Palliative Care - TAKO - Tiroler Arbeitskreis für Onkologie
Palliative Care - TAKO - Tiroler Arbeitskreis für Onkologie
Palliative Care - TAKO - Tiroler Arbeitskreis für Onkologie
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<strong>Palliative</strong> <strong>Care</strong><br />
Empfehlungen zu Diagnostik, Therapie und<br />
Nachsorgeuntersuchungen in Tirol
Vorwort<br />
Die Betreuung und Behandlung von schwerkranken und sterbenden<br />
Menschen stellt eine große Herausforderung <strong>für</strong> alle Berufsgruppen dar.<br />
Deshalb haben wir uns entschieden, als Interdisziplinäres Team ein Sonderheft<br />
im Rahmen der Veröffentlichungen des <strong>Tiroler</strong> <strong>Arbeitskreis</strong>es <strong>Onkologie</strong><br />
(<strong>TAKO</strong>) herauszugeben, die allen ärztlichen Kolleginnen und Kollegen, allen<br />
Pflegenden und anderen Begleiterinnen und Begleitern zur Unterstützung<br />
ihrer praktischen Arbeit zur Verfügung stehen soll.<br />
Es ist uns ein Anliegen, dass schwerkranke und sterbende Menschen in<br />
Tirol gut betreut werden können. Dazu wurden die wichtigsten Bereiche von<br />
<strong>Palliative</strong> <strong>Care</strong> in eine Broschüre gefasst.<br />
Die Broschüre enthält Empfehlungen <strong>für</strong> die Behandlung der Symptome und<br />
behandelt die wichtigsten Fragen, die sich bei der Betreuung am Lebensende<br />
stellen und ermöglicht eine rasche Orientierung in der Praxis, will eine Hilfe<br />
und eine Checkliste sein, erhebt aber nicht den Anspruch eines Lehrbuches,<br />
die Themen umfassend zu beschreiben.<br />
Dabei werden ausdrücklich auch nicht-onkologische Krankheitsbilder in den<br />
Blick genommen.<br />
<strong>Palliative</strong> <strong>Care</strong> befasst sich mit der Betreuung von Menschen mit einer fort ge-<br />
schrittenen, fortschreitenden Erkrankung, wenn die kurativen Behandlungsmöglichkeiten<br />
in den Hintergrund treten. Nach der Definition der WHO aus<br />
dem Jahr 2002 ist <strong>Palliative</strong> <strong>Care</strong> ein Konzept, mit dem die Lebensqualität<br />
der Patienten und ihrer Familien verbessert werden soll, wenn sie mit einer<br />
lebensbedrohlichen Krankheit und den damit verbundenen Problemen<br />
konfrontiert sind. Dies soll durch Vorsorge und Linderung von Leiden, durch<br />
früh zeitiges Erkennen und Erfassung und Behandlung von Schmerzen und<br />
anderen physischen, psychosozialen und spirituellen Problemen erfolgen.<br />
Die Linderung der Symptome ist die Grundlage guter palliativer Betreuung,<br />
der erste Schritt palliativer Betreuung. Das Ziel der Symptombehandlung ist<br />
die Entlastung der Patienten von Symptomen, die behandelbar sind, damit<br />
sie ihre Energie und ihr Augenmerk auf wichtige Dinge richten können, wie<br />
die Anpassung an die fortschreitende Krankheit, auf Beziehungen, auf die<br />
Erledigungen wichtiger Dinge, auf Sinnfragen. Die Qualität der Behandlung<br />
hängt ab von der Qualität unserer Einschätzung, die auch eine Einschätzung<br />
der verbleibenden Lebenszeit ist.<br />
Die Qualität der Behandlung hängt auch davon ab, wie wir kommunizieren<br />
und welche Fragen wir stellen.<br />
Ziel palliativer Betreuung ist auch die Entlastung der Angehörigen und ihre<br />
Begleitung in der Trauer.<br />
<strong>Palliative</strong> <strong>Care</strong> Inhaltsverzeichnis 3
4 <strong>Palliative</strong><br />
<strong>TAKO</strong><br />
Vorstand und Mitwirkende an den Empfehlungen<br />
<strong>Care</strong> Vorwort<br />
Einige dieser Fragen werden in diesem Heft in ihrem praxisbezogenen<br />
Kontext am Rande angesprochen.<br />
Auch andere Faktoren als die Prognose bestimmen das Ziel der Behandlung<br />
mit. In vielen Situationen ist der erwartbare Nutzen von Diagnostik und Therapie<br />
abzuwägen gegenüber Belastungen und Kosten und mit dem Blick auf die<br />
Gesamtsituation stellt sich immer wieder Fragen nach dem therapeutisch<br />
Sinnvollen, Fragen, die nur im Kontext der individuellen Situation beantwortet<br />
werden kann. Die folgende Übersichtstabelle gibt eine Orientierung <strong>für</strong> die<br />
Ziele, die sich aus der verbleibenden Lebenszeit ergeben.<br />
Betreuungsart Prognose Focus<br />
<strong>Palliative</strong> Betreuung Monate Lebensqualität<br />
Lebensverlängerung<br />
Betreuung am Lebensende Wochen Qualität des verbleibenden Lebens erhalten und<br />
fördern<br />
Betreuung in der Sterbephase Tage bis Stunden Friedliches Sterben, Raum <strong>für</strong> Trauer
<strong>TAKO</strong><br />
<strong>TAKO</strong> Vorstand<br />
Univ.-Prof. DI Dr. Peter Lukas Strahlentherapie-Radioonkologie, Innsbruck<br />
Prim. Univ.-Prof. Dr. med. Klaus Gattringer Innere Medizin, Kufstein<br />
Prim. ao. Univ-Prof. Dr. Ewald Wöll Innere Medizin, Zams<br />
ao. Univ.-Prof. Dr. Reinhard Stauder Hämatologie & <strong>Onkologie</strong>, Innsbruck<br />
Univ.-Doz. Dr. Eberhard Gunsilius Hämatologie & <strong>Onkologie</strong>, Innsbruck<br />
Univ.-Prof. Dr. Günther Gastl Hämatologie & <strong>Onkologie</strong>, Innsbruck<br />
Mitwirkende in der Arbeitsgruppe <strong>Palliative</strong> <strong>Care</strong><br />
Dr. Elisabeth Medicus <strong>Tiroler</strong> Hospizgemeinschaft, Innsbruck<br />
Dr. Angelika Drobil<br />
Satz, Gestaltung und Version<br />
Dr. Eugen Preuß pdl, Innsbruck<br />
Version 1.1<br />
Copyright: pdl 2010<br />
Vorstand und Mitwirkende<br />
Obmann<br />
Obmann-Stv.<br />
Schriftführer<br />
Schriftführer-Stv.<br />
Kassier<br />
Kassier-Stv.<br />
kooptiert<br />
Koordinator<br />
<strong>Palliative</strong> <strong>Care</strong> <strong>TAKO</strong> Vorstand und Mitwirkende 5
6 <strong>Palliative</strong><br />
<strong>Care</strong> Untertitel
Inhaltsverzeichnis<br />
Hinweise <strong>für</strong> den Gebrauch dieser Broschüre<br />
A Prognose und Assessment<br />
1 Prognostik in der <strong>Palliative</strong> <strong>Care</strong><br />
1.1 Wie prognostizieren Ärzte?<br />
1.2 Die Genauigkeit der Prognose – Was können wir wissen?<br />
1.3 Wie kann Prognose kommuniziert werden?<br />
2 Assessment in der <strong>Palliative</strong> <strong>Care</strong><br />
B Symptombehandlung<br />
1 Schmerz<br />
1.1 Allgemeine Prinzipien<br />
1.2 Schmerzerfassungsinstrumente<br />
1.3 Medikamentöse Schmerztherapie<br />
1.3.1 Opioide<br />
1.3.2 Metamizol<br />
1.3.3 NSAR´s<br />
1.3.4 Ko-Analgetika<br />
1.4 Rückenmarksnahe Verfahren und Nervenblockaden<br />
1.5 Weitere therapeutische Ansätze in der Schmerztherapie<br />
2 Respiratorische Symptome<br />
2.1 Dyspnoe<br />
2.2 Husten<br />
2.3 Hämoptysen/Hämoptoe<br />
2.4 Terminales Rasseln<br />
3 Fatigue<br />
4 Gastroenterologische Symptome<br />
4.1 Mundtrockenheit<br />
4.2 Übelkeit, Erbrechen<br />
4.3 Obstipation<br />
4.4 Ileus und Subileus (Intestinale Obstruktion)<br />
4.5 Schluckstörung (Dysphagie)<br />
4.6 Diarrhö<br />
11<br />
13<br />
14<br />
15<br />
16<br />
17<br />
17<br />
18<br />
19<br />
20<br />
23<br />
25<br />
26<br />
28<br />
29<br />
30<br />
32<br />
53<br />
32<br />
34<br />
36<br />
38<br />
<strong>Palliative</strong> <strong>Care</strong> Inhaltsverzeichnis 7
8 <strong>Palliative</strong><br />
40<br />
41<br />
42<br />
43<br />
44<br />
45<br />
47<br />
48<br />
50<br />
56<br />
57<br />
xx<br />
72<br />
60<br />
80<br />
xx<br />
58<br />
xx<br />
xx<br />
78<br />
81<br />
xx<br />
91<br />
84<br />
xx<br />
xx<br />
<strong>Care</strong> Untertitel<br />
5 Neurologische Symptome<br />
5.1 Schwindel<br />
5.2 Lähmungen<br />
5.3 Spastik, spinale Automatismen, Dystonie, Myoklonus und Muskelkrämpfe<br />
5.4 Sprach- und Artikulationsstörungen<br />
6 Psychiatrische Symptome<br />
6.1 Schlafstörungen<br />
6.2 Unruhe, Gespanntheit und Angst<br />
6.3 Psychotische Syndrome<br />
6.4 Depression<br />
7 Exulzerierende Wunden<br />
8 Juckreiz<br />
9 Schluckauf<br />
10 Ausgewählte Themen der Symptombehandlung am Lebensende<br />
10.1 Die letzten Tage und Stunden<br />
10.2 Das Lebensende bei nicht-onkologischen Erkrankungen<br />
10.3 Essen und Trinken<br />
10.4 Not- und Krisensituationen<br />
10.5 <strong>Palliative</strong> Sedierung<br />
C Psychosoziale, spirituelle und rechtliche Themen am Lebensende<br />
1 Der Patient und seine Umgebung<br />
1.1 Die Angehörigen<br />
1.1.1 Kinder als Angehörige<br />
1.1.2 Angehörige anleiten<br />
2 Die komplexe Entlassung aus dem Krankenhaus<br />
3 Sozialarbeit<br />
4 Rechtliche Fragen<br />
4.1 Patientenverfügung und Vorsorgevollmacht
5 Psycho-<strong>Onkologie</strong><br />
5.1 Sexualität am Lebensende<br />
6 Spiritualität<br />
6.1 Seelsorge am Lebensende<br />
6.2 Abschiedsrituale<br />
Anhang<br />
Medikamentenliste<br />
Plan <strong>für</strong> Krisen und Notfälle (<strong>Palliative</strong>r Behandlungsplan)<br />
Rezepturen<br />
Kälte und Wärme in Anwendungen<br />
Assessmentinstrumente<br />
Nützliche Adressen<br />
Weiterführende Literatur<br />
89<br />
xx<br />
xx<br />
87<br />
92<br />
94<br />
xx<br />
xx<br />
xx<br />
xx<br />
xx<br />
104<br />
<strong>Palliative</strong> <strong>Care</strong> Untertitel 9
10 Mammakarzinom<br />
Inhaltsverzeichnis
Hinweise <strong>für</strong> den Gebrauch dieser Broschüre<br />
Die angegebenen Medikamente sind meistens unter zwei Namen aufgelistet,<br />
dem Substanznamen und einem gängigen Handelsnamen. Hinsichtlich des<br />
Applikationsweges und der Indikation werden einzelne Medikamente in der<br />
Palliativmedizin zulassungsüberschreitend (off-label) verwendet. Wenn diese<br />
Anwendungen in der vorliegenden Broschüre empfohlen werden, basieren<br />
sie auf der wissenschaftlichen Literatur, die im Anhang angegeben ist, und auf<br />
langjährigen Erfahrungen.<br />
Die Dosierung bei subkutaner Verabreichung entspricht der Dosierung bei<br />
intravenöser Verabreichung.<br />
Am Ende der Broschüre findet sich eine Medikamentenauflistung mit den<br />
häufigsten Medikamenten, die in der Palliativbetreuung verwendet werden.<br />
Wegen der Heterogenität der Themen und der verschiedenen Zugänge der<br />
Autoren sind die Kapitel nicht einheitlich aufgebaut.<br />
Die verwendeten Abkürzungen sind im Index erklärt.<br />
Die verwendeten personenbezogenen Begriffe beziehen sich dort, wo nicht<br />
ausdrücklich die weibliche und die männliche Form genannt ist, in gleicher<br />
Weise auf weibliche und männliche Menschen.<br />
<strong>Palliative</strong> <strong>Care</strong> Hinweis <strong>für</strong> den Gebrauch dieser Broschüre 11
12 <strong>Palliative</strong><br />
<strong>Care</strong> Einleitung
A Prognose und<br />
1 Prognostik in der <strong>Palliative</strong> <strong>Care</strong><br />
Ziel und Fokus der Betreuung hängen wesentlich von der Prognose und<br />
der Einschätzung der Situation ab. Während etwa bei einer Prognose von<br />
Monaten auftretende Begleiterkrankungen kurativ behandelt werden, stellt<br />
sich diese Frage mit kürzer werdender Prognose in jeder Situation wieder<br />
neu: die Behandlung der Symptome tritt am Lebensende mehr und mehr in<br />
den Vordergrund.<br />
Die Einschätzung der noch verbleibenden Lebenszeit ist auch <strong>für</strong> Betroffene<br />
und Angehörige zur Planung und Regelung persönlicher Angelegenheiten<br />
oder beispielsweise <strong>für</strong> den Antrag auf Familienhospizkarenz von großer<br />
Relevanz.<br />
Die möglichst genaue Vorhersage des Todeszeitpunkts und die Antwort auf<br />
die Frage „Wieviel Zeit bleibt mir noch?“ sind also wichtig <strong>für</strong> gute klinische<br />
Entscheidungen am Lebensende. Damit können Spitalsaufnahmen reduziert<br />
und die Wahrscheinlichkeit, zu Hause zu sterben, erhöht werden. Nutzlose<br />
Behandlungen am Ende des Lebens können eher vermieden werden.<br />
1.1 Wie prognostizieren Ärzte?<br />
Die Einschätzung der verbleibenden Überlebenszeit ist <strong>für</strong> Ärzte schwierig.<br />
Es gibt eine empirisch nachgewiesene Diskrepanz zwischen dem, was<br />
Ärzte sagen und dem was sie denken: Ärzte geben dem Patienten und<br />
den Angehörigen gegenüber mehr verbleibende Zeit an, als sie selbst <strong>für</strong><br />
wahrscheinlich halten.<br />
Die Überlebenszeit von Patienten ist durchschnittlich um etwa 30% kürzer als<br />
von Ärzten vorhergesagt, allerdings ist es nicht sinnvoll, die eigene Vorhersage<br />
um 30% zu erhöhen, also einen Korrekturfaktor von vornherein zu<br />
berücksichtigen, weil die Situationen komplex und verschieden sind.<br />
Ärzte kommunizieren eher nicht, dass die Terminalphase einer Krebserkrankung<br />
eingesetzt hat und neigen dazu, zu optimistisch zu sein.<br />
Bei Frauen und älteren Menschen wird noch seltener als bei Männern und<br />
jungen Menschen angesprochen, dass das Ende des Lebens eingetreten ist.<br />
Ärzte können gut sagen, ob die verbleibende Zeit wahrscheinlich kurz oder<br />
mittel oder lang sein wird (gute Diskrimination), sie können aber schlecht<br />
einen genauen Zeitpunkt angeben, also ob der Tod in 3 Wochen oder in 2<br />
Monaten eintreten wird (schlechte Kalibrierung). Die intuitive Einschätzung<br />
Assessment<br />
Behandlung der Symptome<br />
tritt am Lebensende in den<br />
Vordergrund<br />
Überlebenszeit meist kürzer<br />
als vom Arzt vorhergesagt<br />
<strong>Palliative</strong> <strong>Care</strong> Assessment und Prognose 13
14 <strong>Palliative</strong><br />
Verbesserung<br />
der Prognostik<br />
PaP und PPI<br />
<strong>Care</strong> Assessment und Prognose<br />
des Allgemeinzustandes ist also gut, die genaue Einschätzung schlecht. Je<br />
schlechter der Allgemeinzustand ist, je näher der Todeszeitpunkt rückt, umso<br />
genauer werden die Vorhersagen.<br />
Folgende beiden Herausforderungen stellen sich in der Praxis: Erstens, die<br />
Genauigkeit der Prognose am Lebensende zu verbessern und zweitens,<br />
unsere Einschätzung zu kommunizieren.<br />
1.2 Die Genauigkeit der Prognose – Was können wir wissen?<br />
Wenn die eigene klinische Erfahrung und Daten aus der Literatur kombiniert<br />
werden, kann eine bessere Prognostik erreicht werden. Verschiedene<br />
Parameter wurden analysiert und evaluiert, einige wenige haben sich als<br />
prognostisch relevant erwiesen.<br />
Ausgehend von diesen Beobachtungen wurden Kombinationen verschiedener<br />
Parameter als Prognosescores eingeführt und validiert:<br />
Die am besten validierten und gebräuchlichsten sind der <strong>Palliative</strong> Prognostic<br />
Score (PaP, s. Anhang) und der <strong>Palliative</strong> prognostic index.<br />
Mögliche prognostische Parameter <strong>für</strong> die Abschätzung der Lebenserwartung<br />
in der <strong>Palliative</strong> <strong>Care</strong><br />
Klinische Symptome Biologische Faktoren Andere<br />
Anorexie Leukozytose Klinische Vorhersage des Überlebens (Clinical prediction<br />
of survival, CPS)<br />
Dyspnoe Lymphopenie Performance status und Änderung im Performance<br />
status<br />
Xerostomie Anämie Primäre Tumorlokalisation<br />
Dysphagie C-reaktives Protein Lokalisation von Metastasen<br />
Delirium Hypoalbuminämie Komorbiditäten<br />
Schmerz Prähypoalbuminämie Alter<br />
Übelkeit Proteinurie Geschlecht<br />
Gewichtsverlust Serumkalzium Familienstand<br />
Tachykardie Serumnatrium<br />
Fieber Serum-LDH (Lactat-<br />
Müdigkeit<br />
Ödeme<br />
Aszites<br />
Dehydrogenase)
Zur Prognose bei nichtonkologischen Erkrankungen<br />
Große Schwankungen des Allgemeinzustandes am Lebensende erschweren<br />
die Einschätzung, vor allem bei der Herzinsuffizienz und der COPD.<br />
Bei Vorliegen einer Herzinsuffizienz spricht <strong>für</strong> eine schlechte Prognose:<br />
Häufung stationärer Aufenthalte mit schlechter Auswurfleistung, keine weitere<br />
medikamentöse Optimierung mehr möglich, keine reversible Ursache <strong>für</strong><br />
Verschlechterung identifizierbar, niedriges Serum-Natrium,Verschlechterung<br />
der renalen Funktion, wenn innerhalb von zwei bis drei Tagen keine Besserung<br />
eintritt.<br />
Welche reversiblen Faktoren verschlechtern den Eindruck?<br />
Infekt, Medikamentenüberdosierung, Anämie, depressiver Rückzug, Sprachlosigkeit<br />
Welche Umstände können eine schlechte Prognose verschleiern?<br />
Motorische Unruhezustände, Menschen, die das Bett flüchten<br />
1.3 Wie kann Prognose kommuniziert werden?<br />
Prognostische Information zu verwenden und zu kommunizieren ist ein<br />
Bestand teil eines multidisziplinären palliativen Ansatzes.<br />
Einstiegsfragen und Hinweise <strong>für</strong> die Kommunikation mit den Patienten und<br />
Angehörigen:<br />
Was denken denn Sie?<br />
Wie sehen Sie ihre Krankheit?<br />
Gibt es einen bestimmten Grund, warum es <strong>für</strong> Sie wichtig ist, darüber mit mir<br />
zu reden?<br />
In Dimensionen sprechen (Monate, Wochen, Tage, Stunden) und die Angabe<br />
genauer Zeitpunkte vermeiden.<br />
nichtonkologische<br />
Erkrankungen<br />
Einstiegsfragen<br />
<strong>Palliative</strong> <strong>Care</strong> Assessment und Prognose 15
16 <strong>Palliative</strong><br />
gutes Assessment<br />
verbessert<br />
die Einschätzung<br />
der Gesamtsituation<br />
<strong>Care</strong> Assessment und Prognose<br />
2 Assessment in der <strong>Palliative</strong> <strong>Care</strong><br />
Assessmentin der palliative <strong>Care</strong> ist die ganzheitliche Erfassung der verschiedenen<br />
Dimensionen kranker Menschen. In der Palliativmedizin gibt es eigene<br />
Assessment-Instrumente bisher <strong>für</strong> Symptomerfassung, Lebensqualität und<br />
Lebens erwartung eine Rolle. Jedes Assessment führt zu einer besseren Einschätzung<br />
der Gesamtsituation und kann dadurch die Qualität der Betreuung<br />
verbessern.<br />
Auf folgenden 4 Ebenen ist ein Assessment in der <strong>Palliative</strong> <strong>Care</strong> sinnvoll:<br />
1. Was wissen wir über Patienten, Diagnose, Prognose (PaP-Score, s.<br />
Anhang), Lebensgeschichte, Willen und Wünsche?<br />
2. Was wissen wir über Umfeld? Familiäre Strukturen, Ressourcen, Abhängigkeiten?<br />
3. Was beobachten wir? Assessmenttest (Karnofsky, ESAS, siehe unten),<br />
Fähig keiten, Risiken<br />
4. Welche Symptome belasten den Patienten subjektiv am meisten?<br />
Eine besondere Herausforderung kann das Assessment bei Menschen<br />
sein, die kognitiv oder sprachlich eingeschränkt sind. Da<strong>für</strong> sind eigene<br />
Instrumente entwickelt worden. Ein gut validiertes und geeignetes Instrument<br />
zum Assessment von Schmerzen (Doloplus) wird im Anhang vorgestellt.<br />
Mit dem ESAS (Edmonton Symptom Assessment System) werden folgende<br />
Symptome nach der numerischen Skala von 0 (beschwerdefrei) bis 10<br />
(stärkste Qualität) abgefragt: Schmerzen, Müdigkeit, Übelkeit, Depression,<br />
Angst, Benommenheit, Appetitlosigkeit, allgemeines Befinden, Atemnot sowie<br />
auch andere Symptome, die bei einem bestimmten Patienten vorliegen.
B Symptombehandlung<br />
Prinzipien der Symptombehandlung<br />
Körperliche Symptome, vor allem Angst und Verwirrtheit, Blutungen, Atemnot,<br />
Diarrhö können das „Sterben zuhause“ <strong>für</strong> den Patienten und sein Umfeld<br />
schwierig machen. Vorbereitende Gespräche, eine vorausschauende Planung,<br />
die Erreichbarkeit von Unterstützung und die Bildung eines Netzwerkes sind<br />
daher bei diesen Symptomen besonders wichtig.<br />
Für alle Symptome gilt:<br />
• Wichtige Symptome abfragen: Schmerzen, Schwäche, Atemnot, Übelkeit,<br />
Appetitlosigkeit, Obstipation, Ängste, Unruhe, Schlafstörung<br />
• Auf Details hören<br />
• Medikamentenanamnese<br />
• Nach den Ursachen der Symptome suchen, reversible Ursachen beachten<br />
• In die Anamnese Fragen nach den Gefühlen und Bedeutungen der<br />
Symptome einflechten - das erhöht die Effektivität der Behandlung und die<br />
Qualität der Information<br />
• Schnell handeln, die Rolle der Symptome <strong>für</strong> die Diagnostik spielt bei fortge<br />
schrittener Erkrankung eine untergeordnete Rolle<br />
• Therapeutische Änderung veranlassen und kommunizieren, warum was<br />
getan oder nicht getan wird<br />
• Veränderungen erklären<br />
• In die Entscheidungsfindung den Patienten einbeziehen<br />
• Sorgfältige Verschreibung und Erklärung der Medikation<br />
• Einen Plan erstellen (z.Bp. Was tun bei Erbrechen, bei Atemnot, bei einer<br />
Blutung?)<br />
• Regelmäßig überprüfen<br />
• Emotionale Faktoren berücksichtigen<br />
• Reduzieren oder absetzen sobald als möglich.<br />
Wichtig <strong>für</strong> alle Symptome<br />
<strong>Palliative</strong> <strong>Care</strong> Prinzipien der Symptombehandlung 17
18 <strong>Palliative</strong><br />
1 Schmerz<br />
allgemeine<br />
Prinzipien<br />
praktische Hinweise<br />
Zu beachten:<br />
„Pain is what the patient<br />
says it s!“<br />
1.1 Allgemeine Prinzipien<br />
<strong>Care</strong> Schmerz – Symptombehandlung<br />
• Gute Schmerztherapie in der <strong>Palliative</strong> <strong>Care</strong> setzt Anamnese, klinische<br />
Unter suchung, Diagnostik und einen multidisziplinären Ansatz voraus<br />
• Im Frühstadium von Tumoren kommen Schmerzen in 37% vor, im fortgeschrittenen<br />
Stadium und Terminalstadium in 80-90%.<br />
• Bei 80-85% der Patienten kann mit den derzeit zur Verfügung stehenden<br />
Schmerzmedikamenten eine optimale Einstellung, oft sogar Schmerzfreiheit<br />
erzielt werden.<br />
• Individuelle Dosierung – so einfach wie möglich: Medikamentenplan aushändigen,<br />
Aufklärung des Patienten und der Angehörigen über Wirkungen<br />
und Nebenwirkungen, regelmäßige Therapiekontrolle über Schmerzreduktion<br />
und Nebenwirkungen.<br />
• Regelmäßige Einnahme nach fixem Zeit schema. Tumorschmerz ist meist<br />
ein Dauerschmerz und damit chronisch. Die Medikamente werden abhängig<br />
von der Wirkdauer bis zu 6 x täglich verordnet. Die Gabe nach Bedarf ist bei<br />
Tumorschmerztherapie obsolet.<br />
• Zusätzlich zur Basismedikation immer Bedarfsmedikation <strong>für</strong> Schmerzspitzen<br />
verschreiben.<br />
• Schmerzen sind so früh wie möglich zu behandeln.<br />
• Vorhersehbare Schmerzen (z.B. bei Pflegehandlungen) sind möglichst auszu<br />
schalten. Schmerzen wirken sich nachteilig auf den Krankheitsverlauf<br />
aus.<br />
• Für Opioide gilt, dass die Dosis gegen den Schmerz titriert wird.<br />
• Zur raschen Schmerzbefreiung und zur Dosisfindung sind parenterale<br />
Methoden bzw. schnell wirkende orale Arzneiformen zu verwenden. Länger<br />
andauernde Schmerzen sind mit oralen Retardformen zu behandeln. Bei<br />
stabilen chronischen Schmerzen sind auch Schmerzpflaster möglich.<br />
• Prophylaxe von Nebenwirkungen durch Begleitmedikamente: Laxantien<br />
und Antiemetika bei Opioiden, Magenschutz bei NSAR´s<br />
• Keine Analgetika mit gleichem pharmakologischem Wirkprinzip kombinieren!<br />
Strahlentherapie ist Schmerztherapie der Wahl bei Knochenschmerzen: in<br />
80% tritt der analgetische Effekt innerhalb von 1-2 Wochen ein. Bei Nervenschmerzen<br />
und lokalen Schmerzproblemen können Nervenblockaden und<br />
rückenmarksnahe Blockadetechniken nützlich sein.<br />
Der Schmerz ist ein subjektives Empfinden, das nur vom Patienten selbst<br />
einge schätzt werden kann: „Pain is what the patient says it is.“
Beschreibung Schmerztyp Behandlung<br />
Dauernd Viszeral oder Weichteile Morphin<br />
Bei Bewegung Knochen Radiotherapie<br />
NSAR<br />
Biphosphonate<br />
Brennend<br />
Einschießend<br />
Die Schmerzeinschätzung beruht daher auf den Aussagen des Patienten.<br />
Diese sind wichtig, weil etwa der Dauerschmerz eher auf Morphin anspricht,<br />
während andere Schmerzen (Nerven-, Knochenschmerzen, Koliken, manche<br />
Nicht-Tumor-Schmerzen) einen anderen Ansatz brauchen.<br />
Eine Körperskizze ist hilfreich beim initialen Assessment. Sie sollte gemeinsam<br />
mit dem Patienten oder von ihm selbst ausgefüllt werden.<br />
1.2 Schmerzerfassungsinstrumente<br />
Nervenschmerz Opioide (Oxycodon, Methadon)<br />
Antikonvulsiva<br />
Steroide<br />
Geht und kommt Kolik Buscopan<br />
Beim Atmen Pleuritischer Schmerz Siehe Schmerzsyndrome<br />
Schmerzepisoden Tenesmen<br />
Magendistension<br />
Blasenspasmen<br />
Atypisches Muster Zentral?<br />
Entzündung?<br />
Schmerzskalen sind eine Methode, um schwierige Schmerzsituationen und<br />
-behandlungen zu überwachen. Am gebräuchlichsten ist die „Numerische<br />
Rating Skala“, Teil des ESAS (vgl. Abschnitt 2). Der Patient beurteilt die<br />
Schwere seiner Schmerzen auf einer Skala<br />
von 0 bis 10. 0 bedeutet: kein Schmerz, 10 bedeutet: stärkster vorstellbarer<br />
Schmerz. Diese Skalen sind nicht in jeder Situation geeignet. Für die Praxis<br />
bewährt sich eine vierteilige Skala: kein Schmerz/erträgliche Schmerzen/<br />
starke Schmerzen/unerträgliche Schmerzen. Manche Patienten füllen gerne<br />
ein Schmerztagebuch aus.<br />
Bei somnolenten oder sonst in der Kommunikation eingeschränkten Patienten<br />
muss man sich mit der Fremdbeurteilung zufrieden geben: liegt der Patient<br />
entspannt, ruhig, oder wirft er sich herum, ist angespannt?. (Vgl.auch eigenes<br />
Schmerzeinschätzung<br />
Körperskizze<br />
Schmerzskala<br />
Überschrift??<br />
<strong>Palliative</strong> <strong>Care</strong> Schmerz – Symptombehandlung 19
20 <strong>Palliative</strong><br />
TIPP<br />
Nicht-Opioide<br />
Instrument im Anhang)<br />
<strong>Care</strong> Schmerz – Symptombehandlung<br />
TiPP:<br />
Viele Skalen lassen sich leicht in die gebräuchlichen Fieberkurven integrieren.<br />
(z. B. mit Grünstift in den P und RR- Register oder auf die Fieberkurve<br />
zusätzlich draufkopieren und eine Kopiervorlage herstellen oder in PC-<br />
Vorlage einfügen.)<br />
Schmerzen im Frühstadium von Tumoren: in 37%,<br />
Im fortgeschrittenen Stadium und Terminalstadium: in 80-90%.<br />
1.3 Medikamentöse Schmerztherapie<br />
1.3.1 Nicht-Opioide<br />
Paracatemol (Mexalen ® )<br />
<strong>für</strong> ausreichende Analgesie benötigt man bei Erwachsenen meistens 1 g;<br />
übliche TD: 4 x 1g.<br />
Metamizol (Novalgin ® )<br />
Bei viszeralen Schmerzen<br />
Dosis: bis 6 g/24h, wenn i.v. verabreicht, dann langsame Verabreichung<br />
Spasmolytische Eigenschaften<br />
Nicht steroidale Antirheumatika<br />
Z. B. Naproxen 500 mg 2 x /d , Diclofenac 2 x 75 mg<br />
Sehr effektiv bei Knochenschmerzen<br />
Führen bei 30% der Patienten zu subjektiven Nebenwirkungen, vor allem<br />
Gastritis, daher mit Magenschutz verabreichen, Langzeittherapie nicht<br />
unpro blematisch. Zu beachten: Nierenversagen bei vorgeschädigter Niere<br />
und Dehydratation möglich Dosissteigerung ergibt keine Verbesserung der<br />
Schmerz reduktion, jedoch Zunahme der Nebenwirkungen.<br />
Hohe Nebenwirkungsrate: 30% subjektive Nebenwirkungen, davon in 40%<br />
gastrointestinale Blutungen oder Erosionen endoskopisch verifiziert, 40%<br />
derer, die keine NW angeben, haben endoskopisch nachweisbare Schäden.<br />
1.3.2 Opioide<br />
Sehr effektiv <strong>für</strong> viszeralen Schmerz oder Weichteilschmerz<br />
Keine Organtoxizität<br />
Dosiserhöhung bis Schmerzkontrolle<br />
Laxantien verabreichen!
Schmerzsyndrome und ihre medikamentöse Behandlung<br />
Viszeraler Schmerz, Metamizol<br />
Weichteilschmerz Opioide<br />
(Dauerschmerz)<br />
Knochenschmerz Radiotherapie<br />
Nicht steroidale Antirheumatika<br />
Morphin<br />
Biphosphonate<br />
Nervenschmerz Opioide, z.B. Oxycodon, meist nur Teilresponse<br />
Amitryptilin<br />
Ketamin<br />
Gabapentin<br />
Pregabalin<br />
Steroide<br />
Nervenblockaden<br />
Lidocain-Pflaster bei lokalen Schmerzen (Postzosterische Neuralgie)<br />
Kolikschmerzen Buscopan<br />
Octreotid<br />
Leberkapselschmerz Steroide<br />
Kopfschmerzen Paracetamol bei Spannungskopfschmerz<br />
Steroide<br />
Metamizol<br />
Opioide bei sehr starken Kopfschmerzen<br />
Schmerzen beim Atmen NSAR<br />
Antibiotika bei Infektionen<br />
Magenschmerzen Antazida<br />
Metoclopramid<br />
Schmerzhafte Pflegehandlungen und Eingriffe<br />
Tenesmen<br />
NSAR-, Metamizol-Suppositorien<br />
(schmerzhaftes Gefühl im Niedrigdosiert Morphin<br />
Anorektalbereich mit dem Steroide anal<br />
Gefühl des Stuhldranges) Lokalanästetika anal<br />
Blasenspasmen Metamizol<br />
Buscopan<br />
<strong>Palliative</strong> <strong>Care</strong> Schmerz – Symptombehandlung 21
22 <strong>Palliative</strong><br />
Morphin (Mundidol ® , Vendal ® )<br />
<strong>Care</strong> Schmerz – Symptombehandlung<br />
Morphin ist das Standardpräparat der zentral wirksamen Analgetika in der<br />
Schmerztherapie, alle anderen Opioide werden in ihrer Wirksamkeit am<br />
Morphin gemessen (s. Äquianalgetische Opioid-Dosis im Anhang).<br />
Indikation: starke akute und chronische Schmerzen, gut geeignet <strong>für</strong> PCA-<br />
Pumpe, s.c. Gabe möglich.<br />
Beginn mit 5 - 10 mg per os oder i.v. oder s.c.<br />
Dosisverhältnis i.v./s.c. : oral = 1:3 (30 mg orale Lösung entspricht 10 mg<br />
Morphin i.v.<br />
Nicomorphin (Vilan ® )<br />
Dinikotinsäureester von Morphin, wie andere Morphinester (z.B. Heroin)<br />
lipidlöslicher als Morphin, daher rascherer Wirkungseintritt:<br />
Zur Behandlung starker viszeraler Schmerzen gut geeignet.<br />
Kupierung von Durchbruchschmerzen bei bestehender Opioidtherapie bei<br />
chronischen Schmerzen.<br />
Vilan wirkt spasmolytisch (geeignet <strong>für</strong> Koliken)<br />
Hydromorphon (Hydal ® )<br />
7,5 x stärker als Morphin (8 mg Hydal = 60 mg Vendal)<br />
keine aktiven Metaboliten<br />
gut geeignet bei alten Patienten und Patienten mit Niereninsuffizienz<br />
auch <strong>für</strong> parenterale Verabreichung verfügbar<br />
Oxycodon (OxyContin ® , Oxynorm ® )<br />
Geeignet bei starken Nicht-Tumorschmerzen (z.B. Osteoporose), auch als<br />
Alternative <strong>für</strong> den Tumorpatienten.<br />
Wirkung bei neuropathischem Schmerz.<br />
Methadon (Heptadon ® )<br />
Option bei Morphinunverträglichkeit.<br />
Im Vergleich zu anderen starken Opioiden bessere Wirkung bei neuropathischen<br />
Schmerzen. Lange Halbwertszeit, daher Kumulation möglich.<br />
Fentanyl<br />
100 x wirksamer als Morphin<br />
beim Tumor-Patienten mit Opioid-Dauertherapie und stabilem Schmerzsyndrom:<br />
Transdermale Systeme (Fentanyl Pflaster)<br />
60 mg Vendal=0,6 mg Fentanyl=25µg/h<br />
Wegen verzögertem Wirkungseintritt ist <strong>für</strong> 12h nach erstmaligem Aufkleben
die bisherige MO Therapie weiterzuführen.<br />
Nach Entfernung des Pflasters wird noch 16 - 20h aus dem Hautdepot<br />
Fentanyl freigesetzt.<br />
Zugelassene Indikation <strong>für</strong> Fentanyllutscher (Actiq ® ): Durchbruchschmerzen<br />
Transkutane Applikation<br />
Behandlung des Durchbruchschmerzes und von Schmerzspitzen bei<br />
Pflegehandlungen:<br />
Vendal ® orale Lösung oder Vendal ® s.c. oder i.v.: 1/6 der Tagesdosis, bis zu<br />
6 x täglich<br />
Effentora-Bukkaltabletten ® 100 μg, 200 μg, 400 μg, sehr rascher Wirkungseintritt<br />
durch spezielle Galenik, Beginn mit niedrigster Dosierung<br />
Alternative: Fentanyl-Nasenspray (Instanyl ® )<br />
Dauerinfusion von Opioiden<br />
Die Zufuhr von Opioiden als s.c. oder i.v. Infusion kommt als Dauertherapie in<br />
Betracht, wenn orale Applikation nicht möglich ist)<br />
Subkutane Dauerinfusion von Morphin ist erste Wahl, Butterflywechsel alle<br />
5-7 d, Ort der Injektion: Bauch, Oberschenkel, subklavikulär.<br />
Intravenöse Dauerinfusion: in weit fortgeschrittenen Tumor Stadien, nur wenn<br />
Probleme mit s.c. Infusion, oder venöser Zugang vorhanden.<br />
Ambulant durchzuführen, es gibt tragbare Pumpen.<br />
Patienten, die vorher mit oralem Morphin behandelt wurden, erhalten initial<br />
1/3 der vorher oral verabreichten Tagesdosis.<br />
13.4 Ko-Analgetika<br />
Trizyklische Antidepressiva<br />
Bei allen Schmerzen, die nur einen Teilresponse auf Morphin haben<br />
Amitryptilin (Saroten ® ) z.B. 50mg abends, weil sedierend<br />
ED 10-25 mg, Dosissteigerung bis 75mg/d<br />
NW: Müdigkeit, Mundtrockenheit, Obstipation<br />
Analgetische Wirkung gesichert<br />
Analgetische Wirkung über Schmerzmodulation<br />
Antikonvulsiva<br />
Gegen neuropathische Schmerzen (stechend, brennend, einschießend)<br />
Wirkung vermutlich über Stabilisierung der Nervenmembran?<br />
Einschleichende Therapie nötig mit stufenweiser Steigerung, da besonders<br />
initial mit Nebenwirkungen zu rechnen ist.<br />
NW dieser Substanzgruppe sind beachtlich und Indikation daher sorgfältig<br />
abwägen.<br />
<strong>Palliative</strong> <strong>Care</strong> Schmerz – Symptombehandlung 23
24 <strong>Palliative</strong><br />
Kortikosteroide<br />
in der Palliativmedizin<br />
<strong>Care</strong> Schmerz – Symptombehandlung<br />
Gabapentin (Neurontin ® ): initial 100 mg 3x/d oder 1x300 mg zur Nacht,<br />
Dosissteigerung 300 mg/d, max. 2400 mg/d, Wirkung ab 1800 mg<br />
NW: Schwindel, Ataxie, gelegentlich Übelkeit<br />
Pregabalin (Lyrica ® ): initial 2 x tgl.75mg, max. 600mg/d<br />
Clonazepam (Rivotril ® ): initial 0,3 mg 3x/d, max 2 mg/d<br />
NW: Sedierung, Schwindel, Übelkeit, Herzrhythmusstörung<br />
Kortikosteroide<br />
Reduziert perineurale Ödeme, hilft daher gegen Nervenkompression<br />
Hilft gegen Nervenkompression<br />
Dexamethason (Fortecortin ® ) ist in der Palliativmedizin Steroid der Wahl<br />
4-12 mg/d<br />
Dosierungen: 2 - 24 mg/d p.o., i.v., (auch s.c. möglich)<br />
Indikationen <strong>für</strong> Kortikosteroide in der Palliativmedizin<br />
Appetitanregung, Hirndrucksymptomatik durch zerebrale Metastasen, prophylaktisch<br />
bei Hirnbestrahlung, neuropathische Schmerzen, Übelkeit, Erbrechen, drohen<br />
der Querschnitt, Dyspnoe (Lymphangiosis carcinomatosa, Tracheal kompression),<br />
obere Einflussstauung, Antriebsstörung<br />
Dexamethason bei fortgeschrittenen TU Erkrankungen<br />
2-4 mg/d Appetitanregung, Steigerung des Wohlbefindens, Anti-<br />
4-8 mg/d<br />
emetikum, Wirkung gegen Schwäche<br />
Koanalgetikum bei Nervenkompressionsschmerz, bei Schmerz<br />
durch Hepatomegalie, pelvine Tumoren, Knochenmetstasen<br />
Bis 24 mg/d Hirntumoren, erhöhter intrakranialler Druck, Rückenmarkskompression,<br />
obere Einflussstauung, Trachealverlegung<br />
Butyl-Scopolamin (Buscopan ® )<br />
Erleichtert Koliken, bei intestinaler Obstruktion, 60 - 120 mg/d<br />
Ketamin<br />
Bei neuropathischen, entzündlichen, ischämischen und myofascialen<br />
Schmerzen, wenn Standardtherapie nicht anspricht.<br />
Hilft bei starken Schmerzen, wenn Opioide nicht ausreichen<br />
Nebenwirkung: dysphorische Zuständen, Halluzinationen, bei i.v. Gabe<br />
Midazolam vorher verabreichen.<br />
Wirkt an den spinalen NMDA-Rezeptoren<br />
Dosierung:<br />
p.o. 10-25 mg 3 - 4x täglich bis 4x 200mg (schmeckt bitter, mit Fruchtsaft
mischen)<br />
s.c. mit 50 - 100 mg/24h beginnen, bis 300 mg/24h<br />
Weitere Ko-Analgetika:<br />
Bisphosphonate bei Knochenschmerzen<br />
Benzodiazepine zur Muskelrelaxation (z.B. Myolastan ® )<br />
Baclofen bei Spasmen: 5mg bis 3x/d, max 90 mg/d<br />
Oxybutinin bei Blasenkrämpfen<br />
Cannabinoide<br />
1.4 Rückenmarksnahe Verfahren und Nervenblockaden<br />
Wenn der Schmerz mit den genannten Verfahren nicht behandelt werden<br />
kann.<br />
Wenn die systemischen Nebenwirkungen der Opioide zu stark sind<br />
Stufenschema der WHO als Orientierungshilfe :<br />
1. Stufe: Nichtopioide: Paracetamol(Mexalen ® ), Metamizol<br />
(Novalgin ® ), Nichtsteroidale Antirheumatika<br />
(Diclobene ® ), ……<br />
2. Stufe: Mittelstarke Opioide: Dihydrocodein (Codidol ® ), Tramadol<br />
(Tramal ® )<br />
3. Stufe: Starke Opioide: Morphin (Vendal ® ), Hydro-morphon (Hydal ® )<br />
Allgemeine Prinzipien zum Stufenschema<br />
• mit niedrigster Stufe beginnen, ggf. aber bereits Einstieg auf höherer Stufe<br />
• Stufe 1 und 2, oder Stufe 1 und 3 kombinieren.<br />
• Stufe 2 kann bei starken Schmerzen auch übersprungen werden<br />
1.5 Weitere therapeutische Ansätze in der Schmerztherapie<br />
• Strahlentherapie, vor allem bei Knochenmetastasen<br />
• <strong>Palliative</strong> Chemotherapie in ausgewählten Fällen<br />
• Rückenmarksnahe Verfahren und Nervenblockaden<br />
• Physiotherapie (z.B. bei Myogelosen Wärmeanwendungen, Lymphdrainagen<br />
bei Lymphödemen) und „Therapeutic Touch“: Berührung kann Schmerzen<br />
beeinflussen<br />
• psychische und spirituelle Begleitung, Zuwendung und Motivation<br />
• Entspannungstechniken und imaginative Verfahren<br />
• Aromatherapie, Ergotherapie, Musiktherapie<br />
Nervenblockade<br />
WHO-Stufenschema<br />
allgemeine Prinzipien<br />
VORZIEHEN!!!<br />
weitere Ansätze<br />
in der Schmerztherapie<br />
<strong>Palliative</strong> <strong>Care</strong> Schmerz – Symptombehandlung 25
26 <strong>Palliative</strong><br />
2 Respiratorische<br />
Kein Placebo<br />
Interventionelle Therapie<br />
Symptomatische Therapie<br />
2.1 Dyspnoe<br />
<strong>Care</strong> Respiratorische Symptome – Symptombehandlung<br />
Symptome<br />
Ist ein häufiges Symptom in der palliativen Betreuung und ist wie der Schmerz<br />
eine subjektive Wahrnehmung (DD Tachypnoe, Hypopnoe). Auch bei<br />
objektiv unauffälligem Befund soll die Dyspnoe als solche ernst genommen<br />
und behandelt werden.<br />
KEIN PLACEBO!!<br />
In den letzten 24 Stunden des Lebens leiden 80% der Tumorpatienten an<br />
Atemnot.<br />
Messung: Edmonton Rating Scale (siehe Anhang)<br />
Ursachen: Pulmonal<br />
Cardial<br />
Neuromuskulär<br />
Andere: Aszites, Hepatomegalie, zentral, Angst, Anämie, Kachexie<br />
Therapie<br />
Interventionell:<br />
Auch beim weit fortgeschritten erkrankten Patienten mit kurzer<br />
Lebenserwartung ist eine interventionelle Therapie als Symptomlinderung<br />
und Lebensqualitätsverbesserung zu erwägen.<br />
Interdisziplinäre Absprache der Möglichkeiten (Laser, Tracheostomie,<br />
Radiatio, Punktion, Pleurodese, Stent) und Absprache mit dem Patienten<br />
und seinen Angehörigen.<br />
Umgekehrt kann nach Absprache über die begrenzten Therapiemöglichkeiten<br />
ein Verbleiben zu Hause möglich sein, wenn klar ist, dass<br />
im Krankenhaus keine spezifischen Therapien gemacht werden können.<br />
Symptomatische medikamentöse Therapie<br />
• Opioide (kurz wirksame !!)<br />
Beginn mit 2,5 mg – 5 mg – 10 mg Vendal p.o. s.c. i.v., 4 stündlich.<br />
Fentanylpflaster wirkt nicht gegen Atemnot!!<br />
Opioidvorbehandlung Steigerung der Einzeldosis um 50%. Fehlende<br />
Besserung: Steigerung alle 2 Stunden bis zufrieden stellende Symptomkontrolle.<br />
Wirkt über die Erhöhung der Toleranz des Atemzentrums: bei Anstieg des<br />
pC02. Die Atemfrequenz nimmt ab und die Atmung wird ökonomisiert.<br />
NW: Vigilanzverminderung
• Lorazepam (Tavor oder Temesta s.l. expidet 1,25 mg – 2,5 mg) oder i.v.in<br />
Kurzinfusion zur Anxiolyse, wenn Opioide zu wenig wirksam sind.<br />
• Bei fehlender Besserung: Midazolam 1-2,5 mg i.v. oder subcutan oder<br />
i.m.<br />
• Bei fehlender Besserung: Nozinan ( beginnend mit 2,5,mg) i.v. Positive<br />
Wirkung der Benzodiazepine gegen Atemnot bei Tumorerkrankten<br />
bewiesen, bei COPD unklar. (…)<br />
Orale Bedarfsmedikamente dem Patienten direkt bereitstellen, damit er nicht<br />
darum bitten muss und Patienten- und Angehörige in deren Verabreichung/<br />
Einnahme instruieren.<br />
Sauerstoffgabe führt beim terminal erkrankten Patienten ohne Sauerstoffvorbehandlung<br />
zu keiner Linderung der Atemnot. (Bruera et al; Dtsch Med<br />
Wochenschr 2007;132:1939-1943)<br />
Pflegerische Aspekte bei Atemnot<br />
Patienten mit Atemnot sind <strong>für</strong> die Pflegende und Angehörige eine besondere<br />
Herausforderung, da Atemnot und ihre Begleitsymptome wie Angst, Panik und<br />
Unruhe sich am stärksten auf übertragen. Doch ist gerade die Unterbrechung<br />
des Circulus vitiosus von Angst und Atemnot eines der wichtigsten Ziele<br />
pflegerischer Handlungen bei akuter Atemnot.<br />
Eigene Hilfen:<br />
• Nicht mit dem Atem des Patienten mitschwingen<br />
• Bewusst den eigenen Atemrhythmus beibehalten<br />
• Sicherheit erlangen durch fachliche Kenntnis<br />
Hilfen <strong>für</strong> den Patienten im Vorfeld:<br />
• Aufklärung und Beratung vom Patienten<br />
• Sicherheit: Notfallplan vom behandelnden Arzt erstellen lassen, die Bedarfsmedikamente<br />
bereitstellen und Patienten- und Angehörigeninstruktion in<br />
deren Verabreichung/Einnahme<br />
• Training von Anpassungsstrategien<br />
• Entspannungstraining (PME, Autogenes Training, Fantasiereisen, Musik…)<br />
• Erlernen von Atemtherapeutische Techniken,<br />
• Lagerungen, Atemstimulierende Einreibungen<br />
• Aufklärung und Einbindung von Angehörigen<br />
Bedarfsmedikamente<br />
immer bereitstellen<br />
Pflegerische Aspekte<br />
eigene Hilfen<br />
Hilfen im Vorfeld<br />
<strong>Palliative</strong> <strong>Care</strong> Respiratorische Symptome – Symptombehandlung 27
28 <strong>Palliative</strong><br />
Akutbetreuung<br />
atemunterstützende<br />
Lagerung<br />
Produktiver Husten<br />
Reizhusten<br />
Pflegerische Interventionen in der Akutsituation:<br />
• Ruhe bewahren und vermitteln<br />
• Patienten wenn möglich nicht alleine lassen<br />
• Angehörige unterstützen um zusätzliche Angst oder Panik zu vermeiden<br />
• Nähe und Distanz bewusst einsetzen: Sichtweg freihalten, Abstand halten<br />
vom Brust-und Gesichtsbereich des Patienten, wenn Körperberührung<br />
erwünscht eher an den Extremitäten (Fußmassage)<br />
• Fenster öffnen, Ventilator anbieten, ev. Luftbefeuchter<br />
• Ätherische Öle nur, wenn sie sich schon vorher bewährt haben (Zedernholzöl,<br />
Zitrone, Minze). Vorsicht bei Spastik, Asthma bronchiale<br />
• Kälte und Einreibungen mit mentholhältigen Substanzen und aromatische<br />
Öle stimulieren die Mechanorezeptoren im oberen Respirationstrakt<br />
• Atemunterstützende Lagerung:<br />
- Aufrechte Sitzposition<br />
- Polster, Rolle unter den Knien, um den Bauchraum zu entspannen<br />
- Luftballons (Durchmesser ca. 25 cm, nicht zu fest aufgeblasen) unter den<br />
Achselhöhlen zur Unterstützung der Atemhilfsmuskulatur<br />
- ein oder beide Arme über den Kopf legen<br />
- Fersen-, Reitersitz, Hockerstellung<br />
• Entspannungsübungen, Fantasiereisen, Entspannungsmusik anbieten<br />
wenn sie bereits erlernt wurden und/oder eine Erleichterung der akuten<br />
Situation bereits eingetreten ist.<br />
2.2 Husten<br />
Tritt seltener auf als Dyspnoe, vor allem aber bei Patienten mit Bronchus CA.<br />
• Produktiver Husten mit Fähigkeit zum Abhusten:<br />
Sekretolytika (Acetylcystein), Symptomkontrolle mit Antibiotika zur Schleimreduktion,<br />
Inhalationen mit Sympathikomimetika, ausreichend Flüssigkeit<br />
oral, Lutschtabletten zur Reduktion des pharyngealen Reizes. Codein<br />
(Paracodintropfen bis 3x20, Dyhydrocodein beginnend mit 30mg Codidol<br />
oral.<br />
• Produktiver Husten wenn der Patient zu schwach zum Abhusten ist:<br />
Schleimreduktion mit Anticholinergica: 3x1/2 bis 1A Robinul i.v. verdünnt<br />
oder s.c. oder Scopoderm über 72h transdermal<br />
• Reizhusten: Dihydrocodein oral (s.o.), Vernebler mit Benoxinate 2%(1:1 mit<br />
NaCl). Versuch mit Dexamethason 16-24mg/d i.v. oder oral über mehrere<br />
Tage, dann reduzieren.<br />
<strong>Care</strong> Respiratorische Symptome – Symptombehandlung
2.3 Hämoptysen/Hämoptoe<br />
Nur in 1% der Hämoptysen tritt eine schwere Hämoptoe auf.<br />
Information des Patienten und seiner Angehörigen. Rechtzeitig abklären,<br />
ob noch eine Intervention mit Laser bzw. Embolisation indiziert ist, damit nicht<br />
unnötige Aktionen in die Wege geleitet werden.<br />
Notfallplan schriftlich festlegen: Midazolam in 1 mg Schritten i.v.oder i.m.<br />
und Vendal 10-20 mg i.v.<br />
Dunkle Handtücher, Waschlappen, Bettwäsche bereitstellen/benutzen.<br />
2.4 Terminales Rasseln<br />
Entsteht durch Sekretionen im Hypopharynx und Trachea am Lebensende,<br />
die durch die Schwäche nicht mehr abgehustet werden können.<br />
Inspiratorisch und exspiratorisch zu hören.<br />
DD: Linksherzinsuffizienz (Lasix versuchen)<br />
Pneumonie (Antibiotika als Symptomkontrolle)<br />
Medikamentöse Therapie: Anticholinergica (Robinul 3x1 A s.c.oder i.v., hat<br />
keine zentralen NW)<br />
Wichtig: Aufklärung der Angehörigen, dass Rasseln nicht Dyspnoe bedeutet<br />
und zum Sterbeprozess dazugehört.<br />
Absaugen beim terminalen Rasseln kontraindiziert, da nur belastend.<br />
Pflegerische Maßnahmen:<br />
30° Lagerung, Lagewechsel.<br />
Rasseln bedeutet nicht<br />
Dyspnoe<br />
<strong>Palliative</strong> <strong>Care</strong> Respiratorische Symptome – Symptombehandlung 29
30 <strong>Palliative</strong><br />
3 Fatigue<br />
durch Schlaf nich<br />
zu lindernder<br />
Leidensdruck<br />
Ursachen <strong>für</strong> Fatigue bedingt durch<br />
Pathophysiologie noch<br />
schlecht abgeklärt<br />
visuelle Analgskala<br />
<strong>Care</strong> Fatigue – Symptombehandlung<br />
„Müdigkeit ist, was immer der Patient sagt, dass es ist,<br />
wann immer er sagt, dass sie da ist.“ (Glaus, 1999)<br />
Definition: lähmende Müdigkeit bei chronischen Erkrankungen, häufig von<br />
den Betreuenden unterschätzt, mit erheblichem Leidensdruck, durch Schlaf<br />
nicht zu lindern.<br />
Prävalenz: bis zu 75% (Ahlberg 2003).<br />
Grundkrankheit Therapie Begleiterkrankungen<br />
Anämie<br />
Kachexie<br />
Schmerz<br />
Paraneoplastische Syndrome<br />
B-Symptomatik<br />
Stress<br />
Psychische Belastung<br />
Metabolische Veränderungen<br />
Chemotherapie<br />
Strahlentherapie:<br />
Häufig gegen oder nach Ende<br />
der Bestrahlung<br />
Operation<br />
Immuntherapie:<br />
z.B. Interferon, Interleukin<br />
Medikamente:<br />
Verstärkung durch zentral<br />
wirksame Medikamente möglich<br />
Infekte<br />
Komorbiditäten:<br />
z.Bp. COPD, KHK, Diabetes mellitus<br />
Elektrolytstörungen<br />
Bindegewebserkrankungen<br />
NNR-Insuffizienz<br />
SD-Dysfunktion<br />
Nierenfunktionsstörung<br />
Leberfunktionsstörung<br />
Malabsorptionssyndrom<br />
Pathophysiologie:<br />
Die Pathophysiologie der Fatigue ist bisher noch schlecht erklärt. Es scheint<br />
aber ziemlich sicher zu sein, dass Zytokine und eine endogene, frustrane<br />
Immunaktivierung eine zentrale Rolle spielen. Dazu passt die Tatsache, dass<br />
gerade immunstimulatorische Therapien mit einer starken Fatigue einhergehen.<br />
Diagnostik:<br />
Da Fatigue sehr stark auf subjektivem Empfinden beruht, sind die Instrumente<br />
der Diagnostik ähnlich wie in der Schmerztherapie, nämlich in Form von<br />
visuellen Analogskalen (VAS) und Fragebögen.<br />
Beispiel:<br />
Visuelle Analogskala von 0-10 („ich fühle mich nicht unüblich müde“ – „ich<br />
fühle mich total erschöpft“); Erfassung allerdings nur eindimensional.<br />
Einteilung: mild (0-3), mäßig (4-6), schwer (7-10)
Medikamentöse interventionen<br />
Behandlung der Grundkrankheit: Hormontherapie,<br />
Strahlen therapie<br />
Chemotherapie,<br />
Behandlung von Begleiterkrankungen: Hypothyreose – Substitution<br />
Herzerkrankungen – Optimierung<br />
Stoffwechselstörungen – Therapie<br />
Depression – Medikamente<br />
Behandlung von Symptomen: Anämie – Erythropoetin<br />
Schmerz – Optimierung<br />
Nicht medikamentöse interventionen<br />
• angepasstes körperliches Training, am besten in der frischen Luft (KI: Infekt,<br />
Knochenmeta)<br />
• Ausgewogenheit zwischen Aktivität und Ruhe finden – „Energietagebuch“<br />
zur Verwaltung des eingeschränkten Energiekontos führen<br />
• psychosoziale Interventionen (DD: Depressio!)<br />
• Ergotherapie – kognitives Training<br />
• Mal- und Gestaltungstherapie, Imaginationen<br />
• Schlafhygiene<br />
• religiöse/spirituelle Unterstützung<br />
• Entspannungsübungen, Fantasiereisen<br />
• Ernährungsberatung (hochkalorisch, Vitamin B12, Folsäure, ausreichend<br />
Flüssig keit)<br />
• Ablenkung, soziale Kontakte pflegen<br />
• Zulassen und Akzeptieren der Müdigkeit<br />
Pflegerische interventionen<br />
• Wahrnehmen und Erfassen der Fatigue in der Pflegeanamnese<br />
• Aufklärung, Information (Gespräch, Fatigue Broschüre, Patienten informations<br />
video zeigen)<br />
• Patienten edukation<br />
• eingeleitete Maßnahmen evaluieren<br />
stufenförmiges<br />
Behandlungsschema<br />
<strong>Palliative</strong> <strong>Care</strong> Fatigue – Symptombehandlung 31
32 <strong>Palliative</strong><br />
4 Gastroenterologische<br />
Symptome<br />
4.2 Übelkeit, Erbrechen<br />
Anamnese und Einschätzung<br />
Auslöser: Bewegungsabhängige Übelkeit<br />
Faktoren, die zur Besserung führen<br />
Menge und Aussehen des Erbrochenen<br />
Große Menge: Magenausgangsstenose oder proximale Dünndarmstenose<br />
Kleine Menge: Gastroplegie<br />
Unverdaute Nahrung: Proximale Obstruktion oder Gastroplegie<br />
Blutbeimengungen?<br />
Medikamente: Opioide, Antibiotika, Digitalis, NSAR<br />
Situationsabhängig (Angst?)<br />
Kopfschmerzen? Dysurie? Obstipation? Durst? Verwirrtheit?<br />
Diagnostik<br />
Anamnese und klinische Untersuchungen<br />
Elektrolyte, NFP, BB<br />
Abdomen leer<br />
Kausale Behandlung bei folgenden Ursachen möglich:<br />
Hyperkalzämie (Durst, Verwirrtheit, abdominelle Schmerzen): Biphosphonate<br />
Obstruktion: eventuell Stent oder Anastomose<br />
Infektionen<br />
Obstipation<br />
Medikamente absetzen oder umstellen<br />
Angst: Anxiolytika, psychotherapeutische Interventionen<br />
Hirndruck: Kortikosteroide<br />
Gastritis und Ulcus: H2-Rezeptorenblocken<br />
Husten: Antitussiva<br />
Symptomatische Behandlung mit Antiemetika (Differentialtherapie)<br />
Prokinetika<br />
Indikation: Gastritis, funktionelle Magenentleerungsstörungen, Opioid therapie<br />
Beispiel: Metoclopramid<br />
Kontraindikation: Komplette Obstruktion<br />
Wirkung auf das Brechzentrum<br />
Indikation: Ileus, Hirndruck, Vestibularisreizung<br />
Beispiel: Dimenhydrinat, Levomepromazin<br />
<strong>Care</strong> Gastroenterologische Symptome – Symptombehandlung
Wirkung auf periphere und zentrale Dopaminrezeptoren<br />
Indikation: Ileus, chemisch-toxische Effekte<br />
Beispiel: Haloperidol, Levomepromazin<br />
Kortikosteroide<br />
Indikation: maligne Obstruktion, potenzieren die Wirkung anderer Antemetika<br />
Beispiel: Dexamethason<br />
Wirkung auf die Chemorezeptortriggerzone<br />
Indikation: chemisch-toxische Effekte durch Medikamente, Nierenversagen<br />
Beispiel: Navoban<br />
Praktische Hinweise<br />
• Bei vorliegendem oder akut aufgetretenem Erbrechen sind Antiemetika<br />
parenteral oder als Suppositorien anzuwenden. Übelkeit führt zu Gastrostase<br />
und eingeschränkter intestinaler Absorption.<br />
• Orale Verabreichung zur Vorbeugung der Übelkeit<br />
• Kombination von Antiemetika in 25% der Situationen erforderlich<br />
(Z.B. Kombination von Metoclopramid mit Haloperidol)<br />
• Bei chronischer Pseudoobstruktion (Meteorismus, hohe klingende Darmgeräusche,<br />
Gastroparese) hilft manchmal Erythromycin und Metoclopramid.<br />
• Subkutane Infusion bei schwerer persistierender Übelkeit<br />
(Z.B.: Metoclopramid 60 mg/24h und Haloperidol bis 5 mg/24h oder<br />
Levomepromazin bis 7,5 mg/24h)<br />
• 5HT3 Rezeptoren-Blocker:<br />
Am Lebensende selten erforderlich, lindern Erbrechen, das über die<br />
Rezeptoren in der Chemorezeptor-Triggerzone mediiert ist (z.B. urämisches<br />
Erbrechen)<br />
• Octreotid: Reduziert GI-Sekretion und Motilität und kann das Volumen des<br />
Erbrochenen und Frequenz des Erbrechens sehr reduzieren: 200-600<br />
mkrg/24h s.c.<br />
• Nasogastrale Sonde<br />
Wenn große Volumina erbrochen werden (hohe Obstruktion) und mit<br />
Octreotid nicht das Auslangen gefunden werden kann.<br />
Auch bei chronischer intestinaler Pseudobstruktion, bei autonomer Neuropathie<br />
(z.B. nach Gabe von Vinca-Präparaten oder als para neo plastisches<br />
Syndrom)<br />
• Intravenöse Flüssigkeit bei Durst und Elektrolyverlusten<br />
• Erbrechen kann Angst machen, Angst kann die Übelkeit verstärken<br />
• Die intravenöse oder subkutane Gabe kann umgestellt werden auf die orale<br />
Verabreichung, wenn die Übelkeit gut behandelt ist.<br />
Mundtrockenheit<br />
<strong>Palliative</strong> <strong>Care</strong> Gastroenterologische Symptome – Symptombehandlung 33
34 <strong>Palliative</strong><br />
Häufigste Fehler<br />
mannigfaltige Ursachen<br />
• Die häufigsten Fehler:<br />
Orale Verabreichung bei vorliegender Übelkeit<br />
Reversible Faktoren werden nicht berücksichtigt<br />
4.3 Obstipation<br />
Anamnese<br />
Anstrengung, Schmerzen beim Stuhlgang? Stuhldrang ohne Defäkation<br />
(distale Obstruktion)? Verlust des Stuhls ohne Stuhldrang (spinales Problem)?<br />
Assoziierte Symptome? (Flatulenz, Bauchschmerzen, Anorexie, Übelkeit und<br />
Erbrechen) Medikamente? (Opioide, 5HT3 Antagonisten, Vinca-Alkaloide,<br />
Eisen präparate) Laxantieneinnahme?<br />
Untersuchungen<br />
Auskultation, Palpation, Rektale Untersuchung, Stuhlbeurteilung, Kalzium,<br />
Abdomen leer<br />
Ursachen<br />
Grunderkrankung:<br />
Einschränkung der Darmperistaltik durch den Tumor, Rückenmarks- und<br />
Nervenläsionen, Aszites, Hyperkalzämie<br />
Indirekte Einflüsse der Grunderkrankung:<br />
reduzierte Flüssigkeits- und Nahrungsaufnahme, eingeschränkte Mobilität<br />
Therapienebenwirkung<br />
Opioide, Antidepressiva, Neuroleptika, Diuretika, Antiemetika (5HT3-Antagonisten),<br />
Antazida, Sedativa, Antidepressiva, Antikonvulsiva, Diuretika,<br />
Butylscopolamin, Haloperidol<br />
Unabhängig von der Grunderkrankung:<br />
Funktionelle Obstipation, Hämorrhoiden, Diabetes mellitus<br />
Folgen chronischer Obstipation<br />
Anorexie, Koliken, Überlaufdiarrhoe, Intestinale Obstruktion, Verwirrtheit.<br />
Therapie und Prophylaxe der Obstipation<br />
Wirkung auf die Stuhlkonsistenz (osmotisch/hydragog)<br />
Movicol<br />
(Laevolac; Bittersalz, Glaubersalz)<br />
Mikroklist, Lecicarbon<br />
<strong>Care</strong> Gastroenterologische Symptome – Symptombehandlung
Wirkung auf die Peristaltik (stimulierend/propulsiv)<br />
Dulcolax, Guttalax, Agaffin<br />
(Ubretid)<br />
Wirkung auf die Gleitfähigkeit des Stuhls<br />
Paraffin<br />
Glycerin-Zäpfchen<br />
Antagonisierung der opioidinduzierten Obstipation:<br />
Methylnaltrexon Relistor abhängig vom Gewicht 8-12 mg subkutan einmal<br />
täglich<br />
Osmotisch wirksame Laxanzien<br />
Wirksubstanz<br />
Dosierung<br />
(Handelsname)<br />
Macrogol<br />
(Movicol ® )<br />
Lactulose<br />
(Laevolac ® )<br />
Magnesiumsulfat<br />
(Bittersalz ® )<br />
Natriumhydrogencarbonat<br />
(Lecicarbon ® )<br />
Sorbit<br />
(Mikroklist ® )<br />
Wirkungseintritt<br />
1-3 Btl./die bei Ersteinsatz<br />
nach 2-3 Tagen<br />
10-30 ml<br />
p.o.<br />
20 g in 200<br />
ml H O 2<br />
1-2 Supp.<br />
rektal<br />
1 Klistier<br />
rektal<br />
Stimulierende (propulsiv wirkende) Laxanzien<br />
Wirksubstanz<br />
(Handelsname)<br />
Natriumpicosulfat<br />
Guttalax, Agaffin<br />
Dosierung<br />
10-20<br />
Tropfen p.o<br />
Bisacodyl 10 mg p.o.<br />
1-2 Supp.<br />
rectal<br />
Ubretid<br />
Bemerkung<br />
Hinreichende<br />
Flüssigkeitszufuhr<br />
Bevorzugtes<br />
Einsatzgebiet<br />
Opioidbedingte<br />
Obstipation<br />
8-10 Stunden Meteorismus, Völlegefühl Habituelle und opioidbedingte<br />
Obstipation<br />
2-3 Stunden Cave: Überdosierung Nur bei stabilem AZ<br />
anzuwenden<br />
15-60 Minuten Sich bildendes CO muss<br />
2<br />
bis zur Ausbildung des<br />
Defäkationsreflexes gehalten<br />
werden<br />
15-60 Minuten Klistier muss bis zur<br />
Ausbildung des Defäkationsreflexes<br />
gehalten werden<br />
Wirkungseintritt<br />
Bemerkung<br />
Obstipation mit<br />
stuhlgefülltem Rektum<br />
Obstipation mit<br />
stuhlgefülltem Rektum<br />
Bevorzugtes<br />
Einsatzgebiet<br />
6-12 h Koliken Opioidbedingte<br />
Obstipation<br />
8-10 h oral<br />
15-60 min rectal<br />
Übersichtstabelle Laxantien<br />
Koliken Opioidbedingte<br />
Obstipation<br />
<strong>Palliative</strong> <strong>Care</strong> Gastroenterologische Symptome – Symptombehandlung 35
36 <strong>Palliative</strong><br />
Ovarialkarzinom und<br />
colorektale Karzinome<br />
chirurgische Intervention<br />
Praktische Hinweise<br />
• Palpatorisch bewegliche abdominelle Massen sind Faeces, nicht Tumor.<br />
• Ein Röntgenbild des Abdomens ist gelegentlich nötig zur Abgrenzung<br />
gegenüber intestinaler Obstruktion.<br />
• Die tägliche Obstipationsprophylaxe ist meist notwendig <strong>für</strong> Patienten, die<br />
Opioide einnehmen. Viele benötigen ein weichmachendes Laxans und ein<br />
stimulierendes Laxans. Dosissteigerung nach Bedarf.<br />
• In etwa ¼ der Fälle werden rektale Maßnahmen von Zeit zu Zeit benötigt.<br />
• Stimulantien wirken innerhalb von 6-12 Stunden.<br />
• Bei Koprostase im Colon kann ein Gastrograffin-Einlauf helfen.<br />
4.3 Ileus und Subileus (Intestinale Obstruktion)<br />
Häufigste Ursache<br />
Ovarialkarzinom (in 30-40% Entwicklung einer Obstruktion) und Colorektale<br />
Karzinome (in 10-20%)<br />
Symptome<br />
Übelkeit und Erbrechen<br />
Bei hoch sitzendem Verschluss: geruchsarmes galliges Erbrechen<br />
Bei tiefer sitzendem Verschluss: Miserere.<br />
Häufig werden große Mengen erbrochen.<br />
Geblähtes Abdomen<br />
Kontinuierliche abdominelle Schmerzen<br />
Kolikartige abdominelle Schmerzen<br />
Bei Dünndarmverschlüssen: meist besonders intensiv, hohe Kolikfrequenz,<br />
periumbilikale Schmerzen.<br />
Bei Dickdarmverschlüssen: meist geringere Frequenz, geringere Intensität,<br />
Projektion auf den Colonrahmen<br />
Plätschern im Bauch<br />
Xerostomie und Zeichen der Dehydratation<br />
Obstipation, keine Darmgeräusche, keine Winde, Flüssigkeitsspiegel im<br />
Röntgen<br />
Vorgehensweise und Therapie<br />
Chirurgische Abklärung: Ist eine palliative Anastomose möglich?<br />
In Betracht zu ziehen: Keine tastbaren Tumormassen im Abdomen<br />
Normaler Ernährungszustand<br />
Kein Aszites<br />
Umschriebene Stenose<br />
<strong>Care</strong> Gastroenterologische Symptome – Symptombehandlung
Weniger in Betracht zu ziehen: Tastbare Tumormassen im Abdomen<br />
Kachexie<br />
Peritonealkarzinose<br />
Vorangegangene abdominale Bestrahlung<br />
Wenn eine chirurgische Behandlung nicht sinnvoll ist, so ist das Ziel die<br />
Behandlung der Schmerzen, der Übelkeit und des Erbrechens.<br />
Schmerzen:<br />
Druckschmerz, viszeraler Dauerschmerz: Morphin, Fentanyl<br />
Kolikartiger Schmerz: Butylscopolamin (Buscopan ® ) 40-120 mg möglichst<br />
kontinuierlich i.v. oder s.c.<br />
Übelkeit und Erbrechen: Antiemetika<br />
Haloperidol: 1,5 mg 2-3x täglich<br />
Levomepromazin: 2,5 mg 2-3x täglich (sedierend)<br />
Dimenhydrinat: möglichst kontinuierlich bis 200 mg täglich (sedierend)<br />
Reduktion der Frequenz des Erbrechens: Hemmung der intestinalen Sekretion<br />
Buscopan: 60-120 mg/24 h<br />
Octreotid: 300 bis 600 µg/24h<br />
Dexamethason bis 12 mg/24h kann die komplette Obstruktion lösen.<br />
Bei hoher Obstruktion ist manchmal eine nasogastrale Sonde nützlich, wenn<br />
man mit der subkutanen oder intravenösen Verabreichung der Antiemetika<br />
nicht das Auslangen findet.<br />
An die Anlage einer PEG-Sonde zur Ableitung der Sekretion bei häufigem<br />
Erbrechen sollte rechtzeitig gedacht werden.<br />
Praktische Hinweise<br />
• Abhängig von der Höhe der Obstruktion können die Patienten oral zugeführte<br />
Flüssigkeit aufnehmen.<br />
• Auch bei intestinaler Obstruktion kann es zu Diarrhoe und Stuhlentleerung<br />
kommen, manchmal nach vielen Tagen.<br />
• Octreotid ist ein nicht toxisches Medikament, das die gastrointestinale<br />
Motilität und Sekretion hemmt. Es wird verwendet, um das Erbrechen zu<br />
reduzieren, zur Behandlung schwerer Diarrhoe und bei sezernierenden<br />
gastrointestinalen Fisteln. Dosierungen bis zu 600 µg/24h können nützlich<br />
sein.<br />
Behandlung von Schmerz,<br />
Übelkeit und Erbrechen<br />
Schmerz<br />
Übelkeit, Erbrechen<br />
<strong>Palliative</strong> <strong>Care</strong> Gastroenterologische Symptome – Symptombehandlung 37
verschiedene Ursachen<br />
38 <strong>Palliative</strong><br />
4.5 Schluckstörung (Dysphagie)<br />
Anamnese<br />
Schwierigkeiten mit dem Schlucken fester Speisen: Striktur<br />
Schwierigkeiten mit dem Schlucken von Flüssigkeit: Neurologische Ursache<br />
(z. B. ALS).<br />
Schmerzen beim Trinken heißer Getränke: Pilzbefall oder anderer entzündlicher<br />
Prozess<br />
Husten nach dem Schluck: Fistel?<br />
Häufigste Ursachen bei Tumorkranken sind maligne Strikturen und<br />
ösophagealer Pilzbefall<br />
Kausale Therapie maligner Strikturen<br />
Radiotherapie, Stents, Dilatation, Steriode, nasogastrale Sonde, PEG-Sonde.<br />
Allgemeine Maßnahmen<br />
Antimykotika (Mycostatin-Lösung, Diflucan 200 mg <strong>für</strong> eine Woche)<br />
Evtl. Scopoderm-Pflaster, wenn das Schlucken des Speichels schwierig ist.<br />
Logopädische Beratung in Betracht ziehen.<br />
4.6 Diarrhö<br />
Ursachen<br />
Medikamente: Antibiotika, NSAR, Cytotoxische Medikamenten, Laxanzien<br />
Überlaufdiarrhoe bei chronischer Obstipation<br />
Kurzdarmsyndrom<br />
Strahlencolitis<br />
Enteritis<br />
Untersuchungen<br />
Stuhlkultur bei grünlichem Stuhl (Clostridienenteritis)<br />
Behandlung<br />
Bei Verdacht auf Clostridien-Enteritis: Metronidazol<br />
Loperamid: 2-4 mg 4x täglich<br />
Kreon bei Steatorrhoe<br />
Octreotid 200-600 mkrg/24h: reduziert GI Sekretion und Motilität; bei enterokolischen<br />
Fisteln, bei Karzinoid-Syndrom.<br />
<strong>Care</strong> Gastroenterologische Symptome – Symptombehandlung
Diarrhoe bei PEG-Sonden-Nahrung: Hohe Osmolarität der Nahrung kann<br />
Diarrhoe verursachen: verdünnen mit Wasser 1:1.<br />
<strong>Palliative</strong> <strong>Care</strong> Gastroenterologische Symptome – Symptombehandlung 39
Neurologische Symptome<br />
Psychiatrische Symptome<br />
40 <strong>Palliative</strong><br />
5 Neurologische<br />
Lagerung<br />
zentral<br />
psychogen<br />
kardiovaskulär<br />
<strong>Care</strong> Neuropsychiatrische Symptome – Symptombehandlung<br />
Symptome<br />
Folgende neurologische und psychiatrische Symptome treten in der Palliativmedizin<br />
am häufigsten auf:<br />
Neurologische Symptome<br />
• Schwindel<br />
• Lähmungen<br />
• Spastik, spinale Automatismen, Dystonie, Myoklonus und Muskelkrämpfe<br />
• Sprach- und Artikulationsstörungen<br />
Psychiatrische Symptome<br />
• Schlafstörungen<br />
• Tagesmüdigkeit<br />
• Unruhe, Gespanntheit, Angst<br />
• Psychotische Syndrome: Delir, organische Psychosen<br />
• Depressionen<br />
5.1 Schwindel<br />
Ursachen<br />
Meist Folge medikamentöser Therapie (uneinheitliche Symptomatik – Schwank<br />
– bis Benommenheitsschwindel und Ataxie, Nystagmus, Bickfolgesakkaden).<br />
Andere Ursachen:<br />
• Benigner paroxysmaler Lagerungsschwindel: durch bestimmte Kopfbewegungen<br />
ausgelöster Drehschwindel, 10-60 Sek. Dauer, rotatorischer<br />
Nystagmus, Nausea<br />
• Zentraler Lageschwindel bei Hirnstammläsionen (Drehschwindel): meist<br />
assoziiert mit wenig erschöpflichem Nystagmus, evtl Hirnnervenausfälle<br />
oder zerebelläre Defizite<br />
• Psychogener Schwindel: meist Schwankschwindel, oft mit phobischer<br />
Komponente<br />
• Kardiovaskulärer Schwindel: lageabhängig
Pharmaka Handelsnamen (Beispiele) Dosis<br />
Antihistaminika<br />
• Betahistin<br />
• Dimenhydrinat Vertirosan<br />
Anticholinergika<br />
Betaserc Tbl. (8mg) 3/Tag<br />
• Scopolamin<br />
Ca-Antagonist<br />
Scopoderm TTS transdermal 0,5 mg<br />
evtl. alle 4 – 6 Std.<br />
• Cinnarizin Cinnabene Kps. 1 – 2/Tag<br />
• Flunarizin Sibelium Kps. (5mg) 1 – 2/Tag<br />
evtl. Dogmatil 200 mg 2x1/2 Tbl. Tgl (zugel. <strong>für</strong> Menieresche Krankheit)<br />
5.2 Lähmungen<br />
Lähmungen lassen sich wie folgt einteilen:<br />
• Lähmungen des ersten motorischen Neurons<br />
• Lähmungen bei Erkrankungen des zweiten motorischen Neurons<br />
• Lähmungen bei Störungen in der neuromuskulären Überleitung<br />
• Lähmungen bei Muskelerkrankungen<br />
Zentrale und periphere Lähmungen lassen sich medikamentös nahezu<br />
nicht therapieren<br />
Lähmungen von Störungen der neuromuskulären Überleitung lassen<br />
sich medikamentös gut behandeln.<br />
Beispiel: Lambert-Eaton-Syndrom, assoziiert mit malignen Erkrankungen,<br />
insbes. dem kleinzelligen Bronchialkarzinom, i.S. eines paraneoplastischen<br />
Syndroms.<br />
Förderung der Ach-Freisetzung präsynaptisch mit 3,4-Diaminopyridin oder<br />
Cholinesterasehemmern<br />
Myogene Lähmungen<br />
Im Rahmen primärer Myopathien ist keine med. Therapie möglich.<br />
Im Rahmen sek. Myopathien ist eine Therapie der auslösenden Ursache<br />
angezeigt – Bsp. maligne Erkrankungen, Reduktion von Kortikoiden bei der<br />
iatrogenen Kortikoidmyopathie<br />
Einteilung von Lähmungen<br />
peripher und zentral<br />
neuromuskuläre Überleitung<br />
myogen<br />
Antiverginosa<br />
<strong>Palliative</strong> <strong>Care</strong> Neuropsychiatrische Symptome – Symptombehandlung 41
42 <strong>Palliative</strong><br />
Spastik<br />
spinale Automatismen<br />
Therapie der Spastik mit ausgewählten Substanzen<br />
intrathekale<br />
Baclofengabe<br />
Dystonie<br />
5.3 Spastik, spinale Automatismen, Dystonie, Myoklonus und Muskelkrämpfe<br />
Spastik<br />
gesteigerter Muskeltonus bei Ausfall kortikospinaler Systeme, v.a. der<br />
Pyramidenbahn. Führt zu Fehlstellungen und Schmerzen.<br />
Tonussteigerung, gesteigerte Muskeleigenreflexe mit Kloni, schmerzhafte<br />
Beugespasmen, fixierte Fehlstellungen und Kraftminderung, Vergröberung<br />
intendierter Bewegungen, Geschicklichkeitsminderung, Ermüdbarkeit.<br />
Spinale Automatismen<br />
Ein verwandtes Phänomen sind spinale Automatismen durch Enthemmung<br />
des spinalen Flexoreflexes mit durch Berührung ausgelösten schmerzhaften<br />
Bewegungsschablonen.<br />
Spinal bedingte Spastik ist dabei besser beeinflußbar als eine zerebral<br />
bedingte.<br />
Therapie: Myotonolytika<br />
Medikament Wirkstoff in Tabletten Beginn Steigerung Maximal<br />
Baclofen (Lioresal) 10, 25 mg 3 x 5 mg/d 3 x 5 mg/jd. 3. Tag bis 120 mg/d<br />
Tizanidin (Sirdalud) 2, 4, 6 mg 3 x 2 mg/d 4 - 8 mg/Woche 36 mg/d<br />
Diazepam (Valium) 2, 5, 10mg 2 x 2 mg/d 2 x 4 mg/Woche ca. 3 x 20 mg<br />
Tetrazepam (Myolastan 25, 50, 100 mg 1 x 25-50 mg/d 25 mg/d 150 mg/d<br />
Bei sehr schwerer Spastik bestehen weiters die Möglichkeiten der intrathekalen<br />
Baclofengabe über eine implantierte Pumpe oder die lokale Infiltration von<br />
Botulinumtoxin in die entprechenden Muskeln.<br />
Dystonie<br />
Die Dystonie ist eine abnorme unwillkürliche Haltung und Bewegung auf dem<br />
Boden einer Störung des EPMS (ExtraPyramidal Motorischen Systems),<br />
ohne begleitende Enthemmung der Muskeleigenreflexe.<br />
Häufigste Form: Dystonie als Nebenwirkung von Metoclopramid. Gabe von<br />
Akineton hilft!<br />
Fokale Dystonien (z.B Torticollis spasmodicus) lassen sich mit Botulinumtoxin<br />
gut behandeln.<br />
<strong>Care</strong> Neuropsychiatrische Symptome – Symptombehandlung
Myoklonus<br />
Ein positiver Myoklonus ( plötzliche, kurze, willkürlich nicht steuerbare<br />
Muskelzuckung mit Bewegungseffekt ) kommt in der Palliativmedizin häufig<br />
als Nebenwirkung einer Opioid-Therapie vor.<br />
Therapie:<br />
• wie immer möglichst kausal<br />
• Bei multifokalem Myoklonus: Benzodiazepine<br />
- Midazolam ( Dormicum ) 5-30 mg s.c. oder<br />
- Clonazepam (Rivotril) 0,5-6 mg/d<br />
- Diazepam (Valium) 5-10 mg p.o., i.m. oder rektal bis Myokloni aufhören,<br />
zusätzlich 10-20 mg zur Nacht oder<br />
Krampi<br />
Entstehen v.a. durch eine periphere Neuropathie oder Wurzel-/Plexusschädigung.Sie<br />
treten häufig nachts auf und werden durch Kontraktion,<br />
Alkohol oder Medikamente gebahnt.<br />
Häufigste Ursachen: Idiopathisch<br />
Medikamente<br />
internistische, neurologische Erkrankungen<br />
Therapie:<br />
• kausal<br />
• passive Dehnung<br />
• physikalische Maßnahmen ( Wechselbäder, Wärme, Hochlagerung der<br />
Beine)<br />
• Medikamente: Magnesium 1-3 x 5 mmol/d<br />
Diazepam 2-10 mg/d<br />
Phenytoin1-3 x 100mg/d<br />
Verapamil ( Isoptin ) 120mg/d<br />
5.4 Sprach- und Artikulationsstörungen<br />
Sprachstörungen im engeren Sinne (Aphasien) sind Folge einer Schädigung<br />
des Kommunikationssystems mit Repräsentation in der sprachdominanten<br />
Großhirnrinde. Sie machen sich sowohl im lautsprachlichen als auch im<br />
schriftsprachlichen Bereich bemerkbar. Eine übende Behandlung unter<br />
Anleitung einer Logopädin ist häufig hilfreich. Hingewiesen sei auf averbale<br />
Myoklonus<br />
Krampi<br />
Aphasie<br />
averbale Kommunikation<br />
<strong>Palliative</strong> <strong>Care</strong> Neuropsychiatrische Symptome – Symptombehandlung 43
44 <strong>Palliative</strong><br />
Artikulationsstörungen<br />
Schlafstörung<br />
Tagesmüdigkeit<br />
Kommunikationsmöglichkeiten ( PC – Programme, Bildtafeln, etc.).<br />
(PC-Adressen)<br />
Gleiches gilt <strong>für</strong> Artikulationsstörungen, wo lediglich die expressive Seite des<br />
lautsprachlichen Bereiches gestört ist. Die Ursachen hier<strong>für</strong> sind vielfältig<br />
und sollten ensprechen zu den zuvor genannten Maßnahmen entsprechend<br />
therapeutisch angegangen werden. Z.B. lokale Erkrankungen im Mund-,<br />
Schlund-, Kehlkopfbereich, Lähmungen, zentralnervöse Erkrankungen,<br />
Störungen des EPMS, Nebenwirkung von Medikamenten<br />
6 Psychiatrische Symptome<br />
6.1 Schlafstörungen<br />
Ursachen:<br />
• reduzierte Sauerstoffversorgung (z.B. bei Herzinsuffizienz, ALS)<br />
• Angst<br />
• depressive Verstimmung<br />
• negative äußere Faktoren<br />
• unbequemes Bett<br />
• Lärmbelästigung<br />
• usw.<br />
Schlafanamnese erheben<br />
Einschlaf- oder Durchschlafstörung?<br />
Verbesserung der Schlafhygiene:<br />
• Optimierung des Bettes<br />
• Optimierung der Lagerung<br />
• Reizabschirmung<br />
• Vermeiden von Koffein und schweren Mahlzeiten am Abend<br />
• Aktivierung am Tage<br />
Tagesmüdigkeit ist in den meisten Fällen eine Folge des gestörten Schlafes<br />
in der Nacht, so dass die Optimierung des gestörten Nachtschlafes das<br />
Problem löst. Auch viele in der Palliativmedizin eingesetzte Medikamente<br />
führen zur Tagesmüdigkeit.<br />
Tagesmüdigkeit ist auch ein Symptom von Fatigue.<br />
<strong>Care</strong> Neuropsychiatrische Symptome – Symptombehandlung
Gruppe Pharmaka Handelsnamen Dosis zur Nacht<br />
Pflanzlich Stoffe Baldrian<br />
Hopfenextrakte<br />
Kurz- u. mittellang Benzodiazepine<br />
wirkende Hypnotika - Brotizolam Lendorm 0,125 - 0,5 mg<br />
- Lormetazepam Noctamid 0,5 - 2mg<br />
- Nitrazepam Mogadon 2,5 - 10mg<br />
- Triazolam Halcion 0,125 - 0,5 mg<br />
- Zolpidem Zoldem,Ivadal 10 - 20 mg<br />
Langwirkende Hypnotika Flunitrazepam Somnubene 0,5 - 2mg<br />
Neuroleptika Chlorprothixen Truxal 15 - 100 mg<br />
Levomepromazin Nozinan 25 - 50 mg<br />
Melperon Buronil 50 - 100 mg<br />
Prothipendyl Dominal 80 - 160 mg<br />
Schlafanstoßende Amitriptylin Saroten 25 - 75mg<br />
Antidepressiva<br />
Doxepin Sinequan 25 - 75mg<br />
Mianserin Tolvon 30 mg<br />
Trazodon Trittico 50 - 150 mg<br />
Mirtazapin Remeron 15 - 30 mg<br />
Antihistaminika Hydroxizin Atarax 37,5 - 75 mg<br />
Diphenhydramin Calmaben-Drg. 1-2 Drg.<br />
Behebung/Beeinflussung von pathogenetischen Faktoren, wie<br />
ungenügende Oxygenierung des Gehirns bei pulmonalen, kardialen<br />
Erkrankungen und Anämie<br />
Schmerzen<br />
Symptome bei psychiatrische Erkrankungen<br />
Symptomatische Therapie von Schlafstörungen<br />
6.2 Unruhe, Gespanntheit und Angst<br />
Ursachen:<br />
• psychosoziale Faktoren<br />
• belastende Situationen (Erkrankungen , Angst vor dem Tod )<br />
• Missempfindungen, Schmerzen, Atemnot, Harnverhalt<br />
• Medikamente<br />
• Psychosen<br />
Ausgewählte Pharmaka zur Therapie von Schlafstörungen<br />
Ursachen <strong>für</strong> Unruhe,<br />
Gespanntheit und Angst<br />
<strong>Palliative</strong> <strong>Care</strong> Neuropsychiatrische Symptome – Symptombehandlung 45
46 <strong>Palliative</strong><br />
motorische Unruhe<br />
terminale Agitation<br />
Motorische Unruhe ohne und mit mentaler Beeinträchtigung ist zu<br />
unterscheiden. Letztere tritt am häufigsten im Rahmen eines deliranten<br />
Syndroms auf bezeichnet. (in der Sterbephase: „terminale Agitation“)<br />
Therapie:<br />
• Kausale Therapie<br />
• Schaffen einer vertrauten Atmosphäre<br />
• Medikamente: wie immer Verordnung nur unter strenger Indikationsstellung,<br />
z.B. Neuroleptika bei psychotischen Symptomen (Ausnahme Risperidon:<br />
zugelassen bei dementiell bedingten Verhaltensauffälligkeiten).<br />
- Benzodiazepine:<br />
Beispiele: Alprazolam (Xanor): 0,5-4 mg/d<br />
Bromazepam (Lexotanil): 3-24 mg/d<br />
Clorazepat (Tranxilium): 10-100 mg/d<br />
Lorazepam (Temesta): 1-10 mg/d<br />
- Neuroleptika:<br />
Beispiele: Risperidon (Risperdal): 0,5-2mg/d,<br />
bei Psychosen höher: bis 6 mg/d<br />
Olanzapin (Zyprexa): 2,5-10mg/d,<br />
bei Psychosen höher: bis 20 mg/d<br />
Quietapin (Seroquel): 50-400mg/d,<br />
bei Psychosen höher: bis 800 mg/d<br />
Sertindol (Serdolect): 25-200mg/d,<br />
bei Psychosen höher: bis 1800 mg/d<br />
- Antidepressiva mit und ohne sedierende Wirkung ⇒ beachte Antriebssteigerung<br />
und mögliche Verstärkung der Unruhe, cave: Suizidalität!<br />
Pflegerische Maßnahmen<br />
• Wenn möglich, Beseitigung der Ursache<br />
• Stützende und beruhigende Gespräche mit dem Patienten sind extrem<br />
wichtig<br />
• Körperlicher Kontakt mit dem Patienten (Hand halten, bei Ansprache Arm<br />
berühren etc.) kann helfen, Ängste abzubauen<br />
• Stabilisierungstechniken anwenden, z. B. Validation<br />
• Medikamentöse Therapie<br />
Sie ist dem klinisch manifesten Angstzustand vorbehalten. Der Patient ist<br />
nicht in der Lage, sich selbst aus dieser Stimmung zu befreien, noch kann<br />
er von jemand anderem daraus befreit werden.<br />
Akutsituation: Benzodiazepine<br />
Sedierende Neuroleptika<br />
<strong>Care</strong> Neuropsychiatrische Symptome – Symptombehandlung
6.3 Psychotische Syndrome: Delirantes Syndrom, organische<br />
Psychosen, Nebenwirkung von Medikamenten<br />
Delirantes Syndrom<br />
Ätiologisch verschiedenes, aber klinisch einheitliches Bild:<br />
meist akut einsetzende Desorientierung<br />
Störung von Auffassung, Gedächtnis, Affekt, Antrieb<br />
evtl. vegetative Symptomatik<br />
Halluzinationen, fluktuierende Bewußtseinslagen, Hyper-, aber auch<br />
Hopoaktivität<br />
Meist hoher Leidensdruck<br />
Ursachen: z.B.:<br />
• Zerebrale Tumore<br />
• Medikamente: Steroide, Psychopharmaka, Opioide, Antiemetika<br />
• Infekte: ZNS, Lunge, Harnwege, Sepsis<br />
• Entzug: Alkohol, Medikamente, Drogen<br />
• Metabolisch: Glukose, Exsikkose, Elektrolyte<br />
• Organversagen: hepatische Encephalopathie, Urämie<br />
• Endokrin: Schilddrüse, Nebennieren<br />
• Mangelerscheinungen: Thiamin à Wernicke-Korsakow, Folsäure-, VitB12-<br />
Mangel<br />
Allgemeines<br />
• Diagnostik<br />
• Möglichst kausale Therapie.<br />
• Medikamente möglichst reduzieren<br />
• Medikamentöse Therapie: siehe Punkt „Organische Psychosen“<br />
• generell aber große Erfahrung zum Handling solcher Patienten notwendig,<br />
evtl. Einweisung in geschlossene Abteilung wegen möglicher Eigen- oder<br />
Fremdgefährdung<br />
Pflegerische Maßnahmen<br />
• Ruhe bewahren<br />
• Beruhigende, erklärende Gespräche mit Patient und Angehörigen führen<br />
• Dem Patienten Orientierung geben<br />
- Gute Beleuchtung, gut sichtbare Uhr, strukturierter regelmäßiger Tagesablauf<br />
• Angst und Misstrauen durch gezielte Maßnahmen verringern<br />
- Möglichst wenig Wechsel der Umgebung und der umgebenden Personen<br />
- Dem Patienten erlauben, sich in Begleitung frei zu bewegen<br />
delirantes Syndrom<br />
evtl. Einweisung<br />
Orientierung geben<br />
<strong>Palliative</strong> <strong>Care</strong> Neuropsychiatrische Symptome – Symptombehandlung 47
48 <strong>Palliative</strong><br />
Vertrauensperson<br />
weitere<br />
Bewusstseinstörungen<br />
Depression<br />
- Jedes Ereignis und jede Maßnahme im Detail erklären<br />
- Die Anwesenheit eines Familienmitglieds oder einer anderen vertrauten<br />
Person ermöglichen<br />
- Irritierende, konfrontierende, zusätzlich Angst machende Maßnahmen auf<br />
jeden Fall vermeiden<br />
Organische Psychosen<br />
Organische Halluzinose:<br />
Ständige oder wiederkehrende Halluzinationen, wie optische, akustische,<br />
taktile.<br />
Organische wahnhafte Störung<br />
Organische katatone Störung:<br />
Stupor oder psychomotorische Erregungszustände oder beides im Wechsel.<br />
Cave: unvorhersehbare Impulshandlungen!<br />
Therapie:<br />
• Kausal<br />
• Symptomatische Therapie des Stupors: Benzodiazepine p.o oder i.v., z.B.<br />
Lorazepam (Temesta) 2.5 mg i.v. oder p.o. 1-3/d, Diazepam 10 mg i.v. oder<br />
rektaloder p.o. 1-3/d, Psychopax gtt 3 x 15 - 30<br />
• Zusätzlich evtl. hochpotente Neuroleptika: Haldol 1-5 mg i.v. oder sc.,<br />
Riperidon, Olanzapin, Sertindol<br />
6.4 Depression<br />
Ursachen:<br />
• Reaktiv – durch Belastungen:<br />
• Körperlicher Sreß<br />
• Verlust der Selbstständigkeit<br />
• Einsamkeit<br />
• Beeinträchtigung des Körperbildes<br />
• Biologisch:<br />
- Metabolische, endokrine Störungen<br />
- Zerebrale Tumore, Insulte, etc.<br />
- Medikamente<br />
- Substanzmißbrauch<br />
<strong>Care</strong> Neuropsychiatrische Symptome – Symptombehandlung
Klinik:<br />
gedrückte Stimmung, Interessenverlust, Freudlosigkeit, Antriebsminderung,<br />
rasche Ermüdbarkeit, Verminderung von Konzentration und Aufmerksamkeit,<br />
des Selbstwertgefühles, Schlafstörungen, Appetitminderung, somatische<br />
Beschwerden, Hoffnungslosigkeit, Ambivalenz, Schuld- Versagensängste,<br />
Suizidalität<br />
Therapie:<br />
• Tragend - empathische Beziehung<br />
• Kausal<br />
• Medikamentös<br />
• Psychotherapie<br />
Pflegerische Maßnahmen<br />
• Körperliches Wohlbefinden des Patienten durch gezielte Entspannungsund<br />
Ablenkungsübungen fördern<br />
• Gefühle des Patienten akzeptieren, ohne sie zu verstärken<br />
• Über Gefühle des Patienten sprechen, ohne sie zu beschwichtigen<br />
• Menschliche Grundbedürfnisse, wie dem Wunsch nach Sicherheit,<br />
Zugehörigkeit, Selbstwertgefühl, Respekt vor der persönlichen Würde,<br />
Zuneigung und Sinnhaftigkeit erkennen und anerkennen<br />
• Durch Arbeiten an realistischen Zielen dem Patienten Hoffnung geben<br />
• Eigene Grenzen erkennen und ggf. konsiliarischen Rat einholen<br />
• Mittelweg suchen zwischen Aktivierung und Überforderung<br />
• Aufklären über Depression und Phasenverlauf der Erkrankung<br />
• Patienten zu allen Stationsveranstaltungen einladen, sonst fühlt er sich als<br />
Außenseiter<br />
• Zur Körperpflege anhalten und ermutigen evtl. Hilfe anbieten<br />
• Auf ausreichende Ernährung und Flüssigkeit achten<br />
<strong>Palliative</strong> <strong>Care</strong> Neuropsychiatrische Symptome – Symptombehandlung 49
50 <strong>Palliative</strong><br />
7 Exulzerierende Tumorwunden<br />
(Zer-)Störung<br />
des Körperbild<br />
Linderung erreichen<br />
Exulzerierende Tumorwunden stellen eine enorme Belastung <strong>für</strong> die<br />
PatientInnen, die Angehörigen aber auch die professionellen Betreuer dar. Dem<br />
Betroffenen und seinem Umfeld wird durch die Exulzeration die Progredienz<br />
der Erkrankung vor Augen geführt, nicht selten brechen PatientInnen soziale<br />
Kontakte fast gänzlich ab, weil sie sich als „nicht zumutbar“ empfinden. Eine<br />
exulzerierende Wunde führt unweigerlich zur (Zer-)störung des äußeren und<br />
oftmals auch inneren Körperbildes.<br />
Die Herausforderung <strong>für</strong> die Betreuenden liegt darin, eigene Berührungsängste<br />
und Ekel zu überwinden und die Patienten mit großem Einfühlungsvermögen<br />
zu betreuen.<br />
Das Prinzip der palliativen Wundversorgung lautet: “Linderung erreichen,<br />
dort wo es keine Heilung gibt, Probleme bekämpfen, nicht die Ursachen.“<br />
Definition:<br />
Geschwürsbildungen mit Gewebszerfall; Blutungen, Sekundärinfektionen<br />
oder Sepsis sind die häufigsten Komplikationen. (Pschyrembel, 2004)<br />
Symptome:<br />
• Geruch • Nekrosen<br />
• Exsudation • Fistelbildung<br />
• Schmerzen • geschädigte Hautumgebung<br />
• Blutungen<br />
• Infektionen (bis Sepsis bei TU-Zerfall)<br />
• Juckreiz<br />
Die Zielsetzung der Behandlung sollte folgende sein:<br />
• Schmerzlinderung<br />
• Vermeidung von Sekundärinfektionen und Blutungen<br />
• Geruchseindämmung<br />
• akzeptables optisches Erscheinungsbild<br />
• Wahrung der Menschenwürde<br />
Der Verbandswechsel soll atraumatisch, schmerzfrei und in möglichst langen<br />
Intervallen stattfinden (weil belastend und zeitaufwändig <strong>für</strong> Patienten).<br />
Wie bei jeder Wunde ist auch hier angezeigt, eine ausführliche Dokumentation<br />
inkl. Fotodokumentation (Lokalisation, Größe, Tiefe, Rötung, Nekrosen,<br />
Infektion - Eiter, Beläge) zu führen.<br />
<strong>Care</strong> Exulzerierende Wunden – Symptombehandlung
Wundbehandlung:<br />
Verbandsmaterialien:<br />
es sollen primär nicht verklebende Materialien verwendet werden, wie:<br />
• Hydrokolloidverbände<br />
• Schaumstoffe<br />
• Alginate<br />
• Gele<br />
• Wunddistanzgitter (Adaptic ® )<br />
Schmerztherapie:<br />
• vor Verbandswechsel Gespräch und Aufklärung des Patienten – Angst<br />
verstärkt Schmerzen!<br />
• bei leichten, beginnenden Schmerzen ev. analgetische Gele (z.B. Morphin-<br />
Gel, Rezept s. Anhang) auf die Wundoberfläche auftragen<br />
• bei starken Schmerzen ca. 30 Min. vor Verbandswechsel Analgetika<br />
verabreichen<br />
• Verwendung von Schaumstoffverband mit Ibuprofen (nach Arztverordnung)<br />
Reinigen der Wunde:<br />
• Verband mit NaCl 0,9%, Ringerlösung oder Lavanit ® anfeuchten, vorsichtig<br />
ablösen (Blutungen!)<br />
• wenn möglich, kann Pat. auch baden oder duschen<br />
• Nekrosen nicht mehr auflösen bzw. abtragen nur wenn unbedingt nötig<br />
(Hydrogele <strong>für</strong> sanftes Debridement)<br />
Geruchsreduktion:<br />
• Spülung mit Metronidazol-Infusionslösung (Wunde meist mit Anaerobiern<br />
besiedelt)<br />
• bei unzugänglichen Wundhöhlen ev. systemische Gabe von Metronidazol<br />
• Spülung mit ätherischen Ölen (z. B. vaginale Spülung bei zerfallenden<br />
gynäkologischen Tumoren mit 5 gtt Teebaumöl, 2 Esslöffeln Milch auf 250<br />
ml Wasser) Wirklich???<br />
• 2%-ige Chlorophylllösung (Blattgrün) zur Geruchsreduzierung<br />
• aktivkohle- und silberhältige Verbände<br />
• Okklusivverbände z. B. mit Haushaltsfolie<br />
• ev. Aufstellen einer Duftlampe, Auflegen eines Duftkissens mit frischem Duft<br />
(Lavendel, Minze, Zitrone) – immer in Absprache mit Patienten!<br />
• Einreibungen, Waschzusätze, Deo, Rasierwasser<br />
Verbandsmaterial<br />
Schmerztherapie<br />
Wundreinigung<br />
Geruchsreduktion<br />
<strong>Palliative</strong> <strong>Care</strong> Exulzerierende Wunden – Symptombehandlung 51
52 <strong>Palliative</strong><br />
Exsudation<br />
Blutungen<br />
Starke Exsudation:<br />
Bei hoher Exsudatmenge besteht die Gefahr der Hautmarzeration.<br />
• Verbände mit angepasstem Saugverhalten (Saugkompresse bis Vac-<br />
System)<br />
• Colostomie- oder Urostomiebeutel anbringen<br />
• Inkontinenzartikel verwenden (binden auch Gerüche)<br />
• Wundrandschutz mit Zinkcreme oder Lasepton, Cavilon ® Hautschutzspray<br />
• ev. Verwendung von Hautschutzplatten <strong>für</strong> Wundumgebung<br />
Blutungen:<br />
• Alginate wirken blutstillend<br />
• Kompression (wenn möglich)<br />
• Cyklokapron- oder Suprarenin-Kompressen auflegen<br />
• Hämostatische Verbände z. B. Kaltostat ® , Tabotamp ®<br />
• Ablösen des Verbandes durch Auflegen von in Salbeitee getränkten<br />
Kompressen (Gerbstoffe führen zur Blutstillung)<br />
starke Blutungen:<br />
• Notfallset im Zimmer (Adrenalin, Midazolam, Opioide, Lorazepam bei Angst<br />
und Unruhe)<br />
• Verwendung dunkler Bettwäsche und Handtücher<br />
<strong>Care</strong> Exulzerierende Wunden – Symptombehandlung
11 Mundpflege<br />
Der Mund zählt zu den empfindungsstärksten und intimsten Bereichen uns<br />
er es Körpers. Gerade in den letzten Lebenstagen leiden viele Menschen<br />
an einer trockenen Mundschleimhaut, ausgelöst durch Medikamente, Mundatmung,<br />
geringere Flüssigkeitsaufnahme, etc.<br />
Voraussetzung <strong>für</strong> jegliche Mundpflege ist, dass der Patient seinen Mund freiwillig<br />
öffnet. Ziel ist, durch individuelle, aufmerksame und vorsichtige Mundpflege<br />
dem sterbenden Menschen ein angenehmes Gefühl zu vermitteln.<br />
Durst gefühl wird vor allem durch Mundbefeuchtung gelindert.<br />
11.1 Xerostomie (Mundtrockenheit)<br />
11.1.1 Ursachen der Mundtrockenheit<br />
• Reduktion der Speichelsekretion: Strahlentherapie, Chirurg. Eingriffe im<br />
HNO-Bereich, Medikamentennebenwirkung,…<br />
• Schleimhauterosionen: Tumore, Tumorbehandlung, Immunsuppression<br />
• Lokale oder Systemische Dehydration<br />
• Depression, Coping Reaktionen, Angst und Schmerzen<br />
11.1.2 Symptome der Xerostomie<br />
• trockenes, mattes Aussehen der MSH<br />
• Durst, brennendes Gefühl, Ulcerationen, Schmerzen<br />
• Geschmackstörungen und Appetitverlust<br />
• Zäher Speichel<br />
• Atrophie der Zungenoberfläche, Rhagaden<br />
• Schwierigkeiten beim Sprechen und beim Schlucken<br />
11.1.3 Linderung der Xerostomie<br />
Allgemein gilt:<br />
• Mundpflege wenn nötig ein- bis zu zweistündlich durchführen<br />
• Fetthaltige Lösungen (Mandelöl, Sahne, Butter, Suppen,…) verdunsten<br />
nicht so schnell wie Flüssigkeiten und halten somit die Mundschleimhaut<br />
länger benetzt<br />
• Für einen besseren Geschmack des verwendeten Öls und bei Mundgeruch:<br />
1 Tropfen ätherisches Pfefferminzöl auf 1 Stamperl Öl (Mandel-, Olivenöl)<br />
• Spülungen mit physiologischer Kochsalzlösung oder Emser Sole führt zu<br />
einer besseren Benetzung der Schleimhaut durch Erhöhung der Schlagfrequenz<br />
der Flimmerepithelien<br />
• Beläge lösen sich gut mit kohlensäurehaltigen Getränken oder mit einem<br />
kleinen Stückchen einer Vit. C-Brausetablette (auf der Zunge zergehen<br />
lassen und dann ausspülen, bzw. mit der Zahnbürste entfernen)<br />
<strong>Palliative</strong> <strong>Care</strong> Untertitel 53
54 <strong>Palliative</strong><br />
<strong>Care</strong> Untertitel<br />
• keine Lemonglycerinswabs verwenden, da sie die Schleimhaut austrocknen.<br />
Lippenpflege mit Mandelöl<br />
• Die Raumluft befeuchten<br />
11.1.4 Möglichkeiten zum Anfeuchten des Mundes<br />
Wenn der Kranke noch schlucken kann:<br />
• häufiges trinken kleiner Schlucke<br />
• Ausspülen des Mundes mit Lieblingsgetränken (ev. mit Hilfe von Strohhalmen,<br />
Schnabelbecher, Löffel, Pipetten, Sprühfläschchen<br />
• 1/2 TL Mandelöl oder Olivenöl (ev. + Pfefferminzöl s. oben) im Mund verteilen<br />
und ausspucken oder schlucken<br />
• Stückchen Butter oder Schlagrahm auf die Zunge geben<br />
• Eiswürfel/ Stieleis aus verschiedenen Getränken (Harnmonovetten oder<br />
Milka-Herzen-Behälter eignen sich gut zum einfrieren!)<br />
• Kleine, ev. gefrorene Fruchtstückchen (z.B. Wassermelone) oder Speiseeis<br />
• zuckerfreien Kaugummi kauen<br />
Wenn Patienten nicht mehr bei Bewusstsein sind:<br />
• mit einer kleinen „Gesichtsmassage“ die Mundpflege beginnen, um die<br />
Speichel drüsen zu stimulieren. Gleichzeitig bereitet man so den Kranken<br />
auf die Mundpflege vor.<br />
• Mit Hilfe von dicken Watteträgern oder rosa Polygonswaps (erhältlich im<br />
Hospiz) eingetaucht in die Lieblingsgetränke des Kranken, oder Mandelöl,….<br />
etc. vorsichtig den Mund auswischen und befeuchten.<br />
• Anfeuchten mit verschiedenen Flüssigkeiten mittels Sprühfläschchen<br />
11.1.5 Pharmazeutische Produkte:<br />
• Glandomed ® Spülung<br />
• Synthetischer Speichel<br />
• bioXtra ® Produkte bei Mundtrockenheit (Mundspülung, Gel, Sprühgel,…)<br />
11.2 Zahnschutz<br />
Häufiges Zähneputzen, Mundspülungen (ev. mit Fluor) stimulieren die<br />
Speichel produktion und sind nötig als Kariesprophylaxe. Es sollten allerdings<br />
keine Produkte mit Alkohol verwendet werden.
11.3 Angepasste Diät<br />
Vermeiden von<br />
• harte und grobe Nahrungsmittel<br />
• scharfen, sauren, stark gewürzten Speisen und Alkohol<br />
• trockene Speisen (Bananen)<br />
• Milch, Kakao<br />
Da<strong>für</strong><br />
• Brot “tunken“,<br />
• zu den Speisen viel trinken,<br />
• wasserhältige Lebensmittel (Melone, Apfelmus, Suppen,...)<br />
• Kefir, Sauermilch, Joghurt<br />
• Fleisch, Teigwaren, Reis mit Sauce (Geschmacksverstärkung)<br />
• Speisen mit starkem Eigengeruch (Geschmack wird über die Nase wahrgenommen)<br />
<strong>Palliative</strong> <strong>Care</strong> Untertitel 55
56 <strong>Palliative</strong><br />
8 Juckreiz<br />
<strong>Care</strong> Untertitel<br />
Ein häufiges und sehr belastendes Symptom in der Palliativbetreuung.<br />
Ursachen:<br />
• Trockene Haut<br />
• Medikamentennebenwirkung: z.B. bei Morphinen<br />
• Paraneoplastisch<br />
• Urämie<br />
• Leberversagen<br />
Therapie lokal:<br />
• Excipial Lipolotion<br />
• Balneum Hermal<br />
• Gurkenmus (Salatgurke zerdrücken, Saft ablaufen lassen, auf Tupfer<br />
streichen und 1 Stunde als Wickel auflegen)<br />
• Fettsalbe (Ultrasicc/Ultrabas)<br />
• Phototherapie mit UVB Strahlen bei Urämie und Cholestase<br />
Therapie systemisch:<br />
• Antihistaminika: Fenistil ret. 4 mg, Aerius 5 mg<br />
• Mirtabene 15 mg/d (Urämie)<br />
• Seroxat 5 - 20 mg/d (paraneoplastisch):<br />
Mirtabene und Seroxat können auch kombiniert werden<br />
• Quantalan (cholestatisch) 3 x 1 Beutel<br />
• Naltrexon 50 - 100 mg/d KI<br />
bei bestehender Morphintherapie
9 Schluckauf (Singultus)<br />
Entstehung:<br />
Magenüberdehnung(N.vagus), Irritation des N. phrenicus durch Tumor infil tation<br />
führt zu spastischen Kontraktionen des Zwerchfells.<br />
Nicht medikamentöse Therapie:<br />
• Pfefferminztee<br />
• 2 TL Zucker essen<br />
• Eiswasser trinken<br />
Medikamentöse Therapie:<br />
• Baclofen (Lioresal) 5 - 10 mg/8 stündlich (muskelrelaxierend)<br />
• Metoclopramid (Paspertin) 10 - 20 mg/4 x tgl.<br />
• Haloperidol (Haldol) 5 - 10 mg p.o. oder subcutan (zentral wirksam)<br />
• Levomepromazin (Nozinan) 10 - 25 mg/8 stündlich<br />
• Midazolam (Dormicum) 10 - 50 mg/d<br />
<strong>Palliative</strong> <strong>Care</strong> Untertitel 57
58 <strong>Palliative</strong><br />
10.5 <strong>Palliative</strong> Sedierung<br />
<strong>Care</strong> Untertitel<br />
Form der Symptomkontrolle durch pharmakologische Reduktion des Bewusstseinsniveaus,<br />
wenn keine ausreichende Linderung durch andere Medikamente<br />
möglich und der Tod in den nächsten Tagen zu erwarten ist<br />
Häufigkeit: 1 - 3 %<br />
Wie erfolgt die Entscheidung?<br />
• Medikamente zur Symptomkontrolle führen nicht zur ausreichenden<br />
Linderung<br />
• Wunsch des Patienten, gemeinsame und kommunizierte Entscheidung<br />
Was ist das Ziel?<br />
• Intermittierend oder kontinuierlich?<br />
• leichte oder tiefe Sedierung<br />
• Dokumentation: Indikation, Therapieziel, sollte nachvollziehbar und verständ<br />
lich sein<br />
Medikamente<br />
Mittel der Wahl = Benzodiazepine mit kurzer HWZ, z.B. Midazolam<br />
Vorteile und Wirkung:<br />
anxiolytisch, entspannend, antikonvulsiv, zentral relaxierend, schlafanstossend<br />
antagonisierbar<br />
Substanzen:<br />
Midazolam (Dormicum ® ), 0,5mg/h s.c. oder i.v., evtl. über Pumpe<br />
Prinzipiell eignen sich alle sedierenden Medikamente.<br />
z.B. Lorazepam (Temesta ® ), i.v. oder sublingual<br />
Clonazepam (Rivotril ® ): i. v. besonders bei Angst oder Panik, stärker<br />
atemantriebshemmend<br />
Diazepam (Valium ® ) lange HWZ, i.v. und rektal<br />
Kombination mit Neuroleptika:<br />
Levomepromazin (Nozinan ® ), 2,5mg oder Prothipendyl (Dominal ® ), 40mg<br />
Praktisches Vorgehen:<br />
mit niedriger Dosis beginnen (z.B. mit 0,5 mg/h Midazolam beginnen)<br />
Dosisänderungen in Schritten von 25 - 50 %<br />
keine Dosiskorrektur beim Wechsel von s.c. auf i.v. nötig<br />
Flüssigkeitszufuhr situationsabhängig
Besondere Hinweise:<br />
Opioide eignen sich nicht zur palliativen Sedierung (Indikationen der Opioide<br />
in der Sterbephase: Schmerzen, Dyspnoe)<br />
Klare Abgrenzung gegen aktive Sterbehilfe (= Euthanasie)! Ziel der palliativen<br />
Sedierung ist die Symptomkontrolle, nicht der Tod.<br />
Ersetzt nicht die einfühlende Begleitung und Bearbeitung von Problemen bei<br />
psychosozialer und existentieller Not<br />
<strong>Palliative</strong> <strong>Care</strong> Untertitel 59
60 <strong>Palliative</strong><br />
10.2 Allgemeinmaßnahmen<br />
und medikamentöse Therapie in der Terminalphase<br />
nicht-onkologischer internistischer Erkrankungen<br />
<strong>Care</strong> Untertitel<br />
15.1 Kardiovaskuläre Erkrankungen<br />
Kardiovaskuläre Erkrankungen stehen in der Sterblichkeitsstatistik an erster<br />
Stelle. Kausale Therapien sind in der Terminalphase zwar nicht mehr möglich,<br />
durch eine medikamentöse Therapie können aber Symptome langfristig<br />
behandelt werden. Die Therapie soll daher aufgrund spezifischer und<br />
palliativer Ansatzpunkte auch bei fortgeschrittener Erkrankung entsprechend<br />
lange erfolgen.<br />
15.1.1 Akutes Herz- Kreislaufversagen<br />
Beim akuten Herz- Kreislaufversagen, das durch verschiedenen Mechanismen<br />
ausgelöst werden kann, ist ursächlich z.B. an ein Akutes Koronarsyndrom,<br />
Kammerflimmern, Elektrolytentgleisungen, ein akutes Linksherzversagen mit<br />
Lungenödem, ein akutes Rechtsherzversagen durch Pulmonalarterienembolie<br />
oder Perikarderguss oder auch an eine schwere Blutung oder Sepsis zu<br />
denken.<br />
Demgemäß kann die Symptomatik variieren.<br />
Bei den nun nötigen Maßnahmen sind verschiedene Szenarien möglich und<br />
verschiedene Gesichtspunkte zu berücksichtigen.<br />
Bei bekannter maligner Grunderkrankung wird man z.B. eine kardiale Dekompen<br />
sation symptomorientiert behandeln. Tritt ein akutes kardiales Ereignis<br />
unerwartet auf, oder auch bei bekannter kardialer Vorerkrankung, wird man<br />
grund sätzlich intensivmedizinische Maßnahmen einleiten.<br />
Entsprechende Maßnahmen sollten aber nur dann erfolgen, wenn sie dem<br />
Patienten wunsch entsprechen. Deshalb ist es wichtig, die Patienten und<br />
seine Angehörigen – wenn möglich – vorher aufzuklären und festzulegen,<br />
welche Maßnahmen noch getroffen werden sollen, (z.B. Aufnahme auf Intensiv<br />
station, da der verständigte Notarzt den Patienten meist nicht kennt und<br />
situations bedingt zum Handeln gezwungen ist. Gerade <strong>für</strong> diese Situation<br />
sollten in Absprache mit dem Hausarzt und anderen Behandlern eventuell<br />
Patientenverfügungen vorhanden sein.<br />
15.1.2 Chronische Herzinsuffizienz und Angina pectoris<br />
Terminale Herzerkrankung<br />
KHK und Hochdruck sind die häufigsten Ursachen der chronischen Herz in-<br />
suffi zienz und der Angina pectoris. Die Intensität der Beschwerden, die hier<br />
nicht im Detail erläutert werden, nimmt im Verlauf der Erkrankung zu und<br />
belas tet Betroffene und betreuende Angehörige; Todesangst gesellt sich<br />
dazu. Das Erstellen einer Prognose ist schwierig und sollte nur mit Vorsicht
geschehen. Palliativmedizinische Denkansätze, wie Selbstbestimmung,<br />
Therapiebeschränkung, symptomorientierte Therapie spielen in dieser Krankheits<br />
gruppe derzeit eine eher noch untergeordnete Rolle<br />
Kriterien einer terminalen Herzerkrankung sind eine Lebenserwartung unter 6<br />
Monaten, Herzinsuffizienz im Stadium NYHA IV, häufige Hospitalisierungen,<br />
schlechte Pumpfunktion, Hypotension und Verschlechterung der Nierenfunktion.<br />
Es ist eine Entscheidung zu fällen, wo behandelt werden soll/muss (zu hause,<br />
im Krankenhaus, im Hospiz. Als Hospitalisierungskriterien gelten allge mein<br />
eine Verschlechterung der klinischen Situation, Notwendigkeit einer intravenösen<br />
Therapie, ständige nächtliche Atemnot, hohe Diuretikadosen,<br />
massive Ödeme mit Spannungsblasen, symptomatische Hypotension und<br />
Arrhy th mien sowie Schmerzen trotz Therapie.<br />
Allgemeine Maßnahmen sind eine Beschränkung der Flüssigkeitszufuhr je<br />
nach Situation auf 500 -2000 ml/Tag, Kochsalzrestriktion (d.h. im wesentlichen<br />
kein Nachsalzen), häufige kleine Mahlzeiten und Beibehaltung der Mobilität,<br />
wenn nicht sogar leichter Bewegungsübungen.<br />
Viele medikamentöse Therapiemaßnahmen sind symptomorientiert, damit<br />
spezifisch und palliativ. Die medikamentöse Therapie sollte nebenwirkungsarm<br />
bis in fortgeschrittene Stadien erfolgen. Das Absetzen einiger aber auch aller<br />
Herzmittel muss nicht notwendigerweise zum Tod führen.<br />
.<br />
Die medikamentöse Therapie muss auf Patienten und Situation angepaßt<br />
sein. es soll mit niederen Dosen begonnen werden, die langsam zu steigern<br />
sind, auf Polypharmazie und Interaktionen ist besonders zu achten.<br />
Wesentliche Medikamente sind Diuretika, die Kurzatmigkeit und Ödeme<br />
bessern (Furosemid, Thiazide, Aldosteron-Antagonisten, Xipemid).<br />
ACE-Hemmer und/oder Angiotensinrezeptorblocker (ARB) sollen möglichst<br />
lange verabreicht werden; Betablocker haben bei der chronischen<br />
Herzinsuffizienz einen fixen Platz. Herzglykoside müssen kritisch eingesetzt<br />
werde, sie bessern Symptome und helfen Hospitalisierungen zu vermeiden.<br />
Eine Thromboembolieprophylaxe mit NMH wird bei zunehemder Immobilität<br />
wichtig solange der Patient bei Bewusstsein ist.<br />
Mit fortschreitender Erkrankung sollte mit Patienten und Angehörigen über<br />
eine CPR, Intubation und Beatmung, intensivmedizinische Maßnahmen, aber<br />
auch über mögliche neurologischen Folgeschäden nach einer erfolgreichen<br />
CPR gesprochen werden. Dies ist <strong>für</strong> alle Betroffenen eine schwierige<br />
Fragestellung bzw. Entscheidung. Herzpatienten wollen eher wiederbelebt<br />
<strong>Palliative</strong> <strong>Care</strong> Untertitel 61
62 <strong>Palliative</strong><br />
Cave:<br />
<strong>Care</strong> Untertitel<br />
werden als Tumorkranke. Eindeutige Gründe <strong>für</strong> eine DNR-Order sind<br />
Patienten wunsch, eine aussichtslose CRP oder eine Situation, in der durch<br />
eine erfolgreiche CPR weder Leben noch Lebensqualität verbessert werden.<br />
Eine DNR-Order impliziert auf keinen Fall therapeutisch-pflegerischen Nihilismus<br />
und kann auch wieder geändert werden.<br />
Bezüglich Therapiebegrenzung bzw. -beendigung an Intensivstationen sei<br />
auf ein Konsensupapier der Intensivmedizinischen Fachgesellschaften Österreichs<br />
verwiesen.<br />
15.1.3 Therapiemaßnahmen bei Atemnot<br />
Sauerstoff 2-4 l/min<br />
Ventilator, offenes Fenster, Lagerung (Oberkörper erhöht, Beine tief)<br />
Ruhe bewahren, Patienten nicht alleine lassen<br />
Furosemid 40-80 mg iv<br />
Nitrospray 1-2 Hübe, wenn Blutdruck > 110 mmHg systolisch<br />
Dyspnoe kann Symptom einer koronaren Ischämie sein<br />
Morphin 5 - 10 mg p.o, 2,5 - 5 mg sc. oder i.v., Steigerung bis Symptome<br />
kontrolliert sind<br />
Lorazepam (Tavor expidet/Temesta) 1,0 - 2,5 mg sublingual oder p.o.<br />
Diazepam (Valium), 5 - 10 mg p.o, oder langsam, iv, supp<br />
Midazolam (Dormicum) 2,5 - 5 mg sc oder i.v.<br />
Bei Bronchospasmus<br />
Inhalativ: Sultanol 1-2 Hübe, Symbicort 1-2 Hübe, xxx<br />
Subcutan. Bricanyl 0,25 - 0,5 mg<br />
Theophyllin 300 mg Kurzinfusion, 30 min, cave: Interaktionen<br />
Methylprendisolon (Solu-DAcortin): 100-250 mg i.v.<br />
15.1.4 Therapiemaßnahmen bei Schwindel und Benommenheit<br />
Nach den Ursachen suchen<br />
Orthostatische Hypotonie?<br />
Medikation überprüfen, eventuell Dosis reduzieren<br />
(Diuretica, Betablocker, Hochdruckmedikamente)<br />
Rhythmusstörungen ausschließen<br />
Patienten beruhigen und unterstützen<br />
Sturzprophylaxe durchführen
15.1.5 Therapiemaßnahmen bei Muskelschwund / Müdigkeit<br />
Physiotherapie<br />
Übungstherapie aktiv / passiv<br />
Diät und Energiezufuhr überprüfen<br />
Diätberatung, Wunschkost, Zusatznahrung erwägen<br />
Medikation überprüfen<br />
Betablocker evtl absetzen<br />
15.1.6 Therapiemaßnahmen bei Übelkeit / Anorexie / Geschmacksstörung<br />
Labor: Nieren- und Leberwerte ?<br />
Medikation überprüfen<br />
Diät und Energiezufuhr überprüfen<br />
Häufige kleine Mahlzeiten, Zusatznahrung<br />
Weiche, feuchte, fruchtig-frische Nahrung,<br />
Zufuhr fettlöslicher Vitamine<br />
Appetit anregen: Etwas Alkohol, Steroide (Fortecortin 2 - 4 mg/Tag), Anabolika<br />
Antiemetica (Metoclopramid), Prokinetika (Domperidon)<br />
15.1.7 Therapiemaßnahmen bei Depression und Angst<br />
Kognitiven und psychischen Zustand laufend überprüfen<br />
Benzodiazepine oder Morphium abends bessern nächtliche Angst<br />
Lorazepam (Temesta) 1,0 - 7,5 mg/d oder Tranxillium 5 - 20 mg/Tag<br />
Morphin 5 - 10 mg p.o., 2,5 - 5,0 mg s.c.<br />
Antidepressive Therapie je nach Symptomatik<br />
Saroten 25 mg abends, Mirtazepin (Mirtabene 15 - 30) mg abends<br />
Paroxetin (Seroxat)<br />
Kardiovaskuläre Nebenwirkungen<br />
Entspannungsübungen, Bewegung<br />
Patienten zureden, bestärken, trösten...<br />
15.1.8 Schmerztherapie<br />
Grundsätzlich nach dem WHO-Stufenschema<br />
NSAR können Herzinsuffizienz auslösen und verschlechtern<br />
Opioide großzügig verabreichen, siehe oben<br />
Bei Angina pectoris: Antianginöse Therapie optimieren<br />
Lang wirksame, retardierte Nitropräparate<br />
Monoket 50 mg, Nitroderm 5 - 10 mg TTS, Dancor 2 x 10 - 20 mg, Betablocker,<br />
z.B. Bisoprolol 1,25 - 10 mg/Tag<br />
Cave<br />
Cave<br />
<strong>Palliative</strong> <strong>Care</strong> Untertitel 63
64 <strong>Palliative</strong><br />
<strong>Care</strong> Untertitel<br />
Nicht-pharmakologische Maßnahmen<br />
Entspannungsübungen, Wärme, TENS<br />
Empathie entgegenbringen<br />
15.2 Terminale Nierenerkrankung / Niereninsuffizienz<br />
Die terminale Niereninsuffizienz aufgrund verschiedener Krankheitsentitäten<br />
stellt einen irreversiblen Zustand dar. Mit der therapeutischen Option eines<br />
Nierenersatztherape (Dialyse) entwickelt sich eine besondere Ent scheidungs<br />
problematik: Sowohl der Beginn einer Nierenersatztherapie, als auch<br />
deren Beendigung (Therapieabbruch) müssen gut begründet sein. Die Entscheidung,<br />
eine mitunter Jahre angewandte Dialysetherapie zu beenden, ist<br />
schwieriger, als sie nicht zu beginnen.<br />
Die Dialyse ist ein sehr aufwändiges therapeutisches Verfahren, das <strong>für</strong> die<br />
Kranken neben „burden of diesease“ auch „burden of disease and treatment“<br />
bedeutet.<br />
Argumente <strong>für</strong> eine palliative Behandlung der terminalen Nieren erkran-<br />
kung, also die Nierenersatztherapie nicht mehr zu beginnen sind:<br />
• Terminale Lungen-, Herz- oder Lebererkrankung<br />
• ältere PatientInnen mit Multiorganversagen<br />
• schwer kranke PatientInenn an der ICU, bei denen nach 3 Tagen kein<br />
Therapiefortschritt zu erkennen ist<br />
• schwere dementielle Erkrankung<br />
• Unmöglichkeit der Kooperation / Verständnis <strong>für</strong> die Therapiemaßnahmen<br />
• permanente Bewusstlosigkeit<br />
• Notwendigkeit der Sedierung zur Therapie<br />
• schwerste, nicht kontrollierbare Schmerzen, die durch eine NET prolongiert<br />
werden<br />
• fortgeschrittene maligne Erkrankungen (Ausnahme: Multiples Myelom)<br />
Grundsätzlich ist ein Therapieverzicht eine schwierige Entscheidung, die nur<br />
nach ausreichender Aufklärung und Diskussion der Situation erfolgen soll.<br />
Der Wunsch des Patienten ist die Grundlage der Entscheidung, wobei aber<br />
Familienmitglieder, Ärzte- und Pflegeteam eingebunden werden sollen. Für<br />
die Lebensqualiät der Patienten, bei denen eine NET nicht mehr begonnen<br />
wird, ist die Betreuung durch ein Team, das mit den Symptomen der Urämie<br />
vertraut ist, wesentlich.
Zum Dialyseabbruch, also der Beendigung einer mitunter schon lange praktizierten<br />
Therapie, gibt es aus Österreich keine Zahlen. Der Wunsch dazu kann<br />
von Patienten, Angehörigen oder vom Behandlungsteam kommen. Dieser<br />
Behandlungsschritt ist zu diskutieren, wenn sich die klinische Situation ändert<br />
(siehe oben: Argumente gegen einen Beginn), wenn sich der Allgemeinzustand<br />
dramatisch verschlechtert ohne Aussicht auf Besserung, wenn es<br />
zur Kachexie kommt, oder wenn ein schweres medizinisches Ereignis auftritt<br />
(z.B. Apoplex).<br />
Nach Abbruch der Dialyse sind die klinischen Ereignisse relativ vorherseh<br />
bar. Der Tod tritt nach ca. nach ca. 8 - 12 Tagen ein. Mögliche Urämiesymptome<br />
sind Luftnot durch Wasserretention und Lungenstauung,<br />
Agitation, Übelkeit, Singultus, Restless Legs Syndrom, Myoklonismen,<br />
Schmerzen, Delirium, epileptische Anfälle. Nach zunehmender Müdigkeit und<br />
Bewußtseinseinschränkung bis zum Koma tritt Herzstillstand durch Hyperkalämie<br />
ein.<br />
Ziel der palliativen Therapie: Tod in der Urämie ohne Schmerzen, Luftnot,<br />
Krämpfe oder Angst<br />
15.2.1 Maßnahmen nach Dialyseabbruch<br />
Regelmäßige Mund-, Lippen- und Körperpflege, Dekubitusprophylaxe<br />
Diät liberalisieren<br />
Flüssigkeitsbilanz genau beachten<br />
Blutabnahmen einschränken / beenden<br />
15.2.2 Schmerztherapie<br />
Morphin kurzfristig verabreichen / Dosis adaptieren:<br />
Metaboliten kumulieren und können Hyperalgesie, Myklonien, Übelkeit und<br />
Atemdepression hervorrufen<br />
Alternativen:<br />
Hydromorphon (Hydal), Fentanyl (Durogesic),<br />
Buprenorphin (Temgesic, Transtec)<br />
Oxycodon (OxyContin)<br />
Bei Delirium, Agitation, Übelkeit:<br />
Haloperidol (Haldol)<br />
Restless Legs - Syndrom und Myoklonismen:<br />
Clonazepam (Rivotril), Lorazepam (Temesta)<br />
Cave<br />
<strong>Palliative</strong> <strong>Care</strong> Untertitel 65
66 <strong>Palliative</strong><br />
<strong>Care</strong> Untertitel<br />
Epileptische Anfälle:<br />
Phenytoin (Epanutin), Lorazepam (Temesta)<br />
15.3 Terminale Lebererkrankung / Leberversagen<br />
Chronisches progredientes Leberversagen tritt als Folge ganz verschiedener<br />
Erkrankungen auf und ist irreversibel. Sieht man von der Lebertransplantation<br />
und nur kurzfristig anwendbarer apparativ-technischer Verfahren ab, tritt ein<br />
unheilbarer Zustand ein.<br />
Es kommt zu Kachexie, Ödembildung und Aszites, Ösophagus – und Fundus<br />
varizen mit Blutungsgefahr, Einschränkungen der Syntheseleistung (Hyp -<br />
al bu min ämie, Gerinnungsstörungen), Ikterus (und quälendem Juckreiz bei<br />
Cholestase), Stoffwechselentgleisungen, hepatorenalem Syndrom, hepa tischer<br />
Enzephalopathie mit zunehemender Eintrübung und Tremor. Im Allgemei<br />
nen ist der Leidensdruck <strong>für</strong> die Kranken bei fortschreitender Enzepha lopathie<br />
eher gering.<br />
Vorbereitende Gespräche mit dem Patienten und den Angehörigen sind<br />
wichtig, weil gerade bei Blutungskomplikationen grundsätzlich invasive endoskopische<br />
Maßnahmen je nach Zustand abzuwägen sind.Es ist zu berücksichtigen,<br />
dass die Enzephalopathie das Urteilsvermögen häufig einschränkt.<br />
Eine einfache symptomatische Therapie (Diät, Diuretica, Laxantien, PPI) kann<br />
meist lange, auch bei fortgeschrittener Erkrankung durchgeführt werden. Auf<br />
Polypharmazie muss verzichtet werden, im Besonderen ist der Nutzen von<br />
„Lebertherapeutica“ nicht erwiesen. Alkoholverbot in dieser Situation ist nicht<br />
sinnvoll, weil die Prognose nicht mehr beeinflussbar ist.<br />
15.3.1 Therapiemaßnahmen bei Ödembildung und Aszites<br />
Ziel: Linderung von abdominellem Spannungsgefühl und Dyspnoe<br />
Gewichtsabnahme von ca. 500 g/ Tag anstreben<br />
Bettruhe, Oberkörper leicht erhöht<br />
Kochsalzrestriktion, Flüssigkeitsbilanz, -restriktion<br />
Diuretica<br />
Furosemid (Lasix) 40 - 120mg oral, bzw. i.v.<br />
Spironolacton (Aldactone) 50 - 100 mg / Tag, maximal 400 mg/Tag<br />
Morphin niedrig dosiert bei Spannungsschmerzen<br />
Aszitespunktion
15.3.2 Therapiemaßnahmen bei Varizenblutung<br />
Endoskopie mit Intervention zur Blutstillung (grundsätzlich vorher klären, ob<br />
dies erwünscht ist)<br />
Protonenpumpenhemmer intravenös hochdosiert, z.B. Omeprazol im Perfusor<br />
120 mg/24 Stunden<br />
Ausreichende Sedierung mit niedrig dosierten Benzodiazepinen<br />
Patienten nicht alleine lassen<br />
Selbst kleine Blutmengen können <strong>für</strong> Patienten und Angehörige bedrohlich<br />
sein und Angst machen<br />
Dunkle Bettwäsche und Handtücher<br />
15.3.3 Juckreiz durch cholestatischen ikterus<br />
Juckreiz zählt zu den schwer behandelbaren Symptomen in der Palliativmedizin<br />
Invasive Therapie:<br />
• Stentimplantation <strong>für</strong> den Gallenabfluss<br />
Nicht medikamentöse Therapie:<br />
• Kühle Räume<br />
• Baumwollkleidung<br />
• Hautpflege<br />
• Austrocknung der Haut verhindern, rückfettende Hautcremes, Ölbäder<br />
• kurzfristig lokal steroidhältige Creme<br />
• Therapieversuch mit UVB-Strahlen<br />
• oder Dosierte Sonnenexposition<br />
Medikamentös:<br />
• Naltrexon 2 x 12,5 mg, Steigerung nach 3 - 5 Tagen auf 2 x 25 mg, effektive<br />
Dosis 50 - 300 mg<br />
• Kontraindiziert bei laufender Opiodttherapie, weil Naltrexon ein Opioidantagonist<br />
ist!!!<br />
• Paroxetin /Seroxat) 5 - 20 mg<br />
• Methyltestosteron 25 mg,<br />
• Rifampicin 75 - 300 mg/d<br />
• Danazol 200 mg 1 - 3/d (wirkt erst nach 5 Tagen)<br />
• Nächtliche Sedierung<br />
<strong>Palliative</strong> <strong>Care</strong> Untertitel 67
68 <strong>Palliative</strong><br />
<strong>Care</strong> Untertitel<br />
15.4 Der schwerkranke polymorbide alte Mensch<br />
Alter und Multimorbidität können ein Abbau-Syndrom hervorrufen. In sozialer<br />
Hinsicht bedeutet dies den „Pflegefall“ unterschiedlicher Ausprägung. Spezifische<br />
Therapiemaßnahmen bestehen meistens nicht, eingetretene Defekte<br />
oder Defizite lassen sich nicht mehr beheben. Sorgfältige prophylaktische<br />
Maß nahmen können den Krankheitsverlauf verlangsamen.<br />
Der Zustand ist im wesentlichen charakterisiert durch die<br />
• Einschränkung kognitiver Funktionen (Vergesslichkeit, Orientierungsverlust,<br />
Kritiklosigkeit, Unruhe, bis zur Demenz),<br />
• Verschlechterung vitaler Organfunktionen (kardial, pulmonal, renal,<br />
vaskulär, neurologisch),<br />
• Kontrollverluste hinsichtlich Nahrungs- und Flüssigkeitsaufnahme, sowie<br />
Harn- und Stuhlausscheidung,<br />
• sowie Verlust sozialer Bezüge.<br />
Darüberhinaus schließt der Begriff Polymorbidität auch Immobilität, Sturzneigung,<br />
Dekubitalulzera, Depression und Angststörungen, Schmerz syndrome,<br />
Seh- und Hörstörungen, Medikationsprobleme sowie ein hohes<br />
Kompli kationsrisiko bei Traumata und medizinischen Maßnahmen ein.<br />
<strong>Palliative</strong>s Therapieziel muss ein möglichst schmerzfreier oder -armer Zustand<br />
<strong>für</strong> die Betroffenen sein, die Kranken dürfen ihr Leiden nicht spüren. Soziale<br />
Kontakte, Nähe, Zuwendung und Berührung sollen dem Kranken zukommen,<br />
auch wenn Bewusstsein und Vigilanz eingeschränkt sind. Die nötigen therapeu<br />
tischen Maßnahmen finden sie bei den jeweiligen Symptomen (Dyspnoe,<br />
Schmerzen, Unruhe, Angst, gastrointestinale Beschwerden, Pruritus,<br />
Hauttrockenheit…)<br />
Neben der Behandlung des Kranken wird in dieser Phase die Betreuung der<br />
Angehörigen zunehmend wichtiger, wobei die Teamarbeit entscheidend ist.<br />
Der aktuelle Wille des Patienten ist vom Patienten selber meist nicht mehr zu<br />
erfragen. Es gilt daher nachzuforschen, ob der Kranke zu besseren Zeiten<br />
Wünsche und Vorstellungen geäußert hat (mutmaßlicher Patientenwille),<br />
oder ob eine Patientenverfügung oder Vorsorgevollmacht vorliegt. Der Arzt<br />
muss im Interesse des Patienten handeln, alle Entscheidungen müssen<br />
abgewogen und begründet sein. Dies gilt auch <strong>für</strong> die Einweisung in eine<br />
Institution (Spital, Hospiz).<br />
Wenn sich abzeichnet, das eine bewusste, vom Patienten wahrgenommene<br />
Lebensqualität nicht mehr zu erzielen ist, soll über Beginn und Beendigung
lebenserhaltender Maßnahmen diskutiert werden (z.B. Gabe von Antibiotika,<br />
Intervention bei gastrointestinaler Blutung). Emotional leichter kann es sein,<br />
lebensverlängernde Therapieschritte erst gar nicht zu beginnen, als sie<br />
absetzen zu müssen, ethisch gesehen besteht kein Unterschied. (Withholding,<br />
Withdrawing)<br />
Medizinische Maßnahmen wie Blutabnahmen und apparative Untersuchungen<br />
sind im Hinblick auf den Zustand und den Nutzen <strong>für</strong> den Patienten<br />
zurückhaltend zu indizieren, dies gilt auch <strong>für</strong> die künstliche Ernährung und<br />
im besonderen <strong>für</strong> die Flüssigkeitszufuhr.<br />
„Weniger ist mehr“<br />
15.5 Pulmonale Erkrankungen<br />
15.5.1 Einleitung<br />
Endstadien einer pulmonalen Erkrankungen stellen häufig einen langen<br />
Leidensweg mit zahlreichen belastenden Symptomen.<br />
Hauptsächliche Grunderkrankungen sind:<br />
• Asthma bronchiale<br />
• COPD (Chronisch obstruktive Lungenerkrankung)<br />
• Rezidivierende Lungenembolien<br />
• Lungenfibrose<br />
• Neuromuskuläre Erkrankungen<br />
15.5.2 Symptomenkomplex<br />
Unabhängig von der Grunderkrankung (siehe 4.2. Respiratorische Symptome)<br />
• Schwere Dyspnoe in Ruhe und bei geringster Belastung<br />
• Panikartige Atemnot<br />
• Bewusstseinsstörung durch O2 Mangel oder CO2 Anstieg<br />
• Quälender Husten und Verschleimung<br />
15.5.3 Palliativansatz<br />
Prognostische Aussagen sind schwierig. Auch bei ungünstiger Ausgangslage<br />
kann ein pulmonales Versagen reversibel sein.<br />
Patienten früh informieren und klären, ob bei einer akuten Dekompensation<br />
<strong>Palliative</strong> <strong>Care</strong> Untertitel 69
70 <strong>Palliative</strong><br />
<strong>Care</strong> Untertitel<br />
Intensivtherapie und Intubation (Tracheostomie) sinnvoll und gewünscht!<br />
Angehörige in den Entscheidungsprozess einbeziehen<br />
<strong>Palliative</strong> und spezifische Massnahmen sind oft identisch:<br />
• Basistherapie (Bronchospasmolyse und Steroide)<br />
• Anxiolyse<br />
• O Therapie<br />
2<br />
• NIV: Nicht invasive Beatmung<br />
• Invasive Beatmung, häufig Tracheostoma notwendig!<br />
• Im Akutfall hat eine ausreichende Sedierung Priorität!<br />
15.5.4 <strong>Palliative</strong> <strong>Care</strong> am Beispiel der COPD<br />
Inzidenz zunehmend, weltweit 600 Mio COPD Patienten, Erkrankung progredient<br />
und unheilbar. 6.häufigste Todesursache.<br />
Prognose schwierig, da wechselhafter Verlauf (stabile Phasen und Exazer ba-<br />
tionen) – wann soll palliative care beginnen?<br />
Stadieneinteilung: nach GOLD<br />
(Global Initiative for chronic obstructive lung disease: I – IV<br />
FEV1 (Einsekundenkapazität) < 30%vom Sollwert im Stad IV<br />
Eingeschränkte Oxigenierung – Cor pulm chron – im Stad IV<br />
Exacerbation:<br />
Verschlechterung der Symptomatik<br />
Kardinalsymptome: Dyspnoe, Zunahme des Sputumvolumens und Purulenz<br />
Verbunden mit der quälenden Atemnot treten massiven Einschränkungen der<br />
Lebensqualität, Unruhe, Angst und Depression auf.<br />
Studien zeigen, dass bis zu 90% der COPD Patienten an klinisch relevanter<br />
Angst und /oder Depression leiden, im Vergleich zu ca. 50% der Patienten mit<br />
Bronchuscarcinom. Nur ein geringer Anteil beider Gruppen wird diesbezüglich<br />
entsprechend behandelt.<br />
Therapie von Atemnot und Angst:<br />
Symptomkontrolle mit Morphinen und Benzodiazepinen (siehe 4.2.)<br />
<strong>Palliative</strong> Sedierung mit Dormicum (siehe 4.9.)
Patienten und Angehörige wissen häufig nicht um den lebensbedrohlichen<br />
Charakter der Erkrankung.<br />
Rezente internationale Studien belegen, dass viele Patienten und Angehörige<br />
über einen Mangel an Information klagen.<br />
Entscheidende therapeutische Schritte gehören gemeinsam besprochen und<br />
geplant.<br />
So kann die Erstellung einer Patientenverfügung <strong>für</strong> Patienten, die z.B. eine<br />
invasive Beatmung ablehnen, eine Erleichterung bedeuten und bei Ver -<br />
schlech terung der Erkrankung Unklarheiten bezüglich der Therapie begrenzung<br />
vermindern.<br />
Die Behandlung sollte von einer krankheitszentrierten zu einer personen zentrierten<br />
Therapie fokusiert werden.<br />
<strong>Palliative</strong> care is extending traditional boundaries to encompass more patients<br />
with advanced COPD. ( Rocker et al, <strong>Palliative</strong> Medicine 2007)<br />
<strong>Palliative</strong> <strong>Care</strong> Untertitel 71
72 <strong>Palliative</strong><br />
10.1 Die Betreuung des<br />
sterbenden Menschen<br />
in den letzten Tage und Stunden<br />
<strong>Care</strong> Untertitel<br />
16.1 Betreuungs- und Behandlungsziel<br />
Wohlbefinden fördern, Leiden lindern, die Angehörigen unterstützen und entlasten,<br />
die Einstellung auf den bevorstehenden Tod ermöglichen<br />
Voraussetzung: Die Betreuenden sind sich einig, dass die Sterbephase<br />
einge setzt hat. Diese Einschätzung sollte bei einem längeren Sterbeprozess<br />
über prüft werden.<br />
Welche körperliche Situation liegt vor?<br />
Symptome (Schmerzen, Atemnot, Übelkeit, Erbrechen, Obstipation, Verwirrtheit,<br />
Unruhe, bronchiale Sekretion, andere Probleme) und Mobilität.<br />
Wie ist die Bewusstseinslage?<br />
Kann der Patient noch schlucken?<br />
Wie erfolgt die Harn- und Stuhlausscheidung?<br />
16.2 Aktuelle Medikation überprüfen und nicht unbedingt notwendige<br />
Medikamente absetzen<br />
Verschiedene Stufen des Absetzens von Maßnahmen und Medikamenten:<br />
Stufe I: Aktuelle Therapie wird fortgesetzt, keine weiteren Maßnahmen<br />
mehr zusätzlich<br />
Beispiel: Fortsetzung der Antibiotischen Therapie, keine Untersuchun<br />
gen mehr, kein Wechsel des Antibiotikums<br />
Stufe II: Fortsetzung der aktuellen Therapie, Absetzen, wenn sie nicht nützt.<br />
Beispiel: Fortsetzung der Antibiotischen Therapie, Absetzen, wenn<br />
kein klinischer Nutzen<br />
Stufe III: Absetzen aller Medikamente, die nicht spezifisch sind zur Kontrolle<br />
der vorliegenden Symptome.<br />
Beispiel: Antihypertensiva, Antidiabetika absetzen.<br />
Stufe IV: Beschränkung auf Maßnahmen, die das Wohlbefinden fördern.<br />
Beispiel: Keine Interventionen mehr
16.3 Symptomkontrolle, Vorsorge <strong>für</strong> das Auftreten von Symptomen<br />
Die häufigsten Symptome in den letzten 24 Stunden: Schmerzen, Atemnot,<br />
Unruhe, Rasseln<br />
Seltener: Übelkeit/Erbrechen, epileptische Anfälle<br />
Schmerzen:<br />
Ist die Resorption der Analgetika gewährleistet?<br />
Wie kann die gewohnte Dosis auch beim bewusstlosen Patienten weiterhin<br />
verabreicht werden?<br />
Für Schmerzen planen:<br />
Morphin 2,5 mg 4-stündlich oder 1/6 der Tagesdosis subkutan<br />
Bei opioidnaiven Patienten: 5mg Vendal oral oder 2,5 mg Vendal parenteral,<br />
titrierend bis Schmerzlinderung/Schmerzfreiheit<br />
Bei Patienten, die bereits Opiode einnehmen: Dosissteigerung um 1/3 - 1/2<br />
Nicht in den letzten Stunden mit Pflaster beginnen (Resorption)<br />
Übelkeit:<br />
Metoclopramid (Paspertin 10 - 20mg s.c.) oder Haloperidol(1,25 mg - 2,5 mg)<br />
oder Levomepromazin (Nozinan 1,25 - 5 mg s.c.)<br />
• Unruhe: behebbare Ursachen beseitigen (Medikamente, volle Blase, Obstipa<br />
tion, Hypercalcämie)<br />
• Schmerzen? Schmerzmittel erhöhen (auch „vorsichtshalber“)<br />
• Opioide können Unruhe verstärken<br />
• Medikamentös: Neuroleptika und Benzodiazepine<br />
Medikament Indikation Dosierung 1 x pro Tag<br />
Lorazepam<br />
z.B. Temesta ® , Temesta expidet ® Angst, Atemnot 1,25 mg sublingual nach Klinik<br />
Midazolam<br />
z.B. Dormicum ®<br />
motorische Unruhe;<br />
Myoklonien; gut steuerbar<br />
1 - 2,5 - 5 mg s.c.<br />
10 - 60 mg sc.<br />
(bis 120 mg s.c)<br />
Levomepromazin, Nozinan ® Delir, Schlaflosigkeit 1 - 5 - 10 mg 4-stdl. nach Klinik<br />
Haloperidol<br />
Haldol ® Halluzinationen, Paranoia 2,5 - 5 mg<br />
Mehrmals 5 mg<br />
s.c./i.v./oral<br />
<strong>Palliative</strong> <strong>Care</strong> Untertitel 73
74 <strong>Palliative</strong><br />
<strong>Care</strong> Untertitel<br />
Respiratorische Symptome<br />
Atemnot:<br />
Opiode <strong>für</strong> Dyspnoe( 2,5 mg bis 5 mg 4-stündlich), Benzodiazepine gegen<br />
Angst und Tachypnoe (1 - 5 mg Dormicum s.c.)<br />
Respiratorische Sekretion:<br />
• Husten- und Schluckreflex lassen nach, deshalb sammeln sich Speichel<br />
und Bronchialsekrete im Pharynx und in der Luftröhre<br />
• störend vor allem <strong>für</strong> die Umgebung<br />
• Umlagern (Halbseitenlage)<br />
• Medikamente: Buscopan ® 20 mg s.c. bis 4 x täglich, Transcop ® -Pflaster,<br />
Robinul ® 4 x 10 mg<br />
• Absaugen bringt meist keine Erleichterung<br />
• Erklärung <strong>für</strong> die Angehörigen<br />
Alle angegebenen Medikamente können subkutan verabreicht werden:<br />
Subkutane Leitungen (Butterfly-Nadeln) sollten in der Sterbephase stammnah<br />
gelegt werden (subklavikulär,am Bauch), können unter Beobachtung über<br />
mehrere Tage liegen bleiben.<br />
Wieviel Flüssigkeit braucht ein sterbender Mensch?<br />
Gegen Durst und Unruhe kann ein zeitbegrenzter Versuch mit parenteraler<br />
(intravenös uder subkutan) Flüssigkeitszufuhr sinnvoll sein. Wenn ein<br />
sterbender Mensch unbelastet wirkt, braucht er keine zusätzliche Flüssigkeit.<br />
500 ml NaCl 0,9% sind im Zweifelsfall nicht belastend.<br />
16.4 Grundsätzliches zur Pflege in der Sterbephase<br />
• Körperpflege: kann eine gr. Belastung darstellen; eventuell in Etappen bzw.<br />
Teilwäsche durchführen (v. a. auf Wohlbefinden achten); evtl. vorher in<br />
ange messenem Zeitabstand Schmerzmittel verabreichen (auch vor Lagewechsel)<br />
• Essen: kleine Portionen anbieten; akzeptieren, wenn jemand nicht (mehr)<br />
essen möchte; „Genuss geht vor Ernährungswert“<br />
• Dekubitus: v. a. durch Antidekubitus-Matratzen o. ä. können die Abstände<br />
der Lagewechsel deutlich verlängert werden; Mikrolagerungen (Polster<br />
unter die Matratze schieben – schonend <strong>für</strong> den Sterbenden)<br />
• Obstipationsprophylaxe: Sinnhaftigkeit der Obstipationsprophylaxe täglich<br />
prüfen; kann in den letzten Lebenstagen unnötig belasten
• Wohlbefinden: jede Maßnahme sollte nach Möglichkeit der Steigerung des<br />
Wohlbefindens dienen bzw. es so wenig wie möglich beeinflussen<br />
• Mundpflege/Trinken: verminderte Flüssigkeitsaufnahme normal; kann durch<br />
weniger Sekret- und Ödembildung sowie zur Organentlastung von Vorteil<br />
sein; Durst durch regelmäßige Mundpflege lindern; akzeptieren, wenn der<br />
Sterbende seinen Mund nicht öffnet; Vorsicht: „zu viel“ Flüssigkeit bei der<br />
Mundpflege kann Rasseln verstärken bzw. bei Schluckstörungen Aspiration<br />
zur Folge haben<br />
• Ruhe vermitteln/Ruhe geben: dem Sterbenden sowie auch Angehörigen<br />
wird durch ruhiges Auftreten Sicherheit vermittelt; auf eigenen Atemrhytmus<br />
achten; dem Sterbenden Ruhephasen ermöglichen (mit und ohne<br />
Angehörige)<br />
• Autonomie des Sterbenden bewahren (wenn sich der Sterbende nicht mehr<br />
äußern kann, sollten durchgeführte Handlungen seinem mutmaßlichem<br />
Willen entsprechen<br />
• Angehörige unterstützen (lassen): Angehörige miteinbeziehen; Verständnis<br />
<strong>für</strong> ihre Situation zeigen; Zuhören<br />
Leitsatz<br />
Nützt dem Sterbenden meine Handlung wirklich? Trägt meine Tat zum<br />
Wohlbefinden des Sterbenden teil, oder handle ich nach dem Gefühl,<br />
unbedingt (noch) etwas tun zu müssen? Will ich mein Gewissen beruhigen?<br />
Mache ich es den Angehörigen zuliebe? Ist meine Erwartungshaltung realistisch?<br />
Nur wenn die Tat dem Sterbenden wirklich zugute kommt, sollte sie<br />
auch durchgeführt werden!<br />
Psychosozial<br />
Sind sich der Patient und die Familie der Situation bewusst?<br />
Sind das Ziel und der Betreuungsplan besprochen?<br />
Gibt es jemanden, der/die besonders belastet ist?<br />
Wer soll informiert werden, wenn der Tod absehbar ist?<br />
Kommunikationsthemen<br />
• Täglich das Gespräch mit den Angehörigen suchen<br />
• Einschätzung mit dem Patienten und der Familie teilen und Einsicht<br />
vermitteln<br />
• Über den wahrscheinlichen Verlauf und die verbleibende Lebenszeit<br />
angemessen kommunizieren<br />
• Sicherheit vermitteln, dass Symptome behandelt werden und den<br />
Behandlungsplan vermitteln<br />
• Anstehende Fragen rechtzeitig ansprechen<br />
<strong>Palliative</strong> <strong>Care</strong> Untertitel 75
76 <strong>Palliative</strong><br />
<strong>Care</strong> Untertitel<br />
• Nicht-Wissen eingestehen<br />
• Über Ernährung und Flüssigkeit reden<br />
• Über die Bewusstseinlage und evtl. auftretende Unruhe reden<br />
Manchen Situationen ist das Schweigen mehr als das Reden angemessen.<br />
Religiöse Bedürfnisse<br />
Sind die religiösen Bedürfnisse des Patienten und seiner Angehörigen erfasst?<br />
16.5 Vorschlag <strong>für</strong> ein „Notfallset“<br />
A) Morphin<br />
B) Midazolam (Dormicum ® )<br />
zur Muskelrelaxation:<br />
Einzeldosis 2,5 mg s.c., Anfangsdosis pro 24h s.c. 10 mg<br />
zur Sedierung:<br />
Einzeldosis 2,5 bis 10 mg sc., Anfangsdosis pro 24h s.c. 30 mg<br />
als Antikonvulsivum:<br />
Einzeldosis 10 mg s.c., Anfangsdosis pro 24h s.c. 30mg<br />
C) Lorazepam (Temesta ® )<br />
Als Expidet-Plättchen in Stärke 2,5 mg sublingual<br />
verwendbar wie Midazolam, besonders gut bei Panikattacken (Anxiolyse),<br />
1,25 - 2,5 mg<br />
D) Haloperidol<br />
E) Butylscopolamin<br />
16.6 Subkutane Gabe von Medikamenten<br />
(Auswahl: häufig in der Palliativmedizin)<br />
Indikation Generikum Dosis/24h Dosis/ Einzelinjektion<br />
Schmerzen Morphin 1/3 der oralen Dosis 1/6 der Tagesdosis (4-stündlich)<br />
Atemnot Morphin bis Symptomkontrolle 2,5 mg bei Opioidnaiven Pat.<br />
Unruhe Haloperidol<br />
Midazolam<br />
Übelkeit/<br />
Erbrechen<br />
Metoclopramid,<br />
Haloperidol,<br />
Levomepromazin<br />
Vertirosan<br />
3 - 15 mg<br />
1 - 2,5 - 5 mg<br />
30 - 60 mg<br />
1,5 - 5 mg<br />
1,5 - 7,5 mg<br />
200 mg<br />
1,5 - 3 mg<br />
10 - 60 mg<br />
10 mg<br />
1,5 mg<br />
1,5 mg<br />
50 mg<br />
Rasselnde Atmung Buscopan 60 mg 20 mg
Möglich: Furosemid, Ceftriaxon<br />
Gewebsreizend: Diclofenac, auch Metamizol; manchmal Levomepromazin<br />
16.6.1 Praktische Hinweise<br />
Volumina<br />
Einzelinjektion: 2ml nicht überschreiten, je weniger, desto angenehmer <strong>für</strong><br />
Patient<br />
Applikation<br />
Bevorzugte Lokalisationsstellen: Pectoralis-Bereich, Abdomen.<br />
Dünne (blaue)Butterfly-Nadel (23 - 27G) mit durchsichtigem, sterilen Pflaster<br />
(Tegaderm ® , Optiderm ® ) abdecken; kann meist mehrere Tage belassen<br />
werden; bei Rötung oder Schmerzen Lokalisation wechseln.<br />
Regelmäßige Einzelinjektionen oder – praktischer – Dauerinfusion über<br />
Pumpe sind darüber möglich.<br />
Mischbarkeit bei Verwendung einer Spritzenpumpe oder einer PCA-Pumpe<br />
Mischungen kurz vor Gebrauch aufziehen; kontrollieren, dass keine Trübung<br />
auftritt. Meist keine Probleme mit verschiedenen Medikamenten in einer<br />
Spritze<br />
Vorsicht aber mit Dexamethason (als letztes aufziehen)<br />
wenn Verdünnung nötig: NaCl 0,9%<br />
<strong>Palliative</strong> <strong>Care</strong> Untertitel 77
78 <strong>Palliative</strong><br />
C1.1 Was brauchen Angehörige?<br />
<strong>Care</strong> Untertitel<br />
In der Betreuung von schwerkranken und sterbenden Menschen sind die<br />
Angehörigen meist eine wichtige Unterstützung in der Begleitung.<br />
Information frühzeitig, aber zeitlich nicht vor den PatientInnen, wenn möglich<br />
gemeinsam mit den PatientInnen (Familiengespräche)<br />
Bei mehreren Familienangehörigen kann ein Hauptansprechpartner hilfreich<br />
sein.<br />
Gemeinsamer Wissensstand: es muss nicht immer die ganze Wahrheit<br />
sein, die angesprochen wird, jedoch alles was gesagt, wird muss wahr sein.<br />
Verständnis <strong>für</strong> die belastende Situation (nur wenige Menschen haben<br />
schon jemanden sterben gesehen, es gibt viele falsche Vorstellungen von<br />
Symptomen oder Ereignissen am Lebensende)<br />
Frühere Ereignisse prägen den Umgang mit der Situation am Lebensende.<br />
Kompetente Ansprechpartner ( telefonisch oder persönlich, vor allem auch<br />
in der Nacht)<br />
Richtlinien <strong>für</strong> den Umgang mit so genannten Notsituationen (schriftlich)<br />
Plan <strong>für</strong> das Vorgehen bei den vorauszusehenden Problemen wie Epileptischer<br />
Anfall, Atemnot…) siehe Notfallplan<br />
Entlastung und Bestätigung (Angst, etwas falsch zu machen): die Angst,<br />
etwas versäumt oder zu wenig getan zu haben ist groß. Professionelle Unterstützung<br />
und fachliche Kompetenz können entlastend sein.<br />
Anleitung (pflegerisch und ärztlich)<br />
Freiräume vor allem bei längeren Betreuungen (frühzeitiger Einsatz von<br />
Ehrenamtlichen und anderen unterstützenden Personen-„Betreuungsradl“).<br />
Es ist hilfreich, eine Person als Koordinator auszuwählen, damit die Besuche<br />
gut aufgeteilt werden.<br />
Trauerbegleitung (einzeln oder in einer Gruppe-Angehörigenkaffee)<br />
Psychotherapeutische Unterstützung in sehr schwierigen Situationen
Wichtige Themen <strong>für</strong> Angehörigengespräche:<br />
• Übergang kurativ / palliativ<br />
• Entlassung nach Hause<br />
• Verschlechterung<br />
• Neue unklare Symptomebe<br />
• Nahrung und Füssigkeitsgabe<br />
• Entscheidung <strong>für</strong> oder wider neuerliche Krankenhauseinweisung<br />
• Die letzten Stunden<br />
• Anwesenheit<br />
Trauerbegleitung – Hospiz: Telefon 05127727038<br />
(die ersten drei Gespräche sindkostenlos)<br />
<strong>Palliative</strong> <strong>Care</strong> Untertitel 79
80 <strong>Palliative</strong><br />
10.3 Essen und Trinken<br />
am Lebensende<br />
<strong>Care</strong> Untertitel<br />
Emotional sehr bedeutendes Thema, das häufig als Frage im Raum steht<br />
Besondere Hinweise<br />
• Reduktion der Nahrungs- und Flüssigkeitsaufnahme gehört zum Sterbeprozess<br />
• Wichtig zu unterscheiden: will jemand nicht mehr oder kann jemand nicht<br />
mehr essen/trinken?<br />
• Der Wunsch, nicht (mehr) essen zu wollen, ist am Lebensende normal.<br />
• Wenn jemand essen möchte, aber nicht kann, sollte nach Möglichkeit<br />
die Ursache behoben/behandelt werden (Übelkeit, Schluckstörung, Soor,<br />
Obstipation...)<br />
• Kleine Portionen auf großem Teller anbieten<br />
• Je schwieriger die Flüssigkeits- und Nahrungsaufnahme, desto wichtiger ist<br />
eine regelmäßige und intensive Mundpflege<br />
• Zugang zum Thema ist sehr unterschiedlich, deshalb ist die Angehörigenbetreuung<br />
besonders wichtig<br />
• frühzeitige Aufklärung, dass bei weit fortgeschrittener Krankheitsverlauf mit<br />
einer Reduktion oder Ablehnung von Nahrung und Flüssigkeit zu rechnen<br />
ist<br />
Hilfreiche Formulierungen im Gespräch mit Angehörigen und Patienten:<br />
„Es geht nicht um die Kalorien, es geht um die Lust am Essen.“<br />
„Gut ist, was schmeckt“<br />
„Die Schwäche wird durch Nahrung nicht besser.“<br />
„Nahrungsaufnahme verlängert nicht das Leben.“<br />
„Der Körper kann die Nahrung nicht mehr aufnehmen und verwerten.“
C1.1.1 Kinder trauern<br />
Wir treffen in unserer Gesellschaft auf eine große Unsicherheit vieler<br />
Erwachsener im Umgang mit trauernden Kindern und Jugendlichen. Eltern<br />
schweigen, weil sie ihr Kind nicht belasten wollen und Kinder schweigen,<br />
weil sie ihre Eltern nicht aus der Fassung bringen wollen. Kinder nehmen<br />
oft eigene Bedürfnisse gänzlich zurück, um ihre engsten Bezugspersonen<br />
zu schonen. Die Erfahrung des Ausgeschlossenseins kann jedoch große<br />
Einsamkeit bewirken.<br />
Es ist wichtig den Kindern die Wahrheit zu sagen.<br />
Kinder und Jugendliche trauern in einigen Aspekten anders als Erwachsene<br />
und zeigen manchmal Trauerreaktionen, die erwachsenen Bezugspersonen<br />
unverständlich sein können. Sie sollten durch Verständnis und Einfühlungsvermögen<br />
unterstützt werden, nicht nur ihre traurigen Gefühle, sondern auch<br />
ihre aggressiven Gefühle aktiv und vielfältig auszudrücken. Wut und Hass<br />
können Ausdruck dessen sein, wie ohnmächtig und verlassen sich das Kind<br />
angesichts der Macht des Todes fühlen kann.<br />
Kinder sollten die Gelegenheit bekommen, Abschied von sterbenden und<br />
toten Angehörigen zu nehmen, altersgerecht in die Vorgänge einbezogen und<br />
behutsam vorbereitet und begleitet werden. Dabei sind oft individuelle Wege<br />
zu beachten und zu respektieren. Sie sollten jederzeit den Abschiedsort oder<br />
das Krankenzimmer verlassen dürfen und brauchen dann eine geeignete<br />
Begleit person. Hilfreich ist die Bereitstellung von unterschiedlichen Spielen<br />
und diversen Materialien, mit denen sich Kinder bei einem Krankenbesuch<br />
beschäftigen können.<br />
Kinder entwickeln je nach Altersstufe, elterlichen Einstellungen, Kultur, Religion<br />
und konkreten Todeserfahrungen sehr unterschiedliche Vorstellungen von<br />
Tod.<br />
19.1 Kinder im Vorschulalter(3.bis 6.LJ)<br />
begreifen Tod als zeitlich begrenztes und daher umkehrbares Ereignis.<br />
Sie brauchen einfühlsame Erwachsene, die ihnen mit Offenheit und<br />
Sensibilität begegnen und ihnen altersgerechte und ehrliche Antworten ihrem<br />
Entwicklungsstand und Vorstellungsvermögen entsprechend geben Wenn<br />
Kinder ausweichende Antworten bekommen, spüren sie, dass ihre Fragen<br />
nicht erwünscht sind und sie fragen nicht weiter. Aber sie füllen das Vakuum<br />
mit eigenen Phantasievorstellungen (magisches Denken) die die Realität<br />
meist in einem <strong>für</strong> Erwachsene nur schwer vorstellbaren Ausmaß übertreffen.<br />
<strong>Palliative</strong> <strong>Care</strong> Untertitel 81
82 <strong>Palliative</strong><br />
<strong>Care</strong> Untertitel<br />
Kinder sind sehr hellhörig und bekommen deutlich mehr mit, als Erwachsene<br />
denken. Sie zeigen, was sie begreifen und wie viel sie wissen wollen. Vorschulkinder<br />
drücken ihre Gefühle oft mit Malen und Zeichnen aus. Die Fragen und<br />
Äußerungen der Kinder weisen den begleitenden Erwachsenen den Weg.<br />
Erwachsene sollten bei entsprechenden Fragen ehrlich zugeben, dass sie<br />
auch nicht alles wissen. Durch die Ermutigung zu offenen Gesprächen innerhalb<br />
der Familie können alle ihre Gedanken und Gefühle zum Ausdruck<br />
bringen, Missverständnisse geklärt und das Vertrauen untereinander gestärkt<br />
werden.<br />
19.2 Kinder im Schulalter (7. bis 12.LJ)<br />
benötigen aufmerksame Zuwendung und die Gesprächsbereitschaft der<br />
Erwachsenen, ohne sich aufzudrängen. Manchmal gestatten sie sich keine<br />
Freude mehr. Trotz der traurigen Situation muss jedoch noch Raum <strong>für</strong> Spiel,<br />
Spaß und Freude sein. Kinder sollten auch die Möglichkeit haben, aktiv in der<br />
Betreuung des erkrankten Angehörigen z.B. durch kleine Handreichungen,<br />
Vorlesen etc. ihren Beitrag zu leisten. Das Empfinden, „ich kann etwas<br />
tun“, vermittelt dem Kind ein Gefühl von Wichtigkeit, es gibt ihm Halt in der<br />
Ungewissheit der unbekannten Situation und kann auch die Zeit nach dem<br />
Tod der Angehörigen erleichtern. Dies darf aber nicht dazu führen, dass dem<br />
Kind zu viel Verantwortung übertragen wird. In dieser Altersgruppe brauchen<br />
Kinder auch Vorschläge <strong>für</strong> konkrete Alltagsabläufe nach dem Tod eines<br />
Elternteiles.<br />
Sehr häufig haben Kinder Schuldphantasien. Sie glauben, sie hätten die<br />
Krankheit durch falsches Verhalten verursacht und könnten sie durch richtiges<br />
Verhalten beeinflussen. Information und einfühlsame Kommunikation können<br />
wesentlich zur Entlastung beitragen.<br />
Kinder trauern spontan und aufrichtig, viel sprunghafter und situativer als<br />
Jugendliche und Erwachsene, mit unterschiedlicher Intensität und vielfältigen<br />
Verhaltensweisen.<br />
Wenn Kinder nicht mit zum Krankenbesuch oder zur Verabschiedung möchten,<br />
sollten sie auf jeden Fall ermuntert werden, z.B. einen Brief zu schreiben,<br />
eine Grußbotschaft auf eine Kassette zu sprechen oder eine Zeichnung oder<br />
etwas Selbstgebasteltes anzufertigen, welche dem Kranken übergeben oder<br />
in den Sarg gelegt werden können. Der Tod sollte mit Worten erklärt werden,<br />
die Klarheit verschaffen. Umschreibende verharmlosende Formulierungen<br />
können zu großen Verunsicherungen und Ängsten führen. Wichtig ist, dass<br />
es nicht nur darum geht, Sachverhalte zu erklären, sondern dass darin<br />
auch alle Gefühle Platz haben. Hilfreich können <strong>für</strong> Kinder verschiedenste
symbolische Handlungen und Rituale sein, die ihnen Halt und Geborgenheit<br />
in einer schmerzhaften Zeit vermitteln. Sie dürfen aber nie zu irgendwelchen<br />
Handlungen gezwungen werden. Erwachsene sollten Kindern möglichst<br />
große Entscheidungsfreiheit lassen bzw. einräumen.<br />
19.3 Jugendliche (13.bis 18.LJ)<br />
identifizieren sich stark mit dem gleichgeschlechtlichen Elternteil. Sie wollen<br />
rechtzeitig informiert und manchmal auch in die Betreuung eingebunden<br />
werden. Die Gleichzeitigkeit von widerstreitenden Gefühlen ist bei Kindern<br />
und Jugendlichen deutlich sichtbarer als bei Erwachsenen. Sie benötigen<br />
verschiedenste Angebote, ihren Gefühlen und Gedanken Ausdruck zu<br />
verleihen.<br />
Hilfreiche Adressen: Rainbows<br />
Kinderklinik<br />
<strong>Palliative</strong> <strong>Care</strong> Untertitel 83
84 <strong>Palliative</strong><br />
C3 Sozialarbeit in der Palliativmedizin<br />
<strong>Care</strong> Untertitel<br />
<strong>Palliative</strong> Sozialarbeit ist seit einigen Jahren in Österreich ein fixer Bestandteil<br />
in der Betreuung schwer kranker und sterbender Menschen.<br />
Gerade am Ende des Lebens stehen <strong>für</strong> viele Sterbenden und ihre Angehörigen<br />
soziale Fragen an, die einer professionellen Herangehensweise bedürfen.<br />
Dadurch werden Patientinnen und Angehörige entlastet.<br />
In welcher Form kann das geschehen:<br />
• SozialarbeiterInnen können sich auf die gesunden Anteile und Ressourcen<br />
der PatientIn konzentrieren und sie somit als „ganze“ Person respektieren.<br />
• SozialarbeiterInnen können dazu beitragen, dass das soziale Netz der<br />
gesamten Familie gestärkt wird, um mit der komplexen, kritischen Situation<br />
zurechtzukommen.<br />
• SozialarbeiterInnen haben zur PatientIn eine Beziehung, die nicht so<br />
von Abhängigkeit geprägt ist, wie die Beziehung zu Arzt und Pflege. Das<br />
bedeutet mehr Sicherheit <strong>für</strong> die Betroffenen.<br />
• SozialarbeiterInnen fördern die Verbindung zwischen PatientInnen und<br />
deren sozialer Umwelt.<br />
• SozialarbeiterInnen können über den Tod hinaus wichtige Bezugspersonen<br />
bei der Bewältigung des Verlustes sein.<br />
Konkrete Angebote zur Unterstützung der Sterbenden und deren Angehörigen<br />
können sein:<br />
• Beratung und Ansuchen zu<br />
- Pflegegeld, Pensionsanträge, Rezeptgebührenbefreiung, GIS-Befreiung,<br />
Grundsicherung, etc.<br />
- Familienhospizkarenz (siehe unten)<br />
- Überleitung von einer stationären zu einer mobilen Versorgung<br />
- Organisation und Beratung zu Heilbehelfen und Hilfsmitteln<br />
- Heimunterbringung, Rehabilitationseinrichtungen, Pflegeklinik, Behinderten<br />
einrichtungen<br />
- Angebot von ehrenamtlichen MitarbeiterInnen<br />
• Hinweise auf<br />
- Testament<br />
- Patientenverfügung<br />
- Vorsorgevollmacht<br />
- Vertretungsbefugnis naher Angehöriger<br />
- Sachwaltung<br />
• Information über Bestattung, Überstellungen, anfallende Kosten etc.
• Unterstützung von Angehörigen auch nach dem Tod<br />
- aktive psychosoziale Begleitung von Trauernden in Form von telefonischer<br />
Beratung und persönlichen Gesprächen.<br />
- Erarbeitung von eigenen Stärken<br />
- Information über Selbsthilfegruppen und psychosoziale, therapeutische<br />
Angebote<br />
All diese Aufgaben werden in enger Kooperation mit anderen Berufsgruppen<br />
(Ärzten, Pflegepersonal, PhysiotherapeutInnen, PsychotherapeutInnen, Seelsorgern,<br />
… bewältigt).<br />
20.1 Grundinformation zu Familienhospizkarenz:<br />
Familienhospizkarenz ist ein Rechtsanspruch auf Herabsetzung, Änderung<br />
oder Freistellung von der Normalarbeitszeit <strong>für</strong> ArbeitnehmerInnen zur<br />
Begleitung sterbender oder schwerst kranker Angehöriger.<br />
Der Anspruchnehmer bleibt kranken- und pensionsversichert.<br />
Auch als arbeitslos gemeldete Personen können beim AMS ansuchen, sie<br />
bleiben ebenfalls versichert und werden in dieser Zeit nicht vermittelt.<br />
Finanzielle Unterstützung über den Familienhospizkarenz-Härteausgleich:<br />
Wenn das gewichtete Haushaltseinkommen pro Person unter € 700,- fällt,<br />
können Ausgleichszahlungen über das BM <strong>für</strong> soziale Sicherheit und<br />
Generationen beantragt werden.<br />
Hotline: 0800-240 262<br />
Wer kann es in Anspruch nehmen?<br />
Ehepartner, Eltern, Großeltern, Pflegeeltern, Kinder, Enkelkinder, Adoptiv- und<br />
Pflege kinder, Lebensgefährten, Geschwister, Schwiegereltern, Schwiegerkinder.<br />
Auch von mehreren Angehörigen gleichzeitig. Sie ist nicht an den<br />
gemein samen Wohnsitz gebunden; kann auch <strong>für</strong> Sterbende, die im Krankenhaus<br />
stationär sind gewährt werden.<br />
Dauer:<br />
3 Monate mit Verlängerungsmöglichkeit auf weitere 3 Monate.<br />
In dieser Zeit und 4 Wochen danach Kündigungs- und Entlassungsschutz<br />
Vorzeitige Rückkehr auf den Arbeitsplatz nach Wegfall der Sterbebegleitung<br />
innerhalb von 2 Wochen möglich.<br />
<strong>Palliative</strong> <strong>Care</strong> Untertitel 85
86 <strong>Palliative</strong><br />
<strong>Care</strong> Untertitel<br />
Wie beantragt man Familienhospizkarenz?<br />
Vom Arbeitnehmer beim Arbeitgeber formlos aber schriftlich einbringen. Wenn<br />
kein Konsens zustande kommt, kann der Arbeitnehmer trotzdem 5 Tage nach<br />
Bekanntgabe die Karenz antreten, bis gerichtlich weiter entschieden wird.
C6.1 Seelsorge – Bestandteil<br />
ganzheitlicher Pflege und Betreuung.<br />
Sorge um das Wohl des ganzen Menschen<br />
Vom Arzt Paracelsus stammt die Aussage:<br />
„Der Mensch ist <strong>für</strong> den Menschen die beste Medizin“.<br />
Wie wir Nahrung brauchen um zu leben, brauchen wir auch Menschen, um<br />
leben zu können. Wir sind als soziale Wesen so angelegt, dass wir einander<br />
zu unserer „Menschwerdung“ brauchen, das gehört zum Menschsein und<br />
besteht das ganze Leben über. In unserer hoch technisierten, schnelllebigen,<br />
vielfach konsum-orientierten, leistungs- und erfolgsfixierten Zeit besteht und<br />
erleben wir die Gefahr, dass der Mensch, im besonderen der kranke und alte<br />
Mensch, zum reinen Fall und Kostenfaktor reduziert wird. Wirtschaftliche<br />
Überlegungen und ökonomische Sachzwänge haben einen höheren Stellenwert<br />
als grundlegende menschliche Bedürfnisse nach Zuwendung,<br />
angesehen werden, angesprochen und anerkannt werden.<br />
Im Umgang mit Krankheit, Gebrechlichkeit; Alter und Abschied tut es wohl,<br />
wenn jemand da ist, der Anteil nimmt, zuhört, begleitet; mit trägt und sich vom<br />
Leid berühren lässt.<br />
Begleitende Seelsorge unterstützt Menschen in Krisen und Grenzsituationen,<br />
gerade in Grenzerfahrungen angesichts von Erkrankung, Abschied und Tod.<br />
Ein Kennzeichen der Seelsorge ist es, Zeit zu haben und Raum zu geben,<br />
damit Menschen ihre eigene Sprache finden, um das auszudrücken, was<br />
ihnen auf der Seele brennt.<br />
Aufgabe der Seelsorge ist es, den Menschen mit seinem unverwechselbaren<br />
familiären, religiösen und kulturellen Hintergrund wahr – und ernst zu nehmen.<br />
Als Seelsorgerin stelle ich den jeweiligen Menschen in die Mitte, im Bewusstsein,<br />
dass jedes Menschenleben einmalig, einzigartig und kostbar ist, dass<br />
jedem Menschen eine unauslöschbare Würde zugedacht ist, unabhängig von<br />
gesund- oder krank sein, jung oder alt sein, unabhängig von Leistung und<br />
Erfolg.<br />
Der Respekt vor der Würde jedes Menschen mit seiner einmaligen Lebensund<br />
Glaubensgeschichte macht hellhörig <strong>für</strong> dessen jeweilige Bedürfnisse<br />
und Ängste.<br />
Ein wesentlicher Beitrag der Seelsorge besteht darin, Menschen zu unterstützen,<br />
lebendige Beziehungen zu gestalten:<br />
zu sich selbst, zu den Mitmenschen und zu Gott.<br />
Religion hat im Kontext von Kranksein, Leiden und Sterben eine zentrale<br />
Rolle. Seelsorge unterstützt Menschen, in ihrer eigenen religiösen Tradition<br />
spirituelle Quellen der Kraft zu entdecken und zu beleben.<br />
<strong>Palliative</strong> <strong>Care</strong> Untertitel 87
88 <strong>Palliative</strong><br />
<strong>Care</strong> Untertitel<br />
Römisch-Katholische Christen<br />
Klinikseelsorge 0512 / 22285<br />
Pfr. Andreas Krzyzan– Klinik 0699 / 172 10 349<br />
Evangelische Christen<br />
Pfarrer Eberhard Mehl 0699 / 107 09 630<br />
Jüdische Glaubensgemeinschaft<br />
Israelitische Kultusgemeinde 58 68 92<br />
Lipschütz Thomas 0650 / 41 96 030<br />
Buddhistischer Ansprechpartner<br />
Peter Pfötscher 0699 / 105 08 276<br />
Islam<br />
Kontaktadresse <strong>für</strong> die Begleitung muslimischer Gäste:<br />
Samir Redzepovic 0664 / 144 28 99
C5 Psychoonkologie<br />
psychosoziale Unterstützung bei Krebserkrankungen<br />
Was ist Psychoonkologie?<br />
Im Rahmen des Krankheits- und Therapieverlaufs jeder Krebserkrankung<br />
gibt es besonders belastende Momente, <strong>für</strong> deren Bewältigung eine psychologische-psychotherapeutische<br />
Unterstützung hilfreich sein kann (z.B. nach<br />
Diagnosemitteilung, während besonders belastender Therapieformen, bei<br />
Veränderungen bzw. Verschlechterungen im Krankheitsverlauf, etc.)<br />
Die Psychoonkologie widmet sich den psychischen, familiären und sozialen<br />
Belastungsfaktoren, die im Rahmen einer Tumorerkrankung auftreten können,<br />
und bietet vielschichtig psychosoziale Hilfestellungen. Die psychoonkolo gische<br />
Unterstützung ist immer eingebunden in den Gesamtbehandlungsplan<br />
und erfolgt in Zusammenarbeit mit den behandelnden ÄrztInnen, dem Pflegepersonal,<br />
SozialarbeiterInnen und anderen BetreuerInnen und Therapeut-<br />
Innen.<br />
Wer kann eine psychoonkologische Beratung/Betreuung/Unterstützung<br />
in Anspruch nehmen?<br />
KrebspatientInnen, die eine psychische Unterstützung wollen, um so ihre<br />
Erkran kung und/oder daraus entstehende psychosoziale Belastungen besser<br />
bewäl tigen und verarbeiten zu können.<br />
Angehörige von KrebspatientInnen, die durch die Erkrankung mit psychischen<br />
Belastungen konfrontiert sind und/oder Unterstützung im Umgang mit den<br />
PatientInnen suchen.<br />
Welche Formen der psychoonkologischen Unterstützung werden<br />
angeboten?<br />
Beratendes Gespräch – Information – betreuende Begleitung im Krankheitsbzw.<br />
Therapieverlauf – Entspannungsübungen – psychotherapeutische<br />
Behand lung – gezielte medikamentöse Behandlung – Vermittlung psychoonko<br />
logischer/psychotherapeutischer Weiterbetreuung<br />
Wer übernimmt die Kosten?<br />
Die Unterstützungsangebote sind in jedem Fall durch die Krankenversicherung<br />
gedeckt.<br />
An wen können sie sich wenden, wenn sie unser Unterstützungsangebot<br />
wollen?<br />
PatientInnen bzw. deren Angehörige können sich entweder an die behandelnden<br />
ÄrztInnen bzw. an die Pflege-MitarbeiterInnen oder direkt an unsere<br />
psycho onkologische Ambulanz wenden.<br />
<strong>Palliative</strong> <strong>Care</strong> Untertitel 89
90 <strong>Palliative</strong><br />
<strong>Care</strong> Untertitel<br />
Kontaktadresse:<br />
Psychoonkologische Ambulanz<br />
Frauen-Kopfklinik – Eingangsbereich rechts<br />
Terminvereinbarung Mo - Fr 9:00 bis 11:00 Uhr<br />
Telefon: 0512-504-23691<br />
Fax: 0512-504-24778<br />
E-Mail: ag.psychoonkologie@uki.at<br />
Arbeitsgruppe <strong>für</strong> Psychoonkologie und Psychoimmunologie<br />
Univ. Klinik f. Psychiatrie; Abt. f. Biologische Psychiatrie
C2 Entlassung nach Hause<br />
am Lebensende<br />
Wenn schwerkranke Patienten am Lebensende vom Krankenhaus nach<br />
Hause entlassen werden möchten, braucht es eine besonders sorgfältige<br />
Vorbereitung auf allen Ebenen.<br />
Durch die starre Trennung in stationäre und ambulante Betreuung ergeben<br />
sich zahlreiche Schnittstellen, die gut überbrückt werden müssen.<br />
Für Betreuende im Krankenhaus stellt sich oft gar nicht die Möglichkeit einer<br />
Entlassung, da sie sich eine Weiterbetreuung bis zum Lebensende zu Hause<br />
oft gar nicht vorstellen können. Auch Angehörige sind verunsichert, bezüglich<br />
der Möglichkeiten einer Begleitung zu Hause.<br />
Patienten möchten sich auch <strong>für</strong> eine Betreuung zu Hause entscheiden<br />
können. Da<strong>für</strong> braucht es:<br />
• Professionelle ärztliche und pflegerische Unterstützung mit Bereitschaft<br />
rund um die Uhr<br />
• Hausarzt rechtzeitig über geplante Entlassung informieren<br />
• Rezepte mitgeben (Wochenende!!)<br />
• Medikamente absetzen (Antibiotika, Statine,… Sauerstoff siehe Kapitel<br />
Atemnot)<br />
• Medikamente umstellen: Applikationsart (oral und s.c. statt i.v.), auch an die<br />
Verschreibbarkeit (grüne Box) denken.<br />
• AUCH ANGEHÖRIGE können <strong>für</strong> s.c. oder i.v. Medikamentengabe angeleitet<br />
werden(siehe Anhang Ärztegesetz)<br />
• Wahrscheinlich auftretende Symptome ansprechen und dementsprechend<br />
Medikamente zusätzlich verschreiben (Bedarfsmedikation mit klaren<br />
Dosierungs angaben verordnen, z.B. Vendal orale Lösung bei Durchbruchschmerzen<br />
wenn Schmerzpflaster als Basis)<br />
• Wiederaufnahmegründe ins Krankenhaus ansprechen (am häufigsten<br />
Atem not und Übelkeit, sowie Überlastung der Angehörigen nachlängerer<br />
Betreu ung (Z. Palliativmed 2007; 8;155-161)<br />
• Therapiemöglichkeiten und Therapiebegrenzungen auch im Arztbrief<br />
erwähnen.<br />
• Pfegerische Massnahmen rechtzeitig vor Entlassung erfassen und<br />
empfehlen (Kontakt mit Sprengel oder anderen Betreuern aufnehmen)<br />
• Angehörige in Pflegemaßnahmen einbinden<br />
• Pflegegeld beantragen<br />
• Über Hospizkarenz informieren<br />
• Hilfsmittel rechtzeitig organisieren(Pflegebett, Rollstuhl)<br />
<strong>Palliative</strong> <strong>Care</strong> Untertitel 91
92 <strong>Palliative</strong><br />
C6.2 Abschiedsrituale<br />
<strong>Care</strong> Untertitel<br />
Der Definition nach ist ein Ritual (vom Lateinischen ritualis = „den Ritus<br />
betreffend“) eine nach vorgegebenen Regeln ablaufende, feierlich-festliche<br />
Handlung mit hohem Symbolgehalt. Sie wird häufig von bestimmten Wortformeln<br />
und festgelegten Gesten begleitet und kann religiöser oder weltlicher<br />
Art sein z. B. ein Gottesdienst, eine Begrüßung, eine Hochzeit, das Begräbnis.<br />
Rituale, das Vorgehen nach einer bestimmten Ordnung, können in vielen<br />
Lebens situationen hilfreich sein und geben Sicherheit. Sie bedeuten eine<br />
Ein stimmung auf Etwas oder einen Abschluss. (Einschlafrituale, Tischrituale,<br />
Begrüßungsrituale, Abschiedsrituale )<br />
Abschied nehmen ist ein Thema, das in unserer Gesellschaft gern umgangen<br />
wird, doch Abschiede gehören als lebendiger Prozess zu unserem Leben.<br />
Der Tod eines uns nahen Menschen zwingt uns zu einem unwiderrufbaren<br />
Abschied, der uns erschüttert und manchmal mit Angst erfüllt. Ein geglückter<br />
Abschied kann mit dem Tod versöhnen, Verbindung mit dem eigenen Selbst<br />
und dem Verstorbenen schaffen, dem Verstorbenen seinen lebendigen Platz<br />
in der Gemeinschaft geben und die versammelte Gemeinschaft, durch das<br />
gemeinsame Erleben, stärken. Schmerz und Trauer sind dabei integrierter<br />
Bestandteil und Ausdruck von Lebendigkeit. Die Verabschiedung selbst zu<br />
gestalten ermöglicht eine authentische Begegnung mit dem Tod und stärkt so<br />
das Leben.<br />
Dem Abschied mit einem Ritual einen würdigen und bewussten Rahmen<br />
zu geben, gibt die Möglichkeit den Verstorbenen ziehen zu lassen und das<br />
getrennte Weiterleben bewusst zu beginnen. Enttäuschung und Schmerz<br />
können gelindert werden und Akzeptanz und Verstehen <strong>für</strong> das Geschehene<br />
können entstehen und zunehmen.<br />
Es gibt verschiedenste Arten und Möglichkeiten von Abschiedsritualen, der<br />
Phantasie sind keine Grenzen gesetzt. Alles was gut tut ist richtig.<br />
Der Sterbende selbst und ihre Angehörigen können sich auf unterschiedlichste<br />
Art und Weise verabschieden. Eine bewusste Verabschiedung im Leben, im<br />
Sterben oder über den Tod hinaus, ist möglich durch z. B. eine Aussprache,<br />
durch die Klärung oder Erledigung noch offener Dinge, oder durch gemein sam<br />
gesprochene Gebete, durch den Besuch eines Priesters, durch die Krankensalbung<br />
und auch durch die gemeinsame Planung oder das Mitge stalten des<br />
Begräbnisses.<br />
Das Aufstellen eines Fotos des/der Verstorbenen, eine Kerze anzünden, das<br />
Besuchen des Grabes um dort vielleicht noch Unausgesprochenem einen Platz
zu geben Dinge auszusprechen, zu gedenken, oder das bewusste Wandern<br />
an einen oft gemeinsam besuchten Platz, können den Hinterbliebenen Kraft<br />
geben. Das Räuchern der Wohnung oder Umgestalten des Schlafzimmers<br />
etc. sind auch Möglichkeiten der Verabschiedung und eines Weitergehens.<br />
Auch Pflegende und Betreuende brauchen die Möglichkeit einer Verabschiedung.<br />
Die Betreuer des Mobilen Hospizteams pilgern einmal im Monat gemeinsam<br />
zu einem rituellen Platz, räuchern dort und entzünden ein Licht. Jeder von<br />
uns hält inne und kann sich ganz persönlich nochmals verabschieden. Für<br />
jeden Verstorbenen wird ein Stein geschrieben. Diese Steine werden einmal<br />
im Jahr an den Fluss weitergegeben, sozusagen in den Fluss des Lebens<br />
zurückgegeben.<br />
Wir gestalten persönliche Abschiedsblätter <strong>für</strong> die Verstorbenen, die wir in einer<br />
Mappe sammeln. Auf der Hospizstation wird eine Gedenkmesse mit unserem<br />
Seelsorger abgehalten, Angehörige der Verstorbenen sind eingeladen.<br />
Ein Abschied kann auch jeder/jede <strong>für</strong> sich alleine gestalten, um mit der neuen<br />
Situation zurechtzukommen und seinen Frieden zu finden.<br />
Sich mit der Verabschiedung auseinanderzusetzen, kommt einer aktiven<br />
Begegnung mit dem Ereignis des Todes gleich. Anstatt auszuweichen, stellen<br />
wir uns dem Wissen um unsere eigene Sterblichkeit und integrieren sie in<br />
unser Leben. So wird Abschied aus einer Position der Kraft, Verbindung<br />
und Lebendigkeit heraus gestaltet und wir können erfahren, dass dieses<br />
unwiederholbare Ereignis auch eine Chance <strong>für</strong> uns ist.<br />
<strong>Palliative</strong> <strong>Care</strong> Untertitel 93
AMITRYPTILIN (Saroten ® ):<br />
BACLOFEN (Lioresal ® )<br />
94 <strong>Palliative</strong><br />
Anh Medikamentenliste roh<br />
<strong>Care</strong> Untertitel<br />
Beinhaltet die häufigsten in der Palliativmedizin verwendeten Medikamente<br />
mit den wichtigsten Indikationen, sowie fallweise Besonderheiten in der<br />
Verabreichung und in der Verschreibung.<br />
Tabletten<br />
Trizyklisches Antidepressivum<br />
Indikation: neuropathischer Schmerz (Therapieeffekt nach 3-7 Tagen),<br />
Hypersalvation<br />
Dosierung: 25mg (10mg bei älteren Menschen) bis max.100mg abends.<br />
NW: Anticholinergisch (Mundtrockenheit, Verwirrung)<br />
oral<br />
Indikation: Muskelspasmen, Singultus<br />
Dosierung: 5-10mg 3x tgl. max TD: 80mg<br />
NW: Müdigkeit, senkt Krampfschwelle, bei Absetzen unbedingt ausschleichen.<br />
BISACODYL (Dulcolax ® ): 5mg Tbl , 10mg Supp<br />
Stimulierendes Laxantium<br />
Oral: abendliche Gabe 1-2Tbl (Wirkung nach 10h)<br />
Supp: Wirkung nach 20 Min., Gabe in Kombination mit osmotischen Laxantien<br />
(Lecicarbon Supp)<br />
BUTYLSCOPOLAMIN (Buscopan ® ): oral, s.c, i.v., supp<br />
Indikation: spamolytisch, antisekretorisch<br />
Wirkdauer: 4h<br />
Dosierung:<br />
Krampfartige Schmerzen: 20mg-40mg s.c oder i.v.<br />
Max 120mg/24h<br />
Gastrointestinale Sekretionshemmung bei Ileus: 120-360mg/d (über Pumpe)<br />
Rasselatmung: 20mg 4stündlich<br />
Nicht mit Metoclopramid kombinieren, weil sich die Wirkungen aufheben.<br />
CLONAZEPAM (Rivotril ® ):<br />
Indikation: Epileptische Anfälle (1mg/d p.o, s.c.)<br />
NW: Müdigkeit<br />
Lange Halbwertszeit über 30h<br />
DEXAMETHASON (Fortecortin, Dexabene): p.o, s.c,.i.v. verdünnt<br />
Indikation:<br />
2-4mg/d: Antiemetikum, Appetitsteigerung
4-8mg/d: Koanalgetikum (Nervenkompression,<br />
Leberkapselspannungsschmerz, Knochenmetastasen)<br />
Bis 24mg/d: Hirnödem bei Tumoren, Rückenmarkskompression, obere<br />
Einflußstauung, Trachealverlegung, Lymphangiosis carcinomatosa<br />
Lange Halbwertszeit, deshalb 1x tgl. Gabe ausreichend<br />
Therapieversuche nach 7 Tagen überprüfen<br />
Reduktion langsam in 4mg Schritten alle 4-7 Tage<br />
NW: bis 4mg/d selten, über 4mg/d sehr wahrscheinlich (Soor, BZ-Erhöhung,<br />
Unruhe)<br />
Besonderheiten in der Verschreibung: bewilligt wird nur 1P mit 5 A zu 4mg/<br />
Rezept!!!<br />
DIAZEPAM (Valium ® ): p.o., supp, i.v.<br />
Indikation: Unruhe, Epianfall, Sedierung<br />
Dosierung: 2-10mg<br />
NW: Schläfrigkeit<br />
DICLOFENAC (Voltaren ® ; Diclobene ® ):<br />
p.o.50mg und 100mg retard, 75mg i.v oder s.c, 100mg supp.<br />
Weichteilschmerzen, Knochenschmerzen.<br />
Magenschutz dazu!<br />
NW: Ulcera und gastrointestinale Blutung vor allem in Kombination mit<br />
Cortison. Nicht bei eingeschränkter Nierenfunktion!<br />
Max. Tagesdosis: 200mg<br />
DIHYDROCODEIN (Codidol ® ): p.o. retard 60 und 120mg<br />
Schwaches Opioid, WHO Stufe II, Wirkung 1/10 Morphium mit guter<br />
antitussiver Wirkung (1/3 stärker als Codein)<br />
Mit niedriger Dosierung (30mg 2xtgl. beginnen)<br />
NW: Obstipation<br />
Als Antitussivum auch mit Morphin zu kombinieren, NW potenzieren sich.<br />
DIMENHYDRINAT (Vertirosan ® ):<br />
H1-Rezeptorenblocker<br />
p.o., s.c. in Spritzenpumpe mischbar, i.v.50mg 150mg Amp.<br />
Indikation: Antiemetikum, Wirkdauer 6 Stunden<br />
<strong>Palliative</strong> <strong>Care</strong> Untertitel 95
96 <strong>Palliative</strong><br />
<strong>Care</strong> Untertitel<br />
Max/d: 300mg<br />
NW: starke Müdigkeit<br />
DRONABINOL ® : Cannabinoid<br />
Tropfen oder Kapseln<br />
Indikation:<br />
Appetitsteigerung (2x2,5mg)<br />
Übelkeit und Erbrechen (bis 3x5mg): niedrig dosiert beginnen<br />
Suchtgiftpflichtig, sehr teuer. Wirkt vor allem gegen spastische Beschwerden<br />
bei MS.<br />
FENTANYL (Durogesic ® ):<br />
Starkes Opioid<br />
µ Rezeptor Agonist<br />
100 x stärker wirksam als Morphin<br />
Transdermal 12,5/25/50/75/100µg/h (alle 48-72h)<br />
i.v.<br />
Indikation: stabiles Schmerzsyndrom, rasch wirksames Schnell wirksames<br />
Morphin (z.B. Vendal orale Lösung gegen Schmerzspitzen immer mitverordne:<br />
bis 6xtgl.1/6 der Tagesdosis)<br />
Suchtgiftrezept<br />
Max. Wirkung bei Erstapplikation nach 24-36h, wirkt verstärkt bei Fieber.<br />
Nach Entfernung wirkt es noch 16h nach.<br />
NW: Obstipation (keine Toleranzentwicklung), Müdigkeit, Übelkeit.<br />
Umrechnungstabelle<br />
transdermal M o r p h i n o r a l ( m i t t l e r e Ta g e s d o s i s )<br />
Morphinäquivalent
i.v./s.c. Tagesdosis<br />
Fentanyl(Durogesic ® ) 12µg/h 30mg 10mg<br />
Fentanyl(Durogesic ® ) 25µg/h 60mg 20mg<br />
Fentanyl(Durogesic ® ) 50µg/h 120mg 40mg<br />
Fentanyl(Durogesic ® ) 75µg/h 180mg 60mg<br />
Fentanyl(Durogesic ® ) 100µg/h 240mg 80mg<br />
FLUCONAZOL (Diflucan ® ): 50,100,200mgKps., 50mg/10ml Saft, 100mg,<br />
200mg,400mg i.v.<br />
Antimykotikum bei Soorstomatitis, Soorösophagitis wenn Mykostatin nicht<br />
ausreichend.<br />
Dosierung: 100mg/d <strong>für</strong> 5-10 Tage<br />
GABAPENTIN(Neurontin ® ): p.o.300,400mg Kps.<br />
Neuropathischer Schmerz<br />
Dosierung: mit 300mg beginnen, langsam um 300mg/d steigern, wirkt ab<br />
1800mg/d, max. Wirkung bei 2400mg/d.<br />
NW: Müdigkeit, Schwindel<br />
HALOPERIDOL(Haldol ® ): p.o. Tbl., 20 Tropfen sind 2mg, Ampullen i.v., s.c.<br />
Gabe möglich, gut mischbar in Pumpen.<br />
Hochpotentes Neuroleptikum mit guter antiemetischer Wirkung<br />
Lange Halbwertszeit, deshalb nur 1-2xtgl. verabreichen.<br />
Übelkeit: 1,5-3mg bis 2xtgl.<br />
Unruhe, Psychose: 10-30mg/d<br />
NW: extrapyrimidalmotorische Störungen<br />
HYDROMORPHON (Hydal ® ): Opioid<br />
2mg, 4mg, 8mg,16mg retard, 1,3mg und 2,6mg rasch wirksam (4 h lang)<br />
Wirkt 7,5 mal stärker als Morphin<br />
NW: Obstipation, Übelkeit, Müdigkeit<br />
Suchtgiftrezept<br />
<strong>Palliative</strong> <strong>Care</strong> Untertitel 97
98 <strong>Palliative</strong><br />
<strong>Care</strong> Untertitel<br />
KETAMIN(Ketanest ® ): s.c. oder i.v. oder p.o. (schmeckt bitter!)<br />
Kurz wirksames Anästhetikum, in der Palliativmedizin gegen neuropathischen<br />
Schmerz.<br />
NW: Halluzinationen, kognitive Einschränkung bei Dauergabe<br />
KI: Hirndruck, Epileptische Anfälle.<br />
Kompatibel in Pumpe mit Morphin, Midazolam und Haloperidol.<br />
Dosierung: 5-10mg s.c. zum Schmerz durchbrechen, wenn i.v. Gabe 1-2mg<br />
Midazolam vorspritzen.<br />
Im niedergelassenen Bereich wegen Narkosemittelgesetz oft nicht bewilligt.<br />
LEVOMEPROMAZIN(Nozinan ® ): Amp.25mg (i.m. oder i.v. verdünnt geben),<br />
p.o.Tro 4%ig 1Tr.= 1mg<br />
Dosierung:<br />
Antiemetikum: 1-2mg 2xtgl.<br />
Unruhe, Angst: 6-12mg<br />
NW: Müdigkeit, Hypotension<br />
LORAZEPAM(Temesta ® ): Tbl.1mg, 2mg, Temesta expidet 2,5mg s.l., i.v. 2mg<br />
A. verdünnt verabreichen<br />
Rezept <strong>für</strong> T. expidet: Medikament wird in Deutschland bestellt, von TGKK nur<br />
bei Schluckstörung bewilligt, 2 Rezepte schreiben, dauert 2 Tage.<br />
Dosierung: 1mg bei Angst und Atemnot (in Kombination mit Morphin)<br />
MACROGOL (Movicol ® ):<br />
Osmotisch wirksames Laxans mit 125ml Flüssigkeit einnehmen,<br />
Dosierung: 1-2 Btl/d, max.8 Btl./d (bei Koprostase)<br />
Standardtherpie bei Morphingabe<br />
METRONIDAZOL(Anareobex ® ):<br />
Antibiotikum besonders gegen Anaerobier, auch gegen übelriechende<br />
Wunden lokal oder parenteral.<br />
Behandlung der Clostridienenteritis (7 Tage)<br />
Dosierung: 2x500mg i.v. oder oral.<br />
NW: Übelkeit, Durchfälle
METAMIZOL(Novalgin ® ): Tbl. zu 500mg, Tropfen (20 Tropfen=500mg)i.v.<br />
(Amp.zu 1g und 2,5g) verdünnt geben, mit Morphin in der Pumpe mischbar.<br />
Schmerzmittel WHO I, wirkt gut bei abdominellen Schmerzen. Gut mit<br />
Morphinen zu kombinieren.<br />
Tropfen oxidieren rasch, wenn sie offen in Behälter vorgerichtet werden.<br />
Wirkdauer: 4-5h, max Tagesdosis: 6g<br />
METOCLOPRAMID(Paspertin ® , Metogastron ® ):<br />
Tropfen (30Tropfen=10mg), Tbl. 10mg, 1Amp=10mg<br />
Wirkung: 6-8h, 3xtgl. verabreichen. s.c.Gabe möglich<br />
NW: Dyskinesien (Therapie mit Akineton)<br />
MIDAZOLAM(Dormicum ® ): i.v., s.c. Gabe möglich<br />
Am häufigsten verwendetes Benzodiazepin in der Palliativmedizin. Mit<br />
Morphin in Pumpe mischbar.<br />
IND: Angst, Unruhe, Atemnot, Sedierung, Antikonvulsivum<br />
Dosierung: titrierend in 1mg Schritten bis Symptomkontrolle erreicht.<br />
Kontinuierlich: Beginn mit 1-2mg/h<br />
Wirkdauer: 2-5h, bei älteren Patienten bis zu 3x länger.<br />
NW: bei i.v. Gabe Atemdepression möglich<br />
MIRTAZEPIN(Mirtabene ® ): Tbl.30mg<br />
Antidepressivum mit noradrenerger und serotinonerger Wirkung (wirkt nach<br />
14 Tagen). Schlafanstossende Wirkung (sofort).<br />
Indikation:<br />
Depression mit Schlafstörung<br />
Juckreiz<br />
Dosierung: 15-30mg/d (abends)<br />
MORPHIN(Vendal ® , Mundidol ® ): Suchtgiftrezept<br />
µ Antagonist<br />
Kurzwirksame Morphine: Wirkdauer 4h<br />
<strong>Palliative</strong> <strong>Care</strong> Untertitel 99
100 <strong>Palliative</strong><br />
<strong>Care</strong> Untertitel<br />
Oral:Vendal orale Lösung 5mg/ml<br />
Vendal Tbl.10mg und 20mg<br />
Morapid 10mg und 20mg<br />
Ampullen <strong>für</strong> s.c. und i.v.<br />
Vendal 10mg (1ml)<br />
Vendal 100mg (10ml)<br />
Vendal 200mg (10ml)<br />
Retardmorphine<br />
Vendal 10mg/20mg/30mg/40mg/100mg<br />
Mundidol 10mg/20mg/40mg/100mg<br />
Indikation: starker Schmerz<br />
Atemnot<br />
Dosierung:<br />
Ohne Vorbehandlung 2,5-5mg alle 4h, dann auf retard umstellen(siehe Kapitel<br />
Schmerztherapie und Atemnot)<br />
Umrechnung oral:parenteral 3:1<br />
Nebenwirkungen:<br />
Obstipation (Laxantiengabe)<br />
Übelkeit (Paspertin, Haldol)<br />
Müdigkeit (bessert sich nach 1-2 Wochen)<br />
Harnverhalten<br />
NICOMORPHIN(Vilan ® ): Suchtgiftrezept<br />
Ampullen 10mg=1ml<br />
Supp: 10mg<br />
Besonders wirksam bei abdominellen Schmerzen wegen der spasmolytischen<br />
Komponente. Kann auch über die PCA -Pumpe verabreicht werden.<br />
NATRIUMPICOSULFAT(Guttalax ® ):<br />
Stimulierendes Laxans:<br />
Indikation: Obstipation<br />
Dosierung: 10-20 Tropfen abends (wirkt nach 10 Stunden)<br />
NW: krampfartige Bauchschmerzen<br />
OCTREOTID (Sandostatin ® ): Ampullen zu 0,5mg, i.v.Gabe (verdünnt, auch in<br />
Pumpe mischbar),Subcutangabe möglich<br />
Somatostatin, sehr teuer, im Kühlschrank lagern.<br />
Vermindert vor allem die gastrointestinale Sekretbildung.
Indikation:<br />
Therapieresistente Diarrhoe<br />
Subileus und inoperabler Ileus<br />
Dosierung: 3xtgl.0,1-0,2mg,max 0,6mg/d<br />
OMEPRAZOL(Pantoloc ® ): 20mg/40mgTbl, Amp.40mg<br />
Protonenpumpenhemmer<br />
Indikation:<br />
Refluxösophagitis<br />
Gastroduodenalulcera<br />
Magenblutung<br />
PEG-Sonde<br />
Dosierung: 1-2xtgl. 20-40mg<br />
NW: Kopfschmerzen<br />
Über PEG nur Nexium verabreichen.<br />
OXYCODON(Oxycodon ® , Oxynorm): p.o. rasch wirksam und Retardform<br />
µ-Agonist (wirkt auch an ß und keppra Rezeptoren)<br />
doppelt so stark wie Morphin.<br />
Therapiebeginn mit 2x10mg/d<br />
Dosisreduktion bei Leber und Niereninsuffizienz<br />
NW: Obstipation, Müdigkeit, Übelkeit<br />
PAMIDRONAT (Aredia ® ):<br />
30mg,60mg, 90mg i.v.<br />
Ind:<br />
Hypercalcämie<br />
Knochenschmerzen (4 wöchentlich 45 -90mg)<br />
Infusionsdauer: 15mg/h in 0,9% NaCl<br />
NW: grippeähnliche Symptome, die gut auf Paracetamol ansprechen.<br />
PARACETAMOL (Mexalen ® Tbl. und supp., Perfalgan ® 1g Infusion zu 100ml)<br />
Ind: Schmerzen, Fieber<br />
Wirkdauer: 4 Stunden, max Tagesdosis 6g (Einmalgabe 500mg bis 1g)<br />
Perfalgan 1g i.v. wirkt direkt über den Liquor und deshalb deutlich stärker als<br />
orales P.<br />
<strong>Palliative</strong> <strong>Care</strong> Untertitel 101
102 <strong>Palliative</strong><br />
<strong>Care</strong> Untertitel<br />
PAROXETIN (Seroxat)<br />
Serotonin-Wiederaufnahme-Hemmer<br />
Ind:<br />
Antidepressivum<br />
Paraneoplastischer Juckreiz 20mg morgens<br />
NW: Mundtrockenheit<br />
PHENYTOIN (EpilanD ® 100mg Tbl. , 1Amp. sind 250mg)<br />
Ind: Epileptische Anfälle<br />
Interaktion: Dexamethasonwirkung wird um 50% reduziert.<br />
Dosierung: 3x100mg p.o.<br />
Schnelle Aufsättigung: 250mg in Kurzinfusion, danach in 8h 750mg i.v.<br />
NW: Übelkeit, Verwirrung, Schlaflosigkeit, Kopfschmerzen.<br />
TRAMADOL (Tramal ® )<br />
p.o. s.c. i.v. supp.<br />
schwaches Opioid (StufenschemeII), nicht suchtgiftrezeptpflichtig, Wirkung<br />
1/10 von Morphin, nicht mit Morphinen oder Fentanyl kombinieren.<br />
NW: Übelkeit, Schwindel, Obstipation<br />
Dosierung: 50-100mg alle 4 Stunden, bei guter Wirksamkeit auf<br />
Retardpräparate umstellen.<br />
VALPROINSÄURE (Convulex Tbl. Amp.)<br />
Dosierung: 200-1000mg/d<br />
Epileptische Anfälle<br />
Singultus<br />
Neuropathsiche Schmerzen<br />
NW: Sedierung, Übelkeit
<strong>Palliative</strong> <strong>Care</strong> Untertitel 103
Literatur<br />
Assessment und Prognose<br />
104 <strong>Palliative</strong><br />
Schmerz<br />
Prinzipien der Pflege<br />
Respiratorische Symptome<br />
<strong>Care</strong> Literatur<br />
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Ende , Facultas 2001<br />
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Fatigue<br />
Schluckstörung<br />
Neuropsychiatrische<br />
Symptome<br />
Exulzerierende Wunden<br />
<strong>Palliative</strong> <strong>Care</strong> Literatur 105
106 <strong>Palliative</strong><br />
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7)Kofler, Psychische Störungen bei COPD, Dissertation MUI 2007
8)Kunik et al, suprisingly high prevalence of anxiety and depression in chronic<br />
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9)Gudmundsson et al, Depression, anxiety and health status after<br />
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10)Curtis et al, Patient-physician communication about end of life care for<br />
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11)Elkington et al, The health care needs of COPD patients in the last year of<br />
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12)Rocker et al, Advanced chronic pulmonary disease: innovative approaches<br />
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Palliation, <strong>Palliative</strong> Medicine 2007<br />
13)Gore et al, How well do we care for patients with end stage COPD? A<br />
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Kapitel 16<br />
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www.dgpalliativmedizin.de<br />
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<strong>Palliative</strong> <strong>Care</strong> Untertitel 107