Unterstellungsrecht nach UVG
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<strong>Unterstellungsrecht</strong> <strong>nach</strong> <strong>UVG</strong><br />
abgrenzungsfragen<br />
zur Zuständigkeit der Suva<br />
für den Vollzug der obligatorischen Unfallversicherung sind die Suva und<br />
private Versicherungsunternehmen zuständig. Die Marktaufteilung ergibt<br />
sich aus dem gesetz. Dieser Beitrag beschäftigt sich mit den unterstel-<br />
lungsrechtlichen Voraussetzungen der Suva-Versicherung und der ge-<br />
planten revision des Bundesgesetzes über die Unfallversicherung (UVg).<br />
Die heuer 90 Jahre alt gewordene Suva ist<br />
eine öffentlich-rechtliche anstalt des Bundes<br />
mit dem auftrag, die obligatorische<br />
Unfallversicherung für bestimmte, im gesetz<br />
definierte Betriebe und Verwaltungen<br />
durchzuführen. als Versicherungsträger<br />
für die nicht in den tätigkeitsbereich der<br />
Suva fallenden Unternehmen sind private<br />
Versicherungsunternehmen, Krankenkassen<br />
und öffentliche Unfallversicherungskassen<br />
zugelassen. Dieses System der<br />
Mehrfachträgerschaft wurde mit dem<br />
UVg-Obligatorium im Jahre 1984 eingeführt.<br />
Damit verbunden war auch ein funktionswechsel<br />
des <strong>Unterstellungsrecht</strong>s –<br />
im Zentrum steht nicht mehr die frage der<br />
Versicherungspflicht, sondern ob die Suva<br />
oder ein anderer Versicherungsträger zuständig<br />
ist. Damit kommt dem <strong>Unterstellungsrecht</strong><br />
<strong>nach</strong> UVg heute nicht mehr<br />
eine soziale, sondern eine rein wirtschaftliche<br />
funktion zu. 1<br />
Der Suva sind hauptsächlich Betriebe<br />
aus dem gewerblich-industriellen Sektor<br />
zugewiesen, deren tätigkeiten ein erhöhtes<br />
Unfallrisiko bergen. Dies wirkt sich auf<br />
die höhe der Prämien aus, die teilweise<br />
deutlich über denjenigen der übrigen UVg-<br />
Versicherer liegen. Die Unternehmen dürften<br />
also häufig ein wirtschaftliches Interesse<br />
daran haben, ihre angestellten nicht<br />
bei der Suva versichern zu müssen.<br />
1 Bge 113 V 327, 330 erw. 2a und b.<br />
Die anhaltende Strukturentwicklung<br />
und die damit verbundene tertiärisierung<br />
der Wirtschaft hat zu einer Verschiebung<br />
der Marktanteile geführt. Die Suva selber<br />
geht von einem jährlichen Marktverlust<br />
zwischen 0.5 und 0.7 Prozent aus. 2 trotz<br />
schwindenden Marktanteilen ist und bleibt<br />
die finanziell vom Bund unabhängige Monopolanstalt<br />
mit abstand die grösste trägerin<br />
der obligatorischen Unfallversicherung.<br />
3 als reaktion auf die mit dem Strukturwandel<br />
verbundene Schrumpfung des<br />
Versicherungsvolumens ist seit einigen<br />
Jahren eine verschärfte Suva-Unterstellungspolitik<br />
zu beobachten.<br />
Unterstellungsvoraussetzungen<br />
Die abgrenzung der Zuständigkeitsbereiche<br />
zwischen Suva und Privatversicherern<br />
ergibt sich aufgrund von art. 66 UVg.<br />
Der tätigkeitsbereich der Suva umfasst<br />
die in abs. 1 aufgeführten Betriebe<br />
und Verwaltungen. Dazu<br />
gehören insbesondere die industriellen<br />
Betriebe im Sinne<br />
von art. 5 des arbeitsgeset-<br />
2 Vernehmlassungsantwort der Suva zur<br />
UVg-revision vom 14.3.2007, S. 4.<br />
3 Kennzahlen gemäss geschäftsbericht<br />
2007: 113 108 unterstellte Betriebe<br />
mit rund 1945 000 Versicherten. Damit<br />
versichert die Suva rund 1/3 aller<br />
unter das UVg fallenden Betriebe und<br />
rund 2/3 aller arbeitnehmer.<br />
rechtSfragen<br />
zes (arg), aber auch Betriebe des industriellen<br />
handels sowie bestimmte Kategorien<br />
von gewerbebetrieben. neben dem<br />
Kriterium der Branchenzugehörigkeit sind<br />
auch spezifische tätigkeiten ausschlaggebend<br />
für eine Unterstellung.<br />
In Kürze<br />
> In der laufenden revision sollte<br />
sich der gesetzgeber mit der<br />
abgrenzung der Versicherungs-<br />
bereiche auseinandersetzen<br />
> Überdacht werden muss die<br />
vorgenommene aufteilung des<br />
Versicherungsgeschäfts<br />
> nicht alle Zuteilungen sind noch<br />
zeitgemäss<br />
für die Beurteilung der Unterstellungsvoraussetzungen<br />
ist gemäss konstanter<br />
rechtsprechung zuerst zu prüfen, ob es<br />
sich beim fraglichen Unternehmen um einen<br />
ungegliederten oder gegliederten Betrieb<br />
handelt. Dabei ist massgebend, ob<br />
sich die geschäftstätigkeit im Wesentlichen<br />
auf einen einzigen, zusammenhängenden<br />
tätigkeitsbereich beschränkt und<br />
der Betrieb damit einen einheitlichen oder<br />
vorwiegenden Betriebscharakter aufweist<br />
autor<br />
Simon Heim<br />
lic. iur., consultant,<br />
Watson Wyatt ag,<br />
Zürich<br />
07 . 08<br />
81<br />
Schweizer Personalvorsorge . Prévoyance Professionnelle Suisse
(ungegliederter Betrieb) oder ob mehrere<br />
klar unterscheidbare tätigkeitsschwerpunkte<br />
bestehen (gegliederter Betrieb).<br />
Kann ein einheitlicher oder vorwiegender<br />
Betriebscharakter bejaht werden, so<br />
wird – falls die unterstellungsrechtlichen<br />
Voraussetzungen für einen anschluss gemäss<br />
art. 66 abs. 1 UVg erfüllt sind – der<br />
gesamte Betrieb bei der Suva versichert.<br />
handelt es sich jedoch um einen gegliederten<br />
Betrieb ohne einheitlichen Betriebscharakter,<br />
so muss weiter geprüft werden,<br />
in welchem Verhältnis die verschiedenen<br />
Betriebsteile zueinander stehen. Dabei fallen<br />
hilfs- und nebenbetriebe, die mit dem<br />
hauptbetrieb 4 in einem sachlichen Zusammenhang<br />
stehen, ebenfalls in den tätigkeitsbereich<br />
der Suva, sofern sich dessen<br />
tätigkeiten unter art. 66 abs. 1 UVg subsumieren<br />
lassen. 5 Stehen die einzelnen<br />
Betriebsteile in keinem sachlichen Zusammenhang<br />
zueinander, handelt es sich um<br />
einen gemischten Betrieb. In diesem fall<br />
werden nur diejenigen Betriebseinheiten<br />
bei der Suva versichert, für die sich aufgrund<br />
von art. 66 abs. 1 UVg eine Unterstellung<br />
ergibt. 6<br />
Um festzustellen, ob ein ungegliederter<br />
Betrieb oder im falle eines gegliederten<br />
Betriebs ein Betriebsteil die unterstellungsrechtlichen<br />
Voraussetzungen für einen<br />
Suva-anschluss erfüllt, ist zu prüfen,<br />
ob das Unternehmen unter die in art. 66<br />
abs. 1 UVg aufgezählten Betriebsarten<br />
fällt, bzw. ob entsprechende «betriebstypische»<br />
tätigkeiten ausgeübt werden. trifft<br />
dies zu, so ist die Unterstellung in aller<br />
regel gegeben.<br />
In der Praxis häufig zu Unstimmigkeiten<br />
führt die Bestimmung von art. 66<br />
abs. 1 lit. e UVg, wo<strong>nach</strong> Betriebe, die<br />
Werkstoffe maschinell bearbeiten, bei der<br />
Suva versichert sein müssen, sofern die<br />
ausübung solcher tätigkeiten typisch für<br />
einen Betrieb dieser art ist. Der grund<br />
4 Der hauptbetrieb ist jener Betriebsteil, der<br />
die Produktion oder die Dienstleistung er-<br />
bringt, die für die Unternehmung charakteristisch<br />
ist und daher den vorwiegenden Betriebscharakter<br />
bestimmt. Dies ist im Zweifelsfall<br />
der Betriebsteil mit dem grössten<br />
anteil des Umsatzes oder – wenn jener nicht<br />
festgestellt werden kann – an der Lohnsumme<br />
(Bge 113 V 327, 335 erw. 6b).<br />
5 Sog. grundsatz der attraktion gemäss<br />
art. 88 abs. 1 UVV.<br />
6 Sog. grundsatz der Detraktion gemäss<br />
art. 88 abs. 2 UVV.<br />
liegt darin, dass selbst Betriebe, die solche<br />
arbeiten nur in einem geringen ausmass<br />
ausführen, als ganzes der Suva<br />
unterstellt werden. 7<br />
Umfangreiche Rechtsprechung<br />
Dass sich viele zum anschluss verpflichtete<br />
Unternehmen an ihrer Suva-<br />
Unterstellung stören, zeigt die umfangreiche<br />
rechtsprechung zum <strong>Unterstellungsrecht</strong>.<br />
für etliche firmen scheint die<br />
anschlusspflicht ungerechtfertigt oder<br />
sachlich nicht <strong>nach</strong>vollziehbar, weshalb sie<br />
eine gerichtliche Überprüfung der entsprechenden<br />
Voraussetzungen verlangen.<br />
Dem grossteil der Beschwerden ist jedoch<br />
kein erfolg beschieden. regelmässig werden<br />
die anschlussverfügungen gestützt,<br />
wobei der Suva ein relativ weit reichender<br />
ermessensspielraum zugestanden wird.<br />
angesichts vorhandener eigeninteressen<br />
stellt sich die frage, zu welchem grad die<br />
Suva das ihr eingeräumte ermessen zu<br />
ihren gunsten ausübt und ob die entscheidungskompetenz<br />
über einen anschluss<br />
nicht einer unabhängigen Instanz übertragen<br />
werden sollte.<br />
<strong>UVG</strong>-Revision<br />
Die laufende teilrevision ist in zwei<br />
Vorlagen aufgeteilt, die einerseits fragen<br />
betreffend der Suva (Organisation und<br />
nebentätigkeit) und andererseits weitere<br />
revisionspunkte, darunter die hier interessierende<br />
thematik der unterstellungsrechtlichen<br />
Voraussetzungen, beinhalten.<br />
Der Vorschlag sieht vor, gewisse Branchen<br />
wie zum Beispiel Optiker- oder Sportgeschäfte<br />
vom tätigkeitsbereich der Suva<br />
auszuschliessen. erwartungsgemäss sind<br />
die Vernehmlassungsergebnisse in diesem<br />
Punkt sehr kontrovers ausgefallen. Während<br />
sich die Linke aus Solidaritätsgedanken<br />
gegen jegliche Beschränkung der<br />
Suva-tätigkeitsbereiche ausspricht und<br />
sogar ein Vollmonopol fordert, wird die<br />
neuerung von einer Vielzahl der Stellungnehmenden<br />
begrüsst. Verschiedentlich<br />
wird jedoch zu recht darauf hingewiesen,<br />
7 Prominentes Beispiel sind Optiker- und Sportgeschäfte,<br />
die neben ihrer Verkaufstätigkeit<br />
noch Korrekturgläser bzw. Skikanten schleifen.<br />
Das eVg hat verschiedentlich an seiner<br />
rechtsprechung festgehalten, wo<strong>nach</strong> bei<br />
ungegliederten Betrieben das ausmass einzelner<br />
für die Unterstellung relevanter branchenüblicher<br />
tätigkeiten unbedeutend sei.<br />
rechtSfragen<br />
dass die bestehenden abgrenzungsfragen<br />
mit der vorgesehenen regelung auch in<br />
Zukunft weiter bestehen werden. als mögliche<br />
Lösung wird unter anderem die einführung<br />
einer Limite vorgeschlagen, wo<strong>nach</strong><br />
das ausmass der ausschlaggebenden<br />
tätigkeit einen gewissen Prozentsatz<br />
(zum Beispiel der Lohnsumme) überschreiten<br />
muss, damit eine Unterstellung gegeben<br />
ist. ein anderer Vorschlag will dem<br />
Bundesrat die Kompetenz einräumen, einzelne<br />
Betriebsarten, welche die Unterstellungsvoraussetzungen<br />
nur zu einem geringen<br />
teil erfüllen, von der Unterstellung<br />
unter den Zuständigkeitsbereich der Suva<br />
auszunehmen.<br />
Die vom Bundesrat ende Mai verabschiedete<br />
Botschaft übernimmt in weiten<br />
teilen den entwurf der Vernehmlassungsvorlage.<br />
Die hier thematisierte abgrenzungsproblematik<br />
bleibt jedoch ausgeklammert.<br />
Der nationalrat wird sich nun<br />
als erstrat mit der Vorlage zu befassen<br />
haben. Mögliches Datum für das Inkrafttreten<br />
ist der 1. Januar 2011.<br />
Fazit<br />
Die mit der einführung des UVg vorgenommene<br />
aufteilung des Versicherungsgeschäfts<br />
muss überdacht werden. Die<br />
technische und wirtschaftliche entwicklung<br />
hat dazu geführt, dass viele ursprünglich<br />
als gefährlich eingestufte Betriebe<br />
heute kaum mehr ein erhöhtes Unfallrisiko<br />
aufweisen. Dieser entwicklung kann sich<br />
der gesetzgeber nicht verschliessen. Insbesondere<br />
scheint es stossend, dass sich<br />
gewisse Branchen trotz der hinfälligkeit<br />
ursprünglicher anschlussgründe weiterhin<br />
bei der Suva versichern müssen. gleichzeitig<br />
muss hinterfragt werden, weshalb<br />
Branchen mit <strong>nach</strong>gewiesenermassen<br />
hohen Unfall- und Berufskrankheitsrisiken<br />
wie die Landwirtschaft, die nahrungsmittelindustrie<br />
oder Spitäler nicht in den Zuständigkeitsbereich<br />
der Suva fallen.<br />
aus gründen der rechtssicherheit<br />
bleibt zu wünschen, dass sich der gesetzgeber<br />
im rahmen der laufenden revision<br />
eingehend mit der abgrenzung der Versicherungsbereiche<br />
auseinandersetzt und<br />
den Zuständigkeitsbereich der Suva anhand<br />
sachgerechter und griffiger Kriterien<br />
definiert. Bedauerlicherweise wurde diesem<br />
anliegen im jetzigen entwurf nur ungenügend<br />
rechnung getragen. n<br />
07 . 08<br />
83<br />
Schweizer Personalvorsorge . Prévoyance Professionnelle Suisse