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Jahresbericht 2005 - StUA Herten

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Landesbehörde im Dienst des Umweltschutzes


<strong>Herten</strong>, im Februar 2006<br />

<strong>Jahresbericht</strong> <strong>2005</strong>


Vorwort<br />

Durch den politischen Wechsel in NRW hatte das Jahr <strong>2005</strong> für die Umweltverwaltung eine besondere<br />

Bedeutung. Zum einen bestimmt seit Mai ein neuer Umweltminister, Minister Eckhard Uhlenberg,<br />

die Umweltpolitik in Düsseldorf, zum anderen hat die neue Landesregierung eine umfassende<br />

Verwaltungsstrukturreform angekündigt. Die Eckpunkte dieser Reform, die auch an der<br />

Umweltverwaltung nicht halt machen wird, sollen Anfang 2006 beschlossen werden. Naturgemäß<br />

erzeugen solche Ankündigungen bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern eine gespannte Nervosität.<br />

Von den Beschäftigten wurde sehr positiv wahrgenommen, dass der neue Staatssekretär, Herr<br />

Dr. Schink, nach seinem Amtsantritt alle ihm nachgeordneten Behörden besucht hat beziehungsweise<br />

noch besuchen wird, um sich persönlich einen Eindruck von der Organisation und dem Aufgaben-<br />

und Leistungsspektrum seiner Behörden zu machen. Dadurch wird bei den Beschäftigten<br />

der Umweltverwaltung auch die Hoffnung gestärkt, dass die Entscheidungsprozesse über die<br />

beabsichtigten strukturellen Veränderungen maßgeblich von sachlichen Argumenten und nicht<br />

ausschließlich von politischen Erwägungen bestimmt sein werden.<br />

Im abgelaufenen Jahr <strong>2005</strong> haben wir wieder ein reiches Arbeitspensum absolviert. Im Bereich<br />

der Wasserwirtschaft standen nach wie vor die Arbeiten im Zusammenhang mit der Wasserrahmenrichtlinie<br />

im Vordergrund. Die Bestandsaufnahme ist abgeschlossen und wird zukünftig durch<br />

die zurzeit diskutierten Monitoringkonzepte fortlaufend ergänzt. Im Immissionsschutz waren<br />

neben der Routinearbeit wieder zahlreiche kleinere und größere Problemfälle zu lösen. In schwierigen<br />

wirtschaftlichen Zeiten erfordert das besonders viel Einsatzbereitschaft, Kompetenz und Fingerspitzengefühl.<br />

Auch die Labor- und Messdienste haben <strong>2005</strong> wieder ihre Leistungsbereitschaft<br />

und ihr Engagement unter Beweis gestellt. Durch einige größere Sonderaktionen, insbesondere<br />

im Duisburger Amtsbezirk, war hier besonders große Flexibilität und ein entsprechender Einsatz<br />

gefragt. Im Verwaltungsbereich stellt sich das Amt schrittweise auf die kommende elektronische<br />

Dokumenten- und Aktenverwaltung ein. Hierzu wurde das hausinterne „Sachbearbeiter orientierte<br />

Fachinformationssystem“ (SOFIS) unter anderem um den Baustein der elektronischen Aktenführung<br />

erweitert.<br />

Der <strong>Jahresbericht</strong> <strong>2005</strong> dokumentiert wieder einmal die Vielfalt der Aufgaben des Amtes durch die<br />

Darstellung interessanter Beispiele aus der Alltagsarbeit der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen. Ich<br />

hoffe, dass diese Beiträge Ihr Interesse fi nden und danke allen, die zum Gelingen dieses <strong>Jahresbericht</strong>es<br />

beigetragen haben.<br />

Wolfgang Feldmann<br />

Leiter des Staatlichen Umweltamtes <strong>Herten</strong><br />

Vorwort


Inhaltsverzeichnis<br />

<strong>StUA</strong> <strong>Herten</strong> in Zahlen und Fakten 1<br />

Luft und Lärm<br />

Die TA Luft in Israel 7<br />

„Wer qualmt, der zahlt“ 9<br />

Aktionsplan des Staatlichen Umweltamtes <strong>Herten</strong> erfolgreich 13<br />

Crash Boom Bang<br />

Biogasanlagen in der Landwirtschaft aus Sicht<br />

15<br />

der Genehmigungsbehörde<br />

Emission des Krebs erzeugenden Stoffes Vinylchlorid<br />

16<br />

erfolgreich minimiert! 23<br />

Saurer Auswurf ??? 25<br />

Großfl ächiger Einzelhandel im Planverfahren 26<br />

Vorhabenbezogener Bebauungsplan nach aktueller Rechtsprechung 28<br />

Containerdienst oder „WAS BIN ICH?“<br />

Kalibrierung von Messgeräten zur<br />

30<br />

kontinuierlichen Emissionsüberwachung 31<br />

Biowäscher auch in landwirtschaftlichen Familienbetrieben 34<br />

Vorspiel & Zusammenspiel<br />

Der Beginn eines neuen Müllzeitalters:<br />

37<br />

Entsorgungs“notstand“ nach dem 31.05.<strong>2005</strong><br />

22:30 Uhr MEZ – Starke Rauchentwicklung auf der<br />

39<br />

Zeche Prosper in Bottrop 40<br />

Nicht nur die „neue“ Störfall-Verordnung <strong>2005</strong> 41<br />

Real oder virtuell? Überwachung einer industriellen Großanlage 47<br />

Inhalt


Inhalt<br />

Wasser<br />

Umsetzung der Wasserrahmenrichtlinie<br />

– WRRL in Europa und Nordrhein-Westfalen<br />

Trendbetrachtungen zum Nitrat-Stickstoff im Grundwasser<br />

51<br />

des WRRL-Arbeitsgebietes der Ijsselmeer-Zufl üsse/NRW<br />

Rohstoffgewinnung im WRRL-Arbeitsgebiet<br />

52<br />

der Ijsselmeer-Zufl üsse/NRW und der Lippe<br />

Der Hochwasseraktionsplan Emscher<br />

57<br />

– Startpunkt für eine Verbesserung des Hochwasserschutzes 68<br />

Das Boye-System wandelt sich 71<br />

Schilf als Saubermann 72<br />

Niederschlag im Wasserwirtschaftsjahr 2004/<strong>2005</strong> 75<br />

Der Kanal in Olfen lief leer wie eine Badewanne 76<br />

Die perfekte Welle<br />

Hochwassermeldenetz Ijsselgebiet<br />

78<br />

– aktueller Stand und Perspektive 80<br />

„Hol über“ 82<br />

Die Abwasserüberwachung in unserem Laborbezirk 84<br />

Zebrabärblinge im Dienste der Umwelt 89<br />

Nich` alles watt schwatt iss, iss Russ 91<br />

Das Ende der Schlümpfe - Final SMURF Workshop<br />

Ein Kraftstoffzusatz unter der analytischen Lupe<br />

92<br />

MTBE – Vergleichsuntersuchung 95<br />

Die Fossa Eugeniana und das PCB 98<br />

Prioritäre Stoffe in Oberfl ächenwässern 101<br />

Von Daten und Enten – Laborstatistik <strong>2005</strong> 104


Aus dem Haus<br />

Energiemanagement im Staatlichen Umweltamt <strong>Herten</strong> 113<br />

Betriebliches Gesundheitsmanagement 114<br />

Benchlearning statt Benchmarking 120<br />

Barometer Personalzufriedenheit 121<br />

Verwaltung – Update 2006 123<br />

Refl exion von Führung und Teambildung 124<br />

SOFIS – Fit für die Zukunft 127<br />

InterGEO <strong>2005</strong> 129<br />

Berichtswesen der staatlichen Umweltämter 131<br />

Telearbeit um jeden Preis? 132<br />

Mein Weg zur Ausbildung 134<br />

Die digitale Unterschrift 135<br />

Neues aus der Chemielaborantenausbildung 138<br />

Karibikfi eber in Abteilung 4 139<br />

Bericht zum hauseigenen Umweltschutz 141<br />

Inhalt


<strong>StUA</strong> <strong>Herten</strong> in Zahlen und Fakten<br />

Das Staatliche Umweltamt (<strong>StUA</strong>)<br />

<strong>Herten</strong> ist eine Sonderordnungsbehörde<br />

für den technischen Umweltschutz<br />

des Landes Nordrhein-Westfalen und<br />

als Untere Landesbehörde der Bezirksregierung<br />

Münster zugeordnet. Oberste<br />

Dienstbehörde ist das Ministerium für<br />

Umwelt und Naturschutz, Landwirtschaft<br />

und Verbraucherschutz des Landes Nordrhein-Westfalen<br />

in Düsseldorf. Der<br />

Dienstbezirk umfasst die Kreise Borken<br />

und Recklinghausen sowie die kreisfreien<br />

Städte Bottrop und Gelsenkirchen.<br />

Kernaufgaben des Amtes sind die Genehmigung und Überwachung von Industrieanlagen,<br />

die Bearbeitung von Nachbarbeschwerden, die Erhebung wasserwirtschaftlicher Grund- und<br />

Rahmendaten, die Überwachung von Gewässern und Abwasseranlagen und die Ausübung<br />

der Funktion als technische Fachbehörde der Bezirksregierung.<br />

Insgesamt stehen dem <strong>StUA</strong> <strong>Herten</strong> zur Erledigung dieser Aufgaben 160 Mitarbeiter und<br />

Mitarbeiterinnen zur Verfügung. Davon gehören 140 Beschäftigte dem technischen/naturwissenschaftlichen<br />

Dienst und 20 Beschäftigte dem nicht technischen Dienst an. Zusätzlich<br />

werden 8 Auszubildende beschäftigt.<br />

Mit eindeutigen Ansprechpartnern/-innen<br />

für den Kunden trägt das <strong>StUA</strong> <strong>Herten</strong><br />

den Anforderungen an einen modernen<br />

Dienstleister Rechnung.<br />

So wurde bereits 1994 die Medien<br />

übergreifende Arbeitsweise mit<br />

einem/er zentralen Ansprechpartner/-in<br />

für alle Umweltfachbereiche des Amtes<br />

eingeführt.<br />

<strong>StUA</strong> <strong>Herten</strong><br />

in Zahlen und<br />

Fakten<br />

1


<strong>StUA</strong> <strong>Herten</strong><br />

in Zahlen und<br />

Fakten<br />

2<br />

Um zügige Genehmigungsverfahren<br />

zu gewährleisten, wurde außerdem<br />

eine zentrale Verfahrensstelle für<br />

Genehmigungsverfahren eingerichtet.<br />

Die Website des Amtes bietet neben<br />

aktuellen Informationen auch einen<br />

Formularservice an, der den Kunden/-innen<br />

die Antragsstellung<br />

erleichtern soll.<br />

Spezielle Informationshandbücher<br />

für Überwachungs- und<br />

Genehmigungsfragen bei Störfallanlagen,<br />

Windenergieanlagen und landwirtschaftlichen<br />

Betrieben werden<br />

nicht nur von anderen kommunalen<br />

und staatlichen Behörden genutzt,<br />

sondern dienen auch Ingenieurbüros<br />

und Architekten als Planungshilfe und<br />

zur Antragsbearbeitung.<br />

Den Staatlichen Umweltämtern steht<br />

in NRW eine eigene umfassende Vorschriftensammlung<br />

für den technischen<br />

Umweltschutz (VtU) zur<br />

Verfügung. Mit über 1000 Gesetzen,<br />

Verordnungen, technischen Vorschriften<br />

und Normen ist diese „Arbeitshilfe“<br />

aus der Umweltverwaltung nicht<br />

mehr wegzudenken.<br />

Mit dem hauseigenen sachbearbeiterorientiertenFachinformationssystem<br />

(SOFIS) ist im Staatlichen<br />

Umweltamt <strong>Herten</strong> eine moderne<br />

elektronische Arbeitsplattform entwickelt<br />

worden, die speziell auf die<br />

Bedürfnisse der Sachbearbeiterinnen<br />

und Sachbearbeiter ausgerichtet ist.


Unter dem Dach von SOFIS sind verschiedenste Anwendungen, wie geographische Informationen<br />

(GIS), Datenbanken, spezielle Auswertungen und eine elektronische Aktenführung,<br />

so miteinander verknüpft, dass einzelne Arbeitsschritte oder vollständige Geschäftsprozesse<br />

ohne logischen Bruch bearbeitet werden können, insbesondere ohne umständliche Umstiege<br />

zwischen verschiedenen Datenbanken und Datenverarbeitungs-Anwendungen.<br />

Eine seit 1988 kontinuierlich durchgeführte Organisationsentwicklung hat die<br />

Zusammenarbeit im Amt über alle Hierarchieebenen hinweg positiv beeinfl usst und zu einer<br />

gestärkten Motivation der Beschäftigten sowie zur Festigung eines guten Arbeitsklimas beigetragen.<br />

Gerade in Zeiten großer Veränderungen spielt ein einheitliches Führungsverständnis<br />

in Verbindung mit Teamarbeit eine tragende Rolle.<br />

Die Beschäftigten einer Behörde sind das tragende Element für eine gute Arbeitsleistung,<br />

deshalb ist die Zufriedenheit der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ein wichtiges Kriterium<br />

einer Behörde. Zufriedene Mitarbeiter/-innen sind motivierter, engagierter, leistungsorientierter.<br />

Sie arbeiten besser im Team zusammen und erhöhen die Effi zienz und Qualität<br />

durch eigenes Engagement. Bei einem guten Arbeits- und Betriebsklima liegt auch der<br />

Krankenstand in der Regel unter dem Durchschnitt. Seit September 2004 werden im <strong>StUA</strong><br />

regelmäßige Befragungen zur Zufriedenheit der Mitarbeiter/-innen in Bezug auf den Arbeitsbereich,<br />

das Arbeitsklima, die berufl iche Entwicklung und die Führung beziehungsweise das<br />

Management des Amtes durchgeführt. Ziel ist es, Schwachstellen im Arbeitsklima wesentlich<br />

schneller zu erkennen und abzubauen.<br />

Als Pilotamt in der staatlichen Umweltverwaltung NRW hat das Staatliche Umweltamt <strong>Herten</strong><br />

maßgeblich an der betriebswirtschaftlichen Konzeption, Implementierung und Einführung<br />

der Kosten-Leistungsrechnung und des Berichtswesens mitgearbeitet. Darauf<br />

aufbauend wird zurzeit ein Controllingsystem entwickelt.<br />

<strong>StUA</strong> <strong>Herten</strong><br />

in Zahlen und<br />

Fakten<br />

3


<strong>StUA</strong> <strong>Herten</strong><br />

in Zahlen und<br />

Fakten<br />

4<br />

Mit der Kosten- und Leistungsrechnung verfügt das Staatliche Umweltamt <strong>Herten</strong> über<br />

die grundlegenden Instrumente zur Kontrolle und Steuerung der Kosten. In der Funktion<br />

als Ordnungsbehörde und als Dienstleister und Berater wird die Kostenstruktur des Amtes<br />

naturgemäß überwiegend durch die Personalkosten bestimmt. Die Einnahmen setzen sich<br />

hauptsächlich aus Gebühren für Genehmigungen und für ordnungsrechtliche Maßnahmen<br />

zusammen. Eine Deckung der entstandenen Kosten ist mit den vorhandenen Gebührensätzen<br />

nicht möglich und auch nicht bezweckt.<br />

Die den Kosten gegenüberstehenden Leistungen der einzelnen Fachbereiche stellen sich für<br />

das Jahr <strong>2005</strong> zusammengefasst wie folgt dar:<br />

Im Technischen Umweltschutz wurden <strong>2005</strong> folgende Genehmigungs- und Zulassungsverfahren<br />

durchgeführt beziehungsweise bearbeitet:<br />

Aufgabe Anzahl Kosten<br />

Prüfung in eigener Zuständigkeit Genehmigungsverfahren und Anzeigen 374 842.456,00 €<br />

Beteiligung als Technische Fachbehörde Stellungnahmen zu Bauanträgen und<br />

Erlaubnisverfahren<br />

1334 783.016,00 €<br />

Beteiligung bei Zuständigkeit der Bezirksregierung<br />

Stellungnahmen 118 508.691,00 €<br />

Überwachung der Einhaltung der Umweltschutzvorschriften<br />

in den Fachbereichen:<br />

Berichte und Gutachten 339 130.583,00 €<br />

Luftreinhaltung, Lärmschutz, Anlagensicherheit,<br />

Gewässerschutz<br />

Nachbarschaftsbeschwerden 587 600.040,00 €<br />

Ausnahmeanträge 166 45.816,00 €


Die Überwachung der Gewässer und des Grundwassers erfolgt in der Regel durch<br />

amtseigene Messstellen:<br />

Gegenstand der Überwachung Verteilung im Dienstbezirk Menge<br />

Niederschlagsmenge 24 Messstellen Kontinuierliche Messung<br />

Oberirdischer Abfl uss<br />

(nach Wasserstand und Menge)<br />

19 Pegelanlagen 140 Überprüfungen/Jahr<br />

Grundwasserstand 860 Messstellen 33.000 Messwerte/Jahr<br />

Grundwasserproben 75 Messstellen 100 Proben/Jahr<br />

Grundwasserförderung 25 Wassergewinnungsanlagen 187 Millionen m³/Jahr<br />

Die 14 Anlagen zur Aufbereitung von Trinkwasser, die von 9 Wasserversorgungsunternehmen<br />

im Dienstbezirk betrieben werden, wurden ebenso wie die 34 kommunalen Kläranlagen<br />

und zirka 300 Anlagen im Bereich kommunalen Niederschlagswassers (Regenüberlaufbecken,<br />

Staukanäle, Regenklärbecken, und andere) im Hinblick auf die Umweltqualität kontinuierlich<br />

überwacht.<br />

Die Gesamtkosten für die Überwachung der Gewässer und der Abwasseranlagen betrugen<br />

im Jahr <strong>2005</strong> insgesamt 1.083.030 Euro.<br />

Im Jahr <strong>2005</strong> wurden durch das hauseigene Labor insgesamt 4108 Probenahmeaufträge<br />

(PNA) erfolgreich abgewickelt. Dabei wurden 99.579 eigene Messwerte ermittelt. Im Rahmen<br />

der analytischen Überwachung der Abwasserproben wurden im Jahr <strong>2005</strong> insgesamt<br />

482 Grenzwertverletzungen festgestellt. Zusätzlich wurden 18 Sonderuntersuchungsprogramme,<br />

zum Beispiel für den Verbraucherschutz, durchgeführt. Das Labor des <strong>StUA</strong> <strong>Herten</strong><br />

arbeitet auch für den Amtsbezirk des <strong>StUA</strong> Duisburg.<br />

Der Kostenaufwand für den Betrieb des hauseigenen Labors betrug im Jahr <strong>2005</strong> insgesamt<br />

2.350.580 Euro. Der Anteil des <strong>StUA</strong> <strong>Herten</strong> betrug daran 37 % = 869.714 Euro.<br />

Gewisse Schwierigkeiten bestehen noch in der Defi nition aussagefähiger Kennzahlen zur<br />

Qualität und Wirkung der Behördentätigkeit. Die Arbeit der staatlichen Umweltverwaltung<br />

liegt nämlich nicht nur im Bereich kundenorientierter Dienstleistungen, sondern beinhaltet<br />

überwiegend einen gesellschaftlich gewünschten Steuerungs- und Präventionsauftrag. Der<br />

<strong>StUA</strong> <strong>Herten</strong><br />

in Zahlen und<br />

Fakten<br />

5


<strong>StUA</strong> <strong>Herten</strong><br />

in Zahlen und<br />

Fakten<br />

6<br />

Wertgewinn liegt in der Verbesserung der Umweltbedingungen, die nur schwer als Geldwert<br />

oder wirtschaftlicher Gewinn gemessen werden kann. Der „Gewinn“ an Umweltqualität wirkt<br />

sich im Unterschied zur Privatwirtschaft in keiner Weise auf die betriebswirtschaftliche Bilanz<br />

der Umweltbehörde aus. Insofern müssen hier andere Leistungsmessgrößen herangezogen<br />

werden.<br />

Leistungsanreize zur Qualitätssteigerung behördlichen Handelns werden insbesondere durch<br />

das so genannte Benchmarking erwartet. Durch Leistungsvergleiche mehrerer Staatlicher<br />

Umweltämter (StUÄ) untereinander wird ein Wettbewerb entstehen, der marktwirtschaftliche<br />

Mechanismen enthält. Erste Erfahrungen zeigen bereits positive Ansätze.


Die TA Luft in Israel<br />

Luft und Lärm<br />

Ulrich Buntrock<br />

Dem überraschten Leser stellt sich sicher<br />

die Frage: Was hat die Technische Anleitung<br />

zur Reinhaltung der Luft (TA Luft) mit Israel<br />

zu tun? Die TA Luft ist immerhin nur eine<br />

deutsche Verwaltungsvorschrift, die nicht<br />

mal bei uns für jedermann eine unmittelbare<br />

Wirkung entfaltet, sondern lediglich die<br />

Behörden bindet. Also, warum Israel?<br />

Nun, nachdem die israelische Regierung mit<br />

einem Verordnungsentwurf zur Luftreinhaltung<br />

in der Knesseth (israelisches Parlament)<br />

gescheitert war, hat sie 1998 mit dem<br />

israelischen Industrieverband ein Abkommen<br />

geschlossen. Kernstücke sind die allgemeinen<br />

Maßstäbe der TA Luft sowie spezielle<br />

Emissionsgrenzwerte, die aus der TA Luft<br />

1986 abgeschrieben worden waren.<br />

Für Problemfälle der Anwendung wurde eine<br />

sogenannte Umsetzungskommission aus<br />

Vertretern des Umweltministeriums und der<br />

Industrie gegründet. Deren Wirken scheint<br />

aber keine für beide Seiten befriedigende<br />

Lösungen erbracht zu haben. Die eine Seite<br />

beklagt eine Dominanz der Umweltministeriumsvertreter/innen,<br />

die andere Seite die<br />

der Industrievertreter/innen. Jedenfalls hat<br />

die Industrie jahrelang behaupten können,<br />

dass die Grenzwerte eingehalten werden.<br />

Bei einer groß angelegten Messkampagne<br />

der Umweltverwaltung wurde jedoch vor<br />

einiger Zeit nachgewiesen, dass die Werte<br />

auf breiter Front überschritten werden, teilweise<br />

um das Mehrfache.<br />

Nach dem israelischen Rechtssystem war<br />

die Folge eine Vielzahl von Strafprozessen<br />

vor den ordentlichen Gerichten. Geldstrafen<br />

gegen Unternehmer wurden verhängt. Diese<br />

Strafverfahren sind sowohl von der Umweltverwaltung<br />

als auch den Umweltverbänden<br />

beantragt worden.<br />

In dieser Situation kamen Kontakte auf<br />

Staatssekretärsebene zwischen dem<br />

israelischen Umweltministerium und dem<br />

NRW-Umweltministerium gerade recht, die<br />

Unterstützung der deutschen Behörden zu<br />

erbitten. Insbesondere ging es um das Verständnis<br />

und die Umsetzung der TA Luft<br />

generell sowie der Neuerungen in der<br />

TA Luft 2002, aber auch der 13., 17. und<br />

31. BImSchV. Das israelische Umweltministerium<br />

organisierte dazu im Juli <strong>2005</strong> eine<br />

Fachtagung. Nordrhein-Westfalen stellte als<br />

Vortragende und Diskussionsteilnehmer je<br />

einen Vertreter aus dem Umweltministerium<br />

und dem Staatlichen Umweltamt (<strong>StUA</strong>)<br />

<strong>Herten</strong> zur Verfügung. Auch ein Vertreter<br />

des Umweltbundesamtes war beteiligt.<br />

Die Tagung bestand aus zwei Teilen, einem<br />

Fachgespräch an der juristischen Fakultät<br />

Luft und Lärm<br />

7<br />

Die TA-Luft in Israel


Luft und Lärm<br />

8<br />

der Universität Tel Aviv und einem Workshop<br />

im Konrad-Adenauer-Kongresszentrum<br />

in Jerusalem.<br />

Die zirka 250 Teilnehmer in Tel Aviv bestanden<br />

aus dem Lehrkörper, Studierenden, Vertretern<br />

der Umweltverwaltung, der Industrie,<br />

Unternehmerverbänden, einzelnen Firmen<br />

sowie freiberufl ich Tätigen (Anwälte<br />

und Ingenieurbüros).<br />

Die Vortragsthemen betrafen grundsätzliche<br />

Aspekte der israelischen Umweltpolitik<br />

sowie die Umsetzung von Umweltvorschriften<br />

in Deutschland und Nordrhein-Westfalen.<br />

Hier waren auch die<br />

Vorgehensweise und die Möglichkeiten der<br />

Rechtsanwendung durch eine regionale<br />

staatliche Behörde wie dem Staatlichen<br />

Umweltamt <strong>Herten</strong> gefragt.<br />

An dem Workshop in Jerusalem haben zirka<br />

50 der Personen teilgenommen, die auch<br />

schon in Tel Aviv dabei waren. Hier waren<br />

das hauptsächlich Vertreter der Industrie,<br />

der Verwaltung und der Umweltverbände.<br />

Das Interesse an einer Teilnahme war sehr<br />

viel größer gewesen, aber die Teilnehmerzahl<br />

war limitiert worden.<br />

Dieser Workshop war weit mehr technisch<br />

geprägt. Hier wurden detaillierte Regelungen<br />

der TA Luft 2002 und der 13., 17. und<br />

31. BImSchV behandelt.<br />

Für die israelischen Zuhörer war insbesondere<br />

wichtig, welche Maßnahmen in<br />

Deutschland bei verschiedenen Anlagearten,<br />

die auch in Israel vorhanden sind, umgesetzt<br />

oder konkret geplant sind, insbeson-<br />

dere bei Feuerungsanlagen, chemischen<br />

Anlagen und Schmelzanlagen. Weitere Themen<br />

waren VOC-Verminderung, Emissionen<br />

und rechtliche Regelungen bei diskontinuierlichen<br />

Prozessen sowie Aspekte der<br />

Emissionsmessungen.<br />

Es entspannten sich zu allen Themen<br />

äußerst lebhafte Diskussionen, wobei die<br />

israelischen Zuhörer öfter untereinander in<br />

engagierte Streitgespräche kamen. Dabei<br />

zeigten sich die Industrievertreter/innen<br />

erfreut darüber, zu hören, dass in Deutschland<br />

nicht jede Überschreitung von Emissionsgrenzwerten<br />

zu einer strafrichterlichen<br />

Aktion führt, sondern zunächst verwaltungsrechtlich<br />

bewertet wird. Die Umweltschutzverbände<br />

dagegen waren erfreut zu<br />

hören, was in Deutschland den Betreibern<br />

an technischen Maßnahmen und an Grenzwerten<br />

abverlangt wird. Nicht selten riefen<br />

die Umweltverbände das Umweltministerium<br />

und die Industrie zu weitergehenden Schritten<br />

in Israel auf.<br />

Das israelische Umweltministerium hat nach<br />

meinem Eindruck an der einen oder anderen<br />

Stelle Argumente für eine Verschärfung der<br />

israelischen Umweltanforderungen und des<br />

Umweltrechts gesammelt. Wir konnten dazu<br />

sicherlich beitragen.<br />

Ob dies jedoch durchschlaggebend genug<br />

sein wird, muss sich noch zeigen, da die<br />

israelische Politik auch andere Aspekte als<br />

den Umweltschutz zu beachten hat. Insbesondere<br />

wird es wichtig sein, wie sich das<br />

Bewusstsein der Öffentlichkeit für Umweltprobleme<br />

in Israel entwickelt. Dies ist jedoch<br />

eindeutig auf dem Vormarsch.


„Wer qualmt, der zahlt“<br />

Dr. Claudia Abel<br />

… so lautete eine Schlagzeile des „Rheinischen<br />

Merkur“ zum Beginn des Emissionshandels<br />

im Januar <strong>2005</strong>. Bislang konnten<br />

die Unternehmen die Atmosphäre als kostenloses<br />

Auffangbecken für ihre Abgase<br />

benutzen, nun wird der Ausstoß des klimaschädlichen<br />

Kohlendioxids limitiert, und<br />

die Unternehmen benötigen entsprechende<br />

Berechtigungen für den Ausstoß – die so<br />

genannten Emissionszertifi kate.<br />

Ziel des Handels mit Emissionszertifi katen<br />

ist es, den Ausstoß von insgesamt sechs<br />

Treibhausgasen (Kohlendioxid, Methan,<br />

Distickstoffoxid, teilhalogenierte Fluorkohlenwasserstoffe,<br />

perfl uorierte Kohlenwasserstoffe,<br />

Schwefelhexafl uorid) zu senken.<br />

Im Jahr 1997 wurde mit dem Protokoll von<br />

Kyoto ein internationales Klimaschutzabkommen<br />

getroffen, in dem verbindliche<br />

Reduktionsziele festgelegt sind. Damit hat<br />

sich die Europäische Union (EU) dazu verpfl<br />

ichtet, ihre Kohlendioxid-Emissionen bis<br />

zum Jahr 2012 gegenüber 1990 um acht<br />

Prozent zu reduzieren.<br />

Der Grundgedanke hierbei<br />

ist, dass es für den weltweiten<br />

Klimaschutz unwichtig ist,<br />

wo die Treibhausgas-Emissionen<br />

reduziert werden, wichtig<br />

ist nur, dass sie insgesamt<br />

reduziert werden. Damit soll<br />

der Emissionshandel dort<br />

stattfi nden, wo er technisch<br />

mit den geringsten Kosten<br />

realisiert werden kann; so ist die Grundlage<br />

für einen EU-weiten Handel mit Zertifi katen<br />

eröffnet. Stehen den Unternehmen nicht<br />

genügend Zertifi kate zur Verfügung, so<br />

kann es seinen Ausstoß durch Einbau klimafreundlicher<br />

Technologien verringern oder<br />

zusätzliche Zertifi kate erwerben. Überschüssige<br />

Zertifi kate können am Markt verkauft<br />

werden. Dabei ist die Gesamtmenge der<br />

verfügbaren Zertifi kate begrenzt.<br />

Im Februar <strong>2005</strong> haben die Unternehmen<br />

von der Deutschen Emissionshandelsstelle<br />

(DEHSt) beim Umweltbundesamt die ihnen<br />

zugeteilten Zertifi kate auf ihre Konten gutgeschrieben<br />

bekommen. Die Pfl icht zur Minderung<br />

von Treibhausgasen richtet sich in<br />

erster Linie an Betreiber von Anlagen der<br />

Energieumwandlung, Raffi nerie-Betreiber,<br />

den Eisen- und Stahlsektor, Zementwerke<br />

wie auch die Papierherstellung. Es sind zwei<br />

Handelsperioden vorgesehen: <strong>2005</strong> bis<br />

2007 und 2008 bis 2012. In der ersten Handelsperiode<br />

wird zunächst nur Kohlendioxid<br />

als eins der sechs relevanten Treibhausgase<br />

betrachtet und dem Handel unterworfen.<br />

Eine konkrete Ausgestaltung der zweiten<br />

Handelperiode ist zurzeit noch offen und<br />

wird hier nicht behandelt.<br />

Luft und Lärm<br />

9<br />

„Wer qualmt, der zahlt“


Luft und Lärm<br />

10<br />

Mit einem Zertifi kat erwirbt das Unternehmen<br />

das Recht, eine Tonne Kohlendioxid<br />

in die Atmosphäre abzugeben. Das Unternehmen<br />

muss bis zum 31. März 2006 mittels<br />

eines so genannten Emissionsberichtes<br />

die tatsächlichen Kohlendioxid-Emissionen<br />

im Handelsjahr gegenüber den zuständigen<br />

Behörden nachweisen.<br />

Hat das Unternehmen mehr Treibhausgas<br />

ausgestoßen, als ihm Zertifi kate zur Verfügung<br />

stehen, muss es entweder Zertifi kate<br />

dazukaufen oder 40 Euro Strafe für jede<br />

zusätzliche Tonne bezahlen. Im April <strong>2005</strong><br />

lag der Tagespreis eines Zertifi kats für eine<br />

Tonne Kohlendioxid bei der Leipziger Strombörse<br />

EEX bei 17,70 Euro.<br />

Die DEHSt übernimmt als zentrale Bundesstelle<br />

wesentliche Teile der Administration<br />

im Rahmen des Handels mit Emissionszertifi<br />

katen (zum Beispiel Zuteilung der Zertifi<br />

kate, Kontoführung mit Übertragung und<br />

Löschung von Emissionsrechten, Sanktionierung<br />

von Verstößen). Die Landes-Immissionsschutzbehörden<br />

haben die Aufgabe,<br />

die Emissionshandelspfl ichten der<br />

Unternehmen, die im Treibhausgas-Emissionshandelsgesetz<br />

(TEHG) festgeschrieben<br />

sind - wie Aufl agen zur Ermittlung der<br />

Kohlendioxid-Emissionen und Aufl agen zur<br />

Berichterstattung über die tatsächlich emittierten<br />

Emissionen - in den entsprechenden<br />

Genehmigungen nach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz<br />

zu verankern. Basis für<br />

die Ermittlung der Emissionen und somit<br />

auch für den Emissionsbericht des Unternehmens<br />

ist ein Monitoringkonzept, welches<br />

entsprechend den EU-rechtlichen Vorschriften<br />

zu erstellen ist. Will das Unternehmen<br />

bei der Ermittlung der Emissionen von diesem<br />

Monitoring-Konzept abweichen, so ist<br />

dafür die behördliche Zustimmung einzuholen.<br />

Andernfalls besteht die Gefahr, dass die<br />

DEHSt das Konzept im Rahmen der Prüfung<br />

des Emissionsberichtes im April 2006 nicht<br />

akzeptiert, was wiederum Sanktionen nach<br />

dem TEHG nach sich ziehen kann.<br />

Das MUNLV hat die Unternehmen, die dem<br />

Emissionshandel unterliegen, im Juli <strong>2005</strong><br />

auf dieses Risiko hingewiesen und ein Angebot<br />

zur frühzeitigen Prüfung der Konzepte<br />

durch die Landes-Immissionsschutzbehörden<br />

offensiv angeboten. Zurzeit liegen<br />

uns einzelne Monitoring-Konzepte vor, die<br />

wir gemeinsam mit dem Landesumweltamt<br />

prüfen. Eine weitere Aufgabe wird sein,<br />

im März 2006 die eingehenden Emissionsberichte<br />

über die tatsächlich im Jahr <strong>2005</strong><br />

ausgestoßenen Kohlendioxid-Emissionen<br />

stichprobenhaft zu prüfen.<br />

Vom Emissionshandel, der derzeit nur auf<br />

die EU-Staaten beschränkt ist, gehen bereits<br />

jetzt weltweite Impulse für den Klimaschutz<br />

aus. Der Rheinische Merkur schreibt<br />

dazu: „Mit den so genannten CDM-Projekten<br />

(Clean-Development-Mechanism) können<br />

Staaten und Unternehmen emissionsmindernd<br />

in Entwicklungsländern investieren.<br />

Dadurch können sie sowohl Emissionsgutschriften<br />

sammeln als auch den<br />

umweltschonenden Fortschritt in diesen<br />

Ländern vorantreiben. Derzeit liegen rund<br />

70 Projekte bei der internationalen Registrierungsstelle<br />

vor, weltweit sind etwa<br />

1200 geplant.<br />

Der Natur kann´s nur recht sein.“


Emissionsminderung bei der<br />

Entladung von Steinkohlenteer<br />

aus Eisenbahnkesselwagen<br />

Josef Hilgers<br />

Im Aufsichtsbezirk des Staatlichen Umweltamtes<br />

(<strong>StUA</strong>) <strong>Herten</strong> ist eine von drei europäischen<br />

Firmen ansässig, die Steinkohlenteere<br />

verarbeitet. Steinkohlenteer fällt als<br />

Nebenprodukt in Kokereien an und enthält<br />

Krebs erzeugende Stoffe im Sinne von Nummer<br />

5.2.7.1 der Technischen Anleitung (TA)<br />

Luft. Insbesondere sind bei den niedrig siedenden<br />

Fraktionen Benzol und bei den hoch<br />

siedenden Fraktionen Benzo(a)pyren zu<br />

nennen. Zurzeit werden zirka 525.000 Tonnen<br />

Rohteer pro Jahr verarbeitet.<br />

Die Anlieferung erfolgt über zum Teil angemietete<br />

Eisenbahnkesselwagen. Die Eisenbahnkesselwagen<br />

werden in zwei Schritten<br />

entladen.<br />

• Im ersten Schritt wird der Steinkohlenteer<br />

im Kesselwagen soweit erwärmt,<br />

bis er pumpfähig ist (zirka<br />

60 °C). Die Aufheizung erfolgt aus<br />

Gründen des Explosionsschutzes<br />

mittels Dampf.<br />

• Im zweiten Schritt wird der verfl üssigte<br />

Steinkohlenteer mit Pumpenunterstützung<br />

aus den Kesselwagen abgesaugt<br />

und einem Lagertank zugeführt.<br />

Um Beschädigungen des Kesselwagens<br />

durch erhöhte Drücke zu vermeiden, bleibt<br />

der Domdeckel des Waggons während des<br />

zirka achtstündigen Verladevorgangs geöffnet.<br />

Hierbei kommt es zu erheblichen Emissionen<br />

an Krebs erzeugenden Stoffen, die<br />

gemäß Nummer 5.2.7 der TA Luft zu minimieren<br />

sind.<br />

Wie sich bei der Durchführung von Betriebsversuchen<br />

unter Beteiligung des Staatlichen<br />

Umweltamtes <strong>Herten</strong> gezeigt hat, sind die<br />

klassischen Möglichkeiten zur Emissionsminderung<br />

hier nicht praktikabel:<br />

• Erfassung der Abluft mittels am<br />

Domdeckel angeschweißten Stutzen<br />

(siehe Bild 1)<br />

Eine Abluftleitung konnte am Stutzen<br />

angeschlossen werden. Es<br />

besteht eine Möglichkeit, die Abluft<br />

über einen Wäscher der zentralen<br />

Abgasverbrennungsanlage zuzuführen.<br />

Bei den Versuchen kam es zu technischen<br />

Problemen beim Ablassen des<br />

Teers, wie kristalline Ablagerungen<br />

in Leitungen und Pumpen sowie dem<br />

damit zusammenhängenden, ständigen<br />

Pumpenausfall.<br />

• Ableitung der Abluft über einen Aluminiumadapter<br />

mit aufblasbarem<br />

Dichtkissen (siehe Bild 2)<br />

Hierbei erwies sich die Beständigkeit<br />

des Dichtkissens gegenüber der Abluft<br />

und Ablagerungen am Dichtkissen als<br />

problematisch.<br />

Außerdem kam es während eines<br />

Verladevorgangs zu einem Arbeitsunfall.<br />

Auf Grund der betrieblichen Probleme wurde<br />

Luft und Lärm<br />

11<br />

Emisionsminderung bei der Entladung von<br />

Steinkohlenteer aus Eisenbahnkesselwagen


Luft Luft und und Lärm<br />

12<br />

Bild 1: Betriebsversuch<br />

mit angeschweißtem<br />

Stutzen und<br />

Abluftleitung<br />

Bild 2: Betriebsversuch<br />

mit Aluminiumadapter<br />

und<br />

Dichtkissen<br />

Bild 3: Betriebsversuch<br />

mit Unterdruckanzeige<br />

und Unterdruckventil<br />

am<br />

Domdeckel des<br />

neuen Kesselwagens<br />

Bild 4: Betriebsversuch<br />

Produktablass mit<br />

neuem Kesselwagen<br />

in einer Projektgruppe ein neuer<br />

Kesselwagen konstruiert und gefertigt.<br />

Der neu entwickelte Kesselwagen<br />

bietet folgende Verbesserungen:<br />

• Fest installierte Temperaturmessung<br />

Bei Erreichen einer Produkttemperatur<br />

von 60 °C wird der<br />

Kesselwagen nahezu vollständig<br />

entleert. Die Kontrolle des<br />

Füllstandes über den Domdeckel<br />

entfällt, Reste werden beim<br />

Wiegen festgestellt und verbleiben<br />

im Kesselwagen.<br />

• Innen liegende Heizschlangen<br />

Verkrustungen auf den Heizschlangen<br />

entfallen, besserer<br />

Temperaturübergang, Reinigungsintervalle<br />

des Kesselwagens<br />

können verlängert werden.<br />

• V-Stellung des Tanks<br />

Produktreste können besser<br />

ablaufen<br />

• Druckfeste Auslegung des Tanks<br />

Überdruck<br />

Ein Öffnen des Tanks während<br />

der Aufheizphase ist nicht mehr<br />

erforderlich.<br />

Unterdruck<br />

Der Tank ist so ausgelegt, dass<br />

er ohne Druckausgleich entladen<br />

werden kann.


Mit diesem Kesselwagen ist, abgesehen von<br />

Tropfverlusten (siehe Bild 4), eine emissionsfreie<br />

Steinkohlenteerentladung möglich,<br />

da der Domdeckel während der Entladung<br />

geschlossen bleibt.<br />

Nach einer betrieblichen Testphase wird der<br />

erste gemietete Kesselwagen Ende <strong>2005</strong><br />

den Betrieb aufnehmen. Der Einsatz wird<br />

dem Staatlichen Umweltamt <strong>Herten</strong> gemäß<br />

§ 15 Absatz 1 BImSchG angezeigt.<br />

Im Jahr 2006 sollen 60 weitere Kesselwagen<br />

in Betrieb gehen. Nach erfolgreichem<br />

Großversuch sollen in 2007 weitere 60 Kesselwagen<br />

folgen. Über die Erfahrungen der<br />

betrieblichen Einsatzpraxis, des Emissionsminderungspotenzials<br />

und der Immissionsentwicklung<br />

wird weiter berichtet.<br />

Aktionsplan des Staatlichen<br />

Umweltamtes <strong>Herten</strong><br />

erfolgreich<br />

Claudia Pudwell-Sauer<br />

Bei dem betrachteten Firmenstandort handelt<br />

es sich um einen seit mehr als hundert<br />

Jahren existierenden Altstandort, der von<br />

Wohnbebauung umgeben ist. Aufgrund des<br />

über Jahre kontinuierlich gewachsenen Unternehmens<br />

und der von ihm erzeugten<br />

Produktpalette war zu erwarten, dass dieser<br />

Standort luftseitig nicht unerheblich<br />

belastet ist. Aus diesem Grund wurde er<br />

auf Vorschlag des Staatlichen Umweltamtes<br />

(<strong>StUA</strong>) <strong>Herten</strong> prioritär in das so<br />

genannte SEBB-Programm des Landes<br />

Nordrhein-Westfalen (Systematische Er-<br />

fassung und Beseitigung von Belastungsschwerpunkten)<br />

aufgenommen.<br />

Im Rahmen der durchgeführten Untersuchungen<br />

wurden an die betriebliche Produktionspalette<br />

entsprechend angepasste anorganische<br />

und organische Immissionskomponenten<br />

ermittelt. Ihre Daten sollten anfänglich<br />

einen Überblick über die eigentliche Belastung<br />

vor Ort und einen Einblick in das Werk<br />

und die dortigen Betriebsabläufe geben.<br />

Dabei stellte sich erwartungsgemäß heraus,<br />

dass die Umgebung des Standortes<br />

nicht unerheblich mit Immissionen aus dem<br />

Betriebsgelände belastet ist. Die weiteren<br />

Überwachungen sollten Fortschritte als Folge<br />

technischer Maßnahmen durch die Firma<br />

dokumentieren und neue Erkenntnisse zu<br />

immissionsrelevanten Vorgängen eröffnen.<br />

Bild 1: MILIS-Station<br />

Aus den Messungen und übrigen Ermittlungen<br />

vielfältigster Art auf dem Werksgelände<br />

entstanden systematische Grundsatzbetrachtungen<br />

zur luftseitigen Bewertung.<br />

Bei den weiteren Maßnahmen haben<br />

wir uns zusammen mit der Firma priotär<br />

auf die Reduzierung der kanzerogenen<br />

Luft und Lärm<br />

13<br />

Aktionsplan des Staatlichen Umweltamtes <strong>Herten</strong> erfolgreich


Luft und Lärm<br />

14<br />

Emissionen (Leitkomponenten Benzol und<br />

Benzo(a)pyren) konzentriert. Diese Vorgehensweise<br />

setzte ein hohes Kommunikationspotenzial<br />

zwischen Behörde und Betreiber<br />

voraus, wobei neben Anlagenbegehungen,<br />

Analysen auffälliger Immissionsdaten<br />

systematisch regelmäßige Jour fi xe durchgeführt<br />

werden.<br />

Aus den hieraus gewonnenen Erkenntnissen<br />

ist in Abstimmung mit der Firma ein Aktionsplan<br />

zur Reduzierung der Immissionsbelastung<br />

vor Ort entstanden. Der Aktionsplan<br />

konzentriert sich bislang im Wesentlichen<br />

auf die Beseitigung der kanzerogenen Emissionen<br />

Benzol und Benzo(a)pyren durch<br />

• die Senkung der Grundbelastung<br />

durch einzelne Maßnahmen in Verbindung<br />

mit der Inbetriebnahme neuer<br />

Anlagen sowie der Außerbetriebnahme<br />

von Altanlagen,<br />

• die Senkung der Anzahl von Immissionsspitzenwerten,<br />

• die Quellenbetrachtungen mittels<br />

Emissionsmessungen durch den<br />

<strong>StUA</strong>-eigenen Mess- und Prüfdienst<br />

sowie<br />

• die Ermittlung besonderer anlagenbezogener<br />

Einzelquellen.<br />

Diese auch von der Firma progressiv vorangetriebenen<br />

technischen und organisatorischen<br />

Maßnahmen gehen konform mit den<br />

Erkenntnissen aus den seit 2001 laufenden<br />

Untersuchungen, ergänzt von bereits vor<br />

dem Jahr 2000 mit dem Staatlichen Umweltamt<br />

<strong>Herten</strong> vereinbarten grundsätzlichen<br />

Umstrukturierungsmaßnahmen.<br />

Alle bisherigen technischen Maßnamen zeigen<br />

nach ihrer Umsetzung deutliche Wirkung.<br />

Hierdurch wurde bereits eine Verbesserung<br />

des Immissionswertes für<br />

Benzo(a)pyren um ein Drittel erreicht.<br />

Weitere Maßnahmen hierzu werden zurzeit<br />

mit dem Betreiber diskutiert. Für Benzol<br />

ergibt sich für die ersten elf Monate des<br />

Jahres <strong>2005</strong> eine immissionsseitige Verbesserung<br />

um etwa 40 %, an besonders beaufschlagten<br />

Immissionsorten sogar um mehr<br />

als 200 % (auf Basis des ermittelten Wertes<br />

aus <strong>2005</strong>). Ebenso erfolgreich werden hoffentlich<br />

die weiteren laufenden Umsetzungsmaßnahmen<br />

sein, denen relevante Einzelquellenbetrachtungen<br />

zugrunde liegen. Der<br />

von der Europäischen Union vorgegebene<br />

zeitlich gestaffelte Immissionsgrenzwert für<br />

Benzol wird dadurch bereits jetzt an allen<br />

Immissionsmesspunkten unterschritten.<br />

Die Erreichbarkeit in Bezug auf den endgültigen<br />

Benzolimmissionswert in 2010 scheint<br />

damit machbar zu sein.<br />

Bild 2 und 3: Links: Besonders beaufschlagter Immissionsort CARA 6 in der Wohnbebauung (siehe auch Ausschnitt links); Rechts: Gegenüberliegende Straßenseite mit Anlage


Durch die vom <strong>StUA</strong> <strong>Herten</strong> initiierte Immissionsmessung<br />

im Umfeld der Anlage, wurde<br />

für Benzol sogar die Erstellung eines Luftreinhalteplans<br />

notwendig. Auch hier waren<br />

wir in die von der Bezirksregierung Münster<br />

einberufene Projektgruppe integriert.<br />

Im Rahmen der Recherchen haben alle Beteiligten<br />

viel über Quellen auf dem Betriebsgelände<br />

und ihr Emissionsverhalten sowie<br />

ihre Relevanz, aber auch über positivere<br />

Kommunikationsweisen in dieser Angelegenheit<br />

erfahren. Es wäre wünschenswert,<br />

diesen Prozess bei den weiter notwendigen<br />

Reduzierungen an Emissionsquellen zugunsten<br />

der umweltrelevanten Auswirkungen<br />

insbesondere auf die dortige Nachbarschaft<br />

weiter so fortzuführen.<br />

Crash Boom Bang<br />

Claudia Pudwell-Sauer<br />

In einem Betrieb ereignete sich eine Tankexplosion<br />

mit Folgebrand. Durch den Bereitschaftsdienst<br />

herbeigerufen, fand ich einem<br />

Bienenschwarm gleich Anwohner, Polizei,<br />

Feuerwehren, betriebsangehörige Mitarbeiter<br />

und Journalisten vor.<br />

Durch das weithin bemerkbare Explosionsereignis<br />

mit Druckwelle und Brand traten auf<br />

dem Betriebsgelände ausschließlich materielle<br />

Schäden durch Trümmerfl ug beim Abheben<br />

des Tankdaches, Verformungsschäden,<br />

Brand und geborstene Fensterscheiben<br />

sowie außerhalb des Betriebsgeländes<br />

abgerissene bauliche Verblendungen und<br />

Deckenbeleuchtungen auf.<br />

Ursächlicher Anlass für das Schadensereignis<br />

waren einige Tage zuvor durchgeführte<br />

Reparaturarbeiten an einem Wärmetauscher<br />

im Zulaufbereich des Tankes. Hierdurch ist<br />

heißes Produkt in den Tank eingetreten und<br />

hat dort zu einem explosionsfähigen Gas-/<br />

Dampfgemisch geführt, das aber erst zum<br />

Ereigniszeitpunkt durch elektrostatische<br />

Aufl adungsprozesse innerhalb des Tankes<br />

gezündet hat. Durch die Explosion wurde<br />

das komplette Tankdach an der Reißnaht<br />

abgetrennt und klappte seitlich um.<br />

Eine Messung durch den Sondereinsatz des<br />

Landesumweltamtes hat keine Beeinträchtigung<br />

der Nachbarschaft durch Schadstoffe<br />

ergeben. Trotz der an diesem Abend teilweise<br />

„chaotisch erscheinenden Verhältnisse<br />

vor Ort“ hat die Kommunikation mit der<br />

Firma gut funktioniert.<br />

So wurden neben den sofort vorgenommenen<br />

Untersuchungen durch das Labor des<br />

Staatlichen Umweltamtes <strong>Herten</strong> auch von<br />

der Firma diverse Gutachter zur<br />

detaillierten sicherheitstechnischen<br />

Beurteilung der Anlage<br />

sowie der relevanten Folgeerscheinungen<br />

eingeschaltet, so<br />

dass die nachfolgenden Recherchen<br />

und Abwicklungen dieses<br />

Schadensereignisses „problemlos“<br />

abliefen.<br />

Luft und Lärm<br />

15<br />

Crash Boom Bang


Biogasanlagen in der Landwirtschaft<br />

aus der Sicht der Genehmigunsbehörde<br />

Luft und Lärm<br />

16<br />

Biogasanlagen in der<br />

Landwirtschaft aus Sicht<br />

der Genehmigungsbehörde<br />

Rainer Wegner<br />

Die verstärkte Nutzung regenerativer Energien<br />

zur Reduktion der energiebedingten<br />

Treibhausgas-Emissionen hat dazu geführt,<br />

dass in den vergangenen Jahren und bis<br />

heute die landwirtschaftliche Biomassenutzung<br />

stetig zunimmt. Insbesondere die<br />

Erzeugung und Nutzung von Biogas wird<br />

mehr und mehr zu einer festen Größe.<br />

Die Gründe, die zur Errichtung und zum<br />

Betrieb einer Biogasanlage führen, sind häufi<br />

g vielschichtig und oft von speziellen Randbedingungen<br />

abhängig.<br />

Die Genehmigungssituation für Biogasanlagen<br />

hat sich unter anderem durch die<br />

Änderung des Baugesetzbuches aufgrund<br />

des Europarechtsanpassungsgesetzes<br />

Bau (EAG Bau) und die so genannte EU-<br />

Hygieneverordnung geändert. Weiterhin<br />

sind durch die Novellierung des Energie-<br />

Einspeise-Gesetzes (EEG) neue beziehungsweise<br />

veränderte wirtschaftliche Rahmenbedingungen<br />

entstanden.<br />

Rückblick<br />

Aufgrund der Anreize durch das Energie-<br />

Einspeise-Gesetz und der Regelung, in der<br />

Landwirtschaft Flächen stillzulegen und<br />

nicht mehr für den Futteranbau zu nutzen,<br />

kam bei den Landwirten recht früh der Gedanke<br />

auf, die auf den Stilllegungsfl ächen<br />

erzeugten Biomassen in Biogasanlagen zu<br />

verwerten. Nach unseren Unterlagen wer-<br />

den zurzeit zirka 50 Biogasanlagen im Aufsichtsbezirk<br />

betrieben. Die älteste Anlage<br />

ist vor 25 Jahren errichtet worden und noch<br />

heute in Betrieb.<br />

Da eine zufrieden stellende Gasausbeute<br />

und somit eine Rentabilität allein mit diesen<br />

Materialien nicht sicher zu stellen war,<br />

wurde auf dem Markt nach energiereichen<br />

Materialien gesucht. Diese als Abfälle jeglicher<br />

Art eingesetzten Materialien brachten<br />

aber eine Reihe von Problemen mit sich.<br />

Insbesondere führte der Einsatz von Abfällen<br />

dazu, dass der anfallende Gärrest auf<br />

dem freien Markt in der Regel nicht mehr<br />

ohne weiteres als Dünger abgesetzt werden<br />

konnte. Ein weiterer Grund, sich mit dem<br />

Betrieb von Biogasanlagen zu befassen,<br />

ergab sich durch die bessere Verwertung<br />

der Gärreste. Diese waren deutlich geruchsärmer.<br />

Somit konnte der Landwirt dieses<br />

Material zum Beispiel dichter an die Wohnbebauung<br />

heran ausbringen. Bei den hohen<br />

Kosten für zusätzliche Pachtfl ächen in den<br />

Regionen, wo Wohnbebauung und landwirtschaftliche<br />

Nutzung aufeinander treffen, ein<br />

nicht zu unterschätzender Faktor.<br />

Viele Landwirte waren froh, dass mit der<br />

Novelle zum Baugesetzbuch (BauGB) im<br />

Jahre 2004 hinsichtlich der Privilegierung<br />

von Biomasseanlagen Regelungen getroffen<br />

wurden. Eine Zunahme der Änderungsgenehmigungsverfahren<br />

war deutlich feststellbar.<br />

Technisch gesehen würden viele Antragsteller<br />

gerne weiter Abfälle einsetzen, aber aufgrund<br />

der zusätzlichen Vergütung für nachwachsende<br />

Rohstoffe (NawaRo’s) im Rahmen<br />

des EEG ist dies unattraktiv geworden.


Auf die Änderungen und deren Auswirkungen<br />

durch die geänderte Rechtslage soll<br />

nachfolgend näher eingegangen werden.<br />

Planungsrecht<br />

Baugesetzbuch (BauBG) –<br />

Privilegierung -<br />

Vorhaben der energetischen Nutzung von<br />

Biomasse (§ 35 Absatz 1 Nummer 6 BauGB)<br />

Durch die BauGB-Novelle 2004 zählen nun<br />

auch Biomasseanlagen zu den privilegierten<br />

Bauvorhaben. Voraussetzung ist hierbei,<br />

dass das Vorhaben im Rahmen eines landoder<br />

forstwirtschaftlichen Betriebes, eines<br />

Gartenbau- oder eines Tierhaltungsbetriebes,<br />

der aufgrund seiner nachteiligen Wirkung<br />

auf die Umgebung in den Außenbereich<br />

gehört sowie dem Anschluss solcher Anlagen<br />

an das öffentliche Versorgungsnetz dient.<br />

Das Vorhaben muss dabei in einem räumlich-funktionalen<br />

Zusammenhang mit dem<br />

Betrieb stehen, die Biomasse überwiegend<br />

aus dem Betrieb oder überwiegend aus<br />

diesem und aus nahe gelegenen Betrieben<br />

stammen. Die Kooperation von mehreren<br />

Biomasse erzeugenden Betrieben wird<br />

damit ermöglicht. Die Einschränkung auf<br />

nahe liegende Betriebe soll aus ökologischen<br />

und auch aus volkswirtschaftlichen<br />

Gründen einen überregionalen Transport<br />

des Rohmaterials verhindern. Je Hofstelle<br />

oder Betriebsstandort darf nur eine Anlage<br />

betrieben werden. Die installierte elektrische<br />

Leistung der privilegierten Biomasseanlage<br />

ist auf 0,5 Megawatt (MW) begrenzt.<br />

Zu beachten ist, dass diese Beschränkung<br />

auch für Biogasanlagen gilt, die das erzeugte<br />

Gas zu anderen Standorten des BHKW’s weiterleiten.<br />

Hierbei ist entweder deren kumulierte<br />

installierte Leistung für die Grenzwertbemessung<br />

heranzuziehen oder die<br />

Beschränkung auf 0,5 MW umzurechnen.<br />

Rückbauverpfl ichtung (§ 35 Absatz 5<br />

BauGB)<br />

Der novellierte § 35 Absatz 5 enthält eine<br />

Rückbauverpfl ichtung bei privilegierten<br />

Außenbereichsvorhaben. Demnach ist die<br />

Rückbauverpfl ichtung eine Zulässigkeitsvoraussetzung<br />

(Schutz des Außenbereichs).<br />

Die Genehmigungsbehörde soll zum Beispiel<br />

durch Eintragung einer Baulast oder<br />

auf andere Weise, zum Beispiel Bankbürgschaft,<br />

die Einhaltung dieser Verpfl ichtung<br />

sicherstellen.<br />

Defi nition Rückbauverpfl ichtung:<br />

„Nach dauerhafter Aufgabe der Nutzung<br />

ist das Vorhaben zurück zu bauen und die<br />

Bodenversiegelung zu beseitigen.“<br />

Durch den neuen Privilegierungstatbestand<br />

wird die Errichtung von Biogasanlagen<br />

erleichtert. Dieses Privileg ist aber an den<br />

jeweiligen Bauernhof gekoppelt, es sollen<br />

keine Biogasfabriken außerhalb der Ortslagen<br />

genehmigt werden, da es Ziel des<br />

Gesetzes ist, den Strukturwandel der Landwirtschaft<br />

zu fördern.<br />

Bundesimmissionsschutzgesetz /<br />

Baurecht<br />

Bei Biogasanlagen ist der bestimmende Faktor<br />

für die Zuordnung der Anlage die installierte<br />

Feuerungswärmeleistung des Blockheizkraftwerkes<br />

(BHKW). Gemäß Nummer<br />

1.4 des Anhangs zur 4. BImSchV sind<br />

Verbrennungsmotoranlagen zur Erzeugung<br />

von Strom für den Einsatz von gasförmigen<br />

Luft und Lärm<br />

17


Luft und Lärm<br />

18<br />

Brennstoffen mit einer Feuerungswärmeleistung<br />

von 1 MW bis weniger als 10 MW<br />

genehmigungsbedürftig.<br />

Die Genehmigung wird im so genannten vereinfachten<br />

Verfahren erteilt (ohne öffentliche<br />

Bekanntmachung). Genehmigungsbehörde<br />

ist in diesen Fällen das Staatliche Umweltamt.<br />

Ist die Feuerungswärmeleistung unter<br />

1 MW, wird die Genehmigung zur Errichtung<br />

des BHKW durch das Bauordnungsamt<br />

erteilt. Das Staatliche Umweltamt wird als<br />

Fachbehörde am Verfahren beteiligt.<br />

Biogasanlage als Nebenanlage<br />

einer genehmigungsbedürftigen<br />

Anlage<br />

Biogasanlagen sind auch bei Unterschreitung<br />

der vorgenannten Leistungsgrößen in<br />

einem immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahren<br />

zu genehmigen, wenn<br />

sie als Nebeneinrichtung einer nach dem<br />

Bundes-Immissionsschutzgesetz genehmigungsbedürftigen<br />

Anlage betrieben werden.<br />

Dies kann zum Beispiel im Zusammenhang<br />

mit dem Tierhaltungsbetrieb (Nummer 7.1)<br />

und / oder Anlagen zur Lagerung von Gülle<br />

(Nummer 9.36) > 2.500 m³ Lagervolumen<br />

der Fall sein.<br />

Das Genehmigungsverfahren<br />

nach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz<br />

(BImSchG)<br />

Antragstellung<br />

Über den Genehmigungsantrag ist innerhalb<br />

von 3 Monaten zu entscheiden. Voraussetzung<br />

ist hierbei, dass die Antragsunterlagen<br />

vollständig vorliegen. Die Beteiligung der<br />

Fachbehörden erfolgt im Sternverfahren.<br />

Das setzt voraus, dass der Antrag in ent-<br />

sprechender Anzahl, in der Regel 12-fach,<br />

vorgelegt wird. Insbesondere ist darauf hinzuweisen,<br />

dass es sich bei Bauvorhaben im<br />

Rahmen des BImSchG-Antrages in Nordrhein-Westfalen<br />

immer um Sonderbauten im<br />

Sinne des Baurechts handelt. Das bedeutet,<br />

dass dem Antrag ein Brandschutzkonzept<br />

beizufügen ist.<br />

Technische Anforderungen<br />

Einsatzstoffe<br />

Neben dem Einsatz von Gülle sind eine<br />

Reihe weiterer Stoffe für die Biogaserzeugung<br />

geeignet. Grundsätzlich ist bei der<br />

Materialaufgabe und Zuführung zur Anlage<br />

zu berücksichtigen, dass durch diese Vorgänge<br />

keine wesentlichen Geruchsemissionen<br />

hervorgerufen werden. In der Regel<br />

sind daher fl üssige Einsatzstoffe in geschlossenen<br />

Behältern zu lagern. Feste und pastöse<br />

Materialien sind so zu lagern, dass<br />

durch Umwelteinfl üsse, zum Beispiel Regen<br />

oder Wind, eine Beeinträchtigung der Nachbarschaft<br />

vermieden wird. Die offene Lagerung<br />

wird daher sehr kritisch gesehen. Insbesondere<br />

Gefl ügelmist und ähnliche Stoffe<br />

sind witterungsgeschützt zum Beispiel in<br />

Hallen zu lagern.<br />

Fermenter / Nachgärer<br />

Nachwachsende Rohstoffe<br />

Unter der eingangs beschriebenen Voraussetzung,<br />

dass neben Gülle nur nachwachsende<br />

Rohstoffe eingesetzt werden,<br />

wird in einem Merkblatt des Ministeriums<br />

für Umwelt, Naturschutz, Landwirtschaft<br />

und Verbraucherschutz des Landes Nordrhein-Westfalen<br />

zu Biogasanlagen ausgeführt,<br />

dass das Wassergefährdungspotenzial<br />

der zu vergärenden Stoffe mit dem Wasser-


gefährdungspotenzial von Jauche, Gülle oder<br />

Sickersäften vergleichbar ist. Somit sind<br />

auch in Nordrhein-Westfalen die technischen<br />

Anforderungen an diese Anlagen mit denen<br />

der JGS-Anlagen-Verordnung identisch.<br />

• JGS-Anlagen-Verordnung: Verordnung<br />

zur Umsetzung der EU-Richtlinie vom<br />

13.11.1998 – NRW<br />

• 91/678/EWG vom 12.12.1991<br />

zum Schutz der Gewässer vor<br />

Verunreinigungen durch Nitrat aus<br />

landwirtschaftlichen Betrieben<br />

Der Charakter der Stoffe ermöglicht ihre<br />

Einbeziehung in das landwirtschaftliche<br />

JGS-Privileg. Die Verordnung über Anlagen<br />

zum Umgang mit Wasser gefährdenden<br />

Stoffen und über Fachbetriebe (VAwS) ist<br />

somit nicht anzuwenden.<br />

Zu berücksichtigen ist aber, dass vor dem<br />

Hintergrund der höheren thermischen und<br />

dynamischen Belastung bei der Gaserzeugung<br />

im Fermenter und Nachgärer mit einem<br />

Volumen von mehr als 1.000 m³ eine<br />

Dichtungsschicht mit Leckageerkennung<br />

unterhalb der Behälter vorzusehen ist.<br />

Aufgrund einer einheitlichen Umsetzung in<br />

Nordrhein-Westfalen hat die Genehmigungsbehörde<br />

darauf zu achten, dass im Rahmen<br />

der Gleichbehandlung alle derartigen Anlagen<br />

so ausgerüstet werden.<br />

Blockheizkraftwerk<br />

Grundsatz: Kein erzeugtes Biogas<br />

ungenutzt über Dach!<br />

Zur Erfüllung dieses Grundsatzes sind eine<br />

Reihe technischer Lösungen denkbar. Aus<br />

sicherheitstechnischen Überlegungen wird<br />

von der Berufsgenossenschaft gefordert,<br />

dass nicht mehr als 20 m³ Gas pro Stunde<br />

abgeblasen werden dürfen. Diese Anforderung<br />

greift unter dem oben genannten<br />

Grundsatz für den Immissionsschutz zu kurz.<br />

Ausfall des Blockheizkraftwerkes<br />

Da der Gasspeicher aus einer fl exiblen<br />

Gummimembrane besteht, ist das Gaslager<br />

in der Lage, sich auszudehnen und bei Ausfall<br />

des BHKW für einen bestimmten Zeitraum<br />

das Gas aufzunehmen. Die Materialzufuhr<br />

ist nach Eingang des Alarms umgehend<br />

abzustellen.<br />

Als externe Maßnahmen kommen zum Beispiel<br />

in Frage:<br />

• Errichtung eines zusätzlichen<br />

Gasspeichers als Puffer<br />

• Aufstellung und Bereithaltung eines<br />

Reservemotors:<br />

Diese Möglichkeit ist insbesondere bei<br />

älteren Anlagen oder Erweiterungen<br />

interessant, da neben dem neuen<br />

Motor der bisherige alte Motor als<br />

Reserveeinheit in der Anlage verbleibt.<br />

• feste Notfackel:<br />

Bei Nachweis einer ausreichenden<br />

Reaktionszeit durch oben genannte<br />

Maßnahmen wird eine feste Notfackel<br />

entbehrlich.<br />

• mobile Notfackel:<br />

Für unvorhergesehene Ereignisse, wie<br />

zum Beispiel Verzögerungen bei der<br />

Reparatur oder Wartung des BHKW,<br />

werden mobile Notfackeln zugelassen.<br />

Diese sind innerhalb einer bestimmten<br />

Zeit dem Betreiber in der Regel von<br />

Luft und Lärm<br />

19


Luft und Lärm<br />

20<br />

der Wartungsfi rma zur Verfügung zu<br />

stellen, um die Restgasmengen gefahrlos<br />

ableiten zu können. Voraussetzung<br />

ist aber, dass die Umgebungsvoraussetzungen<br />

überhaupt einen derartigen<br />

Betrieb zulassen.<br />

Ableitung der Abgase des BHKW<br />

Die Einhaltung der Abgaswerte der Technischen<br />

Anleitung zur Reinhaltung der Luft<br />

(TA Luft) ist in der Regel sichergestellt.<br />

Gemäß TA Luft (Nummer 5.5.2) sind die Abgase<br />

mindestens 10 m über Grund abzuleiten.<br />

Diese Forderung ist beim BHKW, insbesondere<br />

wenn es von den Hofgebäuden entfernt<br />

aufgestellt wird, zum Beispiel in Containern,<br />

schwer umzusetzen.<br />

Die Konstruktion ist technisch aufwändig und<br />

unter landschaftsgestalterischen Aspekten<br />

(Münsterländer Parklandschaft) kritisch zu<br />

sehen. Unter Berücksichtigung der Grundsatzanforderung<br />

Abgase so abzuleiten, dass<br />

ein ungestörter Abtransport mit der freien<br />

Luftströmung ermöglicht wird, sind folgende<br />

Überlegungen angestellt worden:<br />

• Das maßgebliche Diagramm zur Bestimmung<br />

der Schornsteinhöhe ist für<br />

Rohrquerschnitte ab 300 mm anzuwenden.<br />

Die Abgasrohre eines BHKW<br />

haben in der Regel einen deutlich<br />

geringeren Querschnitt (150 mm).<br />

Durch den geringeren Querschnitt des<br />

Abgasrohres in Kombination mit den<br />

Abgastemperaturen entsteht eine<br />

hohe Abgasgeschwindigkeit. Hierdurch<br />

wird eine Abgasfahnenüberhöhung<br />

erreicht, die die geringere Schornsteinhöhe<br />

(6 bis 8 m) kompensiert und den<br />

freien Abstrom der Abgase somit in<br />

der Regel gewährleistet.<br />

• Nachbarbeschwerden aufgrund der<br />

Abgasemissionen eines BHKW sind im<br />

hiesigen Aufsichtsbezirk bisher nicht<br />

vorgetragen worden.<br />

Weitere gesetzliche<br />

Anforderungen<br />

Verordnung über elektromagnetische<br />

Felder – 26. BImSchV vom 16.12.1996<br />

Die im BHKW erzeugte elektrische Energie<br />

wird in der Regel in das Netz des regionalen<br />

Energieversorgers eingespeist. Das hierzu<br />

erforderliche Kabel unterliegt als Freileitung<br />

oder als Erdkabel bei einer Frequenz von<br />

50 Hertz und einer Spannung von 1.000 Volt<br />

oder mehr als Niederfrequenzanlage der<br />

Anzeigepfl icht. Der Betreiber einer Niederfrequenzanlage<br />

hat diese der zuständigen<br />

Behörde (in Nordrhein-Westfalen: Staatliche<br />

Umweltämter) mindestens zwei Wochen vor<br />

der Inbetriebnahme anzuzeigen.<br />

Häufi g sind die EVU bei der Anzeigeerstattung<br />

behilfl ich. Die Anzeigepfl icht besteht<br />

immer dann, wenn die Anlage im Bereich<br />

eines Bebauungsplanes oder auf einem<br />

mit Wohngebäuden bebauten Grundstück<br />

im Außenbereich gelegen ist oder derartige<br />

Grundstücke überquert werden und die<br />

Anlage nicht einer Genehmigung, Planfeststellung<br />

oder sonstigen behördlichen Entscheidung<br />

nach anderen Rechtsvorschriften<br />

bedarf.<br />

Bauliche Anlagen an Straßen im<br />

Außenbereich<br />

Grundlage: Straßen- und Wege-Gesetz NRW<br />

vom 23.09.1995


Zustimmungsverfahren<br />

Außerhalb von Ortsdurchfahrten bedürfen<br />

Baugenehmigungen oder nach anderen<br />

Vorschriften (zum Beispiel: BImSchG) notwendige<br />

Genehmigungen der Zustimmung<br />

der Straßenbaubehörde, wenn bauliche<br />

Anlagen jeder Art<br />

1. längs der Landes- und Kreisstraßen<br />

in einer Entfernung bis zu 40 m<br />

erheblich geändert oder anders<br />

genutzt werden sollen;<br />

2. über Zufahrten oder Zugänge an<br />

Landes- und Kreisstraßen unmittelbar<br />

oder mittelbar angeschlossen oder<br />

bei bereits bestehendem Anschluss<br />

erheblich geändert oder anders<br />

genutzt werden sollen.<br />

Insbesondere prüft die Straßenbaubehörde,<br />

ob größere Fahrzeugeinheiten auf dem<br />

Betriebsgelände wenden können. Mit dieser<br />

Wendemöglichkeit soll gewährleistet werden,<br />

dass die Fahrzeuge immer in Fahrtrichtung<br />

das Gelände verlassen können und<br />

nicht zum Beispiel rückwärts aus der Zufahrt<br />

kommend auf der Straße rangieren müssen.<br />

Einzelthemen<br />

Getrennte Nutzung / Biogastransport<br />

Biogaserzeugung und Biogasverwertung fi nden<br />

nicht am gleichen Standort statt.<br />

1. Variante<br />

Grundsätzlich wäre das Abfüllen des Biogases<br />

aus einem Zwischenspeicher in einen<br />

Transportbehälter möglich. Dieser könnte<br />

dann zu den verschiedensten Einsatzstellen<br />

gefahren werden. An diesen Einsatzstellen<br />

müsste wiederum ein Lagerbehälter vorgehalten<br />

werden.<br />

Schon bei der groben Skizzierung zeigt sich,<br />

dass dieser Weg einen sehr hohen Aufwand<br />

erfordert und eine Wirtschaftlichkeit in der<br />

Regel schwer nachzuweisen ist.<br />

2. Variante<br />

Realistischer erscheint es daher, das erzeugte<br />

Biogas von der Hofstelle oder einem<br />

anderen Anlagenstandort über eine Rohrleitung<br />

dem Verbraucher zum Beispiel Gärtnerei,<br />

Molkerei, Wohnsiedlung und so weiter<br />

zur Verfügung zu stellen. Hier erhebt sich<br />

die Frage, welche Genehmigungen beziehungsweise<br />

gesetzlichen Anforderungen<br />

sind für diese Leitung erforderlich? Da diese<br />

von der technischen Auslegung abhängen,<br />

wird Folgendes zugrunde gelegt:<br />

• Der Gasdruck in der Leitung ist<br />

< 1 bar,<br />

• der Durchmesser ist < DN 300<br />

(in der Regel DN 150)<br />

• und die Länge der Leitung ist < 3 km.<br />

• Biogas enthält zirka 50 bis 70 %<br />

Methan. Methan ist ein nicht Wasser<br />

gefährdender Stoff gemäß VAwS.<br />

Zur Prüfung des Sachverhaltes wurden verschiedenste<br />

Vorschriften (siehe Aufzählung<br />

unter Übersicht) herangezogen. Es ergaben<br />

sich keine Genehmigungserfordernisse.<br />

Allein das Landschaftsgesetz für das Land<br />

Nordrhein-Westfalen bewertet das Verlegen<br />

ober- und unterirdischer Leitungen im<br />

Außenbereich als Eingriff in Natur und Land-<br />

Luft und Lärm<br />

21


Luft und Lärm<br />

22<br />

schaft. Losgelöst hiervon sind natürlich die<br />

technischen Anforderungen an derartige Leitungen<br />

zu berücksichtigen und bei Querung<br />

von Straßen und/oder Gewässern die auch<br />

für andere Leitungen geltenden technischen<br />

Anforderungen zu beachten.<br />

Übersicht<br />

Gasleitung für den Transport von<br />

Biogas<br />

• Gashochdruckleitungs-Verordnung<br />

Gasdruck unter 1 bar – nicht anwendbar<br />

• BImSchG-Recht<br />

keine genehmigungsbedürftige Anlage<br />

• Wasserhaushaltsgesetz (WHG, § 19a)<br />

Planfeststellung nicht erforderlich<br />

• Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetz<br />

UVP nicht erforderlich (§ 20)<br />

• Rohrfernleitungs-Verordnung<br />

nicht anwendbar<br />

• Baurecht – NRW<br />

keine Baugenehmigung erforderlich<br />

• Landschaftsgesetz NRW<br />

Genehmigung erforderlich, bei<br />

Verlegung im Außenbereich<br />

• Überschwemmungsgebiets-Verordnung<br />

im Überschwemmungsgebiet<br />

erlaubnispfl ichtig (§ 113 LWG)<br />

• Landeswassergesetz NRW<br />

oberirdische Querung eines<br />

Gewässers: Genehmigung gemäß<br />

§ 99 LWG erforderlich<br />

• Unterirdische Verlegung und<br />

Überbrückung eines Gewässers:<br />

formloser Antrag im Zusammenhang<br />

mit Bauantrag für Biogasanlage<br />

Abfallrecht /<br />

EU-Hygiene-Verordnung<br />

Durch die Änderung des Kreislaufwirtschafts-<br />

und Abfallgesetzes (KrW-/AbfG)<br />

und unter Beachtung der EU-Hygiene-Verordnung<br />

sowie der Bioabfallverordnung hat<br />

sich bei der Zuordnung der Einsatzstoffe<br />

eine Erleichterung ergeben.<br />

So ist bei bestehenden Anlagen zu prüfen,<br />

ob die genehmigten Einsatzstoffe unter heutiger<br />

Betrachtungsweise noch dem Abfallrecht<br />

unterliegen oder für bestimmte Stoffe<br />

eine Verlagerung zur EU-Hygiene-Verordnung<br />

stattgefunden hat. Für Stoffe, die<br />

unter diese Verordnung fallen, ist das Abfallrecht<br />

nicht mehr anzuwenden.<br />

Die erforderliche Erlaubnis nach der Hygiene-Verordnung<br />

wird im Regierungsbezirk<br />

Münster getrennt vom BImSchG oder Baurechtsverfahren<br />

durch die Obere Veterinärbehörde<br />

bei der Bezirksregierung erteilt. Im<br />

Genehmigungsbescheid nach dem BImSchG<br />

wird als Bedingung aufgenommen, dass die<br />

Anlage erst nach Erteilung der vorgenannten<br />

Erlaubnis in Betrieb genommen werden darf.<br />

Zusammenfassung<br />

Der Betrieb einer Biogasanlage auf landwirtschaftlichen<br />

Hofstellen ist für den Landwirt<br />

eine weitere Möglichkeit, neben der Verbesserung<br />

der Ertragssituation auch positive<br />

Nebeneffekte zu erzielen, wie zum Beispiel<br />

die bessere Verwertung der Gärreste.<br />

Ziel aller Bemühungen der Beteiligten wie<br />

Antragsteller, Entwurfsverfasser, Behörden<br />

und Genehmigungsbehörde muss es sein,<br />

einen prüffähigen Antrag vorzulegen, der zu


einer rechtssicheren Entscheidung führt. An<br />

dieser Stelle ist es besonders wichtig, möglichst<br />

einheitliche und vergleichbare Anforderungen<br />

festzulegen und mit einer gewissen<br />

Verbindlichkeit festzuschreiben.<br />

Nur so kann auf Dauer das Ziel erreicht werden,<br />

mit kurzen Genehmigungsverfahrenszeiten<br />

dem Anspruch der Antragsteller nach<br />

möglichst schneller Umsetzung seines Vorhabens<br />

bei verlässlicher und überschaubarer<br />

Kostenabschätzung gerecht zu werden. In<br />

diesem Fall können Anträge in durchschnittlich<br />

2,5 Monaten entschieden werden.<br />

Emission des Krebs<br />

erzeugenden Stoffes<br />

Vinylchlorid erfolgreich<br />

minimiert!<br />

Berthold Robert, Harald Siemund und<br />

Hans-Jürgen Görß<br />

Die PVC-Anlage der eines Betriebes im Chemiepark<br />

Marl dient der Herstellung unterschiedlicher<br />

Polyvinylchlorid (PVC)-Typen,<br />

hier insbesondere Suspensions- und Emulsions-PVC<br />

durch chemische Umwandlung von<br />

Vinylchlorid (VC) nach verschiedenen Polymerisationsverfahren.<br />

Die Polymerisation von VC zu PVC erfolgt<br />

teils kontinuierlich teils diskontinuierlich in<br />

wässrigem Milieu unter Druck. Nicht umgesetztes<br />

VC (Rück-VC) wird nach Erreichen<br />

des gewünschten Umsatzes durch Entspannung<br />

und Ausgasung der wässrigen Produktdispersion<br />

zurück gewonnen und über<br />

die VC-Rückgewinnungsanlage wieder in<br />

den Polymerisationsprozess eingespeist.<br />

Zum Schutz des Rück-VC-Systems gegenüber<br />

Sauerstoff und dadurch mögliche Ausbildung<br />

explosionsfähiger Gemische beziehungsweise<br />

VC-Peroxidbildung wird im<br />

Rück-VC-System kontinuierlich die Sauerstoffkonzentration<br />

überwacht.<br />

Ein Sauerstoff-Eintrag in das Rück-VC-System<br />

kann durch Undichtigkeiten hervorgerufen<br />

werden oder beim Anfahren der Anlage<br />

durch Restluft in den Apparaten nach Reinigungsoperationen.<br />

Bei Überschreitung des<br />

sicherheitstechnisch festgelegten Sauerstoffgrenzwertes<br />

von > 2 Vol.-% erfolgt die<br />

automatische Sperrung der VC-Abgabe in<br />

das Rück-VC-System. Gleichzeitig hiermit<br />

öffnet sich eine Sicherheitsarmatur zur Entspannung<br />

des Gases in die Atmosphäre.<br />

Insbesondere im Jahre 1998 wurden dann<br />

vom Staatlichen Umweltamt (<strong>StUA</strong>) <strong>Herten</strong><br />

erhebliche VC-Emissionen von 3325 kg/a<br />

(alle Mengenangaben unter Worst-case-Betrachtung1)<br />

) auf Grund der Entspannungen<br />

über die Sicherheitsarmaturen registriert<br />

(vergleiche Abbildung 1).<br />

In der Praxis zeigte sich, dass der Sicherheits-Grenzwert<br />

von 2 % meistens nur sehr<br />

kurzfristig überschritten wurde, was aber<br />

zu häufi gen Kurzzeit-Entspannungen der<br />

Sicherheitsarmatur, die oft nur im Minutenbereich<br />

lagen, führte.<br />

1) Worst-case-Betrachtung bedeutet hier, dass<br />

die aus der Rück-VC-Leitung entspannten<br />

Gase als reines VC gerechnet wurden, was zu<br />

einer VC-Überbewertung führt, da die in der<br />

Rück-VC-Leitung enthaltenen Gase tatsächlich<br />

aus einem Vinylchlorid-/Stickstoffgemisch<br />

unbekannter Konzentration bestehen.<br />

Luft und Lärm<br />

23<br />

Emission des Krebs erzeugenden Stoffes<br />

Vinylchlorid erfolgreich minimiert!


Luft und Lärm<br />

24<br />

Hierauf wurde der Betreiber der PVC-Anlage<br />

in der zweiten Jahreshälfte 1998 vom<br />

<strong>StUA</strong> <strong>Herten</strong> aufgefordert, ein Konzept zu<br />

entwickeln, um die häufi gen Kurzzeit-Entspannungen<br />

mit ihren VC-Emissionen zu<br />

minimieren, insbesondere auch im Hinblick<br />

darauf, dass es sich bei VC um einen Krebs<br />

erzeugenden Stoff handelt.<br />

Nach sehr umfangreichen, sicherheitstechnischen<br />

Betrachtungen des Rück-VC-Systems<br />

unterbreitete der Betreiber den Vorschlag,<br />

die Kurzzeit-Entspannungen dadurch<br />

zu vermindern, dass für einen defi -<br />

nierten, begrenzten Zeitraum Rück-VC mit<br />

einem höheren Sauerstoffgehalt in das<br />

Rück-VC-System abgegeben werden kann.<br />

Die Sicherheit des Rück-VC-Systems bleibt<br />

dabei weiterhin vollständig und zweifelsfrei<br />

gewährleistet.<br />

Es wurde dann vom Betreiber in einem<br />

ersten Schritt beantragt, den Schaltpunkt<br />

der Sauerstoffüberwachung für die S-PVC-<br />

Herstellung von 2 Vol.-% auf 5 Vol.-% zu<br />

ändern und die VC-Abgabe mit Sauerstoffgehalten<br />

bis 5 Vol.-% für einen Zeitraum<br />

von 10 Minuten in das Rück-VC-System<br />

zuzulassen. Hierfür wurde dem Betreiber<br />

im Sommer 1999 die Genehmigung erteilt.<br />

Die Inbetriebnahme der geänderten Anlage<br />

erfolgte dann ab dem 11. Februar 2000.<br />

Nachdem sich im Verlaufe des Jahres 2000<br />

der Erfolg der Maßnahme durch eine deutliche<br />

Reduzierung der VC-Emissionen auf<br />

521 kg/a (Minderung um 84 % gegenüber<br />

1998) zeigte (vergleiche Abbildung 2), nahm<br />

der Betreiber den zweiten Schritt in Angriff,<br />

die Änderung des Schaltpunktes der Sauerstoffüberwachung<br />

bei der E-PVC Herstellung.<br />

Nachdem zweifelsfrei feststand, dass die<br />

Sicherheit des Rück-VC-Systems weiterhin<br />

vollständig gewährleistet bleibt, auch wenn<br />

aus der S- und E-PVC Herstellung gleichzeitig<br />

Rück-VC mit erhöhtem Sauerstoffgehalt<br />

in das Rück-VC-System abgegeben wird,<br />

wurde dem Betreiber im Frühjahr 2001 die<br />

Genehmigung erteilt, den Schaltpunkt der<br />

Sauerstoffüberwachung der E-PVC-Herstellung<br />

von 2 Vol.-% auf 4,5 Vol.-% zu ändern<br />

und die VC-Abgabe mit Sauerstoffgehalten<br />

bis 4,5 Vol.-% für einen Zeitraum von 10<br />

Minuten in das Rück-VC-System zuzulassen.<br />

Die Inbetriebnahme erfolgte dann ab<br />

der 47. Kalenderwoche 2001. Wie aus den<br />

Abbildungen hervorgeht, hat diese Maßnahmenkombination<br />

einen durchschlagenden<br />

und dauerhaften Erfolg bei der Emissionsminimierung<br />

gebracht, da die VC-Emissionen<br />

aus den Entspannungen der Sicherheitsarmaturen<br />

in den Jahren 2004 und<br />

<strong>2005</strong> (Januar-September) sogar auf 0 kg/a<br />

gesenkt werden konnten.


Saurer Auswurf ???<br />

Joachim Peschke<br />

Auf der gesamten Terrasse und den Gartenmöbeln<br />

dicke Staubpartikel!! Und das schon<br />

über eine Woche, stellte im August <strong>2005</strong> ein<br />

Hausbesitzer in Datteln zu seiner Verärgerung<br />

fest. Dicker Staub kommt aus großen Industrieanlagen,<br />

weiß man ja, also wird wohl das<br />

Kohlekraftwerk Datteln in zirka 2 km Entfernung<br />

verantwortlich sein. Die Untersuchung<br />

auf dem Grundstück des Beschwerdeführers<br />

ergab dann ein deutliches Auftreten von<br />

Partikeln mit Durchmessern von zirka 2 bis<br />

5 mm mit erdartiger Färbung.<br />

Die Partikel ließen sich leicht zu Staub zerreiben.<br />

Die Einwirkung der Partikel am Immissionsort<br />

erfolgte nur auf Teilbereichen<br />

des Grundstückes, eine fl ächige oder größere<br />

Einwirkung im gesamten Wohngebiet zeigte<br />

sich nicht. Damit war die Einwirkung einer<br />

großen Quelle wie durch einen Kraftwerksschornstein,<br />

verursacht mit einer weiträumigen<br />

Verteilung, unwahrscheinlich. Auch bei<br />

weiteren Nachbarhäusern war ausschließlich<br />

auf der Gartenseite der Häuser ein ähnliches<br />

Auftreten von Staubpartikeln festzustellen.<br />

Direkt an die betroffene Wohnbebauung<br />

grenzten große Freifl ächen, ein ideales Ge-<br />

lände für einen ungestörten Lebensbereich<br />

von Insekten wie zum Beispiel Wespen,<br />

die dort ungestört ihre Erdnester entwickeln<br />

konnten. Die Wespen führen im Flug<br />

zum Nestbau unter anderem auch Materialien<br />

wie zum Beispiel Holz mit sich. Für den<br />

Bau von Erdnestern werden Erdklümpchen,<br />

die sie mit ihren Beißwerkzeugen und Speichel<br />

formen, im Flug abtransportiert. Eine<br />

Recherche im Internet brachte neben der<br />

Erkenntnis über zahlreiche Anfragen zu Aktivitäten<br />

von Wespen im Garten dann auch<br />

noch ein wunderschönes Foto der Wespen<br />

beim Nestbau zu Tage, die ein mutiger Amateur<br />

fotografi ert hatte. Die Aktivitäten der<br />

Wespen dauern je nach Witterung bis etwa<br />

Ende August, die Völker erreichen Stärken<br />

von 3.000 bis 10.000 Individuen, die<br />

mit einbrechender Kälte absterben. Dieser<br />

zeitliche Vorgang wurde dann auch von den<br />

Anwohnern beobachtet.<br />

Vergrößerung der Partikel um das 8fache Wespen transportieren Erdpartikel aus dem<br />

Flugloch des Erdnestes<br />

Luft und Lärm<br />

25<br />

Die Laboruntersuchung der erdähnlichen<br />

Partikel ergab dann auch eine sand- oder<br />

erdähnliche Zusammensetzung mit hohem<br />

Siliziumdioxidgehalt, wie sie bei Kraftwerksstäuben<br />

nicht vorzufi nden ist. Weitere Ein-<br />

Auswurf???<br />

fl üsse wie Abwehungen derartig großer Partikel<br />

durch gewerbliche Quellen oder Verkehrseinfl<br />

üsse waren außerdem auszuschließen,<br />

daher dann doch zur Beruhigung der<br />

Saurer<br />

Anwohner ein sauberer Auswurf !!!


Großfl ächiger Einzelhandel im Planverfahren<br />

Luft und Lärm<br />

26<br />

Großfl ächiger Einzelhandel<br />

im Planverfahren<br />

Michael Kemper<br />

Bei der Aufstellung der Bebauungspläne für<br />

Nahversorgungszentren kommt dem ausreichenden<br />

Immissionsschutz in der Nachbarschaft<br />

häufi g eine zentrale Bedeutung zu.<br />

Es gibt verschiedene Möglichkeiten die planungsrechtliche<br />

Grundlage für Nahversorgungszentren<br />

zu sichern.<br />

Kerngebiete (MK-Gebiet)<br />

Nach § 7 Absatz 1 der Baunutzungsverordnung<br />

(BauNVO) dienen Kerngebiete vorwiegend<br />

der Unterbringung von Handelsbetrieben<br />

sowie der zentralen Einrichtungen der<br />

Wirtschaft, der Verwaltung und der Kultur.<br />

Hieraus ergibt sich, dass in MK-Gebieten<br />

großfl ächige Einzelhandelsbetriebe allgemein<br />

zulässig sind. Die Ausweisung eines<br />

MK-Gebietes ist aus der Sicht des Immissionsschutzes<br />

unproblematisch. Die Immissionsprobleme<br />

werden im Zweifelsfall im konkreten<br />

Baugenehmigungsverfahren gelöst.<br />

Sonstige Sondergebiete<br />

Eine weitere Möglichkeit zur Ansiedlung von<br />

großfl ächigem Einzelhandel für ein Nahversorgungszentrum<br />

besteht in der Ausweisung<br />

von sonstigen Sondergebieten.<br />

Nach § 11 BauNVO sind solche Gebiete, die<br />

sich von den Baugebieten nach den §§ 2 bis<br />

10 BauNVO wesentlich unterscheiden, als<br />

sonstige Sondergebiete darzustellen und festzusetzen.<br />

Eine besondere Problematik bei der<br />

Ausweisung der Sondergebiete besteht darin,<br />

den Störcharakter des Sondergebietes darzustellen,<br />

um den Immissionsschutz in angrenzenden<br />

Wohnbereichen sicherzustellen.<br />

Als zulässige Immissionsschutzmaßnahmen<br />

können im Bebauungsplanverfahren Festsetzungen<br />

nach § 9 Absatz 1 Nummer 24 des<br />

Baugesetzbuches (BauGB) getroffen werden.<br />

Zu den in § 9 Absatz 1 Nummer 24 BauGB<br />

genannten Vorkehrungen zum Schutz gegen<br />

schädliche Umwelteinwirkungen zählen nur<br />

bauliche oder sonstige technische Maßnahmen,<br />

nicht aber Festsetzungen von Emissionswerten<br />

oder Immissionsgrenzwerten.<br />

So lassen sich zum Beispiel Pkw-Stellplätze<br />

im Bebauungsplan verbindlich ordnen oder<br />

die Errichtung von Lärmschutzwänden festschreiben,<br />

nicht aber immissionswirksame<br />

fl ächenbezogene Schallleistungspegel.<br />

Von einer abschließenden Konfl iktbewältigung<br />

im Bebauungsplanverfahren darf<br />

die Gemeinde Abstand nehmen, wenn die<br />

Durchführung der als notwendig erkannten<br />

Konfl iktlösungsmaßnahmen außerhalb des<br />

Planungsverfahrens auf der Stufe der Verwirklichung<br />

der Planung sichergestellt werden<br />

kann. Macht die Gemeinde Gebrauch<br />

von der „planerischen Zurückhaltung“,<br />

muss jedoch im Bebauungsplanverfahren<br />

bereits plausibel erkennbar sein, dass die<br />

Immissionsprobleme lösbar sein werden.<br />

Eventuell lassen die Arten der zulässigen<br />

Nutzungen in Analogie zu den gebietsbezogenen<br />

zulässigen Vorhaben der BauNVO mit<br />

den dort üblichen unbestimmten Rechtsbegriffen<br />

den ausreichenden Immissionsschutz<br />

plausibel erkennen. Die Plausibilitätsbetrach-


tung kann sich aber auch auf eine vorläufi<br />

ge Immissionsprognose beziehen, die die<br />

Gewährleistung des ausreichenden Immissionsschutzes<br />

spätestens im nachfolgenden<br />

Baugenehmigungsverfahren erkennen lässt.<br />

In diesen Fällen ist auf den § 15 Absatz 1<br />

BauNVO zu verweisen, der planungsrechtlich<br />

zulässige Vorhaben für unzulässig erklärt,<br />

wenn bei der Einzelfallprüfung im Baugenehmigungsverfahren<br />

der ausreichende Immissionsschutz<br />

nicht sichergestellt werden kann.<br />

Soll bei einer Angebotsplanung im Sondergebiet<br />

die immissionsschutzrechtliche Konfl<br />

iktbewältigung bereits im Bauleitplanverfahren<br />

verbindlich dargestellt werden, kann<br />

das durch eine gutachterliche Immissionsprognose<br />

unter worst-case-Bedingungen<br />

erfolgen. Das Problem ist die Darstellung<br />

der worst-case–Situation. Wenn zum Beispiel<br />

die Errichtung von Lebensmitteldiscountern<br />

der Anlass der Planung war, die<br />

Art der zulässigen Vorhaben aber auch den<br />

Getränkehandel nicht ausschließt, müssten<br />

die häufi geren Fahrzeugbewegungen eines<br />

Getränkehandels in die Prognose einfl ießen.<br />

In Sondergebieten sind Festsetzungen über<br />

besondere Bedürfnisse und Eigenschaften<br />

von Betrieben und Anlagen entsprechend<br />

§ 1 Absätze 4 bis 10 der BauNVO nicht<br />

möglich. Für Sondergebiete können daher<br />

nur Festsetzungen über die Art der Nutzung<br />

getroffen werden, nicht aber Gliederungen<br />

nach besonderen Eigenschaften der Betriebe<br />

oder Anlagen vorgenommen werden.<br />

Nach dem rechtskräftigen Urteil vom<br />

24. März <strong>2005</strong>, Aktenzeichen: - 8 S 595/04,<br />

des VGH Baden-Württemberg ist aber nicht<br />

erkennbar, weshalb immissionswirksame<br />

fl ächenbezogene Schallleistungspegel<br />

(IFSP) nicht auch für Sondergebiete sollten<br />

festgesetzt werden können. Nach der<br />

Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichtes,<br />

der der Senat folgt, kann der IFSP<br />

als Eigenschaft des Betriebes im Sinne von<br />

§ 1 Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 BauNVO<br />

festgesetzt werden, weil er sich auf das<br />

emittierende Betriebsgrundstück und somit<br />

auf das Emissionsverhalten eines Betriebes<br />

oder einer Anlage bezieht.<br />

Zwar ist § 1 Absatz 4 Satz 1 Nummer 2<br />

BauNVO auf Sondergebiete nicht anwendbar<br />

(§ 1 Absatz 3 Satz 3 BauNVO), aber gerade<br />

bei der Ausweisung von Sondergebieten<br />

bestehen besonders fl exible Festsetzungsmöglichkeiten.<br />

Die Gemeinde kann die Art<br />

der baulichen Nutzung gemäß § 11 Absatz 2<br />

Satz 1 BauNVO über die Möglichkeiten hinaus,<br />

die § 1 Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 und<br />

Absatz 9 BauNVO eröffnen, näher konkretisieren<br />

und zu diesem Zweck die Merkmale<br />

bestimmen, die ihr am besten geeignet<br />

erscheinen, um das von ihr verfolgte Planungsziel<br />

zu erreichen.<br />

Dazu zählt auch die Beschränkung des Emissionspotenzials<br />

von Betrieben mit dem Ziel,<br />

die Nutzungsart gebietsadäquat zu steuern.<br />

Als Instrument zur Beschränkung betrieblicher<br />

Emissionen können damit immissionswirksame<br />

fl ächenbezogene Schallleistungspegel<br />

auch bei der Ausweisung von Sondergebieten<br />

Anwendung fi nden.<br />

Die Festsetzung von immissionswirksamen<br />

fl ächenbezogenen Schalleistungspegeln<br />

genügt nur dann dem Bestimmtheitsgebot<br />

Luft und Lärm<br />

27


Vorhabenbezogener Bebauungsplan<br />

nach aktueller Rechtsprechung<br />

Luft und Lärm<br />

28<br />

sowie dem aus dem Abwägungsgebot<br />

folgenden Grundsatz planerischer Konfl iktbewältigung,<br />

wenn der Bebauungsplan klare<br />

Vorgaben für die in jedem Genehmigungsverfahren<br />

vorzunehmende Prüfung enthält,<br />

ob der vom Satzungsgeber bezweckte<br />

Lärmschutz mit Blick auf den konkret<br />

geplanten Betrieb und seine Umgebung<br />

auch tatsächlich erreicht wird.<br />

Dazu zählt etwa, dass der Bebauungsplan<br />

eindeutig bestimmt, welche Bezugsfl äche<br />

für die „Umrechnung“ der betrieblichen<br />

Schallleistung in den fl ächenbezogenen<br />

Schalleistungspegel zugrunde zu legen und<br />

nach welchem Regelwerk die Ausbreitung<br />

des betrieblichen Schalls nach den realen<br />

Verhältnissen zum Zeitpunkt der Genehmigung<br />

zu berechnen ist.<br />

Vorhabenbezogener<br />

Bebauungsplan<br />

Bildet ein vorhabenbezogener Bebauungsplan<br />

die planungsrechtliche Grundlage des<br />

Nahversorgungszentrums, kann sich die<br />

immissionsschutzrechtliche Bewertung auf<br />

das konkrete Bauvorhaben beziehen. Die<br />

notwendigen Immissionsschutzmaßnahmen<br />

können mit dem Bebauungsplan verbindlich<br />

und spezifi sch geregelt werden. In diesem<br />

Verfahren wird der Immissionsschutz<br />

abschließend abgeprüft und sichergestellt.<br />

Neben der Festsetzung von baulichen Maßnahmen<br />

können auch immissionswirksame<br />

fl ächenbezogene Schalleistungspegel festgesetzt<br />

werden. Mit dem vorhabenbezogenen<br />

Bebauungsplan nimmt man von einer<br />

Angebotsplanung Abstand und schränkt sich<br />

in der Art der Nutzung weitgehend ein.<br />

Vorhabenbezogener<br />

Bebauungsplan nach<br />

aktueller Rechtsprechung<br />

Jürgen Taplick<br />

Der vorhabenbezogene Bebauungsplan nach<br />

§ 12 Baugesetzbuch (BauGB) ist Gegenstand<br />

zahlreicher Gerichtsentscheidungen der jüngeren<br />

Zeit, die von erheblicher Bedeutung<br />

für die praktische Anwendung dieser Vorschrift<br />

sind. Der ‚normale’ Bebauungsplan<br />

gibt für jedermann bindend vor, welche bauliche<br />

Nutzungen im Geltungsbereich des Planes<br />

zulässig sind. Dabei wird die konkrete<br />

Umsetzung und Ausgestaltung der möglichen<br />

Bauvorhaben der Nachfrage überlassen.<br />

Der vorhabenenbezogene Bebauungsplan<br />

dient dem Vorhabenträger, die Realisierung<br />

konkreter Vorhaben innerhalb einer<br />

bestimmten Frist zu ermöglichen. Er ist<br />

durch eine spezifi sche Vorhabenbezogenheit<br />

gekennzeichnet. Da der Vorhabenträger<br />

sämtliche Kosten für Planung und Erschließung<br />

zu tragen hat, wurden in der Vergangenheit<br />

die Gemeinden dazu verleitet, den<br />

Erlass vorhabenbezogener Bebauungspläne<br />

unrechtmäßig auszudehnen.<br />

Die aktuelle Rechtsprechung trat dem deutlich<br />

entgegen. Das Bundesverwaltungsgericht<br />

hat zwar anerkannt, dass das im<br />

Durchführungsvertrag vereinbarte und im<br />

Vorhaben- und Erschließungsplan festgelegte<br />

Vorhaben eine gewisse Bandbreite von<br />

Nutzungsmöglichkeiten erfasst und somit<br />

dem Wunsch nach einem nicht allzu starren<br />

Rahmen Rechnung trägt. Es hat jedoch<br />

offen gelassen, wo die Grenzen einer der-


artig fl exiblen Planung mit dem Mittel des<br />

§ 12 BauGB liegen. Es hätte dieser Ausführung<br />

nicht bedurft, wenn der Begriff des<br />

Vorhabens im Sinne von § 12 BauGB mit<br />

dem in der Rechtsprechung eingehend geklärten<br />

Begriff des Vorhabens im Sinne der<br />

§§ 29 ff BauGB identisch wäre.<br />

Für gewerbliche Nutzungen empfi ehlt es sich,<br />

das Gewerbe konkret zu defi nieren. Falls aus<br />

Immissionsschutzgründen erforderlich, kann<br />

der Störgrad des Vorhabens festgelegt werden,<br />

zum Beispiel ‚nicht wesentlich störend’.<br />

Aber auch Baugebietskategorien, zum Beispiel<br />

Mischgebiet, können festgesetzt werden.<br />

Es kann sich als sinnvoll erweisen, bei<br />

gewerblichen Vorhaben die Genehmigungsbehörden<br />

bereits im Bebauungsplanverfahren<br />

mit einzubinden, um Anforderungen an<br />

einen Umweltbericht oder ein Gutachten<br />

aufeinander abzustimmen. So kann die Gesamtverfahrensdauer<br />

(Plan- und Genehmigungsverfahren)<br />

deutlich reduziert werden.<br />

Ein Beispiel aus der Praxis<br />

Im Süden von Recklinghausen plant eine<br />

Firma, ihren Mühlenbetrieb zu erweitern<br />

und die Produktionsleistung zu verdoppeln.<br />

Das Vorhaben wird nicht vom Geltungsbereich<br />

eines rechtskräftigen Bebauungsplanes<br />

erfasst. Nach § 34 BauGB ist das Antragsgrundstück<br />

als Industriegebiet zu beurteilen.<br />

Die geplanten baulichen Erweiterungen<br />

führen zu einer verdichteten Erscheinungsform<br />

am bebauten Standort.<br />

Im direkten Anschluss an das bestehende<br />

Mühlengebäude (39 m Höhe) soll<br />

das Getreidesilo mit Getreidewäscher<br />

(65 m Höhe) und das Mehlsilo (38 m Höhe)<br />

errichtet werden (siehe Bilder 1 und 2).<br />

Da insbesondere die Höhen der geplanten<br />

Gebäude zukünftig das Stadtbild prägen<br />

werden, hält die Stadt Recklinghausen eine<br />

verbindliche Planung für erforderlich. Hierzu<br />

erfolgt die Aufstellung eines Vorhaben- und<br />

Erschließungsplanes. Das Vorhaben selbst ist<br />

nach Nummer 7.21 Spalte 1 der 4. BImSchV<br />

genehmigungsbedürftig. Genehmigungsbehörde<br />

ist die Bezirksregierung.<br />

Enge Verzahnung<br />

Von Beginn an wurden Besprechungstermine<br />

gemeinsam mit der Stadtverwaltung,<br />

der Bezirksregierung und dem Staatlichen<br />

Umweltamt (<strong>StUA</strong>) <strong>Herten</strong> geführt. Hierbei<br />

wurde das Bebauungsplanverfahren und das<br />

anschließend folgende Genehmigungsverfahren<br />

nach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz<br />

(BImSchG) in Einklang gebracht. So<br />

konnte eine effektive Vorgehensweise erreicht<br />

werden, zum Beispiel bei der Erstellung<br />

von Gutachten oder Umweltberichten<br />

für beide Verfahren.<br />

Der Mühlenbetrieb kann den erforderlichen<br />

Abstand nach dem Abstandserlass nicht<br />

einhalten. Daher ist nur eine spezielle Ausführung<br />

der Betriebsart am Standort genehmigungsfähig.<br />

Es wurde für das Plangebiet<br />

ein immissionswirksamer fl ächenbezogener<br />

Ist-Zustand Plan-Zustand<br />

Luft und Lärm<br />

29


Containerdienst oder „Was bin ich?“<br />

Luft und Lärm<br />

30<br />

Schallleistungspegel festgesetzt, der an die<br />

Struktur des Betriebes angepasst ist und<br />

somit einen Anlagenbezug besitzt. Dies ermöglicht<br />

dem Betrieb, kleinere Änderungen<br />

durchzuführen, ohne den Bebauungsplan<br />

ändern zu müssen. Durch geschickte<br />

Planung konnte erreicht werden, dass trotz<br />

Verdoppelung der Betriebskapazität der<br />

Beurteilungspegel an den nächstgelegenen<br />

Nachbarwohnhäusern gesenkt wurde. Die<br />

hierzu erforderlichen und zu berücksichtigenden<br />

Maßnahmen konnten hervorragend<br />

mit dem Instrument des vorhabenbezogenen<br />

Bebauungsplanes festgesetzt werden.<br />

Containerdienst oder<br />

„WAS BIN ICH?“<br />

So nicht!<br />

Andreas Krause<br />

Viele von uns kennen noch die in den frühen<br />

70er Jahren im Fernsehen gesendete Berufsrateshow<br />

„Was bin ich?“ von und mit Robert<br />

Lemke. Mittlerweile fühle ich mich auch so,<br />

allerdings nicht als Quizmaster im Fernsehen,<br />

sondern im täglichen Arbeitsleben beim<br />

Staatlichen Umweltamt (<strong>StUA</strong>) <strong>Herten</strong>. Grund<br />

sind die „Containerdienste“, die seit dem<br />

letzten Jahr in meine Zuständigkeit fallen.<br />

Nachdem ich die Gewerbegruppe übernommen<br />

habe, habe ich erst einmal eine Bestandsaufnahme<br />

durchgeführt, ISA-Daten<br />

geprüft und geändert, alte Akten gelesen,<br />

neue Akten angelegt, Infos von Städten,<br />

Kreisen und Gemeinden eingeholt. Nach der<br />

ersten Auswertung ging es endlich mit den<br />

Antrittsbesuchen bei den Anlagenbetreibern<br />

los. Was erwartet mich? Wie werde ich angehört<br />

und aufgenommen? Läuft alles glatt,<br />

werde ich verstanden? Und was machen die<br />

Wachhunde auf dem Gelände? Alles Fragen,<br />

auf die ich mir Antworten erhoffte.<br />

Ich wurde überall freundlich empfangen,<br />

Hunde haben mich auch nicht gebissen. Für<br />

einige der Anlagenbetreiber waren die<br />

Fachbegriffe wie Bundesimmissionsschutzgesetz<br />

(BImSchG), Genehmigung nach dem<br />

BImSchG, Verordnung zum Umgang mit<br />

Wasser gefährdenden Stoffen (VAwS) nur<br />

„Böhmische Dörfer“, aber ich hatte es mit<br />

vielen verständnisvollen Anlagenbetreibern<br />

zu tun, die sich gerne von mir über den<br />

„Stand der Technik“ informieren ließen, in<br />

ihre Anlagen investieren wollten und dieses<br />

auch schon getan haben.<br />

Fast alle Anlagenbetreiber lagerten, behandelten<br />

oder sortierten verschiedene Abfallarten<br />

auf ihrem Grundstück. Der Höhepunkt<br />

lag vor, wenn einige Anlagenbetreiber ihren<br />

Betrieb ohne jegliche Genehmigung seit<br />

vielen Jahren völlig illegal betrieben haben<br />

und sich nicht einsichtig zeigten. Da habe<br />

ich halt die „Keule“ raus geholt. Aber das<br />

waren erfreulicherweise nur wenige Einzelfälle.<br />

Nachdem ich die Anlagenbetreiber der<br />

nicht ordnungsgemäß genehmigten Betriebe<br />

überzeugen konnte, dass sie Ihre Anlagen


nach dem BImSchG beziehungsweise nach<br />

dem Baurecht genehmigen lassen müssen,<br />

und dass dieses natürlich auch mit Investitionen<br />

und Kosten verbunden ist, ging es<br />

darum, die Genehmigungsanträge in „trockene<br />

Tücher“ zu bringen und nach Erteilung<br />

der Genehmigungen die Aufl agen und<br />

Nebenbestimmungen von den Anlagenbetreibern<br />

umsetzen zu lassen.<br />

So wurden in den vergangenen Monaten<br />

acht Genehmigungen beziehungsweise Änderungsgenehmigungen<br />

nach dem BImSchG<br />

erteilt, bei zwei Betrieben wurde ein Baugenehmigungsverfahren<br />

durchgeführt, ein Betrieb<br />

musste Insolvenz anmelden und bei<br />

zwei Betrieben wird wegen unhaltbarer Zustände<br />

die Schließung und Beseitigung angestrebt.<br />

Und nun zur oben gestellten Frage<br />

„Was bin ich?“ Einen reinen Containerdienst,<br />

im Sinne von „Transport der leeren Container<br />

vom Stellplatz der Anlage bis zum Stellplatz<br />

des Kunden und anschließendem Transport<br />

der gefüllten Container zur Deponie oder<br />

Verbrennungsanlage“, gibt es fast gar nicht<br />

mehr. Ich habe dies nur in 7 von 35 Fällen<br />

tatsächlich angetroffen. Vielmehr geht der<br />

Betrieb in eine Anlage zur Abfalllagerung mit<br />

Sortierung und Behandlung über.<br />

Fazit :<br />

Containerdienst<br />

=<br />

Abfallbehandlungsanlage<br />

Kalibrierung von Messgeräten<br />

zur kontinuierlichen<br />

Emissionsüberwachung<br />

Klaus Kalkowski<br />

Der Dienstbezirk des Staatlichen Umweltamtes<br />

(<strong>StUA</strong>) <strong>Herten</strong> umfasst neben dem<br />

landwirtschaftlich genutzten Bereich des<br />

Münsterlandes auch industrielle Ballungsräume<br />

im nördlichen Ruhrgebiet. Durch<br />

diese Strukturierung des Dienstbezirkes mit<br />

einer Vielzahl von Kraftwerken, Abfallbehandlungsanlagen<br />

sowie Anlagen der Chemie-<br />

und Metallindustrie liegen zirka 20 %<br />

der mit kontinuierlicher Emissionsmesstechnik<br />

auszurüstenden Anlagen von Nordrhein-Westfalen<br />

im Bereich des <strong>StUA</strong> <strong>Herten</strong>.<br />

Zur Emissionsüberwachung werden dabei<br />

rund 300 Konzentrationsmessgeräte und<br />

zirka 40 Rauchdichtemessgeräte eingesetzt.<br />

Zusätzlich werden weitere Messgeräte für<br />

die Messung der Rußzahl bei Heizöl EL-Feuerungen<br />

sowie im Bereich der 2. Bundes-Immissionsschutz-Verordnung<br />

(BImSchV) eingesetzt.<br />

Die Grundlagen für den Einbau und<br />

die Kalibrierung dieser Geräte sind in verschiedenen<br />

gesetzlichen Vorschriften zum<br />

Immissionsschutz enthalten.<br />

Alle gesetzlichen Regelungen sind jedoch<br />

sehr allgemein gehalten und geben kaum<br />

Hinweise auf die praktische Durchführung<br />

der Kalibrierung. Auch andere verwaltungsrechtlich<br />

zu beachtenden Vorschriften wie<br />

zum Beispiel die Technische Anleitung (TA)<br />

Luft oder die Verwaltungsvorschriften zum<br />

Bundes-Immissionsschutzgesetz (BImSchG)<br />

weisen nur wenige konkrete Vorgaben auf.<br />

Luft und Lärm<br />

31<br />

Kalibrierung von Messgeräten<br />

zur kontinuierlichen Emissionsüberwachung


Luft und Lärm<br />

32<br />

Messtechnische und formale Anforderungen<br />

für die Durchführung der Kalibrierung sind<br />

in den Blättern „Verein Deutscher Ingenieure<br />

(VDI) -Richtlinie“ Nummer 3950 „Kalibrierung<br />

automatischer Emissionsmesseinrichtungen“<br />

und VDI 4200 „Durchführung von<br />

Emissionsmessungen an geführten Quellen“<br />

enthalten. Die VDI 3950 verweist dabei in<br />

Ziffer 1 unter anderem auf die zwischenzeitlich<br />

aufgehobene „Richtlinie über die<br />

Eignungsprüfung, den Einbau und die Wartung<br />

von kontinuierlichen Emissionsmessungen<br />

vom 01. März 1990“, in welcher die<br />

entsprechenden Referenzmessverfahren<br />

aufgeführt sind. Die zurzeit gültige Richtlinie<br />

vom 13. Juni <strong>2005</strong> gibt zu dieser Frage<br />

jedoch keine Hinweise.<br />

Aktuelle Beispiele für geeignete Messverfahren<br />

sind im Anhang 6 der TA Luft 2002<br />

aufgeführt. In der Ziffer 5.3.5 wird jedoch<br />

unter bestimmten Bedingungen auch der<br />

Einsatz anderer Messverfahren zugelassen.<br />

In der 17. BImSchV wird im Anhang III diese<br />

Ausweitung auf andere Messverfahren<br />

ebenfalls konsequent weitergeführt. Im<br />

Rahmen der europäischen Harmonisierung<br />

der Vorschriften ist die DIN EN 14181 im<br />

September 2004 für den Bereich der Großfeuerungsanlagen<br />

und Anlagen zur Verbrennung<br />

von Abfällen (17. BImSchV) in Kraft<br />

getreten. Mit Inkrafttreten der Vorschrift<br />

ist gegenüber der VDI 3950 eine deutliche<br />

Erhöhung des Aufwandes für die Durchführung<br />

der Kalibrierungen und Funktionsprüfungen<br />

verbunden, welche jedoch auch eine<br />

Verbesserung der Qualität mit sich bringt.<br />

Bei der Kalibrierung von Staubmessgeräten<br />

ist als Besonderheit der Einsatzbereich zu<br />

beachten. Bei den Staubmessgeräten, die<br />

über das BImSchG in Verbindung mit der<br />

TA-Luft einzusetzen sind, wird in Abhängigkeit<br />

von dem zu überwachenden Emissionsmassenstrom<br />

entweder<br />

• die qualitative Überwachung –<br />

Emissionsmassenstrom zwischen<br />

1-3 kg/h – oder<br />

• die quantitative Überwachung –<br />

Emissionsmassenstrom > 3 kg/h<br />

gefordert.<br />

Beim Einsatz von Messgeräten für eine ausschließlich<br />

qualitative Überwachung wird in<br />

Ziffer 19.2.3 der VV zum BImSchG darauf<br />

hingewiesen, dass bei diesen Geräten eine<br />

Kalibrierung nicht möglich ist und eine Justierung<br />

durch das zu beteiligende Messinstitut<br />

zu erfolgen hat. Eine weitergehende<br />

Erläuterung erfolgt nicht. Die Defi nition nach<br />

VDI 3950 Ziffer 2.4 - Justierhilfen - ist hier<br />

für den Begriff der Justierung wenig hilfreich.<br />

In der Vergangenheit wurden für diese<br />

Überwachungsaufgabe Rauchdichtemessgeräte<br />

an unterschiedlichen Anlagen vorgefunden,<br />

bei denen ein „Grenzwert“ nach<br />

dem Runderlass des Ministeriums für Arbeit,<br />

Gesundheit und Soziales (MAGS) vom<br />

20. Oktober 1976 als Grundlage angegeben<br />

war. Für die praktische Überwachung<br />

ist dieser Grenzwert in der Regel unbrauchbar,<br />

da er sich nur auf die Rauchdichte von<br />

Schwerölfeuerungen bezieht. Die von Herstellerseite<br />

angegebenen Emissionsfaktoren<br />

für verschiedene Einsatzfälle dienen ebenfalls<br />

nur als Anhaltspunkte.


In der Praxis hat sich bewährt, die Messgeräteanzeigen<br />

durch Vergleichsmessungen<br />

beim Normalbetrieb beziehungsweise bei einem<br />

Betrieb mit verschlechterter Abscheideleistung<br />

der Filteranlage zu beurteilen.<br />

Je nach Ergebnis ist in Abstimmung mit<br />

dem Sachverständigen und dem Betreiber<br />

die individuelle Festlegung eines Alarmpunktes<br />

möglich, der auf eine Störung der<br />

Filteranlage hinweist. Diese Vorgehensweise<br />

entspricht damit den Anforderungen der<br />

Ziffer 5.3.3.2 der TA Luft, welche die Überwachung<br />

der Funktionsfähigkeit der Abgasreinigungsanlage<br />

und die Einhaltung des<br />

Grenzwertes fordert.<br />

Die ersten Schritte für eine Kalibrierung<br />

können bereits in der Genehmigung geregelt<br />

werden. Hierbei werden die baulichen<br />

Anforderungen an die Mess- und Probenahmestellen<br />

festgelegt. Sinnvollerweise sollte<br />

dies unter Beteiligung der Sachverständigen<br />

und der Überwachungsbehörde geschehen.<br />

Welche Regelungsdichte gewählt wird, hängt<br />

vom jeweiligen Einzelfall ab.<br />

Im weiteren Verlauf empfi ehlt es sich, vor<br />

der Durchführung der Kalibrierung ein Vorgespräch<br />

mit dem Betreiber und Sachverständigen<br />

zu führen, in dem messtechnische<br />

und organisatorische Vorgaben festgelegt<br />

werden. Nach Durchführung der Arbeiten<br />

sind die Messberichte entsprechend den<br />

gesetzlichen Fristen vorzulegen. Diese Termine<br />

werden häufi g jedoch nicht eingehalten.<br />

Die vorgelegten Kalibrierberichte beziehungsweise<br />

die Teilnahme an Kalibrierungsmessungen<br />

haben zu den unterschiedlichsten<br />

Beanstandungen geführt.<br />

So wurden bei der Überprüfung der Kalibriermessungen<br />

vor Ort Abweichungen von<br />

der VDI 2066 beziehungsweise 4200 in Bezug<br />

auf Netzmessungen, Mängel an Messplätzen<br />

oder eine Verkürzung der Probenahmezeiten<br />

festgestellt. Weiterhin wurden<br />

Abweichungen von den speziellen Probenahmevorschriften<br />

beanstandet. Bei der Prüfung<br />

der Berichte wurde festgestellt, dass<br />

diese oftmals unvollständig waren. So fehlten<br />

zum Beispiel Angaben zum Toleranzoder<br />

Vertrauensbereich oder Messwertaufstellungen.<br />

Die Anzahl der durchgeführten<br />

Einzelmessungen lag zum Teil deutlich<br />

unter der vorgeschriebenen Mindestzahl von<br />

15. Plausibilitätsbetrachtungen wurden auch<br />

bei gravierenden Abweichungen zur bislang<br />

gültigen Kalibrierkurve nicht vorgenommen.<br />

Um Unstimmigkeiten beziehungsweise Abweichungen<br />

von den zuvor genannten Vorschriften<br />

künftig zu vermeiden, wurde dazu<br />

übergegangen, für besonders relevante<br />

Anlagen verbindliche Messpläne in Zusammenarbeit<br />

mit Betreibern und Sachverständigen<br />

zu vereinbaren.<br />

Diese bereits in der Vergangenheit übliche<br />

Vorgehensweise wird durch die Ziffer<br />

5.3.2.2. „Messplanung“ der TA Luft 2002<br />

bestätigt, da hier die Behörde auf eine verbindliche<br />

Grundlage für eine entsprechende<br />

Forderung zurückgreifen kann. Neben einer<br />

Überarbeitung der Berichte haben die vorgenannten<br />

Mängel in Einzelfällen auch zur<br />

Wiederholung von Kalibrierungen geführt.<br />

Zusätzlich wurde das Landesumweltamt<br />

als Vertreter der Zulassungsstelle für die<br />

Bekanntgabe von Sachverständigen über<br />

die Beanstandungen informiert.<br />

Luft und Lärm<br />

33


Biowäscher auch in landwirtschaftlichen Familienbetrieben<br />

Luft und Lärm<br />

34<br />

Biowäscher auch in<br />

landwirtschaftlichen<br />

Familienbetrieben<br />

Rolf Rütter<br />

Mit Erfolg werden die ersten Biowäscher im<br />

Dienstbezirk des Staatlichen Umweltamtes<br />

(<strong>StUA</strong>) <strong>Herten</strong> auch in Tierhaltungsanlagen<br />

landwirtschaftlicher Familienbetriebe eingesetzt.<br />

Nach anfänglichem Zögern konnte<br />

zum Beispiel der Betreiber einer expandierenden<br />

Mastschweineanlage davon überzeugt<br />

werden, dass nicht der Biofi lter, sondern<br />

der Biowäscher das geeignetere System<br />

für seinen Betrieb darstellt.<br />

Nach mehr als einem Jahr Betriebserfahrung<br />

mit dem zertifi zierten Biowäscher ist<br />

er dank hoher Betriebssicherheit und hoher<br />

Reinigungsleistung bei geringem persönlichen<br />

Arbeitsaufwand von dieser Technik<br />

so überzeugt, dass der nächste Stall mit<br />

gleicher Abluftbehandlungsanlage bereits<br />

in Planung ist.<br />

Entwicklung der<br />

Abluftbehandlung in der<br />

Landwirtschaft<br />

Seit dem Beginn der Stadtfl ucht in den<br />

80er Jahren sehen sich nicht wenige landwirtschaftliche<br />

Tierhaltungsbetriebe mit<br />

heranrückenden Neubaugebieten konfrontiert.<br />

Gleichzeitig sehen die Landwirte ihr<br />

wirtschaftliches Überleben in der Intensivierung<br />

der Tierhaltung. Um eine verträgliche<br />

Nachbarschaft zu ermöglichen, wurde nach<br />

vermeintlich einfachen und kostengünstigen<br />

Möglichkeiten gesucht, um die Geruchsbelastungen<br />

in der Wohnnachbarschaft auf ein<br />

verträgliches Maß zu beschränken. Wenn<br />

die Erhöhung der Abluftkamine nicht mehr<br />

zur Lösung des Problems ausreicht oder<br />

aus statischen oder betriebswirtschaftlichen<br />

Gründen ausscheidet, bleibt nur noch die<br />

Behandlung der Abluft.<br />

In der Vergangenheit wurden hierzu in der<br />

Regel Biofi lter (Flächenfi lter) eingesetzt. Die<br />

Investitionskosten halten sich dank möglicher<br />

Eigenleistung bei der Errichtung im<br />

Rahmen. Um die Bakterien bei Laune zu<br />

halten, damit sie die Geruchsstoffe ordentlich<br />

verzehren, muss nur die Wurzelholzschüttung<br />

feucht und luftdurchlässig gehalten<br />

werden. Die Nahrung für die kleinen<br />

Helfer bringt die Stallabluft gleich selber<br />

mit. Preiswert und einfach - so scheint es.<br />

Aber wie gut und zuverlässig ist diese<br />

Technik?<br />

Es stellte sich bald heraus, dass ein Biofi lter<br />

gut beobachtet, kontrolliert, gewartet und<br />

regelmäßig gepfl egt werden muss, damit er<br />

seine Funktionsfähigkeit behält.<br />

Dazu gibt es Einsatzgebiete, in denen die<br />

Stallabluft aufgrund ihres Staubgehaltes<br />

die Prozessstabilität stark beeinträchtigt<br />

und den Wartungsaufwand erheblich erhöht<br />

(zum Beispiel Gefl ügelhaltung). Der Staubgehalt<br />

in der Abluft von Schweinehaltungen<br />

ist hierbei auch nicht zu unterschätzen.<br />

Zu schnell verstopft der Biofi lter und verliert<br />

so seine Wirkung.<br />

Als Weiterentwicklung wurde in den so genannten<br />

Kombianlagen dem Biofi lter ein<br />

Wäscher vorgeschaltet. Hierbei wird die Abluft<br />

aus dem Stall vor Eintritt in das Biobeet


durch eine fein verstäubte Wasserwand geleitet.<br />

Die Aerosole binden die Staubpartikel<br />

in der Abluft und waschen diese aus. Im<br />

Ergebnis führt dies zu einer deutlichen Entlastung<br />

des Biofi lters und damit zu stabileren<br />

Betriebsbedingungen und längeren<br />

Standzeiten. Allerdings steht damit immer<br />

noch eine Anlagentechnik zur Verfügung, die<br />

einer intensiven Betreuung und Pfl ege durch<br />

den Landwirt bedarf.<br />

Angesichts eines großen Beckens, gefüllt<br />

mit einem großen Haufen Wurzelholz, durch<br />

den die Stallabluft von unten eingeleitet<br />

wird, bildet sich nur schwer ein Bewusstsein<br />

dafür, dass in dem Biofi lter, kaum sichtbar,<br />

kleinste Lebewesen arbeiten, um den<br />

Geruch aus der Stallabluft zu entfernen.<br />

Empfi ndliche Bakterien, denen zu jeder Zeit<br />

ein bestimmtes, eng umgrenztes Milieu aus<br />

Temperatur, pH-Wert, Feuchtigkeit und Nahrung<br />

angeboten werden muss, damit sie ihre<br />

Arbeit ausreichend gut verrichten können.<br />

Eine deutlich höhere Prozessstabilität durch<br />

Automatisierung bieten da Biowäscher.<br />

Diese Anlagen sind zudem kleiner und kompakter<br />

gebaut als die Biofi lter. Sie werden in<br />

Modulbauweise angeboten, mit Wartungsverträgen<br />

und günstigstenfalls sogar online<br />

vom Hersteller kontrolliert und gefahren. Bei<br />

größeren Anlagen und neu zu errichtenden<br />

Ställen können sie baulich in den Stall integriert<br />

werden und verbrauchen nur wenig<br />

wertvolle Flächenressourcen.<br />

Der zertifi zierte Biowäscher<br />

Die höchsten Reinigungsleistungen bei den<br />

stabilsten Betriebsbedingungen versprechen<br />

hierbei die so genannten zertifi zierten Bio-<br />

wäscher. Dies sind Biowäscher, deren Leistungsfähigkeit<br />

im dokumentierten Betrieb<br />

messtechnisch nachgewiesen wurde. In den<br />

Niederlanden werden diese Anlagen mit<br />

dem so genannten Groen Label zertifi ziert.<br />

Dieses Zertifi kat bezieht sich auf die Konstruktion,<br />

die Bemessung, die Vorhaltung<br />

von Kontrolleinrichtungen (Messgeräte),<br />

regelmäßige Probenahmen, regelmäßige<br />

Wartungen, Beratungsverpfl ichtungen und<br />

nicht zuletzt spezifi zierte Rahmenbedingungen<br />

für die angeschlossene Tierhaltung.<br />

Unter diesen Rahmenbedingungen werden<br />

den zertifi zierten Anlagen konkrete Reinigungsleistungen<br />

zuerkannt.<br />

Vergleichende Untersuchungen haben gezeigt,<br />

dass zertifi zierte Biowäscher die<br />

höchsten Reinigungsleistungen und die<br />

höchste betriebliche Sicherheit gewährleisten.<br />

Insbesondere wenn der Landwirt bei<br />

der Wartung, Pfl ege und Kontrolle des Biowäschers<br />

durch die Fachkunde des Herstellers<br />

unterstützt wird, indem zum Beispiel der<br />

Biowäscher (im Rahmen der vertraglichen<br />

Vereinbarung) über das Internet online vom<br />

Hersteller kontrolliert und gefahren wird.<br />

Durch die Zugabe von Säure, die über eine<br />

Dosierpumpe dem Waschwasser in Abhängigkeit<br />

vom pH-Wert zugegeben wird, lassen<br />

sich die Reinigungsleistung und Verfahrensstabilität<br />

weiter steigern. Ebenso hat sich<br />

gezeigt, dass mit der Erhöhung der Waschwasserumlaufmenge<br />

eine deutliche Stabilisierung<br />

des Reinigungsprozesses gewährleistet<br />

wird. Höhere Betriebssicherheit und<br />

höhere Reinigungsleistung bei geringerem<br />

persönlichen Arbeitsaufwand für den Betreiber<br />

sprechen für diese Anlagentechnik.<br />

Luft und Lärm<br />

35


Luft und Lärm<br />

36<br />

Was kostet ein Biowäscher und<br />

was bringt er?<br />

Bezogen auf Schweinemastbetriebe lässt sich<br />

der Vergleich aufgrund vorliegender Messberichte<br />

aus der Praxis wie folgt darstellen:<br />

• Biofi lter haben als Flächenfi lter einen<br />

sehr großen Platzbedarf und erreichen<br />

in Abhängigkeit von der Fahrweise und<br />

Betreuung stark schwankende Reinigungsleistungen,<br />

die zwischen 50 bis<br />

90 % für Geruch und 60 bis 80 % für<br />

Ammoniak ermittelt wurden. Die Kosten<br />

belaufen sich etwa auf 3,00 € pro<br />

erzeugtem Schwein.<br />

• Kombianlagen können auch als Modulanlagen<br />

mit deutlich geringerem<br />

Flächenbedarf errichtet werden. Deren<br />

Reinigungsleistung liegt bezüglich der<br />

Geruchsreduzierung bei 50 bis 70 %,<br />

Gleiches gilt für die Ammoniakreduzierung.<br />

Die Kosten bewegen sich etwa bei<br />

5,00 € pro erzeugtem Schwein.<br />

• Biowäscher weisen bei geringem<br />

Flächenbedarf aufgrund der Automatisierung<br />

eine relativ konstante Reinigungsleistung<br />

von 70 % sowohl für<br />

die Geruchs- als auch die Ammoniakreduzierung<br />

auf. Die Kosten liegen bei<br />

etwa 4,00 € bis 5,00 € pro erzeugtem<br />

Schwein. Höhere Reinigungsleistungen<br />

können je nach Zertifi zierung des Biowäschers<br />

unterstellt werden. Beim Einsatz<br />

von Säure liegen diese bei bis zu 95 %.<br />

Bei den dargestellten Kosten handelt es sich<br />

um mittlere Werte, die Betriebs- und Investitionskosten<br />

beinhalten. Wesentlicher Bestandteil<br />

der Betriebskosten sind die Energiekos-<br />

ten, die bei der Zuführung der Stallabluft in<br />

die Abluftbehandlungsanlage über Ventilatoren<br />

anfallen. Hier hat sich im oben genannten<br />

Beispielfall gezeigt, dass insbesondere bei<br />

der Integration der Behandlungsanlage in den<br />

Stall, mit kurzen Leitungswegen und günstigen<br />

Luftdruckverhältnissen im Stall, diese<br />

Kosten deutlich reduziert werden können.<br />

Warum einen Biowäscher?<br />

Wegen der höheren Betriebssicherheit kann<br />

dem Biowäscher, insbesondere dem zertifi -<br />

zierten Biowäscher, im Rahmen der Genehmigungsverfahren<br />

eine höhere Reinigungsleistung<br />

(zum Beispiel entsprechend der<br />

Zertifi zierung) zuerkannt werden. Im Genehmigungsverfahren<br />

nach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz<br />

(BImSchG) ist der Vorsorgegedanken<br />

zu berücksichtigen und somit<br />

grundsätzlich ein pessimaler Prüfungsansatz<br />

(hier Berücksichtigung der geringsten, sicher<br />

einzuhaltenden Reinigungsleistung) verlangt.<br />

Beim Einsatz eines Biowäschers kann im<br />

Vergleich der beschriebenen Anlagentechniken<br />

eine deutlich höhere Reinigungsleistung<br />

anerkannt werden.<br />

Für den Betreiber bedeutet dies, dass bei<br />

gleicher immissionsschutzrechtlicher Ausgangssituation<br />

vor allem der Einsatz eines<br />

zertifi zierten Biowäschers ein deutliches<br />

Mehr an Tierplätzen bedeuten kann. Die<br />

Mehrkosten des Biowäschers gegenüber<br />

einem Biofi lter lassen sich leicht gegen den<br />

möglichen Erlös durch eine Erhöhung der<br />

Tierplätze aufrechnen. Der Einsatz von Biowäschern<br />

in der Intensivtierhaltung ist eine<br />

betriebswirtschaftlich sinnvolle Investition,<br />

um auch in Konfl iktlagen eine betriebliche<br />

Weiterentwicklung zu ermöglichen.


Vorspiel & Zusammenspiel<br />

Annegret Neuß und Reinhard Sander<br />

Die Erkenntnis, dass „ein gutes Vorspiel“<br />

Kosten und Ärger reduziert, gewinnt eine<br />

immer größere Bedeutung bei der Bewältigung<br />

unserer Aufgaben, dies gilt in starkem<br />

Maße bei Genehmigungsverfahren und deren<br />

Vorbereitung. Nicht nur der Umweltschutz,<br />

sondern insbesondere die Kundenzufriedenheit<br />

und Bearbeitungsdauer von Genehmigungsverfahren<br />

sowie der Aufwand und die<br />

Dauer der Bearbeitung von Beschwerden<br />

aus der Nachbarschaft profi tieren von einem<br />

guten Vor- & Zusammenspiel.<br />

Dem gegenseitigen Kennenlernen, dem Ausloten<br />

von Empfi ndlichkeiten, dem Aufspüren<br />

von Interessengegensätzen und dem Herstellen<br />

einer sachlichen Gesprächsatmosphäre<br />

kommt dabei ein besonderer Stellenwert<br />

zu. So kann bereits im Vorfeld der Planungen<br />

und Antragstellung das Staatliche<br />

Umweltamt (<strong>StUA</strong>) frühzeitig darauf hinweisen,<br />

dass der Immissionsschutz erfahrungsgemäß<br />

eine Vielzahl organisatorischer<br />

und technischer Maßnahmen zur Einhaltung<br />

der Rechtsvorschriften erfordert. Dazu müssen<br />

sich die Beteiligten zu Vorbesprechungen<br />

frühzeitig treffen, um die notwendigen<br />

Verfahrensweisen, die bei unserer hohen<br />

Regelungsdichte nicht auszuschließen sind,<br />

zu minimieren; dadurch lassen sich Interessenkonfl<br />

ikte vermeiden beziehungsweise so<br />

kann man ihnen vorbeugen:<br />

Die gemeinsame Erarbeitung einer<br />

Lösung durch und für alle Beteiligten<br />

ist äußerst förderlich.<br />

Unsere Moderationsfreude im Interesse der<br />

Sache wird unter anderem an folgenden<br />

Beispielen deutlich:<br />

Ausnahmegenehmigung für je 36-h<br />

Betonierschichten:<br />

Vor Weihnachten waren direkt neben einem<br />

ausgelastetem Hotel lärmintensive Betonierschichten<br />

erforderlich. Witterungs- und<br />

konstruktionsbedingt gab es keine Alternative<br />

zur Fertigstellung. Hier standen sowohl<br />

die Auseinandersetzung mit der Technik und<br />

deren Zeitabläufen sowie der intensive Kontakt<br />

mit der Nachbarschaft und den betroffenen<br />

Anliegern im Mittelpunkt.<br />

Durch die Zusammenarbeit und Begleitung<br />

des Projektes durch das <strong>StUA</strong> <strong>Herten</strong> konnte<br />

im Laufe der Bauphasen eine gegenseitige<br />

Rücksichtnahme beider Parteien erreicht<br />

werden und das Projekt über den Jahreswechsel<br />

in mehreren Betonierabschnitten<br />

ohne offene Konfl ikte abgeschlossen werden.<br />

Rammarbeiten auf der Dienstgrenze:<br />

Das Medienereignis – „Dortmund-Ems-Kanal<br />

leergelaufen“ – und die daraus resultierenden<br />

Folgen erforderten schnelles Handeln und<br />

Abstimmungsprozesse zwischen den Staatlichen<br />

Umweltämtern <strong>Herten</strong> und Münster.<br />

In fernmündlicher Absprache mit dem Nachbaramt<br />

nahmen wir umgehend den Besprechungstermin<br />

wahr und entschieden<br />

sofort auf der Baustelle die weitere Verfahrensweise<br />

mit dem Ziel möglichst schneller<br />

Hilfe. Innerhalb von Stunden fi el die<br />

Entscheidung für die Genehmigung, die<br />

mit Bedingungen und Aufl agen für die unumgänglichen<br />

Rammarbeiten rund um die<br />

Luft und Lärm<br />

37<br />

Vorspiel & Zusammenspiel


Luft und Lärm<br />

38<br />

Uhr verknüpft war. Wegen des guten Baufortschrittes<br />

konnte das <strong>StUA</strong> bereits zur<br />

Mitte der erteilten Ausnahmegenehmigungsdauer<br />

die ausführende Firma zu einem Verzicht<br />

der Rammung an den Wochenenden<br />

überzeugen. Dies wurde von Seiten der Bevölkerung<br />

positiv aufgenommen.<br />

Sprengung des Goliath – wie ein<br />

Hochhaus in der Marler Innenstadt im<br />

Volksmund genannt wird:<br />

Hier bedurfte es kurzer Wege, da sich ansonsten<br />

das ganze Projekt um ein Jahr verzögert<br />

hätte. Intensive Beratung und Abstimmung<br />

der erforderlichen Belange für den Umweltschutz<br />

waren nötig. Um Zeit zu gewinnen,<br />

trafen sich die technischen Fachbehörden<br />

bisher separat und bereiteten den komplexen<br />

Sanierungsprozess zur termingerechten<br />

Sprengung vor. Der Goliath bestand aus<br />

216 Wohneinheiten (46.200 m³ umbauter<br />

Raum) und einem Parkhaus als Tiefgarage<br />

(12.800 m³ umbauter Raum), bei dem unter<br />

anderem Asbest innen wie außen von allen<br />

Gewerken des Baugewerbes eingebaut waren.<br />

Auch bei diesem, von der Größenordnung<br />

her bisher einmaligen Vorhaben, hatte das<br />

<strong>StUA</strong> <strong>Herten</strong> keine Probleme vorausschauend,<br />

sachgerecht und zeitnah zu handeln.<br />

Bereits im Vorfeld der Beratungen hatte das<br />

<strong>StUA</strong> klare Vorstellungen für einen praxisorientierten<br />

Rückbau. Die bisherigen Erfahrungen<br />

ergänzten sich mit den Vorstellungen<br />

der anderen technischen Fachbehörden und<br />

führten zu einem schnellen Konsens.<br />

Unsere Erfahrungen zeigen, dass dank der<br />

intensiven Einbindung und des gelungenen<br />

Vorspiels die beispielhaft genannten Vorhaben<br />

in aller Regel – auch in Verbindung mit<br />

Ausnahmegenehmigungen – zur Zufriedenheit<br />

der Nachbarschaft und aller sonstigen<br />

Beteiligten erfolgreich zu Ende geführt werden<br />

konnten. So kann ein optimales „Vorspiel<br />

& Zusammenspiel“ auch dazu beitragen,<br />

dass die technischen Fachbehörden<br />

von den Nachbarn, den Betriebern oder der<br />

Öffentlichkeit nicht den „Schwarzen Peter“<br />

zugeschoben bekommen.<br />

Betonierarbeiten<br />

Rammarbeiten<br />

Der „Goliath“


Der Beginn eines neuen<br />

Müllzeitalters:<br />

Entsorgungs“notstand“<br />

nach dem 31.05.<strong>2005</strong><br />

Jörg Decher<br />

Bereits 1994 war eigentlich alles klar. Die<br />

Technische Anleitung Siedlungsabfall (TASI)<br />

schrieb vor, dass Abfälle nicht mehr ohne<br />

eine Vorbehandlung auf die Deponie dürfen.<br />

Alle organischen Anteile in den Abfällen müssen<br />

vorher durch Verbrennen oder sonstige<br />

Verfahren eliminiert, besser inertisiert, werden.<br />

So weit so gut und eigentlich eindeutig.<br />

Es folgten Übergangsfristen und Aufschübe<br />

durch politische und sonstige Initiativen.<br />

Die Deponien durften weiterhin fast alles<br />

schlucken, und es war ja auch so billig, alles<br />

einfach auf den großen Haufen zu schütten.<br />

Doch dann war „plötzlich Schluss mit lustig“!<br />

Was kaum jemand ernsthaft geglaubt<br />

hatte und was viele Jahre nur drohend am<br />

Horizont stand, war nun schlagartig Wirklichkeit:<br />

Die Deponien schlossen ihre Tore<br />

für den unbehandelten Müll. Wohlgemerkt:<br />

Dieser Zustand hatte sich bereits 1994 angekündigt<br />

und kam daher wirklich nicht „über<br />

Nacht“! Aber nun war es soweit: Beim Haus-<br />

müll wurde relativ reibungslos „umgeschaltet“.Die<br />

Wege in die Vorbehandlungsanlagen<br />

waren geplant und durch Kontingente<br />

und Verträge gesichert. Die „kalte Vorbehandlung“<br />

in den mechanisch-biologischen<br />

Behandlungsanlagen (MBA) wurde mehr oder<br />

weniger und quasi just-in-time realisiert.<br />

Anders allerdings die Situation beim Gewerbeabfall.<br />

Hier waren bis dahin riesige Mengen<br />

Abfall einfach und billig deponiert worden.<br />

Auch die Restmengen aus den Verwertungsanlagen<br />

mussten jetzt („von heute auf morgen“)<br />

in die Verbrennung gebracht werden.<br />

Nachfrage regelt den Preis und das Angebot<br />

auf dem Verbrennungssektor wurde plötzlich<br />

knapp. Warum gingen just zu dieser Zeit<br />

eigentlich parallel so viele Verbrennungslinien<br />

in die Revision? Warum wurden plötzlich die<br />

Annahmekriterien bei den Verbrennungsanlagen-Betreibern<br />

so pingelig überprüft?<br />

Die Konsequenz: Gewerbeabfall wohin man<br />

sah: Berge bei den Verwertungsbetrieben,<br />

illegale Lager von haushoch gestapelten<br />

Abfallballen, hektische Anträge für obskure<br />

Zwischenlager, europaweiter Abfalltourismus<br />

(anscheinend ist in Prag nicht nur das Bier<br />

billig). Im Rahmen der Überwachung mussten<br />

wir mehrfach deutliche Worte sprechen!<br />

Luft und Lärm<br />

39<br />

Der Beginn eines neuen Müllzeitalters:<br />

Entsorgungs“notstand“ nach dem 31.05.<strong>2005</strong>


22:30 Uhr MEZ - Starke Rauchentwicklung<br />

auf der Zeche Prosper in Bottrop<br />

Luft und Lärm<br />

40<br />

Ausblick<br />

Nach dem ersten Boom kurz nach dem<br />

31. Mai <strong>2005</strong> mit einigen recht ungeordneten<br />

Abfallhaufen sind die Entsorgungskapazitäten<br />

auf dem Behandlungsmarkt anscheinend<br />

immer noch recht knapp.<br />

Allerdings stellt sich langsam eine neue Routine<br />

ein: Die Verbrennungsanlagen laufen (bei<br />

hohen Preisen), einige wenige Zwischenlager<br />

auf den Deponien oder an den Verwertungsanlagen<br />

sind legalisiert und neu geordnet.<br />

Hier warten in Ballen gepresste Gewerbeabfälle,<br />

so genannte heizwertreiche Fraktionen,<br />

schließlich auch noch die eine oder andere<br />

Tonne Restabfall auf ihre Fahrt in den Ofen.<br />

Deponiert werden hierzulande nur noch die<br />

„echten“ Reste des vorbehandelten Mülls.<br />

Allerdings fährt auch noch so mancher<br />

LKW (trotz der Maut!) mit mehr oder weniger<br />

sortiertem Gewerbeabfallrest quer<br />

durch Europa in die „so“ preiswerten Anlagen<br />

anderer Länder.<br />

22:30 Uhr MEZ – Starke<br />

Rauchentwicklung auf der<br />

Zeche Prosper in Bottrop<br />

Peter Eller<br />

Ein Grubenbrand auf der Zeche Prosper IV<br />

in Bottrop führte am 12. März <strong>2005</strong> zu<br />

erheblichen Rauchschwaden, die von Bottrop<br />

aus der Windrichtung folgend ins östliche<br />

Revier zogen. Gegen 22:30 Uhr<br />

waren auf der Schachtanlage 9 in rund<br />

1.000 Meter Tiefe Förderbänder und Kabel<br />

in Brand geraten. Besorgte Bürgerinnen und<br />

Bürger der betroffenen Revierstädte meldeten<br />

sich bei der Nachrichten- und Bereitschaftszentrale<br />

des Landesumweltamtes<br />

Nordrhein-Westfalen (LUA) in Essen.<br />

Wie auch schon beim Grubenbrand im Juni<br />

1996 auf der Zeche Hugo in Gelsenkirchen,<br />

wurde die Rufbereitschaft des Staatlichen<br />

Umweltamtes (<strong>StUA</strong>) <strong>Herten</strong> vom LUA informiert<br />

und veranlasste in Amtshilfe für das<br />

zuständige Bergamt Gelsenkirchen Immissionsmessungen<br />

durch den Sondereinsatzdienst<br />

des LUA.<br />

Im Gegensatz zum Brand 1996, als neben<br />

dem Messfahrzeug des LUA auch ein entsprechendes<br />

Fahrzeug des ehemaligen Landesoberbergamtes<br />

(LOBA) zum Eisatz kam,<br />

wurden die Messungen nun ausschließlich<br />

vom LUA durchgeführt, da das Messfahrzeug<br />

des ehemaligen LOBA zwischenzeitlich<br />

abgeschafft wurde.<br />

Die Messung von Luftschadstoffen ergab<br />

erhöhte Werte an Kohlenmonoxid, Cyanwasserstoff<br />

sowie Schwefeldioxid. Allein die<br />

erhöhten Schwefeldioxidwerte stellten zeitweise<br />

eine Besorgnis dar. Die Bevölkerung<br />

wurde auf Grundlage der Messungen des LUA<br />

durch Polizei und Feuerwehr zeitnah gewarnt<br />

und gebeten, Fenster und Türen geschlossen<br />

zu halten.<br />

Bei weiteren Messungen wurden keine<br />

erhöhten Schadstoffkonzentrationen mehr<br />

festgestellt. Da auch nach der Prognose des<br />

Betreibers keine Verschlechterung der Emissionssituation<br />

zu erwarten war, wurde die<br />

Warnung der Bevölkerung aufgehoben.


Neben den Messungen von Luftschadstoffen<br />

wurden vom LUA auch Wischproben im Immissionsgebiet<br />

genommen und auf Dioxine,<br />

Furane und PCB untersucht. Auf Grund der<br />

analysierten Werte hat das LUA empfohlen,<br />

mit Ruß beaufschlagtes Gemüse aus Kleingärten<br />

nicht zu verzehren und verunreinigte<br />

Oberfl ächen mit Wasser zu reinigen.<br />

Eine kritische Zusatzbelastung des Bodens<br />

konnte ausgeschlossen werden.<br />

Beim Löschen des Brandes fi elen insgesamt<br />

29.066 m3 Löschwasser an. Zur Beurteilung<br />

der Gefährlichkeit der Einleitung des belasteten<br />

Löschwassers für die Emscher und die<br />

Kläranlage Dinslaken, vereinbarten das <strong>StUA</strong><br />

<strong>Herten</strong>, die Deutsche Steinkohle AG, das<br />

Bergamt Gelsenkirchen und die Emschergenossenschaft<br />

ein Untersuchungsprogramm.<br />

Die Ergebnisse zeigten, dass eine Gefährdung<br />

der Kläranlage und der Emscher in<br />

ihrer jetzigen Situation als so genannter<br />

Schmutzwasserlauf ausgeschlossen werden<br />

konnten. In eine ökologisch umgestaltete<br />

Emscher - etwa im Jahr 2015 - wäre eine<br />

Einleitung von Löschwasser in dieser Qualität<br />

nicht tragbar gewesen. Bis dahin ist für<br />

Brandfälle Vorsorge zu treffen, um gegebenenfalls<br />

anfallendes Löschwasser zurückhalten<br />

und behandeln zu können.<br />

Bei beiden Grubenbränden hat unsere Rufbereitschaft<br />

zur effektiven Kooperation aller<br />

beteiligten Behörden beigetragen. Dies<br />

wurde dem <strong>StUA</strong> <strong>Herten</strong> beim aktuellen<br />

Grubenbrand sogar in einem persönlichen<br />

Schreiben des Energieministers des Landes<br />

NRW Axel Horstmann bestätigt.<br />

Nicht nur die „neue“<br />

Störfall-Verordnung <strong>2005</strong><br />

HISTORIE<br />

Lothar Balkenhoff<br />

Luft und Lärm<br />

41<br />

Im Amtsblatt der Europäischen Union<br />

wurde am 31. Dezember 2003 die Richtlinie<br />

2003/105/EG des europäischen Parlamentes<br />

und des Rates vom 16. Dezember 2003 zur<br />

Änderung der Richtlinie 96/82/EG des Rates<br />

zur Beherrschung der Gefahren bei schweren<br />

Unfällen mit gefährlichen Stoffen unter gleichzeitigem<br />

Inkrafttreten bekannt gemacht.<br />

<strong>2005</strong><br />

Die Richtlinie 96/82/EG vom 9. Dezember<br />

1996 zur Beherrschung der Gefahren bei<br />

schweren Unfällen mit gefährlichen Stoffen,<br />

auch „Seveso-II-Richtlinie“ genannt, dient der<br />

Verhütung schwerer Unfälle mit gefährlichen<br />

Stoffen und der Begrenzung der Unfallfolgen<br />

für Mensch und Umwelt, um in der gesamten<br />

Gemeinschaft konsequent und wirksam ein<br />

hohes Maß an Schutz zu gewährleisten.<br />

Die Umsetzung der Änderungsrichtlinie<br />

Störfall-Verordnung<br />

Seveso-II 2003/105/EG erfolgte für die<br />

Bundesrepublik in einem Artikelgesetz zur<br />

Beherrschung der Gefahren bei schweren<br />

Unfällen mit gefährlichen Stoffen. In<br />

diesem Artikelgesetz wurde das Bundes-<br />

„neue“<br />

Immissionsschutzgesetz, das Geräte- und<br />

Produktsicherheitsgesetz und die Betriebs-<br />

die<br />

sicherheitsverordnung angepasst. Die<br />

Bekanntmachung der Neufassung der<br />

nur<br />

Störfall-Verordnung erfolgte im Bundesgesetzblatt<br />

am 8. Juni <strong>2005</strong> und trat am<br />

1. Juli <strong>2005</strong> in Kraft. Nicht


Luft und Lärm<br />

42<br />

ANLÄSSE<br />

Gründe der Änderung der Richtlinie waren<br />

im Wesentlichen zurückliegende jüngere<br />

Industrieunfälle sowie Studien über Krebs<br />

erzeugende und umweltgefährliche Stoffe.<br />

Der Unfall mit Feuerwerkskörpern im Mai<br />

2000 in Enschede, Niederlande, hatte das<br />

große Unfallrisiko aufgezeigt, das von der<br />

Lagerung und Herstellung pyrotechnischer<br />

und explosionsgefährlicher Stoffe ausgeht.<br />

Die Defi nition solcher Stoffe wurde deshalb<br />

präzisiert, vereinfacht und die Mengenschwellen<br />

für bestimmte explosionsgefährliche<br />

und pyrotechnische Stoffe gesenkt.<br />

Gleichzeitig wurden zur besseren Identifi -<br />

zierbarkeit die Defi nitionen des Gefahrgut-<br />

Transportrechts übernommen.<br />

Die Explosion in einer Düngemittelfabrik im<br />

September 2001 in Toulouse, Frankreich,<br />

hatte das Unfallrisiko verdeutlicht, das von<br />

der Lagerung von Ammoniumnitrat und<br />

von Düngemitteln auf Ammoniumnitrat-<br />

Basis ausgeht, und zwar insbesondere von<br />

zurückgewiesenem Material aus dem Produktionsprozess<br />

und Retouren an den Hersteller<br />

(so genannte „Off-Specs“, das heißt<br />

nicht spezifi kationsgerechtes Material). Die<br />

bestehenden Kategorien von Ammoniumnitrat<br />

und Düngemitteln auf Ammoniumnitrat-<br />

Basis wurden deshalb überarbeitet, um Off-<br />

Specs-Material einzubeziehen.<br />

Studien, die die Kommission in enger Zusammenarbeit<br />

mit den Mitgliedstaaten<br />

durchgeführt hat, sprachen dafür, die Liste<br />

der Krebs erzeugenden Stoffe mit den entsprechenden<br />

Mengenschwellen zu erweitern<br />

und die Mengenschwellen für umweltgefährliche<br />

Stoffe merklich zu senken.<br />

UMSETZUNG<br />

Somit ist die Stoffl iste des Anhangs I für<br />

• „explosionsgefährlich“,<br />

• „umweltgefährlich“,<br />

• „krebserzeugende Stoffe“,<br />

• „Erdölerzeugnisse“<br />

(alt: Motor- und sonstige Benzine)<br />

• und „Ammoniumnitrat“,<br />

hinsichtlich der konkreteren Stoffeinstufung<br />

und der Mengenschwellen neu gefasst worden.<br />

Der Stoff Kaliumnitrat ist neu aufgenommen<br />

worden. Die betroffenen Stoffe der<br />

Stoffl iste des Anhangs I sind in der Tabelle 1<br />

angeführt. Die zugehörigen Anmerkungen<br />

zur Stoffl iste wurden entsprechend angepasst<br />

und teilweise konkretisiert.<br />

GELTUNGSBEREICH<br />

Die Cyanidverseuchung der Donau infolge<br />

des Unfalls im Januar 2000 in Baia Mare,<br />

Rumänien, hatte gezeigt, dass bestimmte<br />

Lagerungs- und Aufbereitungsverfahren im<br />

Bergbau schwerwiegende Folgen haben können;<br />

dies galt insbesondere für Bergebeseitigungseinrichtungen,<br />

einschließlich Bergeteichen<br />

oder Absetzbecken.<br />

Bisher galt das europäische Störfallrecht<br />

nicht für Bergbautätigkeiten und Abfalldeponien.<br />

Diese Ausnahme ist nun eingeschränkt,<br />

so dass künftig zum Beispiel Bergeteiche<br />

den Anforderungen der Seveso-II-<br />

Richtlinie und damit auch dem deutschen<br />

Störfallrecht entsprechen müssen.


Nummer Gefährliche Stoffe / Einstufung CAS-Nummer Mengenschwelle in kg<br />

Spalte 1 Spalte 2 Spalte 3 Spalte 4 Spalte 5<br />

4 Explosionsgefährlich3) (wenn der Stoff, die Zubereitung oder der Gegenstand in<br />

die UN/ADR-Gefahrenunterklasse 1.4 fällt)<br />

50.000 200.000<br />

5 Explosionsgefährlich 34)<br />

(wenn der Stoff, die Zubereitung oder der Gegenstand in<br />

die UN/ADR-Gefahrenunterklasse 1.1, 1.2, 1.3, 1.5 oder<br />

1.6 oder unter den Gefahrenhinweis R2 oder R3 fällt)<br />

9 a Umweltgefährlich, in Verbindung mit dem Gefahrenhinweis<br />

R 50 oder R 50/53<br />

9 b Umweltgefährlich, in Verbindung mit dem Gefahrenhinweis<br />

R 51/53<br />

ANPASSUNG<br />

Zur Prüfung der Anwendung der Verordnung<br />

sind die Teilmengen für jeden gefährlichen<br />

Stoff über den Betriebsbereich zu addieren,<br />

wobei in der neuen Fassung der Störfall-<br />

Verordnung es jedoch nicht mehr zulässig<br />

ist, giftige und umweltgefährliche Stoffe zu<br />

addieren, diese sind separat zu betrachten.<br />

Auch ist die Additionssumme nicht mehr mit<br />

>1 sondern mit >=1 abzugleichen.<br />

DEREGULIERUNG<br />

10.000 50.000<br />

200.000<br />

100.000<br />

500.000<br />

200.000<br />

12 Krebserregende Stoffe:<br />

Folgende krebserzeugende Stoffe bei einer Konzentration<br />

von über 5 Gewichtsprozent:<br />

1<br />

500<br />

12.1 4-Aminodiphenyl und/oder seine Salze<br />

12.2 Benzidin und /oder seine Salze<br />

92-67-1<br />

92-87-5<br />

500.000<br />

200.000<br />

2.000.000<br />

500.000<br />

1<br />

2.000<br />

13 Motor- und sonstige Benzine 5.000.000 50.000.000<br />

13 Erdölerzeugnisse:<br />

2.500.000 25.000.000<br />

13.1 Ottokraftstoffe und Naphta<br />

13.2 Kerosin (einschließlich Flugturbinenkraftstoffe)<br />

13.3 Gasöle (Einschließlich Dieselkraftstoffe, leichtes<br />

Heizöl und Gasölmischströme)<br />

15.1 Ammoniumnitrat 9) 6484-52-2 350.000<br />

5.000.000<br />

2.500.000<br />

10.000.000<br />

15.2 Ammoniumnitrat 10) 6484-52-2 1.250.000 5.000.000<br />

15.3 Ammoniumnitrat 11) 6484-52-2 350.000 2.500.000<br />

15.4 Ammoniumnitrat 12) 6484-52-2 10.000 50.000<br />

39.1 Kaliumnitrat 13) 7757-79-1 5.000.000 10.000.000<br />

39.2 Kaliumnitrat 14) 7757-79-1 1.250.000 5.000.000<br />

Tabelle 1: blau = Neu grau = Alt<br />

Bei der deutschen Umsetzung der Richtlinie<br />

gab es noch das Ziel, die Annäherung<br />

an eine inhaltliche 1:1-Umsetzung der<br />

Seveso-II-Richtlinie durchzuführen.<br />

Durch diese deutsche Deregulierungsbestrebung<br />

wurden Nachteile für den Wirtschaftsstandort<br />

Deutschland abgebaut, die<br />

durch Wettbewerbsverzerrungen gegenüber<br />

Luft und Lärm<br />

43


Luft und Lärm<br />

44<br />

Mitgliedstaaten ohne nationale Sonderregelungen<br />

entstanden sind. Der „deutsche“<br />

Anhang VII der Störfall-Verordnung 2000<br />

wurde deshalb ersatzlos gestrichen.<br />

Das bedeutet, dass genehmigungsbedürftige<br />

Anlagen nach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz<br />

nicht mehr hinsichtlich<br />

• „Explosionsgefährlicher<br />

Staub-/Luftgemische“,<br />

• „Hochentzündlicher verfl üssigter Gase“<br />

• und „ Ammoniak“<br />

gesondert betrachtet werden müssen, sondern<br />

nach dem neu gefassten „Anwendungsbereich“<br />

zu beurteilen sind.<br />

Das bedeutet entsprechend der nachfolgenden<br />

Tabelle 2 , dass eine Anlage mit<br />

dem Einzelstoff erst dann unter das Störfallrecht<br />

fällt, wenn gleich oder mehr als<br />

50.000 kg hochentzündliche verfl üssigte<br />

Gase (einschließlich Flüssiggas) und Erdgas<br />

oder 50.000 kg Ammoniak vorkommen können.<br />

Im Rahmen der Deregulierung wurde<br />

auch die Neunte Verordnung zur Durchführung<br />

des Bundes-Immissionsschutzgesetzes<br />

- Verordnung über das Genehmigungsverfahren<br />

- 9. BImSchV angepasst.<br />

Gefährliche Stoffe,<br />

Einstufungen<br />

Explosionsfähige Staub-/<br />

Luftgemische<br />

Hochentzündliche verfl üssigte<br />

Gase (einschließlich Flüssiggas)<br />

und Erdgas<br />

ALTE Störfall-VO 2000<br />

Anhang VII<br />

ÜBERWACHUNG<br />

Auch wenn die Vorschriften der Störfall-Verordnung<br />

auf die „Anhang-VII-Anlagen“ in<br />

dieser seiner neuen Form keine Anwendung<br />

mehr fi nden, steht für die Überwachung und<br />

für ein behördliches Vorgehen dennoch ein<br />

ausreichendes rechtliches Instrumentarium<br />

über das BImSchG selbst oder über das<br />

Geräte- und Produktsicherheitsgesetz beziehungsweise<br />

über die Betriebssicherheitsverordnung<br />

zur Verfügung.<br />

Letztgenannter Rechtsbereich wird über die<br />

Staatlichen Ämter für Arbeitsschutz greifen,<br />

da diese Art von Anlagen als Arbeitsmittel<br />

und/oder überwachungsbedürftige Anlagen<br />

betrachtet werden können.<br />

FRISTEN<br />

Bei Betrieben, die später in den Anwendungsbereich<br />

der Störfall-Verordnung fallen,<br />

hat es sich als notwendig erwiesen, Mindestfristen<br />

für Mitteilungen und die Festlegung<br />

von Konzepten zur Verhütung schwerer Unfälle<br />

sowie die Erstellung von Sicherheitsberichten<br />

und Notfallplänen einzuführen.<br />

UNTERWEISUNG<br />

Anstelle der Mengenschwelle war<br />

die Zuordnung der Summe aller<br />

Teilvolumina nach Zone 20 der<br />

ElexV zu beurteilen.<br />

Die Erfahrung und das Wissen des Fachpersonals<br />

in einem Betrieb kann bei der Erstellung<br />

von Notfallplänen von großem Nutzen<br />

Mengenschwellen [in kg]<br />

NEUE Störfall-VO <strong>2005</strong><br />

Stoffl iste, Anhang I<br />

ersatzlos entfallen<br />

5.000 50.000<br />

Stoff-Nr. 11<br />

Ammoniak 2.000 50.000<br />

Stoff-Nr. 2<br />

Tabelle 2: blau = Neu grau = Alt


sein, und das gesamte Personal eines Betriebes<br />

sowie möglicherweise betroffene<br />

Personen sollten in geeigneter Weise über<br />

Sicherheitsmaßnahmen und Sicherheitsvorkehrungen<br />

informiert werden.<br />

Der mindestens jährliche Turnus für die Unterweisung<br />

der Beschäftigten über die für<br />

sie in den internen Alarm- und Gefahrenabwehrplänen<br />

für den Störfall enthaltenen<br />

Verhaltensregeln durch den Betreiber war<br />

zu eng gefasst. Er führte zu einer zusätzlichen<br />

Belastung der Betreiber. Im Sinne<br />

der Entbürokratisierung und Stärkung der<br />

Eigenverantwortlichkeit der Betreiber wurde<br />

die Unterweisungsfrequenz auf mindestens<br />

alle drei Jahre erweitert.<br />

PLANUNGSRECHT<br />

Es ist allgemeine Betreiberpfl icht alle notwendigen<br />

Maßnahmen zu ergreifen, um schwere<br />

Unfälle mit gefährlichen Stoffen zu verhüten,<br />

deren Folgen für Mensch und Umwelt<br />

zu begrenzen und Unfallfolgen für Mensch<br />

und Umwelt, auf abgestimmte und wirksame<br />

Weise in der ganzen Gemeinschaft auf einem<br />

hohen Schutzniveau zu gewährleisten.<br />

Damit dabei angemessene Abstände präventiv<br />

beachtet werden können, bedarf es<br />

der Steuerung mit den Mitteln der Raumund<br />

Flächenplanung. Die darin verankerten<br />

Grundsätze des „Land-use planning“ sind<br />

in Deutschland im Immissionsschutzrecht<br />

sowie im Bauplanungsrecht enthalten.<br />

Um den für die Bauleitplanung verantwortlichen<br />

Stellen und insbesondere den zu<br />

beteiligenden Fachbehörden, wie den Immissionsschutzbehörden,<br />

eine einheitliche<br />

Grundlage für die Beurteilung angemessener<br />

Abstände zwischen Betriebsbereich<br />

(Betrieb im Sinne der Richtlinie) einerseits<br />

und schutzbedürftigem Gebiet andererseits<br />

an die Hand zu geben, um schon mit planerischen<br />

Mitteln sicherzustellen, dass Flächen<br />

mit unverträglichen Nutzungen einander in<br />

einem angemessenen Abstand zugeordnet<br />

werden, wurde das Bundes-Immissionsschutzgesetz<br />

entsprechend angepasst.<br />

Die Grundsätze des „Land-use planning“<br />

sollen bewirken, dass in allen Mitgliedstaaten<br />

der Europäischen Union, Wohngebiete,<br />

öffentlich genutzte Gebäude und<br />

Gebiete, wichtige Verkehrswege, so weit<br />

wie möglich, Freizeitgebiete und unter dem<br />

Gesichtspunkt des Naturschutzes besonders<br />

wertvolle beziehungsweise besonders empfi<br />

ndliche Gebiete besser vor den Gefahren<br />

schwerer Unfälle geschützt werden können.<br />

Deswegen wurden Regelungen zur „Überwachung<br />

der Ansiedlung“ vorgesehen.<br />

Die Mitgliedstaaten haben hiernach dafür zu<br />

sorgen, dass in ihren Politiken der Flächenausweisung<br />

oder der Flächennutzung und/<br />

oder anderen einschlägigen Politiken das<br />

Ziel, schwere Unfälle zu verhüten und ihre<br />

Folgen zu begrenzen, Berücksichtigung fi ndet.<br />

Hierfür sollen sie Methoden und Kriterien<br />

entwickeln, die langfristig dem Erfordernis<br />

Rechnung tragen, dass zwischen den unter<br />

die Richtlinie fallenden Betrieben einerseits<br />

und schützenswerten Gebieten andererseits<br />

ein angemessener Abstand gewahrt bleibt.<br />

Die Überwachung der Ansiedlung betrifft<br />

die Ansiedlung neuer Betriebe, die Änderungen<br />

bestehender Betriebe, und neue<br />

Luft und Lärm<br />

45


Luft und Lärm<br />

46<br />

Entwicklungen in der Nachbarschaft bestehender<br />

Betriebe wie beispielsweise, soweit<br />

wie möglich, Verkehrswege, Örtlichkeiten<br />

mit Publikumsverkehr, Wohngebiete, wenn<br />

diese Ansiedlungen oder Maßnahmen das<br />

Risiko eines schweren Unfalls vergrößern<br />

oder die Folgen eines solchen Unfalls verschlimmern<br />

können.<br />

Die Ansiedlung neuer Betriebe geht in der<br />

Regel einher mit der planungsrechtlich notwendigen<br />

Ausweisung von Industriefl ächen.<br />

Hierfür bedarf es der Aufstellung von Bauleitplänen,<br />

um die damit verbundene städtebauliche<br />

Entwicklung zu steuern.<br />

Als Empfehlungen für Abstände zwischen<br />

Betriebsbereichen nach der Störfall-Verordnung<br />

und schutzbedürftigen Gebieten im<br />

Rahmen der Bauleitplanung - Umsetzung<br />

§ 50 BImSchG - wurde bereits der Leitfaden<br />

SFK/TAA-GS-1 der SFK/TAA-Arbeitsgruppe<br />

“Überwachung der Ansiedlung“ am 18. Oktober<br />

<strong>2005</strong> von SFK und TAA verabschiedet.<br />

PROJEKT<br />

Zur Erleichterung der Flächenausweisung<br />

wurde empfohlen, Leitlinien zur Defi nition<br />

einer Datenbank aufzustellen, die der<br />

Beurteilung der Vereinbarkeit zwischen den<br />

unter die Richtlinie fallenden Betrieben und<br />

den genannten Gebieten dienen.<br />

NACHFOLGEGREMIUM<br />

Zusätzlich werden durch die Änderung des<br />

BImSchG die rechtlichen Voraussetzungen<br />

für eine Zusammenlegung der bisherigen<br />

Beratungsgremien Störfall-Kommission<br />

(SFK) und Technischer Ausschuss für Anlagensicherheit<br />

(TAA) zu einer Kommission für<br />

Anlagensicherheit (KAS) geschaffen. Die die<br />

neue Kommission betreffenden Vorschriften<br />

traten am 1. November <strong>2005</strong> in Kraft.<br />

Die Störfall-Kommission (SFK) war eine nach<br />

§ 51a Bundes-Immissionsschutzgesetz beim<br />

Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz<br />

und Reaktorsicherheit gebildete Kommission.<br />

Der Technische Ausschuss für Anlagensicherheit<br />

(TAA) war ein nach § 31a Bundes-<br />

Immissionsschutzgesetz beim Bundesministerium<br />

für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit<br />

gebildetes Gremium.<br />

Die Geschäftsstellen beider Gremien waren bei<br />

der GFI Umwelt (Gesellschaft für Infrastruktur<br />

und Umwelt mbH) in Bonn eingerichtet.<br />

Aufgabe der 1992 eingerichteten Störfall-<br />

Kommission war es, der Bundesregierung<br />

in regelmäßigen Zeitabständen sowie aus<br />

besonderem Anlass durch entsprechende<br />

Gutachten Möglichkeiten zur Verbesserung<br />

der Anlagensicherheit aufzuzeigen.<br />

Der 1992 eingerichtete Technische Ausschuss<br />

für Anlagensicherheit beriet die Bundesregierung<br />

oder das zuständige Bundesministerium<br />

in sicherheitstechnischen Fragen,<br />

die die Verhinderung von Störfällen und die<br />

Begrenzung ihrer Auswirkungen betrafen.<br />

Die Arbeitsergebnisse beider Gremien wurden<br />

hauptsächlich in Form von Berichten<br />

und Leitfäden veröffentlicht. Darüber hinaus<br />

schlug der TAA dem Stand der Sicherheitstechnik<br />

entsprechende Regeln vor. Damit<br />

diese Arbeitsergebnisse von Anlagenbetreibern,<br />

Behörden und interessierter Fachöf-


fentlichkeit genutzt werden konnten, waren<br />

sie über das Internet unter<br />

abrufbar.<br />

www.sfk-taa.de<br />

In der SFK waren zuletzt 25 Mitglieder unter<br />

anderem aus den Bereichen Wissenschaft,<br />

Industrie, Gewerkschaften, Umweltverbände<br />

und Behörden vertreten. Die ehemaligen 32<br />

Mitglieder des TAA vertraten vor allem die<br />

Bereiche Wissenschaft, Industrie, Umweltverbände<br />

und Behörden. SFK und TAA wurden<br />

alle drei Jahre neu konstituiert.<br />

Mit dem 1. November <strong>2005</strong> hat das Nachfolgegremium<br />

der Störfall-Kommission (SFK)<br />

und des Technischen Ausschusses für Anlagensicherheit<br />

(TAA), die „Kommission für<br />

Anlagensicherheit (KAS) beim Bundesministerium<br />

für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit“<br />

seine Arbeit aufgenommen.<br />

Die Kommission für Anlagensicherheit soll<br />

gutachtlich in regelmäßigen Zeitabständen<br />

sowie aus besonderem Anlass Möglichkeiten<br />

zur Verbesserung der Anlagensicherheit aufzeigen.<br />

Sie soll darüber hinaus dem Stand<br />

der Sicherheitstechnik entsprechende Regeln,<br />

hier sicherheitstechnische Regeln, unter<br />

Berücksichtigung der für andere Schutzziele<br />

vorhandenen Regeln vorschlagen.<br />

Die neue Internetpräsenz der KAS befi ndet<br />

sich zurzeit im Aufbau und soll in Kürze<br />

unter<br />

www.kas-bmu.de<br />

zu fi nden sein. Bis zur Fertigstellung der<br />

neuen Internetpräsenz sollen alle Veröffentlichungen<br />

und Meldungen aber noch auf den<br />

Seiten www.sfk-taa.de abrufbar sein.<br />

TERMIN<br />

Mit den Änderungen der Störfall-Verordnung<br />

und des BImSchG ist die Seveso-II-<br />

Änderungsrichtlinie rechtzeitig in deutsches<br />

Recht umgesetzt worden.<br />

Real oder virtuell?<br />

Überwachung einer<br />

industriellen Großanlage<br />

Udo Rebacz<br />

Eine Mineralöl-Raffi nerie, wie der Standort<br />

Gelsenkirchen Scholven, ist ein komplexes<br />

Gebilde und besteht aus den verschiedensten<br />

Prozessanlagen. Hinzu kommt<br />

eine Vielzahl der unterschiedlichsten Nebenanlagen,<br />

die der Weiterverarbeitung von<br />

Mineralölerzeugnissen, der Energieversorgung,<br />

Abfall- und Abwasserbehandlung und<br />

der Lagerung dienen.<br />

Gesteuert werden diese Anlagen über Prozessleitsysteme,<br />

die alle Anlagen- und<br />

Betriebszustände enthalten. Diese Prozessleitsysteme<br />

werden auf wenige Leitstände<br />

verteilt und von dort werden die Anlagen<br />

gefahren und kontrolliert.<br />

Für solch einen Industriekomplex liegen der<br />

Überwachungsbehörde viele Informationen<br />

vor, zum Beispiel Genehmigungen der einzelnen<br />

Anlagen als Ursprungs- und Änderungsgenehmigungen,<br />

die die Anlagenentwicklung<br />

und den Anlagenbestand darstellen.<br />

Luft und Lärm<br />

47<br />

Real oder virtuell?<br />

- Überwachung einer industriellen Großanlage


Luft und Lärm<br />

48<br />

Solche Anlagen haben jede Menge Berichtspfl<br />

ichten über Anlagenkontrollen, Mess- und<br />

Kalibrierberichte, wiederkehrende Sachverständigen-Prüfungen,<br />

Verantwortlichkeiten,<br />

Betriebsorganisation und Emis sionsdaten,<br />

die durch die Emissionsfernüberwachung<br />

(EFÜ) übermittelt werden. Hinzu kommen<br />

meldepfl ichtige Ereignisse und die Überwachungsprotokolle<br />

der Behörde.<br />

Für den Standort liegen allein 334 Anlagenbescheide<br />

mit den entsprechenden Unterlagen<br />

vor. Jährlich treffen mehr als 4.000 einzelne<br />

EFÜ-Meldungen ein, eine große Anzahl<br />

wiederkehrender Prüfberichte nach VAwS,<br />

die letzte Emissionserklärung mit hoher<br />

Datendichte umfasst 507 Seiten und das<br />

zugehörige Prüfprotokoll ist 118 Seiten stark.<br />

Was ist das Ziel?<br />

Eine schnelle Übersicht der Anlagen-Eckdaten,<br />

die sich aus Gesetzen, Genehmigungen,<br />

Anzeigen oder nachträglichen Anordnungen<br />

ergeben. Diese Daten sind mit den eingehenden<br />

Informationen abzugleichen. Damit<br />

kann festgestellt werden, ob die Anlagen<br />

genehmigungskonform betrieben und Termine<br />

für Prüfungen, Sanierungen, Messungen<br />

und Berichte eingehalten werden.<br />

Zwei Beispiele:<br />

Welche der 334 Genehmigungen betreffen<br />

die atmosphärische Destillation und gibt<br />

es zusätzlich Anzeigen? Stichwortartig dargestellt<br />

die folgenden Angaben: Umfang<br />

der Genehmigung einschließlich festgeschriebener<br />

Kapazitäten; welche Begrenzungen<br />

zur Luftreinhaltung, zur Lärmbegrenzung<br />

und/oder zum Gewässerschutz<br />

enthalten die Genehmigungen; gibt es<br />

Messpfl ichten; welche Verpfl ichtungen zu<br />

welchen Terminen nach Altanlagen-Sanierung<br />

gemäß der Technischen Anleitung<br />

(TA) Luft; sind gegebenenfalls Besonderheiten<br />

geregelt; welche Tanke müssen noch<br />

mit einem Doppelboden und Leckageerkennung<br />

ausgerüstet werden; wann ist die<br />

nächste Prüfung nach VAwS und wie viele<br />

dieser Tanke enthalten Benzol?<br />

Die Gesamtlagerkapazität der Tanke am<br />

Standort ist größer als > 1,2 Millionen<br />

Kubikmeter. Diese Daten sind in Genehmigungen,<br />

Emissionserklärungen, regelmäßig<br />

vorgelegten Prüfberichten, beantragten Prüffristverlängerungen,<br />

VAwS-Kataster oder<br />

öffentlich-rechtlichen Verträgen enthalten.<br />

Die beschriebenen Daten, Berichte, Prüfprotokolle<br />

und Bescheide sammeln und<br />

geschickt - von mir aus auch optimal - in<br />

Akten zusammenstellen, reicht nicht aus, so<br />

kann keine Übersicht geschaffen werden.<br />

Meine Lösung sind Datensätze in Excel-Tabellen,<br />

die nach Themen aufgebaut sind,<br />

und die darin enthaltenen Informationen<br />

sind mit weiteren Tabellen verlinkt. Elektronisch<br />

abgelegt werden diese Dateien in Verzeichnissen,<br />

die die Anlagen und Unteranlagen<br />

der Raffi nerie abbilden. Solche Excel-Tabellen<br />

sind nicht zu umfangreich und damit<br />

leicht zu handhaben.<br />

Ist eine solche Tabelle erstellt, ist der wirkliche<br />

Clou die vordefi nierte Excelfunktion<br />

„Autofi lter“, mit der können die Datensätze<br />

nach allen Inhalten, zahlenmäßig nach Größenordnung,<br />

nach Datum oder selbst defi -


niert ausgewertet werden. Eine der Haupttabellen<br />

enthält die gesamten Bescheide des<br />

Standortes mit der laufenden Durchnummerierung<br />

(Bescheidsammlung ist in den Akten<br />

so aufgebaut), Aktenzeichen, Bescheid-Datum,<br />

dann stichwortartig Tenor der Genehmigung<br />

mit Kapazitäten, betroffene und<br />

gegebenenfalls weitere betroffene Anlagen<br />

und stichwortartig, zu welchem Thema<br />

(Luft, Lärm, Wasser, Abfall und Störfall) der<br />

Bescheid Regelungen enthält.<br />

Will man das Ergebnis für das vorgenannte<br />

Beispiel 1 erhalten, wird mit einem Klick in<br />

der Spalte Anlagen nach den Anlagen 21<br />

oder 22 (die beiden Atmosphärischen Destillations-Anlagen<br />

A7 und A8) gefi ltert, schon<br />

sind nur die betroffenen Genehmigungen<br />

dargestellt. Sofort überblickt man Kapazitäten<br />

und in welcher Genehmigung Nebenbestimmungen<br />

zu bestimmten Themen stehen.<br />

Mit dem gesetzten Link kommt man<br />

sofort in das entsprechende Unterverzeichnis<br />

mit weitergehenden Informationen.<br />

Weitere Tabellen enthalten entsprechende<br />

Kurzinformationen über Anzeigen, EFÜ-Daten,<br />

Tankläger, Anlagensanierung, Einsatzstoffen<br />

und Emissionen der Anlagen, die aus<br />

den Emissionserklärungs-Daten ausgewertet<br />

wurden und Ähnliches.<br />

Die Tabellen werden in dem System gepfl egt<br />

und zum Abgleich der hereinkommenden<br />

Daten benutzt. Damit wird ein komplexer<br />

Standort übersichtlich und nachvollziehbar<br />

und man erhält sehr schnell ausreichend<br />

Informationen für 80 bis 90 % aller anfallenden<br />

Aufgaben. Müssen Informationen<br />

genauestens recherchiert werden, so hat<br />

man den Überblick, in welchen Bescheiden<br />

die Regelungen stehen und kann dort nachlesen.<br />

Hinter einer Meldung, zum Beispiel die innere<br />

Prüfung für den Rohöltank XYZ ist fristgerecht<br />

durchgeführt und das Prüfprotokoll<br />

liegt vor, kann sich ein Riesenaufwand verbergen.<br />

Die Information ist schnell in die entsprechende<br />

Tabelle eingetragen und damit<br />

auch bis zum nächsten Prüftermin abgehakt.<br />

Zu dem Projekt gehören das Entleeren und<br />

Reinigen des Rohöltankes; das erzeugt hohe<br />

Luftemissionen an Kohlenwasserstoffen,<br />

große Reinigungs- und Rückstandsmengen<br />

und dauert etliche Tage. Die Reinigung des<br />

Rohöltankes selbst ist schon ein Vorgang,<br />

bei dem die Überwachungsbehörde beteiligt<br />

wird. Dann kommen die eigentliche Prüfung<br />

und alle Instandsetzungs- und Wartungsarbeiten.<br />

Für den Zeitraum müssen Ersatzlagerkapazitäten<br />

geschaffen werden, um Produktionsausfälle<br />

zu vermeiden.<br />

Oder die EFÜ Meldung, das Elektrofi lter muss<br />

für Wartungs- und Reparaturarbeiten abgeschaltet<br />

werden, bedeutet: In dem Filter<br />

herrscht während des Betriebs eine Temperatur<br />

von über 400 °C. In dem Filterraum sind<br />

große Stahleinbauten und, bevor dort überhaupt<br />

Arbeiten durchgeführt werden können,<br />

muss der Filterraum 2 bis 3 Tage auskühlen.<br />

Allein durch Eintrag eines Termins oder<br />

einer Meldung in die entsprechende Tabelle,<br />

bekommt man keine Vorstellung von dem<br />

dahinter stehenden Aufwand oder den Sach-<br />

Luft und Lärm<br />

49


Luft und Lärm<br />

50<br />

zwängen. Letztlich müssen sehr viele Ereignisse<br />

virtuell (das heißt Informationen verdichten<br />

und auswertbar zusammenstellen)<br />

verwaltet werden, damit von komplexen<br />

Standorten Übersichten geschaffen werden.<br />

Aber nur, wenn man den dahinter ste-<br />

henden Aufwand einschätzen kann, werden<br />

Überwachungsaufgaben gut erfüllt.<br />

Diese Erfahrungen bekommt man nur im<br />

engen Dialog mit den Verantwortlichen und<br />

durch Vor-Ort-Informationen am konkreten<br />

Projekt, also reell vor Ort.


Umsetzung der<br />

Wasserrahmenrichtlinie<br />

– WRRL in Europa und<br />

Nordrhein-Westfalen<br />

Kunibert Horstmann<br />

Während der Tagung in der Landesvertretung<br />

NRW in Berlin im Januar <strong>2005</strong> war das<br />

Staatliche Umweltamt <strong>Herten</strong> sowohl aktiv<br />

zum Thema „Grenzkonfl ikte im Alltag?“ als<br />

auch mit einem betreuten Stand per Poster<br />

und PowerPoint-Präsentation der Ergebnisse<br />

aus den Arbeitsgebieten „Emscher“ und „Ijsselmeer-Zufl<br />

üsse NRW“ vertreten.<br />

Zum ersten Tagungsblock wurde zu „Handlungsnotwendigkeiten,<br />

Möglichkeiten und<br />

Perspektiven“, im Weiteren zu „Erfahrungen<br />

aus der Bestandsaufnahme zur wirtschaftlichen<br />

Analyse“, zu „Was lernen wir aus den<br />

bisherigen Erfahrungen?“ referiert.<br />

Wasser<br />

In den weiteren Tagungsblöcken beziehungsweise<br />

Referaten wurde zum „Monitoring<br />

– Planung und Umsetzung“, zu „Wechselwirkungen<br />

zwischen WRRL und laufenden<br />

Vorhaben, der Öffentlichkeitsbeteiligung und<br />

den Anforderungen an den weiteren Umsetzungsprozess“<br />

aus Sicht der Akteure vorgetragen<br />

und lebhaft diskutiert.<br />

Hierbei wurden sowohl internationale Ergebnisse<br />

und Erfahrungen mit der Bestandsaufnahme<br />

einiger EU-Mitgliedstaaten als auch<br />

nationale nordrhein-westfälisch geprägte<br />

Situationen der Bestandsaufnahme vorgestellt.<br />

Dieser fachliche und übergreifende<br />

Gedankenaustausch wurde dann in einem<br />

frühabendlichen „get together“ vertieft.<br />

Höhepunkt war ohne Zweifel der persönliche<br />

Besuch von Frau Ministerin Bärbel Höhn am<br />

Stand des Staatlichen Umweltamtes <strong>Herten</strong>.<br />

Alles in allem eine sehr gelungene Veranstaltung<br />

mit hohem Wiederholungswert.<br />

Wasser<br />

51<br />

Umsetzung der Wasserrahmen<br />

richtlinie - WRRL in Europa und Nordrhein-Westfalen


Trendbetrachtungen zum Nitrat-Stickstoff im Grundwasser des<br />

WRRL-Arbeitsgebietes der Ijsselmeer-Zufl üsse / NRW<br />

Wasser<br />

52<br />

Trendbetrachtungen<br />

zum Nitrat-Stickstoff im<br />

Grundwasser des WRRL-<br />

Arbeitsgebietes der Ijsselmeer-Zufl<br />

üsse/NRW<br />

Einführung<br />

Dietmar Wyrwich<br />

Aus der Bestandsaufnahme zur Umsetzung<br />

der EU-Wasserrahmenrichtlinie (WRRL) hat<br />

sich ergeben, dass die meisten Grundwasserkörper<br />

im Einzugsgebiet der Ijsselmeer-<br />

Zufl üsse in Nordrhein-Westfalen (NRW)<br />

durch diffuse Stickstoff-Einträge belastet sind<br />

(Stand 2003). Dies ist in den Grundwasserproben<br />

an einem erhöhten Nitrat-Stickstoffund<br />

Ammonium-Stickstoff-Gehalt erkennbar.<br />

Es wird vermutet, dass diese Einträge überwiegend<br />

aus der Landwirtschaft stammen.<br />

Das Umweltziel der Wasserrahmenrichtlinie,<br />

einen guten chemischen Zustand des<br />

Grundwassers zu erreichen, wird verfehlt,<br />

wenn der Nitrat-Gehalt den Grenzwert von<br />

50 mg/l überschreitet. Die Erreichung dieses<br />

Ziels ist gefährdet, wenn ein ansteigender<br />

Trend in der Schadstoff-Konzentration zu<br />

beobachten ist. Auf diese Tatsache nimmt<br />

daher die WRRL ebenfalls Bezug.<br />

Nach Artikel 4 der WRRL unter Buchstabe b)<br />

müssen die Mitgliedstaaten Maßnahmen<br />

durchführen, um die Einleitung von Schadstoffen<br />

in das Grundwasser zu verhindern<br />

oder zu begrenzen und eine Verschlechterung<br />

des Zustands aller Grundwasserkörper<br />

zu verhindern. Dies bedeutet, dass bei<br />

signifi kanten und anhaltenden Trends einer<br />

Steigerung der Konzentration von Schadstoffen<br />

durch menschliche Tätigkeiten eine<br />

Trendumkehr herbeizuführen ist, wie dies<br />

in Artikel 4 Buchtabe b) Unterpunkt iii) ausdrücklich<br />

gefordert wird. In diesem Zusammenhang<br />

ist eine nähere Betrachtung der<br />

Entwicklung der Nitrat-Konzentration beziehungsweise<br />

des Nitrat-Stickstoff-Gehaltes<br />

im Grundwasser interessant.<br />

In NRW werden bereits seit 1984 regelmäßig<br />

an repräsentativen Grundwasser-Messstellen<br />

Untersuchungen über die Beschaffenheit<br />

des Grundwassers durchgeführt.<br />

Unter anderen wird auch der Parameter Nitrat-Stickstoff<br />

gemessen. Die Umrechnung<br />

von Nitrat-Stickstoff auf Nitrat erfolgt durch<br />

Multiplikation mit dem Faktor 4,427.<br />

Die Messstellen verteilen sich gleichmäßig<br />

auf das gesamte Einzugsgebiet der Ijsselmeer-Zufl<br />

üsse in NRW. Sie wurden seinerzeit<br />

so ausgewählt, dass sie für ein geologisch<br />

einheitlich aufgebautes Gebiet (Grundwasserkörper)<br />

die Beschaffenheit des Grundwassers<br />

im obersten Grundwasserstockwerk<br />

repräsentieren. Dabei sollten eng begrenzte<br />

örtliche Belastungen nicht erfasst werden.<br />

Die Abbildung 1 zeigt die Verteilung dieser<br />

Messstellen. Das Grundwasser in den tieferen<br />

Bereichen des Grundwasserleiters oder<br />

in tieferen Stockwerken wird zum überwiegenden<br />

Teil durch Förderbrunnen der Wasserwerke<br />

erfasst. Auch die Beschaffenheit dieses<br />

Wassers wird regelmäßig überwacht. In diesem<br />

Beitrag soll aber nur das Grundwasser<br />

der oberen Grundwasserhorizonte betrachtet<br />

werden, da Schadstoffeinträge zunächst hier<br />

am deutlichsten sichtbar sind.


Abbildung 1: Grundwassergüte-Messstellen im Arbeitsgebiet Ijsselmeer-Zufl üsse in NRW<br />

Abbildung 2: Grundwasserkörper im Arbeitsgebiet Ijsselmeer-Zufl üsse in NRW<br />

Wasser<br />

53


Wasser<br />

54<br />

Nach Inkrafttreten der EU-Wasserrahmenrichtlinie<br />

wurde das Messnetz erweitert und<br />

auf die hierfür eigens defi nierten Grundwasserkörper<br />

angepasst.<br />

Da an den neu hinzugekommenen Messstellen<br />

bisher nur wenige Messungen vorliegen,<br />

wurden diese für eine Trendbetrachtung<br />

noch nicht herangezogen. Alle wasserwirtschaftlich<br />

bedeutenden Grundwasserkörper<br />

werden durch die langjährig beprobten<br />

Messstellen berücksichtigt.<br />

Messergebnisse<br />

Aus Abbildung 2 gehen die Grundwasserkörper<br />

hervor. Mit Hilfe der Abbildungen 1 und<br />

2 sowie der Bezeichnung der Messstellen an<br />

den Gangliniendiagrammen (Abbildung 3)<br />

ist eine Zuordnung möglich. Die Ganglinien<br />

zeigen den Stand der Nitrat-N-Konzentration<br />

im Grundwasser bis zum Jahre <strong>2005</strong>.<br />

Der Grundwasserkörper 928_1, Niederung<br />

des Rheins/Issel - Talsandebene, weist an<br />

den Messstellen sowohl fallende als auch<br />

steigende Tendenzen im Nitrat-Stickstoff auf.<br />

Das Verhältnis der Anzahl der Messstellen<br />

mit fallender und steigender Tendenz kann<br />

als ziemlich ausgeglichen angesehen werden.<br />

Von den drei Messstellen im Grundwasserkörper<br />

928_2 (Niederung des Rheins mit<br />

Bocholter Aa - Talsandebene) zeigt die Messstelle<br />

im nördlichen Gebiet einen deutlichen<br />

Anstieg des Nitrat-Stickstoff-Gehaltes auf.<br />

Im Grundwasserkörper 928_17 (Tertiär des<br />

westlichen Münsterlandes / Issel) ist vor 1995<br />

zunächst ein Anstieg, danach ein abnehmender<br />

Nitrat-Stickstoff-Gehalt zu beobachten.<br />

In den Halterner Sanden Nord (Grundwasserkörper<br />

928_18) weist eine der beiden Messstellen<br />

eine fallende Tendenz im Nitrat-Stickstoff-Gehalt<br />

auf. Dagegen ist im nordöstlichen<br />

Gebiet ab 1996 ein auffallend starker Anstieg<br />

bis zum Jahr 2004 zu verzeichnen, der<br />

danach nur ein wenig zurückging. Ob dies als<br />

Trendumkehr zu betrachten ist, bleibt abzuwarten.<br />

Auf jeden Fall müssen die Ursachen<br />

dieses Anstieges näher untersucht werden.<br />

Im Gebiet der Münsterländer Oberkreide/<br />

West (Grundwasserkörper 928_19) hält sich<br />

insgesamt gesehen ein ansteigender und fallender<br />

Trend im Nitrat-Stickstoff die Waage.<br />

Eine Messstelle im Randbereich zu den Halterner<br />

Sanden zeigt auch hier seit dem Jahr<br />

2000 erneut einen bedenklichen Anstieg.<br />

Bei den beiden Messstellen im Cenoman-<br />

Turon-Zug des westlichen Münsterlandes<br />

(Grundwasserkörper 928_13) kann, obwohl<br />

rechnerisch vorhanden, nicht von einem<br />

Anstieg im Nitrat-Stickstoff-Gehalt gesprochen<br />

werden, da sich in den letzten<br />

10 Jahren die Verhältnisse als konstant<br />

erwiesen haben. Ähnliches gilt für den<br />

Grundwasserkörper 928_12 (Unterkreide<br />

des westlichen Münsterlandes).<br />

Im Grundwasserkörper 928_04 (Niederungen<br />

im Einzugsgebiet der Issel/Berkel) ist<br />

nur eine langjährig beobachtete Messstelle<br />

vorhanden. Sie zeigt in den letzten 10 Jahren<br />

einen negativen bis konstanten Nitrat-<br />

Stickstoff-Gehalt im Grundwasser auf.<br />

Die Messstellen in der Niederung der Dinkel<br />

(Grundwasserkörper 928_06) weisen alle<br />

einen abnehmenden bis gleich bleibenden


Abbildung 3 Zeitliche Entwicklung des Nitrat-N-Gehaltes im Grundwasser<br />

Wasser<br />

55


Wasser<br />

56<br />

Trend im Nitrat-Stickstoff-Gehalt auf. Ähnlich<br />

ist die Situation in der Niederung der Vechte<br />

(Grundwasserkörper 928_07_1) zu bewerten.<br />

Im Gebiet des Ochtruper Sattels (Grundwasserkörper<br />

928_10) können die Verhältnisse<br />

eher verschiedenartig vorliegen,<br />

obwohl sich rein rechnerisch bei den Messstellen<br />

ein negativer Trend ergibt.<br />

Meist sind die Messreihen jedoch für eine<br />

gesicherte Aussage zu kurz. Lezteres gilt<br />

auch für den Grundwasserkörper (928_21)<br />

der Oberkreide der Baumberge/Schöppinger<br />

Berg/Osterwicker Hügelland. Die einzige<br />

langjährig beobachtete Messstelle erfasst<br />

dort als Quelle ein größeres Einzugsgebiet<br />

und ist somit für diesen gesamten Bereich<br />

repräsentativ. Hier zeigt sich über die letzten<br />

20 Jahre ein leichter, jedoch stetiger Anstieg<br />

im Nitrat-Stickstoff-Gehalt des Grundwassers.<br />

Fazit<br />

Die Betrachtung nur eines Parameters, wie<br />

hier des Nitrat-Stickstoffs, reicht bei weitem<br />

nicht aus, um eine Bewertung seines Verhaltens<br />

im Grundwasser des Arbeitsgebietes<br />

vorzunehmen. Hierzu müssten weitere korrespondierende<br />

Stoffe und Parameter, wie<br />

• Ammonium-Stickstoff,<br />

• Nitrit-Stickstoff,<br />

• Humin-Stoffe und andere organische<br />

Substanzen,<br />

• Sulfat,<br />

• Redoxpotenzial,<br />

• Eisen,<br />

• ...,<br />

dazu die Landnutzungsform und deren<br />

Wechsel untersucht werden, was im Rahmen<br />

dieses Beitrages nicht möglich ist. Auch die<br />

Messergebnisse weiterer Messstellen, wie die<br />

der Vorfeld-Messstellen und der Förderbrunnen,<br />

müssen noch ausgewertet werden.<br />

Der Nitrat-Stickstoff wurde gewählt, weil<br />

dieser zu den wesentlichen Belastungsstoffen<br />

über diffuse Einträge zählt und als Indikator<br />

für anthropogene Beeinfl ussung gilt<br />

und weil für ihn auch von der EU bereits<br />

jetzt ein Grenzwert festgesetzt ist.<br />

Zunächst muss sich über die Quellen dieser<br />

Einträge Klarheit verschafft werden, bevor<br />

Maßnahmen zur Ursachenbekämpfung formuliert<br />

werden können. Außerdem ist auch<br />

das Verhalten des Stickstoffs im tieferen<br />

Grundwasserleiter zu erkunden. Dazu verhelfen<br />

die zahlreichen Analysen der Rohwasserüberwachung.<br />

Die nach den dargestellten Ganglinien vielfach<br />

auch auftretenden fallenden Trends in<br />

der zeitlichen Entwicklung der Nitrat-Konzentration<br />

im Grundwasser können vielleicht<br />

auf eine Reduzierung des Stickstoff-Eintrags<br />

ins Grundwasser in Teilen des Gebietes hindeuten.<br />

Andererseits ist der hohe Anstieg<br />

des Nitrat-Stickstoffs im Grundwasser im<br />

Bereich der Halterner Sande oder in deren<br />

Grenzgebiet Besorgnis erregend.<br />

Hier besteht Handlungsbedarf. Untersuchungen<br />

und Folgemaßnahmen zum Schutz dieses<br />

wichtigen Trinkwasservorkommens sind<br />

daher alsbald einzuleiten.


Rohstoffgewinnung im<br />

WRRL-Arbeitsgebiet der<br />

Ijsselmeer-Zufl üsse/NRW<br />

und der Lippe<br />

Kunibert Horstmann und Dietmar Wyrwich<br />

Gebiet der Ijsselmeer-Zufl üsse/<br />

NRW<br />

Geologischer Überblick<br />

Das Einzugsgebiet der Ijsselmeer-Zufl üsse<br />

in Nordrhein-Westfalen (NRW) erstreckt<br />

sich, geologisch gesehen, vom Kernbereich<br />

des Münsterländer Kreide-Beckens über<br />

seinen nördlichen und westlichen Rand hinaus<br />

bis ins angrenzende Niedersächsische<br />

Tektogen im Norden und in den Bereich<br />

der Ostholländischen Trias-Platte im Nordwesten<br />

beziehungsweise ins Niederrheinische<br />

Tertiär-Becken im Westen. Durch diese<br />

Hauptstrukturen geprägt, treten im Einzugsgebiet<br />

verschiedene Gesteine zutage, die<br />

Abbildung 1: Lagerstätten der Steine und Erden im Einzugsgebiet der Ijsselmeer-Zufl üsse/NRW<br />

nicht nur als Speicher für die Wassergewinnung,<br />

sondern auch als Rohstoff-Lagerstätten<br />

für die Steine- und Erden-Industrie von<br />

Bedeutung sind. So wird das nordöstliche<br />

Gebiet überwiegend von karbonatischen<br />

Festgesteinen der Oberkreide aufgebaut, die<br />

sich nach Norden und Westen hin fortsetzen<br />

und dort von quartären Lockergesteinen,<br />

meist Sande und Lehme, bedeckt werden.<br />

Erst am Rande des Münsterländer Beckens<br />

treten diese karbonatischen Gesteine wieder<br />

an die Oberfl äche, zusammen mit den<br />

stärker tonig ausgebildeten Gesteinen der<br />

Unterkreide. Diese haben ebenfalls als Rohstoffquelle<br />

Bedeutung, die dann bis zur niederländischen<br />

Grenze mit dem Auftauchen<br />

älterer mesozoischer Gesteine wegen ihrer<br />

geringen Ausdehnung verloren geht. Im<br />

westlichen und südwestlichen Gebiet übernehmen<br />

Lockergesteine der Kreide, des Tertiärs<br />

und Quartärs die Rolle des Rohstofflieferanten<br />

(Abbildung 1).<br />

Wasser<br />

57<br />

Rohstoffgewinnung im WRRL-Arbeitsgebiet der Ijsselmeer-<br />

Zufl üsse/NRW und der Lippe


Wasser<br />

58<br />

Nutzbare Lagerstätten der Steine<br />

und Erden<br />

Sand, Kies<br />

Sande und Kiese sind fast überall im<br />

Arbeitsgebiet als glaziale, fl uviatile und<br />

äolische Ablagerungen verbreitet, wobei<br />

die größeren zusammenhängenden Vorkommen<br />

in Bereichen der Niederterrasse, insbesondere<br />

von Issel, Bocholter Aa, Dinkel<br />

und Vechte zu fi nden sind.<br />

Auch die glazialen Sande und Kiese des<br />

Münsterländer Kiessandzuges am Nordostrand<br />

des Einzugsgebietes waren ein begehrter<br />

Rohstoff vor allem als Betonkies<br />

und wurden bei Neuenkirchen und Haddorf<br />

abgebaut. Da dort auch Trinkwassergewinnung<br />

stattfi ndet, wurde zu Gunsten dieser<br />

der Abbau im Kiessandzug innerhalb von<br />

Nordrhein-Westfalen eingestellt.<br />

Die Bereiche der Niederterrasse bieten aber<br />

immer noch genügend Gewinnmöglichkeiten.<br />

Die Mächtigkeit dieser Sandkörper<br />

beträgt hier meist um 10 m, kann aber in<br />

Rinnen örtlich bis auf 40 m ansteigen. Das<br />

Material wird meist als Bausand und für die<br />

Kalksandstein-Herstellung gewonnen.<br />

Auch die unverfestigten sandigen bis grobkiesigen<br />

Lagen der Kuhfeld-Schichten<br />

(Unterkreide) bei Stadtlohn liefern gutes<br />

Material und werden abgebaut.<br />

Als quarzreich mit über 98 % SiO erwei-<br />

2<br />

sen sich insbesondere die Haltern-Sande<br />

(Oberkreide). Sie kommen im Raum östlich<br />

von Borken vor, wo ebenfalls ein Sandabbau<br />

stattfi ndet. Der hier gewonnene Sand fi ndet<br />

in der Bauindustrie Verwendung.<br />

Lehm, Schluff, Ton, Tonstein, Mergel<br />

Lehme und Schluffe fi nden ebenfalls im<br />

Arbeitsgebiet eine große Verbreitung. Sie<br />

liegen überwiegend als Grundmoräne in<br />

Form von Geschiebelehm in verschiedener<br />

Mächtigkeit und Zusammensetzung vor,<br />

häufi g in Abhängigkeit des Untergrundes.<br />

Im Raum um Coesfeld, wo karbonatische<br />

Festgesteine anstehen, weist der Geschiebemergel<br />

eine höhere Kalkkomponente auf.<br />

Er wird für die Ziegelherstellung verwendet.<br />

Ebenfalls Verwendung in der Ziegelindustrie<br />

und Baukeramik fi nden die zum Teil feinstsandigen<br />

schluffi gen Tone, tonigen Schluffe<br />

und feinsandigen Schluffe der Ratingen- und<br />

Lintfort-Schichten (Tertiär) im Raum Rhede.<br />

Auch im nordwestlichen Gebiet und bei<br />

Ochtrup wird Lehm, Ton und Tonstein abgebaut.<br />

Letztere stammen meist aus der<br />

Unterkreide (Barrême) und dienen der Herstellung<br />

von Ziegeln, Leichtbausteinen, Klinkern<br />

und Deponiedichtungen. Ausreichende<br />

Vorräte von Ton- und Tonmergelstein (Barrême,<br />

Apt) sind vorhanden.<br />

Kalkstein<br />

Von den karbonatischen Festgesteinen liefern<br />

die Schichtfolgen des Cenoman und<br />

Turon (Oberkreide) abbauwürdige Kalkstein-Vorkommen.<br />

Sie sind auf einen etwa<br />

S-förmig streichenden fl achen Höhenrücken<br />

am Bilker Berg im Nordosten des Einzugsgebietes<br />

beschränkt.<br />

Die Calcium-Karbonat-Gehalte der etwa 40<br />

bis 50 m mächtigen, dünn- bis mittelbankigen<br />

Kalksteine liegen bei zirka 90 bis 92 %.<br />

Die Kalksteine werden zur Kalksandstein-


herstellung sowie als Bau- und Düngekalk<br />

verwendet. Sie sind auch als Zementrohstoff<br />

geeignet. Ausreichende Vorräte am Bilker<br />

Berg sind vorhanden.<br />

Auch zwischen Ahaus und Stadtlohn bilden<br />

Kalk- und Mergelsteine einen fl achen<br />

Höhenrücken, an dem bei Wüllen und früher<br />

zwischen Stadtlohn und Südlohn ein<br />

Abbau stattgefunden hat. Es handelt sich<br />

hier überwiegend um eine rund 70 bis<br />

90 m mächtige Wechselfolge von Kalk- und<br />

Mergelsteinen des Unter- und Mittelturon<br />

(Wüllen-Formation) mit einem Kalkgehalt<br />

von zirka 80 bis 90 %.<br />

Der Abbau dieser auch für die Zementherstellung<br />

geeigneten Gesteine wurde mit<br />

Rücksicht auf die Trinkwassergewinnung<br />

eingestellt. Der Kalkstein-Zug setzt sich<br />

weiter nach Süden in einzelnen Schollen in<br />

den Raum von Öding bis Weseke fort, wobei<br />

eine Nutzung jedoch wegen der Bebauung<br />

hier wohl kaum infrage kommt.<br />

Die Mergelkalksteine der Baumberge werden<br />

nicht mehr gewonnen und dienten früher<br />

zum Kalkbrennen. Bei der zur Baumberge-<br />

Formation gehörenden Hauptwerksteinbank,<br />

fälschlich als „Baumberge-Sandstein“<br />

bezeichnet, handelt es sich um einen sandigen<br />

Kalkstein mit 50 bis 70 % Calcium-<br />

Carbonat und einer Mächtigkeit zwischen 2<br />

und 5 m. Er gliedert sich in mehrere Lagen,<br />

die sich für Steinmetzarbeiten und Reliefbildwerke<br />

verarbeiten lassen. Das Gestein<br />

wurde früher vor allem zum Kirchenbau<br />

verwendet. Ein Abbau für Steinmetzarbeiten<br />

erfolgt noch in zwei Betrieben, jedoch etwas<br />

außerhalb des Arbeitsgebietes<br />

Sandstein<br />

Sandsteine, wie der außerhalb des Einzugsgebietes<br />

gewonnene Bentheim-Sandstein,<br />

haben hier wegen ihrer geringen Ausdehnung<br />

als nutzbare Lagerstätten keine Bedeutung.<br />

Auch der Gildehaus- und Rothenberg-Sandstein<br />

der Unterkreide sind aufgrund ihrer geringen<br />

Festigkeit als Werkstein bedeutungslos.<br />

Torf<br />

Torfabbau wurde im Amtsvenn, Ammeloer<br />

Venn und Zwillbrocker Venn betrieben. Der<br />

Torf diente als Brennmaterial, Dünger und zur<br />

Bodenverbesserung. Heute sind diese Gebiete<br />

fast vollständig abgetorft beziehungsweise<br />

die Hochmoor-Restbestände geschützt.<br />

Abbau der Lagerstätten im<br />

Arbeitsgebiet<br />

Die Abbildung 2 zeigt die zurzeit betriebenen<br />

und die geplanten Abbaustellen der Steineund<br />

Erden-Industrie im Arbeitsgebiet, unterteilt<br />

nach gewonnenem Rohstoff und der Art<br />

der Gewinnung (Trocken- oder Nassabgrabung).<br />

Außerdem sind auch die schon beendeten<br />

Abgrabungen mit aufgeführt, wobei<br />

ihre Darstellung jedoch unvollständig ist.<br />

Aus der Tabelle 1 gehen die Anzahl und die<br />

Gesamtfl ächengröße dieser Abbaustandorte<br />

hervor. Demnach nehmen gegenwärtig die<br />

aktiven Abgrabungsstandorte eine Gesamtfl<br />

äche von zirka 386 ha beziehungsweise<br />

3,86 km² ein. Dies macht etwa 0,2 % der<br />

Gesamtfl äche des Einzugsgebietes der Ijsselmeer-Zufl<br />

üsse/NRW aus.<br />

Zählt man die geplanten und die bisher<br />

erfassten, abgeschlossenen Abgrabungen<br />

hinzu, so ergibt sich eine durch die Rohstoffgewinnung<br />

beanspruchte Fläche von 972 ha<br />

Wasser<br />

59


Wasser<br />

60<br />

Abbildung 2: Abbaustellen der Steine- und Erden-Industrie im Einzugsgebiet der Ijsselmeer-Zufl üsse/NRW<br />

Anzahl Gewinnung von Art der Gewinnung Stand Flächengröße [ha]<br />

5 Sand, Kies trocken betrieben 25,7<br />

20 Sand, Kies nass betrieben 273,0<br />

1 Sand, Kies trocken geplant 6,6<br />

12 Sand, Kies nass geplant 155,4<br />

9 Sand, Kies trocken beendet 43,7<br />

16 Sand, Kies nass beendet 250,1<br />

11 Lehm, Ton trocken betrieben 61,2<br />

4 Lehm, Ton nass betrieben 17,0<br />

2 Lehm, Ton trocken geplant 3,6<br />

17 Lehm, Ton trocken beendet 89,2<br />

5 Lehm, Ton nass beendet 25,4<br />

1 Kalkstein trocken betrieben 8,8<br />

2 Kalkstein trocken beendet 12,2<br />

1 unbekannt unbekannt beendet 0,4<br />

Tabelle 1: Zusammenfassende Übersicht über die Abbaustandorte


eziehungsweise 9,72 km² oder 0,45 % des<br />

Arbeitsgebietes. Es ist jedoch davon auszugehen,<br />

dass noch über 100 weitere ehemalige<br />

Abgrabungsstandorte existieren. Daher<br />

dürften die Abgrabungsfl ächen insgesamt<br />

einen Anteil von knapp 1 % ausmachen.<br />

Konkurrierende Nutzung zwischen der<br />

Steine- und Erden-Industrie und der<br />

Trinkwassergewinnung im Einzugsgebiet<br />

der Ijsselmeer-Zufl üsse/NRW<br />

Die gesuchten Rohstoffe stellen auch zugleich<br />

gute Grundwasserleiter dar, wie die<br />

Sande und Kiese oder die Kalkstein-Vorkommen.<br />

Aus ihnen werden große Mengen<br />

an Trink- und Brauchwasser für die öffentliche<br />

Wasserversorgung gewonnen. Dieses<br />

Grundwasser bildet ein wichtiges Lebensmittel,<br />

das besonders geschützt werden muss.<br />

Durch Trockenabgrabungen werden die schützenden<br />

Deckschichten in ihrer Mächtigkeit<br />

gemindert, so dass Verunreinigungen leichter<br />

bis zum Grundwasser vordringen können. Bei<br />

Nassabgrabungen wird der Grundwasserspiegel<br />

freigelegt und sein Schutz ist dann nicht<br />

mehr gewährleistet. Außerdem eutrophiert<br />

jeder Baggersee im Laufe der Zeit, was einen<br />

negativen Einfl uss auf die Qualität des Grundwassers<br />

haben kann.<br />

Daher können die potenziell vorhandenen<br />

Lagerstätten nicht uneingeschränkt genutzt<br />

werden, sondern es bedarf einer sorgfältigen<br />

Abwägung, ob und wo der Trinkwasseroder<br />

der Rohstoffgewinnung der Vorrang<br />

eingeräumt werden muss.<br />

Beispiele im Arbeitsgebiet sind der Münsterländer<br />

Kiessandzug oder der Ahauser<br />

Cenoman-Turon-Zug, wo die Gewinnung von<br />

Trinkwasser die höhere Priorität besitzt.<br />

Die Abbildung 3, in der neben den Lagerstätten<br />

der Steine und Erden auch die Trinkwasserschutzgebiete<br />

beziehungsweise die<br />

Grundwasser-Einzugsgebiete zu den Brunnengalerien<br />

der öffentlichen Wasserversorgung<br />

dargestellt sind, gibt eine Vorstellung<br />

von der Verteilung dieser beiden in Konkurrenz<br />

stehenden Nutzungen (siehe dazu<br />

auch letztes Kapitel).<br />

Lippe-Teilgebiet<br />

Geologischer Überblick<br />

Das Lippe-Gebiet innerhalb des Dienstbezirkes<br />

des Staatlichen Umweltamtes<br />

(<strong>StUA</strong>) <strong>Herten</strong> befi ndet sich im südwestlichen<br />

Teil des Münsterländer Kreide-<br />

Beckens und grenzt im Westen an das Niederrheinische<br />

Tertiär-Becken.<br />

Der größte Teil des Gebietes wird von den<br />

Haltern-Sanden des Santon und Untercampan<br />

aufgebaut, die im Westen schollenartig<br />

im Bereich der Dorstener und Wulfener<br />

Kreide-Mulde von den Bottrop-Mergeln<br />

überlagert werden. Im Süden tritt die unter<br />

der Haltern-Formation liegende Recklinghausen-Formation<br />

in einer stärker sandigmergeligen<br />

Ausbildung zu Tage.<br />

Die Schichten der Oberkreide werden im<br />

äußersten Westen von tertiären Schichten<br />

überlagert, im größten Teil des Gebietes<br />

jedoch von quartären Ablagerungen, überwiegend<br />

von Grundmoräne und Fluss-Terrassen<br />

sowie äolischen Bildungen (Abbildung 4).<br />

Wasser<br />

61


Wasser<br />

62<br />

Abbildung 3: Konkurrierende Nutzung zwischen Rohstoff- und Grundwassergewinnung im Einzugsgebiet<br />

der Ijsselmeer-Zufl üsse/NRW<br />

Abbildung 4: Lagerstätten der Steine und Erden im Lippe-Teileinzugsgebiet


Nutzbare Lagerstätten der Steine<br />

und Erden<br />

Sand, Kies<br />

Im zuvor näher beschriebenen Teilarbeitsgebiet<br />

Lippe haben vor allem die Sand-<br />

Lagerstätten eine große Bedeutung, die im<br />

Wesentlichen von der Haltern-Formation im<br />

Raum längs der Linie Reken – Haltern –<br />

Datteln und bei Dorsten gestellt werden.<br />

Diese Haltern-Sande weisen eine wechselnde<br />

Körnung und Zusammensetzung auf<br />

und enthalten örtlich unterschiedliche Einlagerungen<br />

von mergeligem Sand, Kalksandsteinbänken<br />

und Verkieselungen.<br />

Im Gebiet um Haltern, Flaesheim, Sythen<br />

und Maria Veen sind die Sande meist feinbis<br />

mittelkörnig und sehr rein mit einem<br />

Quarzgehalt von 99,6 bis 99,8 % und weisen<br />

eine Mächtigkeit von 60 bis 70 m auf.<br />

Sie werden dort für die Glas-, keramische,<br />

Eisen-, Stahl- und chemische Industrie<br />

abgebaut. Die schluffi gen Sandlagen wurden<br />

als Formsande verwendet.<br />

Bei Marl-Sinsen und Kirchhellen wurden<br />

größere Formsand-Vorkommen abgebaut.<br />

Bei ihnen handelte es sich um fast völlig<br />

entkalkte Mergelsande der Recklinghausen-<br />

Formation mit einem hohen Eisenoxid- und<br />

Schluff-Gehalt, der die für Gießereizwecke<br />

erforderliche Bindigkeit verleiht.<br />

Gegenwärtig wird in der Gießerei-Industrie<br />

nur aufbereiteter Haltern-Quarzsand verwendet.<br />

Die weniger reinen Haltern-Sande<br />

eignen sich als Bausand und zur Herstellung<br />

von Kalksandsteinen.<br />

Zu diesem Zweck werden auch in der nordöstlichen<br />

Kirchheller Heide tertiäre Fein- bis<br />

Mittelsande der Walsum-Schichten abgebaut,<br />

die dort zum Teil unter geringmächtigen<br />

Hauptterrassen-Kiesen und Dünensande<br />

lagern. Zu erwähnen sind noch die grobsandigen<br />

bis feinkiesigen Lagen aus dem obersten<br />

Teil der Haltern-Sande, die bei Haltern-<br />

Hammbossendorf wegen ihres gleichmäßigen<br />

Korns, auch „Pfl asterkiese von Hamm“<br />

genannt, als Bausand und Straßenbaumaterial<br />

gewonnen wurden.<br />

Am Westrand des Gebietes liefert die Jüngere<br />

Rhein-Hauptterrasse 1 bis 8 m, in Rinnen<br />

auch bis zu 15 m mächtige Kiese und kiesige<br />

Sande, die in der Kirchheller und Schwarzen<br />

Heide sowie bei Dorsten um das Forsthaus<br />

Freudenberg abgebaut werden. Sie fi nden<br />

als Baustoff, Reitsand und zur hochwertigen<br />

Weiterverarbeitung Verwendung.<br />

Kiesige Sande fi nden sich ferner in Schmelzwasserablagerungen<br />

zwischen Sinsen und<br />

Oer-Erkenschwick und bei Marl und Dorsten.<br />

Niederterrassen- und Flugsande werden zum<br />

Beispiel bei Flaesheim für die Herstellung von<br />

Kalksandsteinen gewonnen. Dabei erweist<br />

sich der geringe Schluff-Gehalt als günstig.<br />

Lehm, Schluff, Ton, Tonstein, Mergel<br />

Verbreitet ist auch die Grundmoräne, die<br />

weitgehend zu Geschiebelehm entkalkt<br />

ist. Er tritt in unterschiedlicher Mächtigkeit<br />

besonders zwischen Groß Reken und Wulfen,<br />

südlich Dorsten und im Südosten auf.<br />

Ein Abbau erfolgte in Waltrop.<br />

Die bei Schermbeck abgebauten tertiären<br />

Tone der Ratingen- und Lintfort-Schichten<br />

Wasser<br />

63


Wasser<br />

64<br />

Abbildung 5: Abbaustellen der Steine- und Erden-Industrie im Lippe-Teileinzugsgebiet<br />

Anzahl Gewinnung von Art d. Gewinnung Stand Flächengröße [ha]<br />

14 Sand, Kies trocken betrieben 219,8<br />

17 Sand, Kies nass betrieben 1756,0<br />

3 Sand, Kies trocken geplant 124,5<br />

32 Sand, Kies trocken beendet 241,5<br />

1 Sand, Kies nass beendet 128,4<br />

1 Lehm, Ton trocken betrieben 9,7<br />

Tabelle 2: Zusammenfassende Übersicht über die Abbaustandorte<br />

Abbildung 6: Konkurrierende Nutzung zwischen Rohstoff- und Grundwassergewinnung im Lippe-Teileinzugsgebiet


haben hier keine weitere Bedeutung, da<br />

sie dieses Gebiet am Westrand nur so eben<br />

berühren. Die Recklinghausen-Sandmergel<br />

und Mergel der Bottrop-Formation wurden<br />

gelegentlich zu Düngezwecken und zur<br />

Bodenverbesserung abgegraben.<br />

Abbau der Lagerstätten im<br />

Arbeitsgebiet<br />

Die Abbildung 5 zeigt die betriebenen,<br />

geplanten und beendeten Abgrabungen, differenziert<br />

nach Rohstoff und Art des Abbaus.<br />

Für die Sand- und Lehm-Gewinnung werden<br />

zurzeit Flächen in einer Größe von insgesamt<br />

1986 ha in Anspruch genommen, wenn der<br />

Halterner Stausee mit einbezogen wird.<br />

Dies macht bei dem 753,1 km² großen Teilarbeitsgebiet<br />

2,6 % aus. Werden noch die<br />

geplanten und die abgeschlossenen Abgrabungen<br />

hinzugezählt, so ergibt sich eine<br />

Gesamtfl äche von rund 2480 ha und 3,3 %.<br />

Damit ist das Gebiet relativ gut durch die<br />

oberfl ächennahe Rohstoffgewinnung genutzt.<br />

Konkurrierende Nutzung<br />

zwischen der Steine- und<br />

Erden-Industrie und der<br />

Trinkwasserversorgung im<br />

Teilgebiet Lippe<br />

Die Haltern-Sande, die zu einem großen Teil<br />

das Arbeitsgebiet aufbauen, sind ein außerordentlich<br />

bedeutender Grundwasserleiter<br />

für die regionale und überregionale Trinkwasserversorgung.<br />

Daher muss der Lagerstättenabbau<br />

auch hier gewissen Einschränkungen<br />

unterliegen, die durch die Wasserschutzgebiete<br />

vorgegeben werden.<br />

Diesbezügliche Regelungen wurden in neuerer<br />

Zeit im Raum Dorsten und nördlich<br />

Kirchhellen im Grundwasserzustrom eines<br />

großen Wasserwerkes getroffen (siehe<br />

auch letztes Kapitel).<br />

Die Abbildung 6 zeigt die Grundwasserregenerations-<br />

beziehungsweise Grundwassereinzugsgebiete<br />

oder Schutzgebiete der<br />

Brunnengalerien der öffentlichen Trinkwassergewinnung<br />

im Bearbeitungsraum.<br />

Rohstoffgewinnung, Abgrabungen<br />

und Bewirtschaftung des<br />

Grundwassers<br />

Voraussetzung für die Sicherstellung der<br />

öffentlichen Wasserversorgung und gewerblichen<br />

Brauchwasserversorgung ist die Verfügbarkeit<br />

von nutzbaren Wasservorkommen<br />

für den Trinkwasser- und Brauchwasserbedarf.<br />

Für eine Abschätzung des gewinnbaren<br />

Grundwasserdargebotes wurde auf Landesebene<br />

für Nordrhein-Westfalen auf Basis der<br />

Ergebnisberichte zur Europäischen Wasserrahmenrichtlinie<br />

(EU-WRRL) in einem ersten<br />

Schritt die Ergiebigkeit der sogenannten<br />

Grundwasserkörper herangezogen (gemäß<br />

WRRL ist ein Grundwasserkörper ein abgegrenztes<br />

Grundwasservolumen innerhalb<br />

eines oder mehrerer Grundwasserleiter).<br />

Im Dienstbezirk des <strong>StUA</strong> <strong>Herten</strong> sind<br />

dies die Wasservorkommen des Arbeitsgebietes<br />

Ijsselmeer-Zufl üsse/NRW und die<br />

des Arbeitsgebietes Lippe.<br />

Von besonderer Bedeutung sind unter anderem<br />

die als äußerst ergiebig charakterisier-<br />

Wasser<br />

65


Wasser<br />

66<br />

ten Haltern-Sande und die Niederung des<br />

Rheins, ebenso die als ergiebig bis sehr<br />

ergiebig im Dienstbezirk des <strong>StUA</strong> <strong>Herten</strong><br />

anzutreffende Niederung der Rhein/Issel-<br />

Talsandebene, der Bocholter Aa-Talsandebene,<br />

die Niederung der Bocholter Aa,<br />

der Dinkel und der Cenoman-Turon-Zug<br />

im westlichen Münsterland.<br />

Das gewinnbare Grundwasserdargebot<br />

beträgt hier im Dienstbezirk des <strong>StUA</strong> <strong>Herten</strong><br />

rund 180 Millionen m³/a. Das sind rund<br />

47 % des gesamten gewinnbaren Grundwassers<br />

im Regierungsbezirk Münster.<br />

Wie auch im Ergebnisbericht zur Bestandsaufnahme<br />

ausgeführt, bestehen insgesamt<br />

keine mengenmäßigen Probleme. In der<br />

Niederung der Lippe bei Dorsten werden vor<br />

allem Einfl üsse aus Sümpfung und Polderung<br />

als Folgen der untertägigen Gewinnung<br />

von energetischem Rohstoff beziehungsweise<br />

Steinkohle deutlich.<br />

Aus den Erläuterungen zum chemischen<br />

Zustand ergibt sich, dass vor allem diffuse<br />

Belastungen in oberfl ächennahen Grundwasserleitern<br />

die Grundwassergüte beziehungsweise<br />

den Chemismus belasten.<br />

Die Sicherung des gewinnbaren Grundwassers<br />

ist demzufolge weniger aus mengenmäßigen<br />

als aus Qualitätsgründen besonders<br />

geboten, dies insbesondere in den<br />

Bereichen, wo der Abbau von Kies und Sand<br />

nach dem Abgrabungsgesetz NRW in Verbindung<br />

mit dem Wasserhaushaltsgesetz<br />

(Trocken-, Nassabgrabungen) sowie von<br />

energetischen und nicht energetischen Roh-<br />

stoffen (zum Beispiel Steinkohle, Quarzsandabbau)<br />

nach Bundesberggesetz stattfi<br />

ndet oder demnächst zugelassen werden<br />

soll. In der Regel sind diese Bereiche des<br />

nicht energetischen Rohstoffabbaus zugleich<br />

die, welche als äußerst ergiebig bis ergiebig<br />

gekennzeichnet worden sind.<br />

Hier werden Grundwasserlandschaften nachhaltig<br />

verändert und nehmen unter anderem<br />

Einfl uss auf die Grundwasserqualität,<br />

insbesondere dann, wenn durch Freilegen<br />

des Grundwassers und durch Wegnahme der<br />

schützenden Deckschichten die Filterwirkung<br />

gegen Schadstoffe aus unterschiedlichen<br />

Belastungspfaden deutlich gemindert worden<br />

ist. Schadstoffe können dann schneller<br />

das Grundwasser erreichen und in Wassergewinnungsanlagen<br />

eindringen.<br />

Die hier zum Tragen kommenden unterschiedlichen<br />

Nutzungsansprüche an die<br />

wasserwirtschaftlich mit hoher Bedeutung<br />

charakterisierten Grundwasserkörper müssen<br />

einerseits aus dem Besorgnisgrundsatz<br />

heraus vorsorglich geschützt werden. Dies<br />

geschieht in der Regel durch die Ausweisung<br />

von Wasserschutzgebieten.<br />

So sind im Bereich einer Schutzzone III A<br />

in der Regel Nassabgrabungen verboten<br />

(siehe auch Urteil des Oberverwaltungsgerichts<br />

Münster vom 01. Oktober 2001–<br />

20a1945/99). Andererseits sollte zukünftig<br />

eine erweiterte wasserwirtschaftlich<br />

und hydrogeologisch fundierte Betrachtung<br />

der Auswirkungen sowohl auf den Grundwasserober-<br />

als auch auf den Grundwasserunterstrom<br />

erfolgen.


Verfügbare Techniken, wie Grundwasserströmungsmodelle<br />

et cetera sind vorhanden<br />

und könnten mit Hilfe (in)stationärer numerischer<br />

(Mehrschicht-) Grundwassermodelle<br />

das Fließverhalten und damit verbundene<br />

Schadstoffausbreitungen im Grundwasser errechnen<br />

beziehungsweise Wirkungen analysieren.<br />

Die dazugehörige Datenbasis und die<br />

Datenqualität bedürfen deshalb einer ständigen<br />

Aktualisierung und Plausibilisierung.<br />

Eine wesentliche Voraussetzung böte die<br />

integrierte geowissenschaftliche Landesaufnahme,<br />

welche für das Verbreitungsgebiet<br />

der Haltern-Sande aus wasserwirtschaftlicher<br />

Sicht höchste Priorität haben sollte,<br />

ebenso die Landesrohstoffkarte des Geologischen<br />

Dienstes NRW, welche zurzeit aktualisiert<br />

wird. Die Ausweisung wasserwirtschaftlicher<br />

Vorranggebiete unter Beachtung<br />

Literaturquellen<br />

der Ziele der Raumordnung und Landesplanung<br />

(siehe § 2 des Landeswassergesetzes<br />

für das Land Nordrhein-Westfalen (LWG)<br />

„Aufgabe der Wasserwirtschaft, Bewirtschaftungsgrundsätze<br />

und –ziele“) würde die<br />

unterschiedlichen Nutzungsansprüche deutlicher<br />

herausstellen und abgrenzen. Denn<br />

der Schutz des Grundwassers ist auch bei<br />

der Gewinnung von volkswirtschaftlich wichtigen<br />

Rohstoffen erforderlich.<br />

Eine zusammenfassende Darstellung, insbesondere<br />

für den Bereich der öffentlichen<br />

Wasserversorgung mit Angaben der derzeitig<br />

genutzten und zukünftig für eine solche<br />

Nutzung in Betracht kommenden Wasservorkommen,<br />

einschließlich der zu diesem<br />

Zweck zu schützenden Gebiete (§ 2 Absatz<br />

7 LWG) wäre wasserwirtschaftlich vorrangig<br />

und regional zu vertiefen.<br />

[ 1 ] Arnold, H. (1960):<br />

Lagerstätten (außer Steinkohle).- In: Erläuterungen zu Blatt Münster C 4310: Seite 69-70;<br />

Geologische Übersichtskarte von Nordrhein-Westfalen.-<br />

Krefeld.<br />

[ 2 ] Braun, F. J. (1968):<br />

Nutzbare Lagerstätten.- In: Erläuterungen zu Blatt C 4302 Bocholt: Seite 91-92;<br />

Geologische Übersichtskarte von Nordrhein-Westfalen.-<br />

Krefeld.<br />

[ 3 ] Braun, F. J., & Vogler, H. (1987):<br />

Steine und Erden.- In: Erläuterungen zu Blatt C 4306 Recklinghausen: Seite 29-32;<br />

Geologische Karte von Nordrhein-Westfalen 1:100000.-<br />

Krefeld.<br />

[ 4 ] Meyer, B. (1993):<br />

Steine und Erden.- In: Erläuterungen zu Blatt C 3906 Gronau (Westfalen): Seite 30-32;<br />

Geologische Karte von Nordrhein-Westfalen 1:100000.-<br />

Krefeld.<br />

[ 5 ] MUNLV NRW (2004):<br />

Struktur der Wasserversorgung in NRW im deutschen und europäischen Vergleich.-<br />

170 Seiten, 56 Abbildungen, 23 Tabellen, 14 Karten –<br />

Düsseldorf.<br />

[ 6 ] Pieper, B. (1973):<br />

Erläuterungen zur Karte „Lagerstätten I – Steine und Erden“.- Deutscher Planungsatlas,<br />

Band I, Nordrhein-Westfalen, Lieferung 5.-<br />

Hannover.<br />

Wasser<br />

67


Der Hochwasseraktionsplan Emscher - Startpunkt für eine<br />

Verbesserung des Hochwasserschutzes<br />

Wasser<br />

68<br />

Der Hochwasseraktionsplan<br />

Emscher – Startpunkt für<br />

eine Verbesserung des<br />

Hochwasserschutzes<br />

Klaus Gütling<br />

Veranlassung und Zielsetzung<br />

Nach den Hochwasserereignissen der 90er<br />

Jahre an den großen Flüssen Rhein und<br />

Mosel hatte die 12. Rhein-Minister-Konferenz<br />

1998 in Rotterdam den „Aktionsplan<br />

Hochwasser“ für den Rhein beschlossen.<br />

Auf der Grundlage einer Empfehlung der<br />

53. Umweltministerkonferenz sollte dieses<br />

Vorhaben konsequent auch auf andere<br />

Gewässer ausgedehnt werden. Die daraufhin<br />

erstellten Hochwasser-Aktionspläne verfolgen<br />

dabei das Ziel, die Hochwasserstände<br />

und Schadensrisiken zu reduzieren sowie<br />

das Hochwassermeldesystem und das Hochwasserbewusstsein<br />

zu stärken.<br />

Für die Emscher wurde im Auftrag des<br />

MUNLV ein Hochwasseraktionsplan (HWAP)<br />

unter Federführung der Emschergenossenschaft<br />

mit Beteiligung der zuständigen Bezirksregierungen<br />

und Staatlichen Umweltämter<br />

aufgestellt und Anfang <strong>2005</strong> der<br />

Öffentlichkeit vorgestellt.<br />

Die Besonderheiten<br />

der Emscher machten<br />

dabei einige Abweichungen<br />

von der üblichen<br />

Vorgehensweise<br />

erforderlich. Durch<br />

den Bergbau und die<br />

mit ihm verbundenen Bergsenkungen von<br />

bis zu 20 m bildeten sich zum Ende des<br />

19. Jahrhunderts Bereiche, die schlecht<br />

oder gar nicht entwässert wurden, wie auf<br />

dem zeitgenössischen Foto der Emscheraue<br />

unschwer zu erkennen ist. Bei Hochwasser<br />

wurden diese Flächen regelmäßig überfl utet.<br />

Zur Lösung dieses Problems wurde die<br />

Emscher und ihre Nebenläufe kanalisiert.<br />

Zusätzlich wurde die Emscher verlegt und<br />

eingedeicht. Die Deiche dienen in erster<br />

Linie dem Schutz der tief liegenden Senkungsbereiche<br />

(Polder), die mit Hilfe von<br />

Pumpwerken künstlich entwässert werden<br />

müssen. Vierzig Prozent der Flächen<br />

im Emschereinzugsgebiet sind Poldergebiete.<br />

Ohne die Polderpumpwerke wäre das<br />

Emschergebiet eine Seenlandschaft (Die<br />

Abbildung auf Seite 63 zeigt die Polderbereiche<br />

als schraffi erte Flächen).<br />

Hochwasserschutz an der<br />

Emscher<br />

Das Sicherheitsniveau des Hochwasserschutzes<br />

wird ausgedrückt durch die Wahrscheinlichkeit,<br />

von einer Überfl utung betroffen<br />

zu werden. Schützt beispielsweise ein<br />

Deich vor einem hundertjährlichen Hochwasser<br />

(HW100), so wird dieser statistisch<br />

gesehen einmal in hundert Jahren überfl utet.<br />

Im derzeitigen Zustand schützen die<br />

Deiche vor einem 200-jährlichen Hochwas-


ser im Unterlauf zwischen <strong>Herten</strong> und Dinslaken.<br />

Im Mittellauf zwischen Dortmund und<br />

<strong>Herten</strong> wird ein Schutz vor 50- bis 100-jährlichem<br />

Hochwasser erreicht. Im Oberlauf auf<br />

Dortmunder Gebiet reicht der Schutz hingegen<br />

nur für ein 20-jährliches Hochwasser.<br />

Dabei ist zu beachten, dass der Hochwasserschutz<br />

für einen Abfl uss mit 50 cm<br />

Freibord bemessen ist. Tatsächlich werden<br />

die Deiche also erst bei 50 cm höheren<br />

Wasserständen überströmt. Die angegebenen<br />

Hochwasserabfl üsse verursachen also<br />

noch keine Überfl utungen.<br />

Wie in der Abbildung zu sehen ist (dunkelblaue<br />

Bereiche), führt derzeit ein hundertjährliches<br />

Hochwasser nur zu relevanten<br />

Überfl utungen in Dortmund (123,2 ha überfl<br />

utete Fläche) und zu vernachlässigbaren<br />

Überfl utungsbereichen in Castrop-Rauxel<br />

(1,5 ha) und in Recklinghausen (1,3 ha).<br />

Die damit verbundenen Schäden werden<br />

sich auf etwa 14 Millionen Euro auf Dortmunder<br />

Gebiet belaufen. Somit ist derzeit<br />

für die Emscher mit Ausnahme des Dortmunder<br />

Bereichs eine sehr gute Hochwassersicherheit<br />

gewährleistet. Dabei darf<br />

aber nicht vergessen werden, dass diese<br />

Sicherheit nur bei voller Funktionsfähigkeit<br />

der Deiche gegeben ist.<br />

Untersuchung des<br />

Deichversagens und potenzielles<br />

Überfl utungsgebiet<br />

Im Rahmen der Erarbeitung des Hochwasseraktionsplan<br />

wurde deutlich, dass aufgrund<br />

der Deichlage der Emscher sowie der<br />

angrenzenden Poldergebiete, vor allem das<br />

Szenario eines Deichversagens zu erheblichen<br />

Schäden führen könnte.<br />

Einige repräsentative Deichversagens-Szenarien<br />

wurden daher genauer unter die<br />

Lupe genommen. Anhand von 2-D-Modellen<br />

werden die jeweiligen Überfl utungsgebiete<br />

und Hochwasserschäden ermittelt.<br />

Diese überfl uteten Bereiche bezeichnet man<br />

als potenzielle Überfl utungsgebiete. In der<br />

Abbildung sind sie für das hundertjährliche<br />

Hochwasser dargestellt.<br />

Die tief liegenden Poldergebiete stellen ein<br />

großes Volumen zur Verfügung, wodurch<br />

diese potenziellen Überfl utungsgebiete<br />

gleichzeitig als Retentionsraum wirken. Im<br />

Falle der Flutung eines einzelnen potenziellen<br />

Überfl utungsgebiets wird die Hochwasserwelle<br />

soweit abgeschwächt, dass eine<br />

Überfl utung der unterhalb liegenden Flächen<br />

nahezu ausgeschlossen werden kann. Eine<br />

gleichzeitige Überfl utung der in der Abbildung<br />

dargestellten Flächen ist also aufgrund<br />

der zu geringen Wassermenge nicht möglich.<br />

Wasser<br />

69


Wasser<br />

70<br />

Extremes Hochwasserereignis<br />

und Maßnahmenvorschläge<br />

Das Extremereignis ist ein Hochwasserereignis,<br />

das im statistischen Mittel seltener<br />

als einmal in 500 Jahren auftritt. Es zeigte<br />

sich, dass in diesem Fall der Deich bei Herne<br />

Nord/Schalke überströmt und mit hoher<br />

Wahrscheinlichkeit durch rückschreitende<br />

Erosion zerstört werden würde. Weiter unterhalb<br />

würden jedoch keine Überschwemmungen<br />

auftreten. Durch die Überfl utung von<br />

361 ha würde dabei ein geschätzter Schaden<br />

von 95 Millionen Euro verursacht.<br />

Im Rahmen des HWAP wurden auch Vorschläge<br />

erarbeitet, wie ein derartiges Ereignis<br />

verhindert beziehungsweise abgemindert<br />

werden kann. Dabei könnte durch geringe<br />

bauliche Maßnahmen der so genannte Pöppinghauser<br />

Riegel (ehemalige Zechenbahntrasse),<br />

ein Retentionsraum mit einem Volumen<br />

von 1,9 Millionen Kubikmeter, aktiviert<br />

werden. Weiterhin könnten die von<br />

Überströmung betroffenen Deichabschnitte<br />

überströmsicher ausgestaltet werden. Hierdurch<br />

würde die rückschreitende Erosion<br />

vermieden und die in die Poldergebiete strömende<br />

Wassermenge reduziert.<br />

Ausblick: Emscherumbau,<br />

Nebenläufe und neues WHG<br />

Im Rahmen des Emscherumbaus sollen die<br />

oben beschriebenen Maßnahmen in ein neu<br />

zu erstellendes Hochwasserschutzkonzept<br />

integriert werden. Daneben ist bereits der<br />

Bau einiger Hochwasserrückhaltebecken in<br />

Dortmund beschlossen, um die Voraussetzungen<br />

für eine naturnahe Umgestaltung<br />

der Emscher zu schaffen.<br />

Die Änderungen im WHG (Neufassung des<br />

§ 31) führen auch für das Emschergebiet<br />

zu einigen Aktivitäten. So wird es im Rahmen<br />

der Umgestaltung der Nebenläufe der<br />

Emscher erforderlich sein, ebenfalls für<br />

diese Überfl utungsgebiete neue Berechnungen<br />

anzustellen und gegebenenfalls Überschwemmungsgebiete<br />

auszuweisen.<br />

Weiterhin ist im Wasserhaushaltsgesetz<br />

nun der Begriff der überschwemmungsgefährdeten<br />

Gebiete aufgenommen. Diese<br />

sind durch Landesrecht unter anderem für<br />

diejenigen Gebiete auszuweisen, welche<br />

bei Versagen von Hochwasserschutzeinrichtungen<br />

überfl utet werden (= potenzielle<br />

Überfl utungsgebiete). Eine formelle Ausweisung<br />

der potenziellen Überfl utungsgebiete<br />

steht für die Emscher noch aus. Für<br />

die Nebengewässer müssen diese zunächst<br />

noch berechnet werden.<br />

Zusammenfassung<br />

Der Hochwasserschutz an der Emscher ist in<br />

weiten Bereichen auf einem hohen Niveau.<br />

Im Rahmen des Emscherumbaus werden<br />

alle Maßnahmen so geplant, dass dieser<br />

Schutz beibehalten wird. Für die Wasserbehörden<br />

wird der Fokus in Zukunft auf den<br />

Nebengewässern der Emscher und auf der<br />

Umsetzung neuer gesetzlicher Regelungen<br />

zum Hochwasserschutz liegen.


Retentionsraum unterhalb der Straße Am Schleitkamp,<br />

im Vordergrund die Boye<br />

Massiv verbautes Gewässer im ländlichen Raum<br />

Beginn der Arbeiten zur naturnahen Umgestaltung am Kirchschemmsbach<br />

– hier wird der heutige Ablauf des Pumpwerks Bottrop-Eigen<br />

zum Düker umgebaut<br />

Das Boye-System wandelt<br />

sich<br />

Heinz-Günter Friese<br />

Am Oberlauf in Bottrop-Grafenwald, dem<br />

naturnahen Abschnitt der Boye, werden derzeit<br />

gewaltige Bodenmassen bewegt. Hier<br />

muss die Boye, um nicht durch eine Rohrleitung<br />

fl ießen zu müssen oder durch ein weiteres<br />

Pumpwerk nochmals unterbrochen zu<br />

werden, deutlich vertieft werden. Außerdem<br />

sind große Retentionsräume anzulegen, um<br />

das bestehende Pumpwerk weiter nutzen zu<br />

können und den Hochwasserschutz nicht zu<br />

verringern. Im vom Bergbau unbeeinfl ussten<br />

Gewässerabschnitt nördlich der Senkungsbereiche<br />

hat die Naturnähe, insbesondere in<br />

der Nähe von Gehöften und intensiv genutzten<br />

Flächen, leider auch stark gelitten.<br />

Die erhofften naturnahen Eindrücke des<br />

Gewässers im Rahmen einer Wasserschau<br />

Anfang Dezember <strong>2005</strong> erfüllten sich nicht<br />

durchgehend. Während im zuerst beschriebenen<br />

Abschnitt eine naturnahe Gestaltung<br />

aufgrund der Regelungen im Planfeststellungsbeschluss<br />

weitestgehend erfolgen<br />

wird, sind Rückbaumaßnahmen im oberhalb<br />

liegenden Abschnitt erfahrungsgemäß nur<br />

schwierig umzusetzen.<br />

Im unteren, aufgrund des immer noch im<br />

Gewässer abzuleitenden Schmutzwassers<br />

massiv befestigten Verlauf der Boye mit<br />

ihren zahlreichen Nebengewässern werden<br />

an einigen Stellen die Voraussetzungen für<br />

eine naturnahe Gestaltung geschaffen. Nachdem<br />

bereits im Jahre 1993 ein zirka 1800 m<br />

langer Abschnitt des Vorthbaches entfl och-<br />

Wasser<br />

71<br />

Das Boye-System wandelt sich


Schilf als Saubermann<br />

Wasser<br />

72<br />

ten und umgestaltet worden war, werden mit<br />

dem Bau von Abwasserkanälen, der Regenwasserbehandlungsanlage<br />

und dem Retentionsbodenfi<br />

lter an der Einmündung des Haarbaches<br />

bereits Planungen umgesetzt.<br />

Entlang der Gewässer Vorthbach, Haarbach,<br />

Kirchschemmsbach und Wittringer Mühlenbach<br />

sind die Abwasserkanäle weitestgehend<br />

fertig gestellt und am Nattbach hat die Bauphase<br />

ebenfalls begonnen. Seit Oktober dieses<br />

Jahres erfolgt nun auch die naturnahe<br />

Umgestaltung des Kirchschemmsbaches.<br />

Für den Bau der Abwasserkanäle mit noch<br />

zwei Einleitungen an der Boye sind bereits<br />

vor zirka eineinhalb Jahren gewässerverträgliche<br />

Planungen vorabgestimmt, allerdings<br />

noch nicht zur Genehmigung eingereicht<br />

worden. Hierzu sind, wie auch für<br />

die Gewässergestaltung, Überlegungen aus<br />

dem „Ideenwettbewerb Boye“ (gemeinsam<br />

von der Emschergenossenschaft (EG) und<br />

dem Ministerium für Umwelt und Naturschutz,<br />

Landwirtschaft und Verbraucherschutz<br />

(MUNLV) beauftragt und fi nanziert)<br />

aufgegriffen worden. Der Ideenwettbewerb<br />

aus dem Jahr 2002 hat die Rahmenplanung<br />

(2000) ergänzt, weil diese in wesentlichen<br />

Punkten keine genehmigungsfähigen Lösungen<br />

beinhaltete. Seine Ansätze, die sowohl<br />

für die Abwasserprojekte wie auch für die<br />

naturnahen Umgestaltungen einen deutlichen<br />

Zugewinn bedeuten, lassen<br />

das Boyeprojekt insgesamt<br />

positiv erscheinen. Mit Spannung<br />

wird den vorabgestimmten<br />

Anträgen entgegengesehen, um<br />

auf dem begonnenen Weg weiter<br />

voranzukommen.<br />

Schilf als Saubermann<br />

Allgemeines<br />

Karl-Heinz Uphues<br />

Die Emschergenossenschaft hat in intensiven<br />

Gesprächen mit den Wasserbehörden<br />

Anfang 1999 beschlossen, für das Einzugsgebiet<br />

des Haarbaches im Boye-Einzugsgebiet<br />

ein Bodenfi lterbecken zu realisieren.<br />

Dieses Filterbecken ist ein Pilotvorhaben in<br />

der Emscherregion.<br />

Retentionsbodenfi lter werden unter anderem<br />

zur weitergehenden Behandlung von<br />

Entlastungswassermengen aus Regenüberlaufbecken<br />

vorgesehen. Aus Sicht der Wasserbehörden<br />

und beteiligter Fachbüros kann<br />

der gute ökologische Zustand der Boye nur<br />

durch den zusätzlichen Bau einer solchen<br />

Retentionsbodenfi lteranlage erreicht werden.<br />

Auf der Grundlage der Rahmenplanung<br />

für das Boyegebiet ist ein Entwurf vom<br />

Mai 2001 zur Genehmigung gemäß § 58.2<br />

des Landeswassergesetzes für das Land<br />

Nordrhein-Westfalen (LWG NRW) eingereicht<br />

worden. Nach erfolgter Genehmigung<br />

durch die Bezirksregierung Münster<br />

vom 31. August 2001 wurde die Maßnahme<br />

ausgeschrieben. Das Submissionsergebnis<br />

zeigte, dass die Maßnahme erheblich über


den veranschlagten Gesamtkosten von zirka<br />

8 Millionen Euro lag.<br />

Im gleichen Zeitraum wurde das neue Handbuch<br />

für Planung, Bau und Betrieb von Bodenfi<br />

lteranlagen in Nordrhein-Westfalen veröffentlicht.<br />

Auf der Grundlage dieses Papiers<br />

wurde die Gesamtanlage neu konzipiert und<br />

mit dem Änderungsentwurf von Juli 2003<br />

nach § 58.2 LWG am 23.11.2003 genehmigt.<br />

Der Baubeginn erfolgte im Mai 2004.<br />

Konzeption<br />

Vorbehandlungsstufe der Retentionsbodenfi<br />

lterbeckenanlage ist der Stauraumkanal<br />

Haarbach mit einem Volumen von<br />

15.158 m³. Dem Retentionsbodenfi lterbecken<br />

ist unmittelbar ein Regenzyklonbecken<br />

(Vorbehandlungsstufe zur besseren<br />

Elimination von absetzbaren Stoffen) vorgeschaltet,<br />

damit der Bodenfi lter vor Kolmation<br />

(Verstopfung des Filters) geschützt<br />

wird. Der Bodenfi lter hat eine Filterfl äche<br />

von zirka 6.900 m². Damit eine gleichmäßige<br />

stoffl iche und hydraulische Belastung<br />

des Filters gewährleistet ist, wurde dieser<br />

in drei Filtereinheiten unterteilt. Über ein<br />

gemeinsames Rechteckbeschickungsgerinne<br />

wird die Anlage beschickt. Die Enleerung<br />

dieses Gerinnes erfolgt selbsttätig rückwärts<br />

in das Regenzyklonbecken. Jede Filtereinheit<br />

wird über eine eigene Abfl usssteuerung,<br />

die jeweils durch einen magnetischen<br />

Induktionen-Durchfl ussmesser (MID) mit<br />

Regelschieber bewerkstelligt wird, separat<br />

geregelt. Die Filterabläufe werden über einen<br />

gemeinsamen Ablaufkanal in die Boye<br />

eingeleitet. Entlastungsspitzen werden über<br />

ein nachgeschaltetes Regenrückhaltebecken<br />

(RRB) naturnah gedrosselt und schadlos in<br />

die Boye eingeleitet.<br />

3. Regenzyklonbecken<br />

Das geschlossene Zyklonbecken hat ein Volumen<br />

von 2.500 m³ und einen Durchmesser<br />

im Lichten von 30,00 m. Der Zulauf aus<br />

dem vorgeschalteten Stauraumkanal mit<br />

untenliegender Entlastung (SKU) erfolgt<br />

tangential, so dass das Regenzyklonbecken<br />

ähnlich wie ein Quelltopf wirkt. Durch diesen<br />

so genannten „Teetasseneffekt“ werden<br />

die gröberen Schmutzpartikel in den<br />

Innenbereich geführt und über eine Drosselanlage<br />

(DN 500) zum Boye-Parallelsammler<br />

abgeleitet (Drosselabfl uss Q = 495 l/s<br />

D<br />

= 2,03 Q ). Der Zulauf zum Zyklonbecken<br />

tx<br />

erfolgt über ein außen liegendes Überlaufgerinne<br />

(lichte Breite I = 4,50 m) und ist<br />

in zwei separate Abschnitte unterteilt. Im<br />

Überlaufbecken wird im dritten und vierten<br />

Quadranten der kritische Mischwasserzufl<br />

uss zum Retentionsbodenfi lter abgeleitet.<br />

Im ersten und zweiten ungedrosselten<br />

Überlaufbereich werden Entlastungsspitzen<br />

größer Q direkt in das nachgeschaltete<br />

krit<br />

Regenrückhaltebecken entlastet.<br />

Wasser<br />

73


Wasser<br />

74<br />

Retentionsbodenfi lter<br />

Der Retentionsraum ist in drei Filtereinheiten<br />

aufgeteilt und in Erdbauweise mit<br />

Böschungsneigung von 1 : 2,5 erstellt.<br />

Die einzelnen Filtereinheiten sind gegeneinander<br />

durch Ortbetonwände abgegrenzt.<br />

Diese Bodenfi lteranlage ist aufgrund<br />

der örtlichen Verhältnisse als Fangfi<br />

lter ausgebildet. Der Filterkörper wird als<br />

Sandfi lter mit einer Filterstärke von 0,95 m<br />

hergestellt. Bei der Festlegung der Korngrößenverteilung<br />

sind Feinsande (zirka 15 %),<br />

Mittelsande (zirka 70 %) und Grobsande<br />

(zirka 15 %) zu verwenden. Dem Filtersubstrat<br />

sind zirka 15 Massenprozent Carbonat<br />

zuzumischen. Zusätzlich ist auf dem Substrat<br />

eine Decklage von 5 cm Mächtigkeit<br />

aus Carbonatbrechstein aufzubringen.<br />

Unter dem Sandfi lter befi ndet sich auf einer<br />

Abdichtung eine 0,35 cm starke Dränageschicht.<br />

Das Dränagesystem besteht aus<br />

HDPE-Rohren (Durchmesser DN 150). Als<br />

Wurzelschutz wurde eine 0,50 m breite<br />

PE-Folie mittig über den Dränagerohren eingebaut.<br />

Aus Inspektions- und Wartungsgründen<br />

sind die Dränleitungen auf einer<br />

Seite mit verschraubten Verschlusskappen<br />

in die Wand des Beschickungsgerinnes eingebunden.<br />

Das andere Ende der Dränleitungen<br />

mündet in die Sammelleitung, die ebenfalls<br />

durch Kontrollschächte verbunden sind.<br />

Es sind drei Filtereinheiten von je 2.300 m²<br />

bei einer Gesamtfl äche von 6.900 m² erstellt.<br />

Die Bepfl anzung erfolgt mit Schilf,<br />

wobei 1,5-jährig vorgezogene Schilfballen<br />

(6 Stück/m²) ausgepfl anzt werden. Im Zulaufbereich<br />

wird eine dichtere Bepfl anzung<br />

mit zirka 10 Stück/m² vorgenommen. Erst<br />

nach Ablauf einer vollen Vegetationsperiode<br />

der Schilfbepfl anzung darf der Retentionsbodenfi<br />

lter in Betrieb genommen werden.<br />

Regenrückhaltebecken<br />

Das Überlaufwasser des Bodenfi lters und<br />

des Beckenüberlaufwassers (Zyklon) wird<br />

über das Regenrückhaltebecken (RRB)<br />

(V = 13.000 m³) zwischengespeichert und<br />

mit einem Abfl uss von 198 l/s in die Boye<br />

eingeleitet. Bei Starkregen werden die Entlastungswassermengen<br />

über eine zirka<br />

70 m lange Notentlastung breitfl ächig in die<br />

Boye abgeschlagen. Das Becken wird als<br />

Erd-becken mit Böschungsneigungen von<br />

1 : 2,5 hergestellt. Für die Unterhaltung<br />

des RRB wird eine fl ache Rampe bis auf die<br />

Bodensohle geführt.<br />

Projektabwicklung und Kosten<br />

Die Bauarbeiten der Bodenfi lteranlage einschließlich<br />

Regenzyklonbecken und nachgeschaltetem<br />

Regenrückhaltebecken wurden im<br />

Mai 2004 begonnen. Die eigentlichen Bauarbeiten<br />

werden voraussichtlich Ende <strong>2005</strong> abgeschlossen<br />

sein. Nach Ablauf einer Vegetationsperiode<br />

von zirka einem Jahr kann der<br />

Bodenfi lter Anfang 2007 in Betrieb gehen.<br />

Gesamtkosten 9.850.000,00 Euro<br />

Anteil RBF 7.973.000,00 Euro<br />

(einschließlich<br />

Zyklonbecken)<br />

Anteil RRB 1.877.000,00 Euro


Ausblick<br />

Die Gesamtmaßnahme wurde von Beginn<br />

an, also von den Vorentwurfsbesprechungen,<br />

über den Genehmigungsentwurf, die<br />

wasserrechtliche Zulassung bis zum Bau,<br />

intensiv durch das <strong>StUA</strong> <strong>Herten</strong> betreut und<br />

begleitet.<br />

Die Behandlung und der Rückhalt der partikulären<br />

Substanzen und die Elimination<br />

gelöster oxidierbarer Verbindungen (DOC,<br />

CSB, Ammonium) mit dem Bodenfi lter Haarbach<br />

begleiten sowohl die Emschergenossenschaft<br />

als Maßnahmenträger als auch<br />

das <strong>StUA</strong> <strong>Herten</strong> mit einem umfangreichen<br />

Messprogramm.<br />

Mit der Umsetzung des gesamten Maßnahmenkataloges<br />

kann für diesen Gewässerabschnitt<br />

der Boye das Erreichen eines guten<br />

ökologischen Zustandes erwartet werden.<br />

Niederschlag im<br />

Wasserwirtschaftsjahr<br />

2004/<strong>2005</strong><br />

Torsten Lambeck<br />

Die Niederschläge im Wasserwirtschaftsjahr<br />

2004/<strong>2005</strong> lagen weitgehend im Bereich<br />

des langjährigen Mittels, eher etwas niedriger.<br />

Bemerkenswert ist weniger die Menge,<br />

als die Verteilung des Niederschlages über<br />

das Jahr. So waren neben den üblichen<br />

Schwankungen zwischen „nassen“ und<br />

„trockenen“ Perioden nahezu über das<br />

ganze Jahr verteilt einzelne starke Niederschlagsereignisse<br />

aufgetreten. Diese<br />

Ereignisse hatten mehr oder weniger<br />

lokale Ausprägung, was in Verbindung<br />

mit starken Böen hin und wieder die örtlichen<br />

Rettungskräfte zum Einsatz brachte.<br />

Extreme Wettereinfl üsse, wie die so genannte<br />

„V b“ Wetterlage (von ostwärts über<br />

Europa ziehende Zyklone mit heftigen Niederschlägen)<br />

im bayrischen Raum mit den<br />

daraus folgenden Hochwässern, haben wir<br />

hier nicht gehabt.<br />

Die „nassen“ und „trockenen“ Perioden<br />

wechselten sich im Jahresverlauf ab. Das<br />

Jahr begann recht nass, worauf ein schönes<br />

Frühjahr folgte. Der Sommer begann<br />

dann mit einer ausgeprägten Schafskälte<br />

und wurde im Juni sehr warm, insgesamt<br />

etwas wärmer als im langjährigen Mittel.<br />

Der Juli war zwar warm, aber auch so nass,<br />

dass der Hafer teilweise noch auf dem Feld<br />

am Halm austrieb, weil die Landwirte nicht<br />

die Ernte einbringen konnten. Gewitter und<br />

Böen gegen Ende des Monats verstärkten<br />

die Schäden noch. Der August, als kältester<br />

der Sommermonate, wandelte sich nach<br />

dem Hochwasser in Bayern und leitete in<br />

einen ausgesprochen langen und schönen<br />

Spätsommer über. Fast konnte daher bis<br />

zum Ende des Wasserwirtschaftsjahres am<br />

31. Oktober der Herbst kaum als solcher<br />

wahrgenommen werden.<br />

Das gesamte Jahr war in unserem Gebiet<br />

wärmer als der Durchschnitt mit Niederschlägen<br />

ohne große, extreme Ereignisse.<br />

Wasser<br />

75<br />

Niederschlag im Wasserwirtschaftsjahr 2004/<strong>2005</strong>


Der Kanal in Olfen lief leer wie eine Badewanne<br />

Wasser<br />

76<br />

Der Kanal in Olfen lief leer<br />

wie eine Badewanne<br />

Ludger Weßling<br />

Am 11.10.<strong>2005</strong> gegen 13:30 Uhr traf eine<br />

Meldung im Staatlichen Umweltamt (<strong>StUA</strong>)<br />

<strong>Herten</strong> ein: ein wasserwirtschaftlich bedeutendes<br />

Großschadensereignis im Bereich der<br />

Kreuzung zwischen Lippe und Dortmund-<br />

Ems-Kanal sei eingetreten, Wasser würde<br />

aus dem Kanal austreten. Dieses war eine<br />

sehr knappe Meldung, aber es musste irgendwie<br />

etwas Großes passiert sein.<br />

Zunächst wurde der unterhalb liegende Pegel<br />

an der Lippe in Haltern telefonisch angewählt,<br />

um den aktuellen Wasserstand über<br />

die Messwertansage abzurufen. Der Pegel<br />

meldet einen gewöhnlichen Niedrigwasserstand<br />

mit Tendenz gleichbleibend. Wurde da<br />

mal wieder mit der Schadensmeldung ein<br />

bisschen übertrieben?<br />

Also erst mal die wichtigsten Stellen anrufen,<br />

die im Rahmen der Überwachung zuständig<br />

sein müssten, zum Beispiel das<br />

Wasserstraßen-Neubauamt Datteln und die<br />

Untere Wasserbehörde Recklinghausen. Die<br />

zuständigen Personen konnten jedoch nicht<br />

erreicht werden, vielleicht weil sie alle schon<br />

vor Ort waren?<br />

Die Kreuzung liegt im Grenzbereich zwischen<br />

Olfen und Datteln. Die Gewässerachse<br />

der Lippe bildet dabei die Grenze.<br />

Wer war nun zuständig? Kreis Coesfeld oder<br />

Kreis Recklinghausen? <strong>StUA</strong> Münster oder<br />

<strong>StUA</strong> <strong>Herten</strong>? Die genaue Lage der Schadensstelle<br />

war nicht klar. Also haben wir


mit dem <strong>StUA</strong> Münster abgestimmt, wer<br />

die Aufgaben des Staatlichen Umweltamtes<br />

vertreten soll. Wir vom <strong>StUA</strong> <strong>Herten</strong> sollten<br />

es machen, denn wegen des kürzeren<br />

Anfahrtsweges konnten wir auch schneller<br />

vor Ort sein. Sofort wurde ein Dienstfahrzeug<br />

organisiert und die Unglückstelle angefahren.<br />

Je näher man kam, desto häufi ger<br />

waren Fahrzeuge der Polizei und der Feuerwehr<br />

unterwegs. Ein Hubschrauber kreiste<br />

bereits in der Luft. Gegen 14:00 Uhr haben<br />

wir die Schadensstelle erreicht.<br />

Die Schadensstelle im Kanal war nördlich<br />

unmittelbar an der Lippe-Kreuzung, also auf<br />

dem Gebiet der Stadt Olfen. Eine Spundwand<br />

war auf großer Länge eingerissen und<br />

verbogen, so dass gewaltige Wassermassen<br />

aus dem Kanal in die tiefer liegende Lippe<br />

herausströmten. Die Abfl ussmenge wurde<br />

auf über 30 Kubikmeter pro Sekunde geschätzt.<br />

Es war ein Krisenstab eingerichtet<br />

worden, die Einsatzleitung hatte die Feuerwehr<br />

übernommen. Am Unglücksort trafen<br />

wir auch alle wichtigen Personen an, die wir<br />

vorher telefonisch nicht erreichen konnten.<br />

Im Krisenstab wurden die möglichen Gefährdungen<br />

besprochen, die von dem Leck<br />

im Kanal ausgehen könnten.<br />

Der Kanal wurde in Datteln und in Lüdinghausen<br />

durch Sperrtore verschlossen, so<br />

dass nur im begrenzten Abschnitt von etwa<br />

8 km Länge der Kanal leer laufen konnte.<br />

Schiffe waren in diesem Abschnitt nicht vorhanden,<br />

somit auch keine Wasser gefährdende<br />

Stoffe als Transportgut unterwegs.<br />

Große Sorgen bereitete ein großer 500 Tonnen<br />

Schwerlastkran, der sich im Bereich der<br />

Leckage befand, dabei unterspült worden<br />

und in Schiefstellung geraten war. Er drohte<br />

auf die Kanalbrücke zu kippen, was zu einer<br />

schlagartigen Entleerung des Kanals<br />

führen würde und damit das Schadensereignis<br />

erheblich vergrößern würde. Vorsorglich<br />

wurde Katastrophenalarm ausgelöst und mit<br />

der Evakuierung von Anwohnern im Überschwemmungsgebiet<br />

der Lippe begonnen.<br />

Zwischenzeitlich lief der Kanal immer weiter<br />

leer. Mit zunehmender Dauer verringerte<br />

sich der Wasserspiegel im Kanal, so<br />

dass der Wasserdruck stetig abnahm. Gegen<br />

17:50 Uhr wurde Entwarnung für die<br />

Anwohner an der Lippe gegeben.<br />

Letztlich war alles glimpfl ich abgelaufen,<br />

„glücklicher“ hätte ein Kanal wirklich nicht<br />

leer laufen können. Dazu auch noch direkt<br />

in die darunter liegende Lippe, die das Wasser<br />

aufnehmen konnte. Insgesamt sind<br />

1,3 Millionen Kubikmeter aus dem Kanal in<br />

die Lippe abgefl ossen.<br />

Für den Grundlagendienst des <strong>StUA</strong> <strong>Herten</strong><br />

hatte es auch etwas Gutes: die Pegelanlagen<br />

in Leven (bei Datteln-Ahsen), Haltern<br />

und Schermbeck konnten überprüft und<br />

quasi geeicht werden. Diese Gelegenheit<br />

bietet sich äußerst selten.<br />

In der Lippe hatte sich die Hochwasserwelle,<br />

die durch das Leck im Kanal verursacht<br />

wurde, fl ussabwärts fortgepfl anzt. Da die<br />

Lippe zu diesem Zeitpunkt einen konstanten<br />

Niedrigwasserstand hatte, ließen sich die<br />

zusätzlichen Wassermassen aus dem Dortmund-Ems-Kanal<br />

gut erfassen. Das Ergebnis<br />

liefert Ihnen der nächste Bericht von<br />

Torsten Lambeck.<br />

Wasser<br />

77


Die perfekte Welle<br />

Wasser<br />

78<br />

Die perfekte Welle<br />

Torsten Lambeck<br />

Für die Bestimmung des Abfl usses wird im<br />

Grundlagendienst des Landes bis heute in<br />

der Regel auf das Verfahren der indirekten<br />

Abfl ussermittlung zurückgegriffen. Die<br />

von den Landespegeln kontinuierlich aufgezeichneten<br />

Wasserstände werden dabei<br />

anhand von Abfl ussmessungen bei verschiedenen<br />

Wasserständen in kontinuierliche<br />

Abfl üsse umgesetzt. Eine große Unbekannte<br />

ist die Verlässlichkeit der mit diesem Verfahren<br />

erzielten Ergebnisse.<br />

So lassen sich die bei der Abfl ussmessung<br />

verwendeten Geräte zwar noch sehr exakt<br />

im Labor kalibrieren, aber schon die Genauigkeit<br />

des Ergebnisses im Gelände kann nur<br />

noch über die Abweichung mehrerer Messungen<br />

voneinander angegeben werden<br />

- Messungen einer Größe, die beständig<br />

schwankt. Denn wie schon der antike Philosoph<br />

Heraklit treffend feststellte: man steigt<br />

unmöglich zweimal in denselben Fluss.<br />

Sehr hilfreich wäre es ja, auf eine Vergleichsgröße<br />

zurückgreifen zu können, so<br />

wie in der chemischen Analytik eine Blindprobe<br />

bekannter Konzentration angesetzt<br />

wird. Aber wer hat schon einen Messbecher,<br />

mit dem man die Lippe voll laufen<br />

lassen könnte? Die Staatlichen Umweltämter<br />

(StUÄ) jedenfalls nicht. Die Wasser- und<br />

Schifffahrtsverwaltung aber sehr wohl, wie<br />

sich herausstellte. Denn als diese mit ihrer<br />

Baustelle an der Überfahrt bei Olfen Schiffbruch<br />

erlitt, war das der Hydrometrie ein<br />

willkommenes Strandgut.<br />

Die ausgelaufene Wassermenge lässt sich<br />

nämlich relativ genau aus den Abmessungen<br />

des leckgeschlagenen Kanalabschnittes<br />

ermitteln. Sie wird in der Berichterstattung<br />

über das Schadensereignis teils mit 1,3 Millionen,<br />

teils mit 1,5 Millionen m³ angegeben.<br />

Nur 12 Kilometer unterhalb der Unglücksstelle<br />

wird der Abfl uss der Lippe am Pegel<br />

Leven erfasst, zwei weitere Pegel des Landes<br />

befi nden sich bei Haltern und Schermbeck.<br />

Sofern diese Anlagen den Volumenstrom im<br />

Gewässer zutreffend wiedergeben und keine<br />

größeren Anteile der Welle zurückgehalten<br />

wurden, müsste sich an jedem der drei<br />

Pegel ein Anstieg der Wasserführung um den<br />

entsprechenden Betrag nachweisen lassen.<br />

Als besonders begünstigender Umstand für<br />

eine solche Betrachtung erwies sich der sehr<br />

niedrige und konstante natürliche Abfl uss<br />

der Lippe im fraglichen Zeitraum. Nachdem<br />

im Lippegebiet schon fast zwei Wochen lang<br />

kein nennenswerter Niederschlag gefallen<br />

war, war die Abfl ussspende der betrachteten<br />

Einzugsgebiete mit 3,1 bis 3,7 Liter je<br />

Sekunde und Quadratkilometer bis in den<br />

Bereich des typischen Jahresminimums<br />

gesunken. Auch im Verlauf des durch den<br />

Kanalbruch künstlich induzierten Hochwassers<br />

blieb es vollständig niederschlagsfrei.<br />

Einerseits fi el der Anstieg des Abfl usses<br />

dadurch im Verhältnis hoch aus und konnte<br />

entsprechend genau bestimmt werden, andererseits<br />

ließ sich der Verlauf der Hochwasserwelle<br />

so überhaupt erst mit der erforderlichen<br />

Genauigkeit eingrenzen.<br />

Dem Niederschlagsgeschehen zufolge<br />

stammte die Wasserführung der Lippe zum


Zeitpunkt des Kanalschadens ausschließlich<br />

aus grundwasserbürtigen Zufl üssen mit einem<br />

gewissen Anteil anthropogener Einleitungen.<br />

Am Pegel Leven ist dieser Basisabfl uss durch<br />

eine Messung unmittelbar vor dem Anlaufen<br />

der Welle belegt. Er betrug hier 12,3 m³/s. An<br />

den Pegeln Haltern und Schermbeck wurde er<br />

aus dem Wasserstand ermittelt und mit 13,2<br />

und 15,7 m³/s angenommen.<br />

Da bei einer gemeinsamen Messkampagne<br />

der StUÄ Duisburg und <strong>Herten</strong> im Sommer<br />

<strong>2005</strong> eine Reihe von Vergleichsmessungen<br />

an allen drei Pegeln vorgenommen worden<br />

war, kann auch hier von einer guten Übereinstimmung<br />

mit den tatsächlichen Verhältnissen<br />

ausgegangen werden.<br />

Schon etwa anderthalb Stunden nach dem<br />

Schadensereignis lässt sich in Leven ein Anstieg<br />

des Pegels feststellen. Im Verlauf der<br />

folgenden fünf Stunden schnellt der Wasserstand<br />

um 2,10 m in die Höhe, der Abfl uss<br />

steigt nahezu auf das Fünffache. Der Vergleich<br />

aller drei Pegel zeigt das idealtypische<br />

Bild einer Abfl ussspitze in einem System<br />

ohne seitliche Zuläufe: da vor dem Wellenscheitel<br />

ein höheres Wasserspiegelgefälle<br />

herrscht als dahinter, läuft die Welle gewis-<br />

sermaßen vor sich selbst davon - die zeitliche<br />

Ausdehnung streckt sich, der Scheitel<br />

nimmt dagegen ab, von 60 m³/s in Leven<br />

bis auf lediglich noch 40 m³/s in Schermbeck.<br />

Die Ganglinien sind dabei von einer<br />

Perfektion, die in der Natur sonst nicht zu<br />

beobachten ist, da hier keinerlei Spitzen<br />

aus Nebengewässern die Kurven überlagern.<br />

Im Nachgang natürlicher Hochwasserereignisse<br />

infolge von Niederschlag ist<br />

ein Anstieg des Basisabfl usses zu verzeichnen,<br />

wenn der in den Untergrund infi ltrierte<br />

Niederschlagsanteil mit zeitlicher Verzögerung<br />

in das Gewässer gelangt. Bei einer<br />

Einleitung durch Leckage ist das dagegen<br />

nicht zu erwarten. Das Ende des Ereignisses<br />

kann somit dort angesetzt werden, wo<br />

der Abfl uss wieder auf den ursprünglichen<br />

Wert zurückfällt. Dem zu Folge dauerte die<br />

Hochwasserwelle in Leven 28 Stunden, in<br />

Haltern 58,5 Stunden und in Schermbeck<br />

82,5 Stunden. Das den Basisabfl uss übersteigende<br />

Abfl ussvolumen betrug in diesem<br />

Zeitraum am Pegel Leven 1,35 Millionen m³,<br />

in Haltern und Schermbeck jeweils 1,34 Millionen<br />

m³. Die Differenz von weniger als 1%<br />

liegt dabei unterhalb der Unsicherheit, die<br />

bei der indirekten Abfl ussermittlung einkalkuliert<br />

werden muss.<br />

Der verschüttete Kanalinhalt<br />

wurde somit an jeder der drei<br />

Pegelanlagen gleich groß ermittelt,<br />

so dass von einer sehr guten<br />

Übereinstimmung der Wasserstands-Abfl<br />

uss-Beziehung<br />

vom Niedrigwasser bis etwa<br />

in den Bereich der zweifachen<br />

Mittelwasserführung ausgegangen<br />

werden kann.<br />

Wasser<br />

79


Hochwassermeldenetz Ijsselgebiet - aktueller Stand<br />

und Perspektive<br />

Wasser<br />

80<br />

Hochwassermeldenetz<br />

Ijsselgebiet – aktueller<br />

Stand und Perspektive<br />

Torsten Lambeck<br />

Zur frühzeitigen Warnung vor Hochwassergefahren<br />

wurden im Gebiet der Ijsselmeerzufl<br />

üsse Hochwassermeldeordnungen für<br />

die Gewässer der Dinkel, Berkel und Bocholter<br />

Aa erlassen. Als Hochwassermeldepfl ichtige<br />

sind darin die Landräte der Kreise Borken<br />

und Coesfeld bestimmt.<br />

Die Meldepegel, deren Wasserstände als<br />

Grundlage für die Ausrufung eines Hochwasserzustandes<br />

herangezogen werden,<br />

werden dagegen mehrheitlich von den<br />

Staatlichen Umweltämtern betrieben. In der<br />

Regel handelt es sich dabei um Anlagen,<br />

die gleichzeitig als hydrologische Pegel den<br />

oberirdischen Abfl uss erfassen.<br />

Nach dem Jahrhunderthochwasser der Elbe<br />

in 2002, das viele Pegelanlagen versagen<br />

ließ, wurde auch in Nordrhein-Westfalen das<br />

Hochwassermeldenetz auf den Prüfstand<br />

gestellt mit dem Ziel, eine verbesserte Frühwarnung<br />

und erhöhte Übertragungssicherheit<br />

zu gewährleisten. Als optimal wurde<br />

eine Redundanz sowohl der Wasserstandserhebung<br />

als auch der Datenübermittlung und<br />

Stromversorgung angenommen.<br />

Zusätzlich zu der bereits vorhandenen digitalen<br />

Wasserstandsermittlung, die historisch<br />

gewachsen in der Regel über einen<br />

Winkelcodierer am analogen Papierschreiber<br />

erfolgt, sollten die Anlagen mit einem<br />

zweiten digitalen Wasserstandsgeber, in der<br />

Regel einer Drucksonde oder einem Einperlsensor<br />

nachgerüstet werden. Ein zusätzlicher<br />

miniaturisierter Transferprozessor mit<br />

Mobilfunkübertragung und Notstromversorgung<br />

über Akku sollte den Vorhandenen<br />

ergänzen, der standardmäßig am Festnetz<br />

angeschlossen ist. Jeder der beiden Prozessoren<br />

sollte schließlich auf beide Wasserstandsgeber<br />

zugreifen können. Nur beim<br />

Versagen jeweils beider Systeme würde ein<br />

Ausfall der gesamtem Anlage eintreten. Mittlerweile<br />

sind im Dienstbezirk des <strong>StUA</strong> <strong>Herten</strong><br />

fünf Pegelanlagen nach diesem höchsten<br />

Standard ausgebaut, davon drei im Ijsselgebiet.<br />

Drei weitere Anlagen verfügen über<br />

redundante Wasserstandsermittlung, werden<br />

aber erst sukzessive auch mit redundanter<br />

Datenübertragung nachgerüstet. Zwei Anlagen<br />

werden lediglich einfach betrieben.<br />

Eine weitere Neuerung stellt der „D-Kanal“<br />

dar: Die Anlagen, die über diese Einrichtung<br />

verfügen, melden den aktuellen Pegelstand<br />

selbsttätig, in der Regel 15-minütig, an die<br />

zentrale Datenbank des Landesumweltamtes.<br />

Diese Daten sind für Kommunen und<br />

Kreise über das so genannte Leitstellentool<br />

zugänglich. Gleichzeitig steht die Mehrzahl<br />

dieser Pegel über die öffentliche Internetpräsentation<br />

des LUA<br />

www.lua.de


auch der Allgemeinheit zur Verfügung. Da<br />

aus Sicherheitsgründen eine physikalische<br />

Trennung zwischen beiden Datenhaltungen<br />

vorgeschrieben ist, bietet die Internetdarstellung<br />

allerdings nicht die gleiche Aktualität<br />

wie das Intranet der Landesverwaltung.<br />

Durch das Überspielen der Daten ergibt<br />

sich eine Verzögerung, die von einer bis zu<br />

mehreren Stunden reichen kann. Im Leitstellentool<br />

ist der letzte verfügbare Wasserstand<br />

dagegen in der Regel nicht älter als<br />

15 Minuten. Gemessen an den Zeiträumen,<br />

in denen sich Wasserstandsveränderungen<br />

vollziehen, stehen die meisten Pegel hier<br />

quasi online zur Verfügung.<br />

Eine bedeutende Rolle spielt nach wie vor<br />

auch die automatische Sprachansage des<br />

Wasserstandes, die den Hochwassermeldepfl<br />

ichtigen jederzeit die kurzfristige Information<br />

über den aktuellen Wasserstand bei<br />

geringstmöglichem technischen Aufwand<br />

ermöglicht. Diese Anlagen melden sich bei<br />

Überschreitung abgestufter Alarmschwellen<br />

selbst. Die Möglichkeit der Sprachansage<br />

ist aber derzeit noch an das Vorhandensein<br />

eines Festnetz-Telefonanschlusses gekoppelt.<br />

Anlagen mit Mobilfunkübertragung sind<br />

in der Lage SMS-Nachrichten zu versenden.<br />

Neben der technischen Ausstattung wurde<br />

auch die räumliche Abdeckung erweitert.<br />

In der Vergangenheit waren Meldepegel häufi<br />

g zu weit im Unterlauf der Gewässer platziert<br />

worden. So ist beispielsweise der Pegel<br />

Gronau interessant als Meldepegel für das<br />

niederländische Dinkelgebiet und wird von<br />

der Waterschap Regge en Dinkel tatsächlich<br />

auch als solcher in Anspruch genommen,<br />

kann aber durch seine Lage unterhalb des<br />

Stadtgebietes praktisch keine Warnfunktion<br />

für die Ortschaft selbst übernehmen.<br />

Ähnliche Probleme ergaben sich auch an<br />

der Bocholter Aa sowie an der Berkel. Hier<br />

wurden im Jahr <strong>2005</strong> zusätzliche Meldepegel<br />

oberhalb der Ortslagen Gescher und<br />

Ramsdorf eingerichtet, eine Sprachansage<br />

am Pegel Stadtlohn soll das Meldenetz komplettieren.<br />

Im Oberlauf der Dinkel wurde<br />

der hydrologische Pegel Legden-Bahnhof<br />

als Meldepegel mit Sprachansage und redundant<br />

digitaler Wasserstandsaufzeichnung<br />

ausgestattet. An der Issel, für die derzeit<br />

keine eigene Meldeordnung existiert, bestehen<br />

schon seit Längerem einfache Meldepegel<br />

der StUÄ <strong>Herten</strong> und Duisburg in Isselburg<br />

und Dämmerwald. Der ganz überwiegende<br />

Teil des Ijsselmeergebietes ist somit<br />

hinreichend abgedeckt. Für das noch nicht<br />

erfasste Einzugsgebiet der Schlinge wird<br />

eine einfache fernabrufbare Messstelle oberhalb<br />

der Ortslage Südlohn angestrebt.<br />

Wasser<br />

81


„Hol über“<br />

Wasser<br />

82<br />

„Hol über“<br />

Ludger Wessling<br />

Bis vor zirka 60 Jahren überquerte eine<br />

Ruderfähre die Lippe in Dorsten-Holsterhausen.<br />

Bergleute der Zeche Baldur konnten<br />

damit am anderen Ufer ihre Arbeitsstelle<br />

erreichen. Während der Einweihungsfeier<br />

der Kläranlage Dorsten im Juli 2001 kam bei<br />

Vertretern der Stadt Dorsten, der Deutschen<br />

Steinkohle und des Lippeverbandes der<br />

Gedanke auf, den Fährbetrieb wieder aufl eben<br />

zulassen. Am 12. Februar 2003 ging ein<br />

Antrag gemäß § 99 und § 13 des Landeswassergesetzes<br />

(LWG) zur Errichtung einer<br />

Fähre über die Lippe in Dorsten im Staatlichen<br />

Umweltamt (<strong>StUA</strong>) <strong>Herten</strong> ein.<br />

Die Nutzung der Fähre sollte ausschließlich<br />

für Fußgänger und Radfahrer bestimmt sein<br />

und als Antrieb die Muskelkraft der Freizeitaktivisten<br />

dienen, die per Handkurbel das<br />

andere Ufer erreichen können. Der Lippeverband<br />

koordinierte Planung und Bau der Kurbelfähre.<br />

Das <strong>StUA</strong> <strong>Herten</strong> prüfte die Genehmigungsfähigkeit<br />

für dieses Planvorhaben.<br />

Der geplante Standort für die neue Fähre<br />

mit zugehörigen Wegebauten liegt im Überschwemmungsgebiet<br />

der Lippe, das gleichzeitig<br />

auch als Naturschutzgebiet ausgewiesen<br />

wurde. Außerdem ist die Lippe im Zuge<br />

des Meldeverfahrens in der Tranche 1a zur<br />

Schutzausweisung der Flora-Fauna-Habitat-<br />

Schutzgebiete als Schutzgebiet von europaweiter<br />

Bedeutung gemeldet worden.<br />

Eine Genehmigungserteilung schien zunächst<br />

nur schwer möglich. Aus wasserwirtschaft-<br />

licher Sicht konnte dem Vorhaben mit entsprechenden<br />

Nebenbestimmungen zugestimmt<br />

werden. Aus landschaftlicher Sicht<br />

jedoch war eine Befreiung vom Bauverbot<br />

erforderlich, das für Naturschutzgebiete gilt.<br />

Die Befreiung von den Verboten musste<br />

eigenständig auf Ebene der Landschaftsschutzbehörden<br />

geführt werden und war Voraussetzung<br />

für eine Genehmigungserteilung.<br />

Das Genehmigungsverfahren wurde durch<br />

diese Verfahrensweise nicht gerade beschleunigt,<br />

sie berücksichtigte aber die verschiedenen<br />

Interessen wie zum Beispiel die<br />

der Freizeit und Erholung suchenden Bür-ger<br />

und die der Naturschutzverbände in ausreichendem<br />

Maße. Im Juli 2003 wurde für<br />

die geplante Kurbelfähre eine bis zum 31.<br />

Dezember 2006 befristete Genehmigung<br />

erteilt. Sie wurde mit Nebenbestimmungen<br />

versehen, um wasserwirtschaftliche und landschaftliche<br />

Belange zu berücksichtigen und<br />

nachteilige Auswirkungen, die von der Fähre<br />

ausgehen können, möglichst zu vermeiden.<br />

Folgende Nebenbestimmungen wurden<br />

unter anderem aufgenommen:<br />

• Ein ökologisches Monitoring ist innerhalb<br />

von drei Jahren zur Feststellung<br />

der tatsächlichen Folgen für das Naturschutzgebiet<br />

durchzuführen und der<br />

Landschaftsbehörde vorzulegen.<br />

• Der Fährbetrieb ist von November<br />

bis März einzustellen. Dabei ist die<br />

Fähre aus dem Wasser zu nehmen<br />

und außerhalb des Überschwemmungsgebietes<br />

abzustellen.<br />

Nach Genehmigungserteilung verstrich<br />

jedoch einige Zeit, ehe mit dem Bau der


Fähre begonnen wurde. Im Frühjahr<br />

<strong>2005</strong> schließlich hatten Auszubildende<br />

der Bergwerke Auguste Victoria/Blumenthal<br />

die Fähre fertig gestellt. Im Bereich<br />

der Lippeufer hatte der Lippeverband die<br />

entsprechenden Anlegestellen hergerichtet.<br />

Die Bauschlussabnahme gemäß § 99<br />

LWG wurde am 12. Mai <strong>2005</strong> durchgeführt.<br />

Es wurden keine Mängel hinsichtlich<br />

der planerischen Umsetzung festgestellt.<br />

Der Einweihungsfeier stand damit<br />

nichts mehr im Wege.<br />

Für den 13. Mai <strong>2005</strong> hatten Vertreter<br />

der Deutschen Steinkohle, des Lippeverbandes<br />

und der Stadt Dorsten zur<br />

Einweihungsfeier eingeladen. Viele interessierte<br />

Bürger, Fußgänger wie Radfahrer,<br />

waren der Einladung gefolgt.<br />

Auch die Presse war vertreten.<br />

Herr Dr. Stemplewski vom Lippeverband<br />

hatte in seiner Rede unter anderem<br />

auf die sensiblen Bereiche der<br />

natürlichen Lippeaue hingewiesen und<br />

um entsprechende Rücksichtnahme<br />

gebeten. Dann wurde die Lippefähre auf<br />

den Namen „Baldur“ getauft. Es folgte<br />

die Jungfernfahrt der neuen „Lippefähre<br />

Baldur“. Die Bergmannskapelle sorgte<br />

für den festlichen Rahmen und begleitete<br />

die Festlichkeiten mit passenden<br />

musikalischen Einlagen. Für das leibliche<br />

Wohl wurde natürlich auch gesorgt.<br />

Nach den umfangreichen Beteiligungen<br />

und Abwägungen hatte das Genehmigungsverfahren<br />

für die „Lippefähre Baldur“<br />

mit der gelungen Einweihungsfeier<br />

einen guten Abschluss gefunden.<br />

Wasser<br />

83


Die Abwasserüberwachung in unserem Laborbezirk<br />

Wasser<br />

84<br />

Die Abwasserüberwachung<br />

in unserem Laborbezirk<br />

Wolfgang Piegsa<br />

Die Labor- und<br />

Probenahmedienste<br />

Die Labor- und Probenahmedienste sind integraler<br />

Bestandteil der Staatlichen Umweltämter<br />

(StUÄ) <strong>Herten</strong> und Duisburg. Mit Erlass<br />

vom 14. April 1994 wurde durch das damalige<br />

Ministerium für Umwelt, Raumordnung<br />

und Landwirtschaft (MURL) festgelegt, dass<br />

das Labor im Staatlichen Umweltamt (<strong>StUA</strong>)<br />

<strong>Herten</strong> auch für die Aufgabenerledigung im<br />

Duisburger Aufsichtsbezirk zuständig ist.<br />

Dies erforderte von Anfang an eine Aufgabenerledigung<br />

in enger Kooperation, um die<br />

gemeinschaftlichen Aufgaben in der Industrieregion<br />

der Flusslandschaften von Ruhr,<br />

Emscher und Lippe erledigen zu können.<br />

Grundlagen für die Aufgabenerfüllung sind<br />

• Bundes- und Landesgesetze (Wasserhaushaltsgesetz,<br />

Landeswassergesetz,<br />

Abwasser-Verordnung, Abwasserabgabengesetz,<br />

Kreislaufwirtschafts- und<br />

Abfallgesetz, Landesabfallgesetz, Bundesimmissionsschutzgesetz,Bundesbodenschutzgesetz)<br />

• Verordnungen und Richtlinien der<br />

Europäischen Union


• Umweltinformationserfordernisse<br />

• Politische Ziele und Vorgaben<br />

• Anforderungen aus den Bereichen der<br />

Polizei, Staatsanwaltschaften und Ordnungsbehörden<br />

(Amtshilfe)<br />

Die Labor- und Probenahmedienste leisten<br />

in Form von Probenahmen im Abwasser-,<br />

Oberfl ächen- und Grundwasserbereich sowie<br />

bei Sonderprobenahmen, Analysedaten,<br />

Messergebnissen, fachtechnischen Bewertungen<br />

und Stellungnahmen zu gutachterlichen<br />

Aussagen erhebliche Beiträge<br />

• zur Erhebung der Abwasserabgabe<br />

• zur Kontrolle der Aufl agen wasserrechtlicher<br />

Anforderungen aus Erlaubnissen<br />

und Bewilligungen<br />

• zur Kontrolle und gegebenenfalls Nachbesserung<br />

von Umweltaufl agen für<br />

Anlagen<br />

• bei der Ahndung von Ordnungswidrigkeiten<br />

und Umweltstraftaten<br />

• bei der Entwicklung von EU-Richtlinien<br />

(zum Beispiel schutzgutbezogene Zielvorgaben,<br />

Analysetechnik)<br />

• zur Erhebung von Grundlagendaten im<br />

Bereich der Oberfl ächengewässer und<br />

des Grundwassers sowie zur Ermittlung<br />

der Gewässerstrukturgütedaten<br />

• zur Erfolgskontrolle landesweiter<br />

Umweltstrategien<br />

• zum präventiven Umweltschutz<br />

• zur Ursachenermittlung und Schadensbegrenzung<br />

bei Störfällen, Großschadensereignissen<br />

und Belastungen<br />

der Umwelt durch Unfälle, Brände und<br />

Stoffaustritte von gefährlichen Stoffen<br />

• zur Klärung von Nachbarbeschwerden,<br />

auch durch natürliche biologische Einwirkungen<br />

hervorgerufen<br />

• zur Umweltinformation von Bürgern,<br />

Verbänden und Betroffenen.<br />

Die Labor- und Probenahmedienste sind<br />

hinsichtlich der personellen und apparativen<br />

Infrastruktur und aufgrund der Integration<br />

in die Ämter so ausgestattet, dass<br />

die für eine Umweltüberwachung notwendigen<br />

Arbeitsschritte<br />

• von der anlassbezogenen<br />

Messprogrammplanung,<br />

• über die Probenahme, gegebenenfalls<br />

mit Inanspruchnahme hoheitlicher<br />

Befugnisse<br />

• die bedarfsgerechte und<br />

qualitätsgesicherte Analytik<br />

• die Datenbewertung und<br />

fachtechnische Begutachtung<br />

• bis hin zur Einleitung von<br />

Folgemaßnahmen<br />

unmittelbar ineinander greifend, schnell, effi -<br />

zient und ohne Informationsverluste abgewickelt<br />

werden können. Durch die geschaffenen<br />

Organisationsstrukturen ist hier ein<br />

weitgehend optimaler Prozessablauf mit den<br />

Fachabteilungen der StUÄ entstanden. Die<br />

Einrichtung von Laborkooperationsstellen in<br />

<strong>Herten</strong> und Duisburg hat dazu beigetragen,<br />

dass die Aufgabenerledigung insbesondere in<br />

Schadensfällen reibungslos ablaufen kann.<br />

Wasser<br />

85


Wasser<br />

86<br />

Am Beispiel der Abwasserüberwachung soll<br />

nun näher erläutert werden, welche Randbedingungen<br />

und Vorgaben bei der Aufgabenerledigung<br />

zu beachten sind.<br />

Einleitungen, die im Laborbezirk<br />

überwacht werden<br />

Gemäß § 120 Landeswassergesetz sind<br />

Abwassereinleitungen von im Jahresdurchschnitt<br />

> 1 m³/2 h zu überwachen. Für<br />

die zur Überwachung erforderlichen Probenahmen<br />

und Untersuchungen liegt die<br />

Zuständigkeit gemäß Ziffer 23.1.168 der<br />

Zuständigkeitsverordnung beim Staatlichen<br />

Umweltamt. Die Überwachung hat demnach<br />

in der Weise stattzufi nden, dass mehrmals<br />

im Jahr Proben zu entnehmen sind.<br />

Anzahl von Messstellen<br />

Erlaubnisbehörde<br />

Industrielle /<br />

Gewerbliche Einleitungen<br />

* Die Tabellen 1 und 2 geben einen Überblick<br />

über die sich in der Überwachung<br />

– nach den Vorgaben des Abwasserabgabengesetzes<br />

und des § 120 Landeswassergesetz<br />

– befi ndlichen Probenahmestellen bei<br />

Direkteinleitern und Kläranlagen. Vermerkt<br />

ist die Angabe der Behörde, die den Wasserrechtsbescheid<br />

erlassen hat.<br />

Die Häufi gkeit der Überwachung der Einleitungen<br />

und Messstellen orientiert sich an<br />

den gesetzlichen Vorgaben aus § 6 Absatz 1<br />

der Abwasserverordnung. Danach sind<br />

innerhalb von 3 Jahren pro Jahr mindestens<br />

2 Überwachungswerte pro Messstelle<br />

zu überprüfen, um die 4 von 5 Regeln nachweisen<br />

zu können. Bezüglich der Über-<br />

Anlagentyp Gesamtergebnis<br />

Kläranlagen<br />

Bezirksregierung Düsseldorf 175 30 205<br />

Untere Wasserbehörde Duisburg 14 14<br />

Untere Wasserbehörde Essen<br />

Untere Wasserbehörde Mülheim 1 1<br />

Untere Wasserbehörde Wesel 10 1 11<br />

Bergamt Gelsenkirchen 3 3<br />

Bergamt Moers 11 11<br />

Landesoberbergamt – Abteilung 8<br />

Bezirksregierung Arnsberg<br />

1 1<br />

Staatliches Umweltamt Duisburg 215 31 246<br />

Tabelle 1: Probenahmestellen bei Direkteinleitern und Kläranlagen im <strong>StUA</strong>-Bezirk Duisburg*<br />

Anzahl von Messstellen<br />

Erlaubnisbehörde<br />

Industrielle /<br />

Gewerbliche Einleitungen<br />

Anlagentyp Gesamtergebnis<br />

Kläranlagen<br />

Bezirksregierung Münster 44 33 77<br />

Untere Wasserbehörde Bottrop 1 1<br />

Untere Wasserbehörde Borken 6 2 8<br />

Untere Wasserbehörde<br />

Recklinghausen<br />

7 7<br />

Bergamt Gelsenkirchen 2 2<br />

Bergamt Recklinghausen 11 11<br />

Staatliches Umweltamt <strong>Herten</strong> 71 35 106<br />

Tabelle 2: Probenahmestellen bei Direkteinleitern und Kläranlagen im <strong>StUA</strong> Bezirk <strong>Herten</strong>*


wachungshäufi gkeit für die unterschiedlichen<br />

Herkunftsbereiche des Abwassers<br />

lässt sich Folgendes feststellen:<br />

Häusliches und Kommunales Abwasser<br />

Die Überwachung für den Herkunftsbereich<br />

„Häusliches und Kommunales Abwasser“<br />

sowie für das „biologisch abbaubare Industrieabwasser“<br />

aus<br />

• der Milchverarbeitung<br />

• der Obst- und Gemüseproduktion<br />

• der Herstellung von Erfrischungsgetränken<br />

und der Getränkeabfüllung<br />

• der Kartoffelverarbeitung<br />

• der Fleischwarenindustrie<br />

• Brauereien<br />

• der Herstellung von Alkohol und alkoholischen<br />

Getränken<br />

• der Herstellung von Tierfutter aus<br />

Pfl anzenerzeugnissen<br />

• der Herstellung von Hautleim, Gelatine<br />

und Knochenleim<br />

• Mälzereien<br />

• und der Fischverarbeitungsindustrie<br />

regelt sich nach den Vorgaben der Kommunalabwasserverordnung<br />

vom 30. September<br />

1997.<br />

Gestaffelt nach Einwohnergleichwerten<br />

sind 4 bis 24 Proben jährlich zu nehmen<br />

und zu analysieren. Diese Vorgaben<br />

werden im Labor-Aufsichtsbezirk ohne Einschränkungen<br />

erfüllt.<br />

Einleitungen aus Industrie, Gewerbe<br />

und Landwirtschaft<br />

Für die Herkunftsbereich nach der Abwasserverordnung<br />

liegen außer dem Verweis auf § 6<br />

Absatz 1 Abwasserverordnung bisher keine<br />

rechtsverbindlichen Regelungen zur Probenahmehäufi<br />

gkeit vor. Daher erfolgt durch die<br />

Laborkoordination der StUÄ <strong>Herten</strong>/Duisburg<br />

die Festlegung der Häufi gkeit der Beprobung<br />

in enger Absprache mit den Fachdezernaten<br />

der Überwachungsabteilungen der Staatlichen<br />

Umweltämter <strong>Herten</strong> und Duisburg.<br />

Bei der Festlegung der Überwachungshäufi<br />

gkeit werden die individuellen Gegebenheiten<br />

der industriellen Abwassereinleitungen,<br />

wie die Gefährlichkeit der Schadstoffe,<br />

die (Nicht-)Einhaltung von Überwachungswerten,<br />

mögliche Auswirkungen<br />

auf das Gewässer sowie die Nutzungsanforderungen<br />

für die das Abwasser aufnehmenden<br />

Gewässer berücksichtigt.<br />

Dabei wird unter Zugrundelegung der Vorgaben<br />

der Erlaubnisbescheide und der<br />

inhaltlichen Aussagen des Landesumweltamtes<br />

Merkblattes Nummer 31 – Leitfaden<br />

zur Durchführung der Abwasserprobenahme<br />

in Nordrhein-Westfalen, Essen 2001<br />

– eine Häufi gkeitsliste, die auch die Anforderungen<br />

des Abwasserabgabengesetzes<br />

erfüllt, aufgestellt.<br />

Durch die Probenahmen werden sowohl die<br />

wasserrechtlichen als auch die abgaberechtlichen<br />

Festlegungen in einem abgestuften<br />

Untersuchungsprogramm – je nach Relevanz<br />

der Parameter – überwacht.<br />

Wasser<br />

87


Wasser<br />

88<br />

Nach diesen Vorgaben hat sich zum Beispiel<br />

in den letzten Jahren eine Überwachungshäufi<br />

gkeit für die chemische Industrie bis zu<br />

24-mal je Messstelle, für die Stahl- und NE-<br />

Metallindustrie bis zu 12-mal und für Kraftwerke/Kühlwassereinleitungen<br />

bis zu 10mal<br />

je Messstelle ergeben.<br />

Die nachfolgende Tabelle 3 zeigt die notwendigen<br />

und vereinbarten Häufi gkeiten<br />

der Probenahmen an den Messstellen. Die<br />

erforderlichen Probenahmesollzahlen konnten<br />

für beide Aufsichtsbezirke bisher nahezu<br />

zu 100 % abgedeckt werden. Bei Nichtein-<br />

Bild 2 – Einleitung des Chemieparks Marl in die Lippe<br />

haltung der Überwachungswerte kann man<br />

keine Überwachungshäufi gkeiten nach statischen<br />

Gegebenheiten ermitteln. Hier können<br />

ebenfalls nur die Fachdezernate der<br />

StUÄ eine angemessene Häufi gkeit vorgeben,<br />

bis die Überwachungswerte wieder eingehalten<br />

werden. Im Falle der Erklärung<br />

nach § 4 Absatz 5 AbwAG ist die Einleitung<br />

während des Erklärungszeitraumes im Hinblick<br />

auf den erklärten verminderten Überwachungswert<br />

auf jeden Fall häufi ger zu<br />

überwachen. Die Häufi gkeit ist gegebenenfalls<br />

mit dem Landesumweltamt beziehungsweise<br />

mit den Fachdezernaten abzustimmen.<br />

Soll <strong>StUA</strong> Duisburg <strong>StUA</strong> <strong>Herten</strong><br />

Probenahmen Messstellen Probenahmen Messstellen Probenahmen<br />

1 4 4 1 1<br />

2 29 58 20 40<br />

3 0 2 6<br />

4 83 332 25 100<br />

6 49 294 19 114<br />

8 48 384 15 120<br />

10 1 10 0<br />

12 26 312 28 336<br />

18 7 126 0<br />

24 16 384 11 264<br />

Gesamtergebnis 263 1904 121 981<br />

Tabelle 3: Überwachungshäufi gkeiten der Probenahmestellen


Fazit<br />

Die Probenahme- und Laborkapazitäten im<br />

Staatlichen Umweltamt <strong>Herten</strong> sind aufgrund<br />

von Effektivierungsmaßnahmen in<br />

den Jahren 2002 bis 2004 bisher ausreichend,<br />

um die vorgegebenen Soll-Häufi gkeiten<br />

sowohl im kommunalen als auch im<br />

industriellen Abwasserbereich zu erfüllen.<br />

Im Rahmen der amtlichen Überwachung<br />

des <strong>StUA</strong> <strong>Herten</strong> wurden im Jahr <strong>2005</strong> insgesamt<br />

in 482 Fällen Messwerte ermittelt,<br />

die oberhalb der erfassten Grenzwerte lagen.<br />

Betroffen waren in 407 Fällen Überwachungswerte,<br />

in 27 Fällen Erklärte Werte<br />

nach § 6 AbwAG und in 27 Fällen Erklärte<br />

Werte nach § 4.6 AbwAG.<br />

Die aktuelle Beanstandungsquote für das<br />

Berichtsjahr <strong>2005</strong> und weitere interessante<br />

Ausführungen zu den Tätigkeiten des <strong>StUA</strong>-<br />

Labores fi nden sie in diesem <strong>Jahresbericht</strong><br />

unter dem Titel „Laborstatistik“.<br />

Zebrabärblinge im Dienste<br />

der Umwelt<br />

Michaela Lein und Daniel Nagelmeier<br />

Seit April <strong>2005</strong> führen wir im Staatlichen<br />

Umweltamt (<strong>StUA</strong>) <strong>Herten</strong> den Fischeitest<br />

mit Zebrabärblingen zur Untersuchung von<br />

Abwasserproben durch. Im Fischeitest nach<br />

DIN 38415-T6 wird die akut giftige Wirkung<br />

eines Abwassers nach 48 Stunden gegenüber<br />

Fischeiern vom Zebrabärbling (Danio<br />

rerio) in unterschiedlichen Verdünnungsstufen<br />

untersucht. Anhand folgender Parameter<br />

wird überprüft, ob ein nachteiliger<br />

(toxischer) Effekt auf die Fischeier vorliegt:<br />

• Ohne Schwanzablösung (siehe Bild 2)<br />

• Koaguliert (siehe Bild 3)<br />

• Ohne Herzschlag<br />

• Ohne Somiten (deutlich segmentiertes<br />

Embryonalgewebe, aus dem später<br />

die Wirbel der Wirbelsäule und die<br />

Skelettmuskulatur hervorgehen)<br />

Abbildung 1: Normal entwickelter Embryo<br />

Abbildung 2: Ohne Schwanzablösung.<br />

Abbildung 3: Ein so genanntes koaguliertes Ei, es ist<br />

in einem frühen Entwicklungsstadium<br />

abgestorben.<br />

Wasser<br />

89<br />

Zebrabärlinge im Dienst der Umwelt


Wasser<br />

90<br />

Die im Test eingesetzten Eier sind keine jederzeit<br />

verfügbaren Fertigprodukte. Sie müssen<br />

in eigener Zucht produziert und sofort verarbeitet<br />

werden. Da Zebrabärblinge Laichräuber<br />

sind, hat man in die Trickkiste der Aquaristik<br />

gegriffen, um an die Eier zu gelangen.<br />

Es wird eine Laichschale benutzt. Diese Schale<br />

aus Plastik ist mit einem mit Pfl anzenattrappen<br />

bestückten Edelstahlgitter nach oben hin<br />

abgedeckt. Die Fische werden durch die Pfl anzenattrappen<br />

dazu animiert über dem Gitter<br />

abzulaichen. Die Eier fallen durch das Gitter<br />

und sind vor den Fischen geschützt.<br />

Die Eier entwickeln sich schnell (alle 15 - 30<br />

Minuten neue Teilung) und werden im 4 - 32<br />

Zellstadium in die Proben überführt. Daher<br />

ist die Zahl der möglichen Teste pro Tag<br />

durch die Eimenge und durch die Entwicklungszeit<br />

der Eier begrenzt. Jedes eingesetzte<br />

Fischei wird optisch auf seine Qualität<br />

geprüft. Zusätzlich wird die Eicharge begleitend<br />

beim Test mit einer Referenzsubstanz<br />

und einer Blindprobe überwacht. Bei Einhaltung<br />

der Gültigkeitskriterien ist der Test<br />

nach 48 Stunden auswertbar.<br />

Der Fischeitest wird im <strong>StUA</strong> <strong>Herten</strong> im Rahmen<br />

des Projektes „Einführung des Fischeitests<br />

in Nordrhein-Westfalen (NRW)“ mit<br />

dem <strong>StUA</strong> Köln/Bonn durchgeführt. Anlass<br />

für dieses Untersuchungsvorhaben ist der<br />

Ersatz des Fischtestes durch den Fischeitest<br />

im Abwasserabgabengesetz und in der<br />

Abwasserverordnung im Jahr <strong>2005</strong>.<br />

Der „alte“ Fischtest ist aus tierschutzrechtlichen<br />

Gründen und schlechter Verfügbarkeit<br />

geeigneter Fische durch den Fischeitest<br />

abgelöst worden. Weil man die Ergebnisse<br />

von Fischtests nicht generell 1:1 auf den<br />

Fischeitest übertragen kann, wurde dieses<br />

Projekt ins Leben gerufen.<br />

Ziel dieses Projektes ist die Umstellung der<br />

wasserrechtlichen Einleiterbescheide von GF (Fischtest) auf G (Fischeitest) in NRW. Dazu<br />

Ei<br />

wird die Datenbasis für die unterschiedlichsten<br />

gewerblichen und industriellen Direkteinleiter<br />

in NRW erweitert.<br />

Mit Hilfe der Ergebnisse soll eine Grundlage<br />

für die Bescheidumstellungen sowie für die<br />

Entscheidung geschaffen werden, in welchem<br />

Umfang der Fischeitest zukünftig in NRW<br />

durchzuführen ist. Dies gilt insbesondere in<br />

Bezug auf kommunale Kläranlagen, die bis<br />

Ende 2004 noch nicht oder nur in sehr geringem<br />

Umfang bei den Untersuchungen mit<br />

dem Fischeitest berücksichtigt worden sind.<br />

Im Projekt werden deshalb möglichst viele<br />

Abwässer verschiedenster Herkunftsbereiche<br />

untersucht. Es wurden insgesamt 106 Messstellen,<br />

die mehr als 20 verschiedenen Herkunftsbereichen<br />

zuzuordnen sind, festgelegt.<br />

So werden auffällige Abwässer zum Beispiel<br />

aus den Bereichen der Chemischen Industrie,<br />

der Metallverarbeitung und oberirdischer<br />

Ablagerungen von Abfällen untersucht.<br />

Hierbei wurde deutlich, dass beispielsweise<br />

in Abwässern der Chemischen Industrie<br />

sowie in Abwässern von Deponien eine<br />

hohe Toxizität im Fischeitest vorkommen<br />

kann. Bei den bisher untersuchten Abwässern<br />

gibt es je nach Herkunftsbereich<br />

Ergebnisse von G = 1 (geringe Toxizität)<br />

Ei<br />

bis G = 32 (sehr hohe Toxizität).<br />

Ei


Im weiteren Verlauf des Projektes werden<br />

nun mehrfach auffällige Proben und der Einfl<br />

uss salzhaltiger Abwässer (erhöhte Toxizität)<br />

auf den Fischeitest untersucht. Im Juni<br />

2006 soll das Projekt abgeschlossen werden,<br />

so dass im Anschluss der Endbericht erstellt<br />

werden kann und der Fischeitest zukünftig<br />

erfolgreich in ganz NRW eingesetzt wird.<br />

Nich` alles watt schwatt<br />

iss, iss Russ<br />

Daniel Nagelmeier und Birgit Suer<br />

Anfang Oktober <strong>2005</strong> bekam das Dezernat<br />

42 (zuständig unter anderem für biologische<br />

Untersuchungen) den Auftrag, das<br />

Rätsel um drei Staubproben zu lösen. Anwohner<br />

an verschiedenen Orten entdeckten<br />

einen schwärzlichen Belag, der sowohl auf<br />

den Blättern von Bäumen (siehe Bild 1) als<br />

auch auf Gehwegen zu fi nden war. Die Herkunft<br />

dieses Belags war vor Ort nicht zu ermitteln.<br />

„Handelt es sich dabei um Staubemissionen<br />

aus industriellen Betrieben in der<br />

Nachbarschaft?“ und „Besteht möglicherweise<br />

eine Gesundheitsgefährdung für die<br />

Bevölkerung?“ Fragen, die es zu klären galt.<br />

Die Analyse unter dem Mikroskop zeigte bei<br />

geringer Vergrößerung Staub- und Sandkörner<br />

mit einer unbekannten schwärzlichen<br />

Substanz dazwischen. Erst bei 200-facher<br />

Vergrößerung wurden in der schwärzlichen<br />

Substanz Zellstrukturen sichtbar und so war<br />

klar, dass es sich um organische Bestandteile<br />

handelte. Eine Recherche im Internet<br />

brachte den entscheidenden Hinweis auf<br />

einen Pilz. Beim Vergleich der Bilder im Internet<br />

mit unseren Befunden hatten wir des<br />

Rätsels Lösung gefunden: den Sternrußtaupilz<br />

(siehe Bild 2:200-fach vergrößert)<br />

Die eigentliche Ursache des Befalls sind<br />

Blattläuse, die die zuckerhaltigen Pfl anzensäfte<br />

aufsaugen und dabei den so genannten<br />

Honigtau ausscheiden. Diese Honigtauausscheidungen<br />

werden häufi g von Rußtaupilzen<br />

besiedelt. Diese sind nicht gesundheitsschädlich,<br />

im Gegenteil: Bienen wandeln<br />

den schwärzlichen Honigtau in befallenen<br />

Waldgebieten in dunklen Waldhonig um.<br />

Der Sternrußtaupilz bevorzugt zum Wachstum<br />

längere Feuchtigkeitsperioden mit mehreren<br />

aufeinander folgenden kühlen Nächten.<br />

Befallene Blätter haben unregelmäßige<br />

violettbraune bis schwarze Flecken. Bei starkem<br />

Befall vergilben die Blätter und fallen<br />

ab, wodurch die Pfl anze geschwächt wird.<br />

Von trockenen Blättern kann das Pilzmaterial<br />

in die Umgebung verweht werden. Bei einem<br />

Sternrußtaupilzbefall im heimischen Garten<br />

besteht also kein Grund zur Sorge, ganz im<br />

Gegenteil, wer einen Bienenstock aufstellt,<br />

kann in die Waldhonigproduktion einsteigen.<br />

Denn:<br />

Nich` alles watt schwatt iss, iss Russ.<br />

Wasser<br />

91<br />

Nich` alles watt schwatt iss, iss Russ


Das Ende der Schlümpfe - Final SMURF Workshop<br />

Wasser<br />

92<br />

Das Ende der Schlümpfe -<br />

Final SMURF Workshop<br />

Harald Rahm<br />

Mit dem Abschluss-Workshop fand am 4. und<br />

5. Mai <strong>2005</strong> im Austin Court Kongresszentrum<br />

in Birmingham die letzte große Veranstaltung<br />

im Rahmen des SMURF- Projektes<br />

mit 125 Teilnehmern aus 7 Ländern statt.<br />

Die Abkürzung SMURF steht für Sustainable<br />

Management of Urban Rivers and Floodplains,<br />

also: Nachhaltige Bewirtschaftung<br />

urbaner Flüsse und Überschwemmungsgebiete;<br />

die Übersetzung von „Smurf“ lautet<br />

„Schlumpf“. SMURF war ein Drei-Jahres-<br />

Partnerschaftsprojekt, das von der Environment<br />

Agency(EA), also der führenden staatlichen<br />

Umweltaufsichtsbehörde von England<br />

und Wales initiiert wurde.<br />

Weitere Projektpartner waren die Stadtverwaltung<br />

Birmingham, der betroffene Wasserverband<br />

Severn Trent Water, die Softwareabteilung<br />

von HR Wallingford, die Universität<br />

Birmingham, das King’s College<br />

Birmingham und das Staatliche Umweltamt<br />

(<strong>StUA</strong>) <strong>Herten</strong>, auf dem Workshop vertreten<br />

durch Wolfgang Feldmann und Harald Rahm.<br />

Finanziell unterstützt wird SMURF durch das<br />

EU-LIFE-Umwelt Programm.<br />

Mittelpunkt des Projekts war der River Tame<br />

in den West Midlands - insbesondere<br />

das städtische Einzugsgebiet,<br />

das Birmingham<br />

und einen großen Teil der<br />

„Black Country“ genannten<br />

Region umfasst.<br />

Der River Tame ist ein typisches Beispiel für<br />

einen urbanen Fluss - verschmutzt, stark<br />

denaturiert und durch Verrohrung, Begradigung,<br />

Umleitung und Betonierung der<br />

Ufer überwiegend ohne natürliche Attribute<br />

- alles in allem sehr ähnlich der Emscher<br />

in Nordrhein-Westfalen.<br />

SMURF hatte sich zum Ziel gesetzt, die<br />

ökologischen Probleme des River Tame<br />

durch eine integrierte Planung und Bewirtschaftung<br />

in den Bereichen Flächennutzung,<br />

Wasserqualität, Ökologie und Überfl<br />

utung aufzugreifen. Die im Rahmen des<br />

SMURF-Projekts entwickelten Methoden<br />

sollten als Modell für andere Projekte bei<br />

ähnlichen Flüssen in Großbritannien und der<br />

Europäischen Union dienen.<br />

Der erste Workshoptag beschäftigte sich<br />

im Wesentlichen mit den Ergebnissen des<br />

SMURF-Projektes. Nach einer Begrüßung<br />

durch Marc Scott, den Projektleiter, gab<br />

Dr. David King, Leitender Direktor der Abteilung<br />

Wasserwirtschaft der EA, eine Einführung<br />

in das Thema. John Fitzsimons von der<br />

EA gab einen Überblick über das gesamte<br />

Projekt und stellte somit die im Folgenden<br />

dargestellten Ergebnisschwerpunkte in<br />

einen Rahmen.<br />

Angela Boitsidis stellte ein Konzept für die<br />

Bewertung urban geprägter Flüsse vor, das<br />

der Tatsache Rechnung tragen soll, dass


ein natürlicher Zustand nicht erreichbar ist.<br />

Bewertet werden im Wesentlichen Aspekte,<br />

die in Nordrhein-Westfalen als Gewässerstrukturgüte<br />

bezeichnet werden, darüber<br />

hinaus aber auch Vorkommen und Zustand<br />

von Wasserpfl anzen oder der Geruch und<br />

die Färbung des Gewässers. Die an dem<br />

Tame erarbeiteten Indikatoren wurden am<br />

Botic, einem 35 km langen Fluss in Prag und<br />

an Abschnitten der Emscher auf ihre Übertragbarkeit<br />

geprüft. Dabei stellte sich dann<br />

heraus, dass für die Emscher an ihren markantesten<br />

Stellen eine allerunterste Klasse<br />

neu eingeführt werden musste. Die bisher<br />

schlechteste Stufe für ein veralgtes, überdüngtes<br />

Gewässer wurde bei der Begehung<br />

unterboten durch Gewässerabschnitte der<br />

Emscher, in denen nicht einmal mehr Algen<br />

lebensfähig sind.<br />

Das zweite wesentliche Ergebnis des SMURF<br />

Projektes ist ein GIS-gestütztes Flussgebietsmodell,<br />

das von Andy Tagg, HR Wallingford,<br />

vorgestellt wurde. Auf einer ARC-MAP-<br />

Oberfl äche lassen sich zunächst die verschiedensten<br />

Daten zum Flussgebiet zusammenfassend<br />

darstellen: Probenahmestellen,<br />

Pegel, Regenwassereinleitungen, Überschwemmungsgebiete,<br />

Qualitätsdaten als<br />

Punkte und Bänder und alles, was sich sonst<br />

in eine Datenbank mit geografi schen Bezügen<br />

fassen lässt. Hierzu gehören auch die<br />

Ergebnisse des neu entwickelten Qualitätsindikator-Modells<br />

für städtische Gewässer.<br />

Des Weiteren ist ein Abfl ussmodell hinterlegt,<br />

das natürlichen Abfl uss, Regenwasserabschlag<br />

und Abwassereinleitungen umfasst,<br />

soweit eigentlich Standard für Fachsoftware.<br />

Ergänzend hierzu ist es nun über einen<br />

Szenario-Manager möglich, im beschriebenen<br />

Gebiet Veränderungen vorzunehmen<br />

und eine Aussage über die wahrscheinlichen<br />

Effekte zu bekommen. Im einfachsten Fall<br />

lässt sich berechnen wie sich eine CSB-Welle<br />

fortpfl anzt, wenn ein Tankwagen mit Milch<br />

am Gewässerrand verunglückt und ausläuft.<br />

Es lassen sich aber auch Flächen versiegeln<br />

oder Regenrückhaltebecken einbauen. Am<br />

weitesten fortgeschritten scheint mir die<br />

Modellierung der Auswirkung von Veränderungen<br />

am Habitat, zum Beispiel der Veränderung<br />

der Ufervegetation oder der Sedimentzusammensetzung.<br />

Während sich die<br />

Modellierungen des Abfl usses an zwei Beispieljahren<br />

kalibrieren ließen und die Modellrechnung<br />

anhand eines dritten Jahres mit<br />

gemessenen Daten überprüfbar ist, steht<br />

eine Verifi zierung der Modellierung von Habitatveränderungen<br />

noch aus.<br />

Abschließend berichtet AJ Gray, die im Auftrag<br />

der Universität Birmingham die Öffentlichkeitsbeteiligung<br />

für das SMURF-Projekt<br />

begleitet hatte, über ihre Arbeit. In verschiedenen<br />

Stadtteilen entlang des Tame<br />

wurden Schulen, öffentliche Interessensverbände<br />

und extra für das Projekt gegründete<br />

Bürgergruppen an den Möglichkeiten<br />

Wasser<br />

93


Wasser<br />

94<br />

der Sanierung von Gewässerabschnitten<br />

beteiligt. Nach einer Orientierungsphase, in<br />

der die Beteiligten sammelten, was ihnen<br />

an einem Gewässer wichtig ist, wurden die<br />

Pläne der Ingenieure von EA und Stadtverwaltung<br />

für kleine Sanierungsabschnitte besprochen<br />

und das technisch Machbare mit<br />

dem Gewünschten abgeglichen.<br />

Es resultierte im Rahmen des SMURF-Projektes<br />

der Umbau eines zirka 500 m langen<br />

Gewässerabschnittes in einem als Überfl<br />

utungsfl äche genutzten öffentlichen Park.<br />

Der geradlinig eingedeichte Verlauf wurde<br />

zu einem breiteren, teilweise begehbaren<br />

Flussbett mit zwei Schleifen und einem bei<br />

Niedrigwasser variierenden Flussbett um<br />

gebaut. Hiervon konnten sich die Workshop-<br />

Teilnehmer am späten Nachmittag vor Ort<br />

selbst ein Bild machen. Positiv überraschend<br />

war hierbei die hohe ehrenamtliche Beteiligung<br />

von Bürgern bei der Umgestaltung;<br />

angefangen von einer Videodokumentation<br />

bis zur Pfl anzaktion an den neu aufgeschütteten<br />

Böschungen. Eher ambivalent<br />

zu betrachten ist die Mischung aus Naherholung<br />

und Ökologie im Resultat der Umgestaltung.<br />

Negativ ist zu vermerken, dass<br />

auch eine solch aufwändige Öffentlichkeitsarbeit<br />

keinen auch nur einigermaßen<br />

re- präsentativen Bevölkerungsausschnitt<br />

anzusprechen vermag.<br />

Am zweiten Konferenztag wurden weitere<br />

nationale und EU-Projekte zu ähnlichen Themen<br />

vorgetragen. Dies bot auch Gelegenheit<br />

über die Emscher und das Konzept und den<br />

Fortschritt der Emschersanierung zu referieren<br />

und einen Einblick in die Arbeitsweise in<br />

NRW zu geben. In den anschließenden Ar-<br />

beitsgruppen gab es einen regen Austausch<br />

über Arbeitsweisen, Handwerkszeug und Rahmenbedingungen<br />

in den verschiedenen Mitgliedsstaaten<br />

der EU und den Regionen Großbritanniens.<br />

Nach der Vorstellung der Arbeitsgruppenergebnisse<br />

im Plenum gab Geoff<br />

Petts, Professor an der Universität Birmingham<br />

einen Ausblick auf die mögliche Zukunft<br />

städtisch geprägter Gewässer und Neil Dancer,<br />

Abteilungsleiter der Stadtverwaltung und<br />

Vorsitzender der SMURF Steuerungsgruppe<br />

einen Ausblick auf die weitere Verwendung<br />

der mit SMURF erzielten Ergebnisse.<br />

Aus den drei Jahren Mitarbeit im SMURF-<br />

Projekt lässt sich zusammenfassend festhalten,<br />

dass sich die Arbeitsweisen von England<br />

und NRW deutlich unterscheiden. Mit<br />

den drei Millionen SMURF-Euro wurde einiges<br />

an grundsätzlicher Arbeit geschafft, wie<br />

die Grundlagen eines Indikator-Systems und<br />

eine α-Version einer Modellierungssoftware,<br />

in die sicher noch viel Arbeit zu stecken ist.<br />

Weiterhin wird in Großbritannien viel Wert<br />

auf Kommunikation gelegt, sowohl in fachlichen<br />

Gremien als auch mit der Öffentlichkeit.<br />

Das Workshop-Dinner mit allen Gästen<br />

und einem Redner (After-Dinner-Speaker)<br />

unterstreicht eine typisch britische Kultur.<br />

Doch in einer der Arbeitsgruppen meinte ein<br />

englischer Teilnehmer, es wäre doch schön,<br />

wenn man in England mal auf der Basis<br />

eines grundlegenden politischen Beschlusses,<br />

mit entsprechenden fi nanziellen Mitteln<br />

ein größeres Sanierungsprojekt auch wirklich<br />

umsetzen könnte – wie an der Emscher.<br />

Weiter Informationen zu SMURF fi nden sich<br />

im Internet unter:<br />

http://www.smurf-project.info


Abnahme der Standardlösung Dotierung des Reinstwassers mit Standardlösung Gekühlte Homogenisierung der Standard-Probe durch rühren<br />

Ein Kraftstoffzusatz unter<br />

der analytischen Lupe<br />

MTBE – Vergleichsuntersuchung<br />

Natalie Worku, Heike Berger<br />

und Dr. Harald Rahm<br />

Der Methyl-tert-butylether, kurz MTBE, gehört<br />

zu den bedeutendsten Kraftstoffzusätzen<br />

weltweit. MTBE fördert als sauerstoffhaltiger<br />

C -Kohlenwasserstoff den Verbren-<br />

5<br />

nungsprozess im Motor und ist mit einer<br />

hohen Oktanzahl ein gutes Antiklopfmittel.<br />

Superbenzine enthalten bis zu 15 Volumenprozent<br />

MTBE.<br />

Als Folge des verstärkten Einsatzes als<br />

Kraftstoffkomponente ist MTBE mittlerweile<br />

im Grundwasser und in Oberfl ächengewässern<br />

zu fi nden. MTBE hat eine hohe Wasserlöslichkeit<br />

(42 g/l bei 20 °C), eine sehr geringe<br />

Geruchsschwelle (20 μg/l) sowie einen<br />

charakteristischen Geschmack ab einer Konzentration<br />

von zirka 40 μg/l.<br />

Das Staatliche Umweltamt (<strong>StUA</strong>) <strong>Herten</strong><br />

wurde vom Ministerium für Umwelt und<br />

Naturschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz<br />

des Landes Nordrhein-Westfalen<br />

(MUNLV) beauftragt, eine Vergleichsuntersuchung<br />

zu MTBE zu organisieren. Dieser Artikel<br />

beschreibt Vorbereitung, Durchführung<br />

und Ergebnis der Vergleichsuntersuchung.<br />

Vorbereitung der<br />

Vergleichsuntersuchung im <strong>StUA</strong><br />

<strong>Herten</strong><br />

An zwei der im Labor vorhandenen GC-FIDs<br />

wurde eine Methode erstellt, um Versuche<br />

zur Vorbereitung der Vergleichsuntersuchung<br />

selbst durchführen zu können.<br />

Für die Vorversuche und Dotierung der Proben<br />

wurde MTBE als Reinsubstanz für die<br />

Gaschromatographie beschafft. Hieraus<br />

wurden eine Stammlösung und eine Zwischenverdünnung<br />

von MTBE in Methanol<br />

angesetzt.<br />

Zunächst wurde die Reproduzierbarkeit der<br />

Herstellung von Proben defi nierter Konzentration<br />

ermittelt. Es wurden zehn Lösungen<br />

separat angesetzt und vermessen. Alle<br />

Standards und Lösungen wurden im gekühlten<br />

Zustand (6 °C) abgefüllt und angesetzt.<br />

Der Standard wurde mit einer mittleren<br />

Wiederfi ndung von 98 % zum Kalibrierstandard<br />

und einer Streuung von 4 % um den<br />

Mittelwert wiedergefunden.<br />

Testlauf Vergleichsuntersuchung<br />

Die Gesamtprobe für die Herstellung der<br />

Proben für die Vergleichsuntersuchung wurde<br />

in einem 5-Liter-Behälter mit Auslaufhahn<br />

angesetzt. Der Behälter wurde während<br />

der MTBE- Dotierung und der Abfüllung<br />

der Flaschen mit Eis gekühlt. Vor der<br />

Wasser<br />

95<br />

Ein Kraftstoffzusatz unter der analytischen Lupe<br />

MTBE - Vergleichsuntersuchung


Luftblasenfrei Abfüllung der Probe Transportfertige Probenfl aschen Probenahmenstelle an der Lippe Probenahme des Lippewassers<br />

Wasser<br />

96<br />

eigentlichen Durchführung der Vergleichsuntersuchung<br />

wurde ein Testansatz mit einer<br />

Konzentration von 10,75 μg/l angesetzt. Ein<br />

Vorlauf von 250 ml und ein Nachlauf von<br />

2 x 500 ml wurden bei der Abfüllung der<br />

Proben zur Vergleichsuntersuchung jeweils<br />

verworfen. Für den Vorversuch wurden sie<br />

mit analysiert. Dazwischen liegen die Abfüllungen<br />

der Probenfl aschen für die Vergleichsuntersuchung.<br />

Für den Vorversuch wurden die Flaschen<br />

2, 5 und 8 an ein externes Labor zur Analyse<br />

gegeben, die übrigen Flaschen wurden<br />

selbst untersucht.<br />

Der Mittelwert für die eigenen Untersuchungen<br />

betrug 10,7 μg/l, für alle 9 abgefüllten<br />

Flaschen 10,4 μg/l mit einer Streuung von<br />

5 % um den Mittelwert. Die Wiederfi ndung<br />

lag im Mittel bei 99,3 % (97,1 %). Aufgrund<br />

dieser guten Übereinstimmung wurde die<br />

Herstellung der Proben für die Vergleichsuntersuchung<br />

in Angriff genommen.<br />

Stabilität der verteilten Proben<br />

Um die mögliche Veränderung der im Rahmen<br />

der Vergleichsuntersuchung verteilten<br />

Proben beschreiben zu können, wurde aus<br />

einer überzähligen Flasche der Probe 1 am<br />

31.08.<strong>2005</strong> und am 13.09.<strong>2005</strong> MTBE gemessen.<br />

Die Probe wurde in der Zwischenzeit<br />

absichtlich bei Tageslicht und Raumtemperatur<br />

gelagert, um maximale Veränderungen<br />

bewerten zu können.<br />

Messung am 31.08.<strong>2005</strong> 11,5 μg/l MTBE<br />

Messung am 13.09.<strong>2005</strong> 11,9 μg/l MTBE<br />

Eine für die Vergleichsuntersuchung relevante<br />

Veränderung der Konzentration<br />

konnte auch unter ungünstigen Lagerungsbedingungen<br />

nicht festgestellt werden.<br />

Vergleichsuntersuchung<br />

Am 29.08.<strong>2005</strong> wurden 3 Proben für die<br />

Vergleichsuntersuchung angesetzt und abgefüllt.<br />

Die Proben standen den Staatlichen<br />

Umweltämtern, dem Landesumweltamt<br />

Essen und zwei Privatlaboren ab 12:00 Uhr<br />

zur Verfügung. Die 250 ml-Braunglasfl aschen<br />

mit Schliffstopfen wurden luftblasenfrei<br />

gefüllt und bei 4 °C gelagert. Folgende<br />

Proben wurden verteilt:<br />

Probe 1: Standard in Wasser<br />

Probe 2: Gewässerprobe Lippe<br />

Probe 3: Gewässerprobe + Standard<br />

Soll 10,75 μg/l Konzentration [μg/l] Wiederfi ndungsrate %<br />

Vorlauf (250ml) 9,275 86,28<br />

Flasche/ Abfüllung 1 10,190 94,79<br />

Flasche/ Abfüllung 2 9,900 92,09<br />

Flasche/ Abfüllung 3 10,796 100,43<br />

Flasche/ Abfüllung 4 11,460 106,60<br />

Flasche/ Abfüllung 5 9,800 91,16<br />

Flasche/ Abfüllung 6 10,307 95,88<br />

Flasche/ Abfüllung 7 11,075 103,03<br />

Flasche/ Abfüllung 8 10,200 94,88<br />

Flasche/ Abfüllung 9 10,217 95,04<br />

Nachlauf 1 (500ml) 10,480 97,49<br />

Nachlauf 2 (500ml) 11,018 102,49<br />

Tabelle 2: Testlauf Vergleichsuntersuchung (Ergebnisse 2, 5, 8 externes Labor)


Probenahme des Lippewasser in gekühlten Behälter Dotierung des Lippewassers vor Ort Homogenisierung und Abfüllung der dotierten Lippeprobe<br />

Die Analysenergebnisse und eine kurze Beschreibung<br />

des Messverfahrens wurden bis<br />

22.09.<strong>2005</strong> gesammelt, zusammengestellt<br />

und ausgewertet.<br />

Auswertung<br />

Ausgewertet wurden der Labormittelwert,<br />

die Standardabweichung für das Labor, der<br />

Gesamtmittelwert und die Standardabweichung<br />

des Gesamtmittelwertes.<br />

Für jedes Labor wurde mit Bezug auf den<br />

Gesamtmittelwert und den Sollwert (Konzentration<br />

des Standards) der z-score analog<br />

ISO Guide 43 errechnet. Für die maximal<br />

zulässige Abweichung wurden 10 %<br />

des Mittelwertes/Sollwertes eingesetzt, um<br />

der relativ kleinen Teilnehmerzahl Rechnung<br />

zu tragen.<br />

Alternativ wäre die Standardabweichung des<br />

ausreißerbereinigten Datenpools möglich<br />

gewesen, diese hätte 10 % aber auch nicht<br />

übersteigen dürfen.<br />

Ergebnisse<br />

Die Gesamtmittelwerte der dotierten Proben<br />

1 und 3 liegen oberhalb der Sollkonzentration.<br />

Die Einzelergebnisse streuen für<br />

Grafi sche Darstellungen der Einzelergebnisse<br />

den reinen Standard zirka 20 % um den<br />

Gesamtmittelwert, für das Lippewasser und<br />

das dotierte Lippewasser um rund 15 %.<br />

Die Z-Scores wurden mit Bezug auf den Mittelwert,<br />

bei den dotierten Proben auch mit<br />

Bezug auf den Sollwert berechnet und den<br />

jeweiligen Laboren mitgeteilt. Sie haben<br />

aufgrund der kleinen Teilnehmermenge<br />

nur orientierenden Charakter. Von den 50<br />

berechneten Z-Scores weisen zehn eine<br />

starke Abweichung (lzl > 2) vom Bezugswert<br />

auf, neun davon sind Überbefunde.<br />

Erste Bewertung<br />

Die Vergleichsuntersuchung wurde mit den<br />

verschiedensten Geräten, Aufgabe- und<br />

Detektionsmethoden durchgeführt. Für eine<br />

Vergleichsuntersuchung mit nicht genormten,<br />

frei wählbaren Analyseverfahren ist<br />

ein durchaus zufrieden stellendes Ergebnis<br />

erzielt worden, auch wenn für den Standard<br />

(P1) min- und max-Wert um den Faktor 2<br />

auseinander liegen.<br />

Die Vergleichsuntersuchung liefert Hinweise<br />

für eine vertiefte Diskussion in den Arbeitskreisen<br />

und Fachgruppen der Staatlichen<br />

Umweltlabore.<br />

Wasser<br />

97


Die Fossa Eugeniana und das PCB<br />

Wasser<br />

98<br />

Die Fossa Eugeniana und<br />

das PCB<br />

Harald Rahm<br />

Oft wird für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter<br />

des Labors nicht ersichtlich, welche<br />

Konsequenzen eine Messung haben kann.<br />

Man misst und sieht keine Erfolge. Dass es<br />

auch anders gehen kann und politisch brisante,<br />

öffentlichkeitswirksame Umweltprobleme<br />

offensiv und in konstruktiver Zusammenarbeit<br />

der Beteiligten abgewickelt werden<br />

können, zeigt das beispielhafte Vorgehen<br />

an einem Gewässer des linken Niederrheins,<br />

das seit Jahrzehnten als Vorfl ut für<br />

Grubenwassereinleitungen benutzt wird.<br />

Im Herbst 2004 hatte das Staatliche Umweltamt<br />

<strong>Herten</strong> im Rahmen der Gewässeruntersuchungen<br />

im Dienstbezirk des Staatlichen<br />

Umweltamtes Duisburg im Schwebstoff<br />

der Fossa Eugeniana und im Rheinberger<br />

Altrhein hohe PCB-Konzentrationen festgestellt,<br />

die auf die Einleitungen der Grubenwässer<br />

des Bergwerkes West zurückzuführen<br />

waren. PCBs (Polychlorierte Biphenyle)<br />

wurden bis in die 80-er Jahre als unbrennbare<br />

Trafoöle und als Hydraulikfl üssigkeit<br />

eingesetzt, bis man feststellte, dass sie<br />

gerade wegen dieser Stabilität auch in der<br />

Umwelt nicht abgebaut werden. Im Fettgewebe<br />

von Mensch und Tier angereichert,<br />

führen sie zu chronischen Toxizitäten.<br />

Unter Federführung der Bezirksregierung<br />

Düsseldorf wurde mit den zuständigen Behörden<br />

(zusätzlich zu den oben Genannten<br />

waren dies die Bezirksregierung Arnsberg,<br />

das Bergamt Moers, der Kreis Wesel, die<br />

Stadt Rheinberg und das Landesumweltamt<br />

Nordrhein-Westfalen) sowie der Deutschen<br />

Steinkohle (DSK) und der Linksniederrheinischen<br />

Entwässerungs-Genossenschaft<br />

(LINEG) ein Konzept zur Reduzierung der<br />

PCB-Belastung erarbeitet.<br />

Nachdem die Deutsche Steinkohle in einem<br />

ersten Schritt untertägig die Belastungsschwerpunkte<br />

ermittelt hatte, wurden dort<br />

Maßnahmen zur Reduzierung der PCB-Gehalte<br />

eingeleitet. Besonders hoch PCB-haltige<br />

Grubenwasserströme werden Untertage<br />

zusammengeführt und teilweise in alten<br />

Untertägige Wasserwege im<br />

Bergwerk West


Streckensystemen belassen; Sumpf- und<br />

Absetzstrecken werden häufi ger gereinigt,<br />

so dass mehr Absetzvolumen zur Verfügung<br />

steht. Das geräumte belastete Sediment<br />

verbleibt dann Untertage. Begleitet wird dies<br />

durch organisatorische Maßnahmen, um den<br />

punktuellen Austrag von PCB zu reduzieren.<br />

Die Bergleute wurden gezielt über die Problematik<br />

informiert. Ereignisse wie Leckagen<br />

von Rohrleitungen, Reinigungsmaßnahmen<br />

an Absetzbecken et cetera werden in einem<br />

speziellen Tagebuch vermerkt.<br />

Die obertägigen Absetzbecken für das Grubenwasser,<br />

die von der LINEG betrieben<br />

werden, werden nun in engeren Zeitabständen<br />

geleert. An den Abfl üssen sorgen mittlerweile<br />

schwimmende Auslässe für einen<br />

vergleichmäßigten, schwebstoffärmeren Abschlag<br />

ins Gewässer. Zur weiteren Reduzierung<br />

der PCB-Einträge hat die LINEG Gutachten<br />

in Auftrag gegeben, um den Betrieb<br />

der Grubenwasserbecken zu optimieren.<br />

Für den Fall, dass die oben genannten Maßnahmen<br />

nicht ausreichend sind, lassen DSK<br />

und LINEG parallel dazu gutachtlich prüfen,<br />

inwieweit mit modernsten Reinigungsverfah-<br />

ren die PCB-Belastung der Sümpfungswässer<br />

bis hin zur Einhaltung des Gewässerqualitätsziels<br />

reduziert werden kann.<br />

Die einzelnen Maßnahmen wurden begleitet<br />

von einem Untersuchungsprogramm der<br />

DSK-Untertage um die Schwerpunkte der<br />

Belastungen zu fi nden und einem Untersuchungsprogramm<br />

der LINEG an den Grubenwasserbecken<br />

sowie im Gewässer zwischen<br />

den verschiedenen Einleitungen. Die<br />

Modalitäten aller Messungen von DSK und<br />

LINEG wurden zwischen den beteiligten<br />

Laboren und dem Labor des <strong>StUA</strong> <strong>Herten</strong><br />

abgesprochen, da den Besonderheiten der<br />

Umgebung Rechnung getragen werden<br />

musste und die Ergebnisse anschließend mit<br />

der Behördlichen Überwachung zusammengeführt<br />

werden sollen. Beide Programme<br />

dauern an und haben bisher gezeigt, dass<br />

die in 2004 gemessenen hohen PCB-Konzentrationen<br />

im Gewässer von bis zu 1.600<br />

Mikrogramm/kg (μg/kg) Trockensubstanz<br />

(TS) je PCB-Kongener in den meisten Fällen<br />

auf deutlich unter 80 μg/kg TS reduziert<br />

werden konnten. Trotz der Reduzierung<br />

um zirka 95 % liegen diese Werte nach<br />

Grubenwassereinleitungen<br />

im Gebiet des Rheinberger<br />

Altrheins und seiner Zufl üsse<br />

Wasser<br />

99


Wasser<br />

100<br />

wie vor oberhalb des Gewässerqualitätsziels<br />

von 20 μg/kg TS. Im Herbst <strong>2005</strong> haben die<br />

StUÄ <strong>Herten</strong> und Duisburg ein neues Messprogramm<br />

für Gewässer und Schwebstoffe<br />

begonnen, um die Erfolge der Sanierungsmaßnahmen<br />

behördlicherseits zu bestätigen.<br />

Das LUA untersucht parallel die Sedimente<br />

in größerem Umfang. Die gesamten<br />

Untersuchungen, Begutachtungen und Maßnahmen<br />

der LINEG und der DSK einschließlich<br />

der umfassenden amtlichen Gewässerqualitätsuntersuchung<br />

sollen im März 2006<br />

abgeschlossen sein. Die Ergebnisse werden<br />

Anfang April vorgestellt und bewertet. Die<br />

Bezirksregierung Düsseldorf wird danach<br />

unter Beteiligung der eingerichteten Arbeitsgruppe<br />

ein Maßnahmenpaket zur Erreichung<br />

des Qualitätszieles im Rheinberger Altrhein<br />

und Fossa Eugeniana erstellen.<br />

Meines Wissens stellt dieses Programm die<br />

umfangreichste Maßnahme dar, die bisher<br />

zur Erreichung eines Gewässerqualitätsziels<br />

der Wasserrahmenrichtlinie getroffen<br />

wurde. In den Gesprächen mit allen Betroffenen<br />

ist jedoch bei allem guten Willen ein<br />

grundsätzliches Problem offen geblieben:<br />

Das Instrumentarium des Wasserrechtes ist<br />

nicht geeignet, den Zielsetzungen der Wasserrahmenrichtlinie<br />

in allen Punkten gerecht<br />

zu werden. Klassischerweise werden im<br />

Wasserrecht Konzentrationen in der wässrigen<br />

Phase oder Frachten für die Einleitung<br />

bestimmter Stoffe in ein Gewässer begrenzt.<br />

Für die Sicherstellung der Einhaltung von<br />

Qualitätszielen wird dann in der Regel eine<br />

Mischungsrechnung durchgeführt. Das Qualitätsziel<br />

für PCB bezieht sich aber auf die<br />

Konzentration im Schwebstoff. Dieser wird<br />

aus einer beliebig großen Wassermenge<br />

gewonnen. Die Reduzierung des Eintrages<br />

von PCB-belasteten Kohlepartikeln in der<br />

Fracht wirkt sich deshalb nur bedingt auf<br />

die Konzentration des aus dem Gewässer<br />

gewonnenen Schwebstoffes aus, insbesondere<br />

wenn das Gewässer selbst nur wenig<br />

eigene, unbelastete Schwebstoffe enthält.<br />

Die für den Bereich der Fossa gefundenen<br />

Lösungen dürften demnach für die Zukunft<br />

Modellcharakter für die Maßnahmenpläne<br />

nach WRRL in anderen Bereichen haben.<br />

Messstellen der<br />

behördlichen Überwachung<br />

im Einzugsgebiet des<br />

Rheinberger Altrheins und<br />

seiner Zufl üsse


Prioritäre Stoffe in<br />

Oberfl ächenwässern<br />

Dr. Friederike Vietoris<br />

- Qualitätsnormen, Monitoring,<br />

Relevanz -<br />

Mit der Verabschiedung der „Richtlinie<br />

2000/60/EG des Europäischen Parlaments<br />

und des Rates vom 23. Oktober 2000 zur<br />

Schaffung eines Ordnungsrahmens für<br />

Maßnahmen der Gemeinschaft im Bereich<br />

der Wasserpolitik“ (Wasserrahmenrichtlinie<br />

- WRRL) wurde ein neues Instrument<br />

geschaffen, das die Kontrolle der Gemeinschaft<br />

bezüglich gefährlicher Stoffe harmonisiert<br />

und weiter entwickelt. Wesentliches<br />

Ziel der Richtlinie ist die Erreichung eines<br />

„guten Zustandes“ der Gewässer. Dieser<br />

setzt sich beim Oberfl ächenwasser aus den<br />

Elementen „ökologischer Zustand“ und<br />

„chemischer Zustand“ zusammen.<br />

Das Erreichen des „guten chemischen Zustandes“<br />

ist für Oberfl ächengewässer vom<br />

Vorkommen und der Konzentration der „prioritären<br />

Stoffe“ im Gewässer abhängig. Artikel<br />

16 der WRRL fordert in diesem Zusammenhang<br />

bei Bedarf spezifi sche Maßnahmen<br />

zur schrittweisen Reduzierung von Einleitungen,<br />

Emissionen und Verlusten von prioritären<br />

Stoffen umzusetzen.<br />

Für die „prioritären gefährlichen Stoffe“<br />

sind Einleitungen, Emissionen und Verluste<br />

innerhalb von 20 Jahren zu beenden oder<br />

schrittweise einzustellen. Die Liste der prioritären<br />

und der prioritären gefährlichen<br />

Stoffe wurde mit der Entscheidung Num-<br />

mer 2455/2001/EG des Europäischen Parlamentes<br />

und des Rates vom 20.11.2001<br />

festgelegt. Sie umfasst insgesamt 33 Stoffe<br />

beziehungsweise Stoffgruppen und ist als<br />

Anhang X in der WRRL enthalten.<br />

Bis zum 22. Dezember 2006 sind für diese<br />

Stoffe einheitliche EU-Umweltqualitätsnormen<br />

festzulegen. Hierfür schlägt die<br />

Kommission - gemäß Artikel 16 der WRRL<br />

- Qualitätsnormen für die Konzentrationen<br />

der prioritären Stoffe in Oberfl ächenwasser,<br />

Sedimenten oder Biota vor. Für weitere<br />

Schadstoffe von nicht unbedingt europaweiter<br />

Bedeutung müssen die Staaten selbst<br />

Umweltqualitätsnormen festsetzen, wenn<br />

diese Stoffe in einem ihrer Gewässer eine<br />

signifi kante Konzentration erreichen.<br />

Sollte es bis Ende 2006 keine Einigung<br />

bezüglich der prioritären Stoffe auf Gemeinschaftsebene<br />

geben, legen die Mitgliedsstaaten<br />

selbst entsprechende Umweltqualitätsnormen<br />

fest. Zurzeit steht ein entsprechender<br />

Richtlinienentwurf der Kommission<br />

noch aus, jedoch wird ein Entwurf im<br />

Januar 2006 erwartet, der Qualitätsnormen<br />

für Oberfl ächengewässer enthalten wird.<br />

Bisher liegt ein inoffi zieller Entwurf einer<br />

Tochterrichtlinie zu prioritären Stoffen vor,<br />

der entsprechende Qualitätsnormvorschläge<br />

enthält. Darüber hinaus steht seit November<br />

<strong>2005</strong> die turnusmäßige Überprüfung der<br />

Liste prioritärer Stoffe an.<br />

Die WRRL stellt zudem Anforderung an das<br />

Monitoring der prioritären Stoffe in Oberfl<br />

ächengewässern: jeder Mitgliedsstaat ist<br />

verpfl ichtet die prioritären Stoffe in allen<br />

relevanten Wasserkörpern zu untersuchen<br />

Wasser<br />

101<br />

Prioritäre Stoffe in Oberfl ächenwässern


Wasser<br />

102<br />

und die Einhaltung der noch festzulegenden<br />

Qualitätsnormen zu überprüfen. Analytische<br />

Methoden sind hierfür nicht explizit<br />

genannt, jedoch wird in der Richtlinie auf<br />

die entsprechenden CEN/ISO Standards verwiesen.<br />

CEN/TC 230 führte eine europaweite<br />

Umfrage bei Laboren zur Leistungsfähigkeit<br />

der existierenden Normverfahren für die Analyse<br />

von prioritären Stoffen nach WRRL durch.<br />

Diese ergab, dass bei Nutzung europäischer<br />

beziehungsweise internationaler Standards für<br />

zirka 90 % der prioritären Stoffe eine Überwachung<br />

der vorgeschlagenen Qualitätsnormen<br />

möglich wäre (Lepom et al. <strong>2005</strong>). Analytische<br />

Standards existieren für alle Parameter<br />

mit Ausnahme der C10-13 Chloroalkane.<br />

Jedoch gibt es Probleme für einige Substanzen<br />

hinsichtlich der Bestimmungsgrenze im<br />

Vergleich zu den vorgeschlagenen Qualitätsnormen<br />

(unter anderem Hexachlorbutadien,<br />

polybromierte Diphenylether, Tributylzinnverbindungen).<br />

Eine Umfrage in den Bundesländern<br />

ergab ein ähnliches Bild.<br />

Die Analytik für die prioritären Stoffe ist<br />

überwiegend anwendungsbereit. Jedoch<br />

wurde neben den bei der CEN-Umfrage benannten<br />

Problemen auch darauf verwiesen,<br />

dass die seitens der Kommission zurzeit<br />

vorgeschlagenen Qualitätsnormen für die<br />

Schwermetalle im unteren Anwendungsbereich<br />

der Methoden liegen. Gegenwärtig<br />

wird eine Kommissionsentscheidung vorbereitet,<br />

in der relevante Aspekte der Qualitätssicherung<br />

des chemischen Monitorings<br />

verbindlich geregelt werden sollen. Kernpunkte<br />

sind Anforderungen an die Bestimmungsgrenze/untere<br />

Anwendungsgrenze<br />

sowie die Messunsicherheit der Verfahren.<br />

Weiterhin wird ein Qualitätsmanagement<br />

der Laboratorien gemäß ISO 17025 sowie<br />

eine erfolgreiche Teilnahme an Ringversuchen<br />

gefordert. Im Rahmen dieser Kommissionsentscheidung<br />

ist weiterhin vorgesehen,<br />

die Einhaltung/Überschreitung von Umweltqualitätsnormen<br />

zu regeln. Weiterhin befi ndet<br />

sich auf EU-Ebene ein Leitfaden zum<br />

chemischen Monitoring in Vorbereitung. Dieser<br />

Leitfaden wird grundlegende Hinweise<br />

und Erläuterungen zu den wesentlichen<br />

Aspekten des Monitoringdesigns und der<br />

Analytik enthalten. Hierbei wird auf bereits<br />

vorhandene Leitlinien und Dokumente<br />

zurückgegriffen werden. Ein erster Entwurf<br />

des Leitfadens soll im März 2006 vorliegen.<br />

Neben den Entwicklungen auf EU-Ebene werden<br />

parallel auf LAWA- wie auf Länderebene<br />

Vorgaben für das Monitoring der Oberfl ächengewässer<br />

und des Grundwassers entwickelt.<br />

Diese enthalten auch Vorgaben für die prioritären<br />

Stoffe. Die Relevanz der einzelnen prioritären<br />

Stoffe für die Gewässer in Deutschland<br />

und speziell in Nordrhein-Westfalen (NRW)<br />

ist sehr unterschiedlich. Dies zeigt das Ergebnis<br />

einer Abfrage bei den Bundesländern über<br />

die LAWA in <strong>2005</strong>. Teilweise deut-liche Überschreitungen<br />

der bestehenden Qualitätsziele<br />

oder vorgeschlagenen Qualitätsnormen sind<br />

bundesweit wie auch in NRW unter anderem<br />

bei folgenden Stoffen festzustellen:<br />

• PAK’s,<br />

• Pfl anzenschutzmittel Diuron und<br />

Isoproturon,<br />

• Schwermetalle Blei, Quecksilber, Nickel<br />

und Cadmium.


Dagegen liegen unter anderem für die<br />

folgenden Substanzen bundesweit entweder<br />

(fast) keine Überschreitungen der bestehenden<br />

Qualitätsziele oder vorgeschlagenen<br />

Qualitätsnormen vor oder die Überschreitungen<br />

beruhen auf lokal begrenzten<br />

Problemen:<br />

• Benzol,<br />

• Hexachlorbutadien,<br />

• 1,2-Dichlorethan, Dichlormethan,<br />

Trichlormethan<br />

• Trichlorbenzole, Pentachlorbenzol,<br />

• Pentachlorphenol<br />

Die Monitoringergebnisse im Dienstbezirk<br />

des Staatlichen Umweltamtes <strong>Herten</strong> aus<br />

2004 und <strong>2005</strong> weisen vor allem für die folgenden<br />

prioritären Stoffe Überschreitungen<br />

der vorgeschlagenen Qualitätsnormen aus:<br />

Im Arbeitsgebiet Emscher: vor allem Cadmium,<br />

Nickel, Blei, Quecksilber, PAK’s<br />

Im Arbeitsgebiet Lippe und Ijsselmeer-<br />

Zufl üsse/NRW: vor allem Nickel, Blei,<br />

Diuron, Isoproturon<br />

Nach wie vor bestehen Datenlücken, die<br />

innerhalb der nächsten Jahre zu schließen<br />

sind. Ursachen hierfür sind neben fehlenden<br />

Monitoringdaten auch fehlende oder qualitativ<br />

nicht ausreichende Analyseverfahren<br />

(siehe oben).<br />

Sind im Monitoring Überschreitungen der<br />

Qualitätsnormen für prioritäre Stoffe im<br />

Oberfl ächengewässer festgestellt worden,<br />

sind bereits jetzt für die Ermittlung der<br />

Ursachen unter Anderem folgende Punkte<br />

zu prüfen:<br />

• Einleitungserlaubnisse und<br />

Einleiterüberwachung bei gewerblichen<br />

Direkteinleitern;<br />

• Belastungen aus kommunalen<br />

Abwasseranlagen;<br />

• Verwendung des jeweiligen Stoffes<br />

als Pfl anzenschutzmittelwirkstoff im<br />

jeweiligen Einzugsgebiet;<br />

• Vorliegen von geogenen<br />

Vorbelastungen;<br />

• Vorliegen von Altlasten, die das<br />

Gewässer beeinfl ussen;<br />

• Vorliegen von grenzüberschreitenden<br />

Vorbelastungen (zum Beispiel<br />

Oberlieger).<br />

Im Folgenden sind dann spezifi sche Maßnahmen<br />

zur schrittweisen Reduzierung von<br />

Einleitungen, Emissionen und Verlusten von<br />

prioritären Stoffen umzusetzen. Für prioritär<br />

gefährliche Stoffe sind Einleitungen, Emissionen<br />

und Verluste innerhalb von 20 Jahren<br />

zu beenden oder schrittweise einzustellen.<br />

Somit sind die Regelungen zu den prioritären<br />

Stoffen wichtige Elemente der WRRL,<br />

die in der zurzeit bereits laufenden Monitoringphase<br />

wie auch in den zukünftigen<br />

Maßnahmen zu berücksichtigen sind. Bestehende<br />

Datenlücken sind zu schließen sowie<br />

die Belastung mit prioritären Stoffen in den<br />

Gewässern schrittweise zu reduzieren, um<br />

den guten chemischen Zustand zu erreichen.<br />

Literatur:<br />

[ 1 ] P. LEPOM, U. BORCHERS and G. HANKE<br />

(<strong>2005</strong>): PRIORITY SUBSTANCE MONITORING<br />

– ARE THE EXISTING EUROPEAN STANDARD<br />

METHODS FIT FOR PURPOSE<br />

Proceedings of the 9th International<br />

Conference on Environmental Science and<br />

Technology, Rhodes Island, Greece,<br />

1-3 September <strong>2005</strong>, p. 357.<br />

Wasser<br />

103


Von Daten und Enten - Laborstatistik <strong>2005</strong><br />

Wasser<br />

104<br />

Von Daten und Enten<br />

– Laborstatistik <strong>2005</strong><br />

Dr. Harald Rahm<br />

Ein Mensch, der von Statistik hört,<br />

denkt dabei nur an Mittelwert.<br />

Er glaubt nicht dran und ist dagegen,<br />

ein Beispiel soll es gleich belegen:<br />

Ein Jäger auf der Entenjagd<br />

hat einen ersten Schuss gewagt.<br />

Der Schuss, zu hastig aus dem Rohr,<br />

lag eine gute Handbreit vor.<br />

Der zweite Schuss mit lautem Krach<br />

lag eine Handbreit nach.<br />

Der Jäger spricht ganz unbeschwert<br />

voll Glauben an den Mittelwert:<br />

Statistisch ist die Ente tot.<br />

Doch wär` er klug und nähme Schrot<br />

-dies` sei gesagt, ihn zu belehrener<br />

würde seine Chancen mehren.<br />

Der Schuss geht ab, die Ente stürzt,<br />

weil Streuung ihr das Leben kürzt.<br />

Autor: Prof. Dr. H. P. List, Marburg<br />

Das Jahr <strong>2005</strong> kann in die Labor-Analen als<br />

das Jahr der Statistik eingehen. Was haben<br />

wir in diesem Jahr nicht alles an statistischen<br />

Methoden durchdacht. Mit dem verstärkten<br />

Engagement der Labore des Staatlichen<br />

Umweltamtes (<strong>StUA</strong>) und des Landesumweltamtes<br />

(LUA) in Richtung Akkreditierung<br />

haben sich in diesem Jahr alle Mitarbeiter<br />

mit den Methoden der Qualitätssicherung<br />

auch theoretisch auseinandergesetzt. Und<br />

das bedeutet Statistik; was hoffentlich beim<br />

Lesen des Artikels ein wenig klarer wird.<br />

Wenn im Labor auch nicht gewürfelt wird, so<br />

erkennt man doch spätestens bei der zweiten<br />

Messung desselben Parameters aus der<br />

gleichen Probenfl asche, dass sich die Ergebnisse<br />

unterscheiden (=der Schuss vor und<br />

hinter die Ente). Es gilt, die Präzision des<br />

Messverfahrens zu beschreiben. Dazu misst<br />

man am besten noch häufi ger. Aus einem<br />

genügend großen Datenkollektiv lässt sich<br />

dann die Streuung ermitteln (=Schrot).<br />

Zur Auswertung<br />

suche man<br />

den alten 10-DM-<br />

Schein, den mit<br />

dem netten älteren<br />

Herrn mit Mütze<br />

und Backenbart<br />

und übertrage seine Messwerte in die Formel,<br />

die auf dem Geldschein steht – die<br />

Gauß’sche Normalverteilung. Nun wissen wir<br />

mit 95 oder 99%iger Wahrscheinlichkeit, ob<br />

es Entenbraten gibt.<br />

Leider macht der Analytiker manchmal die<br />

Entdeckung, dass er besser mit dem Geldschein<br />

eine Ente kauft, da das begehrte<br />

Exemplar trotz 99%iger Sicherheit noch fl iegt.<br />

Zum Beispiel bei der Betrachtung des Messergebnisses<br />

eines zertifi zierten Standards:<br />

mit hoher Präzision daneben geschossen, den<br />

„wahren“ Wert verfehlt – ein beliebter Fehler<br />

in der Analytik. „Wahre“ Werte zur Kalibrierung<br />

in der Analytik sind Mangelware; ein<br />

Mangel an Wahrheit führt zu noch mehr Statistik:<br />

das Schlagwort hier heißt Validierung.<br />

Zwischen all dieser Statistik sind wir dann<br />

doch noch dazu gekommen einige Messwerte<br />

zu erzeugen – statistisch abgesichert


und zum Teil mit erheblichen Konsequenzen,<br />

wie sich an anderen Stellen in diesem <strong>Jahresbericht</strong><br />

nachlesen lässt.<br />

Im Jahr <strong>2005</strong> wurden insgesamt 4108 Probenahmeaufträge<br />

(PNA) erfolgreich abgewickelt.<br />

In weiteren 711 Fällen musste die Probenahme<br />

abgebrochen werden, weil zum Beispiel<br />

nicht genügend Ablauf vorhanden war.<br />

Diese relativ hohe Quote kommt durch eine<br />

große Anzahl von zu untersuchenden Niederschlagswassereinleitungen<br />

und diskontinuierlichen<br />

Einleitungen (Batchbetriebe,<br />

Kühlturmabschlämmungen, Rauchgasentschwefelungen,<br />

Neutralisationsanlagen, Sanitärbereich,<br />

und so weiter) zustande, die dementsprechend<br />

häufi g angefahren werden, um<br />

überhaupt 1-2 Proben/Jahr gewinnen zu können.<br />

63 % der PNA entfallen auf den Regierungsbezirk<br />

Düsseldorf, 37 % auf den Regierungsbezirk<br />

Münster (siehe Abbildung 1).<br />

Abbildung 1: Verteilung der Probenahmeaufträge auf die Regierungsbezirke<br />

Die Anzahl der PNA insgesamt ist im Vergleich<br />

zum Vorjahr deutlich gestiegen<br />

(+3,5 %), wobei die Zahl der abgebrochenen<br />

PNA um knapp 30 % gesenkt werden konnte.<br />

Das Jahr <strong>2005</strong> ist allerdings abweichend<br />

von den Vorjahren dadurch geprägt, dass<br />

die PNA im Labordateninformationssystem<br />

(LINOS) dazu verwendet wurden, die geographischen<br />

Positionen von Messstellen,<br />

Einleitungen und Anlage über GPS-Messungen<br />

neu zu erfassen. 286 PNA enthalten<br />

keine Überwachungsparameter, sondern nur<br />

GPS-Daten, da sich die Erfassung nicht mit<br />

einer Probenahme verbinden ließ.<br />

Somit ergibt sich zum Vorjahr eine leicht<br />

rückläufi ge Zahl echter Probenahmen.<br />

Neben den Fahrten zur GPS-Messung wurden<br />

in diesem Jahr eine Vielzahl von Kurierfahrten<br />

durch den Probenahmedienst geleistet.<br />

Neben dem stark ausgeweiteten Trans-<br />

Wasser<br />

105


Wasser<br />

106<br />

port von Proben zwischen den Ämtern im<br />

Rahmen der Analytik für die Wasserrahmenrichtlinie<br />

(WRRL), lag eine Vielzahl von Sonderproben<br />

an, deren Flaschen direkt nach<br />

der Probenahme auf verschiedene Labore<br />

verteilt werden mussten. Trotzdem konnten<br />

alle Messstellen aus der Abwasserüberwachung<br />

entsprechend der vorgegebenen<br />

Häufi gkeit angefahren werden.<br />

Die Bearbeitungszeit für Proben, die im Jahr<br />

<strong>2005</strong> freigegeben wurden, lag zwischen<br />

0,5 und 455 Tagen mit einem Mittelwert von<br />

54 Tagen. „Führend“ sind in diesem Bereich<br />

die Proben mit biologischen Gewässeruntersuchungen,<br />

die erst nach der Probenahme-Saison<br />

ausgewertet werden können. Insbesondere<br />

im Übergang zur Bewertung nach AQEM<br />

(Software zur Berechnung der ökologischen<br />

Qualität von Fließgewässern) sind Auswertungen<br />

nicht abgeschlossen worden, weil Festlegungen<br />

zu Berechnungsweisen ausstanden.<br />

Die kürzesten Zeiten sind für reine Abwassermengenmessungen,<br />

GPS-Messungen und<br />

einige Sonderproben erreicht worden.<br />

Im Regierungsbezirk Münster wurden<br />

883 Abwasser-Probenahmen durchgeführt,<br />

das sind 4 % mehr als im Vorjahr.<br />

Die Anzahl der Probenahmen von Grundwasser<br />

wurde zwar um 5 auf 102 erhöht,<br />

erreicht aber damit noch lange nicht das<br />

Niveau von 1997 bis 2002.<br />

Das Messnetz soll im kommenden Jahr<br />

für die Betrachtung der Grundwasserkörper<br />

entsprechend den Anforderungen der<br />

Wasserrahmenrichtlinie angepasst werden.<br />

Hieraus wird sich gegebenenfalls weiterer<br />

Bedarf entwickeln. Die Anzahl der Probenah-<br />

men aus Oberfl ächengewässern inklusive<br />

„Intern Biologie“ ist gegenüber dem Vorjahr<br />

zugunsten der Untersuchungen im Dienstbezirk<br />

des Staatlichen Umweltamt Duisburg<br />

um etwa 12 % zurückgegangen.<br />

Die Anzahl der untersuchten Feststoffproben<br />

befi ndet sich auf konstant hohem Niveau<br />

und wird im Wesentlichen durch Staubmessungen<br />

bestritten. Die Sonderproben, die<br />

unter Flüssigkeiten summiert sind, sind zum<br />

größten Teil die PNA zur GPS-Ermittlung.<br />

Für den Regierungsbezirk Düsseldorf blieb<br />

die Anzahl der durchgeführten Abwasserprobenahmen<br />

mit 1520 (-1 %) relativ konstant.<br />

Die Anzahl der Grundwasserbeprobung fi el<br />

um 11 PNA geringer aus als im Vorjahr. Ein<br />

Teil des für <strong>2005</strong> vorgesehenen Programms<br />

war bereits in 2004 begonnen worden. Die<br />

Steigerung im Bereich Oberfl ächenwasserproben,<br />

die bereits 2002 begonnen hat,<br />

wurde mit einem Plus von 47 PNAs (17 %)<br />

gegenüber 2004 noch fortgesetzt.<br />

Für die Feststoffproben gilt das oben<br />

Gesagte hinsichtlich der Staubproben. Anzumerken<br />

ist hier, dass der Wechsel der Bergerhoff-Gefäße<br />

durch das <strong>StUA</strong> Duisburg<br />

selbst erfolgte. Hinzu kommt eine Reihe<br />

von Sonderuntersuchungen, die zahlenmäßig<br />

nicht so ins Gewicht fallen, aber einen<br />

erheblichen Aufwand verursachen.<br />

Im Bereich der fl üssigen Sonderproben<br />

sind für das <strong>StUA</strong> Duisburg neben den<br />

GPS-Messungen noch eine große Zahl Wasserproben<br />

vom Gelände der Firma Sudamin<br />

in Duisburg untersucht worden sowie<br />

MTBE-Proben aus der Lippe.


Abbildung 2: Verteilung der Probenahmeaufträge auf Messdienste, Entwicklung 1996-<strong>2005</strong><br />

Wasser<br />

107


Wasser<br />

108<br />

Nach der Betrachtung der Anzahl der Probenahmen<br />

wenden wir den Blick auf die<br />

Anzahl der Messergebnisse (siehe Abbildung<br />

3). Unabhängig vom Aufwand zur<br />

Ermittlung zählt jedes Messergebnis als<br />

„1“. Obwohl die Anzahl der Probenahmen<br />

zum Vorjahr leicht abgenommen hat, ist<br />

die Anzahl der ermittelten Messergebnisse<br />

angestiegen. Mit rund 15.000 Messergebnissen<br />

mehr als im Jahr 2004 haben wir ein<br />

neues Rekordniveau erreicht.<br />

Grundsätzlich gilt, dass im Rahmen der<br />

Ursachensuche für die Qualitätszielüberschreitungen<br />

aus der Bestandsaufnahme<br />

der Oberfl ächengewässer in fast allen Proben<br />

ein größerer Untersuchungsumfang zu<br />

bewältigen war. Hierzu zählt zum Beispiel<br />

die Bestimmung von Metallen in Kläranlagenabläufen<br />

mittels ICP-MS. So ergibt es sich,<br />

dass auch im Abwasserbereich die Anzahl<br />

der ermittelten Messwerte angestiegen ist.<br />

In den Oberfl ächenwässern ist der Untersuchungsumfang<br />

erheblich erweitert worden,<br />

um die Datenlücken der Bestandsaufnahme<br />

WRRL (Stichwort Graue Bänder)<br />

weitgehend zu schließen.<br />

Hierzu war eine Zusammenarbeit aller <strong>StUA</strong>-<br />

Labore und des LUA-Labors notwendig. Von<br />

den 107.331 zum Zeitpunkt der Auswertung<br />

ermittelten Messergebnissen wurden 7.752<br />

nicht im <strong>StUA</strong> <strong>Herten</strong> ermittelt. Es bleiben<br />

99.579 eigene Messwerte, immer noch ein<br />

Rekord. Weitere 2447 Messwerte aus anderen<br />

Laboren für das Jahr <strong>2005</strong> stehen noch aus.<br />

Abbildung 3: Anzahl der ermittelten Messergebnisse unterteilt nach Messdiensten für die Jahre 1996-<strong>2005</strong>


Wie üblich wurde auch das Jahr <strong>2005</strong> mit<br />

dem Schwerpunkt Abwasseranalytik begonnen<br />

(Abbildung 4). Ab März bleibt ein Sockel<br />

von rund 50 % Abwasseranalytik. Mit der<br />

Probenahme und Analytik im Oberfl ächenwasser<br />

wurde bereits früh begonnen, da<br />

einige Messstellen über das ganze Jahr zu<br />

untersuchen waren und eine Reihe von speziellen<br />

Programmen bereits geplant waren.<br />

Richtig los ging es dann im April.<br />

Die große Anzahl an Grundwasseruntersuchungen<br />

im November und Dezember ist<br />

auf den Rücklauf von Ergebnissen aus der<br />

Laborkooperation und ein intensives Untersuchungsprogramm<br />

am linken Niederrhein<br />

zurückzuführen. Im Sommerhalbjahr wurde<br />

nahezu die gesamte Grundwasserunter-<br />

suchung abgewickelt. Für das Jahr <strong>2005</strong><br />

fällt die hohe Arbeitsleistung im Urlaubsmonat<br />

August auf. In dieser Zeit konnten zwei<br />

Ex-Auszubildende, die derzeit Chemie studieren,<br />

als Urlaubsvertretungen für einige<br />

Wochen eingestellt werden. Hinzu kommt<br />

die Analytik einer Vielzahl von Pestizid-Einzelwerten<br />

nach Inbetriebnahme der automatisierten<br />

Anreicherungsstation.<br />

Abbildung 5 beschreibt, für welche Messdienste<br />

die einzelnen Bereiche des Labors<br />

im Wesentlichen arbeiten. Der Probenahmedienst<br />

und die klassischen AbwAG-Parameter<br />

Stickstoff, Phosphor, TOC und CSB – also<br />

„Vor-Ort“, „Anionen“ und „Org. Sum.“ leisten<br />

ihre wesentliche Arbeit für den Messdienst<br />

„Abwasser“. Auch die im Rahmen der Labor-<br />

Abbildung 4: Anzahl der ermittelten Messergebnisse unterteilt nach Messdiensten für die Monate des Jahres <strong>2005</strong><br />

Wasser<br />

109


Wasser<br />

110<br />

börse abgewickelten Aufträge befanden sich<br />

früher in diesem Messdienst, sind aber durch<br />

die WRRL in anderer Richtung gewachsen.<br />

Die Analytik von Kationen entfällt schon zu<br />

40 % auf andere Messdienste als die des<br />

Abwassers. Organische Einzelstoffe, also<br />

Benzo(a)pyren, Chloroform, Atrazin, Benzol,<br />

PCBs und so weiter werden bereits zu rund<br />

50 % im Oberfl ächenwasser bestimmt.<br />

Für die Arbeitsgruppe Biologie fallen die<br />

„Gewässergüte“-Parameter in den Messdienst<br />

Oberfl ächenwasser, während für den<br />

Bereich Abwasser im wesentlichen Toxizitäten<br />

bestimmt werden. Für die Arbeitsgruppe<br />

Feststoffe teilte sich die Arbeit in<br />

die Bestimmung der Feuchtegehalte von<br />

Schwebstoffen für den Messdienst Oberfl<br />

ächenwasser und die Staubmassenbestim-<br />

mungen für die Bergerhoff-Untersuchungen.<br />

Der Aufwand für die Probenaufbereitung<br />

wie die Gefriertrocknung oder der Säureaufschluss<br />

von Proben lassen sich durch die<br />

Auswertungen aus LINOS nicht abbilden.<br />

Im Rahmen der Analyse der Abwasserproben<br />

wurden im Jahr <strong>2005</strong> insgesamt 482<br />

Grenzwertverletzungen festgestellt (siehe<br />

Tabelle 1). 185 Werte davon betrafen im<br />

Bescheid geregelte Überwachungswerte.<br />

In 50 Fällen waren Erklärungen der Betreiber<br />

an das Landesumweltamt betroffen,<br />

mit denen die Einleiter Abwasserabgaben<br />

einsparen wollten. In 247 Fällen wurden<br />

Schwellenwerte überschritten, die in der<br />

Regel weitere Analytik nach sich ziehen und/<br />

oder anzeigen, dass ein Schwellenwert der<br />

Abwasserabgabe überschritten ist und somit<br />

Abbildung 5: Anteil der ermittelten Messergebnisse unterteilt nach Messdiensten für die Arbeitsgruppen des Labors


Grenzwert-Typ<br />

Erklärter Wert nach<br />

§ 4 Absatz 5 AbwAG<br />

Abgabepfl icht eintritt. Nicht aufgeführt sind<br />

die „neuen“ Immissionsgrenzwerte der Wasserrahmenrichtlinie<br />

beziehungsweise der<br />

Gewässerqualitätsverordnung, deren Überprüfung<br />

einen großen Teil der Arbeit im<br />

Messdienst GÜS ausgemacht hat. Bereits<br />

eingeleitete Maßnahmen als Folge von Überschreitungen<br />

werden noch weit in die nächsten<br />

Jahre hinein wirken.<br />

Diese Bilanz belegt eindrucksvoll, dass die<br />

amtliche Überwachung nicht Selbstzweck ist.<br />

Aus 0,9 % der ermittelten Abwasser-Messergebnisse<br />

ergab sich die Notwendigkeit weiterer<br />

Maßnahmen. Dies waren im Minimum<br />

die Durchführung weiterer Analytik oder die<br />

Prüfung, ob Ausnahmeregelungen greifen.<br />

Im Maximalfall greifen die Erhöhung der<br />

Abwasserabgabe entsprechend den tatsächlich<br />

emittierten Schadstoffeinheiten und/<br />

oder ordnungsrechtliche Konsequenzen.<br />

Was den Einleiter härter trifft, mag er<br />

jeweils selbst beurteilen. Für die Landeskasse<br />

ergibt sich aus der Kontrolle jedoch<br />

zweifach ein erfreulicher Zuwachs: erstens<br />

werden durch die festgestellten Überschreitungen<br />

direkt höhere Gebühren fällig und<br />

zweitens verhindert das Bestehen der Kontrollen<br />

eine allzu optimistische Niedrigerklärung<br />

durch die Einleiter.<br />

Erklärter Wert nach<br />

§ 6 AbwAG<br />

Schwellenwert<br />

Bescheid<br />

wert<br />

Gesamt<br />

Ergebnis 23 27 247 185 482<br />

Tabelle 1: Anzahl der festgestellten Grenzwertüberschreitungen in Abwasserproben im Jahr <strong>2005</strong><br />

Die Ermittlung von Grenzwertverletzungen<br />

leidet derzeit unter der Umstellung auf die<br />

zentrale Pfl ege der Grenzwerte. Nachdem<br />

die technischen Voraussetzungen weitestgehend<br />

hergestellt sind, ergeben sich Defi zite<br />

im weiteren Umfeld.<br />

Derzeit hat die Abteilung 4 Kenntnis von<br />

diversen neuen Bescheiden oder Verlängerungen<br />

der Gültigkeit von bestehenden<br />

Bescheiden, deren Begrenzungen den aktuellen<br />

Zeitraum betreffen. Da die Bescheide<br />

aber noch nicht rechtskräftig sind (Widerspruchsfrist),<br />

liegen sie dem LUA noch nicht<br />

zur Eingabe ins System vor und können<br />

folglich auch nicht in unsere LINOS-Datenbank<br />

eingelesen werden.<br />

Die zeitliche Begrenzung der alten Grenzwerte<br />

ist aber abgelaufen. Diese Messstellen<br />

haben derzeit also keine Grenzwerte. Eine<br />

lokale Pfl ege ist nicht möglich. Weiterhin<br />

führte Löschung und Neuübertragung von<br />

Grenzwertdatensätzen zu Inkonsistenzen in<br />

der Auswertung der Anzahl der ermittelten<br />

Grenzwertverletzungen in den Vorjahren.<br />

In Jahr <strong>2005</strong> wurden für 18 SonderuntersuchungsprogrammeGebührenberechnungen<br />

erstellt für den Fall, dass die Kosten<br />

durch den beauftragenden Sachbearbeiter<br />

Wasser<br />

111


Wasser<br />

112<br />

nach § 8 Absatz 2 Gebührengesetz (GebG<br />

NW), § 118 Landeswassergesetz (LWG),<br />

§ 52 Absatz 4 Bundes-Immissionsschutzgesetz<br />

(BImSchG) oder einer anderen gesetzlichen<br />

Grundlage einem Verursacher auferlegt<br />

werden können.<br />

Die Berechnung erfolgte nach der Allgemeinen<br />

Verwaltungsgebührenordnung (AVwGebO<br />

NW) entsprechend dem Leistungsverzeichnis<br />

für chemische und biologische Untersuchungen,<br />

Anlage 5 zum Gebührentarif.<br />

Die erbrachten Leistungen beliefen sich ins-<br />

gesamt auf 62.220 €, wovon 20 % auf den<br />

Dienstbezirk des <strong>StUA</strong> <strong>Herten</strong> und 80 % auf<br />

den Dienstbezirk des <strong>StUA</strong> Duisburg entfi elen.<br />

Bei der Regierungshauptkasse in Münster<br />

wurde zu diesen Vorgängen im Jahr <strong>2005</strong><br />

eine Einnahme von 2.740 € verzeichnet.<br />

Soweit es die Labormitarbeiterinnen und<br />

-mitarbeiter angeht, haben sie sich somit<br />

unabhängig von jeder statistischen Streuung<br />

ihre Ente verdient. Herzlichen Dank<br />

allen, die zum Zustandekommen all dieser<br />

Ergebnisse beigetragen haben.


Energiemanagement im<br />

Staatlichen Umweltamt<br />

<strong>Herten</strong><br />

Aus dem Haus<br />

Claus-Paul Repgen und Rudolf Maas<br />

Energiekosten sind ein erheblicher Faktor<br />

im Haushalt des Staatlichen Umweltamtes<br />

<strong>Herten</strong>. Ständig steigende Mietnebenkosten<br />

sowie die Nebenkostennachzahlung für<br />

das Vorjahr sprechen im Finanzbedarf eine<br />

deutliche Sprache. Grund sind die eklatant<br />

wachsenden Energiekosten und -verbräuche<br />

in unserer Dienststelle, zu denen Folgendes<br />

festzuhalten ist:<br />

• Der Stromverbrauch des Staatlichen<br />

Umweltamtes <strong>Herten</strong> (<strong>StUA</strong>) steigt<br />

über die Jahre kontinuierlich:<br />

in den letzten vier Jahren um<br />

insgesamt 20 %. Dies ist besonders<br />

bemerkenswert, weil er entgegen dem<br />

Trend in einem vergleichbaren Amt wie<br />

dem <strong>StUA</strong> Münster verläuft.<br />

• Der Fernwärmeverbrauch<br />

schwankt über die Jahre, liegt aber<br />

ebenfalls weit über dem mittleren<br />

Verbrauchskennwert für Gebäude mit<br />

gleichartiger Nutzungsart.<br />

• Der Wasserverbrauch unserer Dienststelle<br />

liegt im „Normalbereich“. Auf<br />

ihn wird in diesem Beitrag daher nicht<br />

weiter eingegangen.<br />

Art der<br />

Energie<br />

mittlerer Verbrauchskennwert für Institute<br />

für Forschung und Untersuchung<br />

Jedes Unternehmen benötigt Energie in unterschiedlicher<br />

Form für einen störungsfreien<br />

Betriebsablauf. Ob diese Energie aber<br />

auch so effi zient wie möglich verwendet<br />

wird, wird meist nicht überprüft. Nicht selten<br />

führen schon einfache Veränderungen<br />

zu Energieeinsparungen und folglich zu Kostensenkungen<br />

in nicht unerheblicher Höhe.<br />

Bei der Erschließung solcher Einsparpotenziale<br />

oder Nutzung von Synergien innerhalb<br />

der Behörde kann die Energieagentur (EA)<br />

Nordrhein-Westfalen in Wuppertal unterstützen.<br />

Deren Berater/-innen geben Hilfestellungen<br />

von möglichen ersten sinnvollen<br />

Schritten bis hin zu einer rationellen Energieverwendung<br />

im Rahmen eines funktionierenden<br />

Energiemanagements.<br />

Also wurde unter Beteiligung des Umweltschutzbeauftragten<br />

eine Energieberatung<br />

durch die EA erbeten, deren Auftrag es ist,<br />

Unternehmen, Städten/Gemeinden und<br />

Behörden Hilfestellung beim ökonomischen<br />

Energieeinsatz zu geben. Die Verbrauchsund<br />

Nutzungsdaten des Gebäudes, den<br />

technischen Stand der Heizungs-, Lüftungs-,<br />

Klima- und Stromversorgungsanlagen,<br />

die Nutzfl ächenaufstellung und Ähnliches<br />

ermittelte die EA über einen Erhebungsbogen<br />

und eine „Vor-Ort-Begehung“ des<br />

Energieberaters, bevor am 22. November<br />

<strong>2005</strong> eine Initialberatung in unserem Hause<br />

durchgeführt wurde.<br />

mittlerer Verbrauchkennwert<br />

für Verwaltungsgebäude<br />

Ist-Verbrauch<br />

<strong>StUA</strong> <strong>Herten</strong> 2004<br />

Heizung 268 kWh 169 kWh 334 kWh<br />

Strom 160 kWh 61 kWh 197 kWh<br />

Aus dem Haus<br />

113<br />

Energiemanagement im Staatlichen Umweltamt <strong>Herten</strong>


Betriebliches Gesundheitsmanagement<br />

Aus dem Haus<br />

114<br />

Als Ergebnis ist festzuhalten, dass unsere<br />

technischen Anlagen, die einen Großteil<br />

unseres Energieverbrauches verursachen,<br />

trotz ihres Alters dem energetischen Stand<br />

der Technik noch entsprechen. Auch die<br />

bauseitige Ausstattung des Dienstgebäudes<br />

(Dämmung, Beleuchtung, Heizkörper) ist in<br />

zeitgemäß gutem Zustand. Offensichtliche<br />

„Energiefresser“ konnte der Energieberater<br />

nicht ausfi ndig machen.<br />

Zur Überwachung der Verbräuche und um<br />

Energie einzusparen, gab er uns folgende<br />

Handlungsempfehlungen:<br />

• Verbrauchsparameter Fernwärme,<br />

Strom und Wasser monatlich erfassen<br />

und bewerten<br />

• Heizkurve neu einstellen und Vorlauftemperatur<br />

Heizung absenken<br />

• Raumtemperatur im IT-Serverraum<br />

ADV (klimatisiert) von 22 °C auf mindestens<br />

28 °C erhöhen<br />

• Bildschirme und Neonbeleuchtung bei<br />

Abwesenheit von mehr als 10 Minuten<br />

abschalten<br />

• digitalen Stromzähler an elektronisches<br />

Energiemanagement des Bau- und Liegenschaftsbetriebes<br />

(BLB) anschließen<br />

• Heißwasserbevorratung im Labor aufgeben<br />

und auf Durchlauferhitzer<br />

umstellen<br />

• Nutzungstausch des ADV-Serverraumes<br />

mit dem ADV-Raum vornehmen,<br />

da fehlende Sonneneinstrahlung auch<br />

geringere Kühllast bedeutet<br />

• Notwendigkeit der Druckluftversorgung<br />

im Labor untersuchen – gerin-<br />

gerer Luftdruck bedeutet geringeren<br />

Stromverbrauch bei Kompressor- und<br />

Lufttrocknungsanlage<br />

• Einbau von Dachfenstern im Maschinenraum/Labor<br />

zur Zwangsbelüftung<br />

der Steuerungs- und Kältetechnik, um<br />

die Funktionssicherheit zu erhalten und<br />

einer Temperaturüberbelastung der<br />

Maschinen im Sommer vorzubeugen<br />

• Sanierung der zentralen Steuerungstechnik<br />

für die Heizungs-, Lüftungsund<br />

Klima-/Kälteanlagen<br />

Nach diesem ersten Schritt der Bestandsaufnahme<br />

und Beratung werden wir nun die<br />

vorgenannten potenziellen Maßnahmen sukzessive<br />

angehen und erhoffen uns schon<br />

bald erste Erfolge bei der Energieeinsparung.<br />

Betriebliches<br />

Gesundheitsmanagement<br />

Einführung<br />

Klaus Ney<br />

Qualifi zierte, motivierte und gesunde Mitarbeiter<br />

und Mitarbeiterinnen sind wichtige<br />

Ressourcen für die Leistungsfähigkeit in<br />

Produktions- und Dienstleistungsbereichen.<br />

In den vergangenen 15 Jahren haben deshalb<br />

Unternehmen und Verwaltungen ihre<br />

Anstrengungen zum Erhalt und zur Förderung<br />

der Mitarbeitergesundheit verstärkt.<br />

Gesundheits- und Arbeitsschutz, Gesundheitsförderung<br />

und Suchtprävention sind zu<br />

unverzichtbaren Bestandteilen eines modernen<br />

Personalmanagements geworden. Seit


Ende der 90-er Jahre werden diese Aktivitäten<br />

unter dem Dach des betrieblichen Gesundheitsmanagements<br />

gebündelt.<br />

Ausgangslage<br />

Die Entstehung des betrieblichen Gesundheitsmanagements<br />

lässt sich auf vier hauptsächliche<br />

Entwicklungslinien zurückführen:<br />

Erweiterter Präventionsauftrag im<br />

Arbeits- und Gesundheitsschutz<br />

Durch die EU-Rahmenrichtlinie zum Gesundheits-<br />

und Arbeitsschutz sowie deren<br />

Umsetzung in deutsches Recht durch<br />

das Arbeitsschutzgesetz von 1996 sowie<br />

der Neufassung des Sozialgesetzbuches<br />

(SGB) VII und der Luxemburger Deklaration<br />

zur betrieblichen Gesundheitsförderung<br />

in der EU wurde das traditionell sicherheitstechnisch<br />

ausgerichtete Arbeitsschutzsystem<br />

deutlich verändert.<br />

Der Präventionsauftrag wurde auf alle Arten<br />

arbeitsbedingter Gesundheitsrisiken, auch<br />

solchen, die nicht in der Arbeit erworben,<br />

aber durch sie verschlimmert werden können,<br />

erweitert. Der Fokus des betrieblichen<br />

Arbeitsschutzes richtet sich daher vermehrt<br />

auch auf Gesundheitsrisiken wie:<br />

• Arbeitsorganisation/-inhalte (Unter-,<br />

Überforderung, Monotonie)<br />

• Betriebsklima (zum Beispiel<br />

Führungsverhalten, Mobbing)<br />

• Kommunikations-, Gratifi kations- und<br />

Sanktionskultur<br />

• Entscheidungsprozesse und (fehlende)<br />

Beteiligungsmöglichkeiten<br />

Bedeutungszuwachs von<br />

Suchtprävention, Mitarbeiterberatung<br />

und Gesundheitsförderung<br />

Konfl ikt- oder suchtmittelbedingte Störungen<br />

sowie psychische Auffälligkeiten am<br />

Arbeitsplatz sind die Haupttätigkeitsfelder<br />

betrieblicher Suchtprävention und Sozialberatung.<br />

Beides hat allgemein in den letzten<br />

Jahren erheblich an Bedeutung gewonnen.<br />

Verbunden mit den Aktivitäten der betrieblichen<br />

Gesundheitsförderung können verschiedene<br />

Maßnahmen zur Minderung Stress<br />

auslösender und Sucht fördernder Arbeitsbedingungen<br />

angeboten sowie Unterstützung<br />

für die Änderung gesundheitsriskanten<br />

Herhaltens und zur besseren Bewältigung<br />

von Belastungssituationen gewährt werden.<br />

Neue Managementstrategien<br />

Durch eine stetig abnehmende Personaldecke<br />

im Rahmen des Lean-Managements erhält<br />

die Reduzierung von Fehlzeiten einen besonderen<br />

Stellenwert. Gesundheits- und Anwesenheitsquoten<br />

sind deshalb im modernen<br />

Personalmanagement ebenso bedeutsame<br />

Faktoren wie qualifi zierte und motivierte Mitarbeiter/-innen.<br />

Betriebliches Gesundheitsmanagement<br />

stimmt die Ziele der anderen<br />

Managementsysteme mit dem Fokus auf die<br />

Gesundheit der Beschäftigten ab.<br />

Das Thema der gesundheitsgerechten Mitarbeiterführung<br />

gehört zur Führungskräfteentwicklung.<br />

Unterschiedliche Belastungen<br />

von Frauen und Männern, von Jüngeren<br />

und Älteren werden als Ansatzpunkt für die<br />

Entwicklung spezifi scher Maßnahmen des<br />

Gesundheitsschutzes und der Gesundheitsförderung<br />

genutzt.<br />

Aus dem Haus<br />

115


Aus dem Haus<br />

116<br />

Demographische Entwicklung<br />

Im Jahre <strong>2005</strong> arbeiten in deutschen Betrieben<br />

und Verwaltungen erstmals mehr über<br />

50 Jahre alte Beschäftigte als Beschäftigte<br />

unter 30 Jahren. Diese Entwicklung der<br />

Altersstruktur in der berufstätigen Bevölkerung<br />

wird sich nach den vorliegenden Einschätzungen<br />

in den nächsten 20 Jahren weiter<br />

verschärfen.<br />

Die damit verbundenen Auswirkungen zwingen<br />

Verwaltungen und Betriebe zunehmend<br />

dazu, Möglichkeiten des präventiven Handelns<br />

zu entwickeln, um die Leistungsfähigkeit<br />

der Mitarbeiter/-innen lange zu erhalten<br />

und die Fertigkeiten und Kompetenzen der<br />

Älteren altersgerecht zu nutzen.<br />

Ziele und Defi nition<br />

Ziel des Gesundheitsmanagements ist es,<br />

gesundheitsgerechte und persönlichkeitsförderliche<br />

Arbeitsbedingungen zu schaffen,<br />

die Gesundheitssituation der Beschäftigten<br />

zu verbessern und die Arbeitszufriedenheit<br />

zu steigern. Wirtschaftlich dienen die verstärkten<br />

Maßnahmen vor allem dazu, die<br />

Leistungsbereitschaft und die Gesundheitsquote<br />

zu erhöhen, also Fehlzeiten zu vermeiden<br />

oder zu verringern.<br />

Eine wichtige Aufgabe des betrieblichen<br />

Gesundheitsmanagements ist es deshalb,<br />

gesundheitlichen Risiken am Arbeitsplatz<br />

vorzubeugen, betrieblichen Ursachen von<br />

Gesundheitsbeeinträchtigungen nachzugehen<br />

und auf deren Beseitigung hinzuwirken.<br />

Für diese Aufgabe arbeiten Dienststellenleitung,<br />

Führungskräfte aller Ebenen und<br />

Interessenvertretungen eng zusammen.<br />

Außerdem wird in der gesundheitsorientierten<br />

Führung dem Wohlbefi nden der Beschäftigten<br />

und der Gestaltung eines anregenden<br />

Arbeitsklimas ein hoher Stellenwert eingeräumt.<br />

Abstrakter zusammengefasst ist<br />

betriebliches Gesundheitsmanagement die<br />

bewusste Steuerung und Integration aller<br />

betrieblichen Prozesse mit dem Ziel der<br />

Erhaltung und Förderung der Gesundheit<br />

und des Wohlbefi ndens der Beschäftigten.<br />

Betriebliches Gesundheitsmanagement bedeutet,<br />

die Gesundheit der Mitarbeiterinnen<br />

und Mitarbeiter als strategischen Faktor in<br />

das Leitbild und in die Kultur sowie in die<br />

Strukturen und Prozesse der Organisation<br />

einzubeziehen.<br />

Handlungsfelder<br />

Das ganzheitliche Gesundheitsmanagement<br />

ist ein lernendes System. Es beinhaltet die<br />

Prävention vor pathogenetischen (krankmachenden)<br />

Faktoren und die Förderung salutogenetischer<br />

(gesundheitserzeugender)<br />

Faktoren.<br />

In diesem System sind betriebliche Gesundheitsförderung,<br />

Arbeitsschutz beziehungsweise<br />

Unfallverhütung, Rehabilitation, Personalmanagement<br />

und Aspekte des Arbeitsrechts<br />

modular miteinander verknüpft.<br />

Die schematische Darstellung verdeutlicht<br />

beispielhaft die Handlungsfelder des ganzheitlichen<br />

betrieblichen Gesundheitsmanagements.<br />

Umsetzung im <strong>StUA</strong> <strong>Herten</strong><br />

Die in der folgenden schematischen Darstellung<br />

der Handlungsfelder des betrieblichen


Aus dem Haus<br />

117


Aus dem Haus<br />

118<br />

Gesundheitsmanagements aufgezeichneten<br />

Maßnahmen sind in überwiegender Zahl in<br />

unserem Hause bereits etabliert oder zumindest<br />

in Einzelbereichen eingeführt. Ein<br />

nennenswerter Bedarf für weitere Aktivitäten<br />

ist allerdings auf dem Feld der Gesundheitsförderung<br />

festzustellen.<br />

Hier kann dem Gedanken der gesundheitlichen<br />

Prävention durch entsprechende Angebote<br />

an die Beschäftigten zusätzlich Rechnung<br />

getragen werden. Aus diesem Grunde<br />

soll sich der Schwerpunkt der weiteren Betrachtung<br />

zunächst auf diese Aspekte und<br />

die möglichen Aktivitäten beschränken.<br />

Eine Vernetzung mit den übrigen Handlungsfeldern<br />

des betrieblichen Gesundheitsmanagements<br />

sollte zu einem späteren<br />

Zeitpunkt diskutiert werden. Zur Verbesserung<br />

der Gesundheitsförderung können folgende<br />

Maßnahmen/Angebote in Betracht<br />

kommen:<br />

1. Rückenschule:<br />

Etwa ein Drittel des Krankheitsgeschehens<br />

ist relativ branchen- und<br />

belastungsunabhängig auf das Skelettsystem<br />

zurückzuführen. Meistens<br />

treten Rückenschmerzen auf. Bei<br />

überwiegend sitzenden Tätigkeiten<br />

liegt die Häufi gkeit von Rückenbeschwerden<br />

regelmäßig noch höher.<br />

In diesem Zusammenhang könnte die<br />

bereits in früheren Jahren angebotene<br />

Rückenschule wieder aufgegriffen<br />

werden. Das Angebot könnte sich auf<br />

die reine Organisation eines Kurses<br />

beschränken oder in Abhängigkeit von<br />

den fi nanziellen Möglichkeiten auch<br />

ein Komplettangebot mit Kostentragung<br />

durch das Haus beinhalten.<br />

2. Mobile Massage am Arbeitsplatz:<br />

Die zunehmende Bildschirmtätigkeit<br />

beansprucht im Wesentlichen die<br />

Rücken- und Nackenmuskulatur.<br />

Um krankheitsbedingten Ausfällen<br />

vorzubeugen, bietet sich eine Massagebehandlung<br />

am Arbeitsplatz oder<br />

in einem Sozialraum an. Die Kosten<br />

liegen pro Massage bei zirka 15 €<br />

(10er Karte 120 €); die Kosten wären<br />

von dem/der jeweiligen Beschäftigten<br />

selbst zu tragen. Die Organisation<br />

eines solchen Angebotes setzt ein<br />

gewisses Nachfragevolumen voraus.<br />

3. Fitnessstudio:<br />

In Ergänzung der vorgenannten<br />

Angebote käme eine Vereinbarung zu<br />

entsprechend günstigen Konditionen<br />

mit einem Fitnessstudio in Betracht.<br />

Für die Mitarbeiter/-innen der Bezirksregierung<br />

Münster ist eine solche<br />

Vereinbarung mit dem Fitnessstudio<br />

„Fit 24“ getroffen worden, das<br />

auch einen Filialbetrieb in Recklinghausen<br />

betreibt.<br />

In einem monatlichen Beitrag von<br />

rund 16 €, der von den Teilnehmern/<br />

-innen selbst zu tragen wäre, ist eine<br />

qualifi zierte Trainingsanleitung enthalten.<br />

Für Frauen steht ein separater<br />

Trainingsbereich zu Verfügung.


4. Ernährungsberatung:<br />

Gesunde Ernährung ist in der Arbeit<br />

und in der Freizeit wichtig.<br />

Daher könnten neben einer optimierten<br />

Kantinenverpfl egung zum Beispiel<br />

mit fettreduzierten Gerichten und<br />

Gemüse-/ Salattagen auch Informationsbroschüren,<br />

Informations- und<br />

Kontaktadressen und Ernährungsberatungen<br />

in Abstimmung mit den<br />

Krankenkassen angeboten werden.<br />

5. Wasserspender:<br />

Im Tagesverlauf abfallende Leistung<br />

durch Müdigkeit, Kopfschmerzen und<br />

Kreislaufbeschwerden ist häufi g auf<br />

Flüssigkeitsmangel zurückzuführen.<br />

Viele Mitarbeiter/-innen nehmen nach<br />

dem entwässernd wirkenden Morgenkaffee<br />

oder Tee beim Mittagessen zu<br />

wenig Flüssigkeit zu sich. Erfahrungsgemäß<br />

wird nur dann ausreichend<br />

getrunken, wenn Flüssigkeit bequem,<br />

ohne Zeitverlust und kostenlos zur<br />

Verfügung steht, beispielsweise durch<br />

arbeitsplatznah aufgestellte Wasserspender.<br />

6. Grippeschutzimpfung:<br />

Jedes Jahr erkrankt eine Vielzahl<br />

von Menschen an Grippe. Nach einer<br />

Erhebung des Robert-Koch-Instituts<br />

sterben jährlich 8.000 – 10.000 Erkrankte<br />

an den Folgen.<br />

Ein wirkungsvoller Schutz dagegen ist<br />

nur mit einer rechtzeitigen jährlichen<br />

Schutzimpfung zu erreichen. Die Kos-<br />

ten der Impfung müssen nicht zwingend<br />

von der Dienststelle getragen<br />

werden, alternativ können die Impfärzte<br />

bei gesetzlich Versicherten auch<br />

unmittelbar mit den Krankenkassen<br />

abrechnen, während privat Versicherte<br />

den Rechnungsbetrag mit der Beihilfestelle<br />

abrechnen können.<br />

7. Raucherentwöhnung:<br />

Neben den bereits getroffenen Maßnahmen<br />

zum Nichtraucherschutz (allgemeines<br />

Rauchverbot, Raucherzonen)<br />

könnte den Raucherinnen und<br />

Rauchern in Zusammenarbeit mit<br />

dem BAD auf Wunsch eine Teilnahme<br />

an einem Raucherentwöhnungsprogramm<br />

angeboten werden.<br />

8. Gesundheitstag:<br />

Gesundheitstage bieten den Beschäftigten<br />

die Möglichkeit, sich umfassend<br />

zu den Themen Gesundheit und<br />

gesunde Lebensweise zu informieren.<br />

Eine solche Veranstaltung könnte<br />

gemeinsam mit Krankenkassen, Arbeitsschutzverwaltung<br />

und Anderen<br />

organisiert werden. Neben Beratungsgesprächen,<br />

Vorträgen oder<br />

Diskussionsforen kann mit einem<br />

Rahmenprogramm die Vielfalt der<br />

Themen zur Gesundheitsförderung<br />

abgedeckt werden.<br />

In 2006 wollen wir diese Gesundheitsförderungsmaßnahmen<br />

konkret im Hause vorstellen.<br />

Ergänzende Vorschläge und Anregungen<br />

der Mitarbeiter/-innen sind daher<br />

noch erwünscht.<br />

Aus dem Haus<br />

119


Benchlearning statt Benchmarking<br />

Aus dem Haus<br />

120<br />

Benchlearning statt<br />

Benchmarking<br />

Rudolf Maas<br />

Benchmarking als Sammlung, Analyse und<br />

Bewertung von Daten sowie das Aussuchen<br />

entsprechender Leistungsdimensionen ist<br />

ein schillernder Begriff. In der Praxis jedoch<br />

scheitern häufi g entsprechende Vergleiche<br />

daran, dass die Beteiligten sehr zurückhaltend<br />

sind sich transparent darzustellen, aus<br />

Angst, nicht als „the best“ hervorzugehen.<br />

Diese sicherlich auch emotionale Komponente<br />

ist am Beginn eines jeden Benchmarking-Prozesses<br />

zu berücksichtigen.<br />

Von daher schlage ich vor, den Prozess besser<br />

als „Benchlearning“ zu begreifen. Es soll<br />

ja auch ums Lernen gehen, nicht ums Benoten,<br />

nicht ums Aufplustern: “Ich bin der<br />

Beste“. Denn groß ist die Skepsis, wieweit<br />

über die reine Lehre hinaus musterhafte<br />

best-practices-Beispiele aus anderen Behörden<br />

im eigenen Bereich anregend oder Beispiel<br />

gebend wirken können.<br />

Dennoch stecken hinter diesem manchmal<br />

verzweifelt erscheinenden Ringen um Methodologien<br />

quantitativer wie qualitativer<br />

Bemessung von Wirkungen in öffentlichen<br />

Verwaltungen bittere Notwendigkeiten:<br />

die Entscheidungen über zum Beispiel<br />

Investitionen in Software-Systeme, Datenbanken,<br />

Datenbank-Systeme müssen wirkungsgenauer<br />

werden.<br />

Das Gleiche gilt ebenfalls für den Umstieg in<br />

die Neue Steuerung: Wie ausgeprägt soll die<br />

Kosten-Leistungsrechnung sein? Was sind<br />

notwendige Kennzahlen? Was soll zentral,<br />

was dezentral geleistet werden? Denn das<br />

Geld für diese langfristig absolut notwendigen<br />

„Investitionen“ wird weniger.<br />

Dabei Sinnvolles im Austausch voneinander<br />

zu lernen, bleibt ein erhebliches, weil<br />

längst noch nicht ausgeschöpftes Potenzial.<br />

Übrigens: die deutsche Sprache bietet mehr<br />

Wortwahlmöglichkeiten, als man den denkt:<br />

statt „best practices“ können wir ruhig auch<br />

„gute Praxisbeispiele“ sagen.<br />

Denn es gilt nicht, das Beste nachzuahmen,<br />

sondern das Geeignete zu fi nden!<br />

Dies verlangt allerdings Mut zur Veränderung<br />

und viel Offenheit – auch gegenüber anderen<br />

Behörden und anderen eingeschlagenen<br />

Wegen. Denn trotz aller teilweise „verwunderlichen“<br />

Prozesse, die in einzelnen Behörden<br />

eingeleitet werden, fi ndet das Zusammenwachsen<br />

in der staatlichen Umweltverwaltung<br />

in vielen Bereichen schon statt.<br />

Im gesamten Veränderungsprozess muss<br />

der „öffentliche Wert“ von Maßnahmen<br />

das entscheidende Kriterium fürs Handeln<br />

sein. Ebenso sind auch bisherige Herangehensweisen<br />

beim Austausch von Erfahrungen<br />

mit Gute-Praxis-Beispielen zu hinterfragen<br />

wie auch Anregungen für die Zukunft<br />

zu sammeln.<br />

Ein zu bewältigendes Problem dabei ist,<br />

dass wir häufi g nur Antworten zu konkreten<br />

Projekten erhalten, aber keine verallgemeinernden<br />

Antworten haben. Das Dilemma<br />

entsteht dann beispielsweise auch bei der<br />

Frage nach der richtigen Investition: welche


Schlussfolgerung können wir aus den Einzelprojekten,<br />

zum Beispiel für die Umsetzung<br />

im gesamten Geschäftsbereich, ziehen?<br />

Wenn wir Benchlearning wirklich als offenes<br />

Lernen anhand von guten Praxisbeispielen<br />

verstehen, der Gesamtprozess transparent<br />

ist und alle Beteiligten authentisch mitarbeiten,<br />

dann werden wir diesen Prozess wirklich<br />

nutzbringend und effi zient gestalten können.<br />

Barometer<br />

Personalzufriedenheit<br />

Rudolf Maas<br />

Im Staatlichen Umweltamt (<strong>StUA</strong>) <strong>Herten</strong><br />

haben wir vor einiger Zeit damit begonnen,<br />

ein Controllingsystem mit entsprechendem<br />

Berichtswesen im Amt aufzubauen, um die<br />

Leistungsfähigkeit des Amtes möglichst ganzheitlich<br />

zu beurteilen und mittelfristig auch<br />

über Qualität, Service, Innovation, Kundenzufriedenheit,<br />

Mitarbeiterzufriedenheit und<br />

Zielerreichung Auskunft geben zu können.<br />

In der im September 2004 gestarteten Personalbefragung<br />

wird der Indikator für die<br />

Personalzufriedenheit im <strong>StUA</strong> <strong>Herten</strong> („Barometer<br />

Personalzufriedenheit“) erhoben, der<br />

eines der Gegengewichte zu den rein monetären<br />

Größen aus der Kosten-Leistungsrechnung<br />

bildet und langfristig die Aussage<br />

über das Gesamtleistungsbild der Behörde<br />

ergänzt. Die Befragung ist nun zweimal<br />

durchgeführt worden und soll weiter regelmäßig<br />

in Abständen von einem Jahr erfolgen.<br />

Die freiwillige und anonyme Befragung<br />

bezieht sich ausschließlich auf die internen<br />

Verhältnisse im <strong>StUA</strong> <strong>Herten</strong>. Externe Faktoren,<br />

die vom Amt vor Ort nicht beeinfl ussbar<br />

sind (zum Beispiel Kürzung des Weihnachtsgeldes,<br />

41-Stunden-Woche) sollen die<br />

Teilnehmer/-innen der Befragung bei ihrer<br />

Bewertung deshalb nach Möglichkeiten außer<br />

Acht lassen, damit sie die Aussagen über das<br />

hausinterne Arbeitsklima nicht verfälschen.<br />

Ziel der regelmäßigen Befragung ist die Ermittlung<br />

von Trends sowie gegebenenfalls<br />

die Ableitung konkreter Maßnahmen und<br />

Konzepte zur Verbesserung der Personalzufriedenheit<br />

im <strong>StUA</strong> <strong>Herten</strong>. Die Ergebnisse<br />

der Befragungen werden allen Beschäftigten<br />

im hausinternen <strong>StUA</strong>net zur Verfügung<br />

gestellt. Die Verteilung der Fragebögen erfolgt<br />

über den Boten. Zur Sammlung der<br />

ausgefüllten Fragebögen steht an den beiden<br />

Stempeluhren eine Sammelbox zur Verfügung.<br />

Der Fragebogen enthält vier kurze<br />

Fragen nach<br />

• dem Arbeitsbereich,<br />

• dem Arbeitsklima,<br />

• der berufl ichen Entwicklung<br />

• sowie der Führung und des<br />

Managements.<br />

Als Antwortmöglichkeiten gibt es eine Schulnoten-Skala<br />

von 1 bis 6. Zusätzlich wird<br />

nach der Zugehörigkeit zu einer Abteilung<br />

gefragt. Abschließend gibt es die Möglichkeit,<br />

frei formulierte Anregungen zu geben.<br />

Die Beteiligung an der Personalbefragung<br />

war mit 82 % in 2004 und 88 % in <strong>2005</strong><br />

ausgesprochen hoch.<br />

Aus dem Haus<br />

121<br />

Barometer Personalzufriedenheit


Aus dem Haus<br />

122<br />

Fazit:<br />

Zusammenfassend ist festzuhalten, dass<br />

• der persönliche Arbeitsbereich und<br />

das Arbeitsklima eindeutig als positiv<br />

wahrgenommen werden<br />

• die berufl iche Entwicklung sehr<br />

unterschiedlich – von gut bis sehr<br />

schlecht – gesehen wird<br />

• die Führung und das Management<br />

– amtsweit gesehen – noch verbessert<br />

werden können.<br />

Die Ergebnisse, sowohl amtsweit als auch<br />

abteilungsbezogen, wurden intensiv diskutiert.<br />

Dabei ist klar geworden, dass für die<br />

schlechte Bewertung der berufl ichen Entwicklung<br />

häufi g äußere, nicht im <strong>StUA</strong> <strong>Herten</strong><br />

liegende Randbedingungen den Ausschlag<br />

gegeben haben. Hinsichtlich Führung<br />

und Management wird zum einen eine höhere<br />

Wertschätzung der Mitarbeiter/-innen<br />

durch die Vorgesetzten eingefordert, sollen<br />

Entscheidungen transparenter gemacht<br />

Die Grafi ken zeigen die amtsweiten Ergebnisse.<br />

werden, wird mehr qualifi zierte Fachfortbildung<br />

im Sinne von Erfahrungsaustauschen<br />

gewünscht. Zum anderen wird auch deutlich,<br />

dass die Führungsrolle der einzelnen Führungsebenen<br />

klarer defi niert werden muss.<br />

Dem ist schon durch einen Workshop im<br />

Jahr <strong>2005</strong> in einem ersten Schritt Rechnung<br />

getragen worden. Dort wurden auf<br />

der Basis des Kompetenzmodells NRW konkrete<br />

Anforderungsprofi le für Amts-, Abteilungs-<br />

und Dezernatsleitungen entwickelt.<br />

Diese werden zukünftig kontinuierlich unter<br />

anderem in den regelmäßig stattfi ndenden<br />

Führungskräfte-Besprechungen evaluiert.<br />

Das Thema „Führungsrolle“ wird auch anhand<br />

konkreter Führungssituationen regelmäßiger<br />

Bestandteil verschiedener Besprechungen<br />

der Führungskräfte in den Abteilungen<br />

sein.<br />

Die nächste Personalbefragung fi ndet im<br />

April 2006 statt. Alle sind gespannt auf<br />

das Ergebnis.


Verwaltung – Update 2006<br />

Rudolf Maas<br />

Die Arbeitsplätze in den Behörden verändern<br />

sich. <strong>Herten</strong> im Jahre 2006. Im Staatlichen<br />

Umweltamt (<strong>StUA</strong>) <strong>Herten</strong> beantwortet<br />

Rudolf M. die E-Mail einer Firma, die<br />

ihren Betrieb erweitern möchte. Schon eine<br />

Stunde später bearbeitet er deren fehlerlosen<br />

Antrag, der kurz danach elektronisch<br />

„signiert“ einging. Dazu loggt Rudolf M. sich<br />

danach in das hausinterne Wissensmanagement<br />

des Staatlichen Umweltamtes ein, um<br />

eine bestimmte Rechtslage abzufragen. Da<br />

er dort keine relevante Antwort fi ndet, stellt<br />

er sein Anliegen online. Noch im Laufe des<br />

Nachmittags erreicht ihn die Antwort einer<br />

Kollegin aus einem anderen Staatlichen<br />

Umweltamt, die ihm als Juristin Hilfestellung<br />

geben kann.<br />

Was hat das mit dem Amt von heute zu tun?<br />

Die Arbeitswelt verändert sich durch den<br />

Einsatz der neuen Medien: Der Trend geht<br />

hin zu mehr direkter Interaktion. Das gilt<br />

auch für die Umweltverwaltung.<br />

Die Kommunikationskanäle erweitern sich.<br />

„G2C“-Government to Citizen besagt, dass<br />

sich die Behörden den Bürgerinnen und Bürgern<br />

per Online-Dienste rund um die Uhr<br />

öffnen und schnelle, qualitativ hochwertige<br />

Auskünfte erteilen. „G2E“-Government to<br />

Employee ist das interne elektronische Angebot<br />

an die Beschäftigten, um Arbeitsabläufe<br />

und Effi zienz der Arbeit zu steigern.<br />

Was im „Front Offi ce“, also an der Schnittstelle<br />

zu Bürgerin und Bürger, online aufbereitet<br />

wird, ist im “Back Offi ce”, also in der<br />

Innenverwaltung, für die Beschäftigten noch<br />

lange nicht effi zient in die Geschäftsprozesse<br />

integriert. Es gibt immer noch Medienbrüche:<br />

Formulare werden aus dem Netz<br />

herunter geladen, ausgefüllt, ausgedruckt<br />

und dann an das Amt geschickt. Dies ist<br />

auch kein Mehrwert für die Beschäftigten.<br />

In Bund, Ländern und Kommunen wird seit<br />

langem daran gearbeitet, Verwaltungsverfahren<br />

dahingehend zu vereinfachen, dass<br />

sie komplett elektronisch abgewickelt werden<br />

können. Das setzt natürlich voraus,<br />

dass die Beschäftigten mit den IT-Anwendungen<br />

umgehen können - genauso wie die<br />

Kunden. Aber das Wichtigste ist, dass die<br />

Geschäftsprozesse und die ihnen zugrunde<br />

liegenden Vorschriften entsprechend umgebaut<br />

werden. Dazu ist es auch notwendig,<br />

über Zuständigkeiten nachzudenken.<br />

Das kann für den einen oder anderen<br />

schmerzhaft sein, aber die genaue Arbeitswelt<br />

fordert auch einen „Blick über den Tellerrand“<br />

hinaus. Effi zientes e-Government<br />

setzt einheitliche Verfahren voraus – über<br />

Organisationsgrenzen hinweg. Das erfordert<br />

neben guter Organisation auch personalpolitische<br />

Sensibilität der Führungsebene.<br />

Nur wenn die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter<br />

den Nutzen von IT für ihren Arbeitsplatz<br />

akzeptieren und die Arbeitsabläufe ihnen<br />

verständlich sind, werden Veränderungen<br />

mitgetragen und mitgestaltet.<br />

Aus dem Haus<br />

123<br />

Verwaltung - Update 2006


Refl exion von Führung und Teambildung<br />

Aus dem Haus<br />

124<br />

Refl exion von Führung und<br />

Teambildung<br />

Rudolf Maas<br />

Im Jahr <strong>2005</strong> ist im Staatlichen Umweltamt<br />

(<strong>StUA</strong>) <strong>Herten</strong> der Fokus des kontinuierlichen<br />

Verbesserungsprozesses auf die Refl exion<br />

von Führung anhand des Referenzmodells<br />

Nordrhein-Westfalen sowie Teambildung<br />

gelegt worden.<br />

Das im Jahre 2004 erstellte Anforderungsprofi<br />

l an Amts- und Abteilungsleitungen<br />

wurde weiter entwickelt und auf Dezernatsleitungen<br />

erweitert.<br />

In einem Workshop wurden folgende<br />

Schwerpunkte bearbeitet:<br />

• Rollen und Verantwortlichkeiten im<br />

Rahmen ihrer Führungsfunktionen<br />

- Anforderungen an Dezernats-/<br />

Abteilungsleitung<br />

- Beurteilungsmaßstab<br />

- Personalentwicklung<br />

- Befugnisse<br />

• Selbst- und Fremdeinschätzung über<br />

den Entwicklungsstand der eigenen<br />

Kompetenzfelder<br />

• Führungsverhalten,<br />

Führungsstile,<br />

Mitarbeiterförderung und<br />

Mitarbeiterentwicklung<br />

• Umgang mit schwierigen Situationen<br />

in der Personalführung<br />

• Persönliche Entwicklungsziele<br />

Darüber hinaus sind folgende Aspekte<br />

beleuchtet worden:<br />

• Befugnisse/Gestaltungsspielraum<br />

• Grenzen der Führung<br />

• Rollenverständnis aus der Sicht der<br />

Mitarbeiter/-innen/Transparenz<br />

• Identifi kation mit Amtszielen<br />

Auf der Basis des NRW-Kompetenzmodells<br />

der Führung wurde begonnen, konkret<br />

ein Führungskompetenzmodell für das<br />

<strong>StUA</strong> <strong>Herten</strong> zu entwickeln. Dazu sind für<br />

alle relevanten Führungskompetenzen wie<br />

• Personalführungs- und –<br />

entwicklungskompetenz<br />

• Teamfähigkeit<br />

• Strategische Orientierung<br />

• Qualitäts- und Zielorientierung<br />

• Bürger-/Kundenorientierung<br />

• Veränderungskompetenz<br />

• Gesellschaftliche/politische Kompetenz<br />

• Fach-/Methodenkompetenz<br />

konkrete Stufen, sprich Schwierigkeitsgrade,<br />

für die Dezernatsleitungen und Abteilungsleitungen<br />

diskutiert und einvernehmlich<br />

festgelegt worden.<br />

Dieser Prozess war aufgrund der vielseitigen<br />

Diskussion ein weiterer wichtiger Schritt zu<br />

einer einheitlichen Führungskultur im Amt.<br />

Am letzten Tag des Workshops wurde die<br />

individuelle Einstellung der Führungskräfte


zu konkreten Führungsaufgaben aus der<br />

jüngsten Vergangenheit beleuchtet.<br />

Leitfragen waren zum Beispiel:<br />

• Haben wir ein Führungssystem im<br />

Haus?<br />

• Welcher Gruppe fühle ich mich<br />

zugehörig?<br />

• SOFIS als Beispiel für Transparenz<br />

und Kommunikation?<br />

• Mitgestalten in defi niertem Rahmen?<br />

• Verpfl ichtung/Verantwortlichkeiten bei<br />

Veränderungsprozessen am Beispiel<br />

Kosten-Leistungsrechnung<br />

• Verpfl ichtung, amtsinterne Entscheidungen<br />

mitzutragen (Sanktionen)!<br />

Aus diesen ersten Erfahrungen ist abzuleiten,<br />

dass die eingeleitete Organisationsentwicklung<br />

konsequent weitergeführt werden muss.<br />

Um in diesem Sinne ein Kompetenzmodell<br />

„Führung im <strong>StUA</strong> <strong>Herten</strong>“ konkret weiter zu<br />

entwickeln, sind zum Beispiel nachfolgende<br />

Inhalte zu bearbeiten und Maßnahmen<br />

durchzuführen:<br />

• Potenzialanalyse der Abteilungsleitungen<br />

und des Amtsleiters<br />

• Evaluation des festgelegten Profi ls<br />

anhand konkreter Führungssituationen<br />

• Kollegiale Fallberatung schwieriger<br />

Führungssituationen<br />

• Verbesserung der Führungskräftebesprechung<br />

durch mehr Zielklarheit,<br />

Partizipationen und Verantwortungsübernahme<br />

• Kompetenzmodell <strong>StUA</strong> <strong>Herten</strong><br />

entwickeln!<br />

Ergebnis des Seminars Teamentwicklung<br />

der Führungskräfte der<br />

Abteilung 5-„Umweltqualität“<br />

Folgende Schwerpunkte wurden bearbeitet:<br />

• Interne Kooperation<br />

• Schaffung eines einheitlichen<br />

Führungsverständnisses<br />

• Stärkung des Profi ls der Abteilung 5<br />

• Aufgabenwahrnehmung und<br />

Perspektiven der Abteilung 5<br />

Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer haben<br />

die gegenseitigen Erwartungen an ihre Führungsfunktionen<br />

beschrieben und persönliche<br />

Ziele für die aktuelle und zukünftige<br />

Zusammenarbeit abgeleitet. Besondere<br />

Berücksichtigung fanden die Erwartungen<br />

und das Selbstverständnis der neuen Abteilungsleitung.<br />

Die Führungskräfte haben die<br />

abteilungsinterne und abteilungsübergreifende<br />

Kooperation refl ektiert und daraus<br />

Verhaltensziele für die zukünftige Zusammenarbeit<br />

abgeleitet.<br />

Das Führungsteam hat die aktuellen Aufgaben<br />

und Ziele seiner Abteilung zusammengestellt,<br />

mit aktuellen und zukünftigen Entwicklungen/Anforderungen<br />

der Umweltverwaltung<br />

abgeglichen und daraus eine<br />

klare Profi lierung ihrer Abteilung entwickelt.<br />

Abteilungsziele wurden abgeleitet und in<br />

konkrete Arbeitsschritte umgesetzt.<br />

Aus dem Haus<br />

125


Aus dem Haus<br />

126<br />

Ergebnis des Seminars<br />

Teamentwicklung – Bereich<br />

Labor/Anorganik<br />

Folgende Schwerpunkte haben die Teilnehmerinnen<br />

und Teilnehmer gemeinsam festgelegt<br />

und bearbeitet:<br />

• Was macht ein Team erfolgreich?<br />

• Welche Kriterien erfolgreicher<br />

Teamarbeit sind bei uns erfüllt?<br />

• An welchen Kriterien erfolgreicher<br />

Teamarbeit wollen wir arbeiten?<br />

• Welche Vereinbarungen treffen wir<br />

für die weitere Zusammenarbeit?<br />

Zum einen wurden theoretische Überlegungen<br />

angestellt, welche Rahmenbedingungen<br />

verbessert werden müssen und wer für die<br />

Umsetzung verantwortlich ist. Zum anderen<br />

haben die Teilnehmerinnen und Teilnehmer<br />

anhand praktischer Übungen ihr Verhalten<br />

in Teams kennen gelernt und sich mit ihren<br />

persönlichen Stärken und Schwächen auseinandergesetzt.<br />

Am Ende des Seminars wurden individuelle<br />

Verhaltensvorsätze formuliert, deren Einhaltung<br />

die zukünftige Arbeit im Team optimieren<br />

soll. Darüber hinaus haben die Teilnehmerinnen<br />

und Teilnehmer den Wunsch<br />

geäußert, in einem Transferworkshop zu<br />

prüfen, inwieweit sie sich daran gehalten<br />

haben und inwieweit die getroffenen Vereinbarungen<br />

wirksam gewesen sind und eventuell<br />

Korrekturen vorzunehmen sind.<br />

Aufgrund der Haushaltssperre konnte das<br />

vorgesehene Teambildungsseminar des Projektdezernates<br />

Emscherumbau nicht mehr<br />

durchgeführt werden. Dieses Seminar soll<br />

im Jahre 2006 durchgeführt werden.<br />

Zusammenfassung<br />

In allen Seminaren wurde offen und umfassend<br />

diskutiert und refl ektiert. Alle Teilnehmenden<br />

haben sich sehr engagiert und konstruktiv<br />

eingebracht.<br />

Der Einstieg in das Nordrhein-Westfalen-<br />

Kompetenzmodell der Führung ist als wichtiger<br />

Schritt zu einer einheitlichen Führungskultur<br />

im <strong>StUA</strong> <strong>Herten</strong> zu werten, der fortgesetzt<br />

werden muss.<br />

Das Seminar Teamentwicklung brachte den<br />

Wunsch hervor, gemeinsam weiter an diesem<br />

Thema zu arbeiten. Deshalb sollen<br />

Teamentwicklungsseminare im Jahre 2006<br />

auch in anderen Arbeitsbereichen durchgeführt<br />

werden.<br />

Die kontinuierlichen Organisationsentwicklungsseminare<br />

des Staatlichen Umweltamtes<br />

<strong>Herten</strong> haben die Zusammenarbeit<br />

über alle Hierarchieebenen hinweg deutlich<br />

positiv beeinfl usst und zu einer gestärkten<br />

Motivation der Mitarbeiterinnen und<br />

Mitarbeiter sowie zur Festigung des guten<br />

Arbeitsklimas beigetragen und damit die<br />

Basis geschaffen, sich konstruktiv den Herausforderungen<br />

der Verwaltungsmodernisierung<br />

zu stellen.


SOFIS – Fit für die Zukunft<br />

Karl-Heinz Paul<br />

SOFIS bietet<br />

als SachbearbeiterorientiertesFachinformationssystem<br />

Zugriff auf beliebigeAnwendungen,<br />

Daten und<br />

Dokumente.<br />

Durch die Arbeit einer dienststelleninternen<br />

Projektgruppe wurde ein bereits seit Jahren<br />

bestehendes Informationssystem (<strong>StUA</strong>net)<br />

um verschiedene Komponenten erweitert,<br />

die es jeder Mitarbeiterin und jedem Mitarbeiter<br />

ermöglichen, durch einheitliche<br />

Benutzeroberfl ächen auf alle Informationen<br />

der Dienststelle zugreifen zu können.<br />

Mit der Ende <strong>2005</strong> realisierten elektronischen<br />

Aktenablagemöglichkeit ist nunmehr<br />

ein System geschaffen worden, das den<br />

Informationssuchenden die Abfrage aus<br />

dem gesamten Wissensbereich der Dienststelle<br />

ermöglicht. Beginnend bei der Volltext-„Aktensuche“<br />

über Informationen aus<br />

den verschiedensten Fachabteilungen und<br />

Schwerpunktthemenbereichen bis hin zu<br />

hausinternen Regelungen sind alle Bereiche<br />

erreichbar. SOFIS ist dabei nicht als monolithisches<br />

System, sondern als Kombination<br />

einzelner Komponenten und Anwendungen<br />

realisiert, die im Sinne einer Infrastruktur<br />

miteinander interagieren. Damit wird erreicht,<br />

dass verschiedenste Anwendungen<br />

integriert werden und unter dem Dach von<br />

SOFIS wie aus einem Guss dargestellt werden.<br />

Der/die Sachbearbeiter/in im Staatlichen<br />

Umweltamt (<strong>StUA</strong>) <strong>Herten</strong> kann somit<br />

Arbeitsschritte oder ganze Geschäftsprozesse<br />

ohne logischen Bruch bearbeiten.<br />

Die Art der Integration in SOFIS reicht dabei<br />

vom einfachen Aufruf eigenständiger<br />

Anwendungen bis hin zu parametrisierten<br />

Aufrufen mit Übergabe des fachlichen,<br />

objekt- oder personengebundenen Kontextes.<br />

Generelles Ziel ist immer, den Weg<br />

zwischen einzelnen Anwendungen für den<br />

Anwender zu verkürzen und den Kontext<br />

dabei soweit möglich zu erhalten.<br />

Die unter SOFIS verfügbaren Anwendungen<br />

sind dabei keineswegs statisch. Im<br />

Sinne der Erweiterbarkeit kann das System<br />

jederzeit fl exibel an neue fachliche Anforderungen<br />

durch Anpassung bestehender<br />

oder Ergänzung weiterer Anwendungen<br />

angepasst werden. Zur Gewährleistung der<br />

Übertragbarkeit auf andere Betriebsumgebungen<br />

sind die genutzten Anwendungen<br />

austauschbar. Auf diesem Weg kann<br />

zum Beispiel eine bereits genutzte Software<br />

zur Aktenführung oder ein verwendeter<br />

GIS-Viewer integriert werden. Die nachfolgende<br />

Übersichtsdarstellung zeigt die<br />

Aus dem Haus<br />

127<br />

SOFIS - Fit für die Zukunft


Aus dem Haus<br />

128<br />

Anwendungen von SOFIS in der aktuellen<br />

Konfi guration des <strong>StUA</strong> <strong>Herten</strong>. Den zentralen<br />

Einstiegspunkt von SOFIS bildet im <strong>StUA</strong><br />

<strong>Herten</strong> die Intranetplattform „STUAnet“.<br />

Über die integrierende Oberfl äche des STUAnet<br />

erreicht der Anwender neben den Angeboten<br />

des Internetauftritts des <strong>StUA</strong> <strong>Herten</strong><br />

und des Landesverwaltungsnetzes NRW<br />

auch die statischen und dynamischen Informationsangebote<br />

im Intranet. Die dynamischen<br />

Angebote werden dabei teilweise vom<br />

STUAnet selbst oder durch Aufruf der angebundenen<br />

Anwendungen bereitgestellt.<br />

Der Anwender navigiert über die Auswahl<br />

von Fachthemen oder durch Volltextsuche in<br />

Akten und Webinhalten über die integrierte<br />

Suchmaschine direkt zu einzelnen Objekten<br />

beziehungsweise Vorgängen im STUAnet.<br />

Neben den reinen Informationen stellt das<br />

STUAnet kontextbezogen jeweils die verfügbaren<br />

Anwendungen bereit.<br />

Durch Aufruf der Aktenführung kann der<br />

Anwender über den Web-Browser Zugriff auf<br />

sämtliche digitalen Akten des Amtes erhalten<br />

und diese direkt öffnen. Hat er vorher<br />

über die Suchfunktion oder über eine angebundene<br />

Anwendung einen konkreten Vorgang<br />

recherchiert, erhält er direkten Zugriff<br />

auf die Fachakte dieses Vorgangs.<br />

Das Geografi sche Informationssystem (GIS)<br />

erschließt die Informationen über den Raumbezug.<br />

Neben der Visualisierung vorbereiteter<br />

Fachthemen in der Karte erhalten die<br />

Anwender/innen die Möglichkeit, einzelne<br />

Objekte in der Karte zu selektieren und diese<br />

Objekte in anderen Anwendungen zu öffnen.<br />

Beispielsweise kann der/die Sachbearbeiter/in<br />

über das STUAnet automatisch einen<br />

detaillierten Objektreport aufrufen. Dieser<br />

wird zur Laufzeit durch Direktzugriff auf die<br />

jeweiligen Datenhaltungen von der Report-<br />

Anwendung für das selektierte Objekt<br />

erzeugt. Eine andere Möglichkeit stellt der<br />

objektbezogene Aufruf einer Offi ce-Anwendung<br />

dar. Hierbei wird durch Übergabe der<br />

Kontextinformationen an eine Dokumentvorlage<br />

der gewünschte Brief oder das zu bearbeitende<br />

Formular weitestgehend vorbereitet.<br />

Nach Weiterbearbeitung des Dokuments<br />

durch den Sachbearbeiter kann er dieses<br />

durch Vorschlag des Aktenverzeichnisses<br />

direkt in der Aktenführung ablegen.<br />

Zur Erfassung von Objektdaten kann der<br />

Nutzer die Anwendung UNIDATEN1 aus dem<br />

STUAnet starten. Hierbei erhält er über unveränderliche<br />

Stammdaten (zum Beispiel<br />

aus landesweiten Anwendungen wie ISA-<br />

UNIX) editierenden Zugriff auf beliebige,<br />

konfi gurierbare Detaildaten.<br />

Neben den beschriebenen Anwendungen<br />

kann der Nutzer über die Navigationsmöglichkeiten<br />

des STUAnet kontextbezogen<br />

beliebige eigenständige Anwendungen aufrufen.<br />

Dies können weitere interne Anwen-<br />

[ 1 ] Unidaten ist eine Lizenz kostenfreie<br />

Datenbankanwendung, die eine vorhandene<br />

Datenbank beim Programmstart<br />

automatisch analysiert und eine völlig<br />

eigenständige auf jedem Arbeitsplatz<br />

lauffähige Benutzeroberfl äche erstellt


dungen des <strong>StUA</strong>, landesweite Anwendungen<br />

(zum Beispiel ISA-UNIX, ISA-Java und<br />

DEA) und Portale (zum Beispiel Vorschriftensammlung<br />

Technischer Umweltschutz) oder<br />

auch allgemein verfügbare Angebote des<br />

Internets (zum Beispiel Google) sein. Das<br />

Mailsystem stellt das zentrale Erinnerungsund<br />

Wiedervorlagesystem von SOFIS dar. Es<br />

wertet über konfi gurierbare Routinen regelmässig<br />

den Datenbestand hinsichtlich anstehender<br />

Aufgaben aus und sendet Erinnerungen<br />

per Mail an die zuständigen Bearbeiter.<br />

Weitere Vorteile von SOFIS sind:<br />

• Gute Benutzerfreundlichkeit<br />

durch Verknüpfung der einzelnen<br />

Anwendungen.<br />

• Grosse Flexibilität des Systems<br />

bezüglich der eingesetzten<br />

Basiskomponenten.<br />

• Hohe Akzeptanz durch individuelle<br />

Anpassung der Anwendungen an<br />

die typischen Arbeitsabläufe der<br />

Sachbearbeitung.<br />

• Hohe Erweiterbarkeit des Systems<br />

bezüglich der fachlichen Inhalte und<br />

der eingesetzten Anwendungen.<br />

• Kosteneinsparung durch Nutzung<br />

vorhandener Standardsoftware (zum<br />

Beispiel DBMS, GIS, Offi ce-Software,<br />

und andere) statt Beschaffung lizenzkostenpfl<br />

ichtiger Spezialsoftware<br />

oder kostenintensiver Realisierung<br />

vollständig neuer Systeme durch<br />

externe Entwickler.<br />

• Kosteneinsparung durch interne<br />

Weiterentwicklung und Wartung.<br />

InterGEO <strong>2005</strong><br />

Jürgen Klingel<br />

„Mit über 16.000 Fachbesuchern, darunter<br />

rund 1.600 Kongressteilnehmer, knüpfte die<br />

INTERGEO <strong>2005</strong> nahtlos an das Rekordergebnis<br />

aus dem Vorjahr an. 515 Aussteller<br />

aus 24 Ländern ließen auch im elften Jahr<br />

die weltgrößte Kongressmesse für Geodäsie,<br />

Geoinformation und Landmanagement<br />

zu einem vollen Erfolg werden“, so Hagen<br />

Graeff, Präsident des Deutschen Vereins<br />

für Vermessungswesen e.V. – Gesellschaft<br />

für Geodäsie, Geoinformation und Landmanagement<br />

(DVW).<br />

Und wir waren auch da, vom 4. bis 6. Oktober,<br />

mit unserer Wissensmanagementplattform<br />

„<strong>StUA</strong>net“ und dem Projekt „GIS-gestützte<br />

Sachbearbeitung“! Unterstützt durch<br />

das Umweltministerium, koordiniert durch<br />

das Landesamt für Datenverarbeitung und<br />

Statistik NRW (LDS), begannen unsere Vorbereitungen<br />

zum Messeauftritt bereits im<br />

April. Die Gestaltung des 90 m² großen Gemeinschaftsstandes<br />

(zehn Landesbehörden<br />

waren vertreten) einschließlich der Stellwände<br />

übernahm das LDS.<br />

Für alle auf dem Stand verwendeten Poster<br />

beziehungsweise Plakate, Schautafeln<br />

und Flyer wurde ein einheitliches Layout<br />

vorgegeben. Die entsprechenden Texte für<br />

die Projektbeschreibungen wurden bereits<br />

Anfang Mai dem LDS geschickt.<br />

Für alle Projekte stellte das LDS die gesamte<br />

Hard- und Software einschließlich<br />

Intranet- und Internetzugang zur Verfü-<br />

Aus dem Haus<br />

129<br />

InterGEO <strong>2005</strong>


Aus dem Haus<br />

130<br />

gung. Sonderfall: <strong>StUA</strong> <strong>Herten</strong>! Aufgrund<br />

der vorgegebenen Softwarekonfi guration<br />

mussten wir unseren eigenen Computer<br />

mitbringen.<br />

Nachdem der „äußere“ Rahmen unseres<br />

Auftritts feststand, wurde nun an den Inhalten,<br />

die präsentiert werden sollten, gearbeitet<br />

(siehe hierzu den Bericht auf Seite 114).<br />

Am 04. Oktober ging es dann mit Sack und<br />

Pack auf nach Düsseldorf. Mit Spannung erwarteten<br />

wir die ersten Gäste. Mit den sehr<br />

nett gemeinten Anweisungen des LDS bezüglich<br />

„Verhalten am Stand“ und „Gespräche<br />

mit Kunden“ konnten wir den ersten<br />

„Ansturm“ von Interessierten bewältigten.<br />

Die Informationsmaterialien zu unserem<br />

Projekt und unsere hausinterne Broschüre<br />

wurden vielfach verteilt. Die Resonanz war<br />

insgesamt gut, wobei sich an den ersten beiden<br />

Tagen hauptsächlich fachkundige Kolleginnen<br />

und Kollegen aus anderen Behörden<br />

über unser Produkt informierten.<br />

Alles in allem bleibt festzustellen, dass unser<br />

Auftritt bei der InterGEO eine „runde“<br />

Sache war, was insbesondere auf die hervorragende<br />

Organisation des LDS zurückzuführen<br />

ist. Unser Produkt mit den Möglichkeiten,<br />

für die Sachbearbeitungsebene<br />

benötigte Informationen mit verschiedenen<br />

Datenverarbeitungs-Werkzeugen zu verbinden<br />

und so Arbeitsprozesse zu unterstützen,<br />

fi ndet sicherlich auf Behördenebene Zuspruch,<br />

für externe Betrachter (zum Beispiel<br />

Firmen, Unternehmen, Ingenieur-Büros)<br />

sind diese Vorteile nicht direkt anwendbar<br />

und somit ist es schwierig, das Interesse bei<br />

Unternehmen zu wecken.


Berichtswesen der<br />

Staatlichen Umweltämter<br />

Samir Khayat<br />

Mit der Einrichtung eines Controlling-Systems<br />

in den Staatlichen Umweltämtern des<br />

Landes NRW entwickelte sich das bislang<br />

noch auf den Daten der Kostenrechnung<br />

basierende Berichtswesen weiter. Die Diskussionen<br />

mit Führungskräften und Mitarbeiterinnen<br />

und Mitarbeitern im Staatlichen<br />

Umweltamt (<strong>StUA</strong>) <strong>Herten</strong> ergaben nämlich,<br />

dass die Darstellung des reinen Status-Quo<br />

anhand von Kostendaten für eine Steuerung<br />

einer stark hoheitlich geprägten Behörde<br />

nicht ausreichend ist.<br />

Dies wird auch deutlich bei Betrachtung der<br />

Kostenstruktur des Staatlichen Umweltamtes<br />

<strong>Herten</strong>, die überwiegend von den Personalkosten<br />

dominiert wird. Als Adressaten<br />

für das Berichtswesen wurden zunächst drei<br />

Gruppen identifi ziert:<br />

1. Führung des Staatlichen<br />

Umweltamtes<br />

2. Management der vorgesetzten<br />

Behörde (MUNLV)<br />

3. Öffentlichkeit<br />

Diesen Adressaten des Berichtswesens kommen<br />

naturgemäß unterschiedliche Informationsbedürfnisse<br />

zu, die sich beispielhaft wie<br />

folgt darstellen lassen:<br />

Im Geschäftsbericht für die Öffentlichkeit<br />

steht die reine Informationsbereitstellung<br />

in stark aggregierter Form und mit deutlichen<br />

Elementen professioneller Öffentlichkeitsarbeit<br />

versehen im Vordergrund. Ein<br />

entsprechendes Muster ist beim Staatlichen<br />

Umweltamt <strong>Herten</strong> zu beziehen. Auf der<br />

anderen Seite spielen für die beiden behördeninternen<br />

Berichtsadressaten Steuerungsaspekte<br />

die Hauptrolle. Diese Berichte dienen<br />

primär der Managementinformation.<br />

Sie müssen mittelfristig Daten und Analysen<br />

enthalten, die als Steuerungsbasis für<br />

das Management eines Amtes beziehungsweise<br />

dem übergeordneten Management der<br />

Umweltverwaltung in NRW dienen können.<br />

Ein interner Controlling-<strong>Jahresbericht</strong> mit<br />

einer Ausrichtung auf die Steuerungsfelder<br />

Auftragserfüllung, Kundenzufriedenheit, Personalzufriedenheit<br />

und Wirtschaftlichkeit liegt<br />

inzwischen in der dritten Fortschreibung vor.<br />

Für den Bericht an das MUNLV wurde ein<br />

Vorschlag über Berichtsinhalt und Turnus<br />

vorgelegt. Danach soll der so genannte Bericht<br />

MUNLV einmal jährlich als Jahresabschluss<br />

zur regelmäßigen Beurteilung der<br />

Amtsergebnisse und der Aufgabenentwicklung<br />

der einzelnen Behörden dienen. Es<br />

wäre folgende Gliederung denkbar:<br />

1. Allgemeine Kostendaten,<br />

Betriebsergebnis<br />

2. Budgets und Produktkosten<br />

(inklusive Soll-/Ist-Vergleich)<br />

3. Leistungen<br />

(inklusive Soll-/Ist-Vergleich)<br />

4. Kernkennzahlen<br />

(inklusive Abweichungsanalyse)<br />

5. Planung Folgejahr<br />

Aus dem Haus<br />

131<br />

Berichtswesen der Staatlichen Umweltämter


Telearbeit um jeden Preis<br />

Aus dem Haus<br />

132<br />

Vorausgesetzt sind hierbei vorhandene Budgets,<br />

Kernkennzahlen, Zielvereinbarungen/<br />

Kontrakte und Planungsdaten.<br />

Die Implementierung eines derart ausgerichteten<br />

Berichtswesens für die Staatliche<br />

Umweltverwaltung erfordert eine Integration<br />

von fi nanziellen und qualitativen Werten und<br />

Kennzahlen zur Unterstützung einer sachgerechten<br />

Behördensteuerung. Die Voraussetzungen<br />

dafür müssen durch einheitliche<br />

Kennzahlen- und verbindliche Zielsysteme<br />

sowie durch die Einführung der Budgetierung<br />

allerdings noch geschaffen werden.<br />

Telearbeit um jeden Preis?<br />

Christoph Ernst<br />

Im Staatlichen Umweltamt (<strong>StUA</strong>) <strong>Herten</strong><br />

besteht für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter<br />

grundsätzlich die Möglichkeit, Heimarbeit<br />

zu beantragen. Dabei ergibt sich die<br />

Schwierigkeit, dass manche Anwendungen<br />

nur in Verbindung mit Datenbanken genutzt<br />

werden können, welche sich auf den Servern<br />

im <strong>StUA</strong> <strong>Herten</strong> befi nden. Damit auch<br />

die Arbeitskolleginnen und -kollegen, die<br />

auf diese Anwendungen angewiesen sind,<br />

die Möglichkeit der Telearbeit nutzen können,<br />

wurde im <strong>StUA</strong> <strong>Herten</strong> versuchsweise<br />

ein VPN-Gateway-Server für die Heimarbeit<br />

(Telearbeitsplatz) eingerichtet. Nun stellt<br />

sich jedoch die Frage nach der Rentabilität<br />

eines solchen Telearbeitsplatzes.<br />

Im nachfolgenden Bericht sollen die Kosten<br />

von einem „normalen“ PC-Arbeitsplatz im<br />

<strong>StUA</strong> <strong>Herten</strong> den Kosten für einen Telearbeitsplatz<br />

gegenübergestellt werden.<br />

Bevor überhaupt ein Rechner von zu Hause<br />

aus mit den Servern im Netzwerk des <strong>StUA</strong><br />

<strong>Herten</strong> Kontakt aufnehmen kann, muss zuerst<br />

ein so genannter VPN-Gateway-Server<br />

installiert und konfi guriert werden. Da die<br />

Kosten für diesen Server nur einmal anfallen,<br />

sind diese separat aufgelistet. Die Kosten<br />

für den Rechner und die Peripherie variieren<br />

je nach Ausstattung des Arbeitplatzrechners<br />

und werden deshalb nicht in die<br />

Rechnung mit aufgenommen, so ist diese zu<br />

jedem Zeitpunkt relativ aktuell.<br />

Die Software eines Telearbeitsplatzes beinhaltet<br />

nicht nur die im <strong>StUA</strong> <strong>Herten</strong> standardmäßig<br />

eingesetzte Software, wie das<br />

Betriebssystem Windows XP Professional<br />

und die zugehörigen Offi ce Anwendungen,<br />

sondern auch noch einige Programme zur<br />

Herstellung der eigentlichen Verbindung zu<br />

den Servern im <strong>StUA</strong> <strong>Herten</strong>. In unserem<br />

Fall ist es die Software VPN/PKI Client der<br />

Firma NCP. Die Kosten, die pro Telearbeitsplatz<br />

anfallen, beinhalten noch nicht die<br />

monatlichen Kosten für die DSL-Leitung und<br />

die DSL-Flatrate.<br />

Zu den elf Stunden Einrichtungs- und Konfi -<br />

gurationszeit pro Client kommt erfahrungsgemäß<br />

noch zusätzlich eine Stunde pro Woche<br />

für die Behebung von Anwendungsproblemen<br />

hinzu, eventuell sogar vor Ort.<br />

Zusätzlich müssen noch Pfl egeverträge mit<br />

dem Landesamt für Datenverarbeitung und<br />

Statistik NRW (LDS) eingegangen werden,<br />

die jeweils ein Jahr gültig sind und pro Telearbeitsplatz<br />

abgeschlossen werden müssen.<br />

Diese Verträge enthalten Angaben über die<br />

Pfl ege der Software, das Bereitstellen von


Patches und Updates und die<br />

Pfl ege der Zertifi kate.<br />

Alles in allem belaufen sich<br />

die Kosten für den ersten<br />

Telearbeitsplatz zurzeit auf<br />

1.100,56 € plus 773,78 €.<br />

Hinzu kommen noch die Kosten<br />

von 214,59 € für die Pfl egeverträge,<br />

die pro Telearbeitsplatz<br />

pro Jahr anfallen.<br />

Da wir nicht genau wissen,<br />

wie viele Telearbeitsplätze benötigt<br />

werden, ist es schwer,<br />

die Kosten für den Server<br />

gleichmäßig aufzuteilen.<br />

Um zu sehen, wie die Kosten<br />

für einen Telearbeitsplatz<br />

einzuordnen sind, folgt<br />

nun der Vergleich mit einem<br />

Standard-PC-Arbeitsplatz im<br />

<strong>StUA</strong> <strong>Herten</strong>.<br />

Die Einrichtung eines Standardarbeitsplatzrechners<br />

ist<br />

wesentlich weniger aufwändig<br />

und benötigt deshalb<br />

auch weniger Arbeitszeit. Eine<br />

Stunde reicht zum Installieren<br />

und Konfi gurieren mit CCM,<br />

Aufstellen und letzte Konfi gurationen<br />

vor Ort.<br />

Als Fazit kann man nur eines<br />

ziehen: Ein Telearbeitsplatz<br />

ist wesentlich aufwändiger<br />

und teurer und rechnet sich<br />

nur in Einzelfällen, wo es<br />

zwingend erforderlich wird.<br />

Kosten pro Server (einmalig)<br />

Windows Server 2003 504,83 €<br />

VPN Serversoftware 422,73 €<br />

VPN-Tunnel (GW-GW) 94,25 €<br />

Serverzertifi kat 78,75 €<br />

Summe 1.100,56 €<br />

Kosten pro Client (einmalig)<br />

Windows XP 133,98 €<br />

Offi ce 2003 140,85 €<br />

VPN Clientsoftware 139,52 €<br />

VPN-Tunnel (Client-GW) 94,25 €<br />

Cardreader 27,55 €<br />

Chipkarte mit Zertifi kat 63,00 €<br />

Client Firewall 40,98 €<br />

Arbeitszeit<br />

(zirka 11 Stunden)<br />

133,65 €<br />

Summe 773,78 €<br />

Pfl egeverträge (pro Jahr)<br />

Pfl ege für die Clientsoftware 25,81 €<br />

Pfl ege für die Serversoftware 78,21 €<br />

Pfl ege für die Firewall-Software 12,92 €<br />

Pfl ege der Zertifi kate 97,65 €<br />

Summe 214,59 €<br />

Kosten pro Arbeitsplatzrechner im <strong>StUA</strong><br />

Windows XP 133,98 €<br />

Offi ce 2003 140,85 €<br />

Arbeitszeit (zirka 1 Stunde) 12,15 €<br />

Summe 286,98 €<br />

Aus dem Haus<br />

133


Mein Weg zur Ausbildung<br />

Aus dem Haus<br />

134<br />

Mein Weg zur Ausbildung<br />

Simon Isfort<br />

Auf den Ausbildungsberuf Fachinformatiker<br />

bin ich eigentlich zufällig gekommen. Mein<br />

ursprünglicher Traumberuf war der des Polizisten.<br />

Ich habe bei einer Informationsrunde<br />

im örtlichen Arbeitsamt aus Zufall mal<br />

auf den Beruf Fachinformatiker geklickt.<br />

Nach dem Lesen der Informationen habe<br />

ich mir die Seiten ausgedruckt und mit nach<br />

Hause genommen. In den späteren Wochen<br />

haben meine Eltern und ich immer mal wieder<br />

in die Zeitung geschaut und nach Ausbildungsstellen<br />

gesucht.<br />

Eine Ausschreibung der Bezirksregierung<br />

Münster hat unser Aufsehen erregt und ich<br />

habe mich beworben. Ich wurde zum Einstellungstest<br />

eingeladen und habe dann<br />

aber keine Nachricht erhalten. Etwa einen<br />

Monat später bekam ich einen Anruf vom<br />

Staatlichen Umweltamt (<strong>StUA</strong>) <strong>Herten</strong>. Es<br />

ging um die Frage, ob das Amt sich von der<br />

Bezirksregierung meine Testdaten schicken<br />

lassen darf. Das war natürlich kein Problem.<br />

Eine Woche später wurde ich zum Vorstellungsgespräch<br />

beim <strong>StUA</strong> <strong>Herten</strong> eingeladen.<br />

Es folgte jedoch wieder eine Absage.<br />

So bereitete ich mich erstmal auf zwei weitere<br />

Schuljahre vor. Ich habe mich für den<br />

Erwerb der Fachhochschulreife auf dem örtlichen<br />

Berufskolleg entschieden. Als ich die<br />

Schule erst zwei Wochen lang besuchte,<br />

bekam ich die Zusage vom Staatlichen<br />

Umweltamt. Diese Chance habe ich direkt<br />

genutzt und wurde etwas verspätet am<br />

5. September <strong>2005</strong> als Fachinformatiker ein-<br />

gestellt. Ich bin sozusagen von der Schule<br />

direkt ins Berufsleben durchgestartet.<br />

Dieser Umstieg hat super geklappt und ich<br />

muss ehrlich sagen, dass mir das Arbeiten<br />

hier mit den Kollegen besser als die Schule<br />

gefällt. Meine Erwartungen vor Beginn der<br />

Ausbildung waren relativ gering, eigentlich<br />

habe ich lediglich erwartet, dass ich Fachkenntnisse<br />

zum Thema PC erhalte und im<br />

Umgang mit ihm geschult werde. Diese Erwartung<br />

hat sich schon nach den ersten zwei<br />

Wochen erfüllt. Ich habe erfahren, dass es<br />

noch viele, viele Dinge im Zusammenhang<br />

mit dem PC gibt, von denen ich vor der Ausbildung<br />

nie etwas gehört hatte.<br />

In der Folgezeit habe ich viel über unsere<br />

Server erfahren. Durch den Ausfall von<br />

Laufwerken ist einer dieser Server ausgefallen.<br />

Das beschäftigte die EDV-Abteilung<br />

natürlich besonders und wir versuchten,<br />

den Datenverlust möglichst gering zu halten.<br />

Zwei Wochen später gab es noch einen<br />

Stromausfall, der den Servern wiederum zu<br />

schaffen machte. Um bei solchen Fällen den<br />

Datenverlust ganz auszuschließen, soll in<br />

allen Servern ein so genanntes Raid-System<br />

installiert werden.<br />

Diese Umstände bildeten dann auch mein<br />

Aufgabenfeld. Anhand von einigen Aufgaben<br />

habe ich gelernt, wie man verschiedene<br />

Raid-Systeme installiert und wie sie<br />

funktionieren. Es macht Spaß, mit solchen<br />

besonderen Geräten und Einrichtungen zu<br />

arbeiten und nachvollziehen zu können, wie<br />

sie funktionieren. Mit dem Raid-System habe<br />

ich das Serverbetriebssystem Windows<br />

2003 Server kennen gelernt.


Ich habe verschiedene Aufgaben bekommen<br />

und gemeinsam mit meinen beiden Mitstreitern<br />

Christian Uebe und Sascha Kanty-Eybe<br />

gelöst. Dank der hervorragenden Ausrüstung<br />

unseres Amtes, konnte ich zwei eigene<br />

Server und einen Client erstellen und mit<br />

den Rechnern arbeiten<br />

Der Kollege Christoph Ernst lernt mich an,<br />

wie ich die verschiedenen Drucker im ganzen<br />

Gebäude reparieren und instand halten<br />

kann. Diese Aufgabe werde ich einmal ganz<br />

übernehmen, da Herr Ernst leider das Amt<br />

im Monat April verlassen muss. Er hat seine<br />

Ausbildung als Fachinformatiker erfolgreich<br />

abgeschlossen.<br />

Von Herrn Fester werde ich in den Aufbau<br />

und die Bedienung unserer Beamer im Haus<br />

eingewiesen.<br />

Mit Hilfe von Herrn Hatzfeld habe ich mit<br />

dem Programm Dreamweaver meine erste<br />

eigene Homepage erstellt.<br />

Einen besonderen Teil meiner Ausbildung<br />

macht das Programmieren aus. Die Batch-<br />

Dateien, die ich bis jetzt erstellt habe, waren<br />

sehr leichte Vorgänge. So habe ich zum<br />

Beispiel eine ausführende Datei mit dem<br />

Befehl xcopy geschrieben. Dieser Befehl<br />

bewirkt das Kopieren von einem Verzeichnis<br />

inklusive aller Ordner und Unterverzeichnisse.<br />

Wenn man diese Datei ausführt,<br />

bekommt man einen schwarzen Bildschirm<br />

angezeigt, der den Vorgang der ausführenden<br />

Datei anzeigt.<br />

Bei dem Thema Visuell Basic habe ich<br />

mich mit dem Zugriff auf eine Datenbank<br />

beschäftigt. Die Datenbank befand sich in<br />

Access. Ich habe Felder programmiert, mit<br />

denen man in der Datenbank Datensätze<br />

suchen, anzeigen und nach den gewünschten<br />

Kriterien sortieren kann.<br />

In meinen ersten zwei Monaten habe ich<br />

schon eine Menge Wissenswertes erfahren<br />

und gelernt. Ich hoffe, dass das auch so<br />

weiter geht. Diese Gelegenheit möchte ich<br />

gleichzeitig noch nutzen, um mich bei allen<br />

neuen Kollegen zu bedanken, die mich hier<br />

so freundlich und nett aufgenommen haben.<br />

Ich freue mich schon auf die weitere Zeit<br />

hier im Staatlichen Umweltamt <strong>Herten</strong>.<br />

Die digitale Unterschrift<br />

Sascha Kanty - Eybe<br />

Im elektronischen Schriftverkehr ist es von<br />

besonderer Bedeutung, dass der Absender<br />

eines elektronischen Dokuments eindeutig<br />

zuzuordnen ist. Darüber hinaus muss sich<br />

der Empfänger eines elektronischen Dokuments<br />

darauf verlassen können, dass der an<br />

ihn gesandte Inhalt des Dokuments nicht von<br />

außenstehenden Dritten verändert wurde.<br />

Diese Sicherheit soll durch das technische<br />

Verfahren der digitalen Signatur gewährleistet<br />

sein. Um diese höchste Sicherheit zu<br />

gewährleisten, ist das Verfahren der digitalen<br />

Signatur in mehrere Teilprozesse gegliedert.<br />

Man unterscheidet hier zwischen dem<br />

„Hash“ und dem „Public-Key-Verfahren“<br />

sowie dem „Trust Center“, wobei alle Verfahren<br />

ineinander übergreifen. Im Folgenden<br />

werden die Funktionsweisen der einzelnen<br />

Verfahren erläutert.<br />

Aus dem Haus<br />

135<br />

Die digitale Unterschrift


Aus dem Haus<br />

136<br />

Zu Beginn der digitalen Signatur steht das<br />

Hash-Verfahren, bei dem eine vorliegende<br />

digitale Information, wie etwa ein im Computer<br />

gespeicherter Text, mittels mathematischer<br />

Verfahren in einen Wert bestimmter<br />

Länge umgewandelt wird. Es wird quasi eine<br />

Art Fingerabdruck genommen.<br />

Dieser Wert, der Hash-Wert genannt wird,<br />

ermöglicht es nicht, Rückschlüsse auf die<br />

der Signatur zugrunde liegende Information<br />

zu ziehen. Jedoch ist sie so generiert,<br />

dass selbst die kleinste Änderung in der<br />

ursprünglichen Nachricht den Hash-Wert<br />

verändern würde.<br />

Um nun als Empfänger einer signierten<br />

Nachricht zu prüfen, ob diese bearbeitet<br />

wurde, muss man lediglich den Hash-Wert<br />

vom Computer errechnen lassen und ihn mit<br />

dem Wert der Ursprungsnachricht vergleichen.<br />

Sind beide identisch, so kann man<br />

sicher sein, die Originalinformation vorliegen<br />

zu haben.<br />

Eine Verschlüsselung der gesamten Datei ist<br />

folglich nicht nötig, es sei denn, die Informationen<br />

sollen zusätzlich gegen die Kenntnisnahme<br />

durch Unbefugte geschützt werden.<br />

Das Problem ist nun jedoch, diesen Hash-<br />

Wert so vom Absender zum Empfänger zu<br />

leiten, dass sicher gestellt ist, dass dieser<br />

Wert tatsächlich vom Urheber stammt. Es<br />

muss für den Empfänger erkennbar sein,<br />

wenn der Hash-Wert unterwegs durch einen<br />

zur geänderten Information passenden<br />

neuen Wert ersetzt wurde beziehungsweise<br />

der Urheber überhaupt eine Information selber<br />

abgeschickt hat.<br />

Um nun die Richtigkeit des Hash-Wertes<br />

zu gewährleisten, wird dieser mittels eines<br />

„Secret Key“, eines einmalig existierenden<br />

Schlüssels, verschlüsselt. Dieser wird vom<br />

Absender benötigt, um die Signatur zu erzeugen<br />

und muss, da er möglichst geheim<br />

gehalten werden sollte, sicher abgespeichert<br />

beziehungsweise aufbewahrt werden (zum<br />

Beispiel auf Chipkarten).<br />

Der Empfänger muss nun den Hash-Wert jedoch<br />

wieder entschlüsseln können, um ihn<br />

mit dem Errechneten zu vergleichen. Hier ist<br />

es natürlich nicht ratsam, ihm den Secret Key<br />

zu übermitteln, da erst eine sichere Kommunikation<br />

beziehungsweise eindeutige Identifi<br />

kation des Empfängers über andere Medien<br />

erfolgen müsste, die die Verbreitung des Secret<br />

Key an Unbefugte verhindern würde.<br />

Um diese Problematik zu lösen, gibt es<br />

neben dem Secret Key, den nur ein Einzelner<br />

kennt, noch den „Public Key“, welcher<br />

der Öffentlichkeit zur Verfügung steht.<br />

Eine Eigenschaft des Public-Key-Verfahrens<br />

besteht nun darin, dass die mit dem Schlüssel<br />

eines Paares (Secret Key und Public Key)<br />

verschlüsselten Informationen immer nur<br />

mit dem entsprechenden anderen Schlüssel<br />

desselben Paares wieder entschlüsselt werden<br />

können. So wird die Identifi kation des<br />

Senders sichergestellt, da nur er im Besitz<br />

des Secret Key ist. Indem nun der zugehörige<br />

Public Key veröffentlich wird, kann jede


Person einen Hash-Wert, der mit dem zugehörigen<br />

Secret Key verschlüsselt wurde,<br />

wieder entschlüsseln; jedoch ist sie nicht<br />

in der Lage, mit diesem Wissen eine neue<br />

digitale Signatur zu erstellen. Darüber hinaus<br />

erfordert die Entschlüsselung, je nach<br />

Schlüssellänge, einen mehr oder weniger<br />

großen Rechenaufwand.<br />

Zur Verbreitung dieses Schlüssels wird nun<br />

eine vertrauenswürdige Einrichtung benötigt,<br />

die die Schlüssel verwaltet. Diese Aufgabe<br />

übernimmt eine Zertifi zierungsstelle<br />

(Trust Center), die zuerst die Identität des<br />

Public-Key-Besitzers prüft, um dann die<br />

Möglichkeit zu bieten, den mit der Information<br />

gelieferten Schlüssel mit dem zum Secret<br />

Key des Absenders passenden Public Key<br />

zu vergleichen. Darüber hinaus übernimmt<br />

sie in der Regel auch die Erzeugung eines<br />

solchen Schlüsselpaares.<br />

Zusammengefasst läuft das digitale Signaturverfahren<br />

dann folgendermaßen ab:<br />

• Der Absender digitaler Information,<br />

beispielsweise einer Online-Bestellung<br />

per E-Mail, erzeugt einen Hash-<br />

Wert seiner Information, welcher<br />

mittels des ihm bekannten Secret<br />

Key, der durch ein Programm wie PGP<br />

(Pretty Good Privacy) oder ein Trust<br />

Center erstellt wurde, verschlüsselt<br />

wird.<br />

• Zusatzinformationen wie Gültigkeitsdauer,<br />

Aussteller des Schlüssels<br />

sowie etwa der Public Key bilden in<br />

Kombination mit dem Hash-Wert<br />

dann die digitale Signatur, welche<br />

an das Dokument angehängt, darin<br />

eingebettet oder separat zum Dokument<br />

übermittelt werden kann.<br />

• Der Empfänger muss nun mittels<br />

des Public Key, der entweder mitgeschickt<br />

oder über andere Wege vermittelt<br />

wurde, den Hash-Wert des<br />

Dokumentes entschlüsseln und auf<br />

diesem Weg sicherstellen, dass es vom<br />

Orginalabsender kommt.<br />

• Anschließend erstellt er aus den erhaltenen<br />

Informationen einen eigenen<br />

Hash-Wert, vergleicht diesen<br />

mit dem, der der Information mitgeschickt<br />

wurde und prüft so, ob<br />

diese Information auf dem Übermittlungsweg<br />

verändert wurde.<br />

In unserem Haus wird im Rahmen des geplanten<br />

Abwesenheitsmanagers eine vereinfachte<br />

Form, die digitalisierte, eingescannte<br />

handschriftliche Unterschrift, als Verfahren<br />

der digitalen Signatur verwendet werden.<br />

Dabei wird, beispielsweise zur Unterzeichnung<br />

eines Urlaubsantrags, mittels eines<br />

kleinen Programms (durch Passwortabfrage<br />

geschützt) die persönliche Unterschrift automatisch<br />

eingefügt.<br />

Auf eine Verschlüsselung wird, da es sich<br />

nur um hausinternen Schriftverkehr handelt,<br />

bewusst verzichtet. Diese Art der Antragsbearbeitung<br />

lässt sich als weiterer Schritt<br />

zum digitalen Büro betrachten, da der interne<br />

Schriftverkehr vermehrt auf elektronischem<br />

Wege abgewickelt werden kann.<br />

Aus dem Haus<br />

137


Neues aus der Chemielaborantenausbildung<br />

Aus dem Haus<br />

138<br />

Neues aus der Chemielaborantenausbildung<br />

Heike Berger<br />

Bei einem Rückblick auf das Jahr <strong>2005</strong> sind<br />

in der Laborantenausbildung einige erfolgreiche<br />

Ergebnisse zu verzeichnen. So haben<br />

die Auszubildenden<br />

Sven<br />

Klemens Hekkert<br />

und Holger<br />

Link im<br />

Juni <strong>2005</strong><br />

Sven Hekkert<br />

erfolgreich die<br />

Abschlussprüfung<br />

Teil 1<br />

absolviert. Die<br />

praktische Prüfung<br />

haben<br />

beide sogar<br />

Holger Link<br />

mit sehr gut<br />

bestanden.<br />

Des Weiteren haben Herr Hekkert und<br />

Herr Link die Prüfung zur „Qualitätsfachkraft“<br />

erfolgreich bestanden. Diese Prüfung<br />

wird vor der Deutschen Gesellschaft für<br />

Qualität (DGQ) durchgeführt und der Nachweis<br />

für das erfolgreiche Bestehen gilt als<br />

anerkanntes Zertifi kat in der Wirtschaft.<br />

Das Staatliche Umweltamt (<strong>StUA</strong>) <strong>Herten</strong><br />

ermöglicht seinen Auszubildenden seit fünf<br />

Jahren diese Zusatzqualifi kation zur Ausbildung<br />

zu erwerben.<br />

Eine weitere Qualifi kation, die sich die Auszubildenden<br />

Hekkert und Link im September<br />

<strong>2005</strong> zusätzlich erwarben, ist der Europäische<br />

Computer Führerschein. Diese „Euro-<br />

pean Computer Driving Licence“, kurz ECDL,<br />

bescheinigt den Auszubildenden folgende<br />

Kenntnisse:<br />

1. Grundlagen über<br />

Informationstechnologie<br />

2. Betriebssysteme<br />

3. Textverarbeitung<br />

4. Tabellenkalkulation<br />

5. Datenbanken<br />

6. Präsentation<br />

7. Internet<br />

Die Prüfung wird vor der Gesellschaft für Informatik<br />

abgelegt und ist europaweit anerkannt.<br />

Beide Zusatzqualifi kationen (ECDL/<br />

DGQ-Prüfung) sind freiwillige Lernangebote,<br />

die von den Auszubildenden gern angenommen<br />

werden, da die Zertifi kate die Chancen<br />

auf dem Arbeitsmarkt erheblich verbessern.<br />

Die erfolgreiche Ausbildung im Staatlichen<br />

Umweltamt <strong>Herten</strong> ruht auf mehreren<br />

Schultern. Neben den ausbildungsbereiten<br />

Auszubildenden bedarf es motivierter und<br />

engagierter Ausbilder. Der Kollege Franz<br />

Josef Eberhardt hat sich bereit erklärt ab<br />

April <strong>2005</strong> die Ausbilder zu unterstützen. Er<br />

wird nach einer Einarbeitungszeit den chemisch/physikalischen<br />

Ausbildungsteil im<br />

Ausbildungslabor betreuen.<br />

Die Verstärkung im Ausbildungslabor können<br />

wir gut gebrauchen, denn am 1. August<br />

2006 beginnen drei neue Auszubildende<br />

eine Ausbildung zum Chemielaboranten im<br />

Staatlichen Umweltamt <strong>Herten</strong>.


Karibikfi eber in Abteilung 4<br />

Heike Bonen, Birgit Suer und Natalie Worku<br />

Es war wie ein Virus, der um sich griff.<br />

Kaum hatte das Organisationsteam das<br />

Motto der diesjährigen Abteilungsfeier bekannt<br />

gegeben, nahm der Wahnsinn seinen<br />

Lauf. Von nun an drehte sich alles (na ja,<br />

fast alles) um ein Wort:<br />

„Karibikparty“.<br />

Von Juni bis September war eine ganze Abteilung<br />

im Ausnahmezustand, das hatte es<br />

noch nicht gegeben. Das Fieber hatte uns<br />

alle erwischt, und je näher der 2. September<br />

kam, desto mehr breitete es sich aus.<br />

Mit sehr viel Begeisterung brachten sich Alle<br />

in unterschiedlichster Form in die Vorbereitungen<br />

mit ein, ob es nun um Leihgaben für<br />

die Dekoration, Salat und ähnlichen Spenden,<br />

tatkräftige Hilfe oder fi nanzielle Unterstützung<br />

ging.<br />

In den Pausen und nach Feierabend wurde<br />

der größte Teil der Vorbereitungsarbeiten<br />

erledigt, Pläne für gutes und schlechtes<br />

Wetter wurden erstellt, Einkäufe getätigt,<br />

Bestellungen aufgegeben, Dekorationsmaterial<br />

organisiert und herangeschafft.<br />

Und dann war es soweit, ein Teil der Außenanlagen<br />

unseres Amtes verwandelte sich in<br />

eine karibische Oase:<br />

• 2 m³ Sand wurden verteilt,<br />

• 20 m Bambusmatten verlegt,<br />

• 15 Bambusfackeln aufgestellt,<br />

• etliche Palmen, eine Bananenpfl anze<br />

und Unmengen an Schilf wurden<br />

platziert,<br />

• Lichterketten aufgehängt,<br />

• Sonnensegel gespannt,<br />

• Hängematten angebracht,<br />

• Surfbretter und -segel angeordnet,<br />

• Liegestühle aufgeklappt,<br />

• eine Cocktailbar gebaut,<br />

• Blumengirlanden aufgehängt,<br />

• die Getränketheke aufgebaut<br />

• Festzeltgarnituren aufgestellt,<br />

• Kokosnüsse verteilt,<br />

• die Musikanlage installiert,<br />

• eine Tanzfl äche geschaffen,<br />

• das karibische Büffet aufgebaut,<br />

• der Grill aufgestellt<br />

• und, und, und…<br />

Aus dem Haus<br />

139<br />

Karibikfi eber in der Abteilung 4


Aus dem Haus<br />

140<br />

Ab 15:30 Uhr ging es los. Durch die<br />

nahezu perfekte Umgestaltung des<br />

<strong>StUA</strong>-Geländes waren es nur wenige<br />

Schritte vom Arbeitsplatz in die Karibik.<br />

Ganz nach dem Motto: eben noch<br />

im Labor und nun schon am Strand<br />

des Pazifi ks. Zwischen Cocktailbar und<br />

exotischen Köstlichkeiten steuerte das<br />

Karibische Fieber seinem Höhepunkt<br />

entgegen.<br />

Der geheimnisvolle Überaschungs-<br />

Show-Act übertraf alle Erwartungen.<br />

Die eigens engagierte 7-köpfi ge Musik-<br />

Band „FOC SQUAD“ brachte die Stimmung<br />

zum Überkochen. Wie an einem<br />

echten Karibik-Strand wurde zu Reggae-Klängen<br />

barfuß im Sand getanzt.<br />

Das karibische Fieber hielt sich bis tief<br />

in die Nacht, alle wollten die außergewöhnliche<br />

Atmosphäre so lange wie<br />

möglich genießen.<br />

Auch wenn äußerlich keine Spuren<br />

mehr sichtbar sind, der Zauber der<br />

Karibik ist noch immer zu spüren. Er<br />

hat sich in unsere tägliche Arbeit eingeschlichen<br />

und uns alle näher zusammenrücken<br />

lassen. Diese karibische<br />

Nacht hat uns gezeigt, dass durch eine<br />

Feier das Miteinander in einer Abteilung<br />

gefördert und das Gemeinschaftsgefühl<br />

gestärkt wird.


Bericht zum hauseigenen<br />

Umweltschutz<br />

Thomas Philippi<br />

für die Umweltgruppe im <strong>StUA</strong> <strong>Herten</strong><br />

Lohnt sich Umweltschutz?<br />

Diese Frage drängt sich zurzeit und im Rahmen<br />

der bevorstehenden Verwaltungsreform<br />

besonders auf. Natürlich antworten<br />

die Meisten mit ja. Doch dann kommt das<br />

berühmte Nachwort „aber…“<br />

… es darf nicht viel kosten.<br />

… wir haben andere Probleme.<br />

… wir haben genug getan, andere<br />

sind jetzt dran.<br />

… unsere Umwelt (Deutschland)<br />

ist ja wohl in Takt.<br />

… und so weiter und so weiter.<br />

Versäumnisse zeigen sich erst viel später,<br />

manchmal zu spät. Man schaue sich nur<br />

bei der Lebensmittelüberwachung um oder<br />

höre sich die Diskussion um die zerstörten<br />

Strommasten an.<br />

Die Umweltgruppe hat es – so meinen wir –<br />

nicht versäumt im zurückliegenden Jahr<br />

Umweltthemen aufzugreifen und im Rahmen<br />

unserer Möglichkeiten auch anzupacken.<br />

Zu unseren Aktivitäten beim<br />

Biotop im Innenhof.<br />

Bereits im letzten Jahr haben wir erkannt,<br />

dass es ohne einen großzügigen Gehölzschnitt<br />

nicht mehr lange weitergehen kann.<br />

Die natürliche Fensterbelichtung der innen<br />

liegenden Büros leidet stark, und dem<br />

bauschädlichen Pfl anzenwuchs an den Fassaden<br />

war im Rahmen unserer Möglichkeiten<br />

nur schwer beizukommen.<br />

Das Allergröbste haben wir aber geschafft,<br />

doch selbst Holger Bogatzki verzweifelte<br />

bisweilen an unserem Dschungelbiotop.<br />

Ich denke da besonders an die stacheligen<br />

Brombeeren und die Dornrosen.<br />

Den notwendigen Grundschnitt an den Gehölzen<br />

haben wir seit fast zwei Jahren eingefordert.<br />

Aus vielerlei Gründen - zuletzt<br />

aufgrund der Haushaltseinschränkungen -<br />

hat unsere Verwaltung den Einsatz eines<br />

professionellen Landschaftsgärtners immer<br />

wieder verschieben müssen.<br />

Hier sei angemerkt, dass ich mir auch Alternativen<br />

in Form von Eigenleistungen vorstellen<br />

könnte. Genügend Sachverstand,<br />

Gerätschaften und guter Wille wären nach<br />

meiner Einschätzung vorhanden; eine Mitwirkung<br />

der Verwaltung und die Erlaubnis<br />

durch die Amtsleitung wären jedoch Voraussetzungen.<br />

- Warum nicht mal eine Aktion<br />

nach dem Motto “Unser Amt soll schöner<br />

werden“ starten? Der Amtskultur würde das<br />

sicher gut tun. Zu unserem Hilfsangebot<br />

stehen wir, die Umweltgruppe jedenfalls.<br />

Nun zu unserem Teich<br />

Im April mussten wir feststellen, dass unsere<br />

Teichpumpe den „guten Geist“ aufgegeben<br />

und nebenbei einen Stromausfall<br />

in unserem Hause produziert hatte. Nach<br />

emsigen Bemühungen unsererseits hat die<br />

Verwaltung eine neue Teichpumpe nebst<br />

Elektroinstallation spendiert. Geholfen hat<br />

Aus dem Haus<br />

141<br />

Bericht zum hauseigenen Umweltschutz


Aus dem Haus<br />

142<br />

vielleicht auch mein Hinweis auf<br />

mögliche Gerüche in trockener<br />

Sommerzeit. Jedenfalls ist die<br />

Teichpumpe gekauft und von Horst<br />

Fester nach allen Regeln der Elektrotechnik<br />

installiert worden.<br />

Meine Installation – Einsetzen der<br />

Teichpumpe – war jedenfalls bei<br />

weitem nicht so professionell.<br />

Unser Kameramensch – Jürgen<br />

Klingel (zuständig für die Öffentlichkeitsarbeit)<br />

– hat nur darauf<br />

gewartet, dass ich im Teich lande<br />

und wollte die entscheidenden<br />

Momente einfangen. Nun, die in<br />

einem Pfl anzkorb hochgestapelte<br />

Pumpe senkrecht abzusenken, war<br />

- wie zu sehen - nicht so einfach.<br />

Aber ich hatte auch einen treuen<br />

Helfer – richtig: Michael Seidel,<br />

unser Hausmeister. Herzlichen<br />

Dank für die Mithilfe noch mal.<br />

Vermutlich hätte aber auch er<br />

mich gerne baden gehen sehen.<br />

Es gelang schließlich, die Pumpe halbwegs<br />

gerade an der tiefsten Stelle des<br />

Teiches abzusenken.


Mit einem deutlich geringeren Stromverbrauch<br />

von jetzt 65 Watt/h zu früher<br />

800 Watt/h und einer Intervallschaltung mit<br />

wenigen Betriebsstunden pro Tag verbrauchen<br />

wir bedeutend weniger Strom als früher.<br />

Hier trägt die Umweltgruppe einen kleinen<br />

Teil dazu bei, unserem immensen Energieverbrauch<br />

Herr zu werden.<br />

Stichwort Energieverbrauch<br />

Wie sieht es aus beim Energieverbrauch<br />

im <strong>StUA</strong> <strong>Herten</strong>? Nicht gut! Das sei vorweg<br />

gesagt. Die Daten für das Jahr <strong>2005</strong> liegen<br />

uns leider noch nicht vor, da die Jahresabrechnungen<br />

für Energie- und Wasserverbrauch<br />

noch ausstehen; daher sollen hier die<br />

Daten aus dem Jahr 2004 betrachtet werden,<br />

die leider keine gute Entwicklung zeigen.<br />

Der Verbrauch an Heizungsenergie lag<br />

in diesem Zeitraum bei 1189 MWh und<br />

erreichte damit eine neue Rekordhöhe.<br />

Der Stromverbrauch erreichte ebenfalls<br />

mit Schwindel erregenden 748.806 kWh<br />

einen neuen Rekord und hat nunmehr seit<br />

zwei Jahren – trotz zwischenzeitlicher<br />

Sparbemühungen – einen abermaligen Zuwachs<br />

von 6 %.<br />

Von diesen Zuwachsraten kann unsere Wirtschaft<br />

nur träumen. Die Umwelt hingegen<br />

bekommt Albträume. Der hohe Energieverbrauch<br />

liegt der Umweltgruppe seit<br />

Jahren schwer am Herzen – hinzukommen<br />

die aktuelle Diskussion aufgrund der Verbrauchspreise<br />

und die inzwischen wohl unstrittige<br />

Klimaveränderung.<br />

Nun zu etwas Erfreulicherem: Unser Wasserverbrauch<br />

war im Jahr 2004 mit 2764 m³<br />

gering, demzufolge auch die Abwassermenge.<br />

Beide sind nur im Jahr 2002 geringer<br />

ausgefallen. Der Papierverbrauch ist mit<br />

zirka 600.000 Blatt in etwa gleich geblieben.<br />

Was bleibt trotz einer ungewissen<br />

Zukunft zu tun?<br />

Die Verwaltung ist bezüglich unseres Energieverbrauchs<br />

– bereits vor „Kosten-Leistungs-Rechnung“<br />

und „Budgetierung“ - ausreichend<br />

sensibilisiert worden. Alle Mühe<br />

hatte ihren Lohn, und eine externe Energieberatung<br />

ist mittlerweile ins Haus geholt<br />

worden und hat ein beachtliches Maß an<br />

Einsparpotenzial aufgezeigt.<br />

Jetzt geht es darum, die aufgezeigten Einsparmaßnahmen<br />

auch umzusetzen. Vielleicht<br />

hat der eine oder andere Vorschlag<br />

bereits im Jahr <strong>2005</strong> eine leicht fallende<br />

Tendenz bewirkt, aber natürlich soll weiter<br />

an den Möglichkeiten gearbeitet werden.<br />

Interessant sind aus Sicht der Umweltgruppe<br />

vor allem die Maßnahmen bezüglich<br />

unserer Klima- und Heizungsanlagen (Lüftungseinrichtungen<br />

zum Teil mit Wärmetauschern,<br />

Beseitigung von Stauwärme im<br />

Dachgeschoss des Labors, bei den zentra-<br />

Aus dem Haus<br />

143


Aus dem Haus<br />

144<br />

len EDV- und Serverräumen gegebenenfalls<br />

Umzug in einen kälteren Hausbereich - zum<br />

Beispiel Nordseite oder Keller -, Regeln und<br />

Abriegeln von Warmwasser-/Heizungsleitungen,<br />

… sollen hier nur Stichworte darstellen).<br />

Nicht müde geworden, möchten wir als<br />

Umweltgruppe dafür eintreten, unsere Fahrzeugfl<br />

otte (Selbstfahrer, Probenahmefahrzeuge)<br />

auf alternative, also umweltfreundlichere<br />

Kraftstoffe umzurüsten. Rechnen<br />

könnte sich das mittlerweile auch.<br />

Der Windbruch im Biotop mit der vom<br />

Sturm und Schnee gefällten Weide hat ak-<br />

tuell bewiesen, dass es meist kostengünstiger<br />

ist, nicht auf den nächsten Schaden zu<br />

warten, sondern vorsorglich und im Einklang<br />

mit der Umwelt – das heißt in der vegetationslosen<br />

Zeit – einen großzügigen Grünschnitt<br />

vorzunehmen. Unserer Innenhoffassade<br />

und dem dort aufgestellten Klimagerät<br />

würde mehr Luft auch gut tun.<br />

Ich hoffe, das <strong>StUA</strong> <strong>Herten</strong> wird nicht<br />

Opfer der Tagespolitik und es geht mit dem<br />

Umweltschutz intern und extern hier weiter<br />

und bedanke mich – auch im Namen der<br />

Umweltgruppe – für die Unterstützung, die<br />

wir erfahren haben.


Herausgeber<br />

Staatliches Umweltamt <strong>Herten</strong><br />

Gartenstraße 27<br />

45699 <strong>Herten</strong><br />

Telefon: (02366) 807-0<br />

Telefax: (02366) 807-499<br />

Internet: www.stua-he.nrw.de<br />

E-MAIL: poststelle@stua-he.nrw.de<br />

Redaktion<br />

Jürgen Klingel<br />

Beate Sanders<br />

Satz, Layout<br />

Andrea Schmidtke<br />

Impressum<br />

Vervielfältigung, Umschlag und Bindung<br />

Woeste Druck + Verlag, Essen<br />

Impressum

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