulierte<br />
installierte Leistung für die Grenzwertbemessung<br />
heranzuziehen oder die<br />
Beschränkung auf 0,5 MW umzurechnen.<br />
Rückbauverpfl ichtung (§ 35 Absatz 5<br />
BauGB)<br />
Der novellierte § 35 Absatz 5 enthält eine<br />
Rückbauverpfl ichtung bei privilegierten<br />
Außenbereichsvorhaben. Demnach ist die<br />
Rückbauverpfl ichtung eine Zulässigkeitsvoraussetzung<br />
(Schutz des Außenbereichs).<br />
Die Genehmigungsbehörde soll zum Beispiel<br />
durch Eintragung einer Baulast oder<br />
auf andere Weise, zum Beispiel Bankbürgschaft,<br />
die Einhaltung dieser Verpfl ichtung<br />
sicherstellen.<br />
Defi nition Rückbauverpfl ichtung:<br />
„Nach dauerhafter Aufgabe der Nutzung<br />
ist das Vorhaben zurück zu bauen und die<br />
Bodenversiegelung zu beseitigen.“<br />
Durch den neuen Privilegierungstatbestand<br />
wird die Errichtung von Biogasanlagen<br />
erleichtert. Dieses Privileg ist aber an den<br />
jeweiligen Bauernhof gekoppelt, es sollen<br />
keine Biogasfabriken außerhalb der Ortslagen<br />
genehmigt werden, da es Ziel des<br />
Gesetzes ist, den Strukturwandel der Landwirtschaft<br />
zu fördern.<br />
Bundesimmissionsschutzgesetz /<br />
Baurecht<br />
Bei Biogasanlagen ist der bestimmende Faktor<br />
für die Zuordnung der Anlage die installierte<br />
Feuerungswärmeleistung des Blockheizkraftwerkes<br />
(BHKW). Gemäß Nummer<br />
1.4 des Anhangs zur 4. BImSchV sind<br />
Verbrennungsmotoranlagen zur Erzeugung<br />
von Strom für den Einsatz von gasförmigen<br />
Luft und Lärm<br />
17
Luft und Lärm<br />
18<br />
Brennstoffen mit einer Feuerungswärmeleistung<br />
von 1 MW bis weniger als 10 MW<br />
genehmigungsbedürftig.<br />
Die Genehmigung wird im so genannten vereinfachten<br />
Verfahren erteilt (ohne öffentliche<br />
Bekanntmachung). Genehmigungsbehörde<br />
ist in diesen Fällen das Staatliche Umweltamt.<br />
Ist die Feuerungswärmeleistung unter<br />
1 MW, wird die Genehmigung zur Errichtung<br />
des BHKW durch das Bauordnungsamt<br />
erteilt. Das Staatliche Umweltamt wird als<br />
Fachbehörde am Verfahren beteiligt.<br />
Biogasanlage als Nebenanlage<br />
einer genehmigungsbedürftigen<br />
Anlage<br />
Biogasanlagen sind auch bei Unterschreitung<br />
der vorgenannten Leistungsgrößen in<br />
einem immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahren<br />
zu genehmigen, wenn<br />
sie als Nebeneinrichtung einer nach dem<br />
Bundes-Immissionsschutzgesetz genehmigungsbedürftigen<br />
Anlage betrieben werden.<br />
Dies kann zum Beispiel im Zusammenhang<br />
mit dem Tierhaltungsbetrieb (Nummer 7.1)<br />
und / oder Anlagen zur Lagerung von Gülle<br />
(Nummer 9.36) > 2.500 m³ Lagervolumen<br />
der Fall sein.<br />
Das Genehmigungsverfahren<br />
nach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz<br />
(BImSchG)<br />
Antragstellung<br />
Über den Genehmigungsantrag ist innerhalb<br />
von 3 Monaten zu entscheiden. Voraussetzung<br />
ist hierbei, dass die Antragsunterlagen<br />
vollständig vorliegen. Die Beteiligung der<br />
Fachbehörden erfolgt im Sternverfahren.<br />
Das setzt voraus, dass der Antrag in ent-<br />
sprechender Anzahl, in der Regel 12-fach,<br />
vorgelegt wird. Insbesondere ist darauf hinzuweisen,<br />
dass es sich bei Bauvorhaben im<br />
Rahmen des BImSchG-Antrages in Nordrhein-Westfalen<br />
immer um Sonderbauten im<br />
Sinne des Baurechts handelt. Das bedeutet,<br />
dass dem Antrag ein Brandschutzkonzept<br />
beizufügen ist.<br />
Technische Anforderungen<br />
Einsatzstoffe<br />
Neben dem Einsatz von Gülle sind eine<br />
Reihe weiterer Stoffe für die Biogaserzeugung<br />
geeignet. Grundsätzlich ist bei der<br />
Materialaufgabe und Zuführung zur Anlage<br />
zu berücksichtigen, dass durch diese Vorgänge<br />
keine wesentlichen Geruchsemissionen<br />
hervorgerufen werden. In der Regel<br />
sind daher fl üssige Einsatzstoffe in geschlossenen<br />
Behältern zu lagern. Feste und pastöse<br />
Materialien sind so zu lagern, dass<br />
durch Umwelteinfl üsse, zum Beispiel Regen<br />
oder Wind, eine Beeinträchtigung der Nachbarschaft<br />
vermieden wird. Die offene Lagerung<br />
wird daher sehr kritisch gesehen. Insbesondere<br />
Gefl ügelmist und ähnliche Stoffe<br />
sind witterungsgeschützt zum Beispiel in<br />
Hallen zu lagern.<br />
Fermenter / Nachgärer<br />
Nachwachsende Rohstoffe<br />
Unter der eingangs beschriebenen Voraussetzung,<br />
dass neben Gülle nur nachwachsende<br />
Rohstoffe eingesetzt werden,<br />
wird in einem Merkblatt des Ministeriums<br />
für Umwelt, Naturschutz, Landwirtschaft<br />
und Verbraucherschutz des Landes Nordrhein-Westfalen<br />
zu Biogasanlagen ausgeführt,<br />
dass das Wassergefährdungspotenzial<br />
der zu vergärenden Stoffe mit dem Wasser-
gefährdungspotenzial von Jauche, Gülle oder<br />
Sickersäften vergleichbar ist. Somit sind<br />
auch in Nordrhein-Westfalen die technischen<br />
Anforderungen an diese Anlagen mit denen<br />
der JGS-Anlagen-Verordnung identisch.<br />
• JGS-Anlagen-Verordnung: Verordnung<br />
zur Umsetzung der EU-Richtlinie vom<br />
13.11.1998 – NRW<br />
• 91/678/EWG vom 12.12.1991<br />
zum Schutz der Gewässer vor<br />
Verunreinigungen durch Nitrat aus<br />
landwirtschaftlichen Betrieben<br />
Der Charakter der Stoffe ermöglicht ihre<br />
Einbeziehung in das landwirtschaftliche<br />
JGS-Privileg. Die Verordnung über Anlagen<br />
zum Umgang mit Wasser gefährdenden<br />
Stoffen und über Fachbetriebe (VAwS) ist<br />
somit nicht anzuwenden.<br />
Zu berücksichtigen ist aber, dass vor dem<br />
Hintergrund der höheren thermischen und<br />
dynamischen Belastung bei der Gaserzeugung<br />
im Fermenter und Nachgärer mit einem<br />
Volumen von mehr als 1.000 m³ eine<br />
Dichtungsschicht mit Leckageerkennung<br />
unterhalb der Behälter vorzusehen ist.<br />
Aufgrund einer einheitlichen Umsetzung in<br />
Nordrhein-Westfalen hat die Genehmigungsbehörde<br />
darauf zu achten, dass im Rahmen<br />
der Gleichbehandlung alle derartigen Anlagen<br />
so ausgerüstet werden.<br />
Blockheizkraftwerk<br />
Grundsatz: Kein erzeugtes Biogas<br />
ungenutzt über Dach!<br />
Zur Erfüllung dieses Grundsatzes sind eine<br />
Reihe technischer Lösungen denkbar. Aus<br />
sicherheitstechnischen Überlegungen wird<br />
von der Berufsgenossenschaft gefordert,<br />
dass nicht mehr als 20 m³ Gas pro Stunde<br />
abgeblasen werden dürfen. Diese Anforderung<br />
greift unter dem oben genannten<br />
Grundsatz für den Immissionsschutz zu kurz.<br />
Ausfall des Blockheizkraftwerkes<br />
Da der Gasspeicher aus einer fl exiblen<br />
Gummimembrane besteht, ist das Gaslager<br />
in der Lage, sich auszudehnen und bei Ausfall<br />
des BHKW für einen bestimmten Zeitraum<br />
das Gas aufzunehmen. Die Materialzufuhr<br />
ist nach Eingang des Alarms umgehend<br />
abzustellen.<br />
Als externe Maßnahmen kommen zum Beispiel<br />
in Frage:<br />
• Errichtung eines zusätzlichen<br />
Gasspeichers als Puffer<br />
• Aufstellung und Bereithaltung eines<br />
Reservemotors:<br />
Diese Möglichkeit ist insbesondere bei<br />
älteren Anlagen oder Erweiterungen<br />
interessant, da neben dem neuen<br />
Motor der bisherige alte Motor als<br />
Reserveeinheit in der Anlage verbleibt.<br />
• feste Notfackel:<br />
Bei Nachweis einer ausreichenden<br />
Reaktionszeit durch oben genannte<br />
Maßnahmen wird eine feste Notfackel<br />
entbehrlich.<br />
• mobile Notfackel:<br />
Für unvorhergesehene Ereignisse, wie<br />
zum Beispiel Verzögerungen bei der<br />
Reparatur oder Wartung des BHKW,<br />
werden mobile Notfackeln zugelassen.<br />
Diese sind innerhalb einer bestimmten<br />
Zeit dem Betreiber in der Regel von<br />
Luft und Lärm<br />
19
Luft und Lärm<br />
20<br />
der Wartungsfi rma zur Verfügung zu<br />
stellen, um die Restgasmengen gefahrlos<br />
ableiten zu können. Voraussetzung<br />
ist aber, dass die Umgebungsvoraussetzungen<br />
überhaupt einen derartigen<br />
Betrieb zulassen.<br />
Ableitung der Abgase des BHKW<br />
Die Einhaltung der Abgaswerte der Technischen<br />
Anleitung zur Reinhaltung der Luft<br />
(TA Luft) ist in der Regel sichergestellt.<br />
Gemäß TA Luft (Nummer 5.5.2) sind die Abgase<br />
mindestens 10 m über Grund abzuleiten.<br />
Diese Forderung ist beim BHKW, insbesondere<br />
wenn es von den Hofgebäuden entfernt<br />
aufgestellt wird, zum Beispiel in Containern,<br />
schwer umzusetzen.<br />
Die Konstruktion ist technisch aufwändig und<br />
unter landschaftsgestalterischen Aspekten<br />
(Münsterländer Parklandschaft) kritisch zu<br />
sehen. Unter Berücksichtigung der Grundsatzanforderung<br />
Abgase so abzuleiten, dass<br />
ein ungestörter Abtransport mit der freien<br />
Luftströmung ermöglicht wird, sind folgende<br />
Überlegungen angestellt worden:<br />
• Das maßgebliche Diagramm zur Bestimmung<br />
der Schornsteinhöhe ist für<br />
Rohrquerschnitte ab 300 mm anzuwenden.<br />
Die Abgasrohre eines BHKW<br />
haben in der Regel einen deutlich<br />
geringeren Querschnitt (150 mm).<br />
Durch den geringeren Querschnitt des<br />
Abgasrohres in Kombination mit den<br />
Abgastemperaturen entsteht eine<br />
hohe Abgasgeschwindigkeit. Hierdurch<br />
wird eine Abgasfahnenüberhöhung<br />
erreicht, die die geringere Schornsteinhöhe<br />
(6 bis 8 m) kompensiert und den<br />
freien Abstrom der Abgase somit in<br />
der Regel gewährleistet.<br />
• Nachbarbeschwerden aufgrund der<br />
Abgasemissionen eines BHKW sind im<br />
hiesigen Aufsichtsbezirk bisher nicht<br />
vorgetragen worden.<br />
Weitere gesetzliche<br />
Anforderungen<br />
Verordnung über elektromagnetische<br />
Felder – 26. BImSchV vom 16.12.1996<br />
Die im BHKW erzeugte elektrische Energie<br />
wird in der Regel in das Netz des regionalen<br />
Energieversorgers eingespeist. Das hierzu<br />
erforderliche Kabel unterliegt als Freileitung<br />
oder als Erdkabel bei einer Frequenz von<br />
50 Hertz und einer Spannung von 1.000 Volt<br />
oder mehr als Niederfrequenzanlage der<br />
Anzeigepfl icht. Der Betreiber einer Niederfrequenzanlage<br />
hat diese der zuständigen<br />
Behörde (in Nordrhein-Westfalen: Staatliche<br />
Umweltämter) mindestens zwei Wochen vor<br />
der Inbetriebnahme anzuzeigen.<br />
Häufi g sind die EVU bei der Anzeigeerstattung<br />
behilfl ich. Die Anzeigepfl icht besteht<br />
immer dann, wenn die Anlage im Bereich<br />
eines Bebauungsplanes oder auf einem<br />
mit Wohngebäuden bebauten Grundstück<br />
im Außenbereich gelegen ist oder derartige<br />
Grundstücke überquert werden und die<br />
Anlage nicht einer Genehmigung, Planfeststellung<br />
oder sonstigen behördlichen Entscheidung<br />
nach anderen Rechtsvorschriften<br />
bedarf.<br />
Bauliche Anlagen an Straßen im<br />
Außenbereich<br />
Grundlage: Straßen- und Wege-Gesetz NRW<br />
vom 23.09.1995
Zustimmungsverfahren<br />
Außerhalb von Ortsdurchfahrten bedürfen<br />
Baugenehmigungen oder nach anderen<br />
Vorschriften (zum Beispiel: BImSchG) notwendige<br />
Genehmigungen der Zustimmung<br />
der Straßenbaubehörde, wenn bauliche<br />
Anlagen jeder Art<br />
1. längs der Landes- und Kreisstraßen<br />
in einer Entfernung bis zu 40 m<br />
erheblich geändert oder anders<br />
genutzt werden sollen;<br />
2. über Zufahrten oder Zugänge an<br />
Landes- und Kreisstraßen unmittelbar<br />
oder mittelbar angeschlossen oder<br />
bei bereits bestehendem Anschluss<br />
erheblich geändert oder anders<br />
genutzt werden sollen.<br />
Insbesondere prüft die Straßenbaubehörde,<br />
ob größere Fahrzeugeinheiten auf dem<br />
Betriebsgelände wenden können. Mit dieser<br />
Wendemöglichkeit soll gewährleistet werden,<br />
dass die Fahrzeuge immer in Fahrtrichtung<br />
das Gelände verlassen können und<br />
nicht zum Beispiel rückwärts aus der Zufahrt<br />
kommend auf der Straße rangieren müssen.<br />
Einzelthemen<br />
Getrennte Nutzung / Biogastransport<br />
Biogaserzeugung und Biogasverwertung fi nden<br />
nicht am gleichen Standort statt.<br />
1. Variante<br />
Grundsätzlich wäre das Abfüllen des Biogases<br />
aus einem Zwischenspeicher in einen<br />
Transportbehälter möglich. Dieser könnte<br />
dann zu den verschiedensten Einsatzstellen<br />
gefahren werden. An diesen Einsatzstellen<br />
müsste wiederum ein Lagerbehälter vorgehalten<br />
werden.<br />
Schon bei der groben Skizzierung zeigt sich,<br />
dass dieser Weg einen sehr hohen Aufwand<br />
erfordert und eine Wirtschaftlichkeit in der<br />
Regel schwer nachzuweisen ist.<br />
2. Variante<br />
Realistischer erscheint es daher, das erzeugte<br />
Biogas von der Hofstelle oder einem<br />
anderen Anlagenstandort über eine Rohrleitung<br />
dem Verbraucher zum Beispiel Gärtnerei,<br />
Molkerei, Wohnsiedlung und so weiter<br />
zur Verfügung zu stellen. Hier erhebt sich<br />
die Frage, welche Genehmigungen beziehungsweise<br />
gesetzlichen Anforderungen<br />
sind für diese Leitung erforderlich? Da diese<br />
von der technischen Auslegung abhängen,<br />
wird Folgendes zugrunde gelegt:<br />
• Der Gasdruck in der Leitung ist<br />
< 1 bar,<br />
• der Durchmesser ist < DN 300<br />
(in der Regel DN 150)<br />
• und die Länge der Leitung ist < 3 km.<br />
• Biogas enthält zirka 50 bis 70 %<br />
Methan. Methan ist ein nicht Wasser<br />
gefährdender Stoff gemäß VAwS.<br />
Zur Prüfung des Sachverhaltes wurden verschiedenste<br />
Vorschriften (siehe Aufzählung<br />
unter Übersicht) herangezogen. Es ergaben<br />
sich keine Genehmigungserfordernisse.<br />
Allein das Landschaftsgesetz für das Land<br />
Nordrhein-Westfalen bewertet das Verlegen<br />
ober- und unterirdischer Leitungen im<br />
Außenbereich als Eingriff in Natur und Land-<br />
Luft und Lärm<br />
21
Luft und Lärm<br />
22<br />
schaft. Losgelöst hiervon sind natürlich die<br />
technischen Anforderungen an derartige Leitungen<br />
zu berücksichtigen und bei Querung<br />
von Straßen und/oder Gewässern die auch<br />
für andere Leitungen geltenden technischen<br />
Anforderungen zu beachten.<br />
Übersicht<br />
Gasleitung für den Transport von<br />
Biogas<br />
• Gashochdruckleitungs-Verordnung<br />
Gasdruck unter 1 bar – nicht anwendbar<br />
• BImSchG-Recht<br />
keine genehmigungsbedürftige Anlage<br />
• Wasserhaushaltsgesetz (WHG, § 19a)<br />
Planfeststellung nicht erforderlich<br />
• Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetz<br />
UVP nicht erforderlich (§ 20)<br />
• Rohrfernleitungs-Verordnung<br />
nicht anwendbar<br />
• Baurecht – NRW<br />
keine Baugenehmigung erforderlich<br />
• Landschaftsgesetz NRW<br />
Genehmigung erforderlich, bei<br />
Verlegung im Außenbereich<br />
• Überschwemmungsgebiets-Verordnung<br />
im Überschwemmungsgebiet<br />
erlaubnispfl ichtig (§ 113 LWG)<br />
• Landeswassergesetz NRW<br />
oberirdische Querung eines<br />
Gewässers: Genehmigung gemäß<br />
§ 99 LWG erforderlich<br />
• Unterirdische Verlegung und<br />
Überbrückung eines Gewässers:<br />
formloser Antrag im Zusammenhang<br />
mit Bauantrag für Biogasanlage<br />
Abfallrecht /<br />
EU-Hygiene-Verordnung<br />
Durch die Änderung des Kreislaufwirtschafts-<br />
und Abfallgesetzes (KrW-/AbfG)<br />
und unter Beachtung der EU-Hygiene-Verordnung<br />
sowie der Bioabfallverordnung hat<br />
sich bei der Zuordnung der Einsatzstoffe<br />
eine Erleichterung ergeben.<br />
So ist bei bestehenden Anlagen zu prüfen,<br />
ob die genehmigten Einsatzstoffe unter heutiger<br />
Betrachtungsweise noch dem Abfallrecht<br />
unterliegen oder für bestimmte Stoffe<br />
eine Verlagerung zur EU-Hygiene-Verordnung<br />
stattgefunden hat. Für Stoffe, die<br />
unter diese Verordnung fallen, ist das Abfallrecht<br />
nicht mehr anzuwenden.<br />
Die erforderliche Erlaubnis nach der Hygiene-Verordnung<br />
wird im Regierungsbezirk<br />
Münster getrennt vom BImSchG oder Baurechtsverfahren<br />
durch die Obere Veterinärbehörde<br />
bei der Bezirksregierung erteilt. Im<br />
Genehmigungsbescheid nach dem BImSchG<br />
wird als Bedingung aufgenommen, dass die<br />
Anlage erst nach Erteilung der vorgenannten<br />
Erlaubnis in Betrieb genommen werden darf.<br />
Zusammenfassung<br />
Der Betrieb einer Biogasanlage auf landwirtschaftlichen<br />
Hofstellen ist für den Landwirt<br />
eine weitere Möglichkeit, neben der Verbesserung<br />
der Ertragssituation auch positive<br />
Nebeneffekte zu erzielen, wie zum Beispiel<br />
die bessere Verwertung der Gärreste.<br />
Ziel aller Bemühungen der Beteiligten wie<br />
Antragsteller, Entwurfsverfasser, Behörden<br />
und Genehmigungsbehörde muss es sein,<br />
einen prüffähigen Antrag vorzulegen, der zu
einer rechtssicheren Entscheidung führt. An<br />
dieser Stelle ist es besonders wichtig, möglichst<br />
einheitliche und vergleichbare Anforderungen<br />
festzulegen und mit einer gewissen<br />
Verbindlichkeit festzuschreiben.<br />
Nur so kann auf Dauer das Ziel erreicht werden,<br />
mit kurzen Genehmigungsverfahrenszeiten<br />
dem Anspruch der Antragsteller nach<br />
möglichst schneller Umsetzung seines Vorhabens<br />
bei verlässlicher und überschaubarer<br />
Kostenabschätzung gerecht zu werden. In<br />
diesem Fall können Anträge in durchschnittlich<br />
2,5 Monaten entschieden werden.<br />
Emission des Krebs<br />
erzeugenden Stoffes<br />
Vinylchlorid erfolgreich<br />
minimiert!<br />
Berthold Robert, Harald Siemund und<br />
Hans-Jürgen Görß<br />
Die PVC-Anlage der eines Betriebes im Chemiepark<br />
Marl dient der Herstellung unterschiedlicher<br />
Polyvinylchlorid (PVC)-Typen,<br />
hier insbesondere Suspensions- und Emulsions-PVC<br />
durch chemische Umwandlung von<br />
Vinylchlorid (VC) nach verschiedenen Polymerisationsverfahren.<br />
Die Polymerisation von VC zu PVC erfolgt<br />
teils kontinuierlich teils diskontinuierlich in<br />
wässrigem Milieu unter Druck. Nicht umgesetztes<br />
VC (Rück-VC) wird nach Erreichen<br />
des gewünschten Umsatzes durch Entspannung<br />
und Ausgasung der wässrigen Produktdispersion<br />
zurück gewonnen und über<br />
die VC-Rückgewinnungsanlage wieder in<br />
den Polymerisationsprozess eingespeist.<br />
Zum Schutz des Rück-VC-Systems gegenüber<br />
Sauerstoff und dadurch mögliche Ausbildung<br />
explosionsfähiger Gemische beziehungsweise<br />
VC-Peroxidbildung wird im<br />
Rück-VC-System kontinuierlich die Sauerstoffkonzentration<br />
überwacht.<br />
Ein Sauerstoff-Eintrag in das Rück-VC-System<br />
kann durch Undichtigkeiten hervorgerufen<br />
werden oder beim Anfahren der Anlage<br />
durch Restluft in den Apparaten nach Reinigungsoperationen.<br />
Bei Überschreitung des<br />
sicherheitstechnisch festgelegten Sauerstoffgrenzwertes<br />
von > 2 Vol.-% erfolgt die<br />
automatische Sperrung der VC-Abgabe in<br />
das Rück-VC-System. Gleichzeitig hiermit<br />
öffnet sich eine Sicherheitsarmatur zur Entspannung<br />
des Gases in die Atmosphäre.<br />
Insbesondere im Jahre 1998 wurden dann<br />
vom Staatlichen Umweltamt (<strong>StUA</strong>) <strong>Herten</strong><br />
erhebliche VC-Emissionen von 3325 kg/a<br />
(alle Mengenangaben unter Worst-case-Betrachtung1)<br />
) auf Grund der Entspannungen<br />
über die Sicherheitsarmaturen registriert<br />
(vergleiche Abbildung 1).<br />
In der Praxis zeigte sich, dass der Sicherheits-Grenzwert<br />
von 2 % meistens nur sehr<br />
kurzfristig überschritten wurde, was aber<br />
zu häufi gen Kurzzeit-Entspannungen der<br />
Sicherheitsarmatur, die oft nur im Minutenbereich<br />
lagen, führte.<br />
1) Worst-case-Betrachtung bedeutet hier, dass<br />
die aus der Rück-VC-Leitung entspannten<br />
Gase als reines VC gerechnet wurden, was zu<br />
einer VC-Überbewertung führt, da die in der<br />
Rück-VC-Leitung enthaltenen Gase tatsächlich<br />
aus einem Vinylchlorid-/Stickstoffgemisch<br />
unbekannter Konzentration bestehen.<br />
Luft und Lärm<br />
23<br />
Emission des Krebs erzeugenden Stoffes<br />
Vinylchlorid erfolgreich minimiert!
Luft und Lärm<br />
24<br />
Hierauf wurde der Betreiber der PVC-Anlage<br />
in der zweiten Jahreshälfte 1998 vom<br />
<strong>StUA</strong> <strong>Herten</strong> aufgefordert, ein Konzept zu<br />
entwickeln, um die häufi gen Kurzzeit-Entspannungen<br />
mit ihren VC-Emissionen zu<br />
minimieren, insbesondere auch im Hinblick<br />
darauf, dass es sich bei VC um einen Krebs<br />
erzeugenden Stoff handelt.<br />
Nach sehr umfangreichen, sicherheitstechnischen<br />
Betrachtungen des Rück-VC-Systems<br />
unterbreitete der Betreiber den Vorschlag,<br />
die Kurzzeit-Entspannungen dadurch<br />
zu vermindern, dass für einen defi -<br />
nierten, begrenzten Zeitraum Rück-VC mit<br />
einem höheren Sauerstoffgehalt in das<br />
Rück-VC-System abgegeben werden kann.<br />
Die Sicherheit des Rück-VC-Systems bleibt<br />
dabei weiterhin vollständig und zweifelsfrei<br />
gewährleistet.<br />
Es wurde dann vom Betreiber in einem<br />
ersten Schritt beantragt, den Schaltpunkt<br />
der Sauerstoffüberwachung für die S-PVC-<br />
Herstellung von 2 Vol.-% auf 5 Vol.-% zu<br />
ändern und die VC-Abgabe mit Sauerstoffgehalten<br />
bis 5 Vol.-% für einen Zeitraum<br />
von 10 Minuten in das Rück-VC-System<br />
zuzulassen. Hierfür wurde dem Betreiber<br />
im Sommer 1999 die Genehmigung erteilt.<br />
Die Inbetriebnahme der geänderten Anlage<br />
erfolgte dann ab dem 11. Februar 2000.<br />
Nachdem sich im Verlaufe des Jahres 2000<br />
der Erfolg der Maßnahme durch eine deutliche<br />
Reduzierung der VC-Emissionen auf<br />
521 kg/a (Minderung um 84 % gegenüber<br />
1998) zeigte (vergleiche Abbildung 2), nahm<br />
der Betreiber den zweiten Schritt in Angriff,<br />
die Änderung des Schaltpunktes der Sauerstoffüberwachung<br />
bei der E-PVC Herstellung.<br />
Nachdem zweifelsfrei feststand, dass die<br />
Sicherheit des Rück-VC-Systems weiterhin<br />
vollständig gewährleistet bleibt, auch wenn<br />
aus der S- und E-PVC Herstellung gleichzeitig<br />
Rück-VC mit erhöhtem Sauerstoffgehalt<br />
in das Rück-VC-System abgegeben wird,<br />
wurde dem Betreiber im Frühjahr 2001 die<br />
Genehmigung erteilt, den Schaltpunkt der<br />
Sauerstoffüberwachung der E-PVC-Herstellung<br />
von 2 Vol.-% auf 4,5 Vol.-% zu ändern<br />
und die VC-Abgabe mit Sauerstoffgehalten<br />
bis 4,5 Vol.-% für einen Zeitraum von 10<br />
Minuten in das Rück-VC-System zuzulassen.<br />
Die Inbetriebnahme erfolgte dann ab<br />
der 47. Kalenderwoche 2001. Wie aus den<br />
Abbildungen hervorgeht, hat diese Maßnahmenkombination<br />
einen durchschlagenden<br />
und dauerhaften Erfolg bei der Emissionsminimierung<br />
gebracht, da die VC-Emissionen<br />
aus den Entspannungen der Sicherheitsarmaturen<br />
in den Jahren 2004 und<br />
<strong>2005</strong> (Januar-September) sogar auf 0 kg/a<br />
gesenkt werden konnten.
Saurer Auswurf ???<br />
Joachim Peschke<br />
Auf der gesamten Terrasse und den Gartenmöbeln<br />
dicke Staubpartikel!! Und das schon<br />
über eine Woche, stellte im August <strong>2005</strong> ein<br />
Hausbesitzer in Datteln zu seiner Verärgerung<br />
fest. Dicker Staub kommt aus großen Industrieanlagen,<br />
weiß man ja, also wird wohl das<br />
Kohlekraftwerk Datteln in zirka 2 km Entfernung<br />
verantwortlich sein. Die Untersuchung<br />
auf dem Grundstück des Beschwerdeführers<br />
ergab dann ein deutliches Auftreten von<br />
Partikeln mit Durchmessern von zirka 2 bis<br />
5 mm mit erdartiger Färbung.<br />
Die Partikel ließen sich leicht zu Staub zerreiben.<br />
Die Einwirkung der Partikel am Immissionsort<br />
erfolgte nur auf Teilbereichen<br />
des Grundstückes, eine fl ächige oder größere<br />
Einwirkung im gesamten Wohngebiet zeigte<br />
sich nicht. Damit war die Einwirkung einer<br />
großen Quelle wie durch einen Kraftwerksschornstein,<br />
verursacht mit einer weiträumigen<br />
Verteilung, unwahrscheinlich. Auch bei<br />
weiteren Nachbarhäusern war ausschließlich<br />
auf der Gartenseite der Häuser ein ähnliches<br />
Auftreten von Staubpartikeln festzustellen.<br />
Direkt an die betroffene Wohnbebauung<br />
grenzten große Freifl ächen, ein ideales Ge-<br />
lände für einen ungestörten Lebensbereich<br />
von Insekten wie zum Beispiel Wespen,<br />
die dort ungestört ihre Erdnester entwickeln<br />
konnten. Die Wespen führen im Flug<br />
zum Nestbau unter anderem auch Materialien<br />
wie zum Beispiel Holz mit sich. Für den<br />
Bau von Erdnestern werden Erdklümpchen,<br />
die sie mit ihren Beißwerkzeugen und Speichel<br />
formen, im Flug abtransportiert. Eine<br />
Recherche im Internet brachte neben der<br />
Erkenntnis über zahlreiche Anfragen zu Aktivitäten<br />
von Wespen im Garten dann auch<br />
noch ein wunderschönes Foto der Wespen<br />
beim Nestbau zu Tage, die ein mutiger Amateur<br />
fotografi ert hatte. Die Aktivitäten der<br />
Wespen dauern je nach Witterung bis etwa<br />
Ende August, die Völker erreichen Stärken<br />
von 3.000 bis 10.000 Individuen, die<br />
mit einbrechender Kälte absterben. Dieser<br />
zeitliche Vorgang wurde dann auch von den<br />
Anwohnern beobachtet.<br />
Vergrößerung der Partikel um das 8fache Wespen transportieren Erdpartikel aus dem<br />
Flugloch des Erdnestes<br />
Luft und Lärm<br />
25<br />
Die Laboruntersuchung der erdähnlichen<br />
Partikel ergab dann auch eine sand- oder<br />
erdähnliche Zusammensetzung mit hohem<br />
Siliziumdioxidgehalt, wie sie bei Kraftwerksstäuben<br />
nicht vorzufi nden ist. Weitere Ein-<br />
Auswurf???<br />
fl üsse wie Abwehungen derartig großer Partikel<br />
durch gewerbliche Quellen oder Verkehrseinfl<br />
üsse waren außerdem auszuschließen,<br />
daher dann doch zur Beruhigung der<br />
Saurer<br />
Anwohner ein sauberer Auswurf !!!
Großfl ächiger Einzelhandel im Planverfahren<br />
Luft und Lärm<br />
26<br />
Großfl ächiger Einzelhandel<br />
im Planverfahren<br />
Michael Kemper<br />
Bei der Aufstellung der Bebauungspläne für<br />
Nahversorgungszentren kommt dem ausreichenden<br />
Immissionsschutz in der Nachbarschaft<br />
häufi g eine zentrale Bedeutung zu.<br />
Es gibt verschiedene Möglichkeiten die planungsrechtliche<br />
Grundlage für Nahversorgungszentren<br />
zu sichern.<br />
Kerngebiete (MK-Gebiet)<br />
Nach § 7 Absatz 1 der Baunutzungsverordnung<br />
(BauNVO) dienen Kerngebiete vorwiegend<br />
der Unterbringung von Handelsbetrieben<br />
sowie der zentralen Einrichtungen der<br />
Wirtschaft, der Verwaltung und der Kultur.<br />
Hieraus ergibt sich, dass in MK-Gebieten<br />
großfl ächige Einzelhandelsbetriebe allgemein<br />
zulässig sind. Die Ausweisung eines<br />
MK-Gebietes ist aus der Sicht des Immissionsschutzes<br />
unproblematisch. Die Immissionsprobleme<br />
werden im Zweifelsfall im konkreten<br />
Baugenehmigungsverfahren gelöst.<br />
Sonstige Sondergebiete<br />
Eine weitere Möglichkeit zur Ansiedlung von<br />
großfl ächigem Einzelhandel für ein Nahversorgungszentrum<br />
besteht in der Ausweisung<br />
von sonstigen Sondergebieten.<br />
Nach § 11 BauNVO sind solche Gebiete, die<br />
sich von den Baugebieten nach den §§ 2 bis<br />
10 BauNVO wesentlich unterscheiden, als<br />
sonstige Sondergebiete darzustellen und festzusetzen.<br />
Eine besondere Problematik bei der<br />
Ausweisung der Sondergebiete besteht darin,<br />
den Störcharakter des Sondergebietes darzustellen,<br />
um den Immissionsschutz in angrenzenden<br />
Wohnbereichen sicherzustellen.<br />
Als zulässige Immissionsschutzmaßnahmen<br />
können im Bebauungsplanverfahren Festsetzungen<br />
nach § 9 Absatz 1 Nummer 24 des<br />
Baugesetzbuches (BauGB) getroffen werden.<br />
Zu den in § 9 Absatz 1 Nummer 24 BauGB<br />
genannten Vorkehrungen zum Schutz gegen<br />
schädliche Umwelteinwirkungen zählen nur<br />
bauliche oder sonstige technische Maßnahmen,<br />
nicht aber Festsetzungen von Emissionswerten<br />
oder Immissionsgrenzwerten.<br />
So lassen sich zum Beispiel Pkw-Stellplätze<br />
im Bebauungsplan verbindlich ordnen oder<br />
die Errichtung von Lärmschutzwänden festschreiben,<br />
nicht aber immissionswirksame<br />
fl ächenbezogene Schallleistungspegel.<br />
Von einer abschließenden Konfl iktbewältigung<br />
im Bebauungsplanverfahren darf<br />
die Gemeinde Abstand nehmen, wenn die<br />
Durchführung der als notwendig erkannten<br />
Konfl iktlösungsmaßnahmen außerhalb des<br />
Planungsverfahrens auf der Stufe der Verwirklichung<br />
der Planung sichergestellt werden<br />
kann. Macht die Gemeinde Gebrauch<br />
von der „planerischen Zurückhaltung“,<br />
muss jedoch im Bebauungsplanverfahren<br />
bereits plausibel erkennbar sein, dass die<br />
Immissionsprobleme lösbar sein werden.<br />
Eventuell lassen die Arten der zulässigen<br />
Nutzungen in Analogie zu den gebietsbezogenen<br />
zulässigen Vorhaben der BauNVO mit<br />
den dort üblichen unbestimmten Rechtsbegriffen<br />
den ausreichenden Immissionsschutz<br />
plausibel erkennen. Die Plausibilitätsbetrach-
tung kann sich aber auch auf eine vorläufi<br />
ge Immissionsprognose beziehen, die die<br />
Gewährleistung des ausreichenden Immissionsschutzes<br />
spätestens im nachfolgenden<br />
Baugenehmigungsverfahren erkennen lässt.<br />
In diesen Fällen ist auf den § 15 Absatz 1<br />
BauNVO zu verweisen, der planungsrechtlich<br />
zulässige Vorhaben für unzulässig erklärt,<br />
wenn bei der Einzelfallprüfung im Baugenehmigungsverfahren<br />
der ausreichende Immissionsschutz<br />
nicht sichergestellt werden kann.<br />
Soll bei einer Angebotsplanung im Sondergebiet<br />
die immissionsschutzrechtliche Konfl<br />
iktbewältigung bereits im Bauleitplanverfahren<br />
verbindlich dargestellt werden, kann<br />
das durch eine gutachterliche Immissionsprognose<br />
unter worst-case-Bedingungen<br />
erfolgen. Das Problem ist die Darstellung<br />
der worst-case–Situation. Wenn zum Beispiel<br />
die Errichtung von Lebensmitteldiscountern<br />
der Anlass der Planung war, die<br />
Art der zulässigen Vorhaben aber auch den<br />
Getränkehandel nicht ausschließt, müssten<br />
die häufi geren Fahrzeugbewegungen eines<br />
Getränkehandels in die Prognose einfl ießen.<br />
In Sondergebieten sind Festsetzungen über<br />
besondere Bedürfnisse und Eigenschaften<br />
von Betrieben und Anlagen entsprechend<br />
§ 1 Absätze 4 bis 10 der BauNVO nicht<br />
möglich. Für Sondergebiete können daher<br />
nur Festsetzungen über die Art der Nutzung<br />
getroffen werden, nicht aber Gliederungen<br />
nach besonderen Eigenschaften der Betriebe<br />
oder Anlagen vorgenommen werden.<br />
Nach dem rechtskräftigen Urteil vom<br />
24. März <strong>2005</strong>, Aktenzeichen: - 8 S 595/04,<br />
des VGH Baden-Württemberg ist aber nicht<br />
erkennbar, weshalb immissionswirksame<br />
fl ächenbezogene Schallleistungspegel<br />
(IFSP) nicht auch für Sondergebiete sollten<br />
festgesetzt werden können. Nach der<br />
Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichtes,<br />
der der Senat folgt, kann der IFSP<br />
als Eigenschaft des Betriebes im Sinne von<br />
§ 1 Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 BauNVO<br />
festgesetzt werden, weil er sich auf das<br />
emittierende Betriebsgrundstück und somit<br />
auf das Emissionsverhalten eines Betriebes<br />
oder einer Anlage bezieht.<br />
Zwar ist § 1 Absatz 4 Satz 1 Nummer 2<br />
BauNVO auf Sondergebiete nicht anwendbar<br />
(§ 1 Absatz 3 Satz 3 BauNVO), aber gerade<br />
bei der Ausweisung von Sondergebieten<br />
bestehen besonders fl exible Festsetzungsmöglichkeiten.<br />
Die Gemeinde kann die Art<br />
der baulichen Nutzung gemäß § 11 Absatz 2<br />
Satz 1 BauNVO über die Möglichkeiten hinaus,<br />
die § 1 Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 und<br />
Absatz 9 BauNVO eröffnen, näher konkretisieren<br />
und zu diesem Zweck die Merkmale<br />
bestimmen, die ihr am besten geeignet<br />
erscheinen, um das von ihr verfolgte Planungsziel<br />
zu erreichen.<br />
Dazu zählt auch die Beschränkung des Emissionspotenzials<br />
von Betrieben mit dem Ziel,<br />
die Nutzungsart gebietsadäquat zu steuern.<br />
Als Instrument zur Beschränkung betrieblicher<br />
Emissionen können damit immissionswirksame<br />
fl ächenbezogene Schallleistungspegel<br />
auch bei der Ausweisung von Sondergebieten<br />
Anwendung fi nden.<br />
Die Festsetzung von immissionswirksamen<br />
fl ächenbezogenen Schalleistungspegeln<br />
genügt nur dann dem Bestimmtheitsgebot<br />
Luft und Lärm<br />
27
Vorhabenbezogener Bebauungsplan<br />
nach aktueller Rechtsprechung<br />
Luft und Lärm<br />
28<br />
sowie dem aus dem Abwägungsgebot<br />
folgenden Grundsatz planerischer Konfl iktbewältigung,<br />
wenn der Bebauungsplan klare<br />
Vorgaben für die in jedem Genehmigungsverfahren<br />
vorzunehmende Prüfung enthält,<br />
ob der vom Satzungsgeber bezweckte<br />
Lärmschutz mit Blick auf den konkret<br />
geplanten Betrieb und seine Umgebung<br />
auch tatsächlich erreicht wird.<br />
Dazu zählt etwa, dass der Bebauungsplan<br />
eindeutig bestimmt, welche Bezugsfl äche<br />
für die „Umrechnung“ der betrieblichen<br />
Schallleistung in den fl ächenbezogenen<br />
Schalleistungspegel zugrunde zu legen und<br />
nach welchem Regelwerk die Ausbreitung<br />
des betrieblichen Schalls nach den realen<br />
Verhältnissen zum Zeitpunkt der Genehmigung<br />
zu berechnen ist.<br />
Vorhabenbezogener<br />
Bebauungsplan<br />
Bildet ein vorhabenbezogener Bebauungsplan<br />
die planungsrechtliche Grundlage des<br />
Nahversorgungszentrums, kann sich die<br />
immissionsschutzrechtliche Bewertung auf<br />
das konkrete Bauvorhaben beziehen. Die<br />
notwendigen Immissionsschutzmaßnahmen<br />
können mit dem Bebauungsplan verbindlich<br />
und spezifi sch geregelt werden. In diesem<br />
Verfahren wird der Immissionsschutz<br />
abschließend abgeprüft und sichergestellt.<br />
Neben der Festsetzung von baulichen Maßnahmen<br />
können auch immissionswirksame<br />
fl ächenbezogene Schalleistungspegel festgesetzt<br />
werden. Mit dem vorhabenbezogenen<br />
Bebauungsplan nimmt man von einer<br />
Angebotsplanung Abstand und schränkt sich<br />
in der Art der Nutzung weitgehend ein.<br />
Vorhabenbezogener<br />
Bebauungsplan nach<br />
aktueller Rechtsprechung<br />
Jürgen Taplick<br />
Der vorhabenbezogene Bebauungsplan nach<br />
§ 12 Baugesetzbuch (BauGB) ist Gegenstand<br />
zahlreicher Gerichtsentscheidungen der jüngeren<br />
Zeit, die von erheblicher Bedeutung<br />
für die praktische Anwendung dieser Vorschrift<br />
sind. Der ‚normale’ Bebauungsplan<br />
gibt für jedermann bindend vor, welche bauliche<br />
Nutzungen im Geltungsbereich des Planes<br />
zulässig sind. Dabei wird die konkrete<br />
Umsetzung und Ausgestaltung der möglichen<br />
Bauvorhaben der Nachfrage überlassen.<br />
Der vorhabenenbezogene Bebauungsplan<br />
dient dem Vorhabenträger, die Realisierung<br />
konkreter Vorhaben innerhalb einer<br />
bestimmten Frist zu ermöglichen. Er ist<br />
durch eine spezifi sche Vorhabenbezogenheit<br />
gekennzeichnet. Da der Vorhabenträger<br />
sämtliche Kosten für Planung und Erschließung<br />
zu tragen hat, wurden in der Vergangenheit<br />
die Gemeinden dazu verleitet, den<br />
Erlass vorhabenbezogener Bebauungspläne<br />
unrechtmäßig auszudehnen.<br />
Die aktuelle Rechtsprechung trat dem deutlich<br />
entgegen. Das Bundesverwaltungsgericht<br />
hat zwar anerkannt, dass das im<br />
Durchführungsvertrag vereinbarte und im<br />
Vorhaben- und Erschließungsplan festgelegte<br />
Vorhaben eine gewisse Bandbreite von<br />
Nutzungsmöglichkeiten erfasst und somit<br />
dem Wunsch nach einem nicht allzu starren<br />
Rahmen Rechnung trägt. Es hat jedoch<br />
offen gelassen, wo die Grenzen einer der-
artig fl exiblen Planung mit dem Mittel des<br />
§ 12 BauGB liegen. Es hätte dieser Ausführung<br />
nicht bedurft, wenn der Begriff des<br />
Vorhabens im Sinne von § 12 BauGB mit<br />
dem in der Rechtsprechung eingehend geklärten<br />
Begriff des Vorhabens im Sinne der<br />
§§ 29 ff BauGB identisch wäre.<br />
Für gewerbliche Nutzungen empfi ehlt es sich,<br />
das Gewerbe konkret zu defi nieren. Falls aus<br />
Immissionsschutzgründen erforderlich, kann<br />
der Störgrad des Vorhabens festgelegt werden,<br />
zum Beispiel ‚nicht wesentlich störend’.<br />
Aber auch Baugebietskategorien, zum Beispiel<br />
Mischgebiet, können festgesetzt werden.<br />
Es kann sich als sinnvoll erweisen, bei<br />
gewerblichen Vorhaben die Genehmigungsbehörden<br />
bereits im Bebauungsplanverfahren<br />
mit einzubinden, um Anforderungen an<br />
einen Umweltbericht oder ein Gutachten<br />
aufeinander abzustimmen. So kann die Gesamtverfahrensdauer<br />
(Plan- und Genehmigungsverfahren)<br />
deutlich reduziert werden.<br />
Ein Beispiel aus der Praxis<br />
Im Süden von Recklinghausen plant eine<br />
Firma, ihren Mühlenbetrieb zu erweitern<br />
und die Produktionsleistung zu verdoppeln.<br />
Das Vorhaben wird nicht vom Geltungsbereich<br />
eines rechtskräftigen Bebauungsplanes<br />
erfasst. Nach § 34 BauGB ist das Antragsgrundstück<br />
als Industriegebiet zu beurteilen.<br />
Die geplanten baulichen Erweiterungen<br />
führen zu einer verdichteten Erscheinungsform<br />
am bebauten Standort.<br />
Im direkten Anschluss an das bestehende<br />
Mühlengebäude (39 m Höhe) soll<br />
das Getreidesilo mit Getreidewäscher<br />
(65 m Höhe) und das Mehlsilo (38 m Höhe)<br />
errichtet werden (siehe Bilder 1 und 2).<br />
Da insbesondere die Höhen der geplanten<br />
Gebäude zukünftig das Stadtbild prägen<br />
werden, hält die Stadt Recklinghausen eine<br />
verbindliche Planung für erforderlich. Hierzu<br />
erfolgt die Aufstellung eines Vorhaben- und<br />
Erschließungsplanes. Das Vorhaben selbst ist<br />
nach Nummer 7.21 Spalte 1 der 4. BImSchV<br />
genehmigungsbedürftig. Genehmigungsbehörde<br />
ist die Bezirksregierung.<br />
Enge Verzahnung<br />
Von Beginn an wurden Besprechungstermine<br />
gemeinsam mit der Stadtverwaltung,<br />
der Bezirksregierung und dem Staatlichen<br />
Umweltamt (<strong>StUA</strong>) <strong>Herten</strong> geführt. Hierbei<br />
wurde das Bebauungsplanverfahren und das<br />
anschließend folgende Genehmigungsverfahren<br />
nach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz<br />
(BImSchG) in Einklang gebracht. So<br />
konnte eine effektive Vorgehensweise erreicht<br />
werden, zum Beispiel bei der Erstellung<br />
von Gutachten oder Umweltberichten<br />
für beide Verfahren.<br />
Der Mühlenbetrieb kann den erforderlichen<br />
Abstand nach dem Abstandserlass nicht<br />
einhalten. Daher ist nur eine spezielle Ausführung<br />
der Betriebsart am Standort genehmigungsfähig.<br />
Es wurde für das Plangebiet<br />
ein immissionswirksamer fl ächenbezogener<br />
Ist-Zustand Plan-Zustand<br />
Luft und Lärm<br />
29
Containerdienst oder „Was bin ich?“<br />
Luft und Lärm<br />
30<br />
Schallleistungspegel festgesetzt, der an die<br />
Struktur des Betriebes angepasst ist und<br />
somit einen Anlagenbezug besitzt. Dies ermöglicht<br />
dem Betrieb, kleinere Änderungen<br />
durchzuführen, ohne den Bebauungsplan<br />
ändern zu müssen. Durch geschickte<br />
Planung konnte erreicht werden, dass trotz<br />
Verdoppelung der Betriebskapazität der<br />
Beurteilungspegel an den nächstgelegenen<br />
Nachbarwohnhäusern gesenkt wurde. Die<br />
hierzu erforderlichen und zu berücksichtigenden<br />
Maßnahmen konnten hervorragend<br />
mit dem Instrument des vorhabenbezogenen<br />
Bebauungsplanes festgesetzt werden.<br />
Containerdienst oder<br />
„WAS BIN ICH?“<br />
So nicht!<br />
Andreas Krause<br />
Viele von uns kennen noch die in den frühen<br />
70er Jahren im Fernsehen gesendete Berufsrateshow<br />
„Was bin ich?“ von und mit Robert<br />
Lemke. Mittlerweile fühle ich mich auch so,<br />
allerdings nicht als Quizmaster im Fernsehen,<br />
sondern im täglichen Arbeitsleben beim<br />
Staatlichen Umweltamt (<strong>StUA</strong>) <strong>Herten</strong>. Grund<br />
sind die „Containerdienste“, die seit dem<br />
letzten Jahr in meine Zuständigkeit fallen.<br />
Nachdem ich die Gewerbegruppe übernommen<br />
habe, habe ich erst einmal eine Bestandsaufnahme<br />
durchgeführt, ISA-Daten<br />
geprüft und geändert, alte Akten gelesen,<br />
neue Akten angelegt, Infos von Städten,<br />
Kreisen und Gemeinden eingeholt. Nach der<br />
ersten Auswertung ging es endlich mit den<br />
Antrittsbesuchen bei den Anlagenbetreibern<br />
los. Was erwartet mich? Wie werde ich angehört<br />
und aufgenommen? Läuft alles glatt,<br />
werde ich verstanden? Und was machen die<br />
Wachhunde auf dem Gelände? Alles Fragen,<br />
auf die ich mir Antworten erhoffte.<br />
Ich wurde überall freundlich empfangen,<br />
Hunde haben mich auch nicht gebissen. Für<br />
einige der Anlagenbetreiber waren die<br />
Fachbegriffe wie Bundesimmissionsschutzgesetz<br />
(BImSchG), Genehmigung nach dem<br />
BImSchG, Verordnung zum Umgang mit<br />
Wasser gefährdenden Stoffen (VAwS) nur<br />
„Böhmische Dörfer“, aber ich hatte es mit<br />
vielen verständnisvollen Anlagenbetreibern<br />
zu tun, die sich gerne von mir über den<br />
„Stand der Technik“ informieren ließen, in<br />
ihre Anlagen investieren wollten und dieses<br />
auch schon getan haben.<br />
Fast alle Anlagenbetreiber lagerten, behandelten<br />
oder sortierten verschiedene Abfallarten<br />
auf ihrem Grundstück. Der Höhepunkt<br />
lag vor, wenn einige Anlagenbetreiber ihren<br />
Betrieb ohne jegliche Genehmigung seit<br />
vielen Jahren völlig illegal betrieben haben<br />
und sich nicht einsichtig zeigten. Da habe<br />
ich halt die „Keule“ raus geholt. Aber das<br />
waren erfreulicherweise nur wenige Einzelfälle.<br />
Nachdem ich die Anlagenbetreiber der<br />
nicht ordnungsgemäß genehmigten Betriebe<br />
überzeugen konnte, dass sie Ihre Anlagen
nach dem BImSchG beziehungsweise nach<br />
dem Baurecht genehmigen lassen müssen,<br />
und dass dieses natürlich auch mit Investitionen<br />
und Kosten verbunden ist, ging es<br />
darum, die Genehmigungsanträge in „trockene<br />
Tücher“ zu bringen und nach Erteilung<br />
der Genehmigungen die Aufl agen und<br />
Nebenbestimmungen von den Anlagenbetreibern<br />
umsetzen zu lassen.<br />
So wurden in den vergangenen Monaten<br />
acht Genehmigungen beziehungsweise Änderungsgenehmigungen<br />
nach dem BImSchG<br />
erteilt, bei zwei Betrieben wurde ein Baugenehmigungsverfahren<br />
durchgeführt, ein Betrieb<br />
musste Insolvenz anmelden und bei<br />
zwei Betrieben wird wegen unhaltbarer Zustände<br />
die Schließung und Beseitigung angestrebt.<br />
Und nun zur oben gestellten Frage<br />
„Was bin ich?“ Einen reinen Containerdienst,<br />
im Sinne von „Transport der leeren Container<br />
vom Stellplatz der Anlage bis zum Stellplatz<br />
des Kunden und anschließendem Transport<br />
der gefüllten Container zur Deponie oder<br />
Verbrennungsanlage“, gibt es fast gar nicht<br />
mehr. Ich habe dies nur in 7 von 35 Fällen<br />
tatsächlich angetroffen. Vielmehr geht der<br />
Betrieb in eine Anlage zur Abfalllagerung mit<br />
Sortierung und Behandlung über.<br />
Fazit :<br />
Containerdienst<br />
=<br />
Abfallbehandlungsanlage<br />
Kalibrierung von Messgeräten<br />
zur kontinuierlichen<br />
Emissionsüberwachung<br />
Klaus Kalkowski<br />
Der Dienstbezirk des Staatlichen Umweltamtes<br />
(<strong>StUA</strong>) <strong>Herten</strong> umfasst neben dem<br />
landwirtschaftlich genutzten Bereich des<br />
Münsterlandes auch industrielle Ballungsräume<br />
im nördlichen Ruhrgebiet. Durch<br />
diese Strukturierung des Dienstbezirkes mit<br />
einer Vielzahl von Kraftwerken, Abfallbehandlungsanlagen<br />
sowie Anlagen der Chemie-<br />
und Metallindustrie liegen zirka 20 %<br />
der mit kontinuierlicher Emissionsmesstechnik<br />
auszurüstenden Anlagen von Nordrhein-Westfalen<br />
im Bereich des <strong>StUA</strong> <strong>Herten</strong>.<br />
Zur Emissionsüberwachung werden dabei<br />
rund 300 Konzentrationsmessgeräte und<br />
zirka 40 Rauchdichtemessgeräte eingesetzt.<br />
Zusätzlich werden weitere Messgeräte für<br />
die Messung der Rußzahl bei Heizöl EL-Feuerungen<br />
sowie im Bereich der 2. Bundes-Immissionsschutz-Verordnung<br />
(BImSchV) eingesetzt.<br />
Die Grundlagen für den Einbau und<br />
die Kalibrierung dieser Geräte sind in verschiedenen<br />
gesetzlichen Vorschriften zum<br />
Immissionsschutz enthalten.<br />
Alle gesetzlichen Regelungen sind jedoch<br />
sehr allgemein gehalten und geben kaum<br />
Hinweise auf die praktische Durchführung<br />
der Kalibrierung. Auch andere verwaltungsrechtlich<br />
zu beachtenden Vorschriften wie<br />
zum Beispiel die Technische Anleitung (TA)<br />
Luft oder die Verwaltungsvorschriften zum<br />
Bundes-Immissionsschutzgesetz (BImSchG)<br />
weisen nur wenige konkrete Vorgaben auf.<br />
Luft und Lärm<br />
31<br />
Kalibrierung von Messgeräten<br />
zur kontinuierlichen Emissionsüberwachung
Luft und Lärm<br />
32<br />
Messtechnische und formale Anforderungen<br />
für die Durchführung der Kalibrierung sind<br />
in den Blättern „Verein Deutscher Ingenieure<br />
(VDI) -Richtlinie“ Nummer 3950 „Kalibrierung<br />
automatischer Emissionsmesseinrichtungen“<br />
und VDI 4200 „Durchführung von<br />
Emissionsmessungen an geführten Quellen“<br />
enthalten. Die VDI 3950 verweist dabei in<br />
Ziffer 1 unter anderem auf die zwischenzeitlich<br />
aufgehobene „Richtlinie über die<br />
Eignungsprüfung, den Einbau und die Wartung<br />
von kontinuierlichen Emissionsmessungen<br />
vom 01. März 1990“, in welcher die<br />
entsprechenden Referenzmessverfahren<br />
aufgeführt sind. Die zurzeit gültige Richtlinie<br />
vom 13. Juni <strong>2005</strong> gibt zu dieser Frage<br />
jedoch keine Hinweise.<br />
Aktuelle Beispiele für geeignete Messverfahren<br />
sind im Anhang 6 der TA Luft 2002<br />
aufgeführt. In der Ziffer 5.3.5 wird jedoch<br />
unter bestimmten Bedingungen auch der<br />
Einsatz anderer Messverfahren zugelassen.<br />
In der 17. BImSchV wird im Anhang III diese<br />
Ausweitung auf andere Messverfahren<br />
ebenfalls konsequent weitergeführt. Im<br />
Rahmen der europäischen Harmonisierung<br />
der Vorschriften ist die DIN EN 14181 im<br />
September 2004 für den Bereich der Großfeuerungsanlagen<br />
und Anlagen zur Verbrennung<br />
von Abfällen (17. BImSchV) in Kraft<br />
getreten. Mit Inkrafttreten der Vorschrift<br />
ist gegenüber der VDI 3950 eine deutliche<br />
Erhöhung des Aufwandes für die Durchführung<br />
der Kalibrierungen und Funktionsprüfungen<br />
verbunden, welche jedoch auch eine<br />
Verbesserung der Qualität mit sich bringt.<br />
Bei der Kalibrierung von Staubmessgeräten<br />
ist als Besonderheit der Einsatzbereich zu<br />
beachten. Bei den Staubmessgeräten, die<br />
über das BImSchG in Verbindung mit der<br />
TA-Luft einzusetzen sind, wird in Abhängigkeit<br />
von dem zu überwachenden Emissionsmassenstrom<br />
entweder<br />
• die qualitative Überwachung –<br />
Emissionsmassenstrom zwischen<br />
1-3 kg/h – oder<br />
• die quantitative Überwachung –<br />
Emissionsmassenstrom > 3 kg/h<br />
gefordert.<br />
Beim Einsatz von Messgeräten für eine ausschließlich<br />
qualitative Überwachung wird in<br />
Ziffer 19.2.3 der VV zum BImSchG darauf<br />
hingewiesen, dass bei diesen Geräten eine<br />
Kalibrierung nicht möglich ist und eine Justierung<br />
durch das zu beteiligende Messinstitut<br />
zu erfolgen hat. Eine weitergehende<br />
Erläuterung erfolgt nicht. Die Defi nition nach<br />
VDI 3950 Ziffer 2.4 - Justierhilfen - ist hier<br />
für den Begriff der Justierung wenig hilfreich.<br />
In der Vergangenheit wurden für diese<br />
Überwachungsaufgabe Rauchdichtemessgeräte<br />
an unterschiedlichen Anlagen vorgefunden,<br />
bei denen ein „Grenzwert“ nach<br />
dem Runderlass des Ministeriums für Arbeit,<br />
Gesundheit und Soziales (MAGS) vom<br />
20. Oktober 1976 als Grundlage angegeben<br />
war. Für die praktische Überwachung<br />
ist dieser Grenzwert in der Regel unbrauchbar,<br />
da er sich nur auf die Rauchdichte von<br />
Schwerölfeuerungen bezieht. Die von Herstellerseite<br />
angegebenen Emissionsfaktoren<br />
für verschiedene Einsatzfälle dienen ebenfalls<br />
nur als Anhaltspunkte.
In der Praxis hat sich bewährt, die Messgeräteanzeigen<br />
durch Vergleichsmessungen<br />
beim Normalbetrieb beziehungsweise bei einem<br />
Betrieb mit verschlechterter Abscheideleistung<br />
der Filteranlage zu beurteilen.<br />
Je nach Ergebnis ist in Abstimmung mit<br />
dem Sachverständigen und dem Betreiber<br />
die individuelle Festlegung eines Alarmpunktes<br />
möglich, der auf eine Störung der<br />
Filteranlage hinweist. Diese Vorgehensweise<br />
entspricht damit den Anforderungen der<br />
Ziffer 5.3.3.2 der TA Luft, welche die Überwachung<br />
der Funktionsfähigkeit der Abgasreinigungsanlage<br />
und die Einhaltung des<br />
Grenzwertes fordert.<br />
Die ersten Schritte für eine Kalibrierung<br />
können bereits in der Genehmigung geregelt<br />
werden. Hierbei werden die baulichen<br />
Anforderungen an die Mess- und Probenahmestellen<br />
festgelegt. Sinnvollerweise sollte<br />
dies unter Beteiligung der Sachverständigen<br />
und der Überwachungsbehörde geschehen.<br />
Welche Regelungsdichte gewählt wird, hängt<br />
vom jeweiligen Einzelfall ab.<br />
Im weiteren Verlauf empfi ehlt es sich, vor<br />
der Durchführung der Kalibrierung ein Vorgespräch<br />
mit dem Betreiber und Sachverständigen<br />
zu führen, in dem messtechnische<br />
und organisatorische Vorgaben festgelegt<br />
werden. Nach Durchführung der Arbeiten<br />
sind die Messberichte entsprechend den<br />
gesetzlichen Fristen vorzulegen. Diese Termine<br />
werden häufi g jedoch nicht eingehalten.<br />
Die vorgelegten Kalibrierberichte beziehungsweise<br />
die Teilnahme an Kalibrierungsmessungen<br />
haben zu den unterschiedlichsten<br />
Beanstandungen geführt.<br />
So wurden bei der Überprüfung der Kalibriermessungen<br />
vor Ort Abweichungen von<br />
der VDI 2066 beziehungsweise 4200 in Bezug<br />
auf Netzmessungen, Mängel an Messplätzen<br />
oder eine Verkürzung der Probenahmezeiten<br />
festgestellt. Weiterhin wurden<br />
Abweichungen von den speziellen Probenahmevorschriften<br />
beanstandet. Bei der Prüfung<br />
der Berichte wurde festgestellt, dass<br />
diese oftmals unvollständig waren. So fehlten<br />
zum Beispiel Angaben zum Toleranzoder<br />
Vertrauensbereich oder Messwertaufstellungen.<br />
Die Anzahl der durchgeführten<br />
Einzelmessungen lag zum Teil deutlich<br />
unter der vorgeschriebenen Mindestzahl von<br />
15. Plausibilitätsbetrachtungen wurden auch<br />
bei gravierenden Abweichungen zur bislang<br />
gültigen Kalibrierkurve nicht vorgenommen.<br />
Um Unstimmigkeiten beziehungsweise Abweichungen<br />
von den zuvor genannten Vorschriften<br />
künftig zu vermeiden, wurde dazu<br />
übergegangen, für besonders relevante<br />
Anlagen verbindliche Messpläne in Zusammenarbeit<br />
mit Betreibern und Sachverständigen<br />
zu vereinbaren.<br />
Diese bereits in der Vergangenheit übliche<br />
Vorgehensweise wird durch die Ziffer<br />
5.3.2.2. „Messplanung“ der TA Luft 2002<br />
bestätigt, da hier die Behörde auf eine verbindliche<br />
Grundlage für eine entsprechende<br />
Forderung zurückgreifen kann. Neben einer<br />
Überarbeitung der Berichte haben die vorgenannten<br />
Mängel in Einzelfällen auch zur<br />
Wiederholung von Kalibrierungen geführt.<br />
Zusätzlich wurde das Landesumweltamt<br />
als Vertreter der Zulassungsstelle für die<br />
Bekanntgabe von Sachverständigen über<br />
die Beanstandungen informiert.<br />
Luft und Lärm<br />
33
Biowäscher auch in landwirtschaftlichen Familienbetrieben<br />
Luft und Lärm<br />
34<br />
Biowäscher auch in<br />
landwirtschaftlichen<br />
Familienbetrieben<br />
Rolf Rütter<br />
Mit Erfolg werden die ersten Biowäscher im<br />
Dienstbezirk des Staatlichen Umweltamtes<br />
(<strong>StUA</strong>) <strong>Herten</strong> auch in Tierhaltungsanlagen<br />
landwirtschaftlicher Familienbetriebe eingesetzt.<br />
Nach anfänglichem Zögern konnte<br />
zum Beispiel der Betreiber einer expandierenden<br />
Mastschweineanlage davon überzeugt<br />
werden, dass nicht der Biofi lter, sondern<br />
der Biowäscher das geeignetere System<br />
für seinen Betrieb darstellt.<br />
Nach mehr als einem Jahr Betriebserfahrung<br />
mit dem zertifi zierten Biowäscher ist<br />
er dank hoher Betriebssicherheit und hoher<br />
Reinigungsleistung bei geringem persönlichen<br />
Arbeitsaufwand von dieser Technik<br />
so überzeugt, dass der nächste Stall mit<br />
gleicher Abluftbehandlungsanlage bereits<br />
in Planung ist.<br />
Entwicklung der<br />
Abluftbehandlung in der<br />
Landwirtschaft<br />
Seit dem Beginn der Stadtfl ucht in den<br />
80er Jahren sehen sich nicht wenige landwirtschaftliche<br />
Tierhaltungsbetriebe mit<br />
heranrückenden Neubaugebieten konfrontiert.<br />
Gleichzeitig sehen die Landwirte ihr<br />
wirtschaftliches Überleben in der Intensivierung<br />
der Tierhaltung. Um eine verträgliche<br />
Nachbarschaft zu ermöglichen, wurde nach<br />
vermeintlich einfachen und kostengünstigen<br />
Möglichkeiten gesucht, um die Geruchsbelastungen<br />
in der Wohnnachbarschaft auf ein<br />
verträgliches Maß zu beschränken. Wenn<br />
die Erhöhung der Abluftkamine nicht mehr<br />
zur Lösung des Problems ausreicht oder<br />
aus statischen oder betriebswirtschaftlichen<br />
Gründen ausscheidet, bleibt nur noch die<br />
Behandlung der Abluft.<br />
In der Vergangenheit wurden hierzu in der<br />
Regel Biofi lter (Flächenfi lter) eingesetzt. Die<br />
Investitionskosten halten sich dank möglicher<br />
Eigenleistung bei der Errichtung im<br />
Rahmen. Um die Bakterien bei Laune zu<br />
halten, damit sie die Geruchsstoffe ordentlich<br />
verzehren, muss nur die Wurzelholzschüttung<br />
feucht und luftdurchlässig gehalten<br />
werden. Die Nahrung für die kleinen<br />
Helfer bringt die Stallabluft gleich selber<br />
mit. Preiswert und einfach - so scheint es.<br />
Aber wie gut und zuverlässig ist diese<br />
Technik?<br />
Es stellte sich bald heraus, dass ein Biofi lter<br />
gut beobachtet, kontrolliert, gewartet und<br />
regelmäßig gepfl egt werden muss, damit er<br />
seine Funktionsfähigkeit behält.<br />
Dazu gibt es Einsatzgebiete, in denen die<br />
Stallabluft aufgrund ihres Staubgehaltes<br />
die Prozessstabilität stark beeinträchtigt<br />
und den Wartungsaufwand erheblich erhöht<br />
(zum Beispiel Gefl ügelhaltung). Der Staubgehalt<br />
in der Abluft von Schweinehaltungen<br />
ist hierbei auch nicht zu unterschätzen.<br />
Zu schnell verstopft der Biofi lter und verliert<br />
so seine Wirkung.<br />
Als Weiterentwicklung wurde in den so genannten<br />
Kombianlagen dem Biofi lter ein<br />
Wäscher vorgeschaltet. Hierbei wird die Abluft<br />
aus dem Stall vor Eintritt in das Biobeet
durch eine fein verstäubte Wasserwand geleitet.<br />
Die Aerosole binden die Staubpartikel<br />
in der Abluft und waschen diese aus. Im<br />
Ergebnis führt dies zu einer deutlichen Entlastung<br />
des Biofi lters und damit zu stabileren<br />
Betriebsbedingungen und längeren<br />
Standzeiten. Allerdings steht damit immer<br />
noch eine Anlagentechnik zur Verfügung, die<br />
einer intensiven Betreuung und Pfl ege durch<br />
den Landwirt bedarf.<br />
Angesichts eines großen Beckens, gefüllt<br />
mit einem großen Haufen Wurzelholz, durch<br />
den die Stallabluft von unten eingeleitet<br />
wird, bildet sich nur schwer ein Bewusstsein<br />
dafür, dass in dem Biofi lter, kaum sichtbar,<br />
kleinste Lebewesen arbeiten, um den<br />
Geruch aus der Stallabluft zu entfernen.<br />
Empfi ndliche Bakterien, denen zu jeder Zeit<br />
ein bestimmtes, eng umgrenztes Milieu aus<br />
Temperatur, pH-Wert, Feuchtigkeit und Nahrung<br />
angeboten werden muss, damit sie ihre<br />
Arbeit ausreichend gut verrichten können.<br />
Eine deutlich höhere Prozessstabilität durch<br />
Automatisierung bieten da Biowäscher.<br />
Diese Anlagen sind zudem kleiner und kompakter<br />
gebaut als die Biofi lter. Sie werden in<br />
Modulbauweise angeboten, mit Wartungsverträgen<br />
und günstigstenfalls sogar online<br />
vom Hersteller kontrolliert und gefahren. Bei<br />
größeren Anlagen und neu zu errichtenden<br />
Ställen können sie baulich in den Stall integriert<br />
werden und verbrauchen nur wenig<br />
wertvolle Flächenressourcen.<br />
Der zertifi zierte Biowäscher<br />
Die höchsten Reinigungsleistungen bei den<br />
stabilsten Betriebsbedingungen versprechen<br />
hierbei die so genannten zertifi zierten Bio-<br />
wäscher. Dies sind Biowäscher, deren Leistungsfähigkeit<br />
im dokumentierten Betrieb<br />
messtechnisch nachgewiesen wurde. In den<br />
Niederlanden werden diese Anlagen mit<br />
dem so genannten Groen Label zertifi ziert.<br />
Dieses Zertifi kat bezieht sich auf die Konstruktion,<br />
die Bemessung, die Vorhaltung<br />
von Kontrolleinrichtungen (Messgeräte),<br />
regelmäßige Probenahmen, regelmäßige<br />
Wartungen, Beratungsverpfl ichtungen und<br />
nicht zuletzt spezifi zierte Rahmenbedingungen<br />
für die angeschlossene Tierhaltung.<br />
Unter diesen Rahmenbedingungen werden<br />
den zertifi zierten Anlagen konkrete Reinigungsleistungen<br />
zuerkannt.<br />
Vergleichende Untersuchungen haben gezeigt,<br />
dass zertifi zierte Biowäscher die<br />
höchsten Reinigungsleistungen und die<br />
höchste betriebliche Sicherheit gewährleisten.<br />
Insbesondere wenn der Landwirt bei<br />
der Wartung, Pfl ege und Kontrolle des Biowäschers<br />
durch die Fachkunde des Herstellers<br />
unterstützt wird, indem zum Beispiel der<br />
Biowäscher (im Rahmen der vertraglichen<br />
Vereinbarung) über das Internet online vom<br />
Hersteller kontrolliert und gefahren wird.<br />
Durch die Zugabe von Säure, die über eine<br />
Dosierpumpe dem Waschwasser in Abhängigkeit<br />
vom pH-Wert zugegeben wird, lassen<br />
sich die Reinigungsleistung und Verfahrensstabilität<br />
weiter steigern. Ebenso hat sich<br />
gezeigt, dass mit der Erhöhung der Waschwasserumlaufmenge<br />
eine deutliche Stabilisierung<br />
des Reinigungsprozesses gewährleistet<br />
wird. Höhere Betriebssicherheit und<br />
höhere Reinigungsleistung bei geringerem<br />
persönlichen Arbeitsaufwand für den Betreiber<br />
sprechen für diese Anlagentechnik.<br />
Luft und Lärm<br />
35
Luft und Lärm<br />
36<br />
Was kostet ein Biowäscher und<br />
was bringt er?<br />
Bezogen auf Schweinemastbetriebe lässt sich<br />
der Vergleich aufgrund vorliegender Messberichte<br />
aus der Praxis wie folgt darstellen:<br />
• Biofi lter haben als Flächenfi lter einen<br />
sehr großen Platzbedarf und erreichen<br />
in Abhängigkeit von der Fahrweise und<br />
Betreuung stark schwankende Reinigungsleistungen,<br />
die zwischen 50 bis<br />
90 % für Geruch und 60 bis 80 % für<br />
Ammoniak ermittelt wurden. Die Kosten<br />
belaufen sich etwa auf 3,00 € pro<br />
erzeugtem Schwein.<br />
• Kombianlagen können auch als Modulanlagen<br />
mit deutlich geringerem<br />
Flächenbedarf errichtet werden. Deren<br />
Reinigungsleistung liegt bezüglich der<br />
Geruchsreduzierung bei 50 bis 70 %,<br />
Gleiches gilt für die Ammoniakreduzierung.<br />
Die Kosten bewegen sich etwa bei<br />
5,00 € pro erzeugtem Schwein.<br />
• Biowäscher weisen bei geringem<br />
Flächenbedarf aufgrund der Automatisierung<br />
eine relativ konstante Reinigungsleistung<br />
von 70 % sowohl für<br />
die Geruchs- als auch die Ammoniakreduzierung<br />
auf. Die Kosten liegen bei<br />
etwa 4,00 € bis 5,00 € pro erzeugtem<br />
Schwein. Höhere Reinigungsleistungen<br />
können je nach Zertifi zierung des Biowäschers<br />
unterstellt werden. Beim Einsatz<br />
von Säure liegen diese bei bis zu 95 %.<br />
Bei den dargestellten Kosten handelt es sich<br />
um mittlere Werte, die Betriebs- und Investitionskosten<br />
beinhalten. Wesentlicher Bestandteil<br />
der Betriebskosten sind die Energiekos-<br />
ten, die bei der Zuführung der Stallabluft in<br />
die Abluftbehandlungsanlage über Ventilatoren<br />
anfallen. Hier hat sich im oben genannten<br />
Beispielfall gezeigt, dass insbesondere bei<br />
der Integration der Behandlungsanlage in den<br />
Stall, mit kurzen Leitungswegen und günstigen<br />
Luftdruckverhältnissen im Stall, diese<br />
Kosten deutlich reduziert werden können.<br />
Warum einen Biowäscher?<br />
Wegen der höheren Betriebssicherheit kann<br />
dem Biowäscher, insbesondere dem zertifi -<br />
zierten Biowäscher, im Rahmen der Genehmigungsverfahren<br />
eine höhere Reinigungsleistung<br />
(zum Beispiel entsprechend der<br />
Zertifi zierung) zuerkannt werden. Im Genehmigungsverfahren<br />
nach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz<br />
(BImSchG) ist der Vorsorgegedanken<br />
zu berücksichtigen und somit<br />
grundsätzlich ein pessimaler Prüfungsansatz<br />
(hier Berücksichtigung der geringsten, sicher<br />
einzuhaltenden Reinigungsleistung) verlangt.<br />
Beim Einsatz eines Biowäschers kann im<br />
Vergleich der beschriebenen Anlagentechniken<br />
eine deutlich höhere Reinigungsleistung<br />
anerkannt werden.<br />
Für den Betreiber bedeutet dies, dass bei<br />
gleicher immissionsschutzrechtlicher Ausgangssituation<br />
vor allem der Einsatz eines<br />
zertifi zierten Biowäschers ein deutliches<br />
Mehr an Tierplätzen bedeuten kann. Die<br />
Mehrkosten des Biowäschers gegenüber<br />
einem Biofi lter lassen sich leicht gegen den<br />
möglichen Erlös durch eine Erhöhung der<br />
Tierplätze aufrechnen. Der Einsatz von Biowäschern<br />
in der Intensivtierhaltung ist eine<br />
betriebswirtschaftlich sinnvolle Investition,<br />
um auch in Konfl iktlagen eine betriebliche<br />
Weiterentwicklung zu ermöglichen.
Vorspiel & Zusammenspiel<br />
Annegret Neuß und Reinhard Sander<br />
Die Erkenntnis, dass „ein gutes Vorspiel“<br />
Kosten und Ärger reduziert, gewinnt eine<br />
immer größere Bedeutung bei der Bewältigung<br />
unserer Aufgaben, dies gilt in starkem<br />
Maße bei Genehmigungsverfahren und deren<br />
Vorbereitung. Nicht nur der Umweltschutz,<br />
sondern insbesondere die Kundenzufriedenheit<br />
und Bearbeitungsdauer von Genehmigungsverfahren<br />
sowie der Aufwand und die<br />
Dauer der Bearbeitung von Beschwerden<br />
aus der Nachbarschaft profi tieren von einem<br />
guten Vor- & Zusammenspiel.<br />
Dem gegenseitigen Kennenlernen, dem Ausloten<br />
von Empfi ndlichkeiten, dem Aufspüren<br />
von Interessengegensätzen und dem Herstellen<br />
einer sachlichen Gesprächsatmosphäre<br />
kommt dabei ein besonderer Stellenwert<br />
zu. So kann bereits im Vorfeld der Planungen<br />
und Antragstellung das Staatliche<br />
Umweltamt (<strong>StUA</strong>) frühzeitig darauf hinweisen,<br />
dass der Immissionsschutz erfahrungsgemäß<br />
eine Vielzahl organisatorischer<br />
und technischer Maßnahmen zur Einhaltung<br />
der Rechtsvorschriften erfordert. Dazu müssen<br />
sich die Beteiligten zu Vorbesprechungen<br />
frühzeitig treffen, um die notwendigen<br />
Verfahrensweisen, die bei unserer hohen<br />
Regelungsdichte nicht auszuschließen sind,<br />
zu minimieren; dadurch lassen sich Interessenkonfl<br />
ikte vermeiden beziehungsweise so<br />
kann man ihnen vorbeugen:<br />
Die gemeinsame Erarbeitung einer<br />
Lösung durch und für alle Beteiligten<br />
ist äußerst förderlich.<br />
Unsere Moderationsfreude im Interesse der<br />
Sache wird unter anderem an folgenden<br />
Beispielen deutlich:<br />
Ausnahmegenehmigung für je 36-h<br />
Betonierschichten:<br />
Vor Weihnachten waren direkt neben einem<br />
ausgelastetem Hotel lärmintensive Betonierschichten<br />
erforderlich. Witterungs- und<br />
konstruktionsbedingt gab es keine Alternative<br />
zur Fertigstellung. Hier standen sowohl<br />
die Auseinandersetzung mit der Technik und<br />
deren Zeitabläufen sowie der intensive Kontakt<br />
mit der Nachbarschaft und den betroffenen<br />
Anliegern im Mittelpunkt.<br />
Durch die Zusammenarbeit und Begleitung<br />
des Projektes durch das <strong>StUA</strong> <strong>Herten</strong> konnte<br />
im Laufe der Bauphasen eine gegenseitige<br />
Rücksichtnahme beider Parteien erreicht<br />
werden und das Projekt über den Jahreswechsel<br />
in mehreren Betonierabschnitten<br />
ohne offene Konfl ikte abgeschlossen werden.<br />
Rammarbeiten auf der Dienstgrenze:<br />
Das Medienereignis – „Dortmund-Ems-Kanal<br />
leergelaufen“ – und die daraus resultierenden<br />
Folgen erforderten schnelles Handeln und<br />
Abstimmungsprozesse zwischen den Staatlichen<br />
Umweltämtern <strong>Herten</strong> und Münster.<br />
In fernmündlicher Absprache mit dem Nachbaramt<br />
nahmen wir umgehend den Besprechungstermin<br />
wahr und entschieden<br />
sofort auf der Baustelle die weitere Verfahrensweise<br />
mit dem Ziel möglichst schneller<br />
Hilfe. Innerhalb von Stunden fi el die<br />
Entscheidung für die Genehmigung, die<br />
mit Bedingungen und Aufl agen für die unumgänglichen<br />
Rammarbeiten rund um die<br />
Luft und Lärm<br />
37<br />
Vorspiel & Zusammenspiel
Luft und Lärm<br />
38<br />
Uhr verknüpft war. Wegen des guten Baufortschrittes<br />
konnte das <strong>StUA</strong> bereits zur<br />
Mitte der erteilten Ausnahmegenehmigungsdauer<br />
die ausführende Firma zu einem Verzicht<br />
der Rammung an den Wochenenden<br />
überzeugen. Dies wurde von Seiten der Bevölkerung<br />
positiv aufgenommen.<br />
Sprengung des Goliath – wie ein<br />
Hochhaus in der Marler Innenstadt im<br />
Volksmund genannt wird:<br />
Hier bedurfte es kurzer Wege, da sich ansonsten<br />
das ganze Projekt um ein Jahr verzögert<br />
hätte. Intensive Beratung und Abstimmung<br />
der erforderlichen Belange für den Umweltschutz<br />
waren nötig. Um Zeit zu gewinnen,<br />
trafen sich die technischen Fachbehörden<br />
bisher separat und bereiteten den komplexen<br />
Sanierungsprozess zur termingerechten<br />
Sprengung vor. Der Goliath bestand aus<br />
216 Wohneinheiten (46.200 m³ umbauter<br />
Raum) und einem Parkhaus als Tiefgarage<br />
(12.800 m³ umbauter Raum), bei dem unter<br />
anderem Asbest innen wie außen von allen<br />
Gewerken des Baugewerbes eingebaut waren.<br />
Auch bei diesem, von der Größenordnung<br />
her bisher einmaligen Vorhaben, hatte das<br />
<strong>StUA</strong> <strong>Herten</strong> keine Probleme vorausschauend,<br />
sachgerecht und zeitnah zu handeln.<br />
Bereits im Vorfeld der Beratungen hatte das<br />
<strong>StUA</strong> klare Vorstellungen für einen praxisorientierten<br />
Rückbau. Die bisherigen Erfahrungen<br />
ergänzten sich mit den Vorstellungen<br />
der anderen technischen Fachbehörden und<br />
führten zu einem schnellen Konsens.<br />
Unsere Erfahrungen zeigen, dass dank der<br />
intensiven Einbindung und des gelungenen<br />
Vorspiels die beispielhaft genannten Vorhaben<br />
in aller Regel – auch in Verbindung mit<br />
Ausnahmegenehmigungen – zur Zufriedenheit<br />
der Nachbarschaft und aller sonstigen<br />
Beteiligten erfolgreich zu Ende geführt werden<br />
konnten. So kann ein optimales „Vorspiel<br />
& Zusammenspiel“ auch dazu beitragen,<br />
dass die technischen Fachbehörden<br />
von den Nachbarn, den Betriebern oder der<br />
Öffentlichkeit nicht den „Schwarzen Peter“<br />
zugeschoben bekommen.<br />
Betonierarbeiten<br />
Rammarbeiten<br />
Der „Goliath“
Der Beginn eines neuen<br />
Müllzeitalters:<br />
Entsorgungs“notstand“<br />
nach dem 31.05.<strong>2005</strong><br />
Jörg Decher<br />
Bereits 1994 war eigentlich alles klar. Die<br />
Technische Anleitung Siedlungsabfall (TASI)<br />
schrieb vor, dass Abfälle nicht mehr ohne<br />
eine Vorbehandlung auf die Deponie dürfen.<br />
Alle organischen Anteile in den Abfällen müssen<br />
vorher durch Verbrennen oder sonstige<br />
Verfahren eliminiert, besser inertisiert, werden.<br />
So weit so gut und eigentlich eindeutig.<br />
Es folgten Übergangsfristen und Aufschübe<br />
durch politische und sonstige Initiativen.<br />
Die Deponien durften weiterhin fast alles<br />
schlucken, und es war ja auch so billig, alles<br />
einfach auf den großen Haufen zu schütten.<br />
Doch dann war „plötzlich Schluss mit lustig“!<br />
Was kaum jemand ernsthaft geglaubt<br />
hatte und was viele Jahre nur drohend am<br />
Horizont stand, war nun schlagartig Wirklichkeit:<br />
Die Deponien schlossen ihre Tore<br />
für den unbehandelten Müll. Wohlgemerkt:<br />
Dieser Zustand hatte sich bereits 1994 angekündigt<br />
und kam daher wirklich nicht „über<br />
Nacht“! Aber nun war es soweit: Beim Haus-<br />
müll wurde relativ reibungslos „umgeschaltet“.Die<br />
Wege in die Vorbehandlungsanlagen<br />
waren geplant und durch Kontingente<br />
und Verträge gesichert. Die „kalte Vorbehandlung“<br />
in den mechanisch-biologischen<br />
Behandlungsanlagen (MBA) wurde mehr oder<br />
weniger und quasi just-in-time realisiert.<br />
Anders allerdings die Situation beim Gewerbeabfall.<br />
Hier waren bis dahin riesige Mengen<br />
Abfall einfach und billig deponiert worden.<br />
Auch die Restmengen aus den Verwertungsanlagen<br />
mussten jetzt („von heute auf morgen“)<br />
in die Verbrennung gebracht werden.<br />
Nachfrage regelt den Preis und das Angebot<br />
auf dem Verbrennungssektor wurde plötzlich<br />
knapp. Warum gingen just zu dieser Zeit<br />
eigentlich parallel so viele Verbrennungslinien<br />
in die Revision? Warum wurden plötzlich die<br />
Annahmekriterien bei den Verbrennungsanlagen-Betreibern<br />
so pingelig überprüft?<br />
Die Konsequenz: Gewerbeabfall wohin man<br />
sah: Berge bei den Verwertungsbetrieben,<br />
illegale Lager von haushoch gestapelten<br />
Abfallballen, hektische Anträge für obskure<br />
Zwischenlager, europaweiter Abfalltourismus<br />
(anscheinend ist in Prag nicht nur das Bier<br />
billig). Im Rahmen der Überwachung mussten<br />
wir mehrfach deutliche Worte sprechen!<br />
Luft und Lärm<br />
39<br />
Der Beginn eines neuen Müllzeitalters:<br />
Entsorgungs“notstand“ nach dem 31.05.<strong>2005</strong>
22:30 Uhr MEZ - Starke Rauchentwicklung<br />
auf der Zeche Prosper in Bottrop<br />
Luft und Lärm<br />
40<br />
Ausblick<br />
Nach dem ersten Boom kurz nach dem<br />
31. Mai <strong>2005</strong> mit einigen recht ungeordneten<br />
Abfallhaufen sind die Entsorgungskapazitäten<br />
auf dem Behandlungsmarkt anscheinend<br />
immer noch recht knapp.<br />
Allerdings stellt sich langsam eine neue Routine<br />
ein: Die Verbrennungsanlagen laufen (bei<br />
hohen Preisen), einige wenige Zwischenlager<br />
auf den Deponien oder an den Verwertungsanlagen<br />
sind legalisiert und neu geordnet.<br />
Hier warten in Ballen gepresste Gewerbeabfälle,<br />
so genannte heizwertreiche Fraktionen,<br />
schließlich auch noch die eine oder andere<br />
Tonne Restabfall auf ihre Fahrt in den Ofen.<br />
Deponiert werden hierzulande nur noch die<br />
„echten“ Reste des vorbehandelten Mülls.<br />
Allerdings fährt auch noch so mancher<br />
LKW (trotz der Maut!) mit mehr oder weniger<br />
sortiertem Gewerbeabfallrest quer<br />
durch Europa in die „so“ preiswerten Anlagen<br />
anderer Länder.<br />
22:30 Uhr MEZ – Starke<br />
Rauchentwicklung auf der<br />
Zeche Prosper in Bottrop<br />
Peter Eller<br />
Ein Grubenbrand auf der Zeche Prosper IV<br />
in Bottrop führte am 12. März <strong>2005</strong> zu<br />
erheblichen Rauchschwaden, die von Bottrop<br />
aus der Windrichtung folgend ins östliche<br />
Revier zogen. Gegen 22:30 Uhr<br />
waren auf der Schachtanlage 9 in rund<br />
1.000 Meter Tiefe Förderbänder und Kabel<br />
in Brand geraten. Besorgte Bürgerinnen und<br />
Bürger der betroffenen Revierstädte meldeten<br />
sich bei der Nachrichten- und Bereitschaftszentrale<br />
des Landesumweltamtes<br />
Nordrhein-Westfalen (LUA) in Essen.<br />
Wie auch schon beim Grubenbrand im Juni<br />
1996 auf der Zeche Hugo in Gelsenkirchen,<br />
wurde die Rufbereitschaft des Staatlichen<br />
Umweltamtes (<strong>StUA</strong>) <strong>Herten</strong> vom LUA informiert<br />
und veranlasste in Amtshilfe für das<br />
zuständige Bergamt Gelsenkirchen Immissionsmessungen<br />
durch den Sondereinsatzdienst<br />
des LUA.<br />
Im Gegensatz zum Brand 1996, als neben<br />
dem Messfahrzeug des LUA auch ein entsprechendes<br />
Fahrzeug des ehemaligen Landesoberbergamtes<br />
(LOBA) zum Eisatz kam,<br />
wurden die Messungen nun ausschließlich<br />
vom LUA durchgeführt, da das Messfahrzeug<br />
des ehemaligen LOBA zwischenzeitlich<br />
abgeschafft wurde.<br />
Die Messung von Luftschadstoffen ergab<br />
erhöhte Werte an Kohlenmonoxid, Cyanwasserstoff<br />
sowie Schwefeldioxid. Allein die<br />
erhöhten Schwefeldioxidwerte stellten zeitweise<br />
eine Besorgnis dar. Die Bevölkerung<br />
wurde auf Grundlage der Messungen des LUA<br />
durch Polizei und Feuerwehr zeitnah gewarnt<br />
und gebeten, Fenster und Türen geschlossen<br />
zu halten.<br />
Bei weiteren Messungen wurden keine<br />
erhöhten Schadstoffkonzentrationen mehr<br />
festgestellt. Da auch nach der Prognose des<br />
Betreibers keine Verschlechterung der Emissionssituation<br />
zu erwarten war, wurde die<br />
Warnung der Bevölkerung aufgehoben.
Neben den Messungen von Luftschadstoffen<br />
wurden vom LUA auch Wischproben im Immissionsgebiet<br />
genommen und auf Dioxine,<br />
Furane und PCB untersucht. Auf Grund der<br />
analysierten Werte hat das LUA empfohlen,<br />
mit Ruß beaufschlagtes Gemüse aus Kleingärten<br />
nicht zu verzehren und verunreinigte<br />
Oberfl ächen mit Wasser zu reinigen.<br />
Eine kritische Zusatzbelastung des Bodens<br />
konnte ausgeschlossen werden.<br />
Beim Löschen des Brandes fi elen insgesamt<br />
29.066 m3 Löschwasser an. Zur Beurteilung<br />
der Gefährlichkeit der Einleitung des belasteten<br />
Löschwassers für die Emscher und die<br />
Kläranlage Dinslaken, vereinbarten das <strong>StUA</strong><br />
<strong>Herten</strong>, die Deutsche Steinkohle AG, das<br />
Bergamt Gelsenkirchen und die Emschergenossenschaft<br />
ein Untersuchungsprogramm.<br />
Die Ergebnisse zeigten, dass eine Gefährdung<br />
der Kläranlage und der Emscher in<br />
ihrer jetzigen Situation als so genannter<br />
Schmutzwasserlauf ausgeschlossen werden<br />
konnten. In eine ökologisch umgestaltete<br />
Emscher - etwa im Jahr 2015 - wäre eine<br />
Einleitung von Löschwasser in dieser Qualität<br />
nicht tragbar gewesen. Bis dahin ist für<br />
Brandfälle Vorsorge zu treffen, um gegebenenfalls<br />
anfallendes Löschwasser zurückhalten<br />
und behandeln zu können.<br />
Bei beiden Grubenbränden hat unsere Rufbereitschaft<br />
zur effektiven Kooperation aller<br />
beteiligten Behörden beigetragen. Dies<br />
wurde dem <strong>StUA</strong> <strong>Herten</strong> beim aktuellen<br />
Grubenbrand sogar in einem persönlichen<br />
Schreiben des Energieministers des Landes<br />
NRW Axel Horstmann bestätigt.<br />
Nicht nur die „neue“<br />
Störfall-Verordnung <strong>2005</strong><br />
HISTORIE<br />
Lothar Balkenhoff<br />
Luft und Lärm<br />
41<br />
Im Amtsblatt der Europäischen Union<br />
wurde am 31. Dezember 2003 die Richtlinie<br />
2003/105/EG des europäischen Parlamentes<br />
und des Rates vom 16. Dezember 2003 zur<br />
Änderung der Richtlinie 96/82/EG des Rates<br />
zur Beherrschung der Gefahren bei schweren<br />
Unfällen mit gefährlichen Stoffen unter gleichzeitigem<br />
Inkrafttreten bekannt gemacht.<br />
<strong>2005</strong><br />
Die Richtlinie 96/82/EG vom 9. Dezember<br />
1996 zur Beherrschung der Gefahren bei<br />
schweren Unfällen mit gefährlichen Stoffen,<br />
auch „Seveso-II-Richtlinie“ genannt, dient der<br />
Verhütung schwerer Unfälle mit gefährlichen<br />
Stoffen und der Begrenzung der Unfallfolgen<br />
für Mensch und Umwelt, um in der gesamten<br />
Gemeinschaft konsequent und wirksam ein<br />
hohes Maß an Schutz zu gewährleisten.<br />
Die Umsetzung der Änderungsrichtlinie<br />
Störfall-Verordnung<br />
Seveso-II 2003/105/EG erfolgte für die<br />
Bundesrepublik in einem Artikelgesetz zur<br />
Beherrschung der Gefahren bei schweren<br />
Unfällen mit gefährlichen Stoffen. In<br />
diesem Artikelgesetz wurde das Bundes-<br />
„neue“<br />
Immissionsschutzgesetz, das Geräte- und<br />
Produktsicherheitsgesetz und die Betriebs-<br />
die<br />
sicherheitsverordnung angepasst. Die<br />
Bekanntmachung der Neufassung der<br />
nur<br />
Störfall-Verordnung erfolgte im Bundesgesetzblatt<br />
am 8. Juni <strong>2005</strong> und trat am<br />
1. Juli <strong>2005</strong> in Kraft. Nicht
Luft und Lärm<br />
42<br />
ANLÄSSE<br />
Gründe der Änderung der Richtlinie waren<br />
im Wesentlichen zurückliegende jüngere<br />
Industrieunfälle sowie Studien über Krebs<br />
erzeugende und umweltgefährliche Stoffe.<br />
Der Unfall mit Feuerwerkskörpern im Mai<br />
2000 in Enschede, Niederlande, hatte das<br />
große Unfallrisiko aufgezeigt, das von der<br />
Lagerung und Herstellung pyrotechnischer<br />
und explosionsgefährlicher Stoffe ausgeht.<br />
Die Defi nition solcher Stoffe wurde deshalb<br />
präzisiert, vereinfacht und die Mengenschwellen<br />
für bestimmte explosionsgefährliche<br />
und pyrotechnische Stoffe gesenkt.<br />
Gleichzeitig wurden zur besseren Identifi -<br />
zierbarkeit die Defi nitionen des Gefahrgut-<br />
Transportrechts übernommen.<br />
Die Explosion in einer Düngemittelfabrik im<br />
September 2001 in Toulouse, Frankreich,<br />
hatte das Unfallrisiko verdeutlicht, das von<br />
der Lagerung von Ammoniumnitrat und<br />
von Düngemitteln auf Ammoniumnitrat-<br />
Basis ausgeht, und zwar insbesondere von<br />
zurückgewiesenem Material aus dem Produktionsprozess<br />
und Retouren an den Hersteller<br />
(so genannte „Off-Specs“, das heißt<br />
nicht spezifi kationsgerechtes Material). Die<br />
bestehenden Kategorien von Ammoniumnitrat<br />
und Düngemitteln auf Ammoniumnitrat-<br />
Basis wurden deshalb überarbeitet, um Off-<br />
Specs-Material einzubeziehen.<br />
Studien, die die Kommission in enger Zusammenarbeit<br />
mit den Mitgliedstaaten<br />
durchgeführt hat, sprachen dafür, die Liste<br />
der Krebs erzeugenden Stoffe mit den entsprechenden<br />
Mengenschwellen zu erweitern<br />
und die Mengenschwellen für umweltgefährliche<br />
Stoffe merklich zu senken.<br />
UMSETZUNG<br />
Somit ist die Stoffl iste des Anhangs I für<br />
• „explosionsgefährlich“,<br />
• „umweltgefährlich“,<br />
• „krebserzeugende Stoffe“,<br />
• „Erdölerzeugnisse“<br />
(alt: Motor- und sonstige Benzine)<br />
• und „Ammoniumnitrat“,<br />
hinsichtlich der konkreteren Stoffeinstufung<br />
und der Mengenschwellen neu gefasst worden.<br />
Der Stoff Kaliumnitrat ist neu aufgenommen<br />
worden. Die betroffenen Stoffe der<br />
Stoffl iste des Anhangs I sind in der Tabelle 1<br />
angeführt. Die zugehörigen Anmerkungen<br />
zur Stoffl iste wurden entsprechend angepasst<br />
und teilweise konkretisiert.<br />
GELTUNGSBEREICH<br />
Die Cyanidverseuchung der Donau infolge<br />
des Unfalls im Januar 2000 in Baia Mare,<br />
Rumänien, hatte gezeigt, dass bestimmte<br />
Lagerungs- und Aufbereitungsverfahren im<br />
Bergbau schwerwiegende Folgen haben können;<br />
dies galt insbesondere für Bergebeseitigungseinrichtungen,<br />
einschließlich Bergeteichen<br />
oder Absetzbecken.<br />
Bisher galt das europäische Störfallrecht<br />
nicht für Bergbautätigkeiten und Abfalldeponien.<br />
Diese Ausnahme ist nun eingeschränkt,<br />
so dass künftig zum Beispiel Bergeteiche<br />
den Anforderungen der Seveso-II-<br />
Richtlinie und damit auch dem deutschen<br />
Störfallrecht entsprechen müssen.
Nummer Gefährliche Stoffe / Einstufung CAS-Nummer Mengenschwelle in kg<br />
Spalte 1 Spalte 2 Spalte 3 Spalte 4 Spalte 5<br />
4 Explosionsgefährlich3) (wenn der Stoff, die Zubereitung oder der Gegenstand in<br />
die UN/ADR-Gefahrenunterklasse 1.4 fällt)<br />
50.000 200.000<br />
5 Explosionsgefährlich 34)<br />
(wenn der Stoff, die Zubereitung oder der Gegenstand in<br />
die UN/ADR-Gefahrenunterklasse 1.1, 1.2, 1.3, 1.5 oder<br />
1.6 oder unter den Gefahrenhinweis R2 oder R3 fällt)<br />
9 a Umweltgefährlich, in Verbindung mit dem Gefahrenhinweis<br />
R 50 oder R 50/53<br />
9 b Umweltgefährlich, in Verbindung mit dem Gefahrenhinweis<br />
R 51/53<br />
ANPASSUNG<br />
Zur Prüfung der Anwendung der Verordnung<br />
sind die Teilmengen für jeden gefährlichen<br />
Stoff über den Betriebsbereich zu addieren,<br />
wobei in der neuen Fassung der Störfall-<br />
Verordnung es jedoch nicht mehr zulässig<br />
ist, giftige und umweltgefährliche Stoffe zu<br />
addieren, diese sind separat zu betrachten.<br />
Auch ist die Additionssumme nicht mehr mit<br />
>1 sondern mit >=1 abzugleichen.<br />
DEREGULIERUNG<br />
10.000 50.000<br />
200.000<br />
100.000<br />
500.000<br />
200.000<br />
12 Krebserregende Stoffe:<br />
Folgende krebserzeugende Stoffe bei einer Konzentration<br />
von über 5 Gewichtsprozent:<br />
1<br />
500<br />
12.1 4-Aminodiphenyl und/oder seine Salze<br />
12.2 Benzidin und /oder seine Salze<br />
92-67-1<br />
92-87-5<br />
500.000<br />
200.000<br />
2.000.000<br />
500.000<br />
1<br />
2.000<br />
13 Motor- und sonstige Benzine 5.000.000 50.000.000<br />
13 Erdölerzeugnisse:<br />
2.500.000 25.000.000<br />
13.1 Ottokraftstoffe und Naphta<br />
13.2 Kerosin (einschließlich Flugturbinenkraftstoffe)<br />
13.3 Gasöle (Einschließlich Dieselkraftstoffe, leichtes<br />
Heizöl und Gasölmischströme)<br />
15.1 Ammoniumnitrat 9) 6484-52-2 350.000<br />
5.000.000<br />
2.500.000<br />
10.000.000<br />
15.2 Ammoniumnitrat 10) 6484-52-2 1.250.000 5.000.000<br />
15.3 Ammoniumnitrat 11) 6484-52-2 350.000 2.500.000<br />
15.4 Ammoniumnitrat 12) 6484-52-2 10.000 50.000<br />
39.1 Kaliumnitrat 13) 7757-79-1 5.000.000 10.000.000<br />
39.2 Kaliumnitrat 14) 7757-79-1 1.250.000 5.000.000<br />
Tabelle 1: blau = Neu grau = Alt<br />
Bei der deutschen Umsetzung der Richtlinie<br />
gab es noch das Ziel, die Annäherung<br />
an eine inhaltliche 1:1-Umsetzung der<br />
Seveso-II-Richtlinie durchzuführen.<br />
Durch diese deutsche Deregulierungsbestrebung<br />
wurden Nachteile für den Wirtschaftsstandort<br />
Deutschland abgebaut, die<br />
durch Wettbewerbsverzerrungen gegenüber<br />
Luft und Lärm<br />
43
Luft und Lärm<br />
44<br />
Mitgliedstaaten ohne nationale Sonderregelungen<br />
entstanden sind. Der „deutsche“<br />
Anhang VII der Störfall-Verordnung 2000<br />
wurde deshalb ersatzlos gestrichen.<br />
Das bedeutet, dass genehmigungsbedürftige<br />
Anlagen nach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz<br />
nicht mehr hinsichtlich<br />
• „Explosionsgefährlicher<br />
Staub-/Luftgemische“,<br />
• „Hochentzündlicher verfl üssigter Gase“<br />
• und „ Ammoniak“<br />
gesondert betrachtet werden müssen, sondern<br />
nach dem neu gefassten „Anwendungsbereich“<br />
zu beurteilen sind.<br />
Das bedeutet entsprechend der nachfolgenden<br />
Tabelle 2 , dass eine Anlage mit<br />
dem Einzelstoff erst dann unter das Störfallrecht<br />
fällt, wenn gleich oder mehr als<br />
50.000 kg hochentzündliche verfl üssigte<br />
Gase (einschließlich Flüssiggas) und Erdgas<br />
oder 50.000 kg Ammoniak vorkommen können.<br />
Im Rahmen der Deregulierung wurde<br />
auch die Neunte Verordnung zur Durchführung<br />
des Bundes-Immissionsschutzgesetzes<br />
- Verordnung über das Genehmigungsverfahren<br />
- 9. BImSchV angepasst.<br />
Gefährliche Stoffe,<br />
Einstufungen<br />
Explosionsfähige Staub-/<br />
Luftgemische<br />
Hochentzündliche verfl üssigte<br />
Gase (einschließlich Flüssiggas)<br />
und Erdgas<br />
ALTE Störfall-VO 2000<br />
Anhang VII<br />
ÜBERWACHUNG<br />
Auch wenn die Vorschriften der Störfall-Verordnung<br />
auf die „Anhang-VII-Anlagen“ in<br />
dieser seiner neuen Form keine Anwendung<br />
mehr fi nden, steht für die Überwachung und<br />
für ein behördliches Vorgehen dennoch ein<br />
ausreichendes rechtliches Instrumentarium<br />
über das BImSchG selbst oder über das<br />
Geräte- und Produktsicherheitsgesetz beziehungsweise<br />
über die Betriebssicherheitsverordnung<br />
zur Verfügung.<br />
Letztgenannter Rechtsbereich wird über die<br />
Staatlichen Ämter für Arbeitsschutz greifen,<br />
da diese Art von Anlagen als Arbeitsmittel<br />
und/oder überwachungsbedürftige Anlagen<br />
betrachtet werden können.<br />
FRISTEN<br />
Bei Betrieben, die später in den Anwendungsbereich<br />
der Störfall-Verordnung fallen,<br />
hat es sich als notwendig erwiesen, Mindestfristen<br />
für Mitteilungen und die Festlegung<br />
von Konzepten zur Verhütung schwerer Unfälle<br />
sowie die Erstellung von Sicherheitsberichten<br />
und Notfallplänen einzuführen.<br />
UNTERWEISUNG<br />
Anstelle der Mengenschwelle war<br />
die Zuordnung der Summe aller<br />
Teilvolumina nach Zone 20 der<br />
ElexV zu beurteilen.<br />
Die Erfahrung und das Wissen des Fachpersonals<br />
in einem Betrieb kann bei der Erstellung<br />
von Notfallplänen von großem Nutzen<br />
Mengenschwellen [in kg]<br />
NEUE Störfall-VO <strong>2005</strong><br />
Stoffl iste, Anhang I<br />
ersatzlos entfallen<br />
5.000 50.000<br />
Stoff-Nr. 11<br />
Ammoniak 2.000 50.000<br />
Stoff-Nr. 2<br />
Tabelle 2: blau = Neu grau = Alt
sein, und das gesamte Personal eines Betriebes<br />
sowie möglicherweise betroffene<br />
Personen sollten in geeigneter Weise über<br />
Sicherheitsmaßnahmen und Sicherheitsvorkehrungen<br />
informiert werden.<br />
Der mindestens jährliche Turnus für die Unterweisung<br />
der Beschäftigten über die für<br />
sie in den internen Alarm- und Gefahrenabwehrplänen<br />
für den Störfall enthaltenen<br />
Verhaltensregeln durch den Betreiber war<br />
zu eng gefasst. Er führte zu einer zusätzlichen<br />
Belastung der Betreiber. Im Sinne<br />
der Entbürokratisierung und Stärkung der<br />
Eigenverantwortlichkeit der Betreiber wurde<br />
die Unterweisungsfrequenz auf mindestens<br />
alle drei Jahre erweitert.<br />
PLANUNGSRECHT<br />
Es ist allgemeine Betreiberpfl icht alle notwendigen<br />
Maßnahmen zu ergreifen, um schwere<br />
Unfälle mit gefährlichen Stoffen zu verhüten,<br />
deren Folgen für Mensch und Umwelt<br />
zu begrenzen und Unfallfolgen für Mensch<br />
und Umwelt, auf abgestimmte und wirksame<br />
Weise in der ganzen Gemeinschaft auf einem<br />
hohen Schutzniveau zu gewährleisten.<br />
Damit dabei angemessene Abstände präventiv<br />
beachtet werden können, bedarf es<br />
der Steuerung mit den Mitteln der Raumund<br />
Flächenplanung. Die darin verankerten<br />
Grundsätze des „Land-use planning“ sind<br />
in Deutschland im Immissionsschutzrecht<br />
sowie im Bauplanungsrecht enthalten.<br />
Um den für die Bauleitplanung verantwortlichen<br />
Stellen und insbesondere den zu<br />
beteiligenden Fachbehörden, wie den Immissionsschutzbehörden,<br />
eine einheitliche<br />
Grundlage für die Beurteilung angemessener<br />
Abstände zwischen Betriebsbereich<br />
(Betrieb im Sinne der Richtlinie) einerseits<br />
und schutzbedürftigem Gebiet andererseits<br />
an die Hand zu geben, um schon mit planerischen<br />
Mitteln sicherzustellen, dass Flächen<br />
mit unverträglichen Nutzungen einander in<br />
einem angemessenen Abstand zugeordnet<br />
werden, wurde das Bundes-Immissionsschutzgesetz<br />
entsprechend angepasst.<br />
Die Grundsätze des „Land-use planning“<br />
sollen bewirken, dass in allen Mitgliedstaaten<br />
der Europäischen Union, Wohngebiete,<br />
öffentlich genutzte Gebäude und<br />
Gebiete, wichtige Verkehrswege, so weit<br />
wie möglich, Freizeitgebiete und unter dem<br />
Gesichtspunkt des Naturschutzes besonders<br />
wertvolle beziehungsweise besonders empfi<br />
ndliche Gebiete besser vor den Gefahren<br />
schwerer Unfälle geschützt werden können.<br />
Deswegen wurden Regelungen zur „Überwachung<br />
der Ansiedlung“ vorgesehen.<br />
Die Mitgliedstaaten haben hiernach dafür zu<br />
sorgen, dass in ihren Politiken der Flächenausweisung<br />
oder der Flächennutzung und/<br />
oder anderen einschlägigen Politiken das<br />
Ziel, schwere Unfälle zu verhüten und ihre<br />
Folgen zu begrenzen, Berücksichtigung fi ndet.<br />
Hierfür sollen sie Methoden und Kriterien<br />
entwickeln, die langfristig dem Erfordernis<br />
Rechnung tragen, dass zwischen den unter<br />
die Richtlinie fallenden Betrieben einerseits<br />
und schützenswerten Gebieten andererseits<br />
ein angemessener Abstand gewahrt bleibt.<br />
Die Überwachung der Ansiedlung betrifft<br />
die Ansiedlung neuer Betriebe, die Änderungen<br />
bestehender Betriebe, und neue<br />
Luft und Lärm<br />
45
Luft und Lärm<br />
46<br />
Entwicklungen in der Nachbarschaft bestehender<br />
Betriebe wie beispielsweise, soweit<br />
wie möglich, Verkehrswege, Örtlichkeiten<br />
mit Publikumsverkehr, Wohngebiete, wenn<br />
diese Ansiedlungen oder Maßnahmen das<br />
Risiko eines schweren Unfalls vergrößern<br />
oder die Folgen eines solchen Unfalls verschlimmern<br />
können.<br />
Die Ansiedlung neuer Betriebe geht in der<br />
Regel einher mit der planungsrechtlich notwendigen<br />
Ausweisung von Industriefl ächen.<br />
Hierfür bedarf es der Aufstellung von Bauleitplänen,<br />
um die damit verbundene städtebauliche<br />
Entwicklung zu steuern.<br />
Als Empfehlungen für Abstände zwischen<br />
Betriebsbereichen nach der Störfall-Verordnung<br />
und schutzbedürftigen Gebieten im<br />
Rahmen der Bauleitplanung - Umsetzung<br />
§ 50 BImSchG - wurde bereits der Leitfaden<br />
SFK/TAA-GS-1 der SFK/TAA-Arbeitsgruppe<br />
“Überwachung der Ansiedlung“ am 18. Oktober<br />
<strong>2005</strong> von SFK und TAA verabschiedet.<br />
PROJEKT<br />
Zur Erleichterung der Flächenausweisung<br />
wurde empfohlen, Leitlinien zur Defi nition<br />
einer Datenbank aufzustellen, die der<br />
Beurteilung der Vereinbarkeit zwischen den<br />
unter die Richtlinie fallenden Betrieben und<br />
den genannten Gebieten dienen.<br />
NACHFOLGEGREMIUM<br />
Zusätzlich werden durch die Änderung des<br />
BImSchG die rechtlichen Voraussetzungen<br />
für eine Zusammenlegung der bisherigen<br />
Beratungsgremien Störfall-Kommission<br />
(SFK) und Technischer Ausschuss für Anlagensicherheit<br />
(TAA) zu einer Kommission für<br />
Anlagensicherheit (KAS) geschaffen. Die die<br />
neue Kommission betreffenden Vorschriften<br />
traten am 1. November <strong>2005</strong> in Kraft.<br />
Die Störfall-Kommission (SFK) war eine nach<br />
§ 51a Bundes-Immissionsschutzgesetz beim<br />
Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz<br />
und Reaktorsicherheit gebildete Kommission.<br />
Der Technische Ausschuss für Anlagensicherheit<br />
(TAA) war ein nach § 31a Bundes-<br />
Immissionsschutzgesetz beim Bundesministerium<br />
für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit<br />
gebildetes Gremium.<br />
Die Geschäftsstellen beider Gremien waren bei<br />
der GFI Umwelt (Gesellschaft für Infrastruktur<br />
und Umwelt mbH) in Bonn eingerichtet.<br />
Aufgabe der 1992 eingerichteten Störfall-<br />
Kommission war es, der Bundesregierung<br />
in regelmäßigen Zeitabständen sowie aus<br />
besonderem Anlass durch entsprechende<br />
Gutachten Möglichkeiten zur Verbesserung<br />
der Anlagensicherheit aufzuzeigen.<br />
Der 1992 eingerichtete Technische Ausschuss<br />
für Anlagensicherheit beriet die Bundesregierung<br />
oder das zuständige Bundesministerium<br />
in sicherheitstechnischen Fragen,<br />
die die Verhinderung von Störfällen und die<br />
Begrenzung ihrer Auswirkungen betrafen.<br />
Die Arbeitsergebnisse beider Gremien wurden<br />
hauptsächlich in Form von Berichten<br />
und Leitfäden veröffentlicht. Darüber hinaus<br />
schlug der TAA dem Stand der Sicherheitstechnik<br />
entsprechende Regeln vor. Damit<br />
diese Arbeitsergebnisse von Anlagenbetreibern,<br />
Behörden und interessierter Fachöf-
fentlichkeit genutzt werden konnten, waren<br />
sie über das Internet unter<br />
abrufbar.<br />
www.sfk-taa.de<br />
In der SFK waren zuletzt 25 Mitglieder unter<br />
anderem aus den Bereichen Wissenschaft,<br />
Industrie, Gewerkschaften, Umweltverbände<br />
und Behörden vertreten. Die ehemaligen 32<br />
Mitglieder des TAA vertraten vor allem die<br />
Bereiche Wissenschaft, Industrie, Umweltverbände<br />
und Behörden. SFK und TAA wurden<br />
alle drei Jahre neu konstituiert.<br />
Mit dem 1. November <strong>2005</strong> hat das Nachfolgegremium<br />
der Störfall-Kommission (SFK)<br />
und des Technischen Ausschusses für Anlagensicherheit<br />
(TAA), die „Kommission für<br />
Anlagensicherheit (KAS) beim Bundesministerium<br />
für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit“<br />
seine Arbeit aufgenommen.<br />
Die Kommission für Anlagensicherheit soll<br />
gutachtlich in regelmäßigen Zeitabständen<br />
sowie aus besonderem Anlass Möglichkeiten<br />
zur Verbesserung der Anlagensicherheit aufzeigen.<br />
Sie soll darüber hinaus dem Stand<br />
der Sicherheitstechnik entsprechende Regeln,<br />
hier sicherheitstechnische Regeln, unter<br />
Berücksichtigung der für andere Schutzziele<br />
vorhandenen Regeln vorschlagen.<br />
Die neue Internetpräsenz der KAS befi ndet<br />
sich zurzeit im Aufbau und soll in Kürze<br />
unter<br />
www.kas-bmu.de<br />
zu fi nden sein. Bis zur Fertigstellung der<br />
neuen Internetpräsenz sollen alle Veröffentlichungen<br />
und Meldungen aber noch auf den<br />
Seiten www.sfk-taa.de abrufbar sein.<br />
TERMIN<br />
Mit den Änderungen der Störfall-Verordnung<br />
und des BImSchG ist die Seveso-II-<br />
Änderungsrichtlinie rechtzeitig in deutsches<br />
Recht umgesetzt worden.<br />
Real oder virtuell?<br />
Überwachung einer<br />
industriellen Großanlage<br />
Udo Rebacz<br />
Eine Mineralöl-Raffi nerie, wie der Standort<br />
Gelsenkirchen Scholven, ist ein komplexes<br />
Gebilde und besteht aus den verschiedensten<br />
Prozessanlagen. Hinzu kommt<br />
eine Vielzahl der unterschiedlichsten Nebenanlagen,<br />
die der Weiterverarbeitung von<br />
Mineralölerzeugnissen, der Energieversorgung,<br />
Abfall- und Abwasserbehandlung und<br />
der Lagerung dienen.<br />
Gesteuert werden diese Anlagen über Prozessleitsysteme,<br />
die alle Anlagen- und<br />
Betriebszustände enthalten. Diese Prozessleitsysteme<br />
werden auf wenige Leitstände<br />
verteilt und von dort werden die Anlagen<br />
gefahren und kontrolliert.<br />
Für solch einen Industriekomplex liegen der<br />
Überwachungsbehörde viele Informationen<br />
vor, zum Beispiel Genehmigungen der einzelnen<br />
Anlagen als Ursprungs- und Änderungsgenehmigungen,<br />
die die Anlagenentwicklung<br />
und den Anlagenbestand darstellen.<br />
Luft und Lärm<br />
47<br />
Real oder virtuell?<br />
- Überwachung einer industriellen Großanlage
Luft und Lärm<br />
48<br />
Solche Anlagen haben jede Menge Berichtspfl<br />
ichten über Anlagenkontrollen, Mess- und<br />
Kalibrierberichte, wiederkehrende Sachverständigen-Prüfungen,<br />
Verantwortlichkeiten,<br />
Betriebsorganisation und Emis sionsdaten,<br />
die durch die Emissionsfernüberwachung<br />
(EFÜ) übermittelt werden. Hinzu kommen<br />
meldepfl ichtige Ereignisse und die Überwachungsprotokolle<br />
der Behörde.<br />
Für den Standort liegen allein 334 Anlagenbescheide<br />
mit den entsprechenden Unterlagen<br />
vor. Jährlich treffen mehr als 4.000 einzelne<br />
EFÜ-Meldungen ein, eine große Anzahl<br />
wiederkehrender Prüfberichte nach VAwS,<br />
die letzte Emissionserklärung mit hoher<br />
Datendichte umfasst 507 Seiten und das<br />
zugehörige Prüfprotokoll ist 118 Seiten stark.<br />
Was ist das Ziel?<br />
Eine schnelle Übersicht der Anlagen-Eckdaten,<br />
die sich aus Gesetzen, Genehmigungen,<br />
Anzeigen oder nachträglichen Anordnungen<br />
ergeben. Diese Daten sind mit den eingehenden<br />
Informationen abzugleichen. Damit<br />
kann festgestellt werden, ob die Anlagen<br />
genehmigungskonform betrieben und Termine<br />
für Prüfungen, Sanierungen, Messungen<br />
und Berichte eingehalten werden.<br />
Zwei Beispiele:<br />
Welche der 334 Genehmigungen betreffen<br />
die atmosphärische Destillation und gibt<br />
es zusätzlich Anzeigen? Stichwortartig dargestellt<br />
die folgenden Angaben: Umfang<br />
der Genehmigung einschließlich festgeschriebener<br />
Kapazitäten; welche Begrenzungen<br />
zur Luftreinhaltung, zur Lärmbegrenzung<br />
und/oder zum Gewässerschutz<br />
enthalten die Genehmigungen; gibt es<br />
Messpfl ichten; welche Verpfl ichtungen zu<br />
welchen Terminen nach Altanlagen-Sanierung<br />
gemäß der Technischen Anleitung<br />
(TA) Luft; sind gegebenenfalls Besonderheiten<br />
geregelt; welche Tanke müssen noch<br />
mit einem Doppelboden und Leckageerkennung<br />
ausgerüstet werden; wann ist die<br />
nächste Prüfung nach VAwS und wie viele<br />
dieser Tanke enthalten Benzol?<br />
Die Gesamtlagerkapazität der Tanke am<br />
Standort ist größer als > 1,2 Millionen<br />
Kubikmeter. Diese Daten sind in Genehmigungen,<br />
Emissionserklärungen, regelmäßig<br />
vorgelegten Prüfberichten, beantragten Prüffristverlängerungen,<br />
VAwS-Kataster oder<br />
öffentlich-rechtlichen Verträgen enthalten.<br />
Die beschriebenen Daten, Berichte, Prüfprotokolle<br />
und Bescheide sammeln und<br />
geschickt - von mir aus auch optimal - in<br />
Akten zusammenstellen, reicht nicht aus, so<br />
kann keine Übersicht geschaffen werden.<br />
Meine Lösung sind Datensätze in Excel-Tabellen,<br />
die nach Themen aufgebaut sind,<br />
und die darin enthaltenen Informationen<br />
sind mit weiteren Tabellen verlinkt. Elektronisch<br />
abgelegt werden diese Dateien in Verzeichnissen,<br />
die die Anlagen und Unteranlagen<br />
der Raffi nerie abbilden. Solche Excel-Tabellen<br />
sind nicht zu umfangreich und damit<br />
leicht zu handhaben.<br />
Ist eine solche Tabelle erstellt, ist der wirkliche<br />
Clou die vordefi nierte Excelfunktion<br />
„Autofi lter“, mit der können die Datensätze<br />
nach allen Inhalten, zahlenmäßig nach Größenordnung,<br />
nach Datum oder selbst defi -
niert ausgewertet werden. Eine der Haupttabellen<br />
enthält die gesamten Bescheide des<br />
Standortes mit der laufenden Durchnummerierung<br />
(Bescheidsammlung ist in den Akten<br />
so aufgebaut), Aktenzeichen, Bescheid-Datum,<br />
dann stichwortartig Tenor der Genehmigung<br />
mit Kapazitäten, betroffene und<br />
gegebenenfalls weitere betroffene Anlagen<br />
und stichwortartig, zu welchem Thema<br />
(Luft, Lärm, Wasser, Abfall und Störfall) der<br />
Bescheid Regelungen enthält.<br />
Will man das Ergebnis für das vorgenannte<br />
Beispiel 1 erhalten, wird mit einem Klick in<br />
der Spalte Anlagen nach den Anlagen 21<br />
oder 22 (die beiden Atmosphärischen Destillations-Anlagen<br />
A7 und A8) gefi ltert, schon<br />
sind nur die betroffenen Genehmigungen<br />
dargestellt. Sofort überblickt man Kapazitäten<br />
und in welcher Genehmigung Nebenbestimmungen<br />
zu bestimmten Themen stehen.<br />
Mit dem gesetzten Link kommt man<br />
sofort in das entsprechende Unterverzeichnis<br />
mit weitergehenden Informationen.<br />
Weitere Tabellen enthalten entsprechende<br />
Kurzinformationen über Anzeigen, EFÜ-Daten,<br />
Tankläger, Anlagensanierung, Einsatzstoffen<br />
und Emissionen der Anlagen, die aus<br />
den Emissionserklärungs-Daten ausgewertet<br />
wurden und Ähnliches.<br />
Die Tabellen werden in dem System gepfl egt<br />
und zum Abgleich der hereinkommenden<br />
Daten benutzt. Damit wird ein komplexer<br />
Standort übersichtlich und nachvollziehbar<br />
und man erhält sehr schnell ausreichend<br />
Informationen für 80 bis 90 % aller anfallenden<br />
Aufgaben. Müssen Informationen<br />
genauestens recherchiert werden, so hat<br />
man den Überblick, in welchen Bescheiden<br />
die Regelungen stehen und kann dort nachlesen.<br />
Hinter einer Meldung, zum Beispiel die innere<br />
Prüfung für den Rohöltank XYZ ist fristgerecht<br />
durchgeführt und das Prüfprotokoll<br />
liegt vor, kann sich ein Riesenaufwand verbergen.<br />
Die Information ist schnell in die entsprechende<br />
Tabelle eingetragen und damit<br />
auch bis zum nächsten Prüftermin abgehakt.<br />
Zu dem Projekt gehören das Entleeren und<br />
Reinigen des Rohöltankes; das erzeugt hohe<br />
Luftemissionen an Kohlenwasserstoffen,<br />
große Reinigungs- und Rückstandsmengen<br />
und dauert etliche Tage. Die Reinigung des<br />
Rohöltankes selbst ist schon ein Vorgang,<br />
bei dem die Überwachungsbehörde beteiligt<br />
wird. Dann kommen die eigentliche Prüfung<br />
und alle Instandsetzungs- und Wartungsarbeiten.<br />
Für den Zeitraum müssen Ersatzlagerkapazitäten<br />
geschaffen werden, um Produktionsausfälle<br />
zu vermeiden.<br />
Oder die EFÜ Meldung, das Elektrofi lter muss<br />
für Wartungs- und Reparaturarbeiten abgeschaltet<br />
werden, bedeutet: In dem Filter<br />
herrscht während des Betriebs eine Temperatur<br />
von über 400 °C. In dem Filterraum sind<br />
große Stahleinbauten und, bevor dort überhaupt<br />
Arbeiten durchgeführt werden können,<br />
muss der Filterraum 2 bis 3 Tage auskühlen.<br />
Allein durch Eintrag eines Termins oder<br />
einer Meldung in die entsprechende Tabelle,<br />
bekommt man keine Vorstellung von dem<br />
dahinter stehenden Aufwand oder den Sach-<br />
Luft und Lärm<br />
49
Luft und Lärm<br />
50<br />
zwängen. Letztlich müssen sehr viele Ereignisse<br />
virtuell (das heißt Informationen verdichten<br />
und auswertbar zusammenstellen)<br />
verwaltet werden, damit von komplexen<br />
Standorten Übersichten geschaffen werden.<br />
Aber nur, wenn man den dahinter ste-<br />
henden Aufwand einschätzen kann, werden<br />
Überwachungsaufgaben gut erfüllt.<br />
Diese Erfahrungen bekommt man nur im<br />
engen Dialog mit den Verantwortlichen und<br />
durch Vor-Ort-Informationen am konkreten<br />
Projekt, also reell vor Ort.
Umsetzung der<br />
Wasserrahmenrichtlinie<br />
– WRRL in Europa und<br />
Nordrhein-Westfalen<br />
Kunibert Horstmann<br />
Während der Tagung in der Landesvertretung<br />
NRW in Berlin im Januar <strong>2005</strong> war das<br />
Staatliche Umweltamt <strong>Herten</strong> sowohl aktiv<br />
zum Thema „Grenzkonfl ikte im Alltag?“ als<br />
auch mit einem betreuten Stand per Poster<br />
und PowerPoint-Präsentation der Ergebnisse<br />
aus den Arbeitsgebieten „Emscher“ und „Ijsselmeer-Zufl<br />
üsse NRW“ vertreten.<br />
Zum ersten Tagungsblock wurde zu „Handlungsnotwendigkeiten,<br />
Möglichkeiten und<br />
Perspektiven“, im Weiteren zu „Erfahrungen<br />
aus der Bestandsaufnahme zur wirtschaftlichen<br />
Analyse“, zu „Was lernen wir aus den<br />
bisherigen Erfahrungen?“ referiert.<br />
Wasser<br />
In den weiteren Tagungsblöcken beziehungsweise<br />
Referaten wurde zum „Monitoring<br />
– Planung und Umsetzung“, zu „Wechselwirkungen<br />
zwischen WRRL und laufenden<br />
Vorhaben, der Öffentlichkeitsbeteiligung und<br />
den Anforderungen an den weiteren Umsetzungsprozess“<br />
aus Sicht der Akteure vorgetragen<br />
und lebhaft diskutiert.<br />
Hierbei wurden sowohl internationale Ergebnisse<br />
und Erfahrungen mit der Bestandsaufnahme<br />
einiger EU-Mitgliedstaaten als auch<br />
nationale nordrhein-westfälisch geprägte<br />
Situationen der Bestandsaufnahme vorgestellt.<br />
Dieser fachliche und übergreifende<br />
Gedankenaustausch wurde dann in einem<br />
frühabendlichen „get together“ vertieft.<br />
Höhepunkt war ohne Zweifel der persönliche<br />
Besuch von Frau Ministerin Bärbel Höhn am<br />
Stand des Staatlichen Umweltamtes <strong>Herten</strong>.<br />
Alles in allem eine sehr gelungene Veranstaltung<br />
mit hohem Wiederholungswert.<br />
Wasser<br />
51<br />
Umsetzung der Wasserrahmen<br />
richtlinie - WRRL in Europa und Nordrhein-Westfalen
Trendbetrachtungen zum Nitrat-Stickstoff im Grundwasser des<br />
WRRL-Arbeitsgebietes der Ijsselmeer-Zufl üsse / NRW<br />
Wasser<br />
52<br />
Trendbetrachtungen<br />
zum Nitrat-Stickstoff im<br />
Grundwasser des WRRL-<br />
Arbeitsgebietes der Ijsselmeer-Zufl<br />
üsse/NRW<br />
Einführung<br />
Dietmar Wyrwich<br />
Aus der Bestandsaufnahme zur Umsetzung<br />
der EU-Wasserrahmenrichtlinie (WRRL) hat<br />
sich ergeben, dass die meisten Grundwasserkörper<br />
im Einzugsgebiet der Ijsselmeer-<br />
Zufl üsse in Nordrhein-Westfalen (NRW)<br />
durch diffuse Stickstoff-Einträge belastet sind<br />
(Stand 2003). Dies ist in den Grundwasserproben<br />
an einem erhöhten Nitrat-Stickstoffund<br />
Ammonium-Stickstoff-Gehalt erkennbar.<br />
Es wird vermutet, dass diese Einträge überwiegend<br />
aus der Landwirtschaft stammen.<br />
Das Umweltziel der Wasserrahmenrichtlinie,<br />
einen guten chemischen Zustand des<br />
Grundwassers zu erreichen, wird verfehlt,<br />
wenn der Nitrat-Gehalt den Grenzwert von<br />
50 mg/l überschreitet. Die Erreichung dieses<br />
Ziels ist gefährdet, wenn ein ansteigender<br />
Trend in der Schadstoff-Konzentration zu<br />
beobachten ist. Auf diese Tatsache nimmt<br />
daher die WRRL ebenfalls Bezug.<br />
Nach Artikel 4 der WRRL unter Buchstabe b)<br />
müssen die Mitgliedstaaten Maßnahmen<br />
durchführen, um die Einleitung von Schadstoffen<br />
in das Grundwasser zu verhindern<br />
oder zu begrenzen und eine Verschlechterung<br />
des Zustands aller Grundwasserkörper<br />
zu verhindern. Dies bedeutet, dass bei<br />
signifi kanten und anhaltenden Trends einer<br />
Steigerung der Konzentration von Schadstoffen<br />
durch menschliche Tätigkeiten eine<br />
Trendumkehr herbeizuführen ist, wie dies<br />
in Artikel 4 Buchtabe b) Unterpunkt iii) ausdrücklich<br />
gefordert wird. In diesem Zusammenhang<br />
ist eine nähere Betrachtung der<br />
Entwicklung der Nitrat-Konzentration beziehungsweise<br />
des Nitrat-Stickstoff-Gehaltes<br />
im Grundwasser interessant.<br />
In NRW werden bereits seit 1984 regelmäßig<br />
an repräsentativen Grundwasser-Messstellen<br />
Untersuchungen über die Beschaffenheit<br />
des Grundwassers durchgeführt.<br />
Unter anderen wird auch der Parameter Nitrat-Stickstoff<br />
gemessen. Die Umrechnung<br />
von Nitrat-Stickstoff auf Nitrat erfolgt durch<br />
Multiplikation mit dem Faktor 4,427.<br />
Die Messstellen verteilen sich gleichmäßig<br />
auf das gesamte Einzugsgebiet der Ijsselmeer-Zufl<br />
üsse in NRW. Sie wurden seinerzeit<br />
so ausgewählt, dass sie für ein geologisch<br />
einheitlich aufgebautes Gebiet (Grundwasserkörper)<br />
die Beschaffenheit des Grundwassers<br />
im obersten Grundwasserstockwerk<br />
repräsentieren. Dabei sollten eng begrenzte<br />
örtliche Belastungen nicht erfasst werden.<br />
Die Abbildung 1 zeigt die Verteilung dieser<br />
Messstellen. Das Grundwasser in den tieferen<br />
Bereichen des Grundwasserleiters oder<br />
in tieferen Stockwerken wird zum überwiegenden<br />
Teil durch Förderbrunnen der Wasserwerke<br />
erfasst. Auch die Beschaffenheit dieses<br />
Wassers wird regelmäßig überwacht. In diesem<br />
Beitrag soll aber nur das Grundwasser<br />
der oberen Grundwasserhorizonte betrachtet<br />
werden, da Schadstoffeinträge zunächst hier<br />
am deutlichsten sichtbar sind.
Abbildung 1: Grundwassergüte-Messstellen im Arbeitsgebiet Ijsselmeer-Zufl üsse in NRW<br />
Abbildung 2: Grundwasserkörper im Arbeitsgebiet Ijsselmeer-Zufl üsse in NRW<br />
Wasser<br />
53
Wasser<br />
54<br />
Nach Inkrafttreten der EU-Wasserrahmenrichtlinie<br />
wurde das Messnetz erweitert und<br />
auf die hierfür eigens defi nierten Grundwasserkörper<br />
angepasst.<br />
Da an den neu hinzugekommenen Messstellen<br />
bisher nur wenige Messungen vorliegen,<br />
wurden diese für eine Trendbetrachtung<br />
noch nicht herangezogen. Alle wasserwirtschaftlich<br />
bedeutenden Grundwasserkörper<br />
werden durch die langjährig beprobten<br />
Messstellen berücksichtigt.<br />
Messergebnisse<br />
Aus Abbildung 2 gehen die Grundwasserkörper<br />
hervor. Mit Hilfe der Abbildungen 1 und<br />
2 sowie der Bezeichnung der Messstellen an<br />
den Gangliniendiagrammen (Abbildung 3)<br />
ist eine Zuordnung möglich. Die Ganglinien<br />
zeigen den Stand der Nitrat-N-Konzentration<br />
im Grundwasser bis zum Jahre <strong>2005</strong>.<br />
Der Grundwasserkörper 928_1, Niederung<br />
des Rheins/Issel - Talsandebene, weist an<br />
den Messstellen sowohl fallende als auch<br />
steigende Tendenzen im Nitrat-Stickstoff auf.<br />
Das Verhältnis der Anzahl der Messstellen<br />
mit fallender und steigender Tendenz kann<br />
als ziemlich ausgeglichen angesehen werden.<br />
Von den drei Messstellen im Grundwasserkörper<br />
928_2 (Niederung des Rheins mit<br />
Bocholter Aa - Talsandebene) zeigt die Messstelle<br />
im nördlichen Gebiet einen deutlichen<br />
Anstieg des Nitrat-Stickstoff-Gehaltes auf.<br />
Im Grundwasserkörper 928_17 (Tertiär des<br />
westlichen Münsterlandes / Issel) ist vor 1995<br />
zunächst ein Anstieg, danach ein abnehmender<br />
Nitrat-Stickstoff-Gehalt zu beobachten.<br />
In den Halterner Sanden Nord (Grundwasserkörper<br />
928_18) weist eine der beiden Messstellen<br />
eine fallende Tendenz im Nitrat-Stickstoff-Gehalt<br />
auf. Dagegen ist im nordöstlichen<br />
Gebiet ab 1996 ein auffallend starker Anstieg<br />
bis zum Jahr 2004 zu verzeichnen, der<br />
danach nur ein wenig zurückging. Ob dies als<br />
Trendumkehr zu betrachten ist, bleibt abzuwarten.<br />
Auf jeden Fall müssen die Ursachen<br />
dieses Anstieges näher untersucht werden.<br />
Im Gebiet der Münsterländer Oberkreide/<br />
West (Grundwasserkörper 928_19) hält sich<br />
insgesamt gesehen ein ansteigender und fallender<br />
Trend im Nitrat-Stickstoff die Waage.<br />
Eine Messstelle im Randbereich zu den Halterner<br />
Sanden zeigt auch hier seit dem Jahr<br />
2000 erneut einen bedenklichen Anstieg.<br />
Bei den beiden Messstellen im Cenoman-<br />
Turon-Zug des westlichen Münsterlandes<br />
(Grundwasserkörper 928_13) kann, obwohl<br />
rechnerisch vorhanden, nicht von einem<br />
Anstieg im Nitrat-Stickstoff-Gehalt gesprochen<br />
werden, da sich in den letzten<br />
10 Jahren die Verhältnisse als konstant<br />
erwiesen haben. Ähnliches gilt für den<br />
Grundwasserkörper 928_12 (Unterkreide<br />
des westlichen Münsterlandes).<br />
Im Grundwasserkörper 928_04 (Niederungen<br />
im Einzugsgebiet der Issel/Berkel) ist<br />
nur eine langjährig beobachtete Messstelle<br />
vorhanden. Sie zeigt in den letzten 10 Jahren<br />
einen negativen bis konstanten Nitrat-<br />
Stickstoff-Gehalt im Grundwasser auf.<br />
Die Messstellen in der Niederung der Dinkel<br />
(Grundwasserkörper 928_06) weisen alle<br />
einen abnehmenden bis gleich bleibenden
Abbildung 3 Zeitliche Entwicklung des Nitrat-N-Gehaltes im Grundwasser<br />
Wasser<br />
55
Wasser<br />
56<br />
Trend im Nitrat-Stickstoff-Gehalt auf. Ähnlich<br />
ist die Situation in der Niederung der Vechte<br />
(Grundwasserkörper 928_07_1) zu bewerten.<br />
Im Gebiet des Ochtruper Sattels (Grundwasserkörper<br />
928_10) können die Verhältnisse<br />
eher verschiedenartig vorliegen,<br />
obwohl sich rein rechnerisch bei den Messstellen<br />
ein negativer Trend ergibt.<br />
Meist sind die Messreihen jedoch für eine<br />
gesicherte Aussage zu kurz. Lezteres gilt<br />
auch für den Grundwasserkörper (928_21)<br />
der Oberkreide der Baumberge/Schöppinger<br />
Berg/Osterwicker Hügelland. Die einzige<br />
langjährig beobachtete Messstelle erfasst<br />
dort als Quelle ein größeres Einzugsgebiet<br />
und ist somit für diesen gesamten Bereich<br />
repräsentativ. Hier zeigt sich über die letzten<br />
20 Jahre ein leichter, jedoch stetiger Anstieg<br />
im Nitrat-Stickstoff-Gehalt des Grundwassers.<br />
Fazit<br />
Die Betrachtung nur eines Parameters, wie<br />
hier des Nitrat-Stickstoffs, reicht bei weitem<br />
nicht aus, um eine Bewertung seines Verhaltens<br />
im Grundwasser des Arbeitsgebietes<br />
vorzunehmen. Hierzu müssten weitere korrespondierende<br />
Stoffe und Parameter, wie<br />
• Ammonium-Stickstoff,<br />
• Nitrit-Stickstoff,<br />
• Humin-Stoffe und andere organische<br />
Substanzen,<br />
• Sulfat,<br />
• Redoxpotenzial,<br />
• Eisen,<br />
• ...,<br />
dazu die Landnutzungsform und deren<br />
Wechsel untersucht werden, was im Rahmen<br />
dieses Beitrages nicht möglich ist. Auch die<br />
Messergebnisse weiterer Messstellen, wie die<br />
der Vorfeld-Messstellen und der Förderbrunnen,<br />
müssen noch ausgewertet werden.<br />
Der Nitrat-Stickstoff wurde gewählt, weil<br />
dieser zu den wesentlichen Belastungsstoffen<br />
über diffuse Einträge zählt und als Indikator<br />
für anthropogene Beeinfl ussung gilt<br />
und weil für ihn auch von der EU bereits<br />
jetzt ein Grenzwert festgesetzt ist.<br />
Zunächst muss sich über die Quellen dieser<br />
Einträge Klarheit verschafft werden, bevor<br />
Maßnahmen zur Ursachenbekämpfung formuliert<br />
werden können. Außerdem ist auch<br />
das Verhalten des Stickstoffs im tieferen<br />
Grundwasserleiter zu erkunden. Dazu verhelfen<br />
die zahlreichen Analysen der Rohwasserüberwachung.<br />
Die nach den dargestellten Ganglinien vielfach<br />
auch auftretenden fallenden Trends in<br />
der zeitlichen Entwicklung der Nitrat-Konzentration<br />
im Grundwasser können vielleicht<br />
auf eine Reduzierung des Stickstoff-Eintrags<br />
ins Grundwasser in Teilen des Gebietes hindeuten.<br />
Andererseits ist der hohe Anstieg<br />
des Nitrat-Stickstoffs im Grundwasser im<br />
Bereich der Halterner Sande oder in deren<br />
Grenzgebiet Besorgnis erregend.<br />
Hier besteht Handlungsbedarf. Untersuchungen<br />
und Folgemaßnahmen zum Schutz dieses<br />
wichtigen Trinkwasservorkommens sind<br />
daher alsbald einzuleiten.
Rohstoffgewinnung im<br />
WRRL-Arbeitsgebiet der<br />
Ijsselmeer-Zufl üsse/NRW<br />
und der Lippe<br />
Kunibert Horstmann und Dietmar Wyrwich<br />
Gebiet der Ijsselmeer-Zufl üsse/<br />
NRW<br />
Geologischer Überblick<br />
Das Einzugsgebiet der Ijsselmeer-Zufl üsse<br />
in Nordrhein-Westfalen (NRW) erstreckt<br />
sich, geologisch gesehen, vom Kernbereich<br />
des Münsterländer Kreide-Beckens über<br />
seinen nördlichen und westlichen Rand hinaus<br />
bis ins angrenzende Niedersächsische<br />
Tektogen im Norden und in den Bereich<br />
der Ostholländischen Trias-Platte im Nordwesten<br />
beziehungsweise ins Niederrheinische<br />
Tertiär-Becken im Westen. Durch diese<br />
Hauptstrukturen geprägt, treten im Einzugsgebiet<br />
verschiedene Gesteine zutage, die<br />
Abbildung 1: Lagerstätten der Steine und Erden im Einzugsgebiet der Ijsselmeer-Zufl üsse/NRW<br />
nicht nur als Speicher für die Wassergewinnung,<br />
sondern auch als Rohstoff-Lagerstätten<br />
für die Steine- und Erden-Industrie von<br />
Bedeutung sind. So wird das nordöstliche<br />
Gebiet überwiegend von karbonatischen<br />
Festgesteinen der Oberkreide aufgebaut, die<br />
sich nach Norden und Westen hin fortsetzen<br />
und dort von quartären Lockergesteinen,<br />
meist Sande und Lehme, bedeckt werden.<br />
Erst am Rande des Münsterländer Beckens<br />
treten diese karbonatischen Gesteine wieder<br />
an die Oberfl äche, zusammen mit den<br />
stärker tonig ausgebildeten Gesteinen der<br />
Unterkreide. Diese haben ebenfalls als Rohstoffquelle<br />
Bedeutung, die dann bis zur niederländischen<br />
Grenze mit dem Auftauchen<br />
älterer mesozoischer Gesteine wegen ihrer<br />
geringen Ausdehnung verloren geht. Im<br />
westlichen und südwestlichen Gebiet übernehmen<br />
Lockergesteine der Kreide, des Tertiärs<br />
und Quartärs die Rolle des Rohstofflieferanten<br />
(Abbildung 1).<br />
Wasser<br />
57<br />
Rohstoffgewinnung im WRRL-Arbeitsgebiet der Ijsselmeer-<br />
Zufl üsse/NRW und der Lippe
Wasser<br />
58<br />
Nutzbare Lagerstätten der Steine<br />
und Erden<br />
Sand, Kies<br />
Sande und Kiese sind fast überall im<br />
Arbeitsgebiet als glaziale, fl uviatile und<br />
äolische Ablagerungen verbreitet, wobei<br />
die größeren zusammenhängenden Vorkommen<br />
in Bereichen der Niederterrasse, insbesondere<br />
von Issel, Bocholter Aa, Dinkel<br />
und Vechte zu fi nden sind.<br />
Auch die glazialen Sande und Kiese des<br />
Münsterländer Kiessandzuges am Nordostrand<br />
des Einzugsgebietes waren ein begehrter<br />
Rohstoff vor allem als Betonkies<br />
und wurden bei Neuenkirchen und Haddorf<br />
abgebaut. Da dort auch Trinkwassergewinnung<br />
stattfi ndet, wurde zu Gunsten dieser<br />
der Abbau im Kiessandzug innerhalb von<br />
Nordrhein-Westfalen eingestellt.<br />
Die Bereiche der Niederterrasse bieten aber<br />
immer noch genügend Gewinnmöglichkeiten.<br />
Die Mächtigkeit dieser Sandkörper<br />
beträgt hier meist um 10 m, kann aber in<br />
Rinnen örtlich bis auf 40 m ansteigen. Das<br />
Material wird meist als Bausand und für die<br />
Kalksandstein-Herstellung gewonnen.<br />
Auch die unverfestigten sandigen bis grobkiesigen<br />
Lagen der Kuhfeld-Schichten<br />
(Unterkreide) bei Stadtlohn liefern gutes<br />
Material und werden abgebaut.<br />
Als quarzreich mit über 98 % SiO erwei-<br />
2<br />
sen sich insbesondere die Haltern-Sande<br />
(Oberkreide). Sie kommen im Raum östlich<br />
von Borken vor, wo ebenfalls ein Sandabbau<br />
stattfi ndet. Der hier gewonnene Sand fi ndet<br />
in der Bauindustrie Verwendung.<br />
Lehm, Schluff, Ton, Tonstein, Mergel<br />
Lehme und Schluffe fi nden ebenfalls im<br />
Arbeitsgebiet eine große Verbreitung. Sie<br />
liegen überwiegend als Grundmoräne in<br />
Form von Geschiebelehm in verschiedener<br />
Mächtigkeit und Zusammensetzung vor,<br />
häufi g in Abhängigkeit des Untergrundes.<br />
Im Raum um Coesfeld, wo karbonatische<br />
Festgesteine anstehen, weist der Geschiebemergel<br />
eine höhere Kalkkomponente auf.<br />
Er wird für die Ziegelherstellung verwendet.<br />
Ebenfalls Verwendung in der Ziegelindustrie<br />
und Baukeramik fi nden die zum Teil feinstsandigen<br />
schluffi gen Tone, tonigen Schluffe<br />
und feinsandigen Schluffe der Ratingen- und<br />
Lintfort-Schichten (Tertiär) im Raum Rhede.<br />
Auch im nordwestlichen Gebiet und bei<br />
Ochtrup wird Lehm, Ton und Tonstein abgebaut.<br />
Letztere stammen meist aus der<br />
Unterkreide (Barrême) und dienen der Herstellung<br />
von Ziegeln, Leichtbausteinen, Klinkern<br />
und Deponiedichtungen. Ausreichende<br />
Vorräte von Ton- und Tonmergelstein (Barrême,<br />
Apt) sind vorhanden.<br />
Kalkstein<br />
Von den karbonatischen Festgesteinen liefern<br />
die Schichtfolgen des Cenoman und<br />
Turon (Oberkreide) abbauwürdige Kalkstein-Vorkommen.<br />
Sie sind auf einen etwa<br />
S-förmig streichenden fl achen Höhenrücken<br />
am Bilker Berg im Nordosten des Einzugsgebietes<br />
beschränkt.<br />
Die Calcium-Karbonat-Gehalte der etwa 40<br />
bis 50 m mächtigen, dünn- bis mittelbankigen<br />
Kalksteine liegen bei zirka 90 bis 92 %.<br />
Die Kalksteine werden zur Kalksandstein-
herstellung sowie als Bau- und Düngekalk<br />
verwendet. Sie sind auch als Zementrohstoff<br />
geeignet. Ausreichende Vorräte am Bilker<br />
Berg sind vorhanden.<br />
Auch zwischen Ahaus und Stadtlohn bilden<br />
Kalk- und Mergelsteine einen fl achen<br />
Höhenrücken, an dem bei Wüllen und früher<br />
zwischen Stadtlohn und Südlohn ein<br />
Abbau stattgefunden hat. Es handelt sich<br />
hier überwiegend um eine rund 70 bis<br />
90 m mächtige Wechselfolge von Kalk- und<br />
Mergelsteinen des Unter- und Mittelturon<br />
(Wüllen-Formation) mit einem Kalkgehalt<br />
von zirka 80 bis 90 %.<br />
Der Abbau dieser auch für die Zementherstellung<br />
geeigneten Gesteine wurde mit<br />
Rücksicht auf die Trinkwassergewinnung<br />
eingestellt. Der Kalkstein-Zug setzt sich<br />
weiter nach Süden in einzelnen Schollen in<br />
den Raum von Öding bis Weseke fort, wobei<br />
eine Nutzung jedoch wegen der Bebauung<br />
hier wohl kaum infrage kommt.<br />
Die Mergelkalksteine der Baumberge werden<br />
nicht mehr gewonnen und dienten früher<br />
zum Kalkbrennen. Bei der zur Baumberge-<br />
Formation gehörenden Hauptwerksteinbank,<br />
fälschlich als „Baumberge-Sandstein“<br />
bezeichnet, handelt es sich um einen sandigen<br />
Kalkstein mit 50 bis 70 % Calcium-<br />
Carbonat und einer Mächtigkeit zwischen 2<br />
und 5 m. Er gliedert sich in mehrere Lagen,<br />
die sich für Steinmetzarbeiten und Reliefbildwerke<br />
verarbeiten lassen. Das Gestein<br />
wurde früher vor allem zum Kirchenbau<br />
verwendet. Ein Abbau für Steinmetzarbeiten<br />
erfolgt noch in zwei Betrieben, jedoch etwas<br />
außerhalb des Arbeitsgebietes<br />
Sandstein<br />
Sandsteine, wie der außerhalb des Einzugsgebietes<br />
gewonnene Bentheim-Sandstein,<br />
haben hier wegen ihrer geringen Ausdehnung<br />
als nutzbare Lagerstätten keine Bedeutung.<br />
Auch der Gildehaus- und Rothenberg-Sandstein<br />
der Unterkreide sind aufgrund ihrer geringen<br />
Festigkeit als Werkstein bedeutungslos.<br />
Torf<br />
Torfabbau wurde im Amtsvenn, Ammeloer<br />
Venn und Zwillbrocker Venn betrieben. Der<br />
Torf diente als Brennmaterial, Dünger und zur<br />
Bodenverbesserung. Heute sind diese Gebiete<br />
fast vollständig abgetorft beziehungsweise<br />
die Hochmoor-Restbestände geschützt.<br />
Abbau der Lagerstätten im<br />
Arbeitsgebiet<br />
Die Abbildung 2 zeigt die zurzeit betriebenen<br />
und die geplanten Abbaustellen der Steineund<br />
Erden-Industrie im Arbeitsgebiet, unterteilt<br />
nach gewonnenem Rohstoff und der Art<br />
der Gewinnung (Trocken- oder Nassabgrabung).<br />
Außerdem sind auch die schon beendeten<br />
Abgrabungen mit aufgeführt, wobei<br />
ihre Darstellung jedoch unvollständig ist.<br />
Aus der Tabelle 1 gehen die Anzahl und die<br />
Gesamtfl ächengröße dieser Abbaustandorte<br />
hervor. Demnach nehmen gegenwärtig die<br />
aktiven Abgrabungsstandorte eine Gesamtfl<br />
äche von zirka 386 ha beziehungsweise<br />
3,86 km² ein. Dies macht etwa 0,2 % der<br />
Gesamtfl äche des Einzugsgebietes der Ijsselmeer-Zufl<br />
üsse/NRW aus.<br />
Zählt man die geplanten und die bisher<br />
erfassten, abgeschlossenen Abgrabungen<br />
hinzu, so ergibt sich eine durch die Rohstoffgewinnung<br />
beanspruchte Fläche von 972 ha<br />
Wasser<br />
59
Wasser<br />
60<br />
Abbildung 2: Abbaustellen der Steine- und Erden-Industrie im Einzugsgebiet der Ijsselmeer-Zufl üsse/NRW<br />
Anzahl Gewinnung von Art der Gewinnung Stand Flächengröße [ha]<br />
5 Sand, Kies trocken betrieben 25,7<br />
20 Sand, Kies nass betrieben 273,0<br />
1 Sand, Kies trocken geplant 6,6<br />
12 Sand, Kies nass geplant 155,4<br />
9 Sand, Kies trocken beendet 43,7<br />
16 Sand, Kies nass beendet 250,1<br />
11 Lehm, Ton trocken betrieben 61,2<br />
4 Lehm, Ton nass betrieben 17,0<br />
2 Lehm, Ton trocken geplant 3,6<br />
17 Lehm, Ton trocken beendet 89,2<br />
5 Lehm, Ton nass beendet 25,4<br />
1 Kalkstein trocken betrieben 8,8<br />
2 Kalkstein trocken beendet 12,2<br />
1 unbekannt unbekannt beendet 0,4<br />
Tabelle 1: Zusammenfassende Übersicht über die Abbaustandorte
eziehungsweise 9,72 km² oder 0,45 % des<br />
Arbeitsgebietes. Es ist jedoch davon auszugehen,<br />
dass noch über 100 weitere ehemalige<br />
Abgrabungsstandorte existieren. Daher<br />
dürften die Abgrabungsfl ächen insgesamt<br />
einen Anteil von knapp 1 % ausmachen.<br />
Konkurrierende Nutzung zwischen der<br />
Steine- und Erden-Industrie und der<br />
Trinkwassergewinnung im Einzugsgebiet<br />
der Ijsselmeer-Zufl üsse/NRW<br />
Die gesuchten Rohstoffe stellen auch zugleich<br />
gute Grundwasserleiter dar, wie die<br />
Sande und Kiese oder die Kalkstein-Vorkommen.<br />
Aus ihnen werden große Mengen<br />
an Trink- und Brauchwasser für die öffentliche<br />
Wasserversorgung gewonnen. Dieses<br />
Grundwasser bildet ein wichtiges Lebensmittel,<br />
das besonders geschützt werden muss.<br />
Durch Trockenabgrabungen werden die schützenden<br />
Deckschichten in ihrer Mächtigkeit<br />
gemindert, so dass Verunreinigungen leichter<br />
bis zum Grundwasser vordringen können. Bei<br />
Nassabgrabungen wird der Grundwasserspiegel<br />
freigelegt und sein Schutz ist dann nicht<br />
mehr gewährleistet. Außerdem eutrophiert<br />
jeder Baggersee im Laufe der Zeit, was einen<br />
negativen Einfl uss auf die Qualität des Grundwassers<br />
haben kann.<br />
Daher können die potenziell vorhandenen<br />
Lagerstätten nicht uneingeschränkt genutzt<br />
werden, sondern es bedarf einer sorgfältigen<br />
Abwägung, ob und wo der Trinkwasseroder<br />
der Rohstoffgewinnung der Vorrang<br />
eingeräumt werden muss.<br />
Beispiele im Arbeitsgebiet sind der Münsterländer<br />
Kiessandzug oder der Ahauser<br />
Cenoman-Turon-Zug, wo die Gewinnung von<br />
Trinkwasser die höhere Priorität besitzt.<br />
Die Abbildung 3, in der neben den Lagerstätten<br />
der Steine und Erden auch die Trinkwasserschutzgebiete<br />
beziehungsweise die<br />
Grundwasser-Einzugsgebiete zu den Brunnengalerien<br />
der öffentlichen Wasserversorgung<br />
dargestellt sind, gibt eine Vorstellung<br />
von der Verteilung dieser beiden in Konkurrenz<br />
stehenden Nutzungen (siehe dazu<br />
auch letztes Kapitel).<br />
Lippe-Teilgebiet<br />
Geologischer Überblick<br />
Das Lippe-Gebiet innerhalb des Dienstbezirkes<br />
des Staatlichen Umweltamtes<br />
(<strong>StUA</strong>) <strong>Herten</strong> befi ndet sich im südwestlichen<br />
Teil des Münsterländer Kreide-<br />
Beckens und grenzt im Westen an das Niederrheinische<br />
Tertiär-Becken.<br />
Der größte Teil des Gebietes wird von den<br />
Haltern-Sanden des Santon und Untercampan<br />
aufgebaut, die im Westen schollenartig<br />
im Bereich der Dorstener und Wulfener<br />
Kreide-Mulde von den Bottrop-Mergeln<br />
überlagert werden. Im Süden tritt die unter<br />
der Haltern-Formation liegende Recklinghausen-Formation<br />
in einer stärker sandigmergeligen<br />
Ausbildung zu Tage.<br />
Die Schichten der Oberkreide werden im<br />
äußersten Westen von tertiären Schichten<br />
überlagert, im größten Teil des Gebietes<br />
jedoch von quartären Ablagerungen, überwiegend<br />
von Grundmoräne und Fluss-Terrassen<br />
sowie äolischen Bildungen (Abbildung 4).<br />
Wasser<br />
61
Wasser<br />
62<br />
Abbildung 3: Konkurrierende Nutzung zwischen Rohstoff- und Grundwassergewinnung im Einzugsgebiet<br />
der Ijsselmeer-Zufl üsse/NRW<br />
Abbildung 4: Lagerstätten der Steine und Erden im Lippe-Teileinzugsgebiet
Nutzbare Lagerstätten der Steine<br />
und Erden<br />
Sand, Kies<br />
Im zuvor näher beschriebenen Teilarbeitsgebiet<br />
Lippe haben vor allem die Sand-<br />
Lagerstätten eine große Bedeutung, die im<br />
Wesentlichen von der Haltern-Formation im<br />
Raum längs der Linie Reken – Haltern –<br />
Datteln und bei Dorsten gestellt werden.<br />
Diese Haltern-Sande weisen eine wechselnde<br />
Körnung und Zusammensetzung auf<br />
und enthalten örtlich unterschiedliche Einlagerungen<br />
von mergeligem Sand, Kalksandsteinbänken<br />
und Verkieselungen.<br />
Im Gebiet um Haltern, Flaesheim, Sythen<br />
und Maria Veen sind die Sande meist feinbis<br />
mittelkörnig und sehr rein mit einem<br />
Quarzgehalt von 99,6 bis 99,8 % und weisen<br />
eine Mächtigkeit von 60 bis 70 m auf.<br />
Sie werden dort für die Glas-, keramische,<br />
Eisen-, Stahl- und chemische Industrie<br />
abgebaut. Die schluffi gen Sandlagen wurden<br />
als Formsande verwendet.<br />
Bei Marl-Sinsen und Kirchhellen wurden<br />
größere Formsand-Vorkommen abgebaut.<br />
Bei ihnen handelte es sich um fast völlig<br />
entkalkte Mergelsande der Recklinghausen-<br />
Formation mit einem hohen Eisenoxid- und<br />
Schluff-Gehalt, der die für Gießereizwecke<br />
erforderliche Bindigkeit verleiht.<br />
Gegenwärtig wird in der Gießerei-Industrie<br />
nur aufbereiteter Haltern-Quarzsand verwendet.<br />
Die weniger reinen Haltern-Sande<br />
eignen sich als Bausand und zur Herstellung<br />
von Kalksandsteinen.<br />
Zu diesem Zweck werden auch in der nordöstlichen<br />
Kirchheller Heide tertiäre Fein- bis<br />
Mittelsande der Walsum-Schichten abgebaut,<br />
die dort zum Teil unter geringmächtigen<br />
Hauptterrassen-Kiesen und Dünensande<br />
lagern. Zu erwähnen sind noch die grobsandigen<br />
bis feinkiesigen Lagen aus dem obersten<br />
Teil der Haltern-Sande, die bei Haltern-<br />
Hammbossendorf wegen ihres gleichmäßigen<br />
Korns, auch „Pfl asterkiese von Hamm“<br />
genannt, als Bausand und Straßenbaumaterial<br />
gewonnen wurden.<br />
Am Westrand des Gebietes liefert die Jüngere<br />
Rhein-Hauptterrasse 1 bis 8 m, in Rinnen<br />
auch bis zu 15 m mächtige Kiese und kiesige<br />
Sande, die in der Kirchheller und Schwarzen<br />
Heide sowie bei Dorsten um das Forsthaus<br />
Freudenberg abgebaut werden. Sie fi nden<br />
als Baustoff, Reitsand und zur hochwertigen<br />
Weiterverarbeitung Verwendung.<br />
Kiesige Sande fi nden sich ferner in Schmelzwasserablagerungen<br />
zwischen Sinsen und<br />
Oer-Erkenschwick und bei Marl und Dorsten.<br />
Niederterrassen- und Flugsande werden zum<br />
Beispiel bei Flaesheim für die Herstellung von<br />
Kalksandsteinen gewonnen. Dabei erweist<br />
sich der geringe Schluff-Gehalt als günstig.<br />
Lehm, Schluff, Ton, Tonstein, Mergel<br />
Verbreitet ist auch die Grundmoräne, die<br />
weitgehend zu Geschiebelehm entkalkt<br />
ist. Er tritt in unterschiedlicher Mächtigkeit<br />
besonders zwischen Groß Reken und Wulfen,<br />
südlich Dorsten und im Südosten auf.<br />
Ein Abbau erfolgte in Waltrop.<br />
Die bei Schermbeck abgebauten tertiären<br />
Tone der Ratingen- und Lintfort-Schichten<br />
Wasser<br />
63
Wasser<br />
64<br />
Abbildung 5: Abbaustellen der Steine- und Erden-Industrie im Lippe-Teileinzugsgebiet<br />
Anzahl Gewinnung von Art d. Gewinnung Stand Flächengröße [ha]<br />
14 Sand, Kies trocken betrieben 219,8<br />
17 Sand, Kies nass betrieben 1756,0<br />
3 Sand, Kies trocken geplant 124,5<br />
32 Sand, Kies trocken beendet 241,5<br />
1 Sand, Kies nass beendet 128,4<br />
1 Lehm, Ton trocken betrieben 9,7<br />
Tabelle 2: Zusammenfassende Übersicht über die Abbaustandorte<br />
Abbildung 6: Konkurrierende Nutzung zwischen Rohstoff- und Grundwassergewinnung im Lippe-Teileinzugsgebiet
haben hier keine weitere Bedeutung, da<br />
sie dieses Gebiet am Westrand nur so eben<br />
berühren. Die Recklinghausen-Sandmergel<br />
und Mergel der Bottrop-Formation wurden<br />
gelegentlich zu Düngezwecken und zur<br />
Bodenverbesserung abgegraben.<br />
Abbau der Lagerstätten im<br />
Arbeitsgebiet<br />
Die Abbildung 5 zeigt die betriebenen,<br />
geplanten und beendeten Abgrabungen, differenziert<br />
nach Rohstoff und Art des Abbaus.<br />
Für die Sand- und Lehm-Gewinnung werden<br />
zurzeit Flächen in einer Größe von insgesamt<br />
1986 ha in Anspruch genommen, wenn der<br />
Halterner Stausee mit einbezogen wird.<br />
Dies macht bei dem 753,1 km² großen Teilarbeitsgebiet<br />
2,6 % aus. Werden noch die<br />
geplanten und die abgeschlossenen Abgrabungen<br />
hinzugezählt, so ergibt sich eine<br />
Gesamtfl äche von rund 2480 ha und 3,3 %.<br />
Damit ist das Gebiet relativ gut durch die<br />
oberfl ächennahe Rohstoffgewinnung genutzt.<br />
Konkurrierende Nutzung<br />
zwischen der Steine- und<br />
Erden-Industrie und der<br />
Trinkwasserversorgung im<br />
Teilgebiet Lippe<br />
Die Haltern-Sande, die zu einem großen Teil<br />
das Arbeitsgebiet aufbauen, sind ein außerordentlich<br />
bedeutender Grundwasserleiter<br />
für die regionale und überregionale Trinkwasserversorgung.<br />
Daher muss der Lagerstättenabbau<br />
auch hier gewissen Einschränkungen<br />
unterliegen, die durch die Wasserschutzgebiete<br />
vorgegeben werden.<br />
Diesbezügliche Regelungen wurden in neuerer<br />
Zeit im Raum Dorsten und nördlich<br />
Kirchhellen im Grundwasserzustrom eines<br />
großen Wasserwerkes getroffen (siehe<br />
auch letztes Kapitel).<br />
Die Abbildung 6 zeigt die Grundwasserregenerations-<br />
beziehungsweise Grundwassereinzugsgebiete<br />
oder Schutzgebiete der<br />
Brunnengalerien der öffentlichen Trinkwassergewinnung<br />
im Bearbeitungsraum.<br />
Rohstoffgewinnung, Abgrabungen<br />
und Bewirtschaftung des<br />
Grundwassers<br />
Voraussetzung für die Sicherstellung der<br />
öffentlichen Wasserversorgung und gewerblichen<br />
Brauchwasserversorgung ist die Verfügbarkeit<br />
von nutzbaren Wasservorkommen<br />
für den Trinkwasser- und Brauchwasserbedarf.<br />
Für eine Abschätzung des gewinnbaren<br />
Grundwasserdargebotes wurde auf Landesebene<br />
für Nordrhein-Westfalen auf Basis der<br />
Ergebnisberichte zur Europäischen Wasserrahmenrichtlinie<br />
(EU-WRRL) in einem ersten<br />
Schritt die Ergiebigkeit der sogenannten<br />
Grundwasserkörper herangezogen (gemäß<br />
WRRL ist ein Grundwasserkörper ein abgegrenztes<br />
Grundwasservolumen innerhalb<br />
eines oder mehrerer Grundwasserleiter).<br />
Im Dienstbezirk des <strong>StUA</strong> <strong>Herten</strong> sind<br />
dies die Wasservorkommen des Arbeitsgebietes<br />
Ijsselmeer-Zufl üsse/NRW und die<br />
des Arbeitsgebietes Lippe.<br />
Von besonderer Bedeutung sind unter anderem<br />
die als äußerst ergiebig charakterisier-<br />
Wasser<br />
65
Wasser<br />
66<br />
ten Haltern-Sande und die Niederung des<br />
Rheins, ebenso die als ergiebig bis sehr<br />
ergiebig im Dienstbezirk des <strong>StUA</strong> <strong>Herten</strong><br />
anzutreffende Niederung der Rhein/Issel-<br />
Talsandebene, der Bocholter Aa-Talsandebene,<br />
die Niederung der Bocholter Aa,<br />
der Dinkel und der Cenoman-Turon-Zug<br />
im westlichen Münsterland.<br />
Das gewinnbare Grundwasserdargebot<br />
beträgt hier im Dienstbezirk des <strong>StUA</strong> <strong>Herten</strong><br />
rund 180 Millionen m³/a. Das sind rund<br />
47 % des gesamten gewinnbaren Grundwassers<br />
im Regierungsbezirk Münster.<br />
Wie auch im Ergebnisbericht zur Bestandsaufnahme<br />
ausgeführt, bestehen insgesamt<br />
keine mengenmäßigen Probleme. In der<br />
Niederung der Lippe bei Dorsten werden vor<br />
allem Einfl üsse aus Sümpfung und Polderung<br />
als Folgen der untertägigen Gewinnung<br />
von energetischem Rohstoff beziehungsweise<br />
Steinkohle deutlich.<br />
Aus den Erläuterungen zum chemischen<br />
Zustand ergibt sich, dass vor allem diffuse<br />
Belastungen in oberfl ächennahen Grundwasserleitern<br />
die Grundwassergüte beziehungsweise<br />
den Chemismus belasten.<br />
Die Sicherung des gewinnbaren Grundwassers<br />
ist demzufolge weniger aus mengenmäßigen<br />
als aus Qualitätsgründen besonders<br />
geboten, dies insbesondere in den<br />
Bereichen, wo der Abbau von Kies und Sand<br />
nach dem Abgrabungsgesetz NRW in Verbindung<br />
mit dem Wasserhaushaltsgesetz<br />
(Trocken-, Nassabgrabungen) sowie von<br />
energetischen und nicht energetischen Roh-<br />
stoffen (zum Beispiel Steinkohle, Quarzsandabbau)<br />
nach Bundesberggesetz stattfi<br />
ndet oder demnächst zugelassen werden<br />
soll. In der Regel sind diese Bereiche des<br />
nicht energetischen Rohstoffabbaus zugleich<br />
die, welche als äußerst ergiebig bis ergiebig<br />
gekennzeichnet worden sind.<br />
Hier werden Grundwasserlandschaften nachhaltig<br />
verändert und nehmen unter anderem<br />
Einfl uss auf die Grundwasserqualität,<br />
insbesondere dann, wenn durch Freilegen<br />
des Grundwassers und durch Wegnahme der<br />
schützenden Deckschichten die Filterwirkung<br />
gegen Schadstoffe aus unterschiedlichen<br />
Belastungspfaden deutlich gemindert worden<br />
ist. Schadstoffe können dann schneller<br />
das Grundwasser erreichen und in Wassergewinnungsanlagen<br />
eindringen.<br />
Die hier zum Tragen kommenden unterschiedlichen<br />
Nutzungsansprüche an die<br />
wasserwirtschaftlich mit hoher Bedeutung<br />
charakterisierten Grundwasserkörper müssen<br />
einerseits aus dem Besorgnisgrundsatz<br />
heraus vorsorglich geschützt werden. Dies<br />
geschieht in der Regel durch die Ausweisung<br />
von Wasserschutzgebieten.<br />
So sind im Bereich einer Schutzzone III A<br />
in der Regel Nassabgrabungen verboten<br />
(siehe auch Urteil des Oberverwaltungsgerichts<br />
Münster vom 01. Oktober 2001–<br />
20a1945/99). Andererseits sollte zukünftig<br />
eine erweiterte wasserwirtschaftlich<br />
und hydrogeologisch fundierte Betrachtung<br />
der Auswirkungen sowohl auf den Grundwasserober-<br />
als auch auf den Grundwasserunterstrom<br />
erfolgen.
Verfügbare Techniken, wie Grundwasserströmungsmodelle<br />
et cetera sind vorhanden<br />
und könnten mit Hilfe (in)stationärer numerischer<br />
(Mehrschicht-) Grundwassermodelle<br />
das Fließverhalten und damit verbundene<br />
Schadstoffausbreitungen im Grundwasser errechnen<br />
beziehungsweise Wirkungen analysieren.<br />
Die dazugehörige Datenbasis und die<br />
Datenqualität bedürfen deshalb einer ständigen<br />
Aktualisierung und Plausibilisierung.<br />
Eine wesentliche Voraussetzung böte die<br />
integrierte geowissenschaftliche Landesaufnahme,<br />
welche für das Verbreitungsgebiet<br />
der Haltern-Sande aus wasserwirtschaftlicher<br />
Sicht höchste Priorität haben sollte,<br />
ebenso die Landesrohstoffkarte des Geologischen<br />
Dienstes NRW, welche zurzeit aktualisiert<br />
wird. Die Ausweisung wasserwirtschaftlicher<br />
Vorranggebiete unter Beachtung<br />
Literaturquellen<br />
der Ziele der Raumordnung und Landesplanung<br />
(siehe § 2 des Landeswassergesetzes<br />
für das Land Nordrhein-Westfalen (LWG)<br />
„Aufgabe der Wasserwirtschaft, Bewirtschaftungsgrundsätze<br />
und –ziele“) würde die<br />
unterschiedlichen Nutzungsansprüche deutlicher<br />
herausstellen und abgrenzen. Denn<br />
der Schutz des Grundwassers ist auch bei<br />
der Gewinnung von volkswirtschaftlich wichtigen<br />
Rohstoffen erforderlich.<br />
Eine zusammenfassende Darstellung, insbesondere<br />
für den Bereich der öffentlichen<br />
Wasserversorgung mit Angaben der derzeitig<br />
genutzten und zukünftig für eine solche<br />
Nutzung in Betracht kommenden Wasservorkommen,<br />
einschließlich der zu diesem<br />
Zweck zu schützenden Gebiete (§ 2 Absatz<br />
7 LWG) wäre wasserwirtschaftlich vorrangig<br />
und regional zu vertiefen.<br />
[ 1 ] Arnold, H. (1960):<br />
Lagerstätten (außer Steinkohle).- In: Erläuterungen zu Blatt Münster C 4310: Seite 69-70;<br />
Geologische Übersichtskarte von Nordrhein-Westfalen.-<br />
Krefeld.<br />
[ 2 ] Braun, F. J. (1968):<br />
Nutzbare Lagerstätten.- In: Erläuterungen zu Blatt C 4302 Bocholt: Seite 91-92;<br />
Geologische Übersichtskarte von Nordrhein-Westfalen.-<br />
Krefeld.<br />
[ 3 ] Braun, F. J., & Vogler, H. (1987):<br />
Steine und Erden.- In: Erläuterungen zu Blatt C 4306 Recklinghausen: Seite 29-32;<br />
Geologische Karte von Nordrhein-Westfalen 1:100000.-<br />
Krefeld.<br />
[ 4 ] Meyer, B. (1993):<br />
Steine und Erden.- In: Erläuterungen zu Blatt C 3906 Gronau (Westfalen): Seite 30-32;<br />
Geologische Karte von Nordrhein-Westfalen 1:100000.-<br />
Krefeld.<br />
[ 5 ] MUNLV NRW (2004):<br />
Struktur der Wasserversorgung in NRW im deutschen und europäischen Vergleich.-<br />
170 Seiten, 56 Abbildungen, 23 Tabellen, 14 Karten –<br />
Düsseldorf.<br />
[ 6 ] Pieper, B. (1973):<br />
Erläuterungen zur Karte „Lagerstätten I – Steine und Erden“.- Deutscher Planungsatlas,<br />
Band I, Nordrhein-Westfalen, Lieferung 5.-<br />
Hannover.<br />
Wasser<br />
67
Der Hochwasseraktionsplan Emscher - Startpunkt für eine<br />
Verbesserung des Hochwasserschutzes<br />
Wasser<br />
68<br />
Der Hochwasseraktionsplan<br />
Emscher – Startpunkt für<br />
eine Verbesserung des<br />
Hochwasserschutzes<br />
Klaus Gütling<br />
Veranlassung und Zielsetzung<br />
Nach den Hochwasserereignissen der 90er<br />
Jahre an den großen Flüssen Rhein und<br />
Mosel hatte die 12. Rhein-Minister-Konferenz<br />
1998 in Rotterdam den „Aktionsplan<br />
Hochwasser“ für den Rhein beschlossen.<br />
Auf der Grundlage einer Empfehlung der<br />
53. Umweltministerkonferenz sollte dieses<br />
Vorhaben konsequent auch auf andere<br />
Gewässer ausgedehnt werden. Die daraufhin<br />
erstellten Hochwasser-Aktionspläne verfolgen<br />
dabei das Ziel, die Hochwasserstände<br />
und Schadensrisiken zu reduzieren sowie<br />
das Hochwassermeldesystem und das Hochwasserbewusstsein<br />
zu stärken.<br />
Für die Emscher wurde im Auftrag des<br />
MUNLV ein Hochwasseraktionsplan (HWAP)<br />
unter Federführung der Emschergenossenschaft<br />
mit Beteiligung der zuständigen Bezirksregierungen<br />
und Staatlichen Umweltämter<br />
aufgestellt und Anfang <strong>2005</strong> der<br />
Öffentlichkeit vorgestellt.<br />
Die Besonderheiten<br />
der Emscher machten<br />
dabei einige Abweichungen<br />
von der üblichen<br />
Vorgehensweise<br />
erforderlich. Durch<br />
den Bergbau und die<br />
mit ihm verbundenen Bergsenkungen von<br />
bis zu 20 m bildeten sich zum Ende des<br />
19. Jahrhunderts Bereiche, die schlecht<br />
oder gar nicht entwässert wurden, wie auf<br />
dem zeitgenössischen Foto der Emscheraue<br />
unschwer zu erkennen ist. Bei Hochwasser<br />
wurden diese Flächen regelmäßig überfl utet.<br />
Zur Lösung dieses Problems wurde die<br />
Emscher und ihre Nebenläufe kanalisiert.<br />
Zusätzlich wurde die Emscher verlegt und<br />
eingedeicht. Die Deiche dienen in erster<br />
Linie dem Schutz der tief liegenden Senkungsbereiche<br />
(Polder), die mit Hilfe von<br />
Pumpwerken künstlich entwässert werden<br />
müssen. Vierzig Prozent der Flächen<br />
im Emschereinzugsgebiet sind Poldergebiete.<br />
Ohne die Polderpumpwerke wäre das<br />
Emschergebiet eine Seenlandschaft (Die<br />
Abbildung auf Seite 63 zeigt die Polderbereiche<br />
als schraffi erte Flächen).<br />
Hochwasserschutz an der<br />
Emscher<br />
Das Sicherheitsniveau des Hochwasserschutzes<br />
wird ausgedrückt durch die Wahrscheinlichkeit,<br />
von einer Überfl utung betroffen<br />
zu werden. Schützt beispielsweise ein<br />
Deich vor einem hundertjährlichen Hochwasser<br />
(HW100), so wird dieser statistisch<br />
gesehen einmal in hundert Jahren überfl utet.<br />
Im derzeitigen Zustand schützen die<br />
Deiche vor einem 200-jährlichen Hochwas-
ser im Unterlauf zwischen <strong>Herten</strong> und Dinslaken.<br />
Im Mittellauf zwischen Dortmund und<br />
<strong>Herten</strong> wird ein Schutz vor 50- bis 100-jährlichem<br />
Hochwasser erreicht. Im Oberlauf auf<br />
Dortmunder Gebiet reicht der Schutz hingegen<br />
nur für ein 20-jährliches Hochwasser.<br />
Dabei ist zu beachten, dass der Hochwasserschutz<br />
für einen Abfl uss mit 50 cm<br />
Freibord bemessen ist. Tatsächlich werden<br />
die Deiche also erst bei 50 cm höheren<br />
Wasserständen überströmt. Die angegebenen<br />
Hochwasserabfl üsse verursachen also<br />
noch keine Überfl utungen.<br />
Wie in der Abbildung zu sehen ist (dunkelblaue<br />
Bereiche), führt derzeit ein hundertjährliches<br />
Hochwasser nur zu relevanten<br />
Überfl utungen in Dortmund (123,2 ha überfl<br />
utete Fläche) und zu vernachlässigbaren<br />
Überfl utungsbereichen in Castrop-Rauxel<br />
(1,5 ha) und in Recklinghausen (1,3 ha).<br />
Die damit verbundenen Schäden werden<br />
sich auf etwa 14 Millionen Euro auf Dortmunder<br />
Gebiet belaufen. Somit ist derzeit<br />
für die Emscher mit Ausnahme des Dortmunder<br />
Bereichs eine sehr gute Hochwassersicherheit<br />
gewährleistet. Dabei darf<br />
aber nicht vergessen werden, dass diese<br />
Sicherheit nur bei voller Funktionsfähigkeit<br />
der Deiche gegeben ist.<br />
Untersuchung des<br />
Deichversagens und potenzielles<br />
Überfl utungsgebiet<br />
Im Rahmen der Erarbeitung des Hochwasseraktionsplan<br />
wurde deutlich, dass aufgrund<br />
der Deichlage der Emscher sowie der<br />
angrenzenden Poldergebiete, vor allem das<br />
Szenario eines Deichversagens zu erheblichen<br />
Schäden führen könnte.<br />
Einige repräsentative Deichversagens-Szenarien<br />
wurden daher genauer unter die<br />
Lupe genommen. Anhand von 2-D-Modellen<br />
werden die jeweiligen Überfl utungsgebiete<br />
und Hochwasserschäden ermittelt.<br />
Diese überfl uteten Bereiche bezeichnet man<br />
als potenzielle Überfl utungsgebiete. In der<br />
Abbildung sind sie für das hundertjährliche<br />
Hochwasser dargestellt.<br />
Die tief liegenden Poldergebiete stellen ein<br />
großes Volumen zur Verfügung, wodurch<br />
diese potenziellen Überfl utungsgebiete<br />
gleichzeitig als Retentionsraum wirken. Im<br />
Falle der Flutung eines einzelnen potenziellen<br />
Überfl utungsgebiets wird die Hochwasserwelle<br />
soweit abgeschwächt, dass eine<br />
Überfl utung der unterhalb liegenden Flächen<br />
nahezu ausgeschlossen werden kann. Eine<br />
gleichzeitige Überfl utung der in der Abbildung<br />
dargestellten Flächen ist also aufgrund<br />
der zu geringen Wassermenge nicht möglich.<br />
Wasser<br />
69
Wasser<br />
70<br />
Extremes Hochwasserereignis<br />
und Maßnahmenvorschläge<br />
Das Extremereignis ist ein Hochwasserereignis,<br />
das im statistischen Mittel seltener<br />
als einmal in 500 Jahren auftritt. Es zeigte<br />
sich, dass in diesem Fall der Deich bei Herne<br />
Nord/Schalke überströmt und mit hoher<br />
Wahrscheinlichkeit durch rückschreitende<br />
Erosion zerstört werden würde. Weiter unterhalb<br />
würden jedoch keine Überschwemmungen<br />
auftreten. Durch die Überfl utung von<br />
361 ha würde dabei ein geschätzter Schaden<br />
von 95 Millionen Euro verursacht.<br />
Im Rahmen des HWAP wurden auch Vorschläge<br />
erarbeitet, wie ein derartiges Ereignis<br />
verhindert beziehungsweise abgemindert<br />
werden kann. Dabei könnte durch geringe<br />
bauliche Maßnahmen der so genannte Pöppinghauser<br />
Riegel (ehemalige Zechenbahntrasse),<br />
ein Retentionsraum mit einem Volumen<br />
von 1,9 Millionen Kubikmeter, aktiviert<br />
werden. Weiterhin könnten die von<br />
Überströmung betroffenen Deichabschnitte<br />
überströmsicher ausgestaltet werden. Hierdurch<br />
würde die rückschreitende Erosion<br />
vermieden und die in die Poldergebiete strömende<br />
Wassermenge reduziert.<br />
Ausblick: Emscherumbau,<br />
Nebenläufe und neues WHG<br />
Im Rahmen des Emscherumbaus sollen die<br />
oben beschriebenen Maßnahmen in ein neu<br />
zu erstellendes Hochwasserschutzkonzept<br />
integriert werden. Daneben ist bereits der<br />
Bau einiger Hochwasserrückhaltebecken in<br />
Dortmund beschlossen, um die Voraussetzungen<br />
für eine naturnahe Umgestaltung<br />
der Emscher zu schaffen.<br />
Die Änderungen im WHG (Neufassung des<br />
§ 31) führen auch für das Emschergebiet<br />
zu einigen Aktivitäten. So wird es im Rahmen<br />
der Umgestaltung der Nebenläufe der<br />
Emscher erforderlich sein, ebenfalls für<br />
diese Überfl utungsgebiete neue Berechnungen<br />
anzustellen und gegebenenfalls Überschwemmungsgebiete<br />
auszuweisen.<br />
Weiterhin ist im Wasserhaushaltsgesetz<br />
nun der Begriff der überschwemmungsgefährdeten<br />
Gebiete aufgenommen. Diese<br />
sind durch Landesrecht unter anderem für<br />
diejenigen Gebiete auszuweisen, welche<br />
bei Versagen von Hochwasserschutzeinrichtungen<br />
überfl utet werden (= potenzielle<br />
Überfl utungsgebiete). Eine formelle Ausweisung<br />
der potenziellen Überfl utungsgebiete<br />
steht für die Emscher noch aus. Für<br />
die Nebengewässer müssen diese zunächst<br />
noch berechnet werden.<br />
Zusammenfassung<br />
Der Hochwasserschutz an der Emscher ist in<br />
weiten Bereichen auf einem hohen Niveau.<br />
Im Rahmen des Emscherumbaus werden<br />
alle Maßnahmen so geplant, dass dieser<br />
Schutz beibehalten wird. Für die Wasserbehörden<br />
wird der Fokus in Zukunft auf den<br />
Nebengewässern der Emscher und auf der<br />
Umsetzung neuer gesetzlicher Regelungen<br />
zum Hochwasserschutz liegen.
Retentionsraum unterhalb der Straße Am Schleitkamp,<br />
im Vordergrund die Boye<br />
Massiv verbautes Gewässer im ländlichen Raum<br />
Beginn der Arbeiten zur naturnahen Umgestaltung am Kirchschemmsbach<br />
– hier wird der heutige Ablauf des Pumpwerks Bottrop-Eigen<br />
zum Düker umgebaut<br />
Das Boye-System wandelt<br />
sich<br />
Heinz-Günter Friese<br />
Am Oberlauf in Bottrop-Grafenwald, dem<br />
naturnahen Abschnitt der Boye, werden derzeit<br />
gewaltige Bodenmassen bewegt. Hier<br />
muss die Boye, um nicht durch eine Rohrleitung<br />
fl ießen zu müssen oder durch ein weiteres<br />
Pumpwerk nochmals unterbrochen zu<br />
werden, deutlich vertieft werden. Außerdem<br />
sind große Retentionsräume anzulegen, um<br />
das bestehende Pumpwerk weiter nutzen zu<br />
können und den Hochwasserschutz nicht zu<br />
verringern. Im vom Bergbau unbeeinfl ussten<br />
Gewässerabschnitt nördlich der Senkungsbereiche<br />
hat die Naturnähe, insbesondere in<br />
der Nähe von Gehöften und intensiv genutzten<br />
Flächen, leider auch stark gelitten.<br />
Die erhofften naturnahen Eindrücke des<br />
Gewässers im Rahmen einer Wasserschau<br />
Anfang Dezember <strong>2005</strong> erfüllten sich nicht<br />
durchgehend. Während im zuerst beschriebenen<br />
Abschnitt eine naturnahe Gestaltung<br />
aufgrund der Regelungen im Planfeststellungsbeschluss<br />
weitestgehend erfolgen<br />
wird, sind Rückbaumaßnahmen im oberhalb<br />
liegenden Abschnitt erfahrungsgemäß nur<br />
schwierig umzusetzen.<br />
Im unteren, aufgrund des immer noch im<br />
Gewässer abzuleitenden Schmutzwassers<br />
massiv befestigten Verlauf der Boye mit<br />
ihren zahlreichen Nebengewässern werden<br />
an einigen Stellen die Voraussetzungen für<br />
eine naturnahe Gestaltung geschaffen. Nachdem<br />
bereits im Jahre 1993 ein zirka 1800 m<br />
langer Abschnitt des Vorthbaches entfl och-<br />
Wasser<br />
71<br />
Das Boye-System wandelt sich
Schilf als Saubermann<br />
Wasser<br />
72<br />
ten und umgestaltet worden war, werden mit<br />
dem Bau von Abwasserkanälen, der Regenwasserbehandlungsanlage<br />
und dem Retentionsbodenfi<br />
lter an der Einmündung des Haarbaches<br />
bereits Planungen umgesetzt.<br />
Entlang der Gewässer Vorthbach, Haarbach,<br />
Kirchschemmsbach und Wittringer Mühlenbach<br />
sind die Abwasserkanäle weitestgehend<br />
fertig gestellt und am Nattbach hat die Bauphase<br />
ebenfalls begonnen. Seit Oktober dieses<br />
Jahres erfolgt nun auch die naturnahe<br />
Umgestaltung des Kirchschemmsbaches.<br />
Für den Bau der Abwasserkanäle mit noch<br />
zwei Einleitungen an der Boye sind bereits<br />
vor zirka eineinhalb Jahren gewässerverträgliche<br />
Planungen vorabgestimmt, allerdings<br />
noch nicht zur Genehmigung eingereicht<br />
worden. Hierzu sind, wie auch für<br />
die Gewässergestaltung, Überlegungen aus<br />
dem „Ideenwettbewerb Boye“ (gemeinsam<br />
von der Emschergenossenschaft (EG) und<br />
dem Ministerium für Umwelt und Naturschutz,<br />
Landwirtschaft und Verbraucherschutz<br />
(MUNLV) beauftragt und fi nanziert)<br />
aufgegriffen worden. Der Ideenwettbewerb<br />
aus dem Jahr 2002 hat die Rahmenplanung<br />
(2000) ergänzt, weil diese in wesentlichen<br />
Punkten keine genehmigungsfähigen Lösungen<br />
beinhaltete. Seine Ansätze, die sowohl<br />
für die Abwasserprojekte wie auch für die<br />
naturnahen Umgestaltungen einen deutlichen<br />
Zugewinn bedeuten, lassen<br />
das Boyeprojekt insgesamt<br />
positiv erscheinen. Mit Spannung<br />
wird den vorabgestimmten<br />
Anträgen entgegengesehen, um<br />
auf dem begonnenen Weg weiter<br />
voranzukommen.<br />
Schilf als Saubermann<br />
Allgemeines<br />
Karl-Heinz Uphues<br />
Die Emschergenossenschaft hat in intensiven<br />
Gesprächen mit den Wasserbehörden<br />
Anfang 1999 beschlossen, für das Einzugsgebiet<br />
des Haarbaches im Boye-Einzugsgebiet<br />
ein Bodenfi lterbecken zu realisieren.<br />
Dieses Filterbecken ist ein Pilotvorhaben in<br />
der Emscherregion.<br />
Retentionsbodenfi lter werden unter anderem<br />
zur weitergehenden Behandlung von<br />
Entlastungswassermengen aus Regenüberlaufbecken<br />
vorgesehen. Aus Sicht der Wasserbehörden<br />
und beteiligter Fachbüros kann<br />
der gute ökologische Zustand der Boye nur<br />
durch den zusätzlichen Bau einer solchen<br />
Retentionsbodenfi lteranlage erreicht werden.<br />
Auf der Grundlage der Rahmenplanung<br />
für das Boyegebiet ist ein Entwurf vom<br />
Mai 2001 zur Genehmigung gemäß § 58.2<br />
des Landeswassergesetzes für das Land<br />
Nordrhein-Westfalen (LWG NRW) eingereicht<br />
worden. Nach erfolgter Genehmigung<br />
durch die Bezirksregierung Münster<br />
vom 31. August 2001 wurde die Maßnahme<br />
ausgeschrieben. Das Submissionsergebnis<br />
zeigte, dass die Maßnahme erheblich über
den veranschlagten Gesamtkosten von zirka<br />
8 Millionen Euro lag.<br />
Im gleichen Zeitraum wurde das neue Handbuch<br />
für Planung, Bau und Betrieb von Bodenfi<br />
lteranlagen in Nordrhein-Westfalen veröffentlicht.<br />
Auf der Grundlage dieses Papiers<br />
wurde die Gesamtanlage neu konzipiert und<br />
mit dem Änderungsentwurf von Juli 2003<br />
nach § 58.2 LWG am 23.11.2003 genehmigt.<br />
Der Baubeginn erfolgte im Mai 2004.<br />
Konzeption<br />
Vorbehandlungsstufe der Retentionsbodenfi<br />
lterbeckenanlage ist der Stauraumkanal<br />
Haarbach mit einem Volumen von<br />
15.158 m³. Dem Retentionsbodenfi lterbecken<br />
ist unmittelbar ein Regenzyklonbecken<br />
(Vorbehandlungsstufe zur besseren<br />
Elimination von absetzbaren Stoffen) vorgeschaltet,<br />
damit der Bodenfi lter vor Kolmation<br />
(Verstopfung des Filters) geschützt<br />
wird. Der Bodenfi lter hat eine Filterfl äche<br />
von zirka 6.900 m². Damit eine gleichmäßige<br />
stoffl iche und hydraulische Belastung<br />
des Filters gewährleistet ist, wurde dieser<br />
in drei Filtereinheiten unterteilt. Über ein<br />
gemeinsames Rechteckbeschickungsgerinne<br />
wird die Anlage beschickt. Die Enleerung<br />
dieses Gerinnes erfolgt selbsttätig rückwärts<br />
in das Regenzyklonbecken. Jede Filtereinheit<br />
wird über eine eigene Abfl usssteuerung,<br />
die jeweils durch einen magnetischen<br />
Induktionen-Durchfl ussmesser (MID) mit<br />
Regelschieber bewerkstelligt wird, separat<br />
geregelt. Die Filterabläufe werden über einen<br />
gemeinsamen Ablaufkanal in die Boye<br />
eingeleitet. Entlastungsspitzen werden über<br />
ein nachgeschaltetes Regenrückhaltebecken<br />
(RRB) naturnah gedrosselt und schadlos in<br />
die Boye eingeleitet.<br />
3. Regenzyklonbecken<br />
Das geschlossene Zyklonbecken hat ein Volumen<br />
von 2.500 m³ und einen Durchmesser<br />
im Lichten von 30,00 m. Der Zulauf aus<br />
dem vorgeschalteten Stauraumkanal mit<br />
untenliegender Entlastung (SKU) erfolgt<br />
tangential, so dass das Regenzyklonbecken<br />
ähnlich wie ein Quelltopf wirkt. Durch diesen<br />
so genannten „Teetasseneffekt“ werden<br />
die gröberen Schmutzpartikel in den<br />
Innenbereich geführt und über eine Drosselanlage<br />
(DN 500) zum Boye-Parallelsammler<br />
abgeleitet (Drosselabfl uss Q = 495 l/s<br />
D<br />
= 2,03 Q ). Der Zulauf zum Zyklonbecken<br />
tx<br />
erfolgt über ein außen liegendes Überlaufgerinne<br />
(lichte Breite I = 4,50 m) und ist<br />
in zwei separate Abschnitte unterteilt. Im<br />
Überlaufbecken wird im dritten und vierten<br />
Quadranten der kritische Mischwasserzufl<br />
uss zum Retentionsbodenfi lter abgeleitet.<br />
Im ersten und zweiten ungedrosselten<br />
Überlaufbereich werden Entlastungsspitzen<br />
größer Q direkt in das nachgeschaltete<br />
krit<br />
Regenrückhaltebecken entlastet.<br />
Wasser<br />
73
Wasser<br />
74<br />
Retentionsbodenfi lter<br />
Der Retentionsraum ist in drei Filtereinheiten<br />
aufgeteilt und in Erdbauweise mit<br />
Böschungsneigung von 1 : 2,5 erstellt.<br />
Die einzelnen Filtereinheiten sind gegeneinander<br />
durch Ortbetonwände abgegrenzt.<br />
Diese Bodenfi lteranlage ist aufgrund<br />
der örtlichen Verhältnisse als Fangfi<br />
lter ausgebildet. Der Filterkörper wird als<br />
Sandfi lter mit einer Filterstärke von 0,95 m<br />
hergestellt. Bei der Festlegung der Korngrößenverteilung<br />
sind Feinsande (zirka 15 %),<br />
Mittelsande (zirka 70 %) und Grobsande<br />
(zirka 15 %) zu verwenden. Dem Filtersubstrat<br />
sind zirka 15 Massenprozent Carbonat<br />
zuzumischen. Zusätzlich ist auf dem Substrat<br />
eine Decklage von 5 cm Mächtigkeit<br />
aus Carbonatbrechstein aufzubringen.<br />
Unter dem Sandfi lter befi ndet sich auf einer<br />
Abdichtung eine 0,35 cm starke Dränageschicht.<br />
Das Dränagesystem besteht aus<br />
HDPE-Rohren (Durchmesser DN 150). Als<br />
Wurzelschutz wurde eine 0,50 m breite<br />
PE-Folie mittig über den Dränagerohren eingebaut.<br />
Aus Inspektions- und Wartungsgründen<br />
sind die Dränleitungen auf einer<br />
Seite mit verschraubten Verschlusskappen<br />
in die Wand des Beschickungsgerinnes eingebunden.<br />
Das andere Ende der Dränleitungen<br />
mündet in die Sammelleitung, die ebenfalls<br />
durch Kontrollschächte verbunden sind.<br />
Es sind drei Filtereinheiten von je 2.300 m²<br />
bei einer Gesamtfl äche von 6.900 m² erstellt.<br />
Die Bepfl anzung erfolgt mit Schilf,<br />
wobei 1,5-jährig vorgezogene Schilfballen<br />
(6 Stück/m²) ausgepfl anzt werden. Im Zulaufbereich<br />
wird eine dichtere Bepfl anzung<br />
mit zirka 10 Stück/m² vorgenommen. Erst<br />
nach Ablauf einer vollen Vegetationsperiode<br />
der Schilfbepfl anzung darf der Retentionsbodenfi<br />
lter in Betrieb genommen werden.<br />
Regenrückhaltebecken<br />
Das Überlaufwasser des Bodenfi lters und<br />
des Beckenüberlaufwassers (Zyklon) wird<br />
über das Regenrückhaltebecken (RRB)<br />
(V = 13.000 m³) zwischengespeichert und<br />
mit einem Abfl uss von 198 l/s in die Boye<br />
eingeleitet. Bei Starkregen werden die Entlastungswassermengen<br />
über eine zirka<br />
70 m lange Notentlastung breitfl ächig in die<br />
Boye abgeschlagen. Das Becken wird als<br />
Erd-becken mit Böschungsneigungen von<br />
1 : 2,5 hergestellt. Für die Unterhaltung<br />
des RRB wird eine fl ache Rampe bis auf die<br />
Bodensohle geführt.<br />
Projektabwicklung und Kosten<br />
Die Bauarbeiten der Bodenfi lteranlage einschließlich<br />
Regenzyklonbecken und nachgeschaltetem<br />
Regenrückhaltebecken wurden im<br />
Mai 2004 begonnen. Die eigentlichen Bauarbeiten<br />
werden voraussichtlich Ende <strong>2005</strong> abgeschlossen<br />
sein. Nach Ablauf einer Vegetationsperiode<br />
von zirka einem Jahr kann der<br />
Bodenfi lter Anfang 2007 in Betrieb gehen.<br />
Gesamtkosten 9.850.000,00 Euro<br />
Anteil RBF 7.973.000,00 Euro<br />
(einschließlich<br />
Zyklonbecken)<br />
Anteil RRB 1.877.000,00 Euro
Ausblick<br />
Die Gesamtmaßnahme wurde von Beginn<br />
an, also von den Vorentwurfsbesprechungen,<br />
über den Genehmigungsentwurf, die<br />
wasserrechtliche Zulassung bis zum Bau,<br />
intensiv durch das <strong>StUA</strong> <strong>Herten</strong> betreut und<br />
begleitet.<br />
Die Behandlung und der Rückhalt der partikulären<br />
Substanzen und die Elimination<br />
gelöster oxidierbarer Verbindungen (DOC,<br />
CSB, Ammonium) mit dem Bodenfi lter Haarbach<br />
begleiten sowohl die Emschergenossenschaft<br />
als Maßnahmenträger als auch<br />
das <strong>StUA</strong> <strong>Herten</strong> mit einem umfangreichen<br />
Messprogramm.<br />
Mit der Umsetzung des gesamten Maßnahmenkataloges<br />
kann für diesen Gewässerabschnitt<br />
der Boye das Erreichen eines guten<br />
ökologischen Zustandes erwartet werden.<br />
Niederschlag im<br />
Wasserwirtschaftsjahr<br />
2004/<strong>2005</strong><br />
Torsten Lambeck<br />
Die Niederschläge im Wasserwirtschaftsjahr<br />
2004/<strong>2005</strong> lagen weitgehend im Bereich<br />
des langjährigen Mittels, eher etwas niedriger.<br />
Bemerkenswert ist weniger die Menge,<br />
als die Verteilung des Niederschlages über<br />
das Jahr. So waren neben den üblichen<br />
Schwankungen zwischen „nassen“ und<br />
„trockenen“ Perioden nahezu über das<br />
ganze Jahr verteilt einzelne starke Niederschlagsereignisse<br />
aufgetreten. Diese<br />
Ereignisse hatten mehr oder weniger<br />
lokale Ausprägung, was in Verbindung<br />
mit starken Böen hin und wieder die örtlichen<br />
Rettungskräfte zum Einsatz brachte.<br />
Extreme Wettereinfl üsse, wie die so genannte<br />
„V b“ Wetterlage (von ostwärts über<br />
Europa ziehende Zyklone mit heftigen Niederschlägen)<br />
im bayrischen Raum mit den<br />
daraus folgenden Hochwässern, haben wir<br />
hier nicht gehabt.<br />
Die „nassen“ und „trockenen“ Perioden<br />
wechselten sich im Jahresverlauf ab. Das<br />
Jahr begann recht nass, worauf ein schönes<br />
Frühjahr folgte. Der Sommer begann<br />
dann mit einer ausgeprägten Schafskälte<br />
und wurde im Juni sehr warm, insgesamt<br />
etwas wärmer als im langjährigen Mittel.<br />
Der Juli war zwar warm, aber auch so nass,<br />
dass der Hafer teilweise noch auf dem Feld<br />
am Halm austrieb, weil die Landwirte nicht<br />
die Ernte einbringen konnten. Gewitter und<br />
Böen gegen Ende des Monats verstärkten<br />
die Schäden noch. Der August, als kältester<br />
der Sommermonate, wandelte sich nach<br />
dem Hochwasser in Bayern und leitete in<br />
einen ausgesprochen langen und schönen<br />
Spätsommer über. Fast konnte daher bis<br />
zum Ende des Wasserwirtschaftsjahres am<br />
31. Oktober der Herbst kaum als solcher<br />
wahrgenommen werden.<br />
Das gesamte Jahr war in unserem Gebiet<br />
wärmer als der Durchschnitt mit Niederschlägen<br />
ohne große, extreme Ereignisse.<br />
Wasser<br />
75<br />
Niederschlag im Wasserwirtschaftsjahr 2004/<strong>2005</strong>
Der Kanal in Olfen lief leer wie eine Badewanne<br />
Wasser<br />
76<br />
Der Kanal in Olfen lief leer<br />
wie eine Badewanne<br />
Ludger Weßling<br />
Am 11.10.<strong>2005</strong> gegen 13:30 Uhr traf eine<br />
Meldung im Staatlichen Umweltamt (<strong>StUA</strong>)<br />
<strong>Herten</strong> ein: ein wasserwirtschaftlich bedeutendes<br />
Großschadensereignis im Bereich der<br />
Kreuzung zwischen Lippe und Dortmund-<br />
Ems-Kanal sei eingetreten, Wasser würde<br />
aus dem Kanal austreten. Dieses war eine<br />
sehr knappe Meldung, aber es musste irgendwie<br />
etwas Großes passiert sein.<br />
Zunächst wurde der unterhalb liegende Pegel<br />
an der Lippe in Haltern telefonisch angewählt,<br />
um den aktuellen Wasserstand über<br />
die Messwertansage abzurufen. Der Pegel<br />
meldet einen gewöhnlichen Niedrigwasserstand<br />
mit Tendenz gleichbleibend. Wurde da<br />
mal wieder mit der Schadensmeldung ein<br />
bisschen übertrieben?<br />
Also erst mal die wichtigsten Stellen anrufen,<br />
die im Rahmen der Überwachung zuständig<br />
sein müssten, zum Beispiel das<br />
Wasserstraßen-Neubauamt Datteln und die<br />
Untere Wasserbehörde Recklinghausen. Die<br />
zuständigen Personen konnten jedoch nicht<br />
erreicht werden, vielleicht weil sie alle schon<br />
vor Ort waren?<br />
Die Kreuzung liegt im Grenzbereich zwischen<br />
Olfen und Datteln. Die Gewässerachse<br />
der Lippe bildet dabei die Grenze.<br />
Wer war nun zuständig? Kreis Coesfeld oder<br />
Kreis Recklinghausen? <strong>StUA</strong> Münster oder<br />
<strong>StUA</strong> <strong>Herten</strong>? Die genaue Lage der Schadensstelle<br />
war nicht klar. Also haben wir
mit dem <strong>StUA</strong> Münster abgestimmt, wer<br />
die Aufgaben des Staatlichen Umweltamtes<br />
vertreten soll. Wir vom <strong>StUA</strong> <strong>Herten</strong> sollten<br />
es machen, denn wegen des kürzeren<br />
Anfahrtsweges konnten wir auch schneller<br />
vor Ort sein. Sofort wurde ein Dienstfahrzeug<br />
organisiert und die Unglückstelle angefahren.<br />
Je näher man kam, desto häufi ger<br />
waren Fahrzeuge der Polizei und der Feuerwehr<br />
unterwegs. Ein Hubschrauber kreiste<br />
bereits in der Luft. Gegen 14:00 Uhr haben<br />
wir die Schadensstelle erreicht.<br />
Die Schadensstelle im Kanal war nördlich<br />
unmittelbar an der Lippe-Kreuzung, also auf<br />
dem Gebiet der Stadt Olfen. Eine Spundwand<br />
war auf großer Länge eingerissen und<br />
verbogen, so dass gewaltige Wassermassen<br />
aus dem Kanal in die tiefer liegende Lippe<br />
herausströmten. Die Abfl ussmenge wurde<br />
auf über 30 Kubikmeter pro Sekunde geschätzt.<br />
Es war ein Krisenstab eingerichtet<br />
worden, die Einsatzleitung hatte die Feuerwehr<br />
übernommen. Am Unglücksort trafen<br />
wir auch alle wichtigen Personen an, die wir<br />
vorher telefonisch nicht erreichen konnten.<br />
Im Krisenstab wurden die möglichen Gefährdungen<br />
besprochen, die von dem Leck<br />
im Kanal ausgehen könnten.<br />
Der Kanal wurde in Datteln und in Lüdinghausen<br />
durch Sperrtore verschlossen, so<br />
dass nur im begrenzten Abschnitt von etwa<br />
8 km Länge der Kanal leer laufen konnte.<br />
Schiffe waren in diesem Abschnitt nicht vorhanden,<br />
somit auch keine Wasser gefährdende<br />
Stoffe als Transportgut unterwegs.<br />
Große Sorgen bereitete ein großer 500 Tonnen<br />
Schwerlastkran, der sich im Bereich der<br />
Leckage befand, dabei unterspült worden<br />
und in Schiefstellung geraten war. Er drohte<br />
auf die Kanalbrücke zu kippen, was zu einer<br />
schlagartigen Entleerung des Kanals<br />
führen würde und damit das Schadensereignis<br />
erheblich vergrößern würde. Vorsorglich<br />
wurde Katastrophenalarm ausgelöst und mit<br />
der Evakuierung von Anwohnern im Überschwemmungsgebiet<br />
der Lippe begonnen.<br />
Zwischenzeitlich lief der Kanal immer weiter<br />
leer. Mit zunehmender Dauer verringerte<br />
sich der Wasserspiegel im Kanal, so<br />
dass der Wasserdruck stetig abnahm. Gegen<br />
17:50 Uhr wurde Entwarnung für die<br />
Anwohner an der Lippe gegeben.<br />
Letztlich war alles glimpfl ich abgelaufen,<br />
„glücklicher“ hätte ein Kanal wirklich nicht<br />
leer laufen können. Dazu auch noch direkt<br />
in die darunter liegende Lippe, die das Wasser<br />
aufnehmen konnte. Insgesamt sind<br />
1,3 Millionen Kubikmeter aus dem Kanal in<br />
die Lippe abgefl ossen.<br />
Für den Grundlagendienst des <strong>StUA</strong> <strong>Herten</strong><br />
hatte es auch etwas Gutes: die Pegelanlagen<br />
in Leven (bei Datteln-Ahsen), Haltern<br />
und Schermbeck konnten überprüft und<br />
quasi geeicht werden. Diese Gelegenheit<br />
bietet sich äußerst selten.<br />
In der Lippe hatte sich die Hochwasserwelle,<br />
die durch das Leck im Kanal verursacht<br />
wurde, fl ussabwärts fortgepfl anzt. Da die<br />
Lippe zu diesem Zeitpunkt einen konstanten<br />
Niedrigwasserstand hatte, ließen sich die<br />
zusätzlichen Wassermassen aus dem Dortmund-Ems-Kanal<br />
gut erfassen. Das Ergebnis<br />
liefert Ihnen der nächste Bericht von<br />
Torsten Lambeck.<br />
Wasser<br />
77
Die perfekte Welle<br />
Wasser<br />
78<br />
Die perfekte Welle<br />
Torsten Lambeck<br />
Für die Bestimmung des Abfl usses wird im<br />
Grundlagendienst des Landes bis heute in<br />
der Regel auf das Verfahren der indirekten<br />
Abfl ussermittlung zurückgegriffen. Die<br />
von den Landespegeln kontinuierlich aufgezeichneten<br />
Wasserstände werden dabei<br />
anhand von Abfl ussmessungen bei verschiedenen<br />
Wasserständen in kontinuierliche<br />
Abfl üsse umgesetzt. Eine große Unbekannte<br />
ist die Verlässlichkeit der mit diesem Verfahren<br />
erzielten Ergebnisse.<br />
So lassen sich die bei der Abfl ussmessung<br />
verwendeten Geräte zwar noch sehr exakt<br />
im Labor kalibrieren, aber schon die Genauigkeit<br />
des Ergebnisses im Gelände kann nur<br />
noch über die Abweichung mehrerer Messungen<br />
voneinander angegeben werden<br />
- Messungen einer Größe, die beständig<br />
schwankt. Denn wie schon der antike Philosoph<br />
Heraklit treffend feststellte: man steigt<br />
unmöglich zweimal in denselben Fluss.<br />
Sehr hilfreich wäre es ja, auf eine Vergleichsgröße<br />
zurückgreifen zu können, so<br />
wie in der chemischen Analytik eine Blindprobe<br />
bekannter Konzentration angesetzt<br />
wird. Aber wer hat schon einen Messbecher,<br />
mit dem man die Lippe voll laufen<br />
lassen könnte? Die Staatlichen Umweltämter<br />
(StUÄ) jedenfalls nicht. Die Wasser- und<br />
Schifffahrtsverwaltung aber sehr wohl, wie<br />
sich herausstellte. Denn als diese mit ihrer<br />
Baustelle an der Überfahrt bei Olfen Schiffbruch<br />
erlitt, war das der Hydrometrie ein<br />
willkommenes Strandgut.<br />
Die ausgelaufene Wassermenge lässt sich<br />
nämlich relativ genau aus den Abmessungen<br />
des leckgeschlagenen Kanalabschnittes<br />
ermitteln. Sie wird in der Berichterstattung<br />
über das Schadensereignis teils mit 1,3 Millionen,<br />
teils mit 1,5 Millionen m³ angegeben.<br />
Nur 12 Kilometer unterhalb der Unglücksstelle<br />
wird der Abfl uss der Lippe am Pegel<br />
Leven erfasst, zwei weitere Pegel des Landes<br />
befi nden sich bei Haltern und Schermbeck.<br />
Sofern diese Anlagen den Volumenstrom im<br />
Gewässer zutreffend wiedergeben und keine<br />
größeren Anteile der Welle zurückgehalten<br />
wurden, müsste sich an jedem der drei<br />
Pegel ein Anstieg der Wasserführung um den<br />
entsprechenden Betrag nachweisen lassen.<br />
Als besonders begünstigender Umstand für<br />
eine solche Betrachtung erwies sich der sehr<br />
niedrige und konstante natürliche Abfl uss<br />
der Lippe im fraglichen Zeitraum. Nachdem<br />
im Lippegebiet schon fast zwei Wochen lang<br />
kein nennenswerter Niederschlag gefallen<br />
war, war die Abfl ussspende der betrachteten<br />
Einzugsgebiete mit 3,1 bis 3,7 Liter je<br />
Sekunde und Quadratkilometer bis in den<br />
Bereich des typischen Jahresminimums<br />
gesunken. Auch im Verlauf des durch den<br />
Kanalbruch künstlich induzierten Hochwassers<br />
blieb es vollständig niederschlagsfrei.<br />
Einerseits fi el der Anstieg des Abfl usses<br />
dadurch im Verhältnis hoch aus und konnte<br />
entsprechend genau bestimmt werden, andererseits<br />
ließ sich der Verlauf der Hochwasserwelle<br />
so überhaupt erst mit der erforderlichen<br />
Genauigkeit eingrenzen.<br />
Dem Niederschlagsgeschehen zufolge<br />
stammte die Wasserführung der Lippe zum
Zeitpunkt des Kanalschadens ausschließlich<br />
aus grundwasserbürtigen Zufl üssen mit einem<br />
gewissen Anteil anthropogener Einleitungen.<br />
Am Pegel Leven ist dieser Basisabfl uss durch<br />
eine Messung unmittelbar vor dem Anlaufen<br />
der Welle belegt. Er betrug hier 12,3 m³/s. An<br />
den Pegeln Haltern und Schermbeck wurde er<br />
aus dem Wasserstand ermittelt und mit 13,2<br />
und 15,7 m³/s angenommen.<br />
Da bei einer gemeinsamen Messkampagne<br />
der StUÄ Duisburg und <strong>Herten</strong> im Sommer<br />
<strong>2005</strong> eine Reihe von Vergleichsmessungen<br />
an allen drei Pegeln vorgenommen worden<br />
war, kann auch hier von einer guten Übereinstimmung<br />
mit den tatsächlichen Verhältnissen<br />
ausgegangen werden.<br />
Schon etwa anderthalb Stunden nach dem<br />
Schadensereignis lässt sich in Leven ein Anstieg<br />
des Pegels feststellen. Im Verlauf der<br />
folgenden fünf Stunden schnellt der Wasserstand<br />
um 2,10 m in die Höhe, der Abfl uss<br />
steigt nahezu auf das Fünffache. Der Vergleich<br />
aller drei Pegel zeigt das idealtypische<br />
Bild einer Abfl ussspitze in einem System<br />
ohne seitliche Zuläufe: da vor dem Wellenscheitel<br />
ein höheres Wasserspiegelgefälle<br />
herrscht als dahinter, läuft die Welle gewis-<br />
sermaßen vor sich selbst davon - die zeitliche<br />
Ausdehnung streckt sich, der Scheitel<br />
nimmt dagegen ab, von 60 m³/s in Leven<br />
bis auf lediglich noch 40 m³/s in Schermbeck.<br />
Die Ganglinien sind dabei von einer<br />
Perfektion, die in der Natur sonst nicht zu<br />
beobachten ist, da hier keinerlei Spitzen<br />
aus Nebengewässern die Kurven überlagern.<br />
Im Nachgang natürlicher Hochwasserereignisse<br />
infolge von Niederschlag ist<br />
ein Anstieg des Basisabfl usses zu verzeichnen,<br />
wenn der in den Untergrund infi ltrierte<br />
Niederschlagsanteil mit zeitlicher Verzögerung<br />
in das Gewässer gelangt. Bei einer<br />
Einleitung durch Leckage ist das dagegen<br />
nicht zu erwarten. Das Ende des Ereignisses<br />
kann somit dort angesetzt werden, wo<br />
der Abfl uss wieder auf den ursprünglichen<br />
Wert zurückfällt. Dem zu Folge dauerte die<br />
Hochwasserwelle in Leven 28 Stunden, in<br />
Haltern 58,5 Stunden und in Schermbeck<br />
82,5 Stunden. Das den Basisabfl uss übersteigende<br />
Abfl ussvolumen betrug in diesem<br />
Zeitraum am Pegel Leven 1,35 Millionen m³,<br />
in Haltern und Schermbeck jeweils 1,34 Millionen<br />
m³. Die Differenz von weniger als 1%<br />
liegt dabei unterhalb der Unsicherheit, die<br />
bei der indirekten Abfl ussermittlung einkalkuliert<br />
werden muss.<br />
Der verschüttete Kanalinhalt<br />
wurde somit an jeder der drei<br />
Pegelanlagen gleich groß ermittelt,<br />
so dass von einer sehr guten<br />
Übereinstimmung der Wasserstands-Abfl<br />
uss-Beziehung<br />
vom Niedrigwasser bis etwa<br />
in den Bereich der zweifachen<br />
Mittelwasserführung ausgegangen<br />
werden kann.<br />
Wasser<br />
79
Hochwassermeldenetz Ijsselgebiet - aktueller Stand<br />
und Perspektive<br />
Wasser<br />
80<br />
Hochwassermeldenetz<br />
Ijsselgebiet – aktueller<br />
Stand und Perspektive<br />
Torsten Lambeck<br />
Zur frühzeitigen Warnung vor Hochwassergefahren<br />
wurden im Gebiet der Ijsselmeerzufl<br />
üsse Hochwassermeldeordnungen für<br />
die Gewässer der Dinkel, Berkel und Bocholter<br />
Aa erlassen. Als Hochwassermeldepfl ichtige<br />
sind darin die Landräte der Kreise Borken<br />
und Coesfeld bestimmt.<br />
Die Meldepegel, deren Wasserstände als<br />
Grundlage für die Ausrufung eines Hochwasserzustandes<br />
herangezogen werden,<br />
werden dagegen mehrheitlich von den<br />
Staatlichen Umweltämtern betrieben. In der<br />
Regel handelt es sich dabei um Anlagen,<br />
die gleichzeitig als hydrologische Pegel den<br />
oberirdischen Abfl uss erfassen.<br />
Nach dem Jahrhunderthochwasser der Elbe<br />
in 2002, das viele Pegelanlagen versagen<br />
ließ, wurde auch in Nordrhein-Westfalen das<br />
Hochwassermeldenetz auf den Prüfstand<br />
gestellt mit dem Ziel, eine verbesserte Frühwarnung<br />
und erhöhte Übertragungssicherheit<br />
zu gewährleisten. Als optimal wurde<br />
eine Redundanz sowohl der Wasserstandserhebung<br />
als auch der Datenübermittlung und<br />
Stromversorgung angenommen.<br />
Zusätzlich zu der bereits vorhandenen digitalen<br />
Wasserstandsermittlung, die historisch<br />
gewachsen in der Regel über einen<br />
Winkelcodierer am analogen Papierschreiber<br />
erfolgt, sollten die Anlagen mit einem<br />
zweiten digitalen Wasserstandsgeber, in der<br />
Regel einer Drucksonde oder einem Einperlsensor<br />
nachgerüstet werden. Ein zusätzlicher<br />
miniaturisierter Transferprozessor mit<br />
Mobilfunkübertragung und Notstromversorgung<br />
über Akku sollte den Vorhandenen<br />
ergänzen, der standardmäßig am Festnetz<br />
angeschlossen ist. Jeder der beiden Prozessoren<br />
sollte schließlich auf beide Wasserstandsgeber<br />
zugreifen können. Nur beim<br />
Versagen jeweils beider Systeme würde ein<br />
Ausfall der gesamtem Anlage eintreten. Mittlerweile<br />
sind im Dienstbezirk des <strong>StUA</strong> <strong>Herten</strong><br />
fünf Pegelanlagen nach diesem höchsten<br />
Standard ausgebaut, davon drei im Ijsselgebiet.<br />
Drei weitere Anlagen verfügen über<br />
redundante Wasserstandsermittlung, werden<br />
aber erst sukzessive auch mit redundanter<br />
Datenübertragung nachgerüstet. Zwei Anlagen<br />
werden lediglich einfach betrieben.<br />
Eine weitere Neuerung stellt der „D-Kanal“<br />
dar: Die Anlagen, die über diese Einrichtung<br />
verfügen, melden den aktuellen Pegelstand<br />
selbsttätig, in der Regel 15-minütig, an die<br />
zentrale Datenbank des Landesumweltamtes.<br />
Diese Daten sind für Kommunen und<br />
Kreise über das so genannte Leitstellentool<br />
zugänglich. Gleichzeitig steht die Mehrzahl<br />
dieser Pegel über die öffentliche Internetpräsentation<br />
des LUA<br />
www.lua.de
auch der Allgemeinheit zur Verfügung. Da<br />
aus Sicherheitsgründen eine physikalische<br />
Trennung zwischen beiden Datenhaltungen<br />
vorgeschrieben ist, bietet die Internetdarstellung<br />
allerdings nicht die gleiche Aktualität<br />
wie das Intranet der Landesverwaltung.<br />
Durch das Überspielen der Daten ergibt<br />
sich eine Verzögerung, die von einer bis zu<br />
mehreren Stunden reichen kann. Im Leitstellentool<br />
ist der letzte verfügbare Wasserstand<br />
dagegen in der Regel nicht älter als<br />
15 Minuten. Gemessen an den Zeiträumen,<br />
in denen sich Wasserstandsveränderungen<br />
vollziehen, stehen die meisten Pegel hier<br />
quasi online zur Verfügung.<br />
Eine bedeutende Rolle spielt nach wie vor<br />
auch die automatische Sprachansage des<br />
Wasserstandes, die den Hochwassermeldepfl<br />
ichtigen jederzeit die kurzfristige Information<br />
über den aktuellen Wasserstand bei<br />
geringstmöglichem technischen Aufwand<br />
ermöglicht. Diese Anlagen melden sich bei<br />
Überschreitung abgestufter Alarmschwellen<br />
selbst. Die Möglichkeit der Sprachansage<br />
ist aber derzeit noch an das Vorhandensein<br />
eines Festnetz-Telefonanschlusses gekoppelt.<br />
Anlagen mit Mobilfunkübertragung sind<br />
in der Lage SMS-Nachrichten zu versenden.<br />
Neben der technischen Ausstattung wurde<br />
auch die räumliche Abdeckung erweitert.<br />
In der Vergangenheit waren Meldepegel häufi<br />
g zu weit im Unterlauf der Gewässer platziert<br />
worden. So ist beispielsweise der Pegel<br />
Gronau interessant als Meldepegel für das<br />
niederländische Dinkelgebiet und wird von<br />
der Waterschap Regge en Dinkel tatsächlich<br />
auch als solcher in Anspruch genommen,<br />
kann aber durch seine Lage unterhalb des<br />
Stadtgebietes praktisch keine Warnfunktion<br />
für die Ortschaft selbst übernehmen.<br />
Ähnliche Probleme ergaben sich auch an<br />
der Bocholter Aa sowie an der Berkel. Hier<br />
wurden im Jahr <strong>2005</strong> zusätzliche Meldepegel<br />
oberhalb der Ortslagen Gescher und<br />
Ramsdorf eingerichtet, eine Sprachansage<br />
am Pegel Stadtlohn soll das Meldenetz komplettieren.<br />
Im Oberlauf der Dinkel wurde<br />
der hydrologische Pegel Legden-Bahnhof<br />
als Meldepegel mit Sprachansage und redundant<br />
digitaler Wasserstandsaufzeichnung<br />
ausgestattet. An der Issel, für die derzeit<br />
keine eigene Meldeordnung existiert, bestehen<br />
schon seit Längerem einfache Meldepegel<br />
der StUÄ <strong>Herten</strong> und Duisburg in Isselburg<br />
und Dämmerwald. Der ganz überwiegende<br />
Teil des Ijsselmeergebietes ist somit<br />
hinreichend abgedeckt. Für das noch nicht<br />
erfasste Einzugsgebiet der Schlinge wird<br />
eine einfache fernabrufbare Messstelle oberhalb<br />
der Ortslage Südlohn angestrebt.<br />
Wasser<br />
81
„Hol über“<br />
Wasser<br />
82<br />
„Hol über“<br />
Ludger Wessling<br />
Bis vor zirka 60 Jahren überquerte eine<br />
Ruderfähre die Lippe in Dorsten-Holsterhausen.<br />
Bergleute der Zeche Baldur konnten<br />
damit am anderen Ufer ihre Arbeitsstelle<br />
erreichen. Während der Einweihungsfeier<br />
der Kläranlage Dorsten im Juli 2001 kam bei<br />
Vertretern der Stadt Dorsten, der Deutschen<br />
Steinkohle und des Lippeverbandes der<br />
Gedanke auf, den Fährbetrieb wieder aufl eben<br />
zulassen. Am 12. Februar 2003 ging ein<br />
Antrag gemäß § 99 und § 13 des Landeswassergesetzes<br />
(LWG) zur Errichtung einer<br />
Fähre über die Lippe in Dorsten im Staatlichen<br />
Umweltamt (<strong>StUA</strong>) <strong>Herten</strong> ein.<br />
Die Nutzung der Fähre sollte ausschließlich<br />
für Fußgänger und Radfahrer bestimmt sein<br />
und als Antrieb die Muskelkraft der Freizeitaktivisten<br />
dienen, die per Handkurbel das<br />
andere Ufer erreichen können. Der Lippeverband<br />
koordinierte Planung und Bau der Kurbelfähre.<br />
Das <strong>StUA</strong> <strong>Herten</strong> prüfte die Genehmigungsfähigkeit<br />
für dieses Planvorhaben.<br />
Der geplante Standort für die neue Fähre<br />
mit zugehörigen Wegebauten liegt im Überschwemmungsgebiet<br />
der Lippe, das gleichzeitig<br />
auch als Naturschutzgebiet ausgewiesen<br />
wurde. Außerdem ist die Lippe im Zuge<br />
des Meldeverfahrens in der Tranche 1a zur<br />
Schutzausweisung der Flora-Fauna-Habitat-<br />
Schutzgebiete als Schutzgebiet von europaweiter<br />
Bedeutung gemeldet worden.<br />
Eine Genehmigungserteilung schien zunächst<br />
nur schwer möglich. Aus wasserwirtschaft-<br />
licher Sicht konnte dem Vorhaben mit entsprechenden<br />
Nebenbestimmungen zugestimmt<br />
werden. Aus landschaftlicher Sicht<br />
jedoch war eine Befreiung vom Bauverbot<br />
erforderlich, das für Naturschutzgebiete gilt.<br />
Die Befreiung von den Verboten musste<br />
eigenständig auf Ebene der Landschaftsschutzbehörden<br />
geführt werden und war Voraussetzung<br />
für eine Genehmigungserteilung.<br />
Das Genehmigungsverfahren wurde durch<br />
diese Verfahrensweise nicht gerade beschleunigt,<br />
sie berücksichtigte aber die verschiedenen<br />
Interessen wie zum Beispiel die<br />
der Freizeit und Erholung suchenden Bür-ger<br />
und die der Naturschutzverbände in ausreichendem<br />
Maße. Im Juli 2003 wurde für<br />
die geplante Kurbelfähre eine bis zum 31.<br />
Dezember 2006 befristete Genehmigung<br />
erteilt. Sie wurde mit Nebenbestimmungen<br />
versehen, um wasserwirtschaftliche und landschaftliche<br />
Belange zu berücksichtigen und<br />
nachteilige Auswirkungen, die von der Fähre<br />
ausgehen können, möglichst zu vermeiden.<br />
Folgende Nebenbestimmungen wurden<br />
unter anderem aufgenommen:<br />
• Ein ökologisches Monitoring ist innerhalb<br />
von drei Jahren zur Feststellung<br />
der tatsächlichen Folgen für das Naturschutzgebiet<br />
durchzuführen und der<br />
Landschaftsbehörde vorzulegen.<br />
• Der Fährbetrieb ist von November<br />
bis März einzustellen. Dabei ist die<br />
Fähre aus dem Wasser zu nehmen<br />
und außerhalb des Überschwemmungsgebietes<br />
abzustellen.<br />
Nach Genehmigungserteilung verstrich<br />
jedoch einige Zeit, ehe mit dem Bau der
Fähre begonnen wurde. Im Frühjahr<br />
<strong>2005</strong> schließlich hatten Auszubildende<br />
der Bergwerke Auguste Victoria/Blumenthal<br />
die Fähre fertig gestellt. Im Bereich<br />
der Lippeufer hatte der Lippeverband die<br />
entsprechenden Anlegestellen hergerichtet.<br />
Die Bauschlussabnahme gemäß § 99<br />
LWG wurde am 12. Mai <strong>2005</strong> durchgeführt.<br />
Es wurden keine Mängel hinsichtlich<br />
der planerischen Umsetzung festgestellt.<br />
Der Einweihungsfeier stand damit<br />
nichts mehr im Wege.<br />
Für den 13. Mai <strong>2005</strong> hatten Vertreter<br />
der Deutschen Steinkohle, des Lippeverbandes<br />
und der Stadt Dorsten zur<br />
Einweihungsfeier eingeladen. Viele interessierte<br />
Bürger, Fußgänger wie Radfahrer,<br />
waren der Einladung gefolgt.<br />
Auch die Presse war vertreten.<br />
Herr Dr. Stemplewski vom Lippeverband<br />
hatte in seiner Rede unter anderem<br />
auf die sensiblen Bereiche der<br />
natürlichen Lippeaue hingewiesen und<br />
um entsprechende Rücksichtnahme<br />
gebeten. Dann wurde die Lippefähre auf<br />
den Namen „Baldur“ getauft. Es folgte<br />
die Jungfernfahrt der neuen „Lippefähre<br />
Baldur“. Die Bergmannskapelle sorgte<br />
für den festlichen Rahmen und begleitete<br />
die Festlichkeiten mit passenden<br />
musikalischen Einlagen. Für das leibliche<br />
Wohl wurde natürlich auch gesorgt.<br />
Nach den umfangreichen Beteiligungen<br />
und Abwägungen hatte das Genehmigungsverfahren<br />
für die „Lippefähre Baldur“<br />
mit der gelungen Einweihungsfeier<br />
einen guten Abschluss gefunden.<br />
Wasser<br />
83
Die Abwasserüberwachung in unserem Laborbezirk<br />
Wasser<br />
84<br />
Die Abwasserüberwachung<br />
in unserem Laborbezirk<br />
Wolfgang Piegsa<br />
Die Labor- und<br />
Probenahmedienste<br />
Die Labor- und Probenahmedienste sind integraler<br />
Bestandteil der Staatlichen Umweltämter<br />
(StUÄ) <strong>Herten</strong> und Duisburg. Mit Erlass<br />
vom 14. April 1994 wurde durch das damalige<br />
Ministerium für Umwelt, Raumordnung<br />
und Landwirtschaft (MURL) festgelegt, dass<br />
das Labor im Staatlichen Umweltamt (<strong>StUA</strong>)<br />
<strong>Herten</strong> auch für die Aufgabenerledigung im<br />
Duisburger Aufsichtsbezirk zuständig ist.<br />
Dies erforderte von Anfang an eine Aufgabenerledigung<br />
in enger Kooperation, um die<br />
gemeinschaftlichen Aufgaben in der Industrieregion<br />
der Flusslandschaften von Ruhr,<br />
Emscher und Lippe erledigen zu können.<br />
Grundlagen für die Aufgabenerfüllung sind<br />
• Bundes- und Landesgesetze (Wasserhaushaltsgesetz,<br />
Landeswassergesetz,<br />
Abwasser-Verordnung, Abwasserabgabengesetz,<br />
Kreislaufwirtschafts- und<br />
Abfallgesetz, Landesabfallgesetz, Bundesimmissionsschutzgesetz,Bundesbodenschutzgesetz)<br />
• Verordnungen und Richtlinien der<br />
Europäischen Union
• Umweltinformationserfordernisse<br />
• Politische Ziele und Vorgaben<br />
• Anforderungen aus den Bereichen der<br />
Polizei, Staatsanwaltschaften und Ordnungsbehörden<br />
(Amtshilfe)<br />
Die Labor- und Probenahmedienste leisten<br />
in Form von Probenahmen im Abwasser-,<br />
Oberfl ächen- und Grundwasserbereich sowie<br />
bei Sonderprobenahmen, Analysedaten,<br />
Messergebnissen, fachtechnischen Bewertungen<br />
und Stellungnahmen zu gutachterlichen<br />
Aussagen erhebliche Beiträge<br />
• zur Erhebung der Abwasserabgabe<br />
• zur Kontrolle der Aufl agen wasserrechtlicher<br />
Anforderungen aus Erlaubnissen<br />
und Bewilligungen<br />
• zur Kontrolle und gegebenenfalls Nachbesserung<br />
von Umweltaufl agen für<br />
Anlagen<br />
• bei der Ahndung von Ordnungswidrigkeiten<br />
und Umweltstraftaten<br />
• bei der Entwicklung von EU-Richtlinien<br />
(zum Beispiel schutzgutbezogene Zielvorgaben,<br />
Analysetechnik)<br />
• zur Erhebung von Grundlagendaten im<br />
Bereich der Oberfl ächengewässer und<br />
des Grundwassers sowie zur Ermittlung<br />
der Gewässerstrukturgütedaten<br />
• zur Erfolgskontrolle landesweiter<br />
Umweltstrategien<br />
• zum präventiven Umweltschutz<br />
• zur Ursachenermittlung und Schadensbegrenzung<br />
bei Störfällen, Großschadensereignissen<br />
und Belastungen<br />
der Umwelt durch Unfälle, Brände und<br />
Stoffaustritte von gefährlichen Stoffen<br />
• zur Klärung von Nachbarbeschwerden,<br />
auch durch natürliche biologische Einwirkungen<br />
hervorgerufen<br />
• zur Umweltinformation von Bürgern,<br />
Verbänden und Betroffenen.<br />
Die Labor- und Probenahmedienste sind<br />
hinsichtlich der personellen und apparativen<br />
Infrastruktur und aufgrund der Integration<br />
in die Ämter so ausgestattet, dass<br />
die für eine Umweltüberwachung notwendigen<br />
Arbeitsschritte<br />
• von der anlassbezogenen<br />
Messprogrammplanung,<br />
• über die Probenahme, gegebenenfalls<br />
mit Inanspruchnahme hoheitlicher<br />
Befugnisse<br />
• die bedarfsgerechte und<br />
qualitätsgesicherte Analytik<br />
• die Datenbewertung und<br />
fachtechnische Begutachtung<br />
• bis hin zur Einleitung von<br />
Folgemaßnahmen<br />
unmittelbar ineinander greifend, schnell, effi -<br />
zient und ohne Informationsverluste abgewickelt<br />
werden können. Durch die geschaffenen<br />
Organisationsstrukturen ist hier ein<br />
weitgehend optimaler Prozessablauf mit den<br />
Fachabteilungen der StUÄ entstanden. Die<br />
Einrichtung von Laborkooperationsstellen in<br />
<strong>Herten</strong> und Duisburg hat dazu beigetragen,<br />
dass die Aufgabenerledigung insbesondere in<br />
Schadensfällen reibungslos ablaufen kann.<br />
Wasser<br />
85
Wasser<br />
86<br />
Am Beispiel der Abwasserüberwachung soll<br />
nun näher erläutert werden, welche Randbedingungen<br />
und Vorgaben bei der Aufgabenerledigung<br />
zu beachten sind.<br />
Einleitungen, die im Laborbezirk<br />
überwacht werden<br />
Gemäß § 120 Landeswassergesetz sind<br />
Abwassereinleitungen von im Jahresdurchschnitt<br />
> 1 m³/2 h zu überwachen. Für<br />
die zur Überwachung erforderlichen Probenahmen<br />
und Untersuchungen liegt die<br />
Zuständigkeit gemäß Ziffer 23.1.168 der<br />
Zuständigkeitsverordnung beim Staatlichen<br />
Umweltamt. Die Überwachung hat demnach<br />
in der Weise stattzufi nden, dass mehrmals<br />
im Jahr Proben zu entnehmen sind.<br />
Anzahl von Messstellen<br />
Erlaubnisbehörde<br />
Industrielle /<br />
Gewerbliche Einleitungen<br />
* Die Tabellen 1 und 2 geben einen Überblick<br />
über die sich in der Überwachung<br />
– nach den Vorgaben des Abwasserabgabengesetzes<br />
und des § 120 Landeswassergesetz<br />
– befi ndlichen Probenahmestellen bei<br />
Direkteinleitern und Kläranlagen. Vermerkt<br />
ist die Angabe der Behörde, die den Wasserrechtsbescheid<br />
erlassen hat.<br />
Die Häufi gkeit der Überwachung der Einleitungen<br />
und Messstellen orientiert sich an<br />
den gesetzlichen Vorgaben aus § 6 Absatz 1<br />
der Abwasserverordnung. Danach sind<br />
innerhalb von 3 Jahren pro Jahr mindestens<br />
2 Überwachungswerte pro Messstelle<br />
zu überprüfen, um die 4 von 5 Regeln nachweisen<br />
zu können. Bezüglich der Über-<br />
Anlagentyp Gesamtergebnis<br />
Kläranlagen<br />
Bezirksregierung Düsseldorf 175 30 205<br />
Untere Wasserbehörde Duisburg 14 14<br />
Untere Wasserbehörde Essen<br />
Untere Wasserbehörde Mülheim 1 1<br />
Untere Wasserbehörde Wesel 10 1 11<br />
Bergamt Gelsenkirchen 3 3<br />
Bergamt Moers 11 11<br />
Landesoberbergamt – Abteilung 8<br />
Bezirksregierung Arnsberg<br />
1 1<br />
Staatliches Umweltamt Duisburg 215 31 246<br />
Tabelle 1: Probenahmestellen bei Direkteinleitern und Kläranlagen im <strong>StUA</strong>-Bezirk Duisburg*<br />
Anzahl von Messstellen<br />
Erlaubnisbehörde<br />
Industrielle /<br />
Gewerbliche Einleitungen<br />
Anlagentyp Gesamtergebnis<br />
Kläranlagen<br />
Bezirksregierung Münster 44 33 77<br />
Untere Wasserbehörde Bottrop 1 1<br />
Untere Wasserbehörde Borken 6 2 8<br />
Untere Wasserbehörde<br />
Recklinghausen<br />
7 7<br />
Bergamt Gelsenkirchen 2 2<br />
Bergamt Recklinghausen 11 11<br />
Staatliches Umweltamt <strong>Herten</strong> 71 35 106<br />
Tabelle 2: Probenahmestellen bei Direkteinleitern und Kläranlagen im <strong>StUA</strong> Bezirk <strong>Herten</strong>*
wachungshäufi gkeit für die unterschiedlichen<br />
Herkunftsbereiche des Abwassers<br />
lässt sich Folgendes feststellen:<br />
Häusliches und Kommunales Abwasser<br />
Die Überwachung für den Herkunftsbereich<br />
„Häusliches und Kommunales Abwasser“<br />
sowie für das „biologisch abbaubare Industrieabwasser“<br />
aus<br />
• der Milchverarbeitung<br />
• der Obst- und Gemüseproduktion<br />
• der Herstellung von Erfrischungsgetränken<br />
und der Getränkeabfüllung<br />
• der Kartoffelverarbeitung<br />
• der Fleischwarenindustrie<br />
• Brauereien<br />
• der Herstellung von Alkohol und alkoholischen<br />
Getränken<br />
• der Herstellung von Tierfutter aus<br />
Pfl anzenerzeugnissen<br />
• der Herstellung von Hautleim, Gelatine<br />
und Knochenleim<br />
• Mälzereien<br />
• und der Fischverarbeitungsindustrie<br />
regelt sich nach den Vorgaben der Kommunalabwasserverordnung<br />
vom 30. September<br />
1997.<br />
Gestaffelt nach Einwohnergleichwerten<br />
sind 4 bis 24 Proben jährlich zu nehmen<br />
und zu analysieren. Diese Vorgaben<br />
werden im Labor-Aufsichtsbezirk ohne Einschränkungen<br />
erfüllt.<br />
Einleitungen aus Industrie, Gewerbe<br />
und Landwirtschaft<br />
Für die Herkunftsbereich nach der Abwasserverordnung<br />
liegen außer dem Verweis auf § 6<br />
Absatz 1 Abwasserverordnung bisher keine<br />
rechtsverbindlichen Regelungen zur Probenahmehäufi<br />
gkeit vor. Daher erfolgt durch die<br />
Laborkoordination der StUÄ <strong>Herten</strong>/Duisburg<br />
die Festlegung der Häufi gkeit der Beprobung<br />
in enger Absprache mit den Fachdezernaten<br />
der Überwachungsabteilungen der Staatlichen<br />
Umweltämter <strong>Herten</strong> und Duisburg.<br />
Bei der Festlegung der Überwachungshäufi<br />
gkeit werden die individuellen Gegebenheiten<br />
der industriellen Abwassereinleitungen,<br />
wie die Gefährlichkeit der Schadstoffe,<br />
die (Nicht-)Einhaltung von Überwachungswerten,<br />
mögliche Auswirkungen<br />
auf das Gewässer sowie die Nutzungsanforderungen<br />
für die das Abwasser aufnehmenden<br />
Gewässer berücksichtigt.<br />
Dabei wird unter Zugrundelegung der Vorgaben<br />
der Erlaubnisbescheide und der<br />
inhaltlichen Aussagen des Landesumweltamtes<br />
Merkblattes Nummer 31 – Leitfaden<br />
zur Durchführung der Abwasserprobenahme<br />
in Nordrhein-Westfalen, Essen 2001<br />
– eine Häufi gkeitsliste, die auch die Anforderungen<br />
des Abwasserabgabengesetzes<br />
erfüllt, aufgestellt.<br />
Durch die Probenahmen werden sowohl die<br />
wasserrechtlichen als auch die abgaberechtlichen<br />
Festlegungen in einem abgestuften<br />
Untersuchungsprogramm – je nach Relevanz<br />
der Parameter – überwacht.<br />
Wasser<br />
87
Wasser<br />
88<br />
Nach diesen Vorgaben hat sich zum Beispiel<br />
in den letzten Jahren eine Überwachungshäufi<br />
gkeit für die chemische Industrie bis zu<br />
24-mal je Messstelle, für die Stahl- und NE-<br />
Metallindustrie bis zu 12-mal und für Kraftwerke/Kühlwassereinleitungen<br />
bis zu 10mal<br />
je Messstelle ergeben.<br />
Die nachfolgende Tabelle 3 zeigt die notwendigen<br />
und vereinbarten Häufi gkeiten<br />
der Probenahmen an den Messstellen. Die<br />
erforderlichen Probenahmesollzahlen konnten<br />
für beide Aufsichtsbezirke bisher nahezu<br />
zu 100 % abgedeckt werden. Bei Nichtein-<br />
Bild 2 – Einleitung des Chemieparks Marl in die Lippe<br />
haltung der Überwachungswerte kann man<br />
keine Überwachungshäufi gkeiten nach statischen<br />
Gegebenheiten ermitteln. Hier können<br />
ebenfalls nur die Fachdezernate der<br />
StUÄ eine angemessene Häufi gkeit vorgeben,<br />
bis die Überwachungswerte wieder eingehalten<br />
werden. Im Falle der Erklärung<br />
nach § 4 Absatz 5 AbwAG ist die Einleitung<br />
während des Erklärungszeitraumes im Hinblick<br />
auf den erklärten verminderten Überwachungswert<br />
auf jeden Fall häufi ger zu<br />
überwachen. Die Häufi gkeit ist gegebenenfalls<br />
mit dem Landesumweltamt beziehungsweise<br />
mit den Fachdezernaten abzustimmen.<br />
Soll <strong>StUA</strong> Duisburg <strong>StUA</strong> <strong>Herten</strong><br />
Probenahmen Messstellen Probenahmen Messstellen Probenahmen<br />
1 4 4 1 1<br />
2 29 58 20 40<br />
3 0 2 6<br />
4 83 332 25 100<br />
6 49 294 19 114<br />
8 48 384 15 120<br />
10 1 10 0<br />
12 26 312 28 336<br />
18 7 126 0<br />
24 16 384 11 264<br />
Gesamtergebnis 263 1904 121 981<br />
Tabelle 3: Überwachungshäufi gkeiten der Probenahmestellen
Fazit<br />
Die Probenahme- und Laborkapazitäten im<br />
Staatlichen Umweltamt <strong>Herten</strong> sind aufgrund<br />
von Effektivierungsmaßnahmen in<br />
den Jahren 2002 bis 2004 bisher ausreichend,<br />
um die vorgegebenen Soll-Häufi gkeiten<br />
sowohl im kommunalen als auch im<br />
industriellen Abwasserbereich zu erfüllen.<br />
Im Rahmen der amtlichen Überwachung<br />
des <strong>StUA</strong> <strong>Herten</strong> wurden im Jahr <strong>2005</strong> insgesamt<br />
in 482 Fällen Messwerte ermittelt,<br />
die oberhalb der erfassten Grenzwerte lagen.<br />
Betroffen waren in 407 Fällen Überwachungswerte,<br />
in 27 Fällen Erklärte Werte<br />
nach § 6 AbwAG und in 27 Fällen Erklärte<br />
Werte nach § 4.6 AbwAG.<br />
Die aktuelle Beanstandungsquote für das<br />
Berichtsjahr <strong>2005</strong> und weitere interessante<br />
Ausführungen zu den Tätigkeiten des <strong>StUA</strong>-<br />
Labores fi nden sie in diesem <strong>Jahresbericht</strong><br />
unter dem Titel „Laborstatistik“.<br />
Zebrabärblinge im Dienste<br />
der Umwelt<br />
Michaela Lein und Daniel Nagelmeier<br />
Seit April <strong>2005</strong> führen wir im Staatlichen<br />
Umweltamt (<strong>StUA</strong>) <strong>Herten</strong> den Fischeitest<br />
mit Zebrabärblingen zur Untersuchung von<br />
Abwasserproben durch. Im Fischeitest nach<br />
DIN 38415-T6 wird die akut giftige Wirkung<br />
eines Abwassers nach 48 Stunden gegenüber<br />
Fischeiern vom Zebrabärbling (Danio<br />
rerio) in unterschiedlichen Verdünnungsstufen<br />
untersucht. Anhand folgender Parameter<br />
wird überprüft, ob ein nachteiliger<br />
(toxischer) Effekt auf die Fischeier vorliegt:<br />
• Ohne Schwanzablösung (siehe Bild 2)<br />
• Koaguliert (siehe Bild 3)<br />
• Ohne Herzschlag<br />
• Ohne Somiten (deutlich segmentiertes<br />
Embryonalgewebe, aus dem später<br />
die Wirbel der Wirbelsäule und die<br />
Skelettmuskulatur hervorgehen)<br />
Abbildung 1: Normal entwickelter Embryo<br />
Abbildung 2: Ohne Schwanzablösung.<br />
Abbildung 3: Ein so genanntes koaguliertes Ei, es ist<br />
in einem frühen Entwicklungsstadium<br />
abgestorben.<br />
Wasser<br />
89<br />
Zebrabärlinge im Dienst der Umwelt
Wasser<br />
90<br />
Die im Test eingesetzten Eier sind keine jederzeit<br />
verfügbaren Fertigprodukte. Sie müssen<br />
in eigener Zucht produziert und sofort verarbeitet<br />
werden. Da Zebrabärblinge Laichräuber<br />
sind, hat man in die Trickkiste der Aquaristik<br />
gegriffen, um an die Eier zu gelangen.<br />
Es wird eine Laichschale benutzt. Diese Schale<br />
aus Plastik ist mit einem mit Pfl anzenattrappen<br />
bestückten Edelstahlgitter nach oben hin<br />
abgedeckt. Die Fische werden durch die Pfl anzenattrappen<br />
dazu animiert über dem Gitter<br />
abzulaichen. Die Eier fallen durch das Gitter<br />
und sind vor den Fischen geschützt.<br />
Die Eier entwickeln sich schnell (alle 15 - 30<br />
Minuten neue Teilung) und werden im 4 - 32<br />
Zellstadium in die Proben überführt. Daher<br />
ist die Zahl der möglichen Teste pro Tag<br />
durch die Eimenge und durch die Entwicklungszeit<br />
der Eier begrenzt. Jedes eingesetzte<br />
Fischei wird optisch auf seine Qualität<br />
geprüft. Zusätzlich wird die Eicharge begleitend<br />
beim Test mit einer Referenzsubstanz<br />
und einer Blindprobe überwacht. Bei Einhaltung<br />
der Gültigkeitskriterien ist der Test<br />
nach 48 Stunden auswertbar.<br />
Der Fischeitest wird im <strong>StUA</strong> <strong>Herten</strong> im Rahmen<br />
des Projektes „Einführung des Fischeitests<br />
in Nordrhein-Westfalen (NRW)“ mit<br />
dem <strong>StUA</strong> Köln/Bonn durchgeführt. Anlass<br />
für dieses Untersuchungsvorhaben ist der<br />
Ersatz des Fischtestes durch den Fischeitest<br />
im Abwasserabgabengesetz und in der<br />
Abwasserverordnung im Jahr <strong>2005</strong>.<br />
Der „alte“ Fischtest ist aus tierschutzrechtlichen<br />
Gründen und schlechter Verfügbarkeit<br />
geeigneter Fische durch den Fischeitest<br />
abgelöst worden. Weil man die Ergebnisse<br />
von Fischtests nicht generell 1:1 auf den<br />
Fischeitest übertragen kann, wurde dieses<br />
Projekt ins Leben gerufen.<br />
Ziel dieses Projektes ist die Umstellung der<br />
wasserrechtlichen Einleiterbescheide von GF (Fischtest) auf G (Fischeitest) in NRW. Dazu<br />
Ei<br />
wird die Datenbasis für die unterschiedlichsten<br />
gewerblichen und industriellen Direkteinleiter<br />
in NRW erweitert.<br />
Mit Hilfe der Ergebnisse soll eine Grundlage<br />
für die Bescheidumstellungen sowie für die<br />
Entscheidung geschaffen werden, in welchem<br />
Umfang der Fischeitest zukünftig in NRW<br />
durchzuführen ist. Dies gilt insbesondere in<br />
Bezug auf kommunale Kläranlagen, die bis<br />
Ende 2004 noch nicht oder nur in sehr geringem<br />
Umfang bei den Untersuchungen mit<br />
dem Fischeitest berücksichtigt worden sind.<br />
Im Projekt werden deshalb möglichst viele<br />
Abwässer verschiedenster Herkunftsbereiche<br />
untersucht. Es wurden insgesamt 106 Messstellen,<br />
die mehr als 20 verschiedenen Herkunftsbereichen<br />
zuzuordnen sind, festgelegt.<br />
So werden auffällige Abwässer zum Beispiel<br />
aus den Bereichen der Chemischen Industrie,<br />
der Metallverarbeitung und oberirdischer<br />
Ablagerungen von Abfällen untersucht.<br />
Hierbei wurde deutlich, dass beispielsweise<br />
in Abwässern der Chemischen Industrie<br />
sowie in Abwässern von Deponien eine<br />
hohe Toxizität im Fischeitest vorkommen<br />
kann. Bei den bisher untersuchten Abwässern<br />
gibt es je nach Herkunftsbereich<br />
Ergebnisse von G = 1 (geringe Toxizität)<br />
Ei<br />
bis G = 32 (sehr hohe Toxizität).<br />
Ei
Im weiteren Verlauf des Projektes werden<br />
nun mehrfach auffällige Proben und der Einfl<br />
uss salzhaltiger Abwässer (erhöhte Toxizität)<br />
auf den Fischeitest untersucht. Im Juni<br />
2006 soll das Projekt abgeschlossen werden,<br />
so dass im Anschluss der Endbericht erstellt<br />
werden kann und der Fischeitest zukünftig<br />
erfolgreich in ganz NRW eingesetzt wird.<br />
Nich` alles watt schwatt<br />
iss, iss Russ<br />
Daniel Nagelmeier und Birgit Suer<br />
Anfang Oktober <strong>2005</strong> bekam das Dezernat<br />
42 (zuständig unter anderem für biologische<br />
Untersuchungen) den Auftrag, das<br />
Rätsel um drei Staubproben zu lösen. Anwohner<br />
an verschiedenen Orten entdeckten<br />
einen schwärzlichen Belag, der sowohl auf<br />
den Blättern von Bäumen (siehe Bild 1) als<br />
auch auf Gehwegen zu fi nden war. Die Herkunft<br />
dieses Belags war vor Ort nicht zu ermitteln.<br />
„Handelt es sich dabei um Staubemissionen<br />
aus industriellen Betrieben in der<br />
Nachbarschaft?“ und „Besteht möglicherweise<br />
eine Gesundheitsgefährdung für die<br />
Bevölkerung?“ Fragen, die es zu klären galt.<br />
Die Analyse unter dem Mikroskop zeigte bei<br />
geringer Vergrößerung Staub- und Sandkörner<br />
mit einer unbekannten schwärzlichen<br />
Substanz dazwischen. Erst bei 200-facher<br />
Vergrößerung wurden in der schwärzlichen<br />
Substanz Zellstrukturen sichtbar und so war<br />
klar, dass es sich um organische Bestandteile<br />
handelte. Eine Recherche im Internet<br />
brachte den entscheidenden Hinweis auf<br />
einen Pilz. Beim Vergleich der Bilder im Internet<br />
mit unseren Befunden hatten wir des<br />
Rätsels Lösung gefunden: den Sternrußtaupilz<br />
(siehe Bild 2:200-fach vergrößert)<br />
Die eigentliche Ursache des Befalls sind<br />
Blattläuse, die die zuckerhaltigen Pfl anzensäfte<br />
aufsaugen und dabei den so genannten<br />
Honigtau ausscheiden. Diese Honigtauausscheidungen<br />
werden häufi g von Rußtaupilzen<br />
besiedelt. Diese sind nicht gesundheitsschädlich,<br />
im Gegenteil: Bienen wandeln<br />
den schwärzlichen Honigtau in befallenen<br />
Waldgebieten in dunklen Waldhonig um.<br />
Der Sternrußtaupilz bevorzugt zum Wachstum<br />
längere Feuchtigkeitsperioden mit mehreren<br />
aufeinander folgenden kühlen Nächten.<br />
Befallene Blätter haben unregelmäßige<br />
violettbraune bis schwarze Flecken. Bei starkem<br />
Befall vergilben die Blätter und fallen<br />
ab, wodurch die Pfl anze geschwächt wird.<br />
Von trockenen Blättern kann das Pilzmaterial<br />
in die Umgebung verweht werden. Bei einem<br />
Sternrußtaupilzbefall im heimischen Garten<br />
besteht also kein Grund zur Sorge, ganz im<br />
Gegenteil, wer einen Bienenstock aufstellt,<br />
kann in die Waldhonigproduktion einsteigen.<br />
Denn:<br />
Nich` alles watt schwatt iss, iss Russ.<br />
Wasser<br />
91<br />
Nich` alles watt schwatt iss, iss Russ
Das Ende der Schlümpfe - Final SMURF Workshop<br />
Wasser<br />
92<br />
Das Ende der Schlümpfe -<br />
Final SMURF Workshop<br />
Harald Rahm<br />
Mit dem Abschluss-Workshop fand am 4. und<br />
5. Mai <strong>2005</strong> im Austin Court Kongresszentrum<br />
in Birmingham die letzte große Veranstaltung<br />
im Rahmen des SMURF- Projektes<br />
mit 125 Teilnehmern aus 7 Ländern statt.<br />
Die Abkürzung SMURF steht für Sustainable<br />
Management of Urban Rivers and Floodplains,<br />
also: Nachhaltige Bewirtschaftung<br />
urbaner Flüsse und Überschwemmungsgebiete;<br />
die Übersetzung von „Smurf“ lautet<br />
„Schlumpf“. SMURF war ein Drei-Jahres-<br />
Partnerschaftsprojekt, das von der Environment<br />
Agency(EA), also der führenden staatlichen<br />
Umweltaufsichtsbehörde von England<br />
und Wales initiiert wurde.<br />
Weitere Projektpartner waren die Stadtverwaltung<br />
Birmingham, der betroffene Wasserverband<br />
Severn Trent Water, die Softwareabteilung<br />
von HR Wallingford, die Universität<br />
Birmingham, das King’s College<br />
Birmingham und das Staatliche Umweltamt<br />
(<strong>StUA</strong>) <strong>Herten</strong>, auf dem Workshop vertreten<br />
durch Wolfgang Feldmann und Harald Rahm.<br />
Finanziell unterstützt wird SMURF durch das<br />
EU-LIFE-Umwelt Programm.<br />
Mittelpunkt des Projekts war der River Tame<br />
in den West Midlands - insbesondere<br />
das städtische Einzugsgebiet,<br />
das Birmingham<br />
und einen großen Teil der<br />
„Black Country“ genannten<br />
Region umfasst.<br />
Der River Tame ist ein typisches Beispiel für<br />
einen urbanen Fluss - verschmutzt, stark<br />
denaturiert und durch Verrohrung, Begradigung,<br />
Umleitung und Betonierung der<br />
Ufer überwiegend ohne natürliche Attribute<br />
- alles in allem sehr ähnlich der Emscher<br />
in Nordrhein-Westfalen.<br />
SMURF hatte sich zum Ziel gesetzt, die<br />
ökologischen Probleme des River Tame<br />
durch eine integrierte Planung und Bewirtschaftung<br />
in den Bereichen Flächennutzung,<br />
Wasserqualität, Ökologie und Überfl<br />
utung aufzugreifen. Die im Rahmen des<br />
SMURF-Projekts entwickelten Methoden<br />
sollten als Modell für andere Projekte bei<br />
ähnlichen Flüssen in Großbritannien und der<br />
Europäischen Union dienen.<br />
Der erste Workshoptag beschäftigte sich<br />
im Wesentlichen mit den Ergebnissen des<br />
SMURF-Projektes. Nach einer Begrüßung<br />
durch Marc Scott, den Projektleiter, gab<br />
Dr. David King, Leitender Direktor der Abteilung<br />
Wasserwirtschaft der EA, eine Einführung<br />
in das Thema. John Fitzsimons von der<br />
EA gab einen Überblick über das gesamte<br />
Projekt und stellte somit die im Folgenden<br />
dargestellten Ergebnisschwerpunkte in<br />
einen Rahmen.<br />
Angela Boitsidis stellte ein Konzept für die<br />
Bewertung urban geprägter Flüsse vor, das<br />
der Tatsache Rechnung tragen soll, dass
ein natürlicher Zustand nicht erreichbar ist.<br />
Bewertet werden im Wesentlichen Aspekte,<br />
die in Nordrhein-Westfalen als Gewässerstrukturgüte<br />
bezeichnet werden, darüber<br />
hinaus aber auch Vorkommen und Zustand<br />
von Wasserpfl anzen oder der Geruch und<br />
die Färbung des Gewässers. Die an dem<br />
Tame erarbeiteten Indikatoren wurden am<br />
Botic, einem 35 km langen Fluss in Prag und<br />
an Abschnitten der Emscher auf ihre Übertragbarkeit<br />
geprüft. Dabei stellte sich dann<br />
heraus, dass für die Emscher an ihren markantesten<br />
Stellen eine allerunterste Klasse<br />
neu eingeführt werden musste. Die bisher<br />
schlechteste Stufe für ein veralgtes, überdüngtes<br />
Gewässer wurde bei der Begehung<br />
unterboten durch Gewässerabschnitte der<br />
Emscher, in denen nicht einmal mehr Algen<br />
lebensfähig sind.<br />
Das zweite wesentliche Ergebnis des SMURF<br />
Projektes ist ein GIS-gestütztes Flussgebietsmodell,<br />
das von Andy Tagg, HR Wallingford,<br />
vorgestellt wurde. Auf einer ARC-MAP-<br />
Oberfl äche lassen sich zunächst die verschiedensten<br />
Daten zum Flussgebiet zusammenfassend<br />
darstellen: Probenahmestellen,<br />
Pegel, Regenwassereinleitungen, Überschwemmungsgebiete,<br />
Qualitätsdaten als<br />
Punkte und Bänder und alles, was sich sonst<br />
in eine Datenbank mit geografi schen Bezügen<br />
fassen lässt. Hierzu gehören auch die<br />
Ergebnisse des neu entwickelten Qualitätsindikator-Modells<br />
für städtische Gewässer.<br />
Des Weiteren ist ein Abfl ussmodell hinterlegt,<br />
das natürlichen Abfl uss, Regenwasserabschlag<br />
und Abwassereinleitungen umfasst,<br />
soweit eigentlich Standard für Fachsoftware.<br />
Ergänzend hierzu ist es nun über einen<br />
Szenario-Manager möglich, im beschriebenen<br />
Gebiet Veränderungen vorzunehmen<br />
und eine Aussage über die wahrscheinlichen<br />
Effekte zu bekommen. Im einfachsten Fall<br />
lässt sich berechnen wie sich eine CSB-Welle<br />
fortpfl anzt, wenn ein Tankwagen mit Milch<br />
am Gewässerrand verunglückt und ausläuft.<br />
Es lassen sich aber auch Flächen versiegeln<br />
oder Regenrückhaltebecken einbauen. Am<br />
weitesten fortgeschritten scheint mir die<br />
Modellierung der Auswirkung von Veränderungen<br />
am Habitat, zum Beispiel der Veränderung<br />
der Ufervegetation oder der Sedimentzusammensetzung.<br />
Während sich die<br />
Modellierungen des Abfl usses an zwei Beispieljahren<br />
kalibrieren ließen und die Modellrechnung<br />
anhand eines dritten Jahres mit<br />
gemessenen Daten überprüfbar ist, steht<br />
eine Verifi zierung der Modellierung von Habitatveränderungen<br />
noch aus.<br />
Abschließend berichtet AJ Gray, die im Auftrag<br />
der Universität Birmingham die Öffentlichkeitsbeteiligung<br />
für das SMURF-Projekt<br />
begleitet hatte, über ihre Arbeit. In verschiedenen<br />
Stadtteilen entlang des Tame<br />
wurden Schulen, öffentliche Interessensverbände<br />
und extra für das Projekt gegründete<br />
Bürgergruppen an den Möglichkeiten<br />
Wasser<br />
93
Wasser<br />
94<br />
der Sanierung von Gewässerabschnitten<br />
beteiligt. Nach einer Orientierungsphase, in<br />
der die Beteiligten sammelten, was ihnen<br />
an einem Gewässer wichtig ist, wurden die<br />
Pläne der Ingenieure von EA und Stadtverwaltung<br />
für kleine Sanierungsabschnitte besprochen<br />
und das technisch Machbare mit<br />
dem Gewünschten abgeglichen.<br />
Es resultierte im Rahmen des SMURF-Projektes<br />
der Umbau eines zirka 500 m langen<br />
Gewässerabschnittes in einem als Überfl<br />
utungsfl äche genutzten öffentlichen Park.<br />
Der geradlinig eingedeichte Verlauf wurde<br />
zu einem breiteren, teilweise begehbaren<br />
Flussbett mit zwei Schleifen und einem bei<br />
Niedrigwasser variierenden Flussbett um<br />
gebaut. Hiervon konnten sich die Workshop-<br />
Teilnehmer am späten Nachmittag vor Ort<br />
selbst ein Bild machen. Positiv überraschend<br />
war hierbei die hohe ehrenamtliche Beteiligung<br />
von Bürgern bei der Umgestaltung;<br />
angefangen von einer Videodokumentation<br />
bis zur Pfl anzaktion an den neu aufgeschütteten<br />
Böschungen. Eher ambivalent<br />
zu betrachten ist die Mischung aus Naherholung<br />
und Ökologie im Resultat der Umgestaltung.<br />
Negativ ist zu vermerken, dass<br />
auch eine solch aufwändige Öffentlichkeitsarbeit<br />
keinen auch nur einigermaßen<br />
re- präsentativen Bevölkerungsausschnitt<br />
anzusprechen vermag.<br />
Am zweiten Konferenztag wurden weitere<br />
nationale und EU-Projekte zu ähnlichen Themen<br />
vorgetragen. Dies bot auch Gelegenheit<br />
über die Emscher und das Konzept und den<br />
Fortschritt der Emschersanierung zu referieren<br />
und einen Einblick in die Arbeitsweise in<br />
NRW zu geben. In den anschließenden Ar-<br />
beitsgruppen gab es einen regen Austausch<br />
über Arbeitsweisen, Handwerkszeug und Rahmenbedingungen<br />
in den verschiedenen Mitgliedsstaaten<br />
der EU und den Regionen Großbritanniens.<br />
Nach der Vorstellung der Arbeitsgruppenergebnisse<br />
im Plenum gab Geoff<br />
Petts, Professor an der Universität Birmingham<br />
einen Ausblick auf die mögliche Zukunft<br />
städtisch geprägter Gewässer und Neil Dancer,<br />
Abteilungsleiter der Stadtverwaltung und<br />
Vorsitzender der SMURF Steuerungsgruppe<br />
einen Ausblick auf die weitere Verwendung<br />
der mit SMURF erzielten Ergebnisse.<br />
Aus den drei Jahren Mitarbeit im SMURF-<br />
Projekt lässt sich zusammenfassend festhalten,<br />
dass sich die Arbeitsweisen von England<br />
und NRW deutlich unterscheiden. Mit<br />
den drei Millionen SMURF-Euro wurde einiges<br />
an grundsätzlicher Arbeit geschafft, wie<br />
die Grundlagen eines Indikator-Systems und<br />
eine α-Version einer Modellierungssoftware,<br />
in die sicher noch viel Arbeit zu stecken ist.<br />
Weiterhin wird in Großbritannien viel Wert<br />
auf Kommunikation gelegt, sowohl in fachlichen<br />
Gremien als auch mit der Öffentlichkeit.<br />
Das Workshop-Dinner mit allen Gästen<br />
und einem Redner (After-Dinner-Speaker)<br />
unterstreicht eine typisch britische Kultur.<br />
Doch in einer der Arbeitsgruppen meinte ein<br />
englischer Teilnehmer, es wäre doch schön,<br />
wenn man in England mal auf der Basis<br />
eines grundlegenden politischen Beschlusses,<br />
mit entsprechenden fi nanziellen Mitteln<br />
ein größeres Sanierungsprojekt auch wirklich<br />
umsetzen könnte – wie an der Emscher.<br />
Weiter Informationen zu SMURF fi nden sich<br />
im Internet unter:<br />
http://www.smurf-project.info
Abnahme der Standardlösung Dotierung des Reinstwassers mit Standardlösung Gekühlte Homogenisierung der Standard-Probe durch rühren<br />
Ein Kraftstoffzusatz unter<br />
der analytischen Lupe<br />
MTBE – Vergleichsuntersuchung<br />
Natalie Worku, Heike Berger<br />
und Dr. Harald Rahm<br />
Der Methyl-tert-butylether, kurz MTBE, gehört<br />
zu den bedeutendsten Kraftstoffzusätzen<br />
weltweit. MTBE fördert als sauerstoffhaltiger<br />
C -Kohlenwasserstoff den Verbren-<br />
5<br />
nungsprozess im Motor und ist mit einer<br />
hohen Oktanzahl ein gutes Antiklopfmittel.<br />
Superbenzine enthalten bis zu 15 Volumenprozent<br />
MTBE.<br />
Als Folge des verstärkten Einsatzes als<br />
Kraftstoffkomponente ist MTBE mittlerweile<br />
im Grundwasser und in Oberfl ächengewässern<br />
zu fi nden. MTBE hat eine hohe Wasserlöslichkeit<br />
(42 g/l bei 20 °C), eine sehr geringe<br />
Geruchsschwelle (20 μg/l) sowie einen<br />
charakteristischen Geschmack ab einer Konzentration<br />
von zirka 40 μg/l.<br />
Das Staatliche Umweltamt (<strong>StUA</strong>) <strong>Herten</strong><br />
wurde vom Ministerium für Umwelt und<br />
Naturschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz<br />
des Landes Nordrhein-Westfalen<br />
(MUNLV) beauftragt, eine Vergleichsuntersuchung<br />
zu MTBE zu organisieren. Dieser Artikel<br />
beschreibt Vorbereitung, Durchführung<br />
und Ergebnis der Vergleichsuntersuchung.<br />
Vorbereitung der<br />
Vergleichsuntersuchung im <strong>StUA</strong><br />
<strong>Herten</strong><br />
An zwei der im Labor vorhandenen GC-FIDs<br />
wurde eine Methode erstellt, um Versuche<br />
zur Vorbereitung der Vergleichsuntersuchung<br />
selbst durchführen zu können.<br />
Für die Vorversuche und Dotierung der Proben<br />
wurde MTBE als Reinsubstanz für die<br />
Gaschromatographie beschafft. Hieraus<br />
wurden eine Stammlösung und eine Zwischenverdünnung<br />
von MTBE in Methanol<br />
angesetzt.<br />
Zunächst wurde die Reproduzierbarkeit der<br />
Herstellung von Proben defi nierter Konzentration<br />
ermittelt. Es wurden zehn Lösungen<br />
separat angesetzt und vermessen. Alle<br />
Standards und Lösungen wurden im gekühlten<br />
Zustand (6 °C) abgefüllt und angesetzt.<br />
Der Standard wurde mit einer mittleren<br />
Wiederfi ndung von 98 % zum Kalibrierstandard<br />
und einer Streuung von 4 % um den<br />
Mittelwert wiedergefunden.<br />
Testlauf Vergleichsuntersuchung<br />
Die Gesamtprobe für die Herstellung der<br />
Proben für die Vergleichsuntersuchung wurde<br />
in einem 5-Liter-Behälter mit Auslaufhahn<br />
angesetzt. Der Behälter wurde während<br />
der MTBE- Dotierung und der Abfüllung<br />
der Flaschen mit Eis gekühlt. Vor der<br />
Wasser<br />
95<br />
Ein Kraftstoffzusatz unter der analytischen Lupe<br />
MTBE - Vergleichsuntersuchung
Luftblasenfrei Abfüllung der Probe Transportfertige Probenfl aschen Probenahmenstelle an der Lippe Probenahme des Lippewassers<br />
Wasser<br />
96<br />
eigentlichen Durchführung der Vergleichsuntersuchung<br />
wurde ein Testansatz mit einer<br />
Konzentration von 10,75 μg/l angesetzt. Ein<br />
Vorlauf von 250 ml und ein Nachlauf von<br />
2 x 500 ml wurden bei der Abfüllung der<br />
Proben zur Vergleichsuntersuchung jeweils<br />
verworfen. Für den Vorversuch wurden sie<br />
mit analysiert. Dazwischen liegen die Abfüllungen<br />
der Probenfl aschen für die Vergleichsuntersuchung.<br />
Für den Vorversuch wurden die Flaschen<br />
2, 5 und 8 an ein externes Labor zur Analyse<br />
gegeben, die übrigen Flaschen wurden<br />
selbst untersucht.<br />
Der Mittelwert für die eigenen Untersuchungen<br />
betrug 10,7 μg/l, für alle 9 abgefüllten<br />
Flaschen 10,4 μg/l mit einer Streuung von<br />
5 % um den Mittelwert. Die Wiederfi ndung<br />
lag im Mittel bei 99,3 % (97,1 %). Aufgrund<br />
dieser guten Übereinstimmung wurde die<br />
Herstellung der Proben für die Vergleichsuntersuchung<br />
in Angriff genommen.<br />
Stabilität der verteilten Proben<br />
Um die mögliche Veränderung der im Rahmen<br />
der Vergleichsuntersuchung verteilten<br />
Proben beschreiben zu können, wurde aus<br />
einer überzähligen Flasche der Probe 1 am<br />
31.08.<strong>2005</strong> und am 13.09.<strong>2005</strong> MTBE gemessen.<br />
Die Probe wurde in der Zwischenzeit<br />
absichtlich bei Tageslicht und Raumtemperatur<br />
gelagert, um maximale Veränderungen<br />
bewerten zu können.<br />
Messung am 31.08.<strong>2005</strong> 11,5 μg/l MTBE<br />
Messung am 13.09.<strong>2005</strong> 11,9 μg/l MTBE<br />
Eine für die Vergleichsuntersuchung relevante<br />
Veränderung der Konzentration<br />
konnte auch unter ungünstigen Lagerungsbedingungen<br />
nicht festgestellt werden.<br />
Vergleichsuntersuchung<br />
Am 29.08.<strong>2005</strong> wurden 3 Proben für die<br />
Vergleichsuntersuchung angesetzt und abgefüllt.<br />
Die Proben standen den Staatlichen<br />
Umweltämtern, dem Landesumweltamt<br />
Essen und zwei Privatlaboren ab 12:00 Uhr<br />
zur Verfügung. Die 250 ml-Braunglasfl aschen<br />
mit Schliffstopfen wurden luftblasenfrei<br />
gefüllt und bei 4 °C gelagert. Folgende<br />
Proben wurden verteilt:<br />
Probe 1: Standard in Wasser<br />
Probe 2: Gewässerprobe Lippe<br />
Probe 3: Gewässerprobe + Standard<br />
Soll 10,75 μg/l Konzentration [μg/l] Wiederfi ndungsrate %<br />
Vorlauf (250ml) 9,275 86,28<br />
Flasche/ Abfüllung 1 10,190 94,79<br />
Flasche/ Abfüllung 2 9,900 92,09<br />
Flasche/ Abfüllung 3 10,796 100,43<br />
Flasche/ Abfüllung 4 11,460 106,60<br />
Flasche/ Abfüllung 5 9,800 91,16<br />
Flasche/ Abfüllung 6 10,307 95,88<br />
Flasche/ Abfüllung 7 11,075 103,03<br />
Flasche/ Abfüllung 8 10,200 94,88<br />
Flasche/ Abfüllung 9 10,217 95,04<br />
Nachlauf 1 (500ml) 10,480 97,49<br />
Nachlauf 2 (500ml) 11,018 102,49<br />
Tabelle 2: Testlauf Vergleichsuntersuchung (Ergebnisse 2, 5, 8 externes Labor)
Probenahme des Lippewasser in gekühlten Behälter Dotierung des Lippewassers vor Ort Homogenisierung und Abfüllung der dotierten Lippeprobe<br />
Die Analysenergebnisse und eine kurze Beschreibung<br />
des Messverfahrens wurden bis<br />
22.09.<strong>2005</strong> gesammelt, zusammengestellt<br />
und ausgewertet.<br />
Auswertung<br />
Ausgewertet wurden der Labormittelwert,<br />
die Standardabweichung für das Labor, der<br />
Gesamtmittelwert und die Standardabweichung<br />
des Gesamtmittelwertes.<br />
Für jedes Labor wurde mit Bezug auf den<br />
Gesamtmittelwert und den Sollwert (Konzentration<br />
des Standards) der z-score analog<br />
ISO Guide 43 errechnet. Für die maximal<br />
zulässige Abweichung wurden 10 %<br />
des Mittelwertes/Sollwertes eingesetzt, um<br />
der relativ kleinen Teilnehmerzahl Rechnung<br />
zu tragen.<br />
Alternativ wäre die Standardabweichung des<br />
ausreißerbereinigten Datenpools möglich<br />
gewesen, diese hätte 10 % aber auch nicht<br />
übersteigen dürfen.<br />
Ergebnisse<br />
Die Gesamtmittelwerte der dotierten Proben<br />
1 und 3 liegen oberhalb der Sollkonzentration.<br />
Die Einzelergebnisse streuen für<br />
Grafi sche Darstellungen der Einzelergebnisse<br />
den reinen Standard zirka 20 % um den<br />
Gesamtmittelwert, für das Lippewasser und<br />
das dotierte Lippewasser um rund 15 %.<br />
Die Z-Scores wurden mit Bezug auf den Mittelwert,<br />
bei den dotierten Proben auch mit<br />
Bezug auf den Sollwert berechnet und den<br />
jeweiligen Laboren mitgeteilt. Sie haben<br />
aufgrund der kleinen Teilnehmermenge<br />
nur orientierenden Charakter. Von den 50<br />
berechneten Z-Scores weisen zehn eine<br />
starke Abweichung (lzl > 2) vom Bezugswert<br />
auf, neun davon sind Überbefunde.<br />
Erste Bewertung<br />
Die Vergleichsuntersuchung wurde mit den<br />
verschiedensten Geräten, Aufgabe- und<br />
Detektionsmethoden durchgeführt. Für eine<br />
Vergleichsuntersuchung mit nicht genormten,<br />
frei wählbaren Analyseverfahren ist<br />
ein durchaus zufrieden stellendes Ergebnis<br />
erzielt worden, auch wenn für den Standard<br />
(P1) min- und max-Wert um den Faktor 2<br />
auseinander liegen.<br />
Die Vergleichsuntersuchung liefert Hinweise<br />
für eine vertiefte Diskussion in den Arbeitskreisen<br />
und Fachgruppen der Staatlichen<br />
Umweltlabore.<br />
Wasser<br />
97
Die Fossa Eugeniana und das PCB<br />
Wasser<br />
98<br />
Die Fossa Eugeniana und<br />
das PCB<br />
Harald Rahm<br />
Oft wird für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter<br />
des Labors nicht ersichtlich, welche<br />
Konsequenzen eine Messung haben kann.<br />
Man misst und sieht keine Erfolge. Dass es<br />
auch anders gehen kann und politisch brisante,<br />
öffentlichkeitswirksame Umweltprobleme<br />
offensiv und in konstruktiver Zusammenarbeit<br />
der Beteiligten abgewickelt werden<br />
können, zeigt das beispielhafte Vorgehen<br />
an einem Gewässer des linken Niederrheins,<br />
das seit Jahrzehnten als Vorfl ut für<br />
Grubenwassereinleitungen benutzt wird.<br />
Im Herbst 2004 hatte das Staatliche Umweltamt<br />
<strong>Herten</strong> im Rahmen der Gewässeruntersuchungen<br />
im Dienstbezirk des Staatlichen<br />
Umweltamtes Duisburg im Schwebstoff<br />
der Fossa Eugeniana und im Rheinberger<br />
Altrhein hohe PCB-Konzentrationen festgestellt,<br />
die auf die Einleitungen der Grubenwässer<br />
des Bergwerkes West zurückzuführen<br />
waren. PCBs (Polychlorierte Biphenyle)<br />
wurden bis in die 80-er Jahre als unbrennbare<br />
Trafoöle und als Hydraulikfl üssigkeit<br />
eingesetzt, bis man feststellte, dass sie<br />
gerade wegen dieser Stabilität auch in der<br />
Umwelt nicht abgebaut werden. Im Fettgewebe<br />
von Mensch und Tier angereichert,<br />
führen sie zu chronischen Toxizitäten.<br />
Unter Federführung der Bezirksregierung<br />
Düsseldorf wurde mit den zuständigen Behörden<br />
(zusätzlich zu den oben Genannten<br />
waren dies die Bezirksregierung Arnsberg,<br />
das Bergamt Moers, der Kreis Wesel, die<br />
Stadt Rheinberg und das Landesumweltamt<br />
Nordrhein-Westfalen) sowie der Deutschen<br />
Steinkohle (DSK) und der Linksniederrheinischen<br />
Entwässerungs-Genossenschaft<br />
(LINEG) ein Konzept zur Reduzierung der<br />
PCB-Belastung erarbeitet.<br />
Nachdem die Deutsche Steinkohle in einem<br />
ersten Schritt untertägig die Belastungsschwerpunkte<br />
ermittelt hatte, wurden dort<br />
Maßnahmen zur Reduzierung der PCB-Gehalte<br />
eingeleitet. Besonders hoch PCB-haltige<br />
Grubenwasserströme werden Untertage<br />
zusammengeführt und teilweise in alten<br />
Untertägige Wasserwege im<br />
Bergwerk West
Streckensystemen belassen; Sumpf- und<br />
Absetzstrecken werden häufi ger gereinigt,<br />
so dass mehr Absetzvolumen zur Verfügung<br />
steht. Das geräumte belastete Sediment<br />
verbleibt dann Untertage. Begleitet wird dies<br />
durch organisatorische Maßnahmen, um den<br />
punktuellen Austrag von PCB zu reduzieren.<br />
Die Bergleute wurden gezielt über die Problematik<br />
informiert. Ereignisse wie Leckagen<br />
von Rohrleitungen, Reinigungsmaßnahmen<br />
an Absetzbecken et cetera werden in einem<br />
speziellen Tagebuch vermerkt.<br />
Die obertägigen Absetzbecken für das Grubenwasser,<br />
die von der LINEG betrieben<br />
werden, werden nun in engeren Zeitabständen<br />
geleert. An den Abfl üssen sorgen mittlerweile<br />
schwimmende Auslässe für einen<br />
vergleichmäßigten, schwebstoffärmeren Abschlag<br />
ins Gewässer. Zur weiteren Reduzierung<br />
der PCB-Einträge hat die LINEG Gutachten<br />
in Auftrag gegeben, um den Betrieb<br />
der Grubenwasserbecken zu optimieren.<br />
Für den Fall, dass die oben genannten Maßnahmen<br />
nicht ausreichend sind, lassen DSK<br />
und LINEG parallel dazu gutachtlich prüfen,<br />
inwieweit mit modernsten Reinigungsverfah-<br />
ren die PCB-Belastung der Sümpfungswässer<br />
bis hin zur Einhaltung des Gewässerqualitätsziels<br />
reduziert werden kann.<br />
Die einzelnen Maßnahmen wurden begleitet<br />
von einem Untersuchungsprogramm der<br />
DSK-Untertage um die Schwerpunkte der<br />
Belastungen zu fi nden und einem Untersuchungsprogramm<br />
der LINEG an den Grubenwasserbecken<br />
sowie im Gewässer zwischen<br />
den verschiedenen Einleitungen. Die<br />
Modalitäten aller Messungen von DSK und<br />
LINEG wurden zwischen den beteiligten<br />
Laboren und dem Labor des <strong>StUA</strong> <strong>Herten</strong><br />
abgesprochen, da den Besonderheiten der<br />
Umgebung Rechnung getragen werden<br />
musste und die Ergebnisse anschließend mit<br />
der Behördlichen Überwachung zusammengeführt<br />
werden sollen. Beide Programme<br />
dauern an und haben bisher gezeigt, dass<br />
die in 2004 gemessenen hohen PCB-Konzentrationen<br />
im Gewässer von bis zu 1.600<br />
Mikrogramm/kg (μg/kg) Trockensubstanz<br />
(TS) je PCB-Kongener in den meisten Fällen<br />
auf deutlich unter 80 μg/kg TS reduziert<br />
werden konnten. Trotz der Reduzierung<br />
um zirka 95 % liegen diese Werte nach<br />
Grubenwassereinleitungen<br />
im Gebiet des Rheinberger<br />
Altrheins und seiner Zufl üsse<br />
Wasser<br />
99
Wasser<br />
100<br />
wie vor oberhalb des Gewässerqualitätsziels<br />
von 20 μg/kg TS. Im Herbst <strong>2005</strong> haben die<br />
StUÄ <strong>Herten</strong> und Duisburg ein neues Messprogramm<br />
für Gewässer und Schwebstoffe<br />
begonnen, um die Erfolge der Sanierungsmaßnahmen<br />
behördlicherseits zu bestätigen.<br />
Das LUA untersucht parallel die Sedimente<br />
in größerem Umfang. Die gesamten<br />
Untersuchungen, Begutachtungen und Maßnahmen<br />
der LINEG und der DSK einschließlich<br />
der umfassenden amtlichen Gewässerqualitätsuntersuchung<br />
sollen im März 2006<br />
abgeschlossen sein. Die Ergebnisse werden<br />
Anfang April vorgestellt und bewertet. Die<br />
Bezirksregierung Düsseldorf wird danach<br />
unter Beteiligung der eingerichteten Arbeitsgruppe<br />
ein Maßnahmenpaket zur Erreichung<br />
des Qualitätszieles im Rheinberger Altrhein<br />
und Fossa Eugeniana erstellen.<br />
Meines Wissens stellt dieses Programm die<br />
umfangreichste Maßnahme dar, die bisher<br />
zur Erreichung eines Gewässerqualitätsziels<br />
der Wasserrahmenrichtlinie getroffen<br />
wurde. In den Gesprächen mit allen Betroffenen<br />
ist jedoch bei allem guten Willen ein<br />
grundsätzliches Problem offen geblieben:<br />
Das Instrumentarium des Wasserrechtes ist<br />
nicht geeignet, den Zielsetzungen der Wasserrahmenrichtlinie<br />
in allen Punkten gerecht<br />
zu werden. Klassischerweise werden im<br />
Wasserrecht Konzentrationen in der wässrigen<br />
Phase oder Frachten für die Einleitung<br />
bestimmter Stoffe in ein Gewässer begrenzt.<br />
Für die Sicherstellung der Einhaltung von<br />
Qualitätszielen wird dann in der Regel eine<br />
Mischungsrechnung durchgeführt. Das Qualitätsziel<br />
für PCB bezieht sich aber auf die<br />
Konzentration im Schwebstoff. Dieser wird<br />
aus einer beliebig großen Wassermenge<br />
gewonnen. Die Reduzierung des Eintrages<br />
von PCB-belasteten Kohlepartikeln in der<br />
Fracht wirkt sich deshalb nur bedingt auf<br />
die Konzentration des aus dem Gewässer<br />
gewonnenen Schwebstoffes aus, insbesondere<br />
wenn das Gewässer selbst nur wenig<br />
eigene, unbelastete Schwebstoffe enthält.<br />
Die für den Bereich der Fossa gefundenen<br />
Lösungen dürften demnach für die Zukunft<br />
Modellcharakter für die Maßnahmenpläne<br />
nach WRRL in anderen Bereichen haben.<br />
Messstellen der<br />
behördlichen Überwachung<br />
im Einzugsgebiet des<br />
Rheinberger Altrheins und<br />
seiner Zufl üsse
Prioritäre Stoffe in<br />
Oberfl ächenwässern<br />
Dr. Friederike Vietoris<br />
- Qualitätsnormen, Monitoring,<br />
Relevanz -<br />
Mit der Verabschiedung der „Richtlinie<br />
2000/60/EG des Europäischen Parlaments<br />
und des Rates vom 23. Oktober 2000 zur<br />
Schaffung eines Ordnungsrahmens für<br />
Maßnahmen der Gemeinschaft im Bereich<br />
der Wasserpolitik“ (Wasserrahmenrichtlinie<br />
- WRRL) wurde ein neues Instrument<br />
geschaffen, das die Kontrolle der Gemeinschaft<br />
bezüglich gefährlicher Stoffe harmonisiert<br />
und weiter entwickelt. Wesentliches<br />
Ziel der Richtlinie ist die Erreichung eines<br />
„guten Zustandes“ der Gewässer. Dieser<br />
setzt sich beim Oberfl ächenwasser aus den<br />
Elementen „ökologischer Zustand“ und<br />
„chemischer Zustand“ zusammen.<br />
Das Erreichen des „guten chemischen Zustandes“<br />
ist für Oberfl ächengewässer vom<br />
Vorkommen und der Konzentration der „prioritären<br />
Stoffe“ im Gewässer abhängig. Artikel<br />
16 der WRRL fordert in diesem Zusammenhang<br />
bei Bedarf spezifi sche Maßnahmen<br />
zur schrittweisen Reduzierung von Einleitungen,<br />
Emissionen und Verlusten von prioritären<br />
Stoffen umzusetzen.<br />
Für die „prioritären gefährlichen Stoffe“<br />
sind Einleitungen, Emissionen und Verluste<br />
innerhalb von 20 Jahren zu beenden oder<br />
schrittweise einzustellen. Die Liste der prioritären<br />
und der prioritären gefährlichen<br />
Stoffe wurde mit der Entscheidung Num-<br />
mer 2455/2001/EG des Europäischen Parlamentes<br />
und des Rates vom 20.11.2001<br />
festgelegt. Sie umfasst insgesamt 33 Stoffe<br />
beziehungsweise Stoffgruppen und ist als<br />
Anhang X in der WRRL enthalten.<br />
Bis zum 22. Dezember 2006 sind für diese<br />
Stoffe einheitliche EU-Umweltqualitätsnormen<br />
festzulegen. Hierfür schlägt die<br />
Kommission - gemäß Artikel 16 der WRRL<br />
- Qualitätsnormen für die Konzentrationen<br />
der prioritären Stoffe in Oberfl ächenwasser,<br />
Sedimenten oder Biota vor. Für weitere<br />
Schadstoffe von nicht unbedingt europaweiter<br />
Bedeutung müssen die Staaten selbst<br />
Umweltqualitätsnormen festsetzen, wenn<br />
diese Stoffe in einem ihrer Gewässer eine<br />
signifi kante Konzentration erreichen.<br />
Sollte es bis Ende 2006 keine Einigung<br />
bezüglich der prioritären Stoffe auf Gemeinschaftsebene<br />
geben, legen die Mitgliedsstaaten<br />
selbst entsprechende Umweltqualitätsnormen<br />
fest. Zurzeit steht ein entsprechender<br />
Richtlinienentwurf der Kommission<br />
noch aus, jedoch wird ein Entwurf im<br />
Januar 2006 erwartet, der Qualitätsnormen<br />
für Oberfl ächengewässer enthalten wird.<br />
Bisher liegt ein inoffi zieller Entwurf einer<br />
Tochterrichtlinie zu prioritären Stoffen vor,<br />
der entsprechende Qualitätsnormvorschläge<br />
enthält. Darüber hinaus steht seit November<br />
<strong>2005</strong> die turnusmäßige Überprüfung der<br />
Liste prioritärer Stoffe an.<br />
Die WRRL stellt zudem Anforderung an das<br />
Monitoring der prioritären Stoffe in Oberfl<br />
ächengewässern: jeder Mitgliedsstaat ist<br />
verpfl ichtet die prioritären Stoffe in allen<br />
relevanten Wasserkörpern zu untersuchen<br />
Wasser<br />
101<br />
Prioritäre Stoffe in Oberfl ächenwässern
Wasser<br />
102<br />
und die Einhaltung der noch festzulegenden<br />
Qualitätsnormen zu überprüfen. Analytische<br />
Methoden sind hierfür nicht explizit<br />
genannt, jedoch wird in der Richtlinie auf<br />
die entsprechenden CEN/ISO Standards verwiesen.<br />
CEN/TC 230 führte eine europaweite<br />
Umfrage bei Laboren zur Leistungsfähigkeit<br />
der existierenden Normverfahren für die Analyse<br />
von prioritären Stoffen nach WRRL durch.<br />
Diese ergab, dass bei Nutzung europäischer<br />
beziehungsweise internationaler Standards für<br />
zirka 90 % der prioritären Stoffe eine Überwachung<br />
der vorgeschlagenen Qualitätsnormen<br />
möglich wäre (Lepom et al. <strong>2005</strong>). Analytische<br />
Standards existieren für alle Parameter<br />
mit Ausnahme der C10-13 Chloroalkane.<br />
Jedoch gibt es Probleme für einige Substanzen<br />
hinsichtlich der Bestimmungsgrenze im<br />
Vergleich zu den vorgeschlagenen Qualitätsnormen<br />
(unter anderem Hexachlorbutadien,<br />
polybromierte Diphenylether, Tributylzinnverbindungen).<br />
Eine Umfrage in den Bundesländern<br />
ergab ein ähnliches Bild.<br />
Die Analytik für die prioritären Stoffe ist<br />
überwiegend anwendungsbereit. Jedoch<br />
wurde neben den bei der CEN-Umfrage benannten<br />
Problemen auch darauf verwiesen,<br />
dass die seitens der Kommission zurzeit<br />
vorgeschlagenen Qualitätsnormen für die<br />
Schwermetalle im unteren Anwendungsbereich<br />
der Methoden liegen. Gegenwärtig<br />
wird eine Kommissionsentscheidung vorbereitet,<br />
in der relevante Aspekte der Qualitätssicherung<br />
des chemischen Monitorings<br />
verbindlich geregelt werden sollen. Kernpunkte<br />
sind Anforderungen an die Bestimmungsgrenze/untere<br />
Anwendungsgrenze<br />
sowie die Messunsicherheit der Verfahren.<br />
Weiterhin wird ein Qualitätsmanagement<br />
der Laboratorien gemäß ISO 17025 sowie<br />
eine erfolgreiche Teilnahme an Ringversuchen<br />
gefordert. Im Rahmen dieser Kommissionsentscheidung<br />
ist weiterhin vorgesehen,<br />
die Einhaltung/Überschreitung von Umweltqualitätsnormen<br />
zu regeln. Weiterhin befi ndet<br />
sich auf EU-Ebene ein Leitfaden zum<br />
chemischen Monitoring in Vorbereitung. Dieser<br />
Leitfaden wird grundlegende Hinweise<br />
und Erläuterungen zu den wesentlichen<br />
Aspekten des Monitoringdesigns und der<br />
Analytik enthalten. Hierbei wird auf bereits<br />
vorhandene Leitlinien und Dokumente<br />
zurückgegriffen werden. Ein erster Entwurf<br />
des Leitfadens soll im März 2006 vorliegen.<br />
Neben den Entwicklungen auf EU-Ebene werden<br />
parallel auf LAWA- wie auf Länderebene<br />
Vorgaben für das Monitoring der Oberfl ächengewässer<br />
und des Grundwassers entwickelt.<br />
Diese enthalten auch Vorgaben für die prioritären<br />
Stoffe. Die Relevanz der einzelnen prioritären<br />
Stoffe für die Gewässer in Deutschland<br />
und speziell in Nordrhein-Westfalen (NRW)<br />
ist sehr unterschiedlich. Dies zeigt das Ergebnis<br />
einer Abfrage bei den Bundesländern über<br />
die LAWA in <strong>2005</strong>. Teilweise deut-liche Überschreitungen<br />
der bestehenden Qualitätsziele<br />
oder vorgeschlagenen Qualitätsnormen sind<br />
bundesweit wie auch in NRW unter anderem<br />
bei folgenden Stoffen festzustellen:<br />
• PAK’s,<br />
• Pfl anzenschutzmittel Diuron und<br />
Isoproturon,<br />
• Schwermetalle Blei, Quecksilber, Nickel<br />
und Cadmium.
Dagegen liegen unter anderem für die<br />
folgenden Substanzen bundesweit entweder<br />
(fast) keine Überschreitungen der bestehenden<br />
Qualitätsziele oder vorgeschlagenen<br />
Qualitätsnormen vor oder die Überschreitungen<br />
beruhen auf lokal begrenzten<br />
Problemen:<br />
• Benzol,<br />
• Hexachlorbutadien,<br />
• 1,2-Dichlorethan, Dichlormethan,<br />
Trichlormethan<br />
• Trichlorbenzole, Pentachlorbenzol,<br />
• Pentachlorphenol<br />
Die Monitoringergebnisse im Dienstbezirk<br />
des Staatlichen Umweltamtes <strong>Herten</strong> aus<br />
2004 und <strong>2005</strong> weisen vor allem für die folgenden<br />
prioritären Stoffe Überschreitungen<br />
der vorgeschlagenen Qualitätsnormen aus:<br />
Im Arbeitsgebiet Emscher: vor allem Cadmium,<br />
Nickel, Blei, Quecksilber, PAK’s<br />
Im Arbeitsgebiet Lippe und Ijsselmeer-<br />
Zufl üsse/NRW: vor allem Nickel, Blei,<br />
Diuron, Isoproturon<br />
Nach wie vor bestehen Datenlücken, die<br />
innerhalb der nächsten Jahre zu schließen<br />
sind. Ursachen hierfür sind neben fehlenden<br />
Monitoringdaten auch fehlende oder qualitativ<br />
nicht ausreichende Analyseverfahren<br />
(siehe oben).<br />
Sind im Monitoring Überschreitungen der<br />
Qualitätsnormen für prioritäre Stoffe im<br />
Oberfl ächengewässer festgestellt worden,<br />
sind bereits jetzt für die Ermittlung der<br />
Ursachen unter Anderem folgende Punkte<br />
zu prüfen:<br />
• Einleitungserlaubnisse und<br />
Einleiterüberwachung bei gewerblichen<br />
Direkteinleitern;<br />
• Belastungen aus kommunalen<br />
Abwasseranlagen;<br />
• Verwendung des jeweiligen Stoffes<br />
als Pfl anzenschutzmittelwirkstoff im<br />
jeweiligen Einzugsgebiet;<br />
• Vorliegen von geogenen<br />
Vorbelastungen;<br />
• Vorliegen von Altlasten, die das<br />
Gewässer beeinfl ussen;<br />
• Vorliegen von grenzüberschreitenden<br />
Vorbelastungen (zum Beispiel<br />
Oberlieger).<br />
Im Folgenden sind dann spezifi sche Maßnahmen<br />
zur schrittweisen Reduzierung von<br />
Einleitungen, Emissionen und Verlusten von<br />
prioritären Stoffen umzusetzen. Für prioritär<br />
gefährliche Stoffe sind Einleitungen, Emissionen<br />
und Verluste innerhalb von 20 Jahren<br />
zu beenden oder schrittweise einzustellen.<br />
Somit sind die Regelungen zu den prioritären<br />
Stoffen wichtige Elemente der WRRL,<br />
die in der zurzeit bereits laufenden Monitoringphase<br />
wie auch in den zukünftigen<br />
Maßnahmen zu berücksichtigen sind. Bestehende<br />
Datenlücken sind zu schließen sowie<br />
die Belastung mit prioritären Stoffen in den<br />
Gewässern schrittweise zu reduzieren, um<br />
den guten chemischen Zustand zu erreichen.<br />
Literatur:<br />
[ 1 ] P. LEPOM, U. BORCHERS and G. HANKE<br />
(<strong>2005</strong>): PRIORITY SUBSTANCE MONITORING<br />
– ARE THE EXISTING EUROPEAN STANDARD<br />
METHODS FIT FOR PURPOSE<br />
Proceedings of the 9th International<br />
Conference on Environmental Science and<br />
Technology, Rhodes Island, Greece,<br />
1-3 September <strong>2005</strong>, p. 357.<br />
Wasser<br />
103
Von Daten und Enten - Laborstatistik <strong>2005</strong><br />
Wasser<br />
104<br />
Von Daten und Enten<br />
– Laborstatistik <strong>2005</strong><br />
Dr. Harald Rahm<br />
Ein Mensch, der von Statistik hört,<br />
denkt dabei nur an Mittelwert.<br />
Er glaubt nicht dran und ist dagegen,<br />
ein Beispiel soll es gleich belegen:<br />
Ein Jäger auf der Entenjagd<br />
hat einen ersten Schuss gewagt.<br />
Der Schuss, zu hastig aus dem Rohr,<br />
lag eine gute Handbreit vor.<br />
Der zweite Schuss mit lautem Krach<br />
lag eine Handbreit nach.<br />
Der Jäger spricht ganz unbeschwert<br />
voll Glauben an den Mittelwert:<br />
Statistisch ist die Ente tot.<br />
Doch wär` er klug und nähme Schrot<br />
-dies` sei gesagt, ihn zu belehrener<br />
würde seine Chancen mehren.<br />
Der Schuss geht ab, die Ente stürzt,<br />
weil Streuung ihr das Leben kürzt.<br />
Autor: Prof. Dr. H. P. List, Marburg<br />
Das Jahr <strong>2005</strong> kann in die Labor-Analen als<br />
das Jahr der Statistik eingehen. Was haben<br />
wir in diesem Jahr nicht alles an statistischen<br />
Methoden durchdacht. Mit dem verstärkten<br />
Engagement der Labore des Staatlichen<br />
Umweltamtes (<strong>StUA</strong>) und des Landesumweltamtes<br />
(LUA) in Richtung Akkreditierung<br />
haben sich in diesem Jahr alle Mitarbeiter<br />
mit den Methoden der Qualitätssicherung<br />
auch theoretisch auseinandergesetzt. Und<br />
das bedeutet Statistik; was hoffentlich beim<br />
Lesen des Artikels ein wenig klarer wird.<br />
Wenn im Labor auch nicht gewürfelt wird, so<br />
erkennt man doch spätestens bei der zweiten<br />
Messung desselben Parameters aus der<br />
gleichen Probenfl asche, dass sich die Ergebnisse<br />
unterscheiden (=der Schuss vor und<br />
hinter die Ente). Es gilt, die Präzision des<br />
Messverfahrens zu beschreiben. Dazu misst<br />
man am besten noch häufi ger. Aus einem<br />
genügend großen Datenkollektiv lässt sich<br />
dann die Streuung ermitteln (=Schrot).<br />
Zur Auswertung<br />
suche man<br />
den alten 10-DM-<br />
Schein, den mit<br />
dem netten älteren<br />
Herrn mit Mütze<br />
und Backenbart<br />
und übertrage seine Messwerte in die Formel,<br />
die auf dem Geldschein steht – die<br />
Gauß’sche Normalverteilung. Nun wissen wir<br />
mit 95 oder 99%iger Wahrscheinlichkeit, ob<br />
es Entenbraten gibt.<br />
Leider macht der Analytiker manchmal die<br />
Entdeckung, dass er besser mit dem Geldschein<br />
eine Ente kauft, da das begehrte<br />
Exemplar trotz 99%iger Sicherheit noch fl iegt.<br />
Zum Beispiel bei der Betrachtung des Messergebnisses<br />
eines zertifi zierten Standards:<br />
mit hoher Präzision daneben geschossen, den<br />
„wahren“ Wert verfehlt – ein beliebter Fehler<br />
in der Analytik. „Wahre“ Werte zur Kalibrierung<br />
in der Analytik sind Mangelware; ein<br />
Mangel an Wahrheit führt zu noch mehr Statistik:<br />
das Schlagwort hier heißt Validierung.<br />
Zwischen all dieser Statistik sind wir dann<br />
doch noch dazu gekommen einige Messwerte<br />
zu erzeugen – statistisch abgesichert
und zum Teil mit erheblichen Konsequenzen,<br />
wie sich an anderen Stellen in diesem <strong>Jahresbericht</strong><br />
nachlesen lässt.<br />
Im Jahr <strong>2005</strong> wurden insgesamt 4108 Probenahmeaufträge<br />
(PNA) erfolgreich abgewickelt.<br />
In weiteren 711 Fällen musste die Probenahme<br />
abgebrochen werden, weil zum Beispiel<br />
nicht genügend Ablauf vorhanden war.<br />
Diese relativ hohe Quote kommt durch eine<br />
große Anzahl von zu untersuchenden Niederschlagswassereinleitungen<br />
und diskontinuierlichen<br />
Einleitungen (Batchbetriebe,<br />
Kühlturmabschlämmungen, Rauchgasentschwefelungen,<br />
Neutralisationsanlagen, Sanitärbereich,<br />
und so weiter) zustande, die dementsprechend<br />
häufi g angefahren werden, um<br />
überhaupt 1-2 Proben/Jahr gewinnen zu können.<br />
63 % der PNA entfallen auf den Regierungsbezirk<br />
Düsseldorf, 37 % auf den Regierungsbezirk<br />
Münster (siehe Abbildung 1).<br />
Abbildung 1: Verteilung der Probenahmeaufträge auf die Regierungsbezirke<br />
Die Anzahl der PNA insgesamt ist im Vergleich<br />
zum Vorjahr deutlich gestiegen<br />
(+3,5 %), wobei die Zahl der abgebrochenen<br />
PNA um knapp 30 % gesenkt werden konnte.<br />
Das Jahr <strong>2005</strong> ist allerdings abweichend<br />
von den Vorjahren dadurch geprägt, dass<br />
die PNA im Labordateninformationssystem<br />
(LINOS) dazu verwendet wurden, die geographischen<br />
Positionen von Messstellen,<br />
Einleitungen und Anlage über GPS-Messungen<br />
neu zu erfassen. 286 PNA enthalten<br />
keine Überwachungsparameter, sondern nur<br />
GPS-Daten, da sich die Erfassung nicht mit<br />
einer Probenahme verbinden ließ.<br />
Somit ergibt sich zum Vorjahr eine leicht<br />
rückläufi ge Zahl echter Probenahmen.<br />
Neben den Fahrten zur GPS-Messung wurden<br />
in diesem Jahr eine Vielzahl von Kurierfahrten<br />
durch den Probenahmedienst geleistet.<br />
Neben dem stark ausgeweiteten Trans-<br />
Wasser<br />
105
Wasser<br />
106<br />
port von Proben zwischen den Ämtern im<br />
Rahmen der Analytik für die Wasserrahmenrichtlinie<br />
(WRRL), lag eine Vielzahl von Sonderproben<br />
an, deren Flaschen direkt nach<br />
der Probenahme auf verschiedene Labore<br />
verteilt werden mussten. Trotzdem konnten<br />
alle Messstellen aus der Abwasserüberwachung<br />
entsprechend der vorgegebenen<br />
Häufi gkeit angefahren werden.<br />
Die Bearbeitungszeit für Proben, die im Jahr<br />
<strong>2005</strong> freigegeben wurden, lag zwischen<br />
0,5 und 455 Tagen mit einem Mittelwert von<br />
54 Tagen. „Führend“ sind in diesem Bereich<br />
die Proben mit biologischen Gewässeruntersuchungen,<br />
die erst nach der Probenahme-Saison<br />
ausgewertet werden können. Insbesondere<br />
im Übergang zur Bewertung nach AQEM<br />
(Software zur Berechnung der ökologischen<br />
Qualität von Fließgewässern) sind Auswertungen<br />
nicht abgeschlossen worden, weil Festlegungen<br />
zu Berechnungsweisen ausstanden.<br />
Die kürzesten Zeiten sind für reine Abwassermengenmessungen,<br />
GPS-Messungen und<br />
einige Sonderproben erreicht worden.<br />
Im Regierungsbezirk Münster wurden<br />
883 Abwasser-Probenahmen durchgeführt,<br />
das sind 4 % mehr als im Vorjahr.<br />
Die Anzahl der Probenahmen von Grundwasser<br />
wurde zwar um 5 auf 102 erhöht,<br />
erreicht aber damit noch lange nicht das<br />
Niveau von 1997 bis 2002.<br />
Das Messnetz soll im kommenden Jahr<br />
für die Betrachtung der Grundwasserkörper<br />
entsprechend den Anforderungen der<br />
Wasserrahmenrichtlinie angepasst werden.<br />
Hieraus wird sich gegebenenfalls weiterer<br />
Bedarf entwickeln. Die Anzahl der Probenah-<br />
men aus Oberfl ächengewässern inklusive<br />
„Intern Biologie“ ist gegenüber dem Vorjahr<br />
zugunsten der Untersuchungen im Dienstbezirk<br />
des Staatlichen Umweltamt Duisburg<br />
um etwa 12 % zurückgegangen.<br />
Die Anzahl der untersuchten Feststoffproben<br />
befi ndet sich auf konstant hohem Niveau<br />
und wird im Wesentlichen durch Staubmessungen<br />
bestritten. Die Sonderproben, die<br />
unter Flüssigkeiten summiert sind, sind zum<br />
größten Teil die PNA zur GPS-Ermittlung.<br />
Für den Regierungsbezirk Düsseldorf blieb<br />
die Anzahl der durchgeführten Abwasserprobenahmen<br />
mit 1520 (-1 %) relativ konstant.<br />
Die Anzahl der Grundwasserbeprobung fi el<br />
um 11 PNA geringer aus als im Vorjahr. Ein<br />
Teil des für <strong>2005</strong> vorgesehenen Programms<br />
war bereits in 2004 begonnen worden. Die<br />
Steigerung im Bereich Oberfl ächenwasserproben,<br />
die bereits 2002 begonnen hat,<br />
wurde mit einem Plus von 47 PNAs (17 %)<br />
gegenüber 2004 noch fortgesetzt.<br />
Für die Feststoffproben gilt das oben<br />
Gesagte hinsichtlich der Staubproben. Anzumerken<br />
ist hier, dass der Wechsel der Bergerhoff-Gefäße<br />
durch das <strong>StUA</strong> Duisburg<br />
selbst erfolgte. Hinzu kommt eine Reihe<br />
von Sonderuntersuchungen, die zahlenmäßig<br />
nicht so ins Gewicht fallen, aber einen<br />
erheblichen Aufwand verursachen.<br />
Im Bereich der fl üssigen Sonderproben<br />
sind für das <strong>StUA</strong> Duisburg neben den<br />
GPS-Messungen noch eine große Zahl Wasserproben<br />
vom Gelände der Firma Sudamin<br />
in Duisburg untersucht worden sowie<br />
MTBE-Proben aus der Lippe.
Abbildung 2: Verteilung der Probenahmeaufträge auf Messdienste, Entwicklung 1996-<strong>2005</strong><br />
Wasser<br />
107
Wasser<br />
108<br />
Nach der Betrachtung der Anzahl der Probenahmen<br />
wenden wir den Blick auf die<br />
Anzahl der Messergebnisse (siehe Abbildung<br />
3). Unabhängig vom Aufwand zur<br />
Ermittlung zählt jedes Messergebnis als<br />
„1“. Obwohl die Anzahl der Probenahmen<br />
zum Vorjahr leicht abgenommen hat, ist<br />
die Anzahl der ermittelten Messergebnisse<br />
angestiegen. Mit rund 15.000 Messergebnissen<br />
mehr als im Jahr 2004 haben wir ein<br />
neues Rekordniveau erreicht.<br />
Grundsätzlich gilt, dass im Rahmen der<br />
Ursachensuche für die Qualitätszielüberschreitungen<br />
aus der Bestandsaufnahme<br />
der Oberfl ächengewässer in fast allen Proben<br />
ein größerer Untersuchungsumfang zu<br />
bewältigen war. Hierzu zählt zum Beispiel<br />
die Bestimmung von Metallen in Kläranlagenabläufen<br />
mittels ICP-MS. So ergibt es sich,<br />
dass auch im Abwasserbereich die Anzahl<br />
der ermittelten Messwerte angestiegen ist.<br />
In den Oberfl ächenwässern ist der Untersuchungsumfang<br />
erheblich erweitert worden,<br />
um die Datenlücken der Bestandsaufnahme<br />
WRRL (Stichwort Graue Bänder)<br />
weitgehend zu schließen.<br />
Hierzu war eine Zusammenarbeit aller <strong>StUA</strong>-<br />
Labore und des LUA-Labors notwendig. Von<br />
den 107.331 zum Zeitpunkt der Auswertung<br />
ermittelten Messergebnissen wurden 7.752<br />
nicht im <strong>StUA</strong> <strong>Herten</strong> ermittelt. Es bleiben<br />
99.579 eigene Messwerte, immer noch ein<br />
Rekord. Weitere 2447 Messwerte aus anderen<br />
Laboren für das Jahr <strong>2005</strong> stehen noch aus.<br />
Abbildung 3: Anzahl der ermittelten Messergebnisse unterteilt nach Messdiensten für die Jahre 1996-<strong>2005</strong>
Wie üblich wurde auch das Jahr <strong>2005</strong> mit<br />
dem Schwerpunkt Abwasseranalytik begonnen<br />
(Abbildung 4). Ab März bleibt ein Sockel<br />
von rund 50 % Abwasseranalytik. Mit der<br />
Probenahme und Analytik im Oberfl ächenwasser<br />
wurde bereits früh begonnen, da<br />
einige Messstellen über das ganze Jahr zu<br />
untersuchen waren und eine Reihe von speziellen<br />
Programmen bereits geplant waren.<br />
Richtig los ging es dann im April.<br />
Die große Anzahl an Grundwasseruntersuchungen<br />
im November und Dezember ist<br />
auf den Rücklauf von Ergebnissen aus der<br />
Laborkooperation und ein intensives Untersuchungsprogramm<br />
am linken Niederrhein<br />
zurückzuführen. Im Sommerhalbjahr wurde<br />
nahezu die gesamte Grundwasserunter-<br />
suchung abgewickelt. Für das Jahr <strong>2005</strong><br />
fällt die hohe Arbeitsleistung im Urlaubsmonat<br />
August auf. In dieser Zeit konnten zwei<br />
Ex-Auszubildende, die derzeit Chemie studieren,<br />
als Urlaubsvertretungen für einige<br />
Wochen eingestellt werden. Hinzu kommt<br />
die Analytik einer Vielzahl von Pestizid-Einzelwerten<br />
nach Inbetriebnahme der automatisierten<br />
Anreicherungsstation.<br />
Abbildung 5 beschreibt, für welche Messdienste<br />
die einzelnen Bereiche des Labors<br />
im Wesentlichen arbeiten. Der Probenahmedienst<br />
und die klassischen AbwAG-Parameter<br />
Stickstoff, Phosphor, TOC und CSB – also<br />
„Vor-Ort“, „Anionen“ und „Org. Sum.“ leisten<br />
ihre wesentliche Arbeit für den Messdienst<br />
„Abwasser“. Auch die im Rahmen der Labor-<br />
Abbildung 4: Anzahl der ermittelten Messergebnisse unterteilt nach Messdiensten für die Monate des Jahres <strong>2005</strong><br />
Wasser<br />
109
Wasser<br />
110<br />
börse abgewickelten Aufträge befanden sich<br />
früher in diesem Messdienst, sind aber durch<br />
die WRRL in anderer Richtung gewachsen.<br />
Die Analytik von Kationen entfällt schon zu<br />
40 % auf andere Messdienste als die des<br />
Abwassers. Organische Einzelstoffe, also<br />
Benzo(a)pyren, Chloroform, Atrazin, Benzol,<br />
PCBs und so weiter werden bereits zu rund<br />
50 % im Oberfl ächenwasser bestimmt.<br />
Für die Arbeitsgruppe Biologie fallen die<br />
„Gewässergüte“-Parameter in den Messdienst<br />
Oberfl ächenwasser, während für den<br />
Bereich Abwasser im wesentlichen Toxizitäten<br />
bestimmt werden. Für die Arbeitsgruppe<br />
Feststoffe teilte sich die Arbeit in<br />
die Bestimmung der Feuchtegehalte von<br />
Schwebstoffen für den Messdienst Oberfl<br />
ächenwasser und die Staubmassenbestim-<br />
mungen für die Bergerhoff-Untersuchungen.<br />
Der Aufwand für die Probenaufbereitung<br />
wie die Gefriertrocknung oder der Säureaufschluss<br />
von Proben lassen sich durch die<br />
Auswertungen aus LINOS nicht abbilden.<br />
Im Rahmen der Analyse der Abwasserproben<br />
wurden im Jahr <strong>2005</strong> insgesamt 482<br />
Grenzwertverletzungen festgestellt (siehe<br />
Tabelle 1). 185 Werte davon betrafen im<br />
Bescheid geregelte Überwachungswerte.<br />
In 50 Fällen waren Erklärungen der Betreiber<br />
an das Landesumweltamt betroffen,<br />
mit denen die Einleiter Abwasserabgaben<br />
einsparen wollten. In 247 Fällen wurden<br />
Schwellenwerte überschritten, die in der<br />
Regel weitere Analytik nach sich ziehen und/<br />
oder anzeigen, dass ein Schwellenwert der<br />
Abwasserabgabe überschritten ist und somit<br />
Abbildung 5: Anteil der ermittelten Messergebnisse unterteilt nach Messdiensten für die Arbeitsgruppen des Labors
Grenzwert-Typ<br />
Erklärter Wert nach<br />
§ 4 Absatz 5 AbwAG<br />
Abgabepfl icht eintritt. Nicht aufgeführt sind<br />
die „neuen“ Immissionsgrenzwerte der Wasserrahmenrichtlinie<br />
beziehungsweise der<br />
Gewässerqualitätsverordnung, deren Überprüfung<br />
einen großen Teil der Arbeit im<br />
Messdienst GÜS ausgemacht hat. Bereits<br />
eingeleitete Maßnahmen als Folge von Überschreitungen<br />
werden noch weit in die nächsten<br />
Jahre hinein wirken.<br />
Diese Bilanz belegt eindrucksvoll, dass die<br />
amtliche Überwachung nicht Selbstzweck ist.<br />
Aus 0,9 % der ermittelten Abwasser-Messergebnisse<br />
ergab sich die Notwendigkeit weiterer<br />
Maßnahmen. Dies waren im Minimum<br />
die Durchführung weiterer Analytik oder die<br />
Prüfung, ob Ausnahmeregelungen greifen.<br />
Im Maximalfall greifen die Erhöhung der<br />
Abwasserabgabe entsprechend den tatsächlich<br />
emittierten Schadstoffeinheiten und/<br />
oder ordnungsrechtliche Konsequenzen.<br />
Was den Einleiter härter trifft, mag er<br />
jeweils selbst beurteilen. Für die Landeskasse<br />
ergibt sich aus der Kontrolle jedoch<br />
zweifach ein erfreulicher Zuwachs: erstens<br />
werden durch die festgestellten Überschreitungen<br />
direkt höhere Gebühren fällig und<br />
zweitens verhindert das Bestehen der Kontrollen<br />
eine allzu optimistische Niedrigerklärung<br />
durch die Einleiter.<br />
Erklärter Wert nach<br />
§ 6 AbwAG<br />
Schwellenwert<br />
Bescheid<br />
wert<br />
Gesamt<br />
Ergebnis 23 27 247 185 482<br />
Tabelle 1: Anzahl der festgestellten Grenzwertüberschreitungen in Abwasserproben im Jahr <strong>2005</strong><br />
Die Ermittlung von Grenzwertverletzungen<br />
leidet derzeit unter der Umstellung auf die<br />
zentrale Pfl ege der Grenzwerte. Nachdem<br />
die technischen Voraussetzungen weitestgehend<br />
hergestellt sind, ergeben sich Defi zite<br />
im weiteren Umfeld.<br />
Derzeit hat die Abteilung 4 Kenntnis von<br />
diversen neuen Bescheiden oder Verlängerungen<br />
der Gültigkeit von bestehenden<br />
Bescheiden, deren Begrenzungen den aktuellen<br />
Zeitraum betreffen. Da die Bescheide<br />
aber noch nicht rechtskräftig sind (Widerspruchsfrist),<br />
liegen sie dem LUA noch nicht<br />
zur Eingabe ins System vor und können<br />
folglich auch nicht in unsere LINOS-Datenbank<br />
eingelesen werden.<br />
Die zeitliche Begrenzung der alten Grenzwerte<br />
ist aber abgelaufen. Diese Messstellen<br />
haben derzeit also keine Grenzwerte. Eine<br />
lokale Pfl ege ist nicht möglich. Weiterhin<br />
führte Löschung und Neuübertragung von<br />
Grenzwertdatensätzen zu Inkonsistenzen in<br />
der Auswertung der Anzahl der ermittelten<br />
Grenzwertverletzungen in den Vorjahren.<br />
In Jahr <strong>2005</strong> wurden für 18 SonderuntersuchungsprogrammeGebührenberechnungen<br />
erstellt für den Fall, dass die Kosten<br />
durch den beauftragenden Sachbearbeiter<br />
Wasser<br />
111
Wasser<br />
112<br />
nach § 8 Absatz 2 Gebührengesetz (GebG<br />
NW), § 118 Landeswassergesetz (LWG),<br />
§ 52 Absatz 4 Bundes-Immissionsschutzgesetz<br />
(BImSchG) oder einer anderen gesetzlichen<br />
Grundlage einem Verursacher auferlegt<br />
werden können.<br />
Die Berechnung erfolgte nach der Allgemeinen<br />
Verwaltungsgebührenordnung (AVwGebO<br />
NW) entsprechend dem Leistungsverzeichnis<br />
für chemische und biologische Untersuchungen,<br />
Anlage 5 zum Gebührentarif.<br />
Die erbrachten Leistungen beliefen sich ins-<br />
gesamt auf 62.220 €, wovon 20 % auf den<br />
Dienstbezirk des <strong>StUA</strong> <strong>Herten</strong> und 80 % auf<br />
den Dienstbezirk des <strong>StUA</strong> Duisburg entfi elen.<br />
Bei der Regierungshauptkasse in Münster<br />
wurde zu diesen Vorgängen im Jahr <strong>2005</strong><br />
eine Einnahme von 2.740 € verzeichnet.<br />
Soweit es die Labormitarbeiterinnen und<br />
-mitarbeiter angeht, haben sie sich somit<br />
unabhängig von jeder statistischen Streuung<br />
ihre Ente verdient. Herzlichen Dank<br />
allen, die zum Zustandekommen all dieser<br />
Ergebnisse beigetragen haben.
Energiemanagement im<br />
Staatlichen Umweltamt<br />
<strong>Herten</strong><br />
Aus dem Haus<br />
Claus-Paul Repgen und Rudolf Maas<br />
Energiekosten sind ein erheblicher Faktor<br />
im Haushalt des Staatlichen Umweltamtes<br />
<strong>Herten</strong>. Ständig steigende Mietnebenkosten<br />
sowie die Nebenkostennachzahlung für<br />
das Vorjahr sprechen im Finanzbedarf eine<br />
deutliche Sprache. Grund sind die eklatant<br />
wachsenden Energiekosten und -verbräuche<br />
in unserer Dienststelle, zu denen Folgendes<br />
festzuhalten ist:<br />
• Der Stromverbrauch des Staatlichen<br />
Umweltamtes <strong>Herten</strong> (<strong>StUA</strong>) steigt<br />
über die Jahre kontinuierlich:<br />
in den letzten vier Jahren um<br />
insgesamt 20 %. Dies ist besonders<br />
bemerkenswert, weil er entgegen dem<br />
Trend in einem vergleichbaren Amt wie<br />
dem <strong>StUA</strong> Münster verläuft.<br />
• Der Fernwärmeverbrauch<br />
schwankt über die Jahre, liegt aber<br />
ebenfalls weit über dem mittleren<br />
Verbrauchskennwert für Gebäude mit<br />
gleichartiger Nutzungsart.<br />
• Der Wasserverbrauch unserer Dienststelle<br />
liegt im „Normalbereich“. Auf<br />
ihn wird in diesem Beitrag daher nicht<br />
weiter eingegangen.<br />
Art der<br />
Energie<br />
mittlerer Verbrauchskennwert für Institute<br />
für Forschung und Untersuchung<br />
Jedes Unternehmen benötigt Energie in unterschiedlicher<br />
Form für einen störungsfreien<br />
Betriebsablauf. Ob diese Energie aber<br />
auch so effi zient wie möglich verwendet<br />
wird, wird meist nicht überprüft. Nicht selten<br />
führen schon einfache Veränderungen<br />
zu Energieeinsparungen und folglich zu Kostensenkungen<br />
in nicht unerheblicher Höhe.<br />
Bei der Erschließung solcher Einsparpotenziale<br />
oder Nutzung von Synergien innerhalb<br />
der Behörde kann die Energieagentur (EA)<br />
Nordrhein-Westfalen in Wuppertal unterstützen.<br />
Deren Berater/-innen geben Hilfestellungen<br />
von möglichen ersten sinnvollen<br />
Schritten bis hin zu einer rationellen Energieverwendung<br />
im Rahmen eines funktionierenden<br />
Energiemanagements.<br />
Also wurde unter Beteiligung des Umweltschutzbeauftragten<br />
eine Energieberatung<br />
durch die EA erbeten, deren Auftrag es ist,<br />
Unternehmen, Städten/Gemeinden und<br />
Behörden Hilfestellung beim ökonomischen<br />
Energieeinsatz zu geben. Die Verbrauchsund<br />
Nutzungsdaten des Gebäudes, den<br />
technischen Stand der Heizungs-, Lüftungs-,<br />
Klima- und Stromversorgungsanlagen,<br />
die Nutzfl ächenaufstellung und Ähnliches<br />
ermittelte die EA über einen Erhebungsbogen<br />
und eine „Vor-Ort-Begehung“ des<br />
Energieberaters, bevor am 22. November<br />
<strong>2005</strong> eine Initialberatung in unserem Hause<br />
durchgeführt wurde.<br />
mittlerer Verbrauchkennwert<br />
für Verwaltungsgebäude<br />
Ist-Verbrauch<br />
<strong>StUA</strong> <strong>Herten</strong> 2004<br />
Heizung 268 kWh 169 kWh 334 kWh<br />
Strom 160 kWh 61 kWh 197 kWh<br />
Aus dem Haus<br />
113<br />
Energiemanagement im Staatlichen Umweltamt <strong>Herten</strong>
Betriebliches Gesundheitsmanagement<br />
Aus dem Haus<br />
114<br />
Als Ergebnis ist festzuhalten, dass unsere<br />
technischen Anlagen, die einen Großteil<br />
unseres Energieverbrauches verursachen,<br />
trotz ihres Alters dem energetischen Stand<br />
der Technik noch entsprechen. Auch die<br />
bauseitige Ausstattung des Dienstgebäudes<br />
(Dämmung, Beleuchtung, Heizkörper) ist in<br />
zeitgemäß gutem Zustand. Offensichtliche<br />
„Energiefresser“ konnte der Energieberater<br />
nicht ausfi ndig machen.<br />
Zur Überwachung der Verbräuche und um<br />
Energie einzusparen, gab er uns folgende<br />
Handlungsempfehlungen:<br />
• Verbrauchsparameter Fernwärme,<br />
Strom und Wasser monatlich erfassen<br />
und bewerten<br />
• Heizkurve neu einstellen und Vorlauftemperatur<br />
Heizung absenken<br />
• Raumtemperatur im IT-Serverraum<br />
ADV (klimatisiert) von 22 °C auf mindestens<br />
28 °C erhöhen<br />
• Bildschirme und Neonbeleuchtung bei<br />
Abwesenheit von mehr als 10 Minuten<br />
abschalten<br />
• digitalen Stromzähler an elektronisches<br />
Energiemanagement des Bau- und Liegenschaftsbetriebes<br />
(BLB) anschließen<br />
• Heißwasserbevorratung im Labor aufgeben<br />
und auf Durchlauferhitzer<br />
umstellen<br />
• Nutzungstausch des ADV-Serverraumes<br />
mit dem ADV-Raum vornehmen,<br />
da fehlende Sonneneinstrahlung auch<br />
geringere Kühllast bedeutet<br />
• Notwendigkeit der Druckluftversorgung<br />
im Labor untersuchen – gerin-<br />
gerer Luftdruck bedeutet geringeren<br />
Stromverbrauch bei Kompressor- und<br />
Lufttrocknungsanlage<br />
• Einbau von Dachfenstern im Maschinenraum/Labor<br />
zur Zwangsbelüftung<br />
der Steuerungs- und Kältetechnik, um<br />
die Funktionssicherheit zu erhalten und<br />
einer Temperaturüberbelastung der<br />
Maschinen im Sommer vorzubeugen<br />
• Sanierung der zentralen Steuerungstechnik<br />
für die Heizungs-, Lüftungsund<br />
Klima-/Kälteanlagen<br />
Nach diesem ersten Schritt der Bestandsaufnahme<br />
und Beratung werden wir nun die<br />
vorgenannten potenziellen Maßnahmen sukzessive<br />
angehen und erhoffen uns schon<br />
bald erste Erfolge bei der Energieeinsparung.<br />
Betriebliches<br />
Gesundheitsmanagement<br />
Einführung<br />
Klaus Ney<br />
Qualifi zierte, motivierte und gesunde Mitarbeiter<br />
und Mitarbeiterinnen sind wichtige<br />
Ressourcen für die Leistungsfähigkeit in<br />
Produktions- und Dienstleistungsbereichen.<br />
In den vergangenen 15 Jahren haben deshalb<br />
Unternehmen und Verwaltungen ihre<br />
Anstrengungen zum Erhalt und zur Förderung<br />
der Mitarbeitergesundheit verstärkt.<br />
Gesundheits- und Arbeitsschutz, Gesundheitsförderung<br />
und Suchtprävention sind zu<br />
unverzichtbaren Bestandteilen eines modernen<br />
Personalmanagements geworden. Seit
Ende der 90-er Jahre werden diese Aktivitäten<br />
unter dem Dach des betrieblichen Gesundheitsmanagements<br />
gebündelt.<br />
Ausgangslage<br />
Die Entstehung des betrieblichen Gesundheitsmanagements<br />
lässt sich auf vier hauptsächliche<br />
Entwicklungslinien zurückführen:<br />
Erweiterter Präventionsauftrag im<br />
Arbeits- und Gesundheitsschutz<br />
Durch die EU-Rahmenrichtlinie zum Gesundheits-<br />
und Arbeitsschutz sowie deren<br />
Umsetzung in deutsches Recht durch<br />
das Arbeitsschutzgesetz von 1996 sowie<br />
der Neufassung des Sozialgesetzbuches<br />
(SGB) VII und der Luxemburger Deklaration<br />
zur betrieblichen Gesundheitsförderung<br />
in der EU wurde das traditionell sicherheitstechnisch<br />
ausgerichtete Arbeitsschutzsystem<br />
deutlich verändert.<br />
Der Präventionsauftrag wurde auf alle Arten<br />
arbeitsbedingter Gesundheitsrisiken, auch<br />
solchen, die nicht in der Arbeit erworben,<br />
aber durch sie verschlimmert werden können,<br />
erweitert. Der Fokus des betrieblichen<br />
Arbeitsschutzes richtet sich daher vermehrt<br />
auch auf Gesundheitsrisiken wie:<br />
• Arbeitsorganisation/-inhalte (Unter-,<br />
Überforderung, Monotonie)<br />
• Betriebsklima (zum Beispiel<br />
Führungsverhalten, Mobbing)<br />
• Kommunikations-, Gratifi kations- und<br />
Sanktionskultur<br />
• Entscheidungsprozesse und (fehlende)<br />
Beteiligungsmöglichkeiten<br />
Bedeutungszuwachs von<br />
Suchtprävention, Mitarbeiterberatung<br />
und Gesundheitsförderung<br />
Konfl ikt- oder suchtmittelbedingte Störungen<br />
sowie psychische Auffälligkeiten am<br />
Arbeitsplatz sind die Haupttätigkeitsfelder<br />
betrieblicher Suchtprävention und Sozialberatung.<br />
Beides hat allgemein in den letzten<br />
Jahren erheblich an Bedeutung gewonnen.<br />
Verbunden mit den Aktivitäten der betrieblichen<br />
Gesundheitsförderung können verschiedene<br />
Maßnahmen zur Minderung Stress<br />
auslösender und Sucht fördernder Arbeitsbedingungen<br />
angeboten sowie Unterstützung<br />
für die Änderung gesundheitsriskanten<br />
Herhaltens und zur besseren Bewältigung<br />
von Belastungssituationen gewährt werden.<br />
Neue Managementstrategien<br />
Durch eine stetig abnehmende Personaldecke<br />
im Rahmen des Lean-Managements erhält<br />
die Reduzierung von Fehlzeiten einen besonderen<br />
Stellenwert. Gesundheits- und Anwesenheitsquoten<br />
sind deshalb im modernen<br />
Personalmanagement ebenso bedeutsame<br />
Faktoren wie qualifi zierte und motivierte Mitarbeiter/-innen.<br />
Betriebliches Gesundheitsmanagement<br />
stimmt die Ziele der anderen<br />
Managementsysteme mit dem Fokus auf die<br />
Gesundheit der Beschäftigten ab.<br />
Das Thema der gesundheitsgerechten Mitarbeiterführung<br />
gehört zur Führungskräfteentwicklung.<br />
Unterschiedliche Belastungen<br />
von Frauen und Männern, von Jüngeren<br />
und Älteren werden als Ansatzpunkt für die<br />
Entwicklung spezifi scher Maßnahmen des<br />
Gesundheitsschutzes und der Gesundheitsförderung<br />
genutzt.<br />
Aus dem Haus<br />
115
Aus dem Haus<br />
116<br />
Demographische Entwicklung<br />
Im Jahre <strong>2005</strong> arbeiten in deutschen Betrieben<br />
und Verwaltungen erstmals mehr über<br />
50 Jahre alte Beschäftigte als Beschäftigte<br />
unter 30 Jahren. Diese Entwicklung der<br />
Altersstruktur in der berufstätigen Bevölkerung<br />
wird sich nach den vorliegenden Einschätzungen<br />
in den nächsten 20 Jahren weiter<br />
verschärfen.<br />
Die damit verbundenen Auswirkungen zwingen<br />
Verwaltungen und Betriebe zunehmend<br />
dazu, Möglichkeiten des präventiven Handelns<br />
zu entwickeln, um die Leistungsfähigkeit<br />
der Mitarbeiter/-innen lange zu erhalten<br />
und die Fertigkeiten und Kompetenzen der<br />
Älteren altersgerecht zu nutzen.<br />
Ziele und Defi nition<br />
Ziel des Gesundheitsmanagements ist es,<br />
gesundheitsgerechte und persönlichkeitsförderliche<br />
Arbeitsbedingungen zu schaffen,<br />
die Gesundheitssituation der Beschäftigten<br />
zu verbessern und die Arbeitszufriedenheit<br />
zu steigern. Wirtschaftlich dienen die verstärkten<br />
Maßnahmen vor allem dazu, die<br />
Leistungsbereitschaft und die Gesundheitsquote<br />
zu erhöhen, also Fehlzeiten zu vermeiden<br />
oder zu verringern.<br />
Eine wichtige Aufgabe des betrieblichen<br />
Gesundheitsmanagements ist es deshalb,<br />
gesundheitlichen Risiken am Arbeitsplatz<br />
vorzubeugen, betrieblichen Ursachen von<br />
Gesundheitsbeeinträchtigungen nachzugehen<br />
und auf deren Beseitigung hinzuwirken.<br />
Für diese Aufgabe arbeiten Dienststellenleitung,<br />
Führungskräfte aller Ebenen und<br />
Interessenvertretungen eng zusammen.<br />
Außerdem wird in der gesundheitsorientierten<br />
Führung dem Wohlbefi nden der Beschäftigten<br />
und der Gestaltung eines anregenden<br />
Arbeitsklimas ein hoher Stellenwert eingeräumt.<br />
Abstrakter zusammengefasst ist<br />
betriebliches Gesundheitsmanagement die<br />
bewusste Steuerung und Integration aller<br />
betrieblichen Prozesse mit dem Ziel der<br />
Erhaltung und Förderung der Gesundheit<br />
und des Wohlbefi ndens der Beschäftigten.<br />
Betriebliches Gesundheitsmanagement bedeutet,<br />
die Gesundheit der Mitarbeiterinnen<br />
und Mitarbeiter als strategischen Faktor in<br />
das Leitbild und in die Kultur sowie in die<br />
Strukturen und Prozesse der Organisation<br />
einzubeziehen.<br />
Handlungsfelder<br />
Das ganzheitliche Gesundheitsmanagement<br />
ist ein lernendes System. Es beinhaltet die<br />
Prävention vor pathogenetischen (krankmachenden)<br />
Faktoren und die Förderung salutogenetischer<br />
(gesundheitserzeugender)<br />
Faktoren.<br />
In diesem System sind betriebliche Gesundheitsförderung,<br />
Arbeitsschutz beziehungsweise<br />
Unfallverhütung, Rehabilitation, Personalmanagement<br />
und Aspekte des Arbeitsrechts<br />
modular miteinander verknüpft.<br />
Die schematische Darstellung verdeutlicht<br />
beispielhaft die Handlungsfelder des ganzheitlichen<br />
betrieblichen Gesundheitsmanagements.<br />
Umsetzung im <strong>StUA</strong> <strong>Herten</strong><br />
Die in der folgenden schematischen Darstellung<br />
der Handlungsfelder des betrieblichen
Aus dem Haus<br />
117
Aus dem Haus<br />
118<br />
Gesundheitsmanagements aufgezeichneten<br />
Maßnahmen sind in überwiegender Zahl in<br />
unserem Hause bereits etabliert oder zumindest<br />
in Einzelbereichen eingeführt. Ein<br />
nennenswerter Bedarf für weitere Aktivitäten<br />
ist allerdings auf dem Feld der Gesundheitsförderung<br />
festzustellen.<br />
Hier kann dem Gedanken der gesundheitlichen<br />
Prävention durch entsprechende Angebote<br />
an die Beschäftigten zusätzlich Rechnung<br />
getragen werden. Aus diesem Grunde<br />
soll sich der Schwerpunkt der weiteren Betrachtung<br />
zunächst auf diese Aspekte und<br />
die möglichen Aktivitäten beschränken.<br />
Eine Vernetzung mit den übrigen Handlungsfeldern<br />
des betrieblichen Gesundheitsmanagements<br />
sollte zu einem späteren<br />
Zeitpunkt diskutiert werden. Zur Verbesserung<br />
der Gesundheitsförderung können folgende<br />
Maßnahmen/Angebote in Betracht<br />
kommen:<br />
1. Rückenschule:<br />
Etwa ein Drittel des Krankheitsgeschehens<br />
ist relativ branchen- und<br />
belastungsunabhängig auf das Skelettsystem<br />
zurückzuführen. Meistens<br />
treten Rückenschmerzen auf. Bei<br />
überwiegend sitzenden Tätigkeiten<br />
liegt die Häufi gkeit von Rückenbeschwerden<br />
regelmäßig noch höher.<br />
In diesem Zusammenhang könnte die<br />
bereits in früheren Jahren angebotene<br />
Rückenschule wieder aufgegriffen<br />
werden. Das Angebot könnte sich auf<br />
die reine Organisation eines Kurses<br />
beschränken oder in Abhängigkeit von<br />
den fi nanziellen Möglichkeiten auch<br />
ein Komplettangebot mit Kostentragung<br />
durch das Haus beinhalten.<br />
2. Mobile Massage am Arbeitsplatz:<br />
Die zunehmende Bildschirmtätigkeit<br />
beansprucht im Wesentlichen die<br />
Rücken- und Nackenmuskulatur.<br />
Um krankheitsbedingten Ausfällen<br />
vorzubeugen, bietet sich eine Massagebehandlung<br />
am Arbeitsplatz oder<br />
in einem Sozialraum an. Die Kosten<br />
liegen pro Massage bei zirka 15 €<br />
(10er Karte 120 €); die Kosten wären<br />
von dem/der jeweiligen Beschäftigten<br />
selbst zu tragen. Die Organisation<br />
eines solchen Angebotes setzt ein<br />
gewisses Nachfragevolumen voraus.<br />
3. Fitnessstudio:<br />
In Ergänzung der vorgenannten<br />
Angebote käme eine Vereinbarung zu<br />
entsprechend günstigen Konditionen<br />
mit einem Fitnessstudio in Betracht.<br />
Für die Mitarbeiter/-innen der Bezirksregierung<br />
Münster ist eine solche<br />
Vereinbarung mit dem Fitnessstudio<br />
„Fit 24“ getroffen worden, das<br />
auch einen Filialbetrieb in Recklinghausen<br />
betreibt.<br />
In einem monatlichen Beitrag von<br />
rund 16 €, der von den Teilnehmern/<br />
-innen selbst zu tragen wäre, ist eine<br />
qualifi zierte Trainingsanleitung enthalten.<br />
Für Frauen steht ein separater<br />
Trainingsbereich zu Verfügung.
4. Ernährungsberatung:<br />
Gesunde Ernährung ist in der Arbeit<br />
und in der Freizeit wichtig.<br />
Daher könnten neben einer optimierten<br />
Kantinenverpfl egung zum Beispiel<br />
mit fettreduzierten Gerichten und<br />
Gemüse-/ Salattagen auch Informationsbroschüren,<br />
Informations- und<br />
Kontaktadressen und Ernährungsberatungen<br />
in Abstimmung mit den<br />
Krankenkassen angeboten werden.<br />
5. Wasserspender:<br />
Im Tagesverlauf abfallende Leistung<br />
durch Müdigkeit, Kopfschmerzen und<br />
Kreislaufbeschwerden ist häufi g auf<br />
Flüssigkeitsmangel zurückzuführen.<br />
Viele Mitarbeiter/-innen nehmen nach<br />
dem entwässernd wirkenden Morgenkaffee<br />
oder Tee beim Mittagessen zu<br />
wenig Flüssigkeit zu sich. Erfahrungsgemäß<br />
wird nur dann ausreichend<br />
getrunken, wenn Flüssigkeit bequem,<br />
ohne Zeitverlust und kostenlos zur<br />
Verfügung steht, beispielsweise durch<br />
arbeitsplatznah aufgestellte Wasserspender.<br />
6. Grippeschutzimpfung:<br />
Jedes Jahr erkrankt eine Vielzahl<br />
von Menschen an Grippe. Nach einer<br />
Erhebung des Robert-Koch-Instituts<br />
sterben jährlich 8.000 – 10.000 Erkrankte<br />
an den Folgen.<br />
Ein wirkungsvoller Schutz dagegen ist<br />
nur mit einer rechtzeitigen jährlichen<br />
Schutzimpfung zu erreichen. Die Kos-<br />
ten der Impfung müssen nicht zwingend<br />
von der Dienststelle getragen<br />
werden, alternativ können die Impfärzte<br />
bei gesetzlich Versicherten auch<br />
unmittelbar mit den Krankenkassen<br />
abrechnen, während privat Versicherte<br />
den Rechnungsbetrag mit der Beihilfestelle<br />
abrechnen können.<br />
7. Raucherentwöhnung:<br />
Neben den bereits getroffenen Maßnahmen<br />
zum Nichtraucherschutz (allgemeines<br />
Rauchverbot, Raucherzonen)<br />
könnte den Raucherinnen und<br />
Rauchern in Zusammenarbeit mit<br />
dem BAD auf Wunsch eine Teilnahme<br />
an einem Raucherentwöhnungsprogramm<br />
angeboten werden.<br />
8. Gesundheitstag:<br />
Gesundheitstage bieten den Beschäftigten<br />
die Möglichkeit, sich umfassend<br />
zu den Themen Gesundheit und<br />
gesunde Lebensweise zu informieren.<br />
Eine solche Veranstaltung könnte<br />
gemeinsam mit Krankenkassen, Arbeitsschutzverwaltung<br />
und Anderen<br />
organisiert werden. Neben Beratungsgesprächen,<br />
Vorträgen oder<br />
Diskussionsforen kann mit einem<br />
Rahmenprogramm die Vielfalt der<br />
Themen zur Gesundheitsförderung<br />
abgedeckt werden.<br />
In 2006 wollen wir diese Gesundheitsförderungsmaßnahmen<br />
konkret im Hause vorstellen.<br />
Ergänzende Vorschläge und Anregungen<br />
der Mitarbeiter/-innen sind daher<br />
noch erwünscht.<br />
Aus dem Haus<br />
119
Benchlearning statt Benchmarking<br />
Aus dem Haus<br />
120<br />
Benchlearning statt<br />
Benchmarking<br />
Rudolf Maas<br />
Benchmarking als Sammlung, Analyse und<br />
Bewertung von Daten sowie das Aussuchen<br />
entsprechender Leistungsdimensionen ist<br />
ein schillernder Begriff. In der Praxis jedoch<br />
scheitern häufi g entsprechende Vergleiche<br />
daran, dass die Beteiligten sehr zurückhaltend<br />
sind sich transparent darzustellen, aus<br />
Angst, nicht als „the best“ hervorzugehen.<br />
Diese sicherlich auch emotionale Komponente<br />
ist am Beginn eines jeden Benchmarking-Prozesses<br />
zu berücksichtigen.<br />
Von daher schlage ich vor, den Prozess besser<br />
als „Benchlearning“ zu begreifen. Es soll<br />
ja auch ums Lernen gehen, nicht ums Benoten,<br />
nicht ums Aufplustern: “Ich bin der<br />
Beste“. Denn groß ist die Skepsis, wieweit<br />
über die reine Lehre hinaus musterhafte<br />
best-practices-Beispiele aus anderen Behörden<br />
im eigenen Bereich anregend oder Beispiel<br />
gebend wirken können.<br />
Dennoch stecken hinter diesem manchmal<br />
verzweifelt erscheinenden Ringen um Methodologien<br />
quantitativer wie qualitativer<br />
Bemessung von Wirkungen in öffentlichen<br />
Verwaltungen bittere Notwendigkeiten:<br />
die Entscheidungen über zum Beispiel<br />
Investitionen in Software-Systeme, Datenbanken,<br />
Datenbank-Systeme müssen wirkungsgenauer<br />
werden.<br />
Das Gleiche gilt ebenfalls für den Umstieg in<br />
die Neue Steuerung: Wie ausgeprägt soll die<br />
Kosten-Leistungsrechnung sein? Was sind<br />
notwendige Kennzahlen? Was soll zentral,<br />
was dezentral geleistet werden? Denn das<br />
Geld für diese langfristig absolut notwendigen<br />
„Investitionen“ wird weniger.<br />
Dabei Sinnvolles im Austausch voneinander<br />
zu lernen, bleibt ein erhebliches, weil<br />
längst noch nicht ausgeschöpftes Potenzial.<br />
Übrigens: die deutsche Sprache bietet mehr<br />
Wortwahlmöglichkeiten, als man den denkt:<br />
statt „best practices“ können wir ruhig auch<br />
„gute Praxisbeispiele“ sagen.<br />
Denn es gilt nicht, das Beste nachzuahmen,<br />
sondern das Geeignete zu fi nden!<br />
Dies verlangt allerdings Mut zur Veränderung<br />
und viel Offenheit – auch gegenüber anderen<br />
Behörden und anderen eingeschlagenen<br />
Wegen. Denn trotz aller teilweise „verwunderlichen“<br />
Prozesse, die in einzelnen Behörden<br />
eingeleitet werden, fi ndet das Zusammenwachsen<br />
in der staatlichen Umweltverwaltung<br />
in vielen Bereichen schon statt.<br />
Im gesamten Veränderungsprozess muss<br />
der „öffentliche Wert“ von Maßnahmen<br />
das entscheidende Kriterium fürs Handeln<br />
sein. Ebenso sind auch bisherige Herangehensweisen<br />
beim Austausch von Erfahrungen<br />
mit Gute-Praxis-Beispielen zu hinterfragen<br />
wie auch Anregungen für die Zukunft<br />
zu sammeln.<br />
Ein zu bewältigendes Problem dabei ist,<br />
dass wir häufi g nur Antworten zu konkreten<br />
Projekten erhalten, aber keine verallgemeinernden<br />
Antworten haben. Das Dilemma<br />
entsteht dann beispielsweise auch bei der<br />
Frage nach der richtigen Investition: welche
Schlussfolgerung können wir aus den Einzelprojekten,<br />
zum Beispiel für die Umsetzung<br />
im gesamten Geschäftsbereich, ziehen?<br />
Wenn wir Benchlearning wirklich als offenes<br />
Lernen anhand von guten Praxisbeispielen<br />
verstehen, der Gesamtprozess transparent<br />
ist und alle Beteiligten authentisch mitarbeiten,<br />
dann werden wir diesen Prozess wirklich<br />
nutzbringend und effi zient gestalten können.<br />
Barometer<br />
Personalzufriedenheit<br />
Rudolf Maas<br />
Im Staatlichen Umweltamt (<strong>StUA</strong>) <strong>Herten</strong><br />
haben wir vor einiger Zeit damit begonnen,<br />
ein Controllingsystem mit entsprechendem<br />
Berichtswesen im Amt aufzubauen, um die<br />
Leistungsfähigkeit des Amtes möglichst ganzheitlich<br />
zu beurteilen und mittelfristig auch<br />
über Qualität, Service, Innovation, Kundenzufriedenheit,<br />
Mitarbeiterzufriedenheit und<br />
Zielerreichung Auskunft geben zu können.<br />
In der im September 2004 gestarteten Personalbefragung<br />
wird der Indikator für die<br />
Personalzufriedenheit im <strong>StUA</strong> <strong>Herten</strong> („Barometer<br />
Personalzufriedenheit“) erhoben, der<br />
eines der Gegengewichte zu den rein monetären<br />
Größen aus der Kosten-Leistungsrechnung<br />
bildet und langfristig die Aussage<br />
über das Gesamtleistungsbild der Behörde<br />
ergänzt. Die Befragung ist nun zweimal<br />
durchgeführt worden und soll weiter regelmäßig<br />
in Abständen von einem Jahr erfolgen.<br />
Die freiwillige und anonyme Befragung<br />
bezieht sich ausschließlich auf die internen<br />
Verhältnisse im <strong>StUA</strong> <strong>Herten</strong>. Externe Faktoren,<br />
die vom Amt vor Ort nicht beeinfl ussbar<br />
sind (zum Beispiel Kürzung des Weihnachtsgeldes,<br />
41-Stunden-Woche) sollen die<br />
Teilnehmer/-innen der Befragung bei ihrer<br />
Bewertung deshalb nach Möglichkeiten außer<br />
Acht lassen, damit sie die Aussagen über das<br />
hausinterne Arbeitsklima nicht verfälschen.<br />
Ziel der regelmäßigen Befragung ist die Ermittlung<br />
von Trends sowie gegebenenfalls<br />
die Ableitung konkreter Maßnahmen und<br />
Konzepte zur Verbesserung der Personalzufriedenheit<br />
im <strong>StUA</strong> <strong>Herten</strong>. Die Ergebnisse<br />
der Befragungen werden allen Beschäftigten<br />
im hausinternen <strong>StUA</strong>net zur Verfügung<br />
gestellt. Die Verteilung der Fragebögen erfolgt<br />
über den Boten. Zur Sammlung der<br />
ausgefüllten Fragebögen steht an den beiden<br />
Stempeluhren eine Sammelbox zur Verfügung.<br />
Der Fragebogen enthält vier kurze<br />
Fragen nach<br />
• dem Arbeitsbereich,<br />
• dem Arbeitsklima,<br />
• der berufl ichen Entwicklung<br />
• sowie der Führung und des<br />
Managements.<br />
Als Antwortmöglichkeiten gibt es eine Schulnoten-Skala<br />
von 1 bis 6. Zusätzlich wird<br />
nach der Zugehörigkeit zu einer Abteilung<br />
gefragt. Abschließend gibt es die Möglichkeit,<br />
frei formulierte Anregungen zu geben.<br />
Die Beteiligung an der Personalbefragung<br />
war mit 82 % in 2004 und 88 % in <strong>2005</strong><br />
ausgesprochen hoch.<br />
Aus dem Haus<br />
121<br />
Barometer Personalzufriedenheit
Aus dem Haus<br />
122<br />
Fazit:<br />
Zusammenfassend ist festzuhalten, dass<br />
• der persönliche Arbeitsbereich und<br />
das Arbeitsklima eindeutig als positiv<br />
wahrgenommen werden<br />
• die berufl iche Entwicklung sehr<br />
unterschiedlich – von gut bis sehr<br />
schlecht – gesehen wird<br />
• die Führung und das Management<br />
– amtsweit gesehen – noch verbessert<br />
werden können.<br />
Die Ergebnisse, sowohl amtsweit als auch<br />
abteilungsbezogen, wurden intensiv diskutiert.<br />
Dabei ist klar geworden, dass für die<br />
schlechte Bewertung der berufl ichen Entwicklung<br />
häufi g äußere, nicht im <strong>StUA</strong> <strong>Herten</strong><br />
liegende Randbedingungen den Ausschlag<br />
gegeben haben. Hinsichtlich Führung<br />
und Management wird zum einen eine höhere<br />
Wertschätzung der Mitarbeiter/-innen<br />
durch die Vorgesetzten eingefordert, sollen<br />
Entscheidungen transparenter gemacht<br />
Die Grafi ken zeigen die amtsweiten Ergebnisse.<br />
werden, wird mehr qualifi zierte Fachfortbildung<br />
im Sinne von Erfahrungsaustauschen<br />
gewünscht. Zum anderen wird auch deutlich,<br />
dass die Führungsrolle der einzelnen Führungsebenen<br />
klarer defi niert werden muss.<br />
Dem ist schon durch einen Workshop im<br />
Jahr <strong>2005</strong> in einem ersten Schritt Rechnung<br />
getragen worden. Dort wurden auf<br />
der Basis des Kompetenzmodells NRW konkrete<br />
Anforderungsprofi le für Amts-, Abteilungs-<br />
und Dezernatsleitungen entwickelt.<br />
Diese werden zukünftig kontinuierlich unter<br />
anderem in den regelmäßig stattfi ndenden<br />
Führungskräfte-Besprechungen evaluiert.<br />
Das Thema „Führungsrolle“ wird auch anhand<br />
konkreter Führungssituationen regelmäßiger<br />
Bestandteil verschiedener Besprechungen<br />
der Führungskräfte in den Abteilungen<br />
sein.<br />
Die nächste Personalbefragung fi ndet im<br />
April 2006 statt. Alle sind gespannt auf<br />
das Ergebnis.
Verwaltung – Update 2006<br />
Rudolf Maas<br />
Die Arbeitsplätze in den Behörden verändern<br />
sich. <strong>Herten</strong> im Jahre 2006. Im Staatlichen<br />
Umweltamt (<strong>StUA</strong>) <strong>Herten</strong> beantwortet<br />
Rudolf M. die E-Mail einer Firma, die<br />
ihren Betrieb erweitern möchte. Schon eine<br />
Stunde später bearbeitet er deren fehlerlosen<br />
Antrag, der kurz danach elektronisch<br />
„signiert“ einging. Dazu loggt Rudolf M. sich<br />
danach in das hausinterne Wissensmanagement<br />
des Staatlichen Umweltamtes ein, um<br />
eine bestimmte Rechtslage abzufragen. Da<br />
er dort keine relevante Antwort fi ndet, stellt<br />
er sein Anliegen online. Noch im Laufe des<br />
Nachmittags erreicht ihn die Antwort einer<br />
Kollegin aus einem anderen Staatlichen<br />
Umweltamt, die ihm als Juristin Hilfestellung<br />
geben kann.<br />
Was hat das mit dem Amt von heute zu tun?<br />
Die Arbeitswelt verändert sich durch den<br />
Einsatz der neuen Medien: Der Trend geht<br />
hin zu mehr direkter Interaktion. Das gilt<br />
auch für die Umweltverwaltung.<br />
Die Kommunikationskanäle erweitern sich.<br />
„G2C“-Government to Citizen besagt, dass<br />
sich die Behörden den Bürgerinnen und Bürgern<br />
per Online-Dienste rund um die Uhr<br />
öffnen und schnelle, qualitativ hochwertige<br />
Auskünfte erteilen. „G2E“-Government to<br />
Employee ist das interne elektronische Angebot<br />
an die Beschäftigten, um Arbeitsabläufe<br />
und Effi zienz der Arbeit zu steigern.<br />
Was im „Front Offi ce“, also an der Schnittstelle<br />
zu Bürgerin und Bürger, online aufbereitet<br />
wird, ist im “Back Offi ce”, also in der<br />
Innenverwaltung, für die Beschäftigten noch<br />
lange nicht effi zient in die Geschäftsprozesse<br />
integriert. Es gibt immer noch Medienbrüche:<br />
Formulare werden aus dem Netz<br />
herunter geladen, ausgefüllt, ausgedruckt<br />
und dann an das Amt geschickt. Dies ist<br />
auch kein Mehrwert für die Beschäftigten.<br />
In Bund, Ländern und Kommunen wird seit<br />
langem daran gearbeitet, Verwaltungsverfahren<br />
dahingehend zu vereinfachen, dass<br />
sie komplett elektronisch abgewickelt werden<br />
können. Das setzt natürlich voraus,<br />
dass die Beschäftigten mit den IT-Anwendungen<br />
umgehen können - genauso wie die<br />
Kunden. Aber das Wichtigste ist, dass die<br />
Geschäftsprozesse und die ihnen zugrunde<br />
liegenden Vorschriften entsprechend umgebaut<br />
werden. Dazu ist es auch notwendig,<br />
über Zuständigkeiten nachzudenken.<br />
Das kann für den einen oder anderen<br />
schmerzhaft sein, aber die genaue Arbeitswelt<br />
fordert auch einen „Blick über den Tellerrand“<br />
hinaus. Effi zientes e-Government<br />
setzt einheitliche Verfahren voraus – über<br />
Organisationsgrenzen hinweg. Das erfordert<br />
neben guter Organisation auch personalpolitische<br />
Sensibilität der Führungsebene.<br />
Nur wenn die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter<br />
den Nutzen von IT für ihren Arbeitsplatz<br />
akzeptieren und die Arbeitsabläufe ihnen<br />
verständlich sind, werden Veränderungen<br />
mitgetragen und mitgestaltet.<br />
Aus dem Haus<br />
123<br />
Verwaltung - Update 2006
Refl exion von Führung und Teambildung<br />
Aus dem Haus<br />
124<br />
Refl exion von Führung und<br />
Teambildung<br />
Rudolf Maas<br />
Im Jahr <strong>2005</strong> ist im Staatlichen Umweltamt<br />
(<strong>StUA</strong>) <strong>Herten</strong> der Fokus des kontinuierlichen<br />
Verbesserungsprozesses auf die Refl exion<br />
von Führung anhand des Referenzmodells<br />
Nordrhein-Westfalen sowie Teambildung<br />
gelegt worden.<br />
Das im Jahre 2004 erstellte Anforderungsprofi<br />
l an Amts- und Abteilungsleitungen<br />
wurde weiter entwickelt und auf Dezernatsleitungen<br />
erweitert.<br />
In einem Workshop wurden folgende<br />
Schwerpunkte bearbeitet:<br />
• Rollen und Verantwortlichkeiten im<br />
Rahmen ihrer Führungsfunktionen<br />
- Anforderungen an Dezernats-/<br />
Abteilungsleitung<br />
- Beurteilungsmaßstab<br />
- Personalentwicklung<br />
- Befugnisse<br />
• Selbst- und Fremdeinschätzung über<br />
den Entwicklungsstand der eigenen<br />
Kompetenzfelder<br />
• Führungsverhalten,<br />
Führungsstile,<br />
Mitarbeiterförderung und<br />
Mitarbeiterentwicklung<br />
• Umgang mit schwierigen Situationen<br />
in der Personalführung<br />
• Persönliche Entwicklungsziele<br />
Darüber hinaus sind folgende Aspekte<br />
beleuchtet worden:<br />
• Befugnisse/Gestaltungsspielraum<br />
• Grenzen der Führung<br />
• Rollenverständnis aus der Sicht der<br />
Mitarbeiter/-innen/Transparenz<br />
• Identifi kation mit Amtszielen<br />
Auf der Basis des NRW-Kompetenzmodells<br />
der Führung wurde begonnen, konkret<br />
ein Führungskompetenzmodell für das<br />
<strong>StUA</strong> <strong>Herten</strong> zu entwickeln. Dazu sind für<br />
alle relevanten Führungskompetenzen wie<br />
• Personalführungs- und –<br />
entwicklungskompetenz<br />
• Teamfähigkeit<br />
• Strategische Orientierung<br />
• Qualitäts- und Zielorientierung<br />
• Bürger-/Kundenorientierung<br />
• Veränderungskompetenz<br />
• Gesellschaftliche/politische Kompetenz<br />
• Fach-/Methodenkompetenz<br />
konkrete Stufen, sprich Schwierigkeitsgrade,<br />
für die Dezernatsleitungen und Abteilungsleitungen<br />
diskutiert und einvernehmlich<br />
festgelegt worden.<br />
Dieser Prozess war aufgrund der vielseitigen<br />
Diskussion ein weiterer wichtiger Schritt zu<br />
einer einheitlichen Führungskultur im Amt.<br />
Am letzten Tag des Workshops wurde die<br />
individuelle Einstellung der Führungskräfte
zu konkreten Führungsaufgaben aus der<br />
jüngsten Vergangenheit beleuchtet.<br />
Leitfragen waren zum Beispiel:<br />
• Haben wir ein Führungssystem im<br />
Haus?<br />
• Welcher Gruppe fühle ich mich<br />
zugehörig?<br />
• SOFIS als Beispiel für Transparenz<br />
und Kommunikation?<br />
• Mitgestalten in defi niertem Rahmen?<br />
• Verpfl ichtung/Verantwortlichkeiten bei<br />
Veränderungsprozessen am Beispiel<br />
Kosten-Leistungsrechnung<br />
• Verpfl ichtung, amtsinterne Entscheidungen<br />
mitzutragen (Sanktionen)!<br />
Aus diesen ersten Erfahrungen ist abzuleiten,<br />
dass die eingeleitete Organisationsentwicklung<br />
konsequent weitergeführt werden muss.<br />
Um in diesem Sinne ein Kompetenzmodell<br />
„Führung im <strong>StUA</strong> <strong>Herten</strong>“ konkret weiter zu<br />
entwickeln, sind zum Beispiel nachfolgende<br />
Inhalte zu bearbeiten und Maßnahmen<br />
durchzuführen:<br />
• Potenzialanalyse der Abteilungsleitungen<br />
und des Amtsleiters<br />
• Evaluation des festgelegten Profi ls<br />
anhand konkreter Führungssituationen<br />
• Kollegiale Fallberatung schwieriger<br />
Führungssituationen<br />
• Verbesserung der Führungskräftebesprechung<br />
durch mehr Zielklarheit,<br />
Partizipationen und Verantwortungsübernahme<br />
• Kompetenzmodell <strong>StUA</strong> <strong>Herten</strong><br />
entwickeln!<br />
Ergebnis des Seminars Teamentwicklung<br />
der Führungskräfte der<br />
Abteilung 5-„Umweltqualität“<br />
Folgende Schwerpunkte wurden bearbeitet:<br />
• Interne Kooperation<br />
• Schaffung eines einheitlichen<br />
Führungsverständnisses<br />
• Stärkung des Profi ls der Abteilung 5<br />
• Aufgabenwahrnehmung und<br />
Perspektiven der Abteilung 5<br />
Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer haben<br />
die gegenseitigen Erwartungen an ihre Führungsfunktionen<br />
beschrieben und persönliche<br />
Ziele für die aktuelle und zukünftige<br />
Zusammenarbeit abgeleitet. Besondere<br />
Berücksichtigung fanden die Erwartungen<br />
und das Selbstverständnis der neuen Abteilungsleitung.<br />
Die Führungskräfte haben die<br />
abteilungsinterne und abteilungsübergreifende<br />
Kooperation refl ektiert und daraus<br />
Verhaltensziele für die zukünftige Zusammenarbeit<br />
abgeleitet.<br />
Das Führungsteam hat die aktuellen Aufgaben<br />
und Ziele seiner Abteilung zusammengestellt,<br />
mit aktuellen und zukünftigen Entwicklungen/Anforderungen<br />
der Umweltverwaltung<br />
abgeglichen und daraus eine<br />
klare Profi lierung ihrer Abteilung entwickelt.<br />
Abteilungsziele wurden abgeleitet und in<br />
konkrete Arbeitsschritte umgesetzt.<br />
Aus dem Haus<br />
125
Aus dem Haus<br />
126<br />
Ergebnis des Seminars<br />
Teamentwicklung – Bereich<br />
Labor/Anorganik<br />
Folgende Schwerpunkte haben die Teilnehmerinnen<br />
und Teilnehmer gemeinsam festgelegt<br />
und bearbeitet:<br />
• Was macht ein Team erfolgreich?<br />
• Welche Kriterien erfolgreicher<br />
Teamarbeit sind bei uns erfüllt?<br />
• An welchen Kriterien erfolgreicher<br />
Teamarbeit wollen wir arbeiten?<br />
• Welche Vereinbarungen treffen wir<br />
für die weitere Zusammenarbeit?<br />
Zum einen wurden theoretische Überlegungen<br />
angestellt, welche Rahmenbedingungen<br />
verbessert werden müssen und wer für die<br />
Umsetzung verantwortlich ist. Zum anderen<br />
haben die Teilnehmerinnen und Teilnehmer<br />
anhand praktischer Übungen ihr Verhalten<br />
in Teams kennen gelernt und sich mit ihren<br />
persönlichen Stärken und Schwächen auseinandergesetzt.<br />
Am Ende des Seminars wurden individuelle<br />
Verhaltensvorsätze formuliert, deren Einhaltung<br />
die zukünftige Arbeit im Team optimieren<br />
soll. Darüber hinaus haben die Teilnehmerinnen<br />
und Teilnehmer den Wunsch<br />
geäußert, in einem Transferworkshop zu<br />
prüfen, inwieweit sie sich daran gehalten<br />
haben und inwieweit die getroffenen Vereinbarungen<br />
wirksam gewesen sind und eventuell<br />
Korrekturen vorzunehmen sind.<br />
Aufgrund der Haushaltssperre konnte das<br />
vorgesehene Teambildungsseminar des Projektdezernates<br />
Emscherumbau nicht mehr<br />
durchgeführt werden. Dieses Seminar soll<br />
im Jahre 2006 durchgeführt werden.<br />
Zusammenfassung<br />
In allen Seminaren wurde offen und umfassend<br />
diskutiert und refl ektiert. Alle Teilnehmenden<br />
haben sich sehr engagiert und konstruktiv<br />
eingebracht.<br />
Der Einstieg in das Nordrhein-Westfalen-<br />
Kompetenzmodell der Führung ist als wichtiger<br />
Schritt zu einer einheitlichen Führungskultur<br />
im <strong>StUA</strong> <strong>Herten</strong> zu werten, der fortgesetzt<br />
werden muss.<br />
Das Seminar Teamentwicklung brachte den<br />
Wunsch hervor, gemeinsam weiter an diesem<br />
Thema zu arbeiten. Deshalb sollen<br />
Teamentwicklungsseminare im Jahre 2006<br />
auch in anderen Arbeitsbereichen durchgeführt<br />
werden.<br />
Die kontinuierlichen Organisationsentwicklungsseminare<br />
des Staatlichen Umweltamtes<br />
<strong>Herten</strong> haben die Zusammenarbeit<br />
über alle Hierarchieebenen hinweg deutlich<br />
positiv beeinfl usst und zu einer gestärkten<br />
Motivation der Mitarbeiterinnen und<br />
Mitarbeiter sowie zur Festigung des guten<br />
Arbeitsklimas beigetragen und damit die<br />
Basis geschaffen, sich konstruktiv den Herausforderungen<br />
der Verwaltungsmodernisierung<br />
zu stellen.
SOFIS – Fit für die Zukunft<br />
Karl-Heinz Paul<br />
SOFIS bietet<br />
als SachbearbeiterorientiertesFachinformationssystem<br />
Zugriff auf beliebigeAnwendungen,<br />
Daten und<br />
Dokumente.<br />
Durch die Arbeit einer dienststelleninternen<br />
Projektgruppe wurde ein bereits seit Jahren<br />
bestehendes Informationssystem (<strong>StUA</strong>net)<br />
um verschiedene Komponenten erweitert,<br />
die es jeder Mitarbeiterin und jedem Mitarbeiter<br />
ermöglichen, durch einheitliche<br />
Benutzeroberfl ächen auf alle Informationen<br />
der Dienststelle zugreifen zu können.<br />
Mit der Ende <strong>2005</strong> realisierten elektronischen<br />
Aktenablagemöglichkeit ist nunmehr<br />
ein System geschaffen worden, das den<br />
Informationssuchenden die Abfrage aus<br />
dem gesamten Wissensbereich der Dienststelle<br />
ermöglicht. Beginnend bei der Volltext-„Aktensuche“<br />
über Informationen aus<br />
den verschiedensten Fachabteilungen und<br />
Schwerpunktthemenbereichen bis hin zu<br />
hausinternen Regelungen sind alle Bereiche<br />
erreichbar. SOFIS ist dabei nicht als monolithisches<br />
System, sondern als Kombination<br />
einzelner Komponenten und Anwendungen<br />
realisiert, die im Sinne einer Infrastruktur<br />
miteinander interagieren. Damit wird erreicht,<br />
dass verschiedenste Anwendungen<br />
integriert werden und unter dem Dach von<br />
SOFIS wie aus einem Guss dargestellt werden.<br />
Der/die Sachbearbeiter/in im Staatlichen<br />
Umweltamt (<strong>StUA</strong>) <strong>Herten</strong> kann somit<br />
Arbeitsschritte oder ganze Geschäftsprozesse<br />
ohne logischen Bruch bearbeiten.<br />
Die Art der Integration in SOFIS reicht dabei<br />
vom einfachen Aufruf eigenständiger<br />
Anwendungen bis hin zu parametrisierten<br />
Aufrufen mit Übergabe des fachlichen,<br />
objekt- oder personengebundenen Kontextes.<br />
Generelles Ziel ist immer, den Weg<br />
zwischen einzelnen Anwendungen für den<br />
Anwender zu verkürzen und den Kontext<br />
dabei soweit möglich zu erhalten.<br />
Die unter SOFIS verfügbaren Anwendungen<br />
sind dabei keineswegs statisch. Im<br />
Sinne der Erweiterbarkeit kann das System<br />
jederzeit fl exibel an neue fachliche Anforderungen<br />
durch Anpassung bestehender<br />
oder Ergänzung weiterer Anwendungen<br />
angepasst werden. Zur Gewährleistung der<br />
Übertragbarkeit auf andere Betriebsumgebungen<br />
sind die genutzten Anwendungen<br />
austauschbar. Auf diesem Weg kann<br />
zum Beispiel eine bereits genutzte Software<br />
zur Aktenführung oder ein verwendeter<br />
GIS-Viewer integriert werden. Die nachfolgende<br />
Übersichtsdarstellung zeigt die<br />
Aus dem Haus<br />
127<br />
SOFIS - Fit für die Zukunft
Aus dem Haus<br />
128<br />
Anwendungen von SOFIS in der aktuellen<br />
Konfi guration des <strong>StUA</strong> <strong>Herten</strong>. Den zentralen<br />
Einstiegspunkt von SOFIS bildet im <strong>StUA</strong><br />
<strong>Herten</strong> die Intranetplattform „STUAnet“.<br />
Über die integrierende Oberfl äche des STUAnet<br />
erreicht der Anwender neben den Angeboten<br />
des Internetauftritts des <strong>StUA</strong> <strong>Herten</strong><br />
und des Landesverwaltungsnetzes NRW<br />
auch die statischen und dynamischen Informationsangebote<br />
im Intranet. Die dynamischen<br />
Angebote werden dabei teilweise vom<br />
STUAnet selbst oder durch Aufruf der angebundenen<br />
Anwendungen bereitgestellt.<br />
Der Anwender navigiert über die Auswahl<br />
von Fachthemen oder durch Volltextsuche in<br />
Akten und Webinhalten über die integrierte<br />
Suchmaschine direkt zu einzelnen Objekten<br />
beziehungsweise Vorgängen im STUAnet.<br />
Neben den reinen Informationen stellt das<br />
STUAnet kontextbezogen jeweils die verfügbaren<br />
Anwendungen bereit.<br />
Durch Aufruf der Aktenführung kann der<br />
Anwender über den Web-Browser Zugriff auf<br />
sämtliche digitalen Akten des Amtes erhalten<br />
und diese direkt öffnen. Hat er vorher<br />
über die Suchfunktion oder über eine angebundene<br />
Anwendung einen konkreten Vorgang<br />
recherchiert, erhält er direkten Zugriff<br />
auf die Fachakte dieses Vorgangs.<br />
Das Geografi sche Informationssystem (GIS)<br />
erschließt die Informationen über den Raumbezug.<br />
Neben der Visualisierung vorbereiteter<br />
Fachthemen in der Karte erhalten die<br />
Anwender/innen die Möglichkeit, einzelne<br />
Objekte in der Karte zu selektieren und diese<br />
Objekte in anderen Anwendungen zu öffnen.<br />
Beispielsweise kann der/die Sachbearbeiter/in<br />
über das STUAnet automatisch einen<br />
detaillierten Objektreport aufrufen. Dieser<br />
wird zur Laufzeit durch Direktzugriff auf die<br />
jeweiligen Datenhaltungen von der Report-<br />
Anwendung für das selektierte Objekt<br />
erzeugt. Eine andere Möglichkeit stellt der<br />
objektbezogene Aufruf einer Offi ce-Anwendung<br />
dar. Hierbei wird durch Übergabe der<br />
Kontextinformationen an eine Dokumentvorlage<br />
der gewünschte Brief oder das zu bearbeitende<br />
Formular weitestgehend vorbereitet.<br />
Nach Weiterbearbeitung des Dokuments<br />
durch den Sachbearbeiter kann er dieses<br />
durch Vorschlag des Aktenverzeichnisses<br />
direkt in der Aktenführung ablegen.<br />
Zur Erfassung von Objektdaten kann der<br />
Nutzer die Anwendung UNIDATEN1 aus dem<br />
STUAnet starten. Hierbei erhält er über unveränderliche<br />
Stammdaten (zum Beispiel<br />
aus landesweiten Anwendungen wie ISA-<br />
UNIX) editierenden Zugriff auf beliebige,<br />
konfi gurierbare Detaildaten.<br />
Neben den beschriebenen Anwendungen<br />
kann der Nutzer über die Navigationsmöglichkeiten<br />
des STUAnet kontextbezogen<br />
beliebige eigenständige Anwendungen aufrufen.<br />
Dies können weitere interne Anwen-<br />
[ 1 ] Unidaten ist eine Lizenz kostenfreie<br />
Datenbankanwendung, die eine vorhandene<br />
Datenbank beim Programmstart<br />
automatisch analysiert und eine völlig<br />
eigenständige auf jedem Arbeitsplatz<br />
lauffähige Benutzeroberfl äche erstellt
dungen des <strong>StUA</strong>, landesweite Anwendungen<br />
(zum Beispiel ISA-UNIX, ISA-Java und<br />
DEA) und Portale (zum Beispiel Vorschriftensammlung<br />
Technischer Umweltschutz) oder<br />
auch allgemein verfügbare Angebote des<br />
Internets (zum Beispiel Google) sein. Das<br />
Mailsystem stellt das zentrale Erinnerungsund<br />
Wiedervorlagesystem von SOFIS dar. Es<br />
wertet über konfi gurierbare Routinen regelmässig<br />
den Datenbestand hinsichtlich anstehender<br />
Aufgaben aus und sendet Erinnerungen<br />
per Mail an die zuständigen Bearbeiter.<br />
Weitere Vorteile von SOFIS sind:<br />
• Gute Benutzerfreundlichkeit<br />
durch Verknüpfung der einzelnen<br />
Anwendungen.<br />
• Grosse Flexibilität des Systems<br />
bezüglich der eingesetzten<br />
Basiskomponenten.<br />
• Hohe Akzeptanz durch individuelle<br />
Anpassung der Anwendungen an<br />
die typischen Arbeitsabläufe der<br />
Sachbearbeitung.<br />
• Hohe Erweiterbarkeit des Systems<br />
bezüglich der fachlichen Inhalte und<br />
der eingesetzten Anwendungen.<br />
• Kosteneinsparung durch Nutzung<br />
vorhandener Standardsoftware (zum<br />
Beispiel DBMS, GIS, Offi ce-Software,<br />
und andere) statt Beschaffung lizenzkostenpfl<br />
ichtiger Spezialsoftware<br />
oder kostenintensiver Realisierung<br />
vollständig neuer Systeme durch<br />
externe Entwickler.<br />
• Kosteneinsparung durch interne<br />
Weiterentwicklung und Wartung.<br />
InterGEO <strong>2005</strong><br />
Jürgen Klingel<br />
„Mit über 16.000 Fachbesuchern, darunter<br />
rund 1.600 Kongressteilnehmer, knüpfte die<br />
INTERGEO <strong>2005</strong> nahtlos an das Rekordergebnis<br />
aus dem Vorjahr an. 515 Aussteller<br />
aus 24 Ländern ließen auch im elften Jahr<br />
die weltgrößte Kongressmesse für Geodäsie,<br />
Geoinformation und Landmanagement<br />
zu einem vollen Erfolg werden“, so Hagen<br />
Graeff, Präsident des Deutschen Vereins<br />
für Vermessungswesen e.V. – Gesellschaft<br />
für Geodäsie, Geoinformation und Landmanagement<br />
(DVW).<br />
Und wir waren auch da, vom 4. bis 6. Oktober,<br />
mit unserer Wissensmanagementplattform<br />
„<strong>StUA</strong>net“ und dem Projekt „GIS-gestützte<br />
Sachbearbeitung“! Unterstützt durch<br />
das Umweltministerium, koordiniert durch<br />
das Landesamt für Datenverarbeitung und<br />
Statistik NRW (LDS), begannen unsere Vorbereitungen<br />
zum Messeauftritt bereits im<br />
April. Die Gestaltung des 90 m² großen Gemeinschaftsstandes<br />
(zehn Landesbehörden<br />
waren vertreten) einschließlich der Stellwände<br />
übernahm das LDS.<br />
Für alle auf dem Stand verwendeten Poster<br />
beziehungsweise Plakate, Schautafeln<br />
und Flyer wurde ein einheitliches Layout<br />
vorgegeben. Die entsprechenden Texte für<br />
die Projektbeschreibungen wurden bereits<br />
Anfang Mai dem LDS geschickt.<br />
Für alle Projekte stellte das LDS die gesamte<br />
Hard- und Software einschließlich<br />
Intranet- und Internetzugang zur Verfü-<br />
Aus dem Haus<br />
129<br />
InterGEO <strong>2005</strong>
Aus dem Haus<br />
130<br />
gung. Sonderfall: <strong>StUA</strong> <strong>Herten</strong>! Aufgrund<br />
der vorgegebenen Softwarekonfi guration<br />
mussten wir unseren eigenen Computer<br />
mitbringen.<br />
Nachdem der „äußere“ Rahmen unseres<br />
Auftritts feststand, wurde nun an den Inhalten,<br />
die präsentiert werden sollten, gearbeitet<br />
(siehe hierzu den Bericht auf Seite 114).<br />
Am 04. Oktober ging es dann mit Sack und<br />
Pack auf nach Düsseldorf. Mit Spannung erwarteten<br />
wir die ersten Gäste. Mit den sehr<br />
nett gemeinten Anweisungen des LDS bezüglich<br />
„Verhalten am Stand“ und „Gespräche<br />
mit Kunden“ konnten wir den ersten<br />
„Ansturm“ von Interessierten bewältigten.<br />
Die Informationsmaterialien zu unserem<br />
Projekt und unsere hausinterne Broschüre<br />
wurden vielfach verteilt. Die Resonanz war<br />
insgesamt gut, wobei sich an den ersten beiden<br />
Tagen hauptsächlich fachkundige Kolleginnen<br />
und Kollegen aus anderen Behörden<br />
über unser Produkt informierten.<br />
Alles in allem bleibt festzustellen, dass unser<br />
Auftritt bei der InterGEO eine „runde“<br />
Sache war, was insbesondere auf die hervorragende<br />
Organisation des LDS zurückzuführen<br />
ist. Unser Produkt mit den Möglichkeiten,<br />
für die Sachbearbeitungsebene<br />
benötigte Informationen mit verschiedenen<br />
Datenverarbeitungs-Werkzeugen zu verbinden<br />
und so Arbeitsprozesse zu unterstützen,<br />
fi ndet sicherlich auf Behördenebene Zuspruch,<br />
für externe Betrachter (zum Beispiel<br />
Firmen, Unternehmen, Ingenieur-Büros)<br />
sind diese Vorteile nicht direkt anwendbar<br />
und somit ist es schwierig, das Interesse bei<br />
Unternehmen zu wecken.
Berichtswesen der<br />
Staatlichen Umweltämter<br />
Samir Khayat<br />
Mit der Einrichtung eines Controlling-Systems<br />
in den Staatlichen Umweltämtern des<br />
Landes NRW entwickelte sich das bislang<br />
noch auf den Daten der Kostenrechnung<br />
basierende Berichtswesen weiter. Die Diskussionen<br />
mit Führungskräften und Mitarbeiterinnen<br />
und Mitarbeitern im Staatlichen<br />
Umweltamt (<strong>StUA</strong>) <strong>Herten</strong> ergaben nämlich,<br />
dass die Darstellung des reinen Status-Quo<br />
anhand von Kostendaten für eine Steuerung<br />
einer stark hoheitlich geprägten Behörde<br />
nicht ausreichend ist.<br />
Dies wird auch deutlich bei Betrachtung der<br />
Kostenstruktur des Staatlichen Umweltamtes<br />
<strong>Herten</strong>, die überwiegend von den Personalkosten<br />
dominiert wird. Als Adressaten<br />
für das Berichtswesen wurden zunächst drei<br />
Gruppen identifi ziert:<br />
1. Führung des Staatlichen<br />
Umweltamtes<br />
2. Management der vorgesetzten<br />
Behörde (MUNLV)<br />
3. Öffentlichkeit<br />
Diesen Adressaten des Berichtswesens kommen<br />
naturgemäß unterschiedliche Informationsbedürfnisse<br />
zu, die sich beispielhaft wie<br />
folgt darstellen lassen:<br />
Im Geschäftsbericht für die Öffentlichkeit<br />
steht die reine Informationsbereitstellung<br />
in stark aggregierter Form und mit deutlichen<br />
Elementen professioneller Öffentlichkeitsarbeit<br />
versehen im Vordergrund. Ein<br />
entsprechendes Muster ist beim Staatlichen<br />
Umweltamt <strong>Herten</strong> zu beziehen. Auf der<br />
anderen Seite spielen für die beiden behördeninternen<br />
Berichtsadressaten Steuerungsaspekte<br />
die Hauptrolle. Diese Berichte dienen<br />
primär der Managementinformation.<br />
Sie müssen mittelfristig Daten und Analysen<br />
enthalten, die als Steuerungsbasis für<br />
das Management eines Amtes beziehungsweise<br />
dem übergeordneten Management der<br />
Umweltverwaltung in NRW dienen können.<br />
Ein interner Controlling-<strong>Jahresbericht</strong> mit<br />
einer Ausrichtung auf die Steuerungsfelder<br />
Auftragserfüllung, Kundenzufriedenheit, Personalzufriedenheit<br />
und Wirtschaftlichkeit liegt<br />
inzwischen in der dritten Fortschreibung vor.<br />
Für den Bericht an das MUNLV wurde ein<br />
Vorschlag über Berichtsinhalt und Turnus<br />
vorgelegt. Danach soll der so genannte Bericht<br />
MUNLV einmal jährlich als Jahresabschluss<br />
zur regelmäßigen Beurteilung der<br />
Amtsergebnisse und der Aufgabenentwicklung<br />
der einzelnen Behörden dienen. Es<br />
wäre folgende Gliederung denkbar:<br />
1. Allgemeine Kostendaten,<br />
Betriebsergebnis<br />
2. Budgets und Produktkosten<br />
(inklusive Soll-/Ist-Vergleich)<br />
3. Leistungen<br />
(inklusive Soll-/Ist-Vergleich)<br />
4. Kernkennzahlen<br />
(inklusive Abweichungsanalyse)<br />
5. Planung Folgejahr<br />
Aus dem Haus<br />
131<br />
Berichtswesen der Staatlichen Umweltämter
Telearbeit um jeden Preis<br />
Aus dem Haus<br />
132<br />
Vorausgesetzt sind hierbei vorhandene Budgets,<br />
Kernkennzahlen, Zielvereinbarungen/<br />
Kontrakte und Planungsdaten.<br />
Die Implementierung eines derart ausgerichteten<br />
Berichtswesens für die Staatliche<br />
Umweltverwaltung erfordert eine Integration<br />
von fi nanziellen und qualitativen Werten und<br />
Kennzahlen zur Unterstützung einer sachgerechten<br />
Behördensteuerung. Die Voraussetzungen<br />
dafür müssen durch einheitliche<br />
Kennzahlen- und verbindliche Zielsysteme<br />
sowie durch die Einführung der Budgetierung<br />
allerdings noch geschaffen werden.<br />
Telearbeit um jeden Preis?<br />
Christoph Ernst<br />
Im Staatlichen Umweltamt (<strong>StUA</strong>) <strong>Herten</strong><br />
besteht für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter<br />
grundsätzlich die Möglichkeit, Heimarbeit<br />
zu beantragen. Dabei ergibt sich die<br />
Schwierigkeit, dass manche Anwendungen<br />
nur in Verbindung mit Datenbanken genutzt<br />
werden können, welche sich auf den Servern<br />
im <strong>StUA</strong> <strong>Herten</strong> befi nden. Damit auch<br />
die Arbeitskolleginnen und -kollegen, die<br />
auf diese Anwendungen angewiesen sind,<br />
die Möglichkeit der Telearbeit nutzen können,<br />
wurde im <strong>StUA</strong> <strong>Herten</strong> versuchsweise<br />
ein VPN-Gateway-Server für die Heimarbeit<br />
(Telearbeitsplatz) eingerichtet. Nun stellt<br />
sich jedoch die Frage nach der Rentabilität<br />
eines solchen Telearbeitsplatzes.<br />
Im nachfolgenden Bericht sollen die Kosten<br />
von einem „normalen“ PC-Arbeitsplatz im<br />
<strong>StUA</strong> <strong>Herten</strong> den Kosten für einen Telearbeitsplatz<br />
gegenübergestellt werden.<br />
Bevor überhaupt ein Rechner von zu Hause<br />
aus mit den Servern im Netzwerk des <strong>StUA</strong><br />
<strong>Herten</strong> Kontakt aufnehmen kann, muss zuerst<br />
ein so genannter VPN-Gateway-Server<br />
installiert und konfi guriert werden. Da die<br />
Kosten für diesen Server nur einmal anfallen,<br />
sind diese separat aufgelistet. Die Kosten<br />
für den Rechner und die Peripherie variieren<br />
je nach Ausstattung des Arbeitplatzrechners<br />
und werden deshalb nicht in die<br />
Rechnung mit aufgenommen, so ist diese zu<br />
jedem Zeitpunkt relativ aktuell.<br />
Die Software eines Telearbeitsplatzes beinhaltet<br />
nicht nur die im <strong>StUA</strong> <strong>Herten</strong> standardmäßig<br />
eingesetzte Software, wie das<br />
Betriebssystem Windows XP Professional<br />
und die zugehörigen Offi ce Anwendungen,<br />
sondern auch noch einige Programme zur<br />
Herstellung der eigentlichen Verbindung zu<br />
den Servern im <strong>StUA</strong> <strong>Herten</strong>. In unserem<br />
Fall ist es die Software VPN/PKI Client der<br />
Firma NCP. Die Kosten, die pro Telearbeitsplatz<br />
anfallen, beinhalten noch nicht die<br />
monatlichen Kosten für die DSL-Leitung und<br />
die DSL-Flatrate.<br />
Zu den elf Stunden Einrichtungs- und Konfi -<br />
gurationszeit pro Client kommt erfahrungsgemäß<br />
noch zusätzlich eine Stunde pro Woche<br />
für die Behebung von Anwendungsproblemen<br />
hinzu, eventuell sogar vor Ort.<br />
Zusätzlich müssen noch Pfl egeverträge mit<br />
dem Landesamt für Datenverarbeitung und<br />
Statistik NRW (LDS) eingegangen werden,<br />
die jeweils ein Jahr gültig sind und pro Telearbeitsplatz<br />
abgeschlossen werden müssen.<br />
Diese Verträge enthalten Angaben über die<br />
Pfl ege der Software, das Bereitstellen von
Patches und Updates und die<br />
Pfl ege der Zertifi kate.<br />
Alles in allem belaufen sich<br />
die Kosten für den ersten<br />
Telearbeitsplatz zurzeit auf<br />
1.100,56 € plus 773,78 €.<br />
Hinzu kommen noch die Kosten<br />
von 214,59 € für die Pfl egeverträge,<br />
die pro Telearbeitsplatz<br />
pro Jahr anfallen.<br />
Da wir nicht genau wissen,<br />
wie viele Telearbeitsplätze benötigt<br />
werden, ist es schwer,<br />
die Kosten für den Server<br />
gleichmäßig aufzuteilen.<br />
Um zu sehen, wie die Kosten<br />
für einen Telearbeitsplatz<br />
einzuordnen sind, folgt<br />
nun der Vergleich mit einem<br />
Standard-PC-Arbeitsplatz im<br />
<strong>StUA</strong> <strong>Herten</strong>.<br />
Die Einrichtung eines Standardarbeitsplatzrechners<br />
ist<br />
wesentlich weniger aufwändig<br />
und benötigt deshalb<br />
auch weniger Arbeitszeit. Eine<br />
Stunde reicht zum Installieren<br />
und Konfi gurieren mit CCM,<br />
Aufstellen und letzte Konfi gurationen<br />
vor Ort.<br />
Als Fazit kann man nur eines<br />
ziehen: Ein Telearbeitsplatz<br />
ist wesentlich aufwändiger<br />
und teurer und rechnet sich<br />
nur in Einzelfällen, wo es<br />
zwingend erforderlich wird.<br />
Kosten pro Server (einmalig)<br />
Windows Server 2003 504,83 €<br />
VPN Serversoftware 422,73 €<br />
VPN-Tunnel (GW-GW) 94,25 €<br />
Serverzertifi kat 78,75 €<br />
Summe 1.100,56 €<br />
Kosten pro Client (einmalig)<br />
Windows XP 133,98 €<br />
Offi ce 2003 140,85 €<br />
VPN Clientsoftware 139,52 €<br />
VPN-Tunnel (Client-GW) 94,25 €<br />
Cardreader 27,55 €<br />
Chipkarte mit Zertifi kat 63,00 €<br />
Client Firewall 40,98 €<br />
Arbeitszeit<br />
(zirka 11 Stunden)<br />
133,65 €<br />
Summe 773,78 €<br />
Pfl egeverträge (pro Jahr)<br />
Pfl ege für die Clientsoftware 25,81 €<br />
Pfl ege für die Serversoftware 78,21 €<br />
Pfl ege für die Firewall-Software 12,92 €<br />
Pfl ege der Zertifi kate 97,65 €<br />
Summe 214,59 €<br />
Kosten pro Arbeitsplatzrechner im <strong>StUA</strong><br />
Windows XP 133,98 €<br />
Offi ce 2003 140,85 €<br />
Arbeitszeit (zirka 1 Stunde) 12,15 €<br />
Summe 286,98 €<br />
Aus dem Haus<br />
133
Mein Weg zur Ausbildung<br />
Aus dem Haus<br />
134<br />
Mein Weg zur Ausbildung<br />
Simon Isfort<br />
Auf den Ausbildungsberuf Fachinformatiker<br />
bin ich eigentlich zufällig gekommen. Mein<br />
ursprünglicher Traumberuf war der des Polizisten.<br />
Ich habe bei einer Informationsrunde<br />
im örtlichen Arbeitsamt aus Zufall mal<br />
auf den Beruf Fachinformatiker geklickt.<br />
Nach dem Lesen der Informationen habe<br />
ich mir die Seiten ausgedruckt und mit nach<br />
Hause genommen. In den späteren Wochen<br />
haben meine Eltern und ich immer mal wieder<br />
in die Zeitung geschaut und nach Ausbildungsstellen<br />
gesucht.<br />
Eine Ausschreibung der Bezirksregierung<br />
Münster hat unser Aufsehen erregt und ich<br />
habe mich beworben. Ich wurde zum Einstellungstest<br />
eingeladen und habe dann<br />
aber keine Nachricht erhalten. Etwa einen<br />
Monat später bekam ich einen Anruf vom<br />
Staatlichen Umweltamt (<strong>StUA</strong>) <strong>Herten</strong>. Es<br />
ging um die Frage, ob das Amt sich von der<br />
Bezirksregierung meine Testdaten schicken<br />
lassen darf. Das war natürlich kein Problem.<br />
Eine Woche später wurde ich zum Vorstellungsgespräch<br />
beim <strong>StUA</strong> <strong>Herten</strong> eingeladen.<br />
Es folgte jedoch wieder eine Absage.<br />
So bereitete ich mich erstmal auf zwei weitere<br />
Schuljahre vor. Ich habe mich für den<br />
Erwerb der Fachhochschulreife auf dem örtlichen<br />
Berufskolleg entschieden. Als ich die<br />
Schule erst zwei Wochen lang besuchte,<br />
bekam ich die Zusage vom Staatlichen<br />
Umweltamt. Diese Chance habe ich direkt<br />
genutzt und wurde etwas verspätet am<br />
5. September <strong>2005</strong> als Fachinformatiker ein-<br />
gestellt. Ich bin sozusagen von der Schule<br />
direkt ins Berufsleben durchgestartet.<br />
Dieser Umstieg hat super geklappt und ich<br />
muss ehrlich sagen, dass mir das Arbeiten<br />
hier mit den Kollegen besser als die Schule<br />
gefällt. Meine Erwartungen vor Beginn der<br />
Ausbildung waren relativ gering, eigentlich<br />
habe ich lediglich erwartet, dass ich Fachkenntnisse<br />
zum Thema PC erhalte und im<br />
Umgang mit ihm geschult werde. Diese Erwartung<br />
hat sich schon nach den ersten zwei<br />
Wochen erfüllt. Ich habe erfahren, dass es<br />
noch viele, viele Dinge im Zusammenhang<br />
mit dem PC gibt, von denen ich vor der Ausbildung<br />
nie etwas gehört hatte.<br />
In der Folgezeit habe ich viel über unsere<br />
Server erfahren. Durch den Ausfall von<br />
Laufwerken ist einer dieser Server ausgefallen.<br />
Das beschäftigte die EDV-Abteilung<br />
natürlich besonders und wir versuchten,<br />
den Datenverlust möglichst gering zu halten.<br />
Zwei Wochen später gab es noch einen<br />
Stromausfall, der den Servern wiederum zu<br />
schaffen machte. Um bei solchen Fällen den<br />
Datenverlust ganz auszuschließen, soll in<br />
allen Servern ein so genanntes Raid-System<br />
installiert werden.<br />
Diese Umstände bildeten dann auch mein<br />
Aufgabenfeld. Anhand von einigen Aufgaben<br />
habe ich gelernt, wie man verschiedene<br />
Raid-Systeme installiert und wie sie<br />
funktionieren. Es macht Spaß, mit solchen<br />
besonderen Geräten und Einrichtungen zu<br />
arbeiten und nachvollziehen zu können, wie<br />
sie funktionieren. Mit dem Raid-System habe<br />
ich das Serverbetriebssystem Windows<br />
2003 Server kennen gelernt.
Ich habe verschiedene Aufgaben bekommen<br />
und gemeinsam mit meinen beiden Mitstreitern<br />
Christian Uebe und Sascha Kanty-Eybe<br />
gelöst. Dank der hervorragenden Ausrüstung<br />
unseres Amtes, konnte ich zwei eigene<br />
Server und einen Client erstellen und mit<br />
den Rechnern arbeiten<br />
Der Kollege Christoph Ernst lernt mich an,<br />
wie ich die verschiedenen Drucker im ganzen<br />
Gebäude reparieren und instand halten<br />
kann. Diese Aufgabe werde ich einmal ganz<br />
übernehmen, da Herr Ernst leider das Amt<br />
im Monat April verlassen muss. Er hat seine<br />
Ausbildung als Fachinformatiker erfolgreich<br />
abgeschlossen.<br />
Von Herrn Fester werde ich in den Aufbau<br />
und die Bedienung unserer Beamer im Haus<br />
eingewiesen.<br />
Mit Hilfe von Herrn Hatzfeld habe ich mit<br />
dem Programm Dreamweaver meine erste<br />
eigene Homepage erstellt.<br />
Einen besonderen Teil meiner Ausbildung<br />
macht das Programmieren aus. Die Batch-<br />
Dateien, die ich bis jetzt erstellt habe, waren<br />
sehr leichte Vorgänge. So habe ich zum<br />
Beispiel eine ausführende Datei mit dem<br />
Befehl xcopy geschrieben. Dieser Befehl<br />
bewirkt das Kopieren von einem Verzeichnis<br />
inklusive aller Ordner und Unterverzeichnisse.<br />
Wenn man diese Datei ausführt,<br />
bekommt man einen schwarzen Bildschirm<br />
angezeigt, der den Vorgang der ausführenden<br />
Datei anzeigt.<br />
Bei dem Thema Visuell Basic habe ich<br />
mich mit dem Zugriff auf eine Datenbank<br />
beschäftigt. Die Datenbank befand sich in<br />
Access. Ich habe Felder programmiert, mit<br />
denen man in der Datenbank Datensätze<br />
suchen, anzeigen und nach den gewünschten<br />
Kriterien sortieren kann.<br />
In meinen ersten zwei Monaten habe ich<br />
schon eine Menge Wissenswertes erfahren<br />
und gelernt. Ich hoffe, dass das auch so<br />
weiter geht. Diese Gelegenheit möchte ich<br />
gleichzeitig noch nutzen, um mich bei allen<br />
neuen Kollegen zu bedanken, die mich hier<br />
so freundlich und nett aufgenommen haben.<br />
Ich freue mich schon auf die weitere Zeit<br />
hier im Staatlichen Umweltamt <strong>Herten</strong>.<br />
Die digitale Unterschrift<br />
Sascha Kanty - Eybe<br />
Im elektronischen Schriftverkehr ist es von<br />
besonderer Bedeutung, dass der Absender<br />
eines elektronischen Dokuments eindeutig<br />
zuzuordnen ist. Darüber hinaus muss sich<br />
der Empfänger eines elektronischen Dokuments<br />
darauf verlassen können, dass der an<br />
ihn gesandte Inhalt des Dokuments nicht von<br />
außenstehenden Dritten verändert wurde.<br />
Diese Sicherheit soll durch das technische<br />
Verfahren der digitalen Signatur gewährleistet<br />
sein. Um diese höchste Sicherheit zu<br />
gewährleisten, ist das Verfahren der digitalen<br />
Signatur in mehrere Teilprozesse gegliedert.<br />
Man unterscheidet hier zwischen dem<br />
„Hash“ und dem „Public-Key-Verfahren“<br />
sowie dem „Trust Center“, wobei alle Verfahren<br />
ineinander übergreifen. Im Folgenden<br />
werden die Funktionsweisen der einzelnen<br />
Verfahren erläutert.<br />
Aus dem Haus<br />
135<br />
Die digitale Unterschrift
Aus dem Haus<br />
136<br />
Zu Beginn der digitalen Signatur steht das<br />
Hash-Verfahren, bei dem eine vorliegende<br />
digitale Information, wie etwa ein im Computer<br />
gespeicherter Text, mittels mathematischer<br />
Verfahren in einen Wert bestimmter<br />
Länge umgewandelt wird. Es wird quasi eine<br />
Art Fingerabdruck genommen.<br />
Dieser Wert, der Hash-Wert genannt wird,<br />
ermöglicht es nicht, Rückschlüsse auf die<br />
der Signatur zugrunde liegende Information<br />
zu ziehen. Jedoch ist sie so generiert,<br />
dass selbst die kleinste Änderung in der<br />
ursprünglichen Nachricht den Hash-Wert<br />
verändern würde.<br />
Um nun als Empfänger einer signierten<br />
Nachricht zu prüfen, ob diese bearbeitet<br />
wurde, muss man lediglich den Hash-Wert<br />
vom Computer errechnen lassen und ihn mit<br />
dem Wert der Ursprungsnachricht vergleichen.<br />
Sind beide identisch, so kann man<br />
sicher sein, die Originalinformation vorliegen<br />
zu haben.<br />
Eine Verschlüsselung der gesamten Datei ist<br />
folglich nicht nötig, es sei denn, die Informationen<br />
sollen zusätzlich gegen die Kenntnisnahme<br />
durch Unbefugte geschützt werden.<br />
Das Problem ist nun jedoch, diesen Hash-<br />
Wert so vom Absender zum Empfänger zu<br />
leiten, dass sicher gestellt ist, dass dieser<br />
Wert tatsächlich vom Urheber stammt. Es<br />
muss für den Empfänger erkennbar sein,<br />
wenn der Hash-Wert unterwegs durch einen<br />
zur geänderten Information passenden<br />
neuen Wert ersetzt wurde beziehungsweise<br />
der Urheber überhaupt eine Information selber<br />
abgeschickt hat.<br />
Um nun die Richtigkeit des Hash-Wertes<br />
zu gewährleisten, wird dieser mittels eines<br />
„Secret Key“, eines einmalig existierenden<br />
Schlüssels, verschlüsselt. Dieser wird vom<br />
Absender benötigt, um die Signatur zu erzeugen<br />
und muss, da er möglichst geheim<br />
gehalten werden sollte, sicher abgespeichert<br />
beziehungsweise aufbewahrt werden (zum<br />
Beispiel auf Chipkarten).<br />
Der Empfänger muss nun den Hash-Wert jedoch<br />
wieder entschlüsseln können, um ihn<br />
mit dem Errechneten zu vergleichen. Hier ist<br />
es natürlich nicht ratsam, ihm den Secret Key<br />
zu übermitteln, da erst eine sichere Kommunikation<br />
beziehungsweise eindeutige Identifi<br />
kation des Empfängers über andere Medien<br />
erfolgen müsste, die die Verbreitung des Secret<br />
Key an Unbefugte verhindern würde.<br />
Um diese Problematik zu lösen, gibt es<br />
neben dem Secret Key, den nur ein Einzelner<br />
kennt, noch den „Public Key“, welcher<br />
der Öffentlichkeit zur Verfügung steht.<br />
Eine Eigenschaft des Public-Key-Verfahrens<br />
besteht nun darin, dass die mit dem Schlüssel<br />
eines Paares (Secret Key und Public Key)<br />
verschlüsselten Informationen immer nur<br />
mit dem entsprechenden anderen Schlüssel<br />
desselben Paares wieder entschlüsselt werden<br />
können. So wird die Identifi kation des<br />
Senders sichergestellt, da nur er im Besitz<br />
des Secret Key ist. Indem nun der zugehörige<br />
Public Key veröffentlich wird, kann jede
Person einen Hash-Wert, der mit dem zugehörigen<br />
Secret Key verschlüsselt wurde,<br />
wieder entschlüsseln; jedoch ist sie nicht<br />
in der Lage, mit diesem Wissen eine neue<br />
digitale Signatur zu erstellen. Darüber hinaus<br />
erfordert die Entschlüsselung, je nach<br />
Schlüssellänge, einen mehr oder weniger<br />
großen Rechenaufwand.<br />
Zur Verbreitung dieses Schlüssels wird nun<br />
eine vertrauenswürdige Einrichtung benötigt,<br />
die die Schlüssel verwaltet. Diese Aufgabe<br />
übernimmt eine Zertifi zierungsstelle<br />
(Trust Center), die zuerst die Identität des<br />
Public-Key-Besitzers prüft, um dann die<br />
Möglichkeit zu bieten, den mit der Information<br />
gelieferten Schlüssel mit dem zum Secret<br />
Key des Absenders passenden Public Key<br />
zu vergleichen. Darüber hinaus übernimmt<br />
sie in der Regel auch die Erzeugung eines<br />
solchen Schlüsselpaares.<br />
Zusammengefasst läuft das digitale Signaturverfahren<br />
dann folgendermaßen ab:<br />
• Der Absender digitaler Information,<br />
beispielsweise einer Online-Bestellung<br />
per E-Mail, erzeugt einen Hash-<br />
Wert seiner Information, welcher<br />
mittels des ihm bekannten Secret<br />
Key, der durch ein Programm wie PGP<br />
(Pretty Good Privacy) oder ein Trust<br />
Center erstellt wurde, verschlüsselt<br />
wird.<br />
• Zusatzinformationen wie Gültigkeitsdauer,<br />
Aussteller des Schlüssels<br />
sowie etwa der Public Key bilden in<br />
Kombination mit dem Hash-Wert<br />
dann die digitale Signatur, welche<br />
an das Dokument angehängt, darin<br />
eingebettet oder separat zum Dokument<br />
übermittelt werden kann.<br />
• Der Empfänger muss nun mittels<br />
des Public Key, der entweder mitgeschickt<br />
oder über andere Wege vermittelt<br />
wurde, den Hash-Wert des<br />
Dokumentes entschlüsseln und auf<br />
diesem Weg sicherstellen, dass es vom<br />
Orginalabsender kommt.<br />
• Anschließend erstellt er aus den erhaltenen<br />
Informationen einen eigenen<br />
Hash-Wert, vergleicht diesen<br />
mit dem, der der Information mitgeschickt<br />
wurde und prüft so, ob<br />
diese Information auf dem Übermittlungsweg<br />
verändert wurde.<br />
In unserem Haus wird im Rahmen des geplanten<br />
Abwesenheitsmanagers eine vereinfachte<br />
Form, die digitalisierte, eingescannte<br />
handschriftliche Unterschrift, als Verfahren<br />
der digitalen Signatur verwendet werden.<br />
Dabei wird, beispielsweise zur Unterzeichnung<br />
eines Urlaubsantrags, mittels eines<br />
kleinen Programms (durch Passwortabfrage<br />
geschützt) die persönliche Unterschrift automatisch<br />
eingefügt.<br />
Auf eine Verschlüsselung wird, da es sich<br />
nur um hausinternen Schriftverkehr handelt,<br />
bewusst verzichtet. Diese Art der Antragsbearbeitung<br />
lässt sich als weiterer Schritt<br />
zum digitalen Büro betrachten, da der interne<br />
Schriftverkehr vermehrt auf elektronischem<br />
Wege abgewickelt werden kann.<br />
Aus dem Haus<br />
137
Neues aus der Chemielaborantenausbildung<br />
Aus dem Haus<br />
138<br />
Neues aus der Chemielaborantenausbildung<br />
Heike Berger<br />
Bei einem Rückblick auf das Jahr <strong>2005</strong> sind<br />
in der Laborantenausbildung einige erfolgreiche<br />
Ergebnisse zu verzeichnen. So haben<br />
die Auszubildenden<br />
Sven<br />
Klemens Hekkert<br />
und Holger<br />
Link im<br />
Juni <strong>2005</strong><br />
Sven Hekkert<br />
erfolgreich die<br />
Abschlussprüfung<br />
Teil 1<br />
absolviert. Die<br />
praktische Prüfung<br />
haben<br />
beide sogar<br />
Holger Link<br />
mit sehr gut<br />
bestanden.<br />
Des Weiteren haben Herr Hekkert und<br />
Herr Link die Prüfung zur „Qualitätsfachkraft“<br />
erfolgreich bestanden. Diese Prüfung<br />
wird vor der Deutschen Gesellschaft für<br />
Qualität (DGQ) durchgeführt und der Nachweis<br />
für das erfolgreiche Bestehen gilt als<br />
anerkanntes Zertifi kat in der Wirtschaft.<br />
Das Staatliche Umweltamt (<strong>StUA</strong>) <strong>Herten</strong><br />
ermöglicht seinen Auszubildenden seit fünf<br />
Jahren diese Zusatzqualifi kation zur Ausbildung<br />
zu erwerben.<br />
Eine weitere Qualifi kation, die sich die Auszubildenden<br />
Hekkert und Link im September<br />
<strong>2005</strong> zusätzlich erwarben, ist der Europäische<br />
Computer Führerschein. Diese „Euro-<br />
pean Computer Driving Licence“, kurz ECDL,<br />
bescheinigt den Auszubildenden folgende<br />
Kenntnisse:<br />
1. Grundlagen über<br />
Informationstechnologie<br />
2. Betriebssysteme<br />
3. Textverarbeitung<br />
4. Tabellenkalkulation<br />
5. Datenbanken<br />
6. Präsentation<br />
7. Internet<br />
Die Prüfung wird vor der Gesellschaft für Informatik<br />
abgelegt und ist europaweit anerkannt.<br />
Beide Zusatzqualifi kationen (ECDL/<br />
DGQ-Prüfung) sind freiwillige Lernangebote,<br />
die von den Auszubildenden gern angenommen<br />
werden, da die Zertifi kate die Chancen<br />
auf dem Arbeitsmarkt erheblich verbessern.<br />
Die erfolgreiche Ausbildung im Staatlichen<br />
Umweltamt <strong>Herten</strong> ruht auf mehreren<br />
Schultern. Neben den ausbildungsbereiten<br />
Auszubildenden bedarf es motivierter und<br />
engagierter Ausbilder. Der Kollege Franz<br />
Josef Eberhardt hat sich bereit erklärt ab<br />
April <strong>2005</strong> die Ausbilder zu unterstützen. Er<br />
wird nach einer Einarbeitungszeit den chemisch/physikalischen<br />
Ausbildungsteil im<br />
Ausbildungslabor betreuen.<br />
Die Verstärkung im Ausbildungslabor können<br />
wir gut gebrauchen, denn am 1. August<br />
2006 beginnen drei neue Auszubildende<br />
eine Ausbildung zum Chemielaboranten im<br />
Staatlichen Umweltamt <strong>Herten</strong>.
Karibikfi eber in Abteilung 4<br />
Heike Bonen, Birgit Suer und Natalie Worku<br />
Es war wie ein Virus, der um sich griff.<br />
Kaum hatte das Organisationsteam das<br />
Motto der diesjährigen Abteilungsfeier bekannt<br />
gegeben, nahm der Wahnsinn seinen<br />
Lauf. Von nun an drehte sich alles (na ja,<br />
fast alles) um ein Wort:<br />
„Karibikparty“.<br />
Von Juni bis September war eine ganze Abteilung<br />
im Ausnahmezustand, das hatte es<br />
noch nicht gegeben. Das Fieber hatte uns<br />
alle erwischt, und je näher der 2. September<br />
kam, desto mehr breitete es sich aus.<br />
Mit sehr viel Begeisterung brachten sich Alle<br />
in unterschiedlichster Form in die Vorbereitungen<br />
mit ein, ob es nun um Leihgaben für<br />
die Dekoration, Salat und ähnlichen Spenden,<br />
tatkräftige Hilfe oder fi nanzielle Unterstützung<br />
ging.<br />
In den Pausen und nach Feierabend wurde<br />
der größte Teil der Vorbereitungsarbeiten<br />
erledigt, Pläne für gutes und schlechtes<br />
Wetter wurden erstellt, Einkäufe getätigt,<br />
Bestellungen aufgegeben, Dekorationsmaterial<br />
organisiert und herangeschafft.<br />
Und dann war es soweit, ein Teil der Außenanlagen<br />
unseres Amtes verwandelte sich in<br />
eine karibische Oase:<br />
• 2 m³ Sand wurden verteilt,<br />
• 20 m Bambusmatten verlegt,<br />
• 15 Bambusfackeln aufgestellt,<br />
• etliche Palmen, eine Bananenpfl anze<br />
und Unmengen an Schilf wurden<br />
platziert,<br />
• Lichterketten aufgehängt,<br />
• Sonnensegel gespannt,<br />
• Hängematten angebracht,<br />
• Surfbretter und -segel angeordnet,<br />
• Liegestühle aufgeklappt,<br />
• eine Cocktailbar gebaut,<br />
• Blumengirlanden aufgehängt,<br />
• die Getränketheke aufgebaut<br />
• Festzeltgarnituren aufgestellt,<br />
• Kokosnüsse verteilt,<br />
• die Musikanlage installiert,<br />
• eine Tanzfl äche geschaffen,<br />
• das karibische Büffet aufgebaut,<br />
• der Grill aufgestellt<br />
• und, und, und…<br />
Aus dem Haus<br />
139<br />
Karibikfi eber in der Abteilung 4
Aus dem Haus<br />
140<br />
Ab 15:30 Uhr ging es los. Durch die<br />
nahezu perfekte Umgestaltung des<br />
<strong>StUA</strong>-Geländes waren es nur wenige<br />
Schritte vom Arbeitsplatz in die Karibik.<br />
Ganz nach dem Motto: eben noch<br />
im Labor und nun schon am Strand<br />
des Pazifi ks. Zwischen Cocktailbar und<br />
exotischen Köstlichkeiten steuerte das<br />
Karibische Fieber seinem Höhepunkt<br />
entgegen.<br />
Der geheimnisvolle Überaschungs-<br />
Show-Act übertraf alle Erwartungen.<br />
Die eigens engagierte 7-köpfi ge Musik-<br />
Band „FOC SQUAD“ brachte die Stimmung<br />
zum Überkochen. Wie an einem<br />
echten Karibik-Strand wurde zu Reggae-Klängen<br />
barfuß im Sand getanzt.<br />
Das karibische Fieber hielt sich bis tief<br />
in die Nacht, alle wollten die außergewöhnliche<br />
Atmosphäre so lange wie<br />
möglich genießen.<br />
Auch wenn äußerlich keine Spuren<br />
mehr sichtbar sind, der Zauber der<br />
Karibik ist noch immer zu spüren. Er<br />
hat sich in unsere tägliche Arbeit eingeschlichen<br />
und uns alle näher zusammenrücken<br />
lassen. Diese karibische<br />
Nacht hat uns gezeigt, dass durch eine<br />
Feier das Miteinander in einer Abteilung<br />
gefördert und das Gemeinschaftsgefühl<br />
gestärkt wird.
Bericht zum hauseigenen<br />
Umweltschutz<br />
Thomas Philippi<br />
für die Umweltgruppe im <strong>StUA</strong> <strong>Herten</strong><br />
Lohnt sich Umweltschutz?<br />
Diese Frage drängt sich zurzeit und im Rahmen<br />
der bevorstehenden Verwaltungsreform<br />
besonders auf. Natürlich antworten<br />
die Meisten mit ja. Doch dann kommt das<br />
berühmte Nachwort „aber…“<br />
… es darf nicht viel kosten.<br />
… wir haben andere Probleme.<br />
… wir haben genug getan, andere<br />
sind jetzt dran.<br />
… unsere Umwelt (Deutschland)<br />
ist ja wohl in Takt.<br />
… und so weiter und so weiter.<br />
Versäumnisse zeigen sich erst viel später,<br />
manchmal zu spät. Man schaue sich nur<br />
bei der Lebensmittelüberwachung um oder<br />
höre sich die Diskussion um die zerstörten<br />
Strommasten an.<br />
Die Umweltgruppe hat es – so meinen wir –<br />
nicht versäumt im zurückliegenden Jahr<br />
Umweltthemen aufzugreifen und im Rahmen<br />
unserer Möglichkeiten auch anzupacken.<br />
Zu unseren Aktivitäten beim<br />
Biotop im Innenhof.<br />
Bereits im letzten Jahr haben wir erkannt,<br />
dass es ohne einen großzügigen Gehölzschnitt<br />
nicht mehr lange weitergehen kann.<br />
Die natürliche Fensterbelichtung der innen<br />
liegenden Büros leidet stark, und dem<br />
bauschädlichen Pfl anzenwuchs an den Fassaden<br />
war im Rahmen unserer Möglichkeiten<br />
nur schwer beizukommen.<br />
Das Allergröbste haben wir aber geschafft,<br />
doch selbst Holger Bogatzki verzweifelte<br />
bisweilen an unserem Dschungelbiotop.<br />
Ich denke da besonders an die stacheligen<br />
Brombeeren und die Dornrosen.<br />
Den notwendigen Grundschnitt an den Gehölzen<br />
haben wir seit fast zwei Jahren eingefordert.<br />
Aus vielerlei Gründen - zuletzt<br />
aufgrund der Haushaltseinschränkungen -<br />
hat unsere Verwaltung den Einsatz eines<br />
professionellen Landschaftsgärtners immer<br />
wieder verschieben müssen.<br />
Hier sei angemerkt, dass ich mir auch Alternativen<br />
in Form von Eigenleistungen vorstellen<br />
könnte. Genügend Sachverstand,<br />
Gerätschaften und guter Wille wären nach<br />
meiner Einschätzung vorhanden; eine Mitwirkung<br />
der Verwaltung und die Erlaubnis<br />
durch die Amtsleitung wären jedoch Voraussetzungen.<br />
- Warum nicht mal eine Aktion<br />
nach dem Motto “Unser Amt soll schöner<br />
werden“ starten? Der Amtskultur würde das<br />
sicher gut tun. Zu unserem Hilfsangebot<br />
stehen wir, die Umweltgruppe jedenfalls.<br />
Nun zu unserem Teich<br />
Im April mussten wir feststellen, dass unsere<br />
Teichpumpe den „guten Geist“ aufgegeben<br />
und nebenbei einen Stromausfall<br />
in unserem Hause produziert hatte. Nach<br />
emsigen Bemühungen unsererseits hat die<br />
Verwaltung eine neue Teichpumpe nebst<br />
Elektroinstallation spendiert. Geholfen hat<br />
Aus dem Haus<br />
141<br />
Bericht zum hauseigenen Umweltschutz
Aus dem Haus<br />
142<br />
vielleicht auch mein Hinweis auf<br />
mögliche Gerüche in trockener<br />
Sommerzeit. Jedenfalls ist die<br />
Teichpumpe gekauft und von Horst<br />
Fester nach allen Regeln der Elektrotechnik<br />
installiert worden.<br />
Meine Installation – Einsetzen der<br />
Teichpumpe – war jedenfalls bei<br />
weitem nicht so professionell.<br />
Unser Kameramensch – Jürgen<br />
Klingel (zuständig für die Öffentlichkeitsarbeit)<br />
– hat nur darauf<br />
gewartet, dass ich im Teich lande<br />
und wollte die entscheidenden<br />
Momente einfangen. Nun, die in<br />
einem Pfl anzkorb hochgestapelte<br />
Pumpe senkrecht abzusenken, war<br />
- wie zu sehen - nicht so einfach.<br />
Aber ich hatte auch einen treuen<br />
Helfer – richtig: Michael Seidel,<br />
unser Hausmeister. Herzlichen<br />
Dank für die Mithilfe noch mal.<br />
Vermutlich hätte aber auch er<br />
mich gerne baden gehen sehen.<br />
Es gelang schließlich, die Pumpe halbwegs<br />
gerade an der tiefsten Stelle des<br />
Teiches abzusenken.
Mit einem deutlich geringeren Stromverbrauch<br />
von jetzt 65 Watt/h zu früher<br />
800 Watt/h und einer Intervallschaltung mit<br />
wenigen Betriebsstunden pro Tag verbrauchen<br />
wir bedeutend weniger Strom als früher.<br />
Hier trägt die Umweltgruppe einen kleinen<br />
Teil dazu bei, unserem immensen Energieverbrauch<br />
Herr zu werden.<br />
Stichwort Energieverbrauch<br />
Wie sieht es aus beim Energieverbrauch<br />
im <strong>StUA</strong> <strong>Herten</strong>? Nicht gut! Das sei vorweg<br />
gesagt. Die Daten für das Jahr <strong>2005</strong> liegen<br />
uns leider noch nicht vor, da die Jahresabrechnungen<br />
für Energie- und Wasserverbrauch<br />
noch ausstehen; daher sollen hier die<br />
Daten aus dem Jahr 2004 betrachtet werden,<br />
die leider keine gute Entwicklung zeigen.<br />
Der Verbrauch an Heizungsenergie lag<br />
in diesem Zeitraum bei 1189 MWh und<br />
erreichte damit eine neue Rekordhöhe.<br />
Der Stromverbrauch erreichte ebenfalls<br />
mit Schwindel erregenden 748.806 kWh<br />
einen neuen Rekord und hat nunmehr seit<br />
zwei Jahren – trotz zwischenzeitlicher<br />
Sparbemühungen – einen abermaligen Zuwachs<br />
von 6 %.<br />
Von diesen Zuwachsraten kann unsere Wirtschaft<br />
nur träumen. Die Umwelt hingegen<br />
bekommt Albträume. Der hohe Energieverbrauch<br />
liegt der Umweltgruppe seit<br />
Jahren schwer am Herzen – hinzukommen<br />
die aktuelle Diskussion aufgrund der Verbrauchspreise<br />
und die inzwischen wohl unstrittige<br />
Klimaveränderung.<br />
Nun zu etwas Erfreulicherem: Unser Wasserverbrauch<br />
war im Jahr 2004 mit 2764 m³<br />
gering, demzufolge auch die Abwassermenge.<br />
Beide sind nur im Jahr 2002 geringer<br />
ausgefallen. Der Papierverbrauch ist mit<br />
zirka 600.000 Blatt in etwa gleich geblieben.<br />
Was bleibt trotz einer ungewissen<br />
Zukunft zu tun?<br />
Die Verwaltung ist bezüglich unseres Energieverbrauchs<br />
– bereits vor „Kosten-Leistungs-Rechnung“<br />
und „Budgetierung“ - ausreichend<br />
sensibilisiert worden. Alle Mühe<br />
hatte ihren Lohn, und eine externe Energieberatung<br />
ist mittlerweile ins Haus geholt<br />
worden und hat ein beachtliches Maß an<br />
Einsparpotenzial aufgezeigt.<br />
Jetzt geht es darum, die aufgezeigten Einsparmaßnahmen<br />
auch umzusetzen. Vielleicht<br />
hat der eine oder andere Vorschlag<br />
bereits im Jahr <strong>2005</strong> eine leicht fallende<br />
Tendenz bewirkt, aber natürlich soll weiter<br />
an den Möglichkeiten gearbeitet werden.<br />
Interessant sind aus Sicht der Umweltgruppe<br />
vor allem die Maßnahmen bezüglich<br />
unserer Klima- und Heizungsanlagen (Lüftungseinrichtungen<br />
zum Teil mit Wärmetauschern,<br />
Beseitigung von Stauwärme im<br />
Dachgeschoss des Labors, bei den zentra-<br />
Aus dem Haus<br />
143
Aus dem Haus<br />
144<br />
len EDV- und Serverräumen gegebenenfalls<br />
Umzug in einen kälteren Hausbereich - zum<br />
Beispiel Nordseite oder Keller -, Regeln und<br />
Abriegeln von Warmwasser-/Heizungsleitungen,<br />
… sollen hier nur Stichworte darstellen).<br />
Nicht müde geworden, möchten wir als<br />
Umweltgruppe dafür eintreten, unsere Fahrzeugfl<br />
otte (Selbstfahrer, Probenahmefahrzeuge)<br />
auf alternative, also umweltfreundlichere<br />
Kraftstoffe umzurüsten. Rechnen<br />
könnte sich das mittlerweile auch.<br />
Der Windbruch im Biotop mit der vom<br />
Sturm und Schnee gefällten Weide hat ak-<br />
tuell bewiesen, dass es meist kostengünstiger<br />
ist, nicht auf den nächsten Schaden zu<br />
warten, sondern vorsorglich und im Einklang<br />
mit der Umwelt – das heißt in der vegetationslosen<br />
Zeit – einen großzügigen Grünschnitt<br />
vorzunehmen. Unserer Innenhoffassade<br />
und dem dort aufgestellten Klimagerät<br />
würde mehr Luft auch gut tun.<br />
Ich hoffe, das <strong>StUA</strong> <strong>Herten</strong> wird nicht<br />
Opfer der Tagespolitik und es geht mit dem<br />
Umweltschutz intern und extern hier weiter<br />
und bedanke mich – auch im Namen der<br />
Umweltgruppe – für die Unterstützung, die<br />
wir erfahren haben.
Herausgeber<br />
Staatliches Umweltamt <strong>Herten</strong><br />
Gartenstraße 27<br />
45699 <strong>Herten</strong><br />
Telefon: (02366) 807-0<br />
Telefax: (02366) 807-499<br />
Internet: www.stua-he.nrw.de<br />
E-MAIL: poststelle@stua-he.nrw.de<br />
Redaktion<br />
Jürgen Klingel<br />
Beate Sanders<br />
Satz, Layout<br />
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Vervielfältigung, Umschlag und Bindung<br />
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