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MaL<br />
Sabine Stiebel, Jugendklub TUBE<br />
Deine ersten eigenen Schritte, die erste<br />
Schleife an deinen Schuhen, die so viel<br />
Konzentration und Kraft gefordert hat.<br />
Der Tag deiner Einschulung. Das erste<br />
Lied, das du gehört hast. Das erste Mal,<br />
als ein Wort aus deinem Mund kam. Der<br />
erste knirschende Schnee unter deinen<br />
Füßen. Die Minute, in der du erfuhrst,<br />
wie schnell Milch überkocht, der erste<br />
Schnupfen, der Moment, als Papa das<br />
erste Mal das Fahrrad losließ und du<br />
allein in die Pedalen getreten hast, glücklich<br />
und stolz. Im Laufe unseres Lebens<br />
widerfahren uns so viele „erste Male“,<br />
dass wir uns an die meisten davon nicht<br />
mehr erinnern können. Es gibt aber auch<br />
„erste Male“, die sind so prägend, so<br />
aufregend und so wunderschön und<br />
beinah beängstigend, dass wir sie<br />
nie vergessen – wie den ersten Kuss.<br />
Wolfgang (12) und Beatrix<br />
(14) sind nun schon<br />
seit über einem Jahr<br />
zusammen. Ohne Unterbrechung<br />
und Beziehungspause,<br />
wie sie<br />
sichtlich stolz betonen.<br />
Kennengelernt haben<br />
sich beide in der Schule,<br />
und irgendwann hat<br />
Wolfgang Beatrix einfach<br />
gefragt: „Willst du<br />
mit mir gehen?“, und<br />
er war froh, dass ihm<br />
die Worte nicht im<br />
Halse steckenblieben.<br />
„Ich war so aufgeregt, es hätte ja sein können, dass sie mich<br />
auslacht“, sagt er und grinst. Beatrix sagte aber nicht nein. Sie<br />
fand Wolfgang schon lange toll: „Er ist sehr nett und hilfsbereit.<br />
Er sieht gut aus, und wenn was ist, kann ich immer zu ihm kommen.<br />
Wir gehen viel gemeinsam weg. Ins Kino, zum Schwimmen<br />
oder Inliner fahren. Mit ihm habe ich viel Spaß.“<br />
Wolfgang zupft während des Interviews Grashalme aus dem<br />
Boden, Beatrix kichert viel. Es ist für beide neu, voreinander<br />
übereinander zu reden. „An Bea mag ich eigentlich fast alles.<br />
Sie ist witzig und süß, sportlich und macht jeden Scheiß mit.<br />
Sie hat einen guten Charakter. Nur eines ist nervig, ständig will<br />
sie über alles diskutieren. Aber damit kann ich gut umgehen.<br />
So ist sie halt!“, sagt Wolfgang, und es fällt ihm nicht schwer, Beatrix<br />
dabei anzusehen. Sie schaut verlegen weg und murmelt:<br />
„Ich weiß.“<br />
An ihren ersten richtigen Kuss können sich beide noch sehr<br />
gut erinnern, und einer sagt: „Den ersten Kuss mit der ersten<br />
großen <strong>Liebe</strong>, den kann man doch nicht vergessen.“ Passiert ist<br />
es an Beatrix dreizehntem Geburtstag. Wolfgang war natürlich<br />
dabei. Es wurde im Garten gefeiert, es gab einen Pool, die Stimmung<br />
war super. „Jemand schmiss mich ins Wasser“, erzählt<br />
Bea mit hochrotem Kopf, „Wolfgang half mir raus, und irgendwie<br />
ist es dann passiert. Das war er. Der erste Kuss.“ „Es war ganz<br />
schön, aber die ganze Zeit dachte ich: Mach jetzt bloß nichts<br />
falsch, Wolfgang. Später hat Bea erzählt, dass es ihr genauso<br />
ging“, berichtet er. „Ich hab mich gar nicht getraut, ihn danach<br />
anzusehen“, erinnert sich Beatrix. „Jetzt, wo wir schon so lang<br />
zusammen sind, ist das Küssen viel schöner. Ich kann ihm ertrauen.<br />
Das weiß ich, und er weiß, dass ich ihn nicht auslache.<br />
Hinterher können wir uns gegenseitig in die Augen schauen<br />
und keiner schämt sich.“<br />
Wie sie sich einen romantischen Abend vorstellen, frage ich<br />
beide: „Mit Beatrix Fußball spielen“, meint Wolfgang und lacht.<br />
Sie rollt mit den Augen, guckt mich an und sagt: „Typisch Wolfgang!“<br />
und nimmt seine Hand.<br />
( )<br />
Wolfgang<br />
& Beatrix<br />
„Sechs Monate waren wir zusammen, dann haben wir uns getrennt,<br />
jetzt sind wir wieder zusammen, und es ist ein gutes Gefühl.“<br />
Jenny (15) und Andreas (15) sitzen hintereinander. Er hält sie<br />
im Arm und nickt zustimmend. Am Tag, als sie sich das erste Mal<br />
küssten, regnete es in Strömen. Beide waren klitschnass. Andreas<br />
brachte Jenny nach Hause. Sie liefen nebeneinander. „Ich wollte<br />
gerade ins Haus gehen, da hielt er mich fest und küsste mich. Es<br />
passierte alles so schnell. Es war so überwältigend und romantisch“,<br />
erinnert sich Jenny und sinkt noch tiefer in seine Arme.<br />
„Ich weiß auch nicht, wie es passiert ist, es war einfach ein Impuls“,<br />
flüstert Andreas. Er spricht sehr langsam, ruhig und leise.<br />
Danach war es kurz still. Beide sahen sich in die Augen und Andreas<br />
sagte: „Ich liebe dich.“<br />
Woran man erkennt, dass man jemanden liebt, frage ich, und<br />
Jenny erklärt mir nach kurzem Überlegen: „Verliebt sein ist für<br />
jemanden schwärmen, dem anderen nah sein zu wollen, aber<br />
<strong>Liebe</strong>, das bedeutet Akzeptanz, aber auch Kompromisse einzugehen.<br />
Für die <strong>Liebe</strong> muss man kämpfen.“<br />
Jennys und Andreas’ Eltern sind, nach anfänglichen Zweifeln,<br />
mit der Beziehung der beiden einverstanden. Sie dürfen jeweils<br />
beim anderen übernachten und verbringen viel Zeit zusammen.<br />
Andreas wird schnell eifersüchtig. Jenny findet das okay und hält<br />
sich ein wenig <strong>zur</strong>ück, damit es keinen Streit gibt.<br />
Den perfekten romantischen Abend können sie sich am besten<br />
bei Sonnenuntergang an einem See vorstellen. Beide brauchen<br />
viel Nähe und finden, dass eine Beziehung ohne Sex nicht<br />
funktionieren kann. „Wichtig ist aber“, erklärt mir Andreas, „dass<br />
beide es wollen. Es ist ein großer Vertrauensbeweis. Man muss<br />
sich dem anderem gegenüber öffnen. Darum ist es ganz wichtig,<br />
miteinander zu sprechen.“ Dann küssen sie sich.<br />
Es war diese eine Nacht, in der aus Freundschaft plötzlich mehr<br />
wurde. Ein Moment, in dem es im Bauch einfach zu kribbeln<br />
begann. Dabei wollte sich Katrin (18), die gerade erst eine<br />
schwierige Beziehung hinter sich hatte, erst mal eine Singlepause<br />
gönnen. Dass sie sich ausgerechnet in Thomas (16) verguckt,<br />
war an dem Abend, an dem sie sich das erste Mal näherkamen,<br />
nicht geplant.<br />
„Wir saßen auf einer Couch im Jugendklub. Die Nacht war kalt<br />
und wir teilten uns eine Decke und quatschten. Ich mochte ihn,<br />
aber mehr so wie einen Bruder“, erzählt Katrin, „und plötzlich<br />
hielt er meine Hand.“ Thomas war, ohne es zu bemerken, wie<br />
er beteuert, immer näher an Katrin herangerutscht, und unter<br />
der Decke fanden seine Finger ihre. Katrins Augen funkeln:<br />
„Es war, als wenn der Blitz einschlug.“ Seitdem sind beide<br />
irgendwie ein Paar.<br />
Thomas liebt an Katrin ihre fröhliche und unbeschwerte Art.<br />
Katrin seine schönen Augen, seine Stärke und das Gefühl, mit<br />
ihm zusammenzusein. „Als wir uns das erste Mal küssten, lief<br />
gerade der Fernseher. Eigentlich wollten wir alles ganz langsam<br />
angehen lassen“, grinst Katrin. Erst sahen sie sich tief in die<br />
Augen und dann küssten sie sich. Lange. Intensiv. Katrin<br />
seufzt: „Ein Gefühl, als wär alles um einen herum einfach weg.“<br />
Thomas, der nicht so viel Erfahrung wie Katrin hat, erinnert sich:<br />
„Es war ganz merkwürdig. Schön und frei, und trotzdem kam<br />
ich mir hinterher seltsam vor. Die Initiative ging ja von mir aus,<br />
und ich war mir nicht sicher, ob das alles so okay war.“<br />
Dass „alles so okay war“, sieht man den beiden an. Als Katrin sich<br />
an Thomas’ Schulter lehnt, sagt sie: „Um sich an einen Kuss ein<br />
Leben lang zu erinnern, muss man sich gegenseitig richtig toll<br />
finden. Ich werde diesen ersten Kuss nicht vergessen und bin<br />
mir sicher, da folgen noch viele andere, an die ich auch gern<br />
<strong>zur</strong>ückdenken werde.“<br />
( andreas ) & Jenny<br />
thomas<br />
( )<br />
& Kathrin<br />
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