CP70 - HGP
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Testbericht aus Heft 8/1988
Ein richtiger High-End-Lautsprecher<br />
für nur 700 Mark? Wer's nichtglaubt, kennt<br />
das Fürstenzeller <strong>HGP</strong>- Team nicht!<br />
Rundum zufriedene Gesichter<br />
gab's bei der letztjährigen High<br />
End im Ausstellungsraum des<br />
niederbayerischen <strong>HGP</strong>-Teams.<br />
Bei den zahlreichen Besuchern,<br />
weil neben gelungener<br />
Vorführungen auch etwas für ihr<br />
leibliches Wohl getan wurde -<br />
nach Art des Hauses Faßbier und<br />
Bauerngeräuchertes statt Schampus<br />
und Canapees - und zum anderen<br />
auch bei den Gastgebern<br />
Horst Günther Paul und seiner<br />
charmanten Ehefrau, als sich<br />
nach und nach immer mehr<br />
hellhörige Pressevertreter und orderwillige<br />
Fachhändler unter's<br />
Fan-Volk mischten.<br />
Für gespitzte Ohren und prallgefüllte<br />
Auftragsbücher sorgte da<br />
in erster Linie das Modell Nightingale,<br />
ein nur 37 Zentimeter hoher<br />
Kleinlautsprecher mit gänzlich<br />
unbajuwarischem Design.<br />
Statt üblicher Kastenform und<br />
Standardfurnier, Marke Eiche rustikal,<br />
ragt die Nightingale mit<br />
ihren abgeschrägten Seitenkanten,<br />
der verkehrten Anordnung<br />
der beiden Chassis und ihrer<br />
schmucken Klavierlack-Oberfläche<br />
wohltuend aus dem gewohnten<br />
Boxen-Einerlei heraus.<br />
Wer freilich angesichts des vergleichsweise<br />
niedrigen Preises<br />
Abstriche bei der Verarbeitungsqualität<br />
befürchtet, wird angenehm<br />
überrascht. Hochdichte 19-<br />
Millimeter-Spanplatten für das<br />
Gehäuse, vergoldete Bananenbuchsen,<br />
eine einfache, aber mit<br />
hochwertigen Bauteilen<br />
aufgebaute Frequenzweiche, solide<br />
Innenverkabelung und ein makelloses<br />
Lack-Finish - zur Wahl<br />
stehen Weiß und Schwarz - stellen<br />
der Nightingale ein hervorragendes<br />
Zeugnis aus. Das Chassis-Material,<br />
eine modifizierte<br />
25-Millimeter-Gewebekalotte<br />
von Audax und ein beschichte-<br />
ter 13-Zentimeter-Tiefrnitteltöner<br />
mit Glasfibermembran, ist bündig<br />
auf der schmalen Frontplatte eingelassen.<br />
Zusammen mit den abgeschrägten<br />
Seitenkanten ergeben<br />
sich so beste Vorausset-<br />
zungen für ein ungehindertes Abstrahlverhalten<br />
und eine exakte<br />
räumliche Wiedergabe.<br />
Eingetretene Pfade verließ Horst<br />
Günther Paul, als es galt, seiner<br />
Nachtigall das rechte Maß an<br />
Tieftonenergie zu entlocken. Ein<br />
ausgeklügeltes Zwei-Kammer-<br />
System mit unterschiedlichem<br />
Arbeitsvolumen für die beiden<br />
Chassis und gezielter Bedämpfung<br />
des relativ weich aufgehängten<br />
Langhub-Tieftöners soll,<br />
so Paul, die Nachteile üblicher Baßre-<br />
flex-Konstruktionen weitgehend<br />
vermeiden. Gerade in den hart<br />
aufgehängten Baßmembranen<br />
sieht der eloquente Niederbayer<br />
die Ursache für die Mittenverfärbungen<br />
mancher Reflex-Lautsprecher.<br />
Genug der Theorie, wie schlug<br />
sich die schwarze Nachtigall im<br />
STEREO-Hörraum? Die optimale<br />
Aufstellung war schnell gefunden<br />
- gut einen Meter entfernt<br />
von den seitlichen und rückwärti-<br />
gen Begrenzungsflächen, mög-<br />
lichst auf geeigneten Standfüßen,<br />
wie sie auch von <strong>HGP</strong> zum Preis<br />
von 440 Mark pro Paar angeboten<br />
werden, und leicht nach innen<br />
angewinkelt. Als musikalische<br />
Mitstreiter wählten wir das bewährte<br />
Analog-Gespann Linn<br />
Sondek LP 12 samt Ittok und<br />
Troika, die Vorverstärkung übernahm<br />
ein Threshold Fet nine, und<br />
für mehr als genügend Leistung<br />
sorgten die kleinen Monoblöcke<br />
Omtec CA 25. Weniger betuchten<br />
Musikfreunden sei damit bereits<br />
verraten, daß die Nightingale leistungsmäßig<br />
auch mit preiswerten<br />
Vollverstärkern problemlos<br />
zurechtkommt.<br />
Keinerlei Starallüren zeigt dieser<br />
kleine Lautsprecher auch bei dem<br />
ihm angebotenen Musikmaterial.<br />
Sicher, bei Pop oder kleinen<br />
Jazz-Besetzungen ist er eher in<br />
seinem Element als bei großorchestralen<br />
Einspielungen, die ungleich<br />
höhere Anforderungen an<br />
die dynamischen Fähigkeiten eines<br />
Lautsprechers stellen. Bei<br />
nor-<br />
Oben: Frequenzgang der rechten<br />
und linken Box in Hörposition<br />
und jeweils 40 Grad nach<br />
außen gedreht. Unterhalb 200<br />
Hz Nahfeld; unten: Impedanzverlauf<br />
malen Pegeln in kleinen bis mittelgroßen<br />
Hörräumen wird freilich<br />
auch hier kaum jemals ein<br />
Mangel an Dynamik und Spritzigkeit<br />
zu beklagen sein. Erstaunlich<br />
dabei, wie sauber und druckvoll<br />
selbst die unteren Frequenz-<br />
anteile verarbeitet werden. So<br />
wirken Kontrabässe und Kesselpauken<br />
durchaus glaubhaft, auch<br />
wenn's ganz unten verständlicherweise<br />
doch ein wenig fehlt.<br />
Besonders wohl fühlt sich die<br />
Nightingale in den Mittenlagen;<br />
hier geht sie mit bemerkenswerter<br />
Klangfarbentreue und Offenheit<br />
zu Werke. Von der Charakteristik<br />
her eher schlank abge-<br />
stimmt, raubt sie männlichen Gesangsstimmen<br />
dennoch nicht das<br />
gewünschte Maß an sonorer Wärme,<br />
wirken Streichinstrumente<br />
seidig aber nicht überpräsent.<br />
Auch in den Höhen und in der<br />
räumlichen Wiedergabe gibt es<br />
kaum etwas zu bekritteln. Hier<br />
nervt die Nightingale den Musikfreund<br />
nicht mit sägenden Violinen<br />
und schneidenden Schlagzeugbecken,<br />
sondern bleibt bei<br />
aller Transparenz und Analytik<br />
auch bei längeren Hörsitzungen<br />
ein angenehmer Partner. Am oberen<br />
Frequenzende könnte man<br />
sich noch einen Tick mehr Auf-<br />
lösung und Luftigkeit wünschen;<br />
hier stoßen aber auch ungleich<br />
teurere Zwei-Wege-Lautsprecher<br />
unweigerlich an ihre konstruktionsbedingten<br />
Grenzen. Ein unbestrittener<br />
Vorteil dieses Prinzips,<br />
die homogene räumliche Wiedergabe,<br />
kommt bei der Nightingale<br />
dagegen besonders gut zum Tragen.<br />
So erstreckt sich das Klangbild<br />
weit in die Breite und Tiefe<br />
des Raums, gelingt es dem Hörer<br />
mühelos, die Positionen einzelner<br />
Musiker zu bestimmen.<br />
Summa summarum also ein<br />
rundum stimmiger Kleinlautsprecher,<br />
der sowohl von seiner Verarbeitung<br />
her als auch klanglich<br />
durchaus gehobene Ansprüche<br />
erfüllen kann. Uns hat Horst<br />
Günther Pauls Nachtigall jedenfalls<br />
so gut gefallen, daß sie als<br />
bisher preisgünstigster Boxenvertreter<br />
in der High-End-Klasse residieren<br />
darf. Einfach pfundig,<br />
wie die Niederbayern sagen<br />
würden.<br />
Uli Michalik