PDF-Datei zu diesem Artikel - Kulturvision
PDF-Datei zu diesem Artikel - Kulturvision
PDF-Datei zu diesem Artikel - Kulturvision
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
Provinz, das klingt muffi g und kleinkariert. Der<br />
Waldviertler Richard Pils hat dem Begriff Provinz<br />
indes seine positive Bedeutung <strong>zu</strong>rückerobert.<br />
Bibliothek der Provinz nannte er seinen Verlag,<br />
mit dem er zeigt, was in der Diaspora kulturell<br />
und künstlerisch in hoher Qualität vorhanden<br />
ist. Aus dem Kleinverlag wurde ein Unternehmen,<br />
das 700 Autoren vereint, und dessen Publikationen<br />
immer wieder Preise erhalten, soeben<br />
wurden vier Kinderbücher ausgezeichnet.<br />
Wunderschöne Bild- und Kunstbände, Belletristik<br />
und Kinderbücher namhafter Autoren aus<br />
Österreich und, wie Herbert Achternbusch auch<br />
aus Deutschland, gibt der bei Weitra beheimatete<br />
Verlag heraus.<br />
Gegen die Zentralisierung allen Lebens wendet<br />
sich der Verleger, wenn er sagt: „Ob ich in Linz<br />
oder Warschau in das Museum gehe, fi nde ich<br />
Andy Warhol, aber nicht die Künstler der Region.“<br />
Keinerlei Bedeutung habe die Präsentation<br />
vor der Haustür, aber wenn einer in Paris ausstelle,<br />
ganz gleich unter welchen Bedingungen,<br />
dann sei er der Star. Er setzt dem entgegen, dass<br />
er die Kunst vor Ort wahrnimmt und selektiert.<br />
Danach „was einen bewegt, um heraus<strong>zu</strong>fi nden,<br />
ob die Kunst eine Ware ist oder vom Herzen<br />
kommt.“<br />
Seine Leidenschaft für die Provinz hat Richard<br />
Pils schon als Lehrer und Schulleiter bewiesen:<br />
„Es war mir ein Herzensanliegen, die ein- und<br />
zweiklassigen Dorfschulen <strong>zu</strong> erhalten.“ Er plädiert<br />
energisch gegen die <strong>zu</strong>nehmende Globalisierung<br />
und Kontrolle des Lebens. „Der Mensch<br />
wird ein durchkalkulierter Absatzmarkt.“ Bald<br />
werde man überall dasselbe essen, dieselben<br />
Feste feiern, aber das sei aufgedrückt und kom-<br />
Bücher, die vom Herzen kommen<br />
Richard Pils und seine Bibliothek der Provinz<br />
me nicht aus dem Herzen. Auch die Kulturtechnik<br />
gehe verloren. Keiner könne mehr heizen,<br />
Socken stopfen oder bewusst mit dem Rohstoff<br />
Wasser umgehen. „Kochen braucht den<br />
Atem der Tradition“, sagt er und reicht mir ein<br />
Brot, von einer Bäuerin gebacken, „Riechen Sie<br />
mal.“<br />
Wir sitzen in der Küche von Schloss Raabs, eine<br />
ehemalige Königsburg, 1100 erstmals erwähnt,<br />
wohl die bedeutendste Burganlage im oberen<br />
Waldviertel. Dem Verfall preisgegeben, erwarb<br />
sie Richard Pils, um sie als Kulturjuwel <strong>zu</strong> retten.<br />
Und um „ein Platzerl <strong>zu</strong>m Arbeiten <strong>zu</strong> haben“,<br />
<strong>zu</strong>m Komponieren, Schreiben und um einmal<br />
im Jahr seine Autoren <strong>zu</strong>m Poetenfest <strong>zu</strong> laden.<br />
Gestern Abend las Franzobel, heute Abend liest<br />
unter anderem Michael Köhlmeier, am Nachmittag<br />
wird ein eigens für das Fest komponiertes<br />
Stück aufgeführt. Ein Riesenprogramm, großar-<br />
Verleger Richard Pils, stehend<br />
Schlossführung<br />
tige Akteure, aber die Resonanz ist gering. „Vor<br />
40 Jahren sind alle Autoren gekommen, heute<br />
nur noch die, die selber lesen.“ Die fehlende Solidarität<br />
der Literaten kann der engagierte Verleger<br />
nicht verstehen. Er selbst und seine Frau<br />
Helga sind hingegen sozial konstruiert. Er erklärt<br />
es mit einer Geschichte. Die Großmutter habe<br />
einen Bauernhof gehabt und nach der Befreiung<br />
1945 habe sie die KZ-Insassen ebenso wie<br />
die SS-Bewacher bei sich übernachten lassen.<br />
Und noch einen Vergleich zieht er heran. Bei<br />
einem Unfall schauen die einen <strong>zu</strong>, die anderen<br />
holen die Polizei und ein dritter hilft selbst.<br />
Einfach „Do it“, das ist seine Devise, auch wenn<br />
sie enorm kräftezehrend ist. Die Hoffnung des<br />
Verlegers, die Niederösterreichische Landesausstellung<br />
2009 nach Schloss Raabs <strong>zu</strong> holen,<br />
scheiterte an den Konditionen, obwohl er ein<br />
nachhaltiges Konzept präsentierte, das für die<br />
Literatur 29<br />
Region eine Menge an Chancen parat hielt. Ein<br />
Institut für Kinder- und Jugendliteratur mit einer<br />
integrierten Sammlung wollte Richard Pils auf<br />
dem Schloss installieren, was eine wirtschaftliche<br />
Belebung der Gegend gesichert hätte.<br />
Notwendig wäre es dringend, denn die Abwanderung<br />
ist riesig. Richard Pils beschreibt „sein“<br />
Land so: „Das nördliche Waldviertel ist eine Region<br />
der Stille, nicht zersiedelt, viel Raum <strong>zu</strong>m<br />
Wandern.“ Dieser Chance steht ein Nachteil<br />
gegenüber: „Man hat kulturpolitisch versäumt,<br />
das Besondere <strong>zu</strong> schützen und so den architektonischen<br />
Charakter zerstört.“ Im Gegensatz<br />
<strong>zu</strong> Bayern, wo man strenge Gesetze habe,<br />
reiße man hier die schönsten Häuser weg um<br />
Fertighäuser <strong>zu</strong> bauen. Auch das ist eine Idee<br />
des Verlegers, die auf Schloss Raabs verwirklicht<br />
werden könnte: Ein digitales Archiv der Waldviertler<br />
Bausubstanz.<br />
Träume hat Richard Pils also immer wieder. Seine<br />
Triebfeder ist, dem „wahnsinnigen Sozialdarwinismus“<br />
etwas entgegen <strong>zu</strong> setzen. „Wir<br />
verhindern nicht, wenn Menschen Menschen<br />
vernichten, aber es gibt im Menschen noch einen<br />
anderen Impetus.“ Und dieser müsse mit<br />
Weisheit, Wissen und Können gefördert werden,<br />
wo<strong>zu</strong> es der Wissenschaft ebenso bedürfe<br />
wie der Kunst.<br />
Das Leben an sich, das sei das Rätsel. Dagegen<br />
sei die gesamte Kunst banal. Wie das kreative<br />
Sein aus Körper und Hirn, letztlich alles Wasser,<br />
ein großes Werk webe, das ist für den Denker<br />
und Macher Richard Pils ein immerwährendes<br />
Wunder. MG<br />
www.bibliothekderprovinz.at