Zurücklächeln funktioniert automatisch - TÜViT TÜV ...
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explore:<br />
Kundenmagazin der <strong>TÜV</strong> NORD Gruppe<br />
02 Mai 2006<br />
Das<br />
Sprache und mehr<br />
Elemente der Kommunikation
04<br />
06<br />
07<br />
10<br />
11<br />
12<br />
14<br />
15<br />
explore: WISSEN<br />
explore: WISSEN<br />
explore: FORSCHUNG<br />
explore: FORSCHUNG<br />
explore: ENTDECKUNG<br />
explore: MENSCH<br />
explore: MENSCH<br />
explore: MENSCH<br />
02 - explore: 2/2006<br />
EDITORIAL<br />
Liebe Leserinnen und Leser,<br />
INHALT<br />
von dem in Wien geborenen Kommunikationswissenschaftler Paul Watzlawik stammt das<br />
metakommunikative Axiom: „Man kann nicht nicht kommunizieren“. Dies wird plausibel,<br />
wenn man die Elemente der Kommunikation etwas genauer betrachtet. Diese bestehen<br />
bei uns Menschen aus Sprache (verbal), Mimik, Gestik und Körperhaltung (non-verbal)<br />
und Tonfall, Tonhöhe und Sprachtempo (paraverbal). Hinzu kommt, dass man heute weiß,<br />
dass nicht der Sprecher (Sender) die Bedeutung seiner Mitteilung bestimmt, sondern in<br />
aller Regel der Hörer (Empfänger).<br />
Wir Menschen sind kommunikative Wesen. Eine gute Kommunikation beschert uns auch<br />
ein Mehr an Lebensqualität. Ich wünsche Ihnen viel Spaß beim Lesen dieser Ausgabe von<br />
explore:<br />
Ihr Dr. Guido Rettig, Vorsitzender des Vorstandes der <strong>TÜV</strong> NORD AG<br />
04 06<br />
07 12<br />
14<br />
Symbole. Botschaften für Eingeweihte<br />
Nur wenn Sender und Empfänger die gleiche symbolische Sprache sprechen,<br />
verstehen sie sich.<br />
Schrift – Der Schlüssel zur Vergangenheit<br />
Wie Forscher den Schriften längst versunkener Kulturen ihre Geheimnisse zu<br />
entlocken versuchen.<br />
Einsprachigkeit ist heilbar<br />
Dank besonderer Lernmethoden in wenigen Monaten mehrere Sprachen verstehen.<br />
Wanderung durch die Sprachen der Welt<br />
Welche Sprache nutzt unbestimmte Artikel, die gleich dem Zahlwort „ein“<br />
sind, und hat genau vier Fälle?<br />
Von wem lernen Kuckuckskinder ihr typisches Lied?<br />
Das bekannte „Kuckuck“ ist aus einem ganz bestimmten Grund nur sehr einfach<br />
gestrickt.<br />
„Rabäääh“ – Was Babys eigentlich sagen wollen<br />
Kurse in Babyzeichensprache helfen Eltern zu verstehen.<br />
<strong>Zurücklächeln</strong> <strong>funktioniert</strong> <strong>automatisch</strong><br />
Lächeln lässt nicht kalt. Warum Sie gleich damit anfangen sollten.<br />
Sport ist wie eine universelle Sprache<br />
Beim friedlichen Sport-Wettkampf verstehen sich Menschen aller Länder<br />
und Religionen.
INHALT<br />
explore:<br />
Jede neue Sprache ist wie ein offenes Fenster, das einen neuen Ausblick<br />
auf die Welt eröffnet und die Lebensauffassung weitet.<br />
Netzwerk<br />
Verbindungen, Kommunikation, Strukturen – hier bündeln sich an Knotenpunkten<br />
Kompetenz und Know-how für eine gut funktionierende Partnerschaft.<br />
Trommeln, Tauben, Telegrafie<br />
Nachrichten schnell zu übermitteln kann Vorteile verschaffen.<br />
Sprechen ohne Strippe<br />
Die Technik hinter dem Mobilfunk macht weiterhin rasante Fortschritte.<br />
Digitaler Rundfunk ist auf dem Vormarsch<br />
Der Zugang zur weltweiten Rundfunklandschaft durch die Digitalisierung<br />
rückt immer näher.<br />
Ich bin der Sender<br />
Podcasten – Nachrichten empfangen, wenn man sie selber möchte.<br />
Mein Computer versteht mich<br />
Fachleute schätzen, dass in spätestens zehn Jahren die letzten Hürden einer<br />
zuverlässigen Spracherkennung genommen werden.<br />
Sprachen ohne Muttersprachler<br />
Computer sind geistig beschränkte Kommunikationspartner, die logisch denken.<br />
Ins Netz gegangen<br />
Das Internet besitzt das Potenzial, viele Medien zu integrieren.<br />
Impressum<br />
explore: <strong>TÜV</strong> NORD<br />
explore: TECHNIK<br />
explore: TECHNIK<br />
explore: TECHNIK<br />
explore: TECHNIK<br />
explore: TECHNIK<br />
explore: TECHNIK<br />
explore: ZUKUNFT<br />
explore:<br />
Frank Harris<br />
(1856-1931), irischer Schriftsteller<br />
17 25 30 33<br />
35<br />
17<br />
25<br />
27<br />
30<br />
33<br />
34<br />
35<br />
38<br />
37<br />
explore: 2/2006 - 03
WISSEN Symbole. Botschaften für Eingeweihte<br />
Symbole. Botschaften<br />
für Eingeweihte<br />
Von Dr. Heiner Wolfes<br />
„Ein Wort oder ein Bild ist symbolisch, wenn es mehr enthält, als man auf den ersten Blick erkennen kann", hat der<br />
Schweizer Psychologe C. G. Jung definiert. Symbole waren die ersten Ausdrucks- und Verständigungsmittel der<br />
Menschheit. Sie sind nicht-sprachliche Zeichen der menschlichen Kommunikation. Es gibt vielfältige Möglichkeiten,<br />
diese Zeichen zu nutzen: Symbole können abstrakte Formen, natürliche Gegenstände, Tiere, Farben,<br />
Markenzeichen aber auch Gesten sein. Symbole sind die Vorstufe der Schriftzeichen. Ein Symbol ist nicht exakt<br />
definiert, es ist geradezu das Wesen eines Symbols, nicht auf einen festen Rahmen festgelegt zu sein. Hierdurch<br />
können Widersprüche vereint und Abstraktes vermittelt werden. Eine Ausnahme bilden die Symbole der<br />
Naturwissenschaftler, die zum Beispiel eindeutige Rechenvorschriften, Naturgesetze oder chemische Formeln<br />
beschreiben. Gleiches gilt für Piktogramme und Verkehrszeichen; sie sind Symbole, die kulturunabhängig und ohne<br />
Schrift Verhaltensregeln vermitteln.<br />
Ursprung der Symbole<br />
Der Ursprung des griechischen<br />
Wortes σνμβολον („zusammenwerfen“<br />
oder „das Zusammengefügte“)<br />
beruht auf einem antiken Brauch: Zwei<br />
Teile eines zerbrochenen Gegenstandes<br />
aus Holz, Ton oder eines Siegels<br />
04 - explore: 2/2006<br />
dienten als Erkennungszeichen zweier<br />
Individuen, die beim Abschied das<br />
Symbol zerbrachen, um sich später an<br />
dem von Bruchrand zu Bruchrand<br />
zusammengefügten Zeichen zu erkennen.<br />
Obwohl etwas zerbrochen<br />
wurde, vereinte es die Mitglieder einer<br />
Gemeinschaft und verlieh Macht. Die<br />
Alchimisten der Spätantike und des<br />
Mittelalters, Anhänger der Schwarzen<br />
Magie oder Freimaurer glaubten fest<br />
an die Macht ihrer Symbole.
Symbole. Botschaften für Eingeweihte WISSEN<br />
Symbole und Kulturkreis<br />
In der Mythologie werden Gegenständen<br />
symbolische Aussagen zugeordnet.<br />
Das Symbol des vierblättrigen<br />
Kleeblatts bedeutet Glück, ebenso wie<br />
das Schwein. Die Bedeutung eines<br />
Symbols ist kulturabhängig: In der jüdischen<br />
und islamischen Kultur ist das<br />
Schwein unrein und mit negativem<br />
Symbolgehalt assoziiert. Oft sind sich<br />
Kommunikationspartner nicht der versendeten<br />
Botschaft bewusst; was zu<br />
Missverständnissen der vermittelten<br />
Information führen kann, insbesondere<br />
dann, wenn das Repertoire der Bedeutung<br />
beim Sender und Empfänger<br />
nicht identisch ist. Katze und Hund verstehen<br />
sich nicht, weil für den Hund<br />
das Anheben der Pfote eine freundschaftliche<br />
Geste, für die Katze aber<br />
das Kennzeichen einer Aggression ist.<br />
Ein Hindu wird seinen Kopf schütteln,<br />
wenn er „ja“ meint, dies wird ein Europäer<br />
nicht verstehen können, weil er<br />
die gestische Symbolik des fremden<br />
Landes nicht lesen kann. Generell werden<br />
Symbole missverstanden, wenn<br />
Sender und Empfänger nicht die gleiche<br />
symbolische Sprache benutzen.<br />
Warenzeichen von Porzellanmanufakturen:<br />
Die Porzellanmanufaktur Fürstenberg an der<br />
Weser war 1708 das erste Unternehmen, dem<br />
in Europa die Produktion von Porzellan gelang.<br />
Die gekreuzten Schwerter der Porzellanmanufaktur<br />
Meissen wurden 1722 als Qualitätszeichen<br />
des weißen Goldes aus Preussen eingeführt.<br />
Das Konkurrenzunternehmen Staatlich<br />
Berlin wurde 1751 gegründet. Die Porzellanmanufaktur<br />
Rosenthal aus Bayern mit dem<br />
Gründungsjahr 1879 ist ein eher „junges“<br />
Unternehmen.<br />
Signaturen im Handwerk<br />
und Markenzeichen<br />
Aus dem Handelsbrauch, namenlose<br />
Lebensmittelprodukte mit einem Etikett<br />
auszuzeichnen, entwickelten sich<br />
Händlerverpackungen, die typisch für<br />
die jeweilige Ware wurden. Bereits im<br />
Mittelalter kennzeichneten Meisterwerkstätten<br />
die Erzeugnisse ihrer<br />
Manufaktur mit Signaturen.<br />
Bekannte Beispiele sind die gekreuzten<br />
Schwerter der Porzellanmanufaktur<br />
Meissen oder das Zepter<br />
der Staatlichen Porzellanmanufaktur<br />
Berlin.<br />
Die Weiterentwicklung der Manufaktursymbole<br />
führte zu geschützten Warenzeichen<br />
oder Logos für Industrieprodukte.<br />
Firmenlogos wie der Mercedesstern,<br />
die vier Ringe von Audi<br />
oder die Emily von Rolls-Royce sind<br />
Symbole für das Prestige einer Automarke.<br />
Die Adidas-Streifen an Turnschuhen,<br />
das Fischskelett von Fishbone oder<br />
das Krokodil von Lacoste an modischen<br />
Accessoires signalisieren, dass<br />
sich der Besitzer diese Produkte leisten<br />
kann. Markensymbole spiegeln<br />
mehr als das Ansehen einer Firma<br />
wider; der Wiedererkennungswert<br />
eines Markenzeichens ist ausschlaggebend<br />
für den Verkauf eines Produkts,<br />
weil Käufer glauben, mit dem<br />
Kauf eines Markenartikels das mit der<br />
Marke assoziierte Prestige zu erwerben.<br />
Diese Zeichen muss keiner erklären.<br />
explore: INFOBOX<br />
Gaunerzinken:<br />
Eine bis ins letzte Jahrhundert bekannte<br />
Bilderschrift bildeten die Gaunerzinken, die<br />
mit einfachen Symbolen von Vagabunden<br />
und Kriminellen an Wegweisern „Zunftgenossen“<br />
informierten. Die Bedeutung der<br />
Gaunerzinken war nur einem kleinen Kreis<br />
von Eingeweihten bekannt, die den Inhalt<br />
der Botschaft deuten konnte. Dies ist ein<br />
generelles Konzept der durch Symbole vermittelten<br />
Botschaften.<br />
Auch heute noch gibt es Gaunerzeichen an<br />
Klingelschildern.<br />
1. Gehe weiter<br />
BUCHTIPP:<br />
„Das Buch der Zeichen und Symbole“ von<br />
I. Schwarz-Winklhofer & Hans Biedermann,<br />
VFS, ISBN: 3-85365-203-4, 400 Seiten,<br />
19,90 Euro<br />
LINKS:<br />
www.kunstdirekt.net/Symbole/<br />
exkursheinzmohr.htm<br />
www.beyars.com/kunstlexikon/<br />
lexikon_8834.html<br />
2. An dieser Stelle<br />
3. Gefahr (scharfe Zähne eines Hundes)<br />
4. Bedrohung durch Schusswaffe<br />
(Mensch mit erhobenen Armen)<br />
5. Wohlstand (Mensch mit ausgestrecktem<br />
Arm und Servierbrett)<br />
explore: 2/2006 - 05
Schrift – der Schlüssel<br />
Von Dr. Doris Marszk<br />
Nicht alle Völker hatten die gleichen Vorstellungen von einer<br />
Schrift. Es gibt Alphabetschriften, Silbenschriften, Gegenstandsschriften.<br />
Finden Archäologen Steine mit unbekannten<br />
Zeichen, müssen Fachleute für Schriften erst herausfinden,<br />
ob ein Zeichen für einen Laut, eine Silbe oder ein ganzes<br />
Wort steht; danach kann die Entzifferungsarbeit beginnen.<br />
Selten haben die Entzifferer dabei solches Glück wie<br />
Jean-François Champollion, der die Inschriften des Steins<br />
von Rosette nutzen konnte, um die Hieroglyphen zu entziffern.<br />
1799 wurde während Napoleons Ägypten-Feldzug der<br />
Stein entdeckt, der mit Schriftzeichen in drei Sprachen<br />
bedeckt war: mit griechischen, demotischen, einer aus den<br />
Hieroglyphen hervorgegangenen Kursivschrift, und mit<br />
ägyptischen Hieroglyphen selbst. Man fand bald heraus,<br />
dass alle drei Texte Übersetzungen voneinander sein mussten.<br />
Damit hatte man einen Schlüssel zur Entzifferung der<br />
Hieroglyphen in der Hand.<br />
Champollion war 1799 noch ein Kind, doch keiner der<br />
damaligen Gelehrten hatte die richtige Idee zur Entzifferung.<br />
So war es Champollion, der 1821 den entscheidenden<br />
Schritt tat, indem er die Zahl der griechischen Wörter mit der<br />
Zahl der Hieroglyphen verglich. Und siehe da: Es gab etwa<br />
dreimal so viele Hieroglyphen wie griechische Wörter. Die<br />
Hieroglyphen standen also für Laute und nicht für Wörter.<br />
Seine weiteren Erkenntnisse über die Lautung der<br />
Hieroglyphen verdankte Champollion seiner Vertrautheit mit<br />
dem Koptischen, einer Sprachstufe des Ägyptischen in<br />
frühchristlicher Zeit.<br />
Auch heute sind noch nicht alle aufgefundenen Schriften früher<br />
Hochkulturen entziffert: So geben Sprache und Schrift<br />
der Induskultur in Nordwestindien bis heute Rätsel auf. Nur<br />
teilweise hat man bisher Schrift und Sprache der einst in<br />
Italien ansässigen Etrusker verstanden. Auf eine Entzifferung<br />
warten bis heute die minoischen Schriften von Kreta.<br />
Vor allem der einzigartige Diskos von Phaistos, der vor etwa<br />
100 Jahren auf Kreta gefunden wurde, gibt den Forschern<br />
Rätsel auf. Man ist sich so uneins über seine Bedeutung,<br />
dass nicht einmal Konsens darüber besteht, ob die Hieroglyphen<br />
linksläufig oder rechtsläufig gelesen werden sollen.<br />
In manchen Fällen fehlt es an genügend Schriftmaterial. Bei<br />
den minoischen Schriften ist oft nicht einmal bekannt, welche<br />
Völker sie benutzten. Zwei- oder dreisprachige<br />
Denkmäler wie der Stein von Rosette bilden eine Ausnahme.<br />
Und zu allem muss noch die zündende Idee des Entzifferers<br />
kommen.<br />
06 - explore: 2/2006<br />
WISSEN Schrift – der Schlüssel zur Vergangenheit<br />
zur Vergangenheit<br />
Wie Forscher den Schriften längst versunkener Kulturen ihre<br />
Geheimnisse zu entlocken versuchen<br />
2.<br />
Der 1799 auf Napoleons Ägypten-Feldzug<br />
entdeckte Stein von Rosette zeigt Inschriften<br />
in drei unterschiedlichen<br />
Sprachen: Der obere Teil (1.) den ägyptischen<br />
Hieroglyphentext, der mittlere (2.)<br />
den demotischen und der untere Part (3.) den griechischen Text. Trotz<br />
fehlender Stücke hat der Stein mit 762 Kilogramm, 114 Zentimeter<br />
Höhe, 72 Zentimeter Breite und 28 Zentimeter Dicke beträchtliche<br />
Maße. Wer wissen möchte, was auf dem Stein geschrieben steht, findet<br />
die Übersetzung ins Deutsche im Internet unter:<br />
www.hieroglyphen.de/gl_rosettestein_text.shtml.<br />
3.<br />
1.
Einsprachigkeit ist heilbar FORSCHUNG<br />
Ein#prachigkeit ist heilbar*<br />
„E# hatte aber alle Welt einerlei Zunge und Sprache. (...) Und sie sprachen untereinander: (...)<br />
Wohlauf, laßt un# eine Stadt und einen Turm bauen, dessen Spitze bi# an den Himmel reiche, damit<br />
wir un# einen Namen machen; denn wir werden son#t zerstreut in alle Länder. Da fuhr der Herr her-<br />
nieder, daß er sähe die Stadt und den Turm, die die Menschenkinder bauten. Und der Herr sprach:<br />
Siehe, e# ist einerlei Volk und einerlei Sprache unter ihnen allen und die# ist der Anfang ihre# Tun#;<br />
nun wird ihnen nicht# mehr verwehrt werden können von allem, wa# sie sich vorgenommen haben zu<br />
tun. Wohlauf, laßt un# herniederfahren und dort ihre Sprache verwirren, daß keiner de# andern<br />
Sprache verstehe! So zerstreute #ie der Herr von dort in alle Länder, daß sie aufhören mußten, die<br />
Stadt zu bauen. Daher heißt ihr Name Babel, weil der Herr daselbst verwirrt hat aller Länder<br />
Sprache und sie von dort zerstreut hat in alle Länder.<br />
(Die Bibel, der Turmbau zu Babel, nach der Übersetzung Martin Luthers in der revidierten Fassung von 1984, Altes Testament, 1. Mose 11)<br />
*Einsprachigkeit ist heilbar<br />
explore: 2/2006 - 07
Von Dörte Saße<br />
Ausgerechnet Afrika ist uns<br />
weit voraus, während die<br />
USA schwer hinterher hinken<br />
– was die Sprachfertigkeit<br />
ihrer Einwohner angeht. Für<br />
viele Afrikaner ist es ganz all-<br />
täglich, zu Hause eine andere<br />
Sprache zu sprechen als in<br />
der Schule, auf dem Amt<br />
oder im nächsten Dorf. Über-<br />
haupt beherrschen Bürger<br />
großer Länder meist weniger<br />
Sprachen als die der kleinen:<br />
Deutsche weniger als Dänen,<br />
Franzosen weniger als<br />
Luxemburger, Russen weni-<br />
ger als Litauer. Dabei gibt es<br />
dank neuer Lernmethoden<br />
keinen Grund, es den<br />
Afrikanern nicht nachzuma-<br />
chen. Die Mehrsprachig-<br />
keitsforschung liefert das<br />
Rüstzeug, um innerhalb<br />
weniger Monate gleich einen<br />
ganzen Schwung Sprachen<br />
verstehen zu können – ohne<br />
sie einzeln und von der Pike<br />
auf gelernt zu haben.<br />
08 - explore: 2/2006<br />
„Das <strong>funktioniert</strong> deshalb, weil Strukturen<br />
und Wortschatz zum Beispiel in<br />
den romanischen Sprachen große<br />
Gemeinsamkeiten aufweisen“, erklärt<br />
Horst Günter Klein, Romanistik-Professor<br />
an der Universität Frankfurt/<br />
Main. Nachdem seine Studenten in<br />
der Schulzeit Französisch gepaukt<br />
haben, lernen sie jetzt, sich damit viele<br />
andere romanische Sprachen zu<br />
erschließen. Nach nur einem Semester<br />
mit der EuroCom-Methode von<br />
Professor Klein verstehen sie auf<br />
Abiturniveau auch Spanisch,<br />
Italienisch, Portugiesisch, Katalanisch<br />
und Rumänisch, geschrieben und<br />
gesprochen. Und sie können einfache<br />
Sätze bilden.<br />
Nach einem Semester Abiturniveau<br />
Was auf den ersten Blick unglaublich<br />
klingt, ist bei näherem Hinschauen nur<br />
logisch: Die romanische Sprachfamilie<br />
teilt ähnliche Wörter, Struktur und<br />
Grammatik (siehe Beispiele Seite 9).<br />
Dabei geht es um das Sprechen und<br />
Schreiben lernen erst im zweiten<br />
Schritt. Zunächst ist das Hör- und<br />
Leseverstehen gefragt, darin liegt die<br />
Zukunft, meint Professor Klein – ob<br />
Menschen nun im Internet surfen oder<br />
tatsächlich auf Reisen gehen.<br />
Das sind gute Nachrichten für alle, die<br />
bisher sicher waren, für Fremdsprachen<br />
einfach unbegabt zu sein.<br />
Denn die Hirn- und die Lernforschung<br />
bestätigen: Das Lernen wird mit jeder<br />
weiteren Sprache immer einfacher.<br />
Zwar scheint die Muttersprache zunächst<br />
am leichtesten – doch schließlich<br />
verwenden die Kinder viele Jahre<br />
darauf und lernen durch Versuch und<br />
Irrtum. Erwachsene hingegen können<br />
ihre Ratio hinzunehmen und schon auf<br />
früheren Lernerfolgen aufbauen – ein<br />
nicht zu unterschätzender Vorteil,<br />
wenngleich auch Aussprache und<br />
Satzbau der spät erlernten Sprachen<br />
wohl nie so perfekt sein werden wie<br />
bei jenen aus den Kindertagen.<br />
Sprachfenster<br />
Neugeborene sind noch in der Lage,<br />
sich auf alle Sprachmelodien einzulassen<br />
und die mehr als 100 Sprachlaute<br />
der Welt zu unterscheiden, die Klicks,<br />
die Zischlaute, die Tonhöhenveränderung.<br />
Doch schon ab dem Alter von<br />
FORSCHUNG Einsprachigkeit ist heilbar<br />
zehn Monaten beschränken sie sich<br />
auf jene Sprachklänge, von denen sie<br />
täglich umgeben sind. Dann arbeiten<br />
alle Kleinkinder daran, aus dem herumwabernden<br />
Tonbrei Wörter und<br />
Satzmuster herauszufiltern und logische<br />
Strukturen und Regeln zu bilden.<br />
Dem Hirn macht es offenbar wenig<br />
aus, das gleich für mehrere Sprachen<br />
zu leisten. Zwar kommt es anfangs zu<br />
mehr Verwechslungen, doch polyglott<br />
aufwachsende Kinder finden erstaunlich<br />
schnell den Dreh, die einzelnen<br />
Sprachen voneinander getrennt zu<br />
halten.<br />
Im Hirnscan zeigt sich klar, ob jemand<br />
eine Sprache als Muttersprache oder<br />
vergleichbar früh erlernt hat – oder erst<br />
nach dem so genannten Sprachfenster,<br />
das sich im Alter von etwa<br />
sechs Jahren schließt. Neurolinguistische<br />
Untersuchungen mit dem funktionellen<br />
Magnetresonanztomografen<br />
dokumentieren auch: Die frühen<br />
Sprachen verarbeitet das Hirn in einem<br />
anderen Bereich der Großhirnrinde als<br />
die später erlernten. Allerdings liegt die<br />
Hirnaktivität für spätere Sprachen<br />
räumlich eng beieinander, offenbar bildet<br />
das Hirn tatsächlich eine Art<br />
Fremdsprachenzentrum, welches das<br />
Hinzulernen erleichtert.<br />
Mehrere Sprachen verwirren nicht<br />
Dass mehrere Fremdsprachen einander<br />
befruchten, haben auch unterschiedliche<br />
Lernstudien seit den<br />
1970er-Jahren immer wieder bestätigt.<br />
Wer schon Vorkenntnisse einer ähnlichen<br />
Sprache besaß, fand schneller<br />
Zugang zur neuen. Wer schon eine<br />
Fremdsprache gelernt hatte, konnte<br />
das Lernmuster übertragen. Trotzdem<br />
galt bisher in der Didaktik der Lehrsatz:<br />
„Mehrere Sprachen verwirren die<br />
Lernenden.“ In deutschen Schulen<br />
werden Englisch, Französisch, Latein,<br />
Spanisch, Russisch oder auch Altgriechisch<br />
deshalb zwar in unterschiedlicher<br />
Reihenfolge angeboten –<br />
immer aber im Abstand von mindestens<br />
zwei Jahren.<br />
Die Pädagogen fürchten Interferenzen<br />
durch andere Sprachen, Fehler wie „I<br />
want to become a ceiling“ für „Ich<br />
hätte gerne eine Decke“. Dabei treten<br />
solche Verirrungen, auch false friends<br />
genannt, ohnehin zu etwa zehn Prozent<br />
auf, unabhängig vom kulturellen
Einsprachigkeit ist heilbar FORSCHUNG<br />
Deutsch Französisch Spanisch Italienisch Portugiesisch Katalanisch Rumänisch<br />
Abgrund abysse/abîme abismo abisso abismo abís abis<br />
Automobil automobile automóvil automobile automóvel cotxe automobil<br />
voiture coche carro<br />
Brücke pont puente ponte ponte pont pod<br />
essen manger comer mangiare comer menjar a mânca<br />
Hase lièvre liebre lepre lebre llebre iepure<br />
Herr seigneur señor signore senhor senyor senior<br />
hervorragend excellent excelente eccelente excelente excel·lent excelent<br />
Mond lune luna luna lua lluna lunǎ<br />
Präsident président presidente presidente presidente president pres¸ edinte<br />
Schwester sœur hermana sorella irma germana sorã<br />
Wort parole palabra parola palavra paraula cuvânt<br />
Würfel dé dado dado dado dau zar<br />
wütend furieux furioso furioso furioso furios furios<br />
Zahl nombre número numero número número numar<br />
zeigen montrer mostrar mostrare mostrar mostrar a arǎta<br />
Wer versteht, wie unterschiedliche Sprachen den gleichen Laut schreiben, kann auch aus unbekannten Wörtern intelligente Schlüsse ziehen: Das<br />
französische seigneur entspricht dem spanischen señor und dem portugiesischen senhor; die Italiener nennen es signore, die Katalanen senyor und<br />
die Rumänen senior.<br />
Hintergrund und der Anzahl der zuvor<br />
erlernten Sprachen, berichtet die<br />
Anglistik-Professorin Britta Hufeisen<br />
von der TU Darmstadt. Sie hält diese<br />
Wechselwirkungen im Kopf der Lernenden<br />
für unvermeidlich. Deshalb<br />
solle man sie als große Chance<br />
begreifen und multiples Sprachenlernen<br />
gleich zur Regel machen.<br />
Der ersten Fremdsprache kommt<br />
dabei eine ganz besondere Rolle zu,<br />
und damit auch den Lehrern, so<br />
Hufeisen: Hier entscheidet sich meist,<br />
ob ein Kind sich mit Folgesprachen<br />
schwer tut oder sich für sprachbegabt<br />
hält. Beherrscht es seine Muttersprache<br />
gut? Mag es Sprachen?<br />
Entwickelt es Merkstrategien, die zu<br />
seinem Lerntyp passen – begreift es<br />
Gehörtes, Gelesenes oder Selbstgeschriebenes<br />
am besten? Und ist die<br />
Lernatmosphäre motivierend oder<br />
feindlich?<br />
Lernatmosphäre ist wichtig<br />
Im Idealfall soll den Sprachschülern<br />
klar werden, wie viele Fähigkeiten sie<br />
bereits mitbringen. Die erste Fremdsprache<br />
wird quasi zur Brückensprache<br />
für alle folgenden. Wer das<br />
Neue aktiv mit Bekanntem vergleicht,<br />
entdeckt schnell hilfreiche Parallelen<br />
und kann im Zweifelsfall geschickt<br />
raten. Das nimmt die Angst, schlägt<br />
schnell Schneisen ins Dickicht des<br />
Unbekannten. Nach diesem Prinzip<br />
nutzt EuroCom „sieben Siebe“, durch<br />
die fremde Texte zu filtern sind: Was<br />
etwa erschließt sich aus den Bildern im<br />
Umfeld, welche Worte sind international<br />
verbreitet, welche klingen wie<br />
Bekanntes, was sieht aus wie ein Verb,<br />
was könnten Vorsilben sein?<br />
„Es war wirklich faszinierend, was für<br />
einen großen Motivationsschub die<br />
Schüler bekommen“, meinte Schulleiter<br />
Karl Hildebrandt, nachdem seine<br />
Schüler aus den Klassen 10 bis 13 im<br />
hessischen Hattersheim die Methode<br />
am Italienischen ausprobiert hatten.<br />
Der Erfolg gibt Professor Klein und<br />
Forschern in ähnlichen Projekten<br />
Recht. Gleichzeitig haben zahlreiche<br />
Studien das Prinzip wissenschaftlich<br />
abgesichert. Nun ist der Multispracherwerb<br />
an zahlreichen Universitäten in<br />
Europa im Kommen, ein Teil der Inhalte<br />
findet sich auch im Internet. Erklärtes<br />
Ziel des Projekts ist aber auch die<br />
Lehrerausbildung – um künftigen<br />
Schülern schlechte Erfahrungen von<br />
vornherein zu ersparen.<br />
Brückensprachen verschaffen<br />
den Zugang<br />
Dabei widmet sich das Team neben<br />
der romanischen mittlerweile auch den<br />
germanischen und slawischen<br />
Sprachfamilien: In EuroComGerm soll<br />
die Brückensprache Englisch auch<br />
das Niederländische, Schwedische,<br />
Norwegische und Dänische erschlie-<br />
ßen; und EuroComSlav ebnet mit der<br />
Brückensprache Russisch gleich den<br />
Zugang zu 14 slawischen Sprachen,<br />
von Bosnisch und Bulgarisch über<br />
Polnisch und Sorbisch bis zu<br />
Tschechisch und Ukrainisch.<br />
Wem das schwer vorstellbar scheint,<br />
der lasse sich auf die Philosophie des<br />
Projekts ein: „Bisweilen herrscht in<br />
den europäischen Ländern noch die<br />
landläufige Meinung, Mehrsprachigkeit<br />
sei in der Welt ein Ausnahmefall.<br />
Das Gegenteil ist der Fall. Einsprachigkeit<br />
ist heute eher als ein Defizit oder<br />
gar als Krankheit zu betrachten, allerdings<br />
mit der Aussicht auf Besserung:<br />
Einsprachigkeit ist heilbar!“<br />
explore: INFOBOX<br />
LINKS:<br />
Einblicke in die EuroCom-Methode:<br />
www.eurocomcenter.com<br />
Zweisprachige Kindererziehung: www.artetv.com/de/wissenentdeckung/babel/D_27une<br />
_20langue_20_C3_A0_20l_27autre/991886,<br />
CmC=1006530.html<br />
Wie lernt man Sprachen?<br />
http://web.uni-marburg.de/fb09/igs/daf/<br />
VLEinfuehrung_htm/2.htm<br />
Sprachfamilien:<br />
http://de.wikipedia.org/wiki/Sprachfamilie<br />
Sprachen der Welt:<br />
www.weikopf.de/Sprache/sprache.html<br />
explore: 2/2006 - 09
Grammatische Eigenheiten in den Sprachen der Welt<br />
Die genaue Zahl der Sprachen der Welt ist schwierig zu<br />
bestimmen, weil sie vor allem davon abhängt, nach welchen<br />
Kriterien etwas als eigenständige Sprache gezählt<br />
wird. Wie in der Tier- und Pflanzenwelt können auch von<br />
Sprachen Familien gebildet werden. Es können sich aber<br />
Ähnlichkeiten nicht nur durch eine gemeinsame Abkunft<br />
ergeben, sondern auch durch Sprachkontakt oder<br />
dadurch, dass das menschliche Gehirn bestimmte<br />
Verarbeitungsmechanismen bevorzugt.<br />
Neu ist an dem Atlas, den das Team um Professor Dr.<br />
Martin Haspelmath erstellt hat, dass dem Buch eine CD<br />
beiliegt, die es den Nutzern ermöglicht, sich selbst gezielt<br />
auf die Suche nach grammatischen Eigenheiten zu<br />
machen. Der elektronische Atlas besteht aus einem<br />
Language-Viewer, einem Feature-Viewer und einem<br />
Composer. Im Language Viewer kann man alphabetisch<br />
nach den Sprachen suchen und kann sich von jeder<br />
Sprache anzeigen lassen, welche Merkmale von ihr<br />
bekannt sind. Der Feature-Viewer bietet die Möglichkeit,<br />
den Atlas nach Merkmalen zu durchsuchen. Man könnte<br />
etwa fragen, welche Sprachen beispielsweise den Optativ<br />
kennen (die Wunschform wie in „möge er lange leben“). Hat<br />
man beispielsweise eine Liste für Sprachen mit Optativ<br />
erhalten, könnte man sich genauer ansehen, wie dies für<br />
10 - explore: 2/2006<br />
FORSCHUNG Wanderung durch die Sprachen der Welt<br />
Wanderung durch die Sprachen<br />
der Welt<br />
Von Dr. Doris Marszk<br />
Sprachen sind in den Köpfen von Menschen entstanden. Da die Gehirnstrukturen bei allen Menschen im<br />
Wesentlichen gleich sind, müssen sich auch sprachliche Strukturen ähneln. Wie diese Ähnlichkeiten beschaffen<br />
sind, untersucht die Typologie, eine Teildisziplin der Linguistik. 1999 wurde am Max-Planck-Institut für evolutionäre<br />
Anthropologie ein Großprojekt ins Leben gerufen, in dem in einer großen Auswahl zusammengetragen wurde, was<br />
man über die Sprachen dieser Welt weiß. Es entstand der „World Atlas of Language Structures“, der 2.500 der etwa<br />
7.000 Sprachen der Welt erfasst. Kürzlich ist er als Buch und CD erschienen.<br />
„Wir konnten leider nicht alle Sprachen berücksichtigen“, erklärt Professor Dr. Martin Haspelmath, einer der<br />
Herausgeber des Sprachatlasses. „Darum haben wir uns von der Regel leiten lassen, nicht mehr europäische als<br />
außereuropäische Sprachen aufzunehmen.“<br />
eine bestimmte Sprache aussieht. Das für Linguisten interessanteste<br />
Instrumentarium dürfte jedoch der Composer<br />
sein. Hier lassen sich Merkmale kombinieren. Man könnte<br />
etwa nach Sprachen suchen, die unbestimmte Artikel<br />
haben, die gleich dem Zahlwort „ein“ sind, und genau vier<br />
Kasus haben. In dieser Abfrage gäbe es nur eine Sprache,<br />
bei der diese kombinierten Merkmale auftreten: Deutsch.<br />
Für Fachleute und „fortgeschrittene Laien“<br />
Das Hauptanliegen des Sprachatlasses ist, wie Professor<br />
Haspelmath sagt, „Ergebnisse der sprachtypologischen<br />
Forschung in allgemeinverständlicher Form für Laien und<br />
für Forscher zusammenzustellen“. Dabei räumt er ein, dass<br />
es sich schon um „fortgeschrittene Laien“ handeln muss,<br />
weil man ohne eine gewisse Kenntnis linguistischer<br />
Begrifflichkeit die Fülle der dargebotenen Informationen<br />
nicht nutzen können wird.<br />
explore: INFOBOX<br />
Im Sprachatlas lassen sich<br />
grammatische Merkmale auch<br />
auf einer Weltkarte anzeigen.<br />
In der Abbildung links ist zu<br />
sehen, welche Sprachen auf<br />
welche Weise einen bestimmten<br />
Artikel (der, die, das) haben.<br />
Manche Sprachen kommen mit<br />
einem einzigen Artikel aus, wie<br />
das Englische („the“), andere<br />
haben zwei wie das<br />
Französische („le“, „la“),<br />
manche Sprachen kennen auch<br />
gar keine bestimmten Artikel.<br />
BUCHTIPP:<br />
„The World Atlas of Language Structures“, (Book with interactive CD-<br />
ROM) von Martin Haspelmath, Matthew Dryer, David Gilund Bernard<br />
Comrie (eds.) 2005, Oxford: Oxford University Press,<br />
ISBN: 0-19-925591-1, Preis: etwa 400 Euro
Von wem lernen Kuckuckskinder ihr typisches Lied? ENTDECKUNG<br />
Von wem lernen Kuckuckskinder<br />
ihr typisches Lied?<br />
Von Cornelia Dick-Pfaff<br />
Vogelstimmen gibt es viele unterschiedliche, und lange<br />
nicht jeder kann die heimische Vogelschar anhand des<br />
Gesangs erkennen. Wenn es aber einen schier unverkennbaren<br />
Vogellaut gibt, dann ist das wohl der des<br />
Kuckucks. Mindestens genauso berühmt wie für sein<br />
Rufen ist der Vogel allerdings für die legendäre Art und<br />
Weise, wie er seine Jungen aufzieht – nämlich eigentlich<br />
überhaupt nicht. Jubelt er seine Eier doch bekanntermaßen<br />
unfreiwilligen Adoptiveltern unter und überlässt<br />
jenen die ganze Arbeit.<br />
Dieser so genannte Brutparasitismus des Kuckucks bringt<br />
eine Schwierigkeit mit sich: Da Vögel ihren Gesang<br />
gewöhnlich von ihren Eltern lernen, drängt sich im Fall des<br />
Kuckucks förmlich die Frage auf, wie der junge Kuckuck<br />
sein charakteristisches „Kuckuck“ lernen kann. Schließlich<br />
sind seine Wirtseltern wider Willen nicht seine biologischen<br />
Eltern. Sie rufen demnach auch nicht das typische<br />
„Kuckuck“, weshalb das Kuckuckskind es sich somit nicht<br />
auf die übliche Weise aneignen kann.<br />
Es muss also eine andere Möglichkeit geben, den Laut von<br />
Generation zu Generation weiterzugeben. Dies geschieht<br />
über Gene. Weil der Kuckucksruf in einem genetischen<br />
Programm gespeichert ist, sind die Rufe vieler der weltweit<br />
53 brutparasitierenden Kuckucksarten auch sehr einfach<br />
gestrickt und beschränken sich auf das simple „Kuckuck“.<br />
Der Ruf des Kuckucks ist damit ein eindrucksvolles Beispiel<br />
für die weit reichende Kontrolle, welche die Gene auf ein<br />
Individuum und sein Verhalten ausüben können. Der<br />
Einfluss des Erbguts auf ein Lebewesen geht somit weit<br />
über offensichtliche Eigenschaften wie etwa äußere<br />
Merkmale oder die Widerstandsfähigkeit gegen Krankheiten<br />
hinaus.<br />
Kuckuck!<br />
ruft’s aus dem Wald Aus Niederösterreich<br />
(1) Kuckuck, Kuckuck ruft’s aus dem Wald.<br />
Lasset uns singen, tanzen und springen.<br />
Frühling, Frühling wird es nun bald.<br />
(2) Kuckuck, Kuckuck lässt nicht sein Schrei’n:<br />
Komm in die Felder, Wiesen und Wälder.<br />
Frühling, Frühling, stelle dich ein.<br />
(3) Kuckuck, Kuckuck, trefflicher Held.<br />
Was du gesungen, ist dir gelungen.<br />
Winter, Winter räumet das Feld.<br />
Da Kuckuckskinder nicht von ihren biologischen Eltern aufgezogen<br />
werden, bekommen sie deren Gesang als Jungvögel kaum zu hören.<br />
explore: 2/2006 - 11
„Rabäääh“ –<br />
Was Babys eigentlich sagen wollen<br />
Von Cornelia Dick-Pfaff<br />
Die ersten Worte sagen Babys frühestens<br />
mit neun Monaten, die meisten<br />
mit etwa einem Jahr. Und diese reichen<br />
kaum, sämtliche Bedürfnisse zu<br />
schildern. Ganz so lange müssen sich<br />
Eltern aber nicht gedulden: Mithilfe<br />
der Babyzeichensprache können<br />
Babys ihre Wünsche schon weit früher<br />
äußern. Etwa ein halbes Jahr,<br />
bevor der Sprachapparat so weit entwickelt<br />
ist, dass Babys mit dem Sprechen<br />
beginnen, können sie ihre<br />
12 - explore: 2/2006<br />
MENSCH „Rabäääh“ – Was Babys eigentlich sagen wollen<br />
Babygebrabbel klingt oft sehr niedlich – verständlich ist es zum Bedauern der Eltern<br />
aber nicht. Und spätestens, wenn sich das entzückende Brabbeln in herzzerreißen-<br />
des Weinen verwandelt, wünschen sich alle, dass der Nachwuchs endlich äußern<br />
könnte, was ihm fehlt. Mit Babyhandzeichen können die Kleinen das schon viel<br />
früher als gedacht.<br />
Hände bereits koordiniert bewegen<br />
und so mit simplen Handzeichen rudimentär<br />
kommunizieren. „Der Alltag ist<br />
viel entspannter, wenn mein Kind nicht<br />
weinen und quengeln muss, um auf<br />
seine Bedürfnisse aufmerksam zu<br />
machen, sondern einfach das Zeichen<br />
benutzt für eine volle Windel, den<br />
Wunsch, etwas zu essen oder nach<br />
Hause zu wollen“, erklärt Vivian König,<br />
die seit einem Jahr Kurse in Babyzeichensprache<br />
gibt.<br />
Ein einfaches und logisches<br />
Konzept<br />
Zwischen dem fünften und siebten<br />
Monat können Eltern loslegen. „Sie<br />
sind immer überrascht, wie logisch<br />
und einfach das Konzept ist und wie<br />
leicht und natürlich die Zeichen in den<br />
Tagesablauf zu integrieren sind“,<br />
berichtet Vivian König. Als erste<br />
Zeichen eignen sich Gesten für alltägliche<br />
Dinge – etwa Milch oder essen.<br />
Immer wenn man das Wort sagt, zeigt
„Rabäääh“ – Was Babys eigentlich sagen wollen MENSCH<br />
Klaas zeigt ESSEN. Luca demonstriert TELEFON. Merlin gebärdet KATZE.<br />
man gleichzeitig die Geste. Wie schnell<br />
ein Baby die Zeichen versteht und<br />
wiedergibt, hängt von der individuellen<br />
geistigen und motorischen Entwicklung<br />
ab.<br />
Vorteile für beide Seiten<br />
Hierzulande noch weitgehend unbekannt,<br />
ist Babyzeichensprache in<br />
Großbritannien und Amerika verbreitet,<br />
gehört zu den gängigen Angeboten für<br />
frisch gebackene Eltern. Hörende und<br />
gehörlose Kinder werden dort häufig<br />
gemeinsam betreut. Es stellte sich heraus,<br />
dass Handzeichen der Gebärdensprache<br />
hörenden Kindern<br />
enorme Vorteile bringen: Einige<br />
Monate der Frustration bleiben<br />
erspart. Die Kleinen sind glücklich,<br />
dass sie verstanden werden, und die<br />
Das Sprachgen<br />
Von Dr. Erich Lederer<br />
Probleme beim Sprechen<br />
sind erblich<br />
Es dauert nur wenige Jahre, bis aus<br />
einem Babybrabbeln eine geschliffene<br />
Sprache mit Nebensätzen, Konjunktiven<br />
und angepasster Wortwahl wird.<br />
Die fein abgestimmten Bewegungen<br />
von Zunge, Kiefer und Kehlkopf lernen<br />
wir – anders als beim Lesen ohne –<br />
gezielte Anleitung, allein durch Nachahmung.<br />
Die Anlage zum Sprechen liegt in<br />
unseren Genen. Eines mit dem Namen<br />
FoxP2 scheint dabei eine Schlüsselrolle<br />
zu spielen. Ist seine Struktur nur<br />
ein klein wenig verändert, gibt es<br />
große Probleme beim Erlernen der<br />
Muttersprache. Weil Eltern solche<br />
Fehler in ihrem Erbgut auch an ihre<br />
Kinder weitergeben, entdeckten<br />
Forscher vor etwa fünf Jahren die<br />
Bedeutung von FoxP2. Das Gen<br />
bestimmt aber nicht etwa die Form<br />
der Zungenmuskeln oder des Kehlkopfs,<br />
sondern ist im Kleinhirn für die<br />
Produktion von Eiweißstoffen zuständig.<br />
Die Funktion dieser Proteine liegt<br />
jedoch noch im Dunkeln.<br />
Schlüssel zur menschlichen<br />
Sprache?<br />
Auch bei unseren Verwandten im<br />
Tierreich bestimmt das Gen die<br />
Verständigung untereinander: Bei<br />
Mäusen verhindert ein Defekt die<br />
Kommunikation im Ultraschallbereich.<br />
Und bei Singvögeln entscheidet es<br />
über deren Gesang. Wie Constance<br />
Scharff und ihre Kollegen vom Max-<br />
Planck-Institut für molekulare Genetik<br />
in Berlin herausfanden, wird FoxP2<br />
immer dann aktiv, wenn ein Fink oder<br />
ein Kanarienvogel sein „Lied“ lernt.<br />
Zu mehr als 99,5 Prozent ist das<br />
Eltern freuen sich, besser auf ihr Baby<br />
eingehen zu können. Die Kleinen sprechen<br />
zudem früher und erlangen einen<br />
größeren Wortschatz, viele entwickeln<br />
ein verstärktes Interesse an Büchern.<br />
Das Lernen der Gesten unterstützt<br />
damit die gesamte Sprachentwicklung.<br />
explore: INFOBOX<br />
BUCHTIPP:<br />
Kleines Wörterbuch der Babyzeichen von<br />
Vivian König, Kestner, Juli 2005, ISBN:<br />
3000159312, 130 Seiten, 17,50 Euro<br />
Englisch: Baby Sign Language Basics von<br />
Monta Z. Briant, Hay House, Januar 2004,<br />
ISBN: 1401902901, 333 Seiten, 8,49 Euro<br />
LINKS:<br />
Vivian König: Zwergensprache – mit Babys<br />
kommunizieren bevor sie sprechen können:<br />
www.babyzeichensprache.com/<br />
Englisch: Videowörterbuch der<br />
Babyhandzeichen:<br />
www.mybabycantalk.com/content/<br />
dictionary/dictionaryofsigns.aspx<br />
menschliche FoxP2-Protein mit dem<br />
der Maus oder dem Schimpansen<br />
identisch. Ob die zwei kleinen Veränderungen<br />
beim Menschen unsere<br />
Sprache zu etwas Einmaligem<br />
machen, versuchen Wissenschaftler<br />
zurzeit herauszufinden. Möglicherweise<br />
helfen ihre Ergebnisse einmal<br />
Kindern, denen das Sprechenlernen<br />
schwer fällt.<br />
explore: 2/2006 - 13
Von Dr. Erich Lederer<br />
Was der Smiley nicht kann<br />
Ein fröhliches Gesicht steckt uns an.<br />
Manchmal können wir nicht anders, als<br />
ganz einfach zurücklächeln. Als Gute-<br />
Laune-Macher ist der Smiley dem<br />
menschlichen Gesicht jedoch klar<br />
unterlegen; denn unser Gehirn erkennt<br />
nicht nur hochgezogene Mundwinkel.<br />
Es registriert auch kleine Fältchen um<br />
die Augen herum, die zu einem natürlichen<br />
ungezwungenen Lächeln dazugehören.<br />
Das antrainierte Lächeln des<br />
Versicherungsvertreters dagegen besteht<br />
meist nur aus einem freundlichen<br />
leicht geöffneten Mund.<br />
Die Laune im Gesicht des anderen<br />
ablesen und selbst darauf reagieren –<br />
14 - explore: 2/2006<br />
MENSCH <strong>Zurücklächeln</strong> <strong>funktioniert</strong> <strong>automatisch</strong><br />
<strong>Zurücklächeln</strong> <strong>funktioniert</strong><br />
<strong>automatisch</strong><br />
diese beiden Prozesse sind eng verknüpft<br />
und laufen meist unbewusst<br />
ab. Schwedische Forscher fanden vor<br />
einigen Jahren heraus, dass das Foto<br />
eines lächelnden Menschen unsere<br />
Wangenmuskulatur auch dann zucken<br />
lässt, wenn es nur für wenige hundertstel<br />
Sekunden zwischen andere Bilder<br />
eingeblendet wird.<br />
Offene Menschen lächeln<br />
eher zurück<br />
Ohne die positive innere Einstellung<br />
<strong>funktioniert</strong> die Reaktion jedoch nicht.<br />
In einer Studie zeigten Turhan Canli<br />
und seine Kollegen von der amerikanischen<br />
Stanford-Universität unlängst,<br />
dass das Gehirn geselliger und offener<br />
Menschen eher auf die einladende<br />
Mimik reagiert als das verschlossener<br />
und in sich gekehrter. Ein finsteres<br />
Gesicht ließ dagegen keine der beiden<br />
Gruppen kalt.<br />
Evolutionsforscher haben dafür eine<br />
einleuchtende Erklärung: Nur wer für<br />
einen Flirt aufgeschlossen ist, bei dem<br />
wird aus dem Blickkontakt vielleicht ein<br />
Kennenlernen. Wer aber ein grimmiges<br />
oder ängstliches Gesicht sieht, dem<br />
signalisiert sein Instinkt unabhängig<br />
von seiner Laune: Achtung Gefahr!
Sport ist wie eine universelle Sprache MENSCH<br />
Sport ist wie eine<br />
universelle Sprache<br />
Von Almut Bruschke-Reimer<br />
„Die Welt zu Gast bei Freunden“, heißt das offizielle Motto, mit dem Deutschland zur Fußballwelt-<br />
meisterschaft einlädt. Neben dem sportlichen Wettkampf soll das Großereignis auch zur Völker-<br />
verständigung beitragen, wünscht sich der Weltfußballverband. „Sport ist wie eine universelle<br />
Sprache. Sport bringt die Menschen zusammen, egal welche Herkunft, Wurzeln, religiöse Vor-<br />
stellungen oder welchen wirtschaftlichen Status sie haben“, sagt UN-Generalsekretär Kofi Annan.<br />
Viele Medien vermitteln heute leider oft<br />
ein anderes Bild: Ausschreitungen,<br />
Körperverletzungen und Rassismus<br />
scheinen gerade im Fußball an der<br />
Tagesordnung zu sein. Von Völkerverständigung<br />
ist nicht viel zu sehen.<br />
Die Fokussierung mancher Medien auf<br />
Skandale verschiebt jedoch die<br />
Relationen, glaubt Politikwissenschaftler<br />
Uli Jäger vom Institut für<br />
Friedenspädagogik in Tübingen. Das<br />
Bild ist verzerrt, die Gewaltbereitschaft<br />
wird dramatisiert. Hooligans beispielsweise<br />
nutzen die Medienaufmerksamkeit,<br />
um sich in Szene zu setzen.<br />
Fast nie handelt es sich bei den<br />
Schlägern um wirkliche Sportfans,<br />
sondern um Gewalttouristen, hat die<br />
Hooligan-Forschung herausgefunden.<br />
Welches Land spielt und gewinnt, ist<br />
Nebensache. Was zählt, ist die<br />
Aussicht auf medienwirksame<br />
Randale.<br />
Viele sehr erfolgreiche Aktionen für<br />
Völkerverständigung im Sport geschehen<br />
dagegen ohne große Publicity<br />
eher im Verborgenen. So hatte die UN,<br />
von der deutschen Öffentlichkeit fast<br />
unbemerkt, 2005 das „Internationale<br />
Jahr des Sports und der Leibeserziehung“<br />
ausgerufen. Sportinitiativen<br />
rund um den Globus brachten und<br />
bringen Menschen friedlich zusammen<br />
und halfen dabei, Vorurteile abzubauen<br />
und Minderheiten in die Gesellschaft<br />
zu integrieren.<br />
Schon heute gibt Sport beispielsweise<br />
Menschen aus Somalia und Ruanda in<br />
Flüchtlingslagern von Uganda oder<br />
Im Jahr 2000 wurde Dirk Nowitzki<br />
zum UN-Botschafter des Sports ernannt.<br />
Kenia die Möglichkeit, miteinander<br />
Spaß zu haben und dadurch zu kommunizieren,<br />
auch ohne die jeweilige<br />
Sprache zu beherrschen. Die Bundesregierung<br />
engagiert sich in Afghanistan<br />
durch Sportangebote in wieder aufgebauten<br />
Schulen, insbesondere für<br />
Frauen und Mädchen. Bereits seit<br />
Jahrzehnten kümmert sich der jetzt<br />
gegründete Deutsche Olympische<br />
Sportbund (DOSB) um die Integration<br />
der in Deutschland lebenden Ausländer.<br />
Ein anderes Völkerverständigungsprojekt<br />
nennt sich „Operation Sneaker“.<br />
Es wird von Dirk Nowitzki, Pélé und<br />
vielen anderen prominenten Sportlern<br />
unterstützt. Ziel ist es, Kindern in<br />
Krisengebieten auf der ganzen Welt<br />
durch Sport zu helfen, ihre oft traumatischen<br />
Erlebnisse zu bewältigen. Sehr<br />
erfolgreich sind die Straßenfußballprojekte<br />
der Organisation „Streetfootballworld“.<br />
Zum Sieg zählen nicht nur<br />
erzielte Tore, sondern auch das<br />
Fairplay-Verhalten der Mannschaften.<br />
Die Fußball-WM in Deutschland soll<br />
auch ein Meilenstein für den gewaltfreien<br />
Straßenfußball werden: Parallel<br />
zur WM kicken junge Straßenfußballer<br />
aus aller Welt in Berlin um den Titel.<br />
explore 2/2006 - 15
Dr. Hans-Georg Ehrhart ist stellvertretender Leiter des<br />
Zentrums für Europäische Friedens- und Sicherheitsstudien<br />
(Zeus) und wissenschaftlicher Referent am<br />
Institut für Friedensforschung und Sicherheitspolitik<br />
(IFSH) in Hamburg. Mit ihm sprach explore:-Autorin<br />
Almut Bruschke-Reimer darüber, ob Sport zum friedlichen<br />
Miteinander, zur Völkerverständigung gar beitragen<br />
kann – trotz vieler Ausschreitungen von Fans nach meist verlorenen<br />
Wettkämpfen ihrer Idole.<br />
explore:<br />
Trägt Fußball zur Völkerverständigung<br />
bei?<br />
Dr. Hans-Georg Ehrhart:<br />
Das kann man nicht so einfach mit „ja“<br />
oder „nein“ beantworten. Rinus<br />
Michels, der Ex-Coach der Niederlande,<br />
soll gesagt haben: „Fußball ist<br />
Krieg.“ Das ist eine Übertreibung, die<br />
deshalb nicht zutrifft, weil Fußball vom<br />
Grundansatz her sehr kooperativ ist.<br />
Er basiert auf genauen Regeln. Es<br />
existieren Schiedsrichter, welche die<br />
Regeln durchsetzen und Schiedsgerichte<br />
der Verbände. Im Grunde ist<br />
man im Fußball hier sogar viel weiter<br />
als in der internationalen Politik. In<br />
Ruanda beispielsweise hat der<br />
Deutsche Rudi Gutendorf einige Jahre<br />
nach dem Völkermord der Hutu an<br />
den Tutsis die Nationalmannschaft<br />
betreut. Er integrierte Spieler beider<br />
Völker in seiner Mannschaft. Nach<br />
einem gewonnenen Spiel lagen sich<br />
nun alle in den Armen. Da zeigt<br />
Fußball seine versöhnende Kraft. Aber<br />
es gibt natürlich auch negative Dinge,<br />
wie die rechtsradikale Unterwanderung<br />
von Fan-Gruppen.<br />
explore:<br />
Fördert die Sprache im Fußball nicht<br />
die Aggressivität?<br />
Dr. Hans-Georg Ehrhart:<br />
Fußballreporter legen manchmal einen<br />
Sprachgebrauch an den Tag, da denkt<br />
man, es herrsche Krieg. Da wird<br />
„niedergemacht“, „gebombt“ und „geschossen“.<br />
Dennoch ist das nicht wei-<br />
16 - explore: 2/2006<br />
explore: INTERVIEW<br />
„Fußball ist globale<br />
Kommunikation“<br />
ter schlimm, denn es verläuft spielerisch.<br />
Fußball dient insbesondere bei<br />
Länderspielen als Ventil. Die Kämpfe<br />
werden sozusagen symbolisch auf<br />
dem Fußballfeld ausgetragen. Doch da<br />
ist alles geregelt, und es gibt Sicherheitszäune.<br />
Das ist ein großer Fortschritt,<br />
denn vor wenigen Jahren<br />
bekriegte man sich in Europa noch auf<br />
dem Schlachtfeld.<br />
explore:<br />
Wieso spielt in vielen Teilen der Welt<br />
gerade Fußball und nicht beispielsweise<br />
Leichtathletik eine so große<br />
Rolle als Mittler zwischen den<br />
Kulturen?<br />
Dr. Hans-Georg Ehrhart:<br />
Fußball ist ein Massenphänomen.<br />
Fußball kennt jeder und jeder hat<br />
schon mal Fußball gespielt – inzwischen<br />
zunehmend auch Frauen und<br />
Mädchen. Das war schon so, bevor es<br />
Massenmedien wie den Fernseher<br />
gab. Das Fernsehen hat das nur verstärkt.<br />
Fußball ist globale Kommunikation,<br />
denn Millionen, wenn nicht<br />
gar Milliarden Menschen schauen sich<br />
die gleichen Spiele an.<br />
explore:<br />
Vielen Dank für das Gespräch.<br />
MENSCH Sport ist wie eine universelle Sprache<br />
Fans beim Uefa-Cup-Halbfinale Valencia<br />
gegeg Villarreal.<br />
explore: INFOBOX<br />
Lebensretter Fußball<br />
Bagdad im Jahr 2003 während des<br />
Irakkriegs: Eine Gruppe aggressiver junger<br />
Männer umzingelt Zeitungsreporter Gustavo<br />
Sierra und seine Kollegen. Die Bedroher halten<br />
Knüppel schlagbereit in den Händen. Sie<br />
fordern US-Dollars und die Fotoapparate der<br />
Journalisten. „Wir haben keine Dollars. Wir<br />
sind aus Argentinien“, versucht Sierra zu<br />
erklären. „Argentinien? Maradona!“ Die Iraker<br />
sind begeistert. Plötzlich werden aus erbitterten<br />
Feinden die besten Freunde. Mit vielen<br />
guten Wünschen trennt man sich. Fußball hat<br />
uns gerettet, sagt Gustavo Sierra.<br />
LINKS:<br />
Operation Sneaker:<br />
www.operationsneaker.com/de<br />
Streetfootballworld - Straßenfußball für<br />
Toleranz:<br />
www.streetfootballworld.org/index_html/de<br />
Fußball gegen Rassismus in Europa:<br />
http://de.farenet.org
Unser Netzwerk<br />
Verbindungen, die Kunden nutzen<br />
17 - explore: 2/2006
<strong>TÜV</strong> NORD NETZWERK<br />
Mehr zu den mit �� gekennzeichneten<br />
Themen unter:<br />
www.tuev-nord.de/explore<br />
Kontakt:<br />
Volker Klosowski<br />
vklosowski@<br />
tuev-nord.de<br />
0201 825-2569<br />
„Mit über 800 Auditoren<br />
verfügt <strong>TÜV</strong> NORD CERT<br />
über einen großen Pool von<br />
erfahrenen Fachleuten aus<br />
unterschiedlichen<br />
Branchen.“<br />
Ein weiterer Meilenstein im Neuaufbau<br />
der <strong>TÜV</strong> NORD Gruppe ist gesetzt:<br />
Die Zertifizierungsaktivitäten<br />
sind jetzt in der Gesellschaft <strong>TÜV</strong><br />
NORD CERT gebündelt. „Mit dieser<br />
Fusion innerhalb des Konzerns ist<br />
eine leistungsfähige Gesellschaft mit<br />
einem deutlich erweiterten Portfolio<br />
entstanden“, freut sich Geschäftsführer<br />
Volker Klosowski, der im Vorstand<br />
der <strong>TÜV</strong> NORD Gruppe für<br />
die Geschäftsbereiche Zertifizierung<br />
und International verantwortlich<br />
zeichnet.<br />
Ziel von <strong>TÜV</strong> NORD CERT ist es,<br />
Kunden bei ihren komplexen Aufgaben<br />
zu unterstützen, bei Veränderungsprozessen<br />
kompetent zu begleiten<br />
und nach innovativen Lösungen<br />
zu suchen. „Service, Innovation<br />
sowie attraktive Produkte wie<br />
unsere Bausteine für die Luftfahrtund<br />
Lebensmittelindustrien stehen<br />
bei uns im Mittelpunkt, darüber hinaus<br />
gehören Produktprüfungen zum<br />
Portfolio“, beschreibt Klosowski die<br />
Aufgaben: „Hier sind wir besonders<br />
stark bei Investitionsgütern, explosionsgeschützten<br />
Geräten, Medizinprodukten<br />
und Spielgeräten.“<br />
explore: 2/2006 - 18<br />
Kontakt:<br />
Prof. Dr. jur. Elmar<br />
Giemulla<br />
egiemulla@<br />
tuev-nord.de<br />
030 22679300<br />
„Die gewaltigen Umstrukturierungen<br />
in der europäischen<br />
Zivilluftfahrt werden<br />
ohne Einbindung kompetenter<br />
Partner aus der Privatwirtschaft<br />
nicht zu bewältigen<br />
sein.“<br />
Während der Internationalen Luft- und<br />
Raumfahrtausstellung in Berlin vom<br />
16. bis zum 21. Mai wird die <strong>TÜV</strong><br />
NORD Gruppe erstmals ihr neues<br />
Geschäftsfeld Aviation auf einem eigenen<br />
Stand der breiten Öffentlichkeit<br />
vorstellen. „Dank unserer besonderen<br />
Nähe zu Luftfahrtunternehmen, Flughafenbetreibern,<br />
Herstellern, Logistik-<br />
Dienstleistern sowie zu Wartungsund<br />
Instandhaltungsunternehmen<br />
können wir übergreifende und nachhaltige<br />
Lösungen anbieten“, beschreibt<br />
Professor Dr. Elmar Giemulla<br />
die Aufgabe, die er als Branchenmanager<br />
übernommen hat. Der 55-<br />
Jährige ist seit über 25 Jahren<br />
Spezialist für Luftverkehr und Luftverkehrsrecht<br />
und lehrt an der<br />
Technischen Universität Berlin die<br />
<strong>TÜV</strong> NORD CERT hat über 200<br />
Mitarbeiter und hält etwa 120 nationale<br />
und internationale Akkreditierungen<br />
sowie freiwillige Prüfstandards<br />
in Personal-, Produkt- und<br />
Systemzertifizierung. <strong>TÜV</strong> NORD<br />
CERT ist einer der größten international<br />
tätigen Zertifizierer in<br />
Deutschland. „Aviation“: Die <strong>TÜV</strong> NORD Gruppe startet mit neuem Geschäftsfeld durch.<br />
Fächer Luft- und Weltraumtechnik/<br />
Luftverkehrspolitik sowie Luftverkehrsmanagement/Unternehmensrecht.<br />
„Mit Professor Giemulla konnte ein<br />
Fachmann gewonnen werden, der<br />
unseren hoch gesetzten Anforderungen<br />
an einen Branchenmanager<br />
mehr als gerecht wird“, freut sich<br />
Volker Klosowski, der in der Geschäftsführung<br />
der <strong>TÜV</strong> NORD<br />
Gruppe die Geschäftsbereiche<br />
Zertifizierung und International verantwortet.<br />
Die gewaltigen Umstrukturierungen<br />
in der europäischen Zivilluftfahrt,<br />
so Klosowski weiter, werden<br />
ohne Einbindung kompetenter Partner<br />
aus der Privatwirtschaft nicht zu bewältigen<br />
sein. Die <strong>TÜV</strong> NORD Gruppe<br />
kann sowohl für die EASA im Bereich<br />
Safety Auditierungs-, Zertifizierungsund<br />
Trainingsaufgaben übernehmen<br />
als auch die nationalen Luftfahrtämter<br />
in Europa bei der Umsetzung komplexer<br />
Anforderungen im Bereich Security<br />
unterstützen und entlasten. ��
Kontakt:<br />
Axel Müller<br />
axmueller@<br />
tuev-nord.de<br />
0201 825-2918<br />
„Das <strong>TÜV</strong> NORD Qualitätssiegel<br />
für die Campo Aktiv-<br />
Arena schafft mehr Sicherheit<br />
für Hallenspielplätze an<br />
365 Tagen im Jahr.“<br />
Hallenspielplätze erfreuen sich steigender<br />
Beliebtheit. Über 250 dieser<br />
Freizeit-Oasen gibt es in Deutschland<br />
schon. Seit November 2005 übernimmt<br />
<strong>TÜV</strong> NORD Systems in Ko-<br />
operation mit dem Verband Deutscher<br />
Hallenspielplätze (VDH) die Überwachung<br />
der Anlagen mit ihren Hüpfburgen,<br />
Trampolinanlagen, Kletterlandschaften,<br />
Skaterparcours und<br />
Hochseilgärten. Die Campo Aktiv-<br />
Arena in Hannover-Anderten hat jetzt<br />
als erster Hallenspielplatz das <strong>TÜV</strong><br />
NORD Qualitätssiegel erhalten. „Die<br />
Sicherheit und das Wohlbefinden<br />
unserer Gäste stehen bei uns an<br />
oberster Stelle. Die Fachleute von<br />
<strong>TÜV</strong> NORD Systems helfen uns, dies<br />
an 365 Tagen im Jahr umzusetzen“,<br />
sagt Jens Ahlbrand, Geschäftsführer<br />
der Campo Aktiv-Arena.<br />
Nach dem Rahmenvertrag zwischen<br />
<strong>TÜV</strong> NORD Systems und dem VDH<br />
können die VDH-Mitgliedsbetriebe<br />
ihre Einrichtungen und Spielgeräte<br />
jährlich von den <strong>TÜV</strong>-Fachleuten nach<br />
einem einheitlichen Standard überprüfen<br />
lassen. „Bei diesen Inspektionen<br />
geht es um den betriebssicheren<br />
Zustand der Spielgeräte, um Verletzungsgefahren<br />
der Benutzer wei-<br />
Zertifikatsvergabe im Hochseilgarten:<br />
Jens Ahlbrand (vorn) und Axel Müller.<br />
testgehend auszuschließen“, erklärt<br />
Axel Müller von <strong>TÜV</strong> NORD Systems.<br />
Zusätzlich zur Hauptinspektion sehen<br />
die Richtlinien eine tägliche Sichtkontrolle<br />
der Geräte sowie eine operative<br />
Inspektion pro Quartal vor, um<br />
Schäden rechtzeitig zu erkennen.<br />
Mängel muss der Betreiber innerhalb<br />
einer angemessenen Frist beheben.<br />
Erst dann wird das begehrte Zertifikat<br />
von <strong>TÜV</strong> NORD Systems verliehen.<br />
<strong>TÜV</strong> NORD NETZWERK<br />
Kontakt:<br />
Dr. Harald Bosse<br />
hbosse@tuev-nord.de<br />
040 8557-2677<br />
„Wir laden Sie ein, sich am<br />
28. Juni bei uns über die<br />
neue Kommunikationstechnik<br />
VoIP zu informieren.“<br />
Eine neue Technik hält Einzug in die<br />
Unternehmen. Eine Kommunikationstechnik,<br />
die unser Leben vereinfachen,<br />
die Kosten senken und<br />
ansonsten die gewohnten Vorteile<br />
der alten Technik beibehalten soll:<br />
Voice over IP (VoIP). Aber wird das<br />
Telefonieren über das Internet genauso<br />
sicher sein wie mit dem herkömmlichen<br />
Telefon? Ist der Datenschutz<br />
und die Vertraulichkeit gewährleistet?<br />
Immerhin geht es hier<br />
um Grundrechte. Welche Vorteile<br />
bietet VoIP den Unternehmen? Und<br />
was sollten sie vor der Einführung<br />
der neuen Technik beachten?<br />
Die <strong>TÜV</strong> NORD Akademie in<br />
Hamburg wird diesen und weiteren<br />
Fragen in einer Informationsveranstaltung<br />
am Mittwoch, 28. Juni,<br />
auf den Grund gehen. IT-Fachleute<br />
und Juristen erläutern die Vor- und<br />
Nachteile der Erfolg versprechenden<br />
Technik und vertiefen Aspekte<br />
der Sicherheit und Wirtschaftlichkeit.<br />
Angesprochen sind außer IT-<br />
Verantwortlichen und Geschäftsführern<br />
auch alle am Thema interessierten<br />
Personen.<br />
Übrigens: Aufgrund der großen<br />
Nachfrage wird die <strong>TÜV</strong> NORD<br />
Akademie ihr Bildungsangebot im<br />
Bereich IT- und Datensicherheit<br />
erweitern. Für den Zertifikatslehrgang<br />
„Datenschutzbeauftragter<br />
<strong>TÜV</strong>“ wurden auf Kundenwunsch<br />
für das zweite Halbjahr 2006 zusätzliche<br />
Termine aufgenommen.<br />
Weitere Informationen gibt es unter<br />
www.tuevnordakademie.de/<br />
seminare.<br />
19 - explore: 2/2006
<strong>TÜV</strong> NORD NETZWERK<br />
„Um sich Wettbewerbsvorteile<br />
zu verschaffen,<br />
gewinnt die Ausrichtung<br />
der IT-Service-Prozesse<br />
nach ITIL und eine<br />
Zertifizierung nach ISO<br />
20000-1 immer mehr an<br />
Bedeutung.“<br />
Wie gut sind IT-Dienstleistungen im<br />
Unternehmen? Ist die IT-Organisation<br />
in der Lage, die Geschäftsabwicklung<br />
im Unternehmen wirksam<br />
zu unterstützen? Ist sie zukunftsfähig<br />
und sicher? Liefert sie den richtigen<br />
Service zur richtigen Zeit? Wer<br />
als Unternehmer diese Fragen nicht<br />
sicher beantworten kann, sollte über<br />
eine Bewertung seiner IT-Organisation<br />
nachdenken, eine anschließende<br />
Zertifizierung nach ISO 20000<br />
eingeschlossen. Das gilt erst recht,<br />
wenn er externe IT-Dienstleistungen<br />
einkauft.<br />
„Die Ausrichtung der IT-Service-<br />
Prozesse nach ITIL (IT Infrastructure<br />
Library) sowie eine Zertifizierung<br />
nach ISO 20000-1 wird für IT-<br />
Dienstleister künftig immer mehr an<br />
Bedeutung gewinnen, um sich<br />
Wettbewerbsvorteile zu verschaffen,<br />
prognostiziert Uwe Spindler, der bei<br />
<strong>TÜV</strong> NORD CERT national und<br />
international besonders bei Unternehmen<br />
der IT-Branche tätig ist.<br />
ISO 20000 ist als Nachfolger der<br />
BS 15000 der erste weltweite<br />
Zertifizierungsstandard für das IT<br />
Service Management.<br />
Auch externe IT-Dienstleister profitieren<br />
von einem Zertifikat. Sie können<br />
ihre Außendarstellung verbessern<br />
und so zusätzliche Kunden<br />
gewinnen. Ein Zertifikat ist drei<br />
Jahre gültig, bei jährlichen Überwachungsaudits.<br />
Eine Kombination mit<br />
anderen Managementsystemen wie<br />
QMS, ISMS und UMS ist möglich.<br />
explore: 2/2006 - 20<br />
Kontakt:<br />
Uwe Spindler<br />
uspindler@<br />
tuev-nord.de<br />
0201 825-3625<br />
Kontakt:<br />
Hans-Günter Seewald<br />
hseewald@<br />
tuev-nord.de<br />
0511 986-2500<br />
„Die neue Norm ISO 22000<br />
bietet eine Chance, die<br />
unterschiedlichen Normen<br />
für die Zertifizierung von<br />
Lebensmitteln und deren<br />
Herstellungsprozessen zu<br />
vereinheitlichen.“<br />
Die Herstellung von Lebensmitteln<br />
unterliegt strengen Kontrollen, etwa<br />
nach dem Hygiene-Standard HACCP<br />
(Hazard Analysis and Critical Control<br />
Points), der weltweit als wichtige<br />
Grundlage von Managementsystemen<br />
akzeptiert ist. Doch es gibt keinen<br />
einheitlichen Standard, wenn es um<br />
die Zertifizierung der Prozesse geht.<br />
Die Folge: Unternehmen, die auf<br />
unterschiedlichen Märkten agieren,<br />
benötigen gleich mehrere Zertifizierungen.<br />
So haben sich bei Handelsmarkenherstellern<br />
der International<br />
Food Standard (IFS) und der<br />
BRC Global Standard Food (British<br />
Retail Consortium) durchgesetzt.<br />
„Eine mehrfache Zertifizierung nach<br />
unterschiedlichen Standards bringt<br />
aber keinen mehrfachen Qualitätsgewinn“,<br />
kritisiert Hans-Günter Seewald,<br />
Mitglied der Geschäftsführung von<br />
<strong>TÜV</strong> NORD CERT. Aus seiner Sicht<br />
bietet nur die neue Norm ISO 22000<br />
eine Chance, die unterschiedlichen<br />
Normen für die Zertifizierung von<br />
Lebensmitteln und deren Herstellungsprozessen<br />
zu vereinheitlichen.<br />
<strong>TÜV</strong> NORD CERT ist dabei<br />
bereits heute in der Lage, nach der<br />
neuen Norm zu auditieren und zu zer-<br />
Sichere Lebensmittel durch strenge<br />
Zertifizierungsstandards.<br />
tifizieren. Eine entsprechende<br />
Akkreditierung wird in Kürze erwartet.<br />
„Wir haben ein großes Know-how im<br />
Lebensmittelsektor“, sagt Seewald.<br />
„Mit dieser Akkreditierung werden wir<br />
eine der ersten Zertifizierungsgesellschaften<br />
sein, die ISO 22000-Zertifikate<br />
auf der Grundlage einer international<br />
anerkannten Zertifizierung<br />
anbieten kann.“ ��<br />
Kontakt:<br />
Christine Flöter<br />
cfloeter@tuev-nord.de<br />
0521 786-346<br />
Kontakt:<br />
Jörn Voß<br />
jvoss@tuev-nord.de<br />
0201 825-3411<br />
„Immer mehr Betriebe spüren<br />
den Marktdruck, sich<br />
nach dem GMP-Standard<br />
zertifizieren zu lassen, sich<br />
einem Futtermittelsicherheitssystem<br />
zu unterstellen.“<br />
Futtermittel sind in Deutschland mit<br />
einem Wert von etwa zehn Milliarden<br />
Euro das bedeutendste landwirtschaftliche<br />
Betriebsmittel. Der Bedarf liegt<br />
bei etwa 66 Millionen Tonnen jährlich,<br />
was etwa dem achtfachen des Getreideverbrauchs<br />
für die menschliche<br />
Ernährung entspricht. Ohne eine qualitätsorientierte<br />
Erzeugung der Futtermittel<br />
entstehen nicht nur erhebliche<br />
wirtschaftliche Schäden, sondern<br />
auch Umweltbelastungen.<br />
Über die „Gute Herstellungspraxis“<br />
(Good Manufacturing/Managing<br />
Practice, GMP) oder die „Gute landwirtschaftliche<br />
Praxis“ (GAP) sind<br />
Kriterien aufgestellt worden, um die<br />
Lebensmittel-Futtermittel-Kette besser<br />
zu schließen. Im Fokus steht dabei ein<br />
System zur Produktion qualitativ und<br />
hygienisch „sicherer“ Futtermittel, die<br />
letztendlich den Endverbrauchern Vertrauen<br />
in sichere Lebensmittel geben<br />
sollen.
„Wir setzen hoch qualifizierte Auditoren<br />
ein, damit Betriebe im Falle einer<br />
bestehenden Zertifizierung auch noch<br />
mit einem vertretbaren Mehraufwand<br />
die zusätzlichen Anforderungen abdecken<br />
können“, resümiert Christine<br />
Flöter von <strong>TÜV</strong> NORD CERT. „Immer<br />
mehr Betriebe spüren den Marktdruck,<br />
sich nach dem GMP-Standard zertifizieren<br />
zu lassen, sich einem Futtermittelsicherheitssystem<br />
zu unterstellen.“<br />
Der GMP-Standard wurde vom niederländischen<br />
Marktverband für Tierfutter<br />
(PDV) entwickelt. Im vergangenen<br />
Herbst hatte sich PDV mit anderen<br />
Standardinhabern wie beispielsweise<br />
Q+S in Deutschland auf einen<br />
einheitlichen und europaweit gültigen<br />
Standard für Einzelfutter geeinigt.<br />
Nachdem in den vergangenen Jahren<br />
viele Standards bezüglich der Lebensund<br />
Futtermittelsicherheit entstanden<br />
waren, ist dies der Versuch einer Harmonisierung<br />
und gegenseitiger Anerkennung<br />
im Rahmen der Zertifizierungen.<br />
Dies trägt bei Herstellern<br />
sicher zu einer besseren Übersicht im<br />
„Standarddschungel“ bei, ohne das<br />
hohe Niveau des Futtermittelsicherheitssystems<br />
zu beeinträchtigen.<br />
Kontakt:<br />
Barbara Meyer<br />
bmeyer@tuev-nord.de<br />
040 8557-2150<br />
„Als erste deutsche<br />
Zertifizierungsgesellschaft<br />
hat jetzt <strong>TÜV</strong> NORD CERT<br />
von der Schweizer Akkreditierungsstelle<br />
SAS eine<br />
OHSAS-Akkreditierung<br />
erhalten.“<br />
Mehr und mehr Unternehmen wünschen<br />
sich zertifizierte Arbeitsschutzmanagement-Systeme<br />
mit akkreditierten<br />
Zertifikaten. Dafür gibt es viele<br />
Gründe: Wenn weniger Unfälle geschehen<br />
und weniger Schäden auftreten,<br />
kommt es zu weniger Ausfallzeiten;<br />
das trägt zum wirtschaftlichen<br />
Erfolg der Unternehmen bei. Immer<br />
mehr internationale Konzerne nutzen<br />
daher Arbeitsschutzmanagement-<br />
Systeme nach OHSAS 18001, um<br />
weltweit die Risiken in ihren<br />
Produktionsstandorten zu minimieren.<br />
Auch in Deutschland wächst die<br />
Nachfrage nach OHSAS-18001-<br />
Zertifizierungen stetig.<br />
Als erste deutsche Zertifizierungsgesellschaft<br />
hat jetzt <strong>TÜV</strong> NORD CERT<br />
von der Schweizer Akkreditierungsstelle<br />
SAS eine OHSAS-Akkreditierung<br />
erhalten. SAS hat bei der Akkreditierung<br />
hohe Anforderungen an die Qualifikation<br />
der OHSAS-Auditoren, die bei<br />
<strong>TÜV</strong> NORD CERT erfahrene Fachleute<br />
für Arbeitssicherheit sind, und an das<br />
Zertifizierungsverfahren gelegt.<br />
„Kunden sind bei der Zertifizierung von<br />
Arbeitsschutzmanagement-Systemen<br />
qualitätsbewusst“, erklärt Barbara<br />
Meyer von <strong>TÜV</strong> NORD CERT. „Bisher<br />
ist eine Akkreditierung nach OHSAS<br />
18001 in Deutschland nicht möglich,<br />
nun können wir auch diese Nachfrage<br />
befriedigen.“ Schon seit 2001 bietet<br />
das Unternehmen Zertifizierungen<br />
nach diesem Standard an.<br />
Das Kürzel OHSAS steht für<br />
Occupational Health and Safety<br />
Assessment Series; OHSAS 18001<br />
wurde als Leitfaden von unterschiedlichen<br />
internationalen Normungsinstituten<br />
und Zertifizierungsgesellschaften<br />
entwickelt.<br />
Derzeit ist OHSAS 18001 das einzige<br />
Arbeitsschutzmanagementsystem mit internationaler<br />
Bedeutung. Es ermöglicht eine systematische<br />
und kontinuierliche Verbesserung<br />
des Sicherheitsstandards sowohl in der<br />
Arbeitssicherheit als auch in der Anlagensicherheit<br />
durch umfassende Prävention.<br />
<strong>TÜV</strong> NORD NETZWERK<br />
Kontakt:<br />
Joachim Friedrich<br />
isms@tuev-nord.de<br />
0201 825-3264<br />
„Künftig können verantwortliche<br />
IT-Mitarbeiter von<br />
Unternehmen zur Rechenschaft<br />
gezogen werden.“<br />
Die Informationstechnik gewinnt in<br />
nationalen und internationalen Geschäftsprozessen<br />
zunehmend an<br />
Bedeutung. Doch mit der Abhängigkeit<br />
von IT-Anwendungen steigen<br />
auch die Risiken dramatisch an –<br />
und es wächst der Bedarf an einem<br />
systematischen Schutz, der rund um<br />
die Uhr zuverlässig <strong>funktioniert</strong>. „Die<br />
Lösung dieses Problems ist ein auf<br />
den jeweiligen Bedarf zugeschnittenesInformationssicherheits-Management-System,<br />
kurz ISMS“, empfiehlt<br />
Joachim Friedrich, Leiter der Zertifizierungsstelle<br />
ISMS bei <strong>TÜV</strong> NORD<br />
CERT. Idealerweise ist ein solches<br />
ISMS mit bestehenden Systemen<br />
vernetzt, also mit Qualitäts-, UmweltoderArbeitsschutz-Managementsystemen.<br />
„Wir stehen unseren<br />
Kunden als unabhängiger Dritter für<br />
Zertifizierungen zur Seite, unsere<br />
internationale Reputation und<br />
Akkreditierungen in unterschiedlichen<br />
Zertifizierungsbereichen helfen uns<br />
bei unserer Arbeit“, so Joachim<br />
Friedrich. Zwei wichtige Gründe<br />
sprechen aus seiner Sicht für die<br />
Einführung eines ISMS: „Künftig können<br />
verantwortliche Mitarbeiter von<br />
Unternehmen zur Rechenschaft<br />
gezogen werden, wenn auf IT-Sicherheitslücken<br />
basierende Haftungsansprüche<br />
erhoben werden. Zudem<br />
wird IT-Sicherheit in Unternehmen<br />
auch im Rahmen von Basel-II-<br />
Ratings bei Kreditvergaben künftig<br />
stärker gewichtet.“<br />
Wie gut das ISMS von <strong>TÜV</strong> NORD<br />
CERT am Markt angenommen wird,<br />
zeigen Kunden wie der größte tschechische<br />
Mobilfunkanbieter Eurotel, T-<br />
Online oder das größte asiatische IT-<br />
Unternehmen Tata Consultancy Services<br />
(TCS). Aber auch nationale kleinere<br />
und mittelständische Unternehmen<br />
unterschiedlicher Branchen<br />
zählen zu den Kunden. ��<br />
21 - explore: 2/2006
<strong>TÜV</strong> NORD NETZWERK<br />
explore: 2/2006 - 22<br />
Kontakt:<br />
Rainer Hagemann<br />
rhagemann@<br />
tuev-nord.de<br />
0511 986-1339<br />
„1.000 „exotische“ Automodelle<br />
in unserer Datenbank<br />
verhelfen vielen<br />
importierten Fahrzeugen<br />
ohne Typgenehmigung zur<br />
Zulassung.“<br />
Wer importierte Fahrzeuge in der<br />
EU zulassen will, greift immer öfter<br />
auf den Im- und Exportservice von<br />
<strong>TÜV</strong> NORD Mobilität zurück.<br />
Mehrere tausend Wagen kommen<br />
im Monat in deutschen Häfen aus<br />
Übersee an, Tendenz steigend.<br />
Doch viele importierte Fahrzeuge<br />
haben in Europa keine Typgenehmigung.<br />
Zugelassen werden<br />
können sie in Europa nur mit einer<br />
Einzelgenehmigung oder einem<br />
Exportgutachten – am besten mit<br />
einem Gutachten von <strong>TÜV</strong> NORD<br />
Mobilität.<br />
Die Fachleute gehen eine Checkliste<br />
durch und vergleichen Werte<br />
wie Geschwindigkeit, Geräuschund<br />
Abgasverhalten, Motorleistung,<br />
Hubraum und Reifengröße<br />
mit einer Datenbank, die<br />
mehr als 1.000 „exotische“ Modelle<br />
verzeichnet. „Die technischen<br />
Daten sind gesichert, reproduzierbar<br />
und justiziabel“, konstatiert<br />
Rainer Hagemann, dessen Team<br />
aus neun geschulten Sachverständigen<br />
im Einsatz ist, um vor<br />
Ort Fahrzeuge zu begutachten.<br />
Doch in der Regel reicht der Blick<br />
in die Datenbank und eine Durchsicht,<br />
um eine schnelle Zulassung<br />
zu gewährleisten. Das hilft den Importeuren<br />
und freut die Besitzer.<br />
„Nur wirklich neue Modelle und<br />
spezielle Motorisierungen müssen<br />
zur Grundmessung nach Hannover“,<br />
sagt Hagemann. ��<br />
Kontakt:<br />
Vadim Gudoshnik<br />
tnd@tuev-dieks.com<br />
+38 0562 368704<br />
Kontakt:<br />
Horst-Lorenz Halllinger<br />
hallinger@<br />
tuevnordmpa.de<br />
03461 434477<br />
„Mit den speziellen Sonden,<br />
die in Wirbelstromprüfungen<br />
eingesetzt werden, kommen<br />
wir bei der Fehlersuche<br />
weiter als bei den anderen<br />
Verfahren.“<br />
Vadim Gudoshnik von <strong>TÜV</strong> NORD<br />
Dieks in Dnepropetrovsk (Ukraine) hat<br />
es meist mit Korrosion in Rohren zu<br />
tun. Ursache sind oft Materialeinschlüsse.<br />
Dann zirkuliert das Wasser<br />
im Rohr nicht richtig. Es kommt zu<br />
unterschiedlichen Sauerstoffkonzentrationen<br />
an unterschiedlichen Stellen.<br />
Das Rohr rostet und wird dünn. Mit<br />
Wirbelstromprüfungen lassen sich<br />
diese Probleme frühzeitig erkennen<br />
und Schäden oder Totalausfälle vermeiden.<br />
<strong>TÜV</strong> NORD Dieks bietet das<br />
Verfahren vor allem Raffinerien an. Die<br />
<strong>TÜV</strong>-Fachleute können mithilfe der<br />
Wirbelstromprüfung Risse in der<br />
Oberfläche von Materialien erkennen,<br />
die Dicke von Schichten und auch<br />
Materialeigenschaften bestimmen.<br />
„Es gibt auch andere Verfahren, um<br />
Oberflächenfehler aufzuspüren“,<br />
erklärt Vadim Gudoshnik von <strong>TÜV</strong><br />
NORD Dieks. „Aber mit den speziellen<br />
Sonden, die in Wirbelstromprüfungen<br />
eingesetzt werden, kommen wir weiter,<br />
als bei den anderen Verfahren.“ In<br />
Deutschland kommen Wirbelstromprüfungen<br />
der <strong>TÜV</strong> NORD Gruppe<br />
häufig in Zuckerfabriken zum Einsatz.<br />
Auch in der Luftfahrtindustrie und bei<br />
Herstellern von Wärmetauschern und<br />
Rohren wird die Technik nachgefragt.<br />
Zirkuliert das Wasser im Rohr nicht richtig, wird mit Wirbelstromprüfungen der Fehler gesucht.
Kontakt:<br />
Ralf Middelhauve<br />
rmiddelhauve@<br />
tuev-nord.de<br />
0201 825-2678<br />
„Wir schaffen Vertrauen<br />
durch 130 Jahre Wissensmanagement.“<br />
Wenn es um Erdgas-Kavernenspeicher<br />
geht, ist Ralf Middelhauve von<br />
<strong>TÜV</strong> NORD Systems mit dabei: Zusammen<br />
mit seinem Team betreut er<br />
solche Anlagen. „Im Inneren der Erde<br />
ist das Gas auf bis zu 200 bar komprimiert,<br />
mindestens 30 bar Druck muss<br />
in der Kaverne herrschen. Da ist<br />
sicherheitstechnisches Know-how<br />
gefragt“, sagt Middelhauve, der in<br />
nationalen und internationalen Gremien<br />
mitwirkt und viele Beiträge in<br />
Fachbüchern geschrieben hat. Daher<br />
nutzen viele Unternehmen seine Expertise,<br />
nicht nur in Deutschland, obwohl<br />
hierzulande der Schwerpunkt der<br />
Tätigkeiten liegt.<br />
Drei Beispiele: Bei Xanten am Niederrhein<br />
und in Epe bei Gronau betreiben<br />
unter anderem Ruhrgas und RWE Gas<br />
seit den 1980er Jahren mehrere große<br />
Kavernenspeicheranlagen, die seitdem<br />
fast kontinuierlich erweitert werden.<br />
Ein weiterer Betreiber solcher Anlagen<br />
in Deutschland ist das niederländische<br />
Unternehmen Essent, das ebenfalls<br />
auf das Know-how von <strong>TÜV</strong> NORD<br />
Systems setzt. Hinzu kommen neue<br />
Beratungs- und Begutachtungsaufträge<br />
für weitere Kavernenspeicherprojekte<br />
unter anderem der Firmen<br />
Nuon und Trianel.<br />
Die Arbeit der Fachleute von <strong>TÜV</strong><br />
NORD Systems ist dabei nicht ganz<br />
ungefährlich. Rund 1.100 Meter tief<br />
unter der Erde wird das Gas in kugelförmigen<br />
Erdgaskavernen mit einem<br />
Sicherheit für Erdgasspeicher.<br />
Durchmesser von etwa 75 Metern eingelagert.<br />
Oberirdisch müssen an den<br />
Übergabestationen alle Verbindungen<br />
dicht sein, es darf kein Gas entweichen.<br />
„Explosionsschutz ist ein wichtiges<br />
Thema“, betont Middelhauve.<br />
Doch der Fachmann baut auf seine<br />
langjährige Erfahrung. „Unsere Auftraggeber<br />
vertrauen unserem Sachverstand,<br />
den wir als Unternehmen in<br />
über 130 Jahren Geschichte aufgebaut<br />
haben. Das nimmt uns keiner.“��<br />
Kontakt:<br />
Jürgen Richters<br />
jrichters@tuev-nord.de<br />
0511 986-1789<br />
„Unsere Dienstleistung stellt<br />
sicher, dass Ihre gesamte<br />
eingesetzte Sicherungstechnik<br />
sinnvoll aufeinander<br />
abgestimmt ist.“<br />
Wirtschaftsspionage, Einbruch, Vandalismus,<br />
Diebstahl: Unternehmen<br />
sind ständig vielen Gefahren ausgesetzt.<br />
Hier bietet <strong>TÜV</strong> NORD EnSys<br />
Hannover Rat und Hilfe an. „Wir kümmern<br />
uns um Einbruchmelde- und<br />
Zutrittsanlagen, um die mechanische<br />
Sicherungstechnik, aber auch um Interventionsmaßnahmen,<br />
die mit der<br />
Polizei oder Wach- und Sicherheitsunternehmen<br />
vereinbart werden“, betont<br />
Jürgen Richters von <strong>TÜV</strong> NORD<br />
EnSys Hannover. Zusammen mit seinem<br />
Team verfügt Richters über reichlich<br />
Erfahrung im Objektschutz.<br />
Deshalb rät er seinen Kunden, angemessene<br />
und aufeinander abgestimmte<br />
Sicherungs- und Schutzmaßnahmen<br />
zu treffen. „Eine völlig überzogene<br />
Sicherungstechnik ist dabei wegen<br />
hoher Kosten genauso verkehrt, wie<br />
ein zu laxer Umgang mit der Gefahr“,<br />
so Richters. Die Analyse des Gefährdungspotenzials<br />
beginnt immer mit<br />
einer Begehung des zu sichernden<br />
Gebäudes oder Geländes. Dann wird<br />
die Sicherungstechnik vor Ort gründlich<br />
begutachtet und auf Basis einer<br />
Risikoanalyse bewertet. „Unsere<br />
Dienstleistung stellt sicher, dass die<br />
gesamte eingesetzte Sicherungstechnik<br />
aufeinander abgestimmt ist<br />
und alle aufgedeckten Schwachstellen<br />
beseitigt sind.“<br />
<strong>TÜV</strong> NORD NETZWERK<br />
Kontakt:<br />
Roger Koch<br />
rokoch@tuev-nord.de<br />
040 8557-2317<br />
„Wenn fundierte Anlagenuntersuchungen,<br />
wie bei<br />
Dampfkesseln, mit einer<br />
Garantie verbunden werden<br />
können, ist das Risiko für<br />
Unternehmen kalkulierbar.“<br />
Wenn Produktionsbetriebe umrüsten,<br />
Anlagen erweitern oder die Produktionsprozesse<br />
verändern, stehen<br />
sie oft vor der Frage, ob der vorhandene<br />
Dampfkessel langfristig verfügbar<br />
ist oder eine Investition beispielsweise<br />
in neue Brenner lohnt. „Mit<br />
unserem Know-how aus der Anlagenprüfung<br />
können wir bis zu zehn<br />
Jahre nach vorn schauen und die<br />
Restlebensdauer des Kesselkörpers<br />
bestimmen“, sagt Roger Koch von<br />
<strong>TÜV</strong> NORD Industrieberatung.<br />
„Damit erhalten Betreiber eine solide<br />
Basis für ihre Investitionsentscheidungen.“<br />
Mithilfe rechnerischer Verfahren<br />
und zerstörungsfreier Prüfungen<br />
wie Wanddickenmessungen,<br />
Oberflächenrissprüfungen oder<br />
Materialgefügeuntersuchungen lassen<br />
sich altersbedingte Schäden<br />
früh erkennen.<br />
Besonderer Vorteil für den Kunden:<br />
<strong>TÜV</strong> NORD Industrieberatung arbeitet<br />
mit einem Versicherungsmakler<br />
zusammen, der nach Abschluss<br />
einer Zustandsbewertung und Ermittlung<br />
der Restlaufzeit eine Garantie<br />
auf die von <strong>TÜV</strong> NORD Industrieberatung<br />
ermittelten Werte gibt.<br />
Mit der Resonanz auf die Zustandsbewertung<br />
samt der angebotenen<br />
Garantie ist man bei <strong>TÜV</strong> NORD<br />
Industrieberatung sehr zufrieden.<br />
Roger Koch: „Wenn fundierte Anlagenuntersuchungen<br />
mit einer<br />
Garantie verbunden werden können,<br />
ist das Risiko für das Unternehmen<br />
kalkulierbar.“<br />
23 - explore: 2/2006
<strong>TÜV</strong> NORD NETZWERK<br />
„Mit einer Vermittlungsquote<br />
von bis zu 80 Prozent<br />
bei weiterqualifizierten IT-<br />
Fachleuten liegen wir bis zu<br />
30 Prozent über der von<br />
den Arbeitsagenturen<br />
geforderten Quote.“<br />
Die Informationstechnologie verändert<br />
sich rasant. Auch das Berufsbild<br />
der IT-Fachleute hat sich in den<br />
vergangenen Jahren stark verändert.<br />
„Neben dem Fachwissen sind zunehmend<br />
auch betriebswirtschaftliche<br />
Kenntnisse und Soft Skills gefragt“,<br />
stellt Melanie Braunschweig,<br />
IT-Projektkoordinatorin der RW<strong>TÜV</strong>-<br />
Akademie, fest.<br />
Die Einrichtung qualifiziert derzeit<br />
etwa 100 arbeitslos gewordene IT-<br />
Fachleute in Münster, Unna, Dortmund<br />
und Essen. Die Weiterqualifizierung<br />
erstreckt sich über sechs bis<br />
zwölf Monate. Innerhalb dieser Zeit<br />
absolvieren die Teilnehmer Praktika<br />
mit einer Dauer von bis zu drei<br />
Monaten, frischen ihr IT-Fachwissen<br />
auf, lernen Präsentationstechnik,<br />
das Kalkulieren von Angeboten und<br />
den Umgang mit Mitarbeitern. „Sehr<br />
häufig sind die Unternehmen, die<br />
unsere Teilnehmer aufnehmen, an<br />
einer späteren Übernahme interessiert“,<br />
freut sich Braunschweig. Sie<br />
ist stolz auf die Vermittlungsquote<br />
von bis zu 80 Prozent. Die Arbeitsagenturen<br />
fordern eine Quote von<br />
mindestens 50 Prozent. „Mit unserem<br />
Angebot liegen wir offenbar<br />
goldrichtig“, so die Projektkoordinatorin.<br />
Das bestätigt auch Marcus<br />
Preuße, EDV-Koordinator beim<br />
ADAC Westfalen. Dort hatte man<br />
kürzlich einen Teilnehmer der<br />
RW<strong>TÜV</strong>-Akademie als Netzwerkadministrator<br />
eingestellt. Preuße:<br />
„Der neue Mitarbeiter verfügt über<br />
ein sehr fundiertes Wissen und eine<br />
schnelle Auffassungsgabe.“<br />
explore: 2/2006 - 24<br />
Kontakt:<br />
Melanie Braunschweig<br />
mbraunschweig@<br />
tuev-nord.de<br />
02303 96110-17<br />
Kontakt:<br />
Vladimir Matviyenko<br />
vmatvienko@<br />
tuev-nord.com.ua<br />
+38-062-382-60-24<br />
„In der Ukraine gewinnen<br />
Umwelt- und Risikomanagement<br />
an Bedeutung, und wir<br />
sind einer der Vorreiter in<br />
diesem Segment.“<br />
<strong>TÜV</strong> NORD Ukraina hat die ersten<br />
Umweltmanagementsysteme nach<br />
ISO 14001:2004 und Risikomanagementsysteme<br />
nach HACCP-Standard<br />
zertifiziert. „Sowohl Umwelt- als auch<br />
Risikomanagement gewinnen in der<br />
Ukraine an Bedeutung, und wir sind<br />
einer der Vorreiter in diesem Segment“,<br />
erklärt Vladimir Matviyenko von<br />
<strong>TÜV</strong> NORD Ukraina.<br />
Zertifikatübergabe in Donezk: QM-Managerin<br />
der Firma Lik Jelena Achnorskaya,<br />
Dr. Dmitrij Tursunov, Direktor von <strong>TÜV</strong> NORD<br />
Ukraina, Natalya Grigoryeva, QM- und<br />
HACCP-Auditorin von <strong>TÜV</strong> NORD Ukraina.<br />
Eines der ersten Zertifikate nach ISO<br />
14001:2004 hat das Nikopoler Werk<br />
für Edelstahlrohre erhalten. „Qualität<br />
und Umweltschutz können nicht voneinander<br />
getrennt werden“ betonte die<br />
verantwortliche Managerin für den<br />
Umweltschutz des Unternehmens,<br />
Jelena Komlyk. Durch umweltfreundliche<br />
Fertigungsverfahren würden die<br />
Qualität der Produkte erhöht und die<br />
Herstellungskosten gesenkt.<br />
Die Spirituosenfabrik Lik hat ihr Risikomanagementsystem<br />
nach HACCP-<br />
Anforderungen zertifizieren lassen.<br />
Geschäftsführer Konstantin Gutin hob<br />
die hohe Professionalität des Auditorenteams<br />
hervor. Allein die Vorbereitung<br />
zur Zertifizierung habe maßgeblich<br />
dazu beigetragen, dass man das<br />
Thema Nahrungsmittelsicherheit anders<br />
bewertet und der Verbesserung<br />
von Prozessabläufen im Unternehmen<br />
mehr Aufmerksamkeit widmet.<br />
Kontakt:<br />
Rainer Winter<br />
rwinter@tuev-nord.de<br />
0201 825-3329<br />
„<strong>TÜV</strong> NORD CERT ist eine<br />
von weltweit elf Zertifizierungsstellen,<br />
die von der<br />
UNO anerkannt sind.“<br />
Klimaschutz, Emissionszertifikate,<br />
Kyoto-Protokoll: „Wir leisten unseren<br />
Beitrag zur Reduzierung des Treibhausgaseffekts“,<br />
erläutert Rainer<br />
Winter von <strong>TÜV</strong> NORD CERT. Sein<br />
Team validiert und verifiziert seit zwei<br />
Jahren internationale Treibhausgas-<br />
Minderungsprojekte. Dabei wird vor<br />
Ort untersucht und bewertet, ob ein<br />
Projekt Treibhausgase wie CO 2 und<br />
CH 4 laut den JI/CDM-Anforderungen<br />
einspart. JI steht dabei für Joint<br />
Implementation und CDM für Clean<br />
Development Mechanism. „Mehrere<br />
JI und CDM-Validierungen und Verifizierungen<br />
sind in Bearbeitung oder<br />
bereits abgeschlossen. Hierbei geht<br />
es zum Beispiel um den Brennstoffwechsel<br />
von Kohle zu biogenen<br />
Brennstoffen, sowie um Windkraftnutzung<br />
in Indien, um Kesselerneuerungen<br />
in der Mongolei oder<br />
um die Nutzung von Grubengas in<br />
Deutschland.“ Eine erfolgreiche<br />
Validierung ist Voraussetzung für eine<br />
Anerkennung der Projekte, und mit<br />
jedem geprüften Minderungsprojekt<br />
werden CO 2-Emissionszertifikate<br />
generiert, um sie an anderer Stelle<br />
einzusetzen. So können beispielsweise<br />
europäische Unternehmen<br />
diese Zertifikate nutzen, um ihre Verpflichtungen<br />
im Rahmen des europäischen<br />
Emissionshandels zu erfüllen.<br />
Auch Länder wie die Niederlande,<br />
Belgien oder Österreich kaufen Zertifikate<br />
aus derartigen Projekten auf,<br />
um ihren nationalen Verpflichtungen<br />
aus dem Kyoto-Protokoll zu genügen.<br />
Initiiert werden diese Projekte meist<br />
von Unternehmen aus Europa und<br />
anderen Industrienationen wie<br />
Kanada oder Japan. Winter: „Letztlich<br />
leisten die Unternehmen durch ihr<br />
Engagement auch außerhalb Europas<br />
einen beachtenswerten Beitrag für<br />
den Klimaschutz.“ ��
Trommeln, Tauben, Telegrafie TECHNIK<br />
Trommeln, Tauben, Telegrafie<br />
Wie die Menschen sich in vergangenen Zeiten Nachrichten sandten<br />
Bis heute wird die Brieftaube zur Nachrichtenübermittlung eingesetzt. Insbesondere in Afrika nutzte man in der Vergangenheit akustische Signale.<br />
Bereits 450 v. Chr. wurde in Griechenland die Fackeltelegrafie erfunden. Die beiden Fackelzeichen links geben die Zeile zwei an, die fünf Fackelzeichen<br />
rechts weisen auf die Spalte fünf hin: Hier wird also „K“ signalisiert.<br />
Von Dr. Doris Marszk<br />
Es wird sich wohl nie mehr ermitteln<br />
lassen, wann Menschen einander<br />
zum ersten Mal eine Nachricht über<br />
große Entfernungen zukommen ließen.<br />
Doch sicher ist, dass es bereits<br />
vor Jahrtausenden geschehen ist.<br />
Einfache Signale wurden beispielsweise<br />
bereits im Trojanischen Krieg<br />
genutzt, wie durch Aischylos bekannt<br />
ist. Der Trojanische Krieg fand wiederum<br />
lange vor seiner dichterischen<br />
Beschreibung statt, vermutlich um<br />
1200 vor Christus. Durch Aischylos'<br />
Orestie erfahren wir, dass Agamemnon<br />
seiner Gattin Klytaimnestra nach der<br />
Einnahme Trojas ein Feuersignal senden<br />
ließ. Allerdings hatte er das<br />
Feuersignal vor seinem Aufbruch verabreden<br />
müssen, und es konnte auch<br />
nichts anderes kundtun als eben den<br />
vereinbarten Inhalt.<br />
Doch noch in der Antike erreichte das<br />
Nachrichtenwesen ein beachtliches<br />
Niveau. Bereits um 450 vor Christus<br />
erfanden Kleoxenos und Demokleitos<br />
eine Fackeltelegrafie, die im zweiten<br />
Jahrhundert von Polybios weiterentwickelt<br />
wurde. Sie beruht darauf, dass<br />
die Buchstaben des Alphabets mithilfe<br />
einer in fünf mal fünf Felder mit den 25<br />
Buchstaben unterteilten quadratischen<br />
Tafel in zwei aufeinander folgenden<br />
Phasen durch Fackelzeichen<br />
übermittelt werden konnten (siehe<br />
Grafik oben). Mit einer Fackel wurde<br />
die Reihe signalisiert, mit der anderen<br />
die Spalte. Über große Entfernungen<br />
ging dies natürlich nicht ohne Relaisstationen.<br />
Ein weiterer Nachteil war,<br />
dass man nun zwar jeden Text „telegrafieren“<br />
konnte, aber die Sendedauer<br />
erheblich war. Die Nachricht<br />
„100 Kreter desertiert“ hat vermutlich<br />
eine halbe Stunde gedauert, komplexere<br />
Nachrichten dauerten entsprechend<br />
länger. Neben diesen informationstechnischen<br />
Verfahren gab es<br />
auch immer die Boten in vielerlei<br />
Gestalt: Meldereiter, Patrouillen, ausgeschickte<br />
Privatsklaven sowie Reisende<br />
oder Kaufleute als Gelegenheitsboten.<br />
Man schrieb im Altertum,<br />
je nach Kultur, auf Holz- oder Metalltäfelchen,<br />
auf Tonscherben, Elfenbein,<br />
Seide, Leinen oder auch Leder.<br />
Wenn die Trommeln sprechen<br />
Außer der optischen gab es auch<br />
schon früh die akustische Nachrichtenübermittlung,<br />
etwa mittels<br />
Trommeln. In Afrika, wo diese Technik<br />
ihre Heimat hatte, sind es ganz<br />
bestimmte Trommeln, die hierbei zum<br />
Einsatz kommen. Die so genannte<br />
sprechende Trommel ist „in ganz Afrika<br />
südlich der Sahara-Wüste verbreitet“,<br />
wie Dr. Kouamé Pascal Gnamien in seiner<br />
kürzlich erschienenen Doktorarbeit<br />
über „Westafrikas Weg in die<br />
Informationsgesellschaft“ beschreibt.<br />
„Die Nachrichten, die durch die sprechende<br />
Trommel übermittelt werden,<br />
kann man als wortsprachliche Texte<br />
begreifen, die in den jeweiligen Stammesdialekten<br />
abgefasst sind. Für die<br />
Signalisierung der einzelnen Silben der<br />
zu sendenden Wörter existieren in jeder<br />
Sprache besondere Trommelalphabete.“<br />
Allen frühen Nachrichtenübermittlungsverfahren<br />
ist eigen, dass sie nicht für<br />
den privaten Gebrauch bestimmt sind.<br />
Das hat manchmal, bei der Fackeltelegrafie<br />
zum Beispiel, etwas damit zu<br />
tun, dass die Verfahren zu aufwändig<br />
sind, um etwa Grüße vom Sohn im<br />
Heerlager an die Eltern zuhause zu<br />
„telegrafieren“. Aber auch das römische<br />
cursus publicus (Postinstitut) für<br />
den Brief- und Depeschenverkehr, das<br />
es seit Kaiser Augustus gab, stand<br />
nicht der allgemeinen Bevölkerung zur<br />
explore: 2/2006 - 25
Verfügung. Ebenso stand der afrikanische<br />
Trommler nur in den Diensten seines<br />
Häuptlings oder Königs. Der<br />
Trommler war nur Erfüllungsgehilfe.<br />
Vom Text der zu trommelnden<br />
Botschaft auch nur ein Jota abzuweichen,<br />
war ihm bei Todesstrafe untersagt.<br />
Darum prägten sich die Trommler<br />
die Botschaften genau ein und behielten<br />
sie auch noch lange nach ihrer<br />
aktuellen Aussendung im Gedächtnis.<br />
Später gaben sie diese Botschaften an<br />
die nächste Trommler-Generation weiter,<br />
wodurch sie gewissermaßen ein<br />
lebendes Archiv bilden. So seien noch<br />
heute Trommler zu finden, so Dr.<br />
Gnamien, die Nachrichten aus der Vor-<br />
Kolonialzeit im Gedächtnis bewahrt<br />
haben.<br />
Während Trommeln oder Feuerzeichen<br />
eine vorhandene Sprache wie<br />
Griechisch, Latein oder afrikanische<br />
Dialekte in optische oder akustische<br />
Signale umsetzten, ist das Silbo<br />
Gomero Sprache und Signal zugleich.<br />
Silbo Gomero ist eine Pfeifsprache, die<br />
Schäfer auf den Kanarischen Inseln,<br />
vor allem auf Gomera, nutzten, um<br />
sich über große Entfernungen hinweg<br />
zu verständigen. Diese alte Verständigungsmethode<br />
existiert bis heute, ist<br />
jedoch jetzt vom Aussterben bedroht.<br />
Dass Silbo Gomero eine eigene<br />
Sprache ist wie Deutsch oder<br />
Chinesisch, haben David Corina von<br />
der University of Washington und<br />
Manuel Carreiras von der Universidad<br />
de la Laguna erst Anfang 2005 in einer<br />
in der Zeitschrift „Nature“ erschienenen<br />
Studie nachgewiesen.<br />
Der Heimkehrinstinkt der Taube<br />
Um Entfernungen von mehreren hundert<br />
Kilometern nachrichtentechnisch<br />
schnell zu überwinden, machte man<br />
sich bereits in der Antike die Brieftaube<br />
zunutze. Die Taube hat einen Heimkehrinstinkt.<br />
Dadurch wurde sie vor<br />
allem bei militärischen Aktionen mit<br />
großen Truppenbewegungen interessant:<br />
Die Tauben musste man von<br />
ihrem heimatlichen Schlag zum so<br />
genannten Auflassort mitnehmen. An<br />
diesem Ort, von dem sie losfliegen sollten,<br />
band man ihnen kleine Zettel an<br />
die Füße und ließ die Taube in die<br />
Heimat fliegen. Eine Brieftaube fliegt, je<br />
nach Windverhältnissen, zwischen 60<br />
und 120 Kilometer pro Stunde. Je<br />
26 - explore: 2/2006<br />
nach Zuchteigenschaft kann sie zwischen<br />
200 und 1.200 Kilometer überwinden.<br />
Der Vorteil gegenüber optischen<br />
und akustischen Signalen war,<br />
dass die fliegende Taube einfach als<br />
Vogel wahrgenommen wurde und<br />
nicht als Nachrichtenmedium. Der<br />
Nachteil war: Man konnte nur so viele<br />
Nachrichten schicken, wie man vorher<br />
Tauben an den Auflassort gebracht<br />
hatte. Bis zu den Weltkriegen spielte<br />
die Brieftaube jedoch eine wichtige<br />
Rolle bei der Übermittlung militärischer<br />
Nachrichten.<br />
Vom Zeigertelegrafen<br />
zum Morsealphabet<br />
Doch in der Neuzeit hatte man schon<br />
wieder an weiteren technischen Möglichkeiten<br />
zur Nachrichtenübermittlung<br />
gearbeitet. Der Franzose Claude<br />
Chappe baute Ende des 18. Jahrhunderts<br />
einen Zeiger-Telegrafen,<br />
bestehend aus einem hohen Mast mit<br />
einem beweglichen Flügel. An dessen<br />
Morseschreibtelegraf. Mit elektrischer Spannung<br />
Buchstaben zu kodieren, ist das Grundprinzip<br />
der elektrischen Telegrafie.<br />
Enden befand sich jeweils ein etwa<br />
halb so langer drehbarer Seitenflügel,<br />
der über eine Scheibe durch Seilzüge<br />
bewegt wurde. Mit diesem Apparat<br />
konnten bis zu 196 unterschiedliche<br />
Figuren gebildet werden. Im Interesse<br />
eines eindeutigen und sicheren Ablesens<br />
wurden allerdings nur 98 Figuren<br />
verwendet. Über 20 Zwischenstationen<br />
war es möglich, kurze Nachrichten<br />
von Paris nach Lille über eine<br />
Entfernung von 270 Kilometern innerhalb<br />
von zwei Minuten zu übertragen.<br />
Doch erst mit der Nutzung der<br />
Elektrizität konnte ein Telegraf entwickelt<br />
werden, der schnell arbeitete und<br />
keine riesigen Vorrichtungen erforderte.<br />
Der deutsche Arzt Samuel Thomas<br />
von Sömmering nutzte Erfindungen<br />
von Galvani und Volta. Luigi Galvani<br />
TECHNIK Trommeln, Tauben, Telegrafie<br />
hatte 1780 gezeigt, dass durch die<br />
Elektrizität der Informationsfluss in den<br />
Nerven ermöglicht wird, und Graf Volta<br />
hatte die erste elektrische Batterie mit<br />
Hilfe von Galvanis Erkenntnissen entwickelt.<br />
So erfand Sömmering 1809<br />
einen elektrochemischen Telegrafen.<br />
Beim Sender wurde eine Spannung an<br />
den zu übertragenden Buchstaben<br />
angelegt, und in diesem Augenblick<br />
stiegen bei der Empfängerstation in<br />
einem Glasbehälter, der mit Wasser<br />
gefüllt war, an dem entsprechenden<br />
Buchstaben Gasblasen auf. Ein Prinzip<br />
war geboren: Mithilfe elektrischer<br />
Spannung werden Buchstaben markiert.<br />
Doch für Sömmerings Apparat<br />
waren 35 Drähte (für alle Buchstaben<br />
und Satzzeichen) nötig, und auf große<br />
Entfernungen war dies sehr teuer. Erst<br />
die Kenntnis und Nutzung des<br />
Elektromagnetismus brachte eine<br />
Vereinfachung. Mithilfe eines Elektromagneten<br />
und einer Hebelvorrichtung<br />
konnten Stromkreise einfach geöffnet<br />
und geschlossen werden. Nun brauchte<br />
man nur noch einen endlosen<br />
Papierstreifen, der durch die<br />
Vorrichtung lief, und einen Schreibstift.<br />
Wird der Stromkreis geschlossen, zieht<br />
der Elektromagnet den Schreibstift an,<br />
der Stift wird auf das Papier gedrückt.<br />
Bei geöffnetem Stromkreis geht der<br />
Stift in die Ausgangsposition zurück.<br />
Je nachdem, ob der Stromkreis lang<br />
oder kurz geschlossen wird, entstehen<br />
Punkte oder Striche auf dem Papier.<br />
Das ist das Prinzip, das Samuel Morse<br />
in der Mitte des 19. Jahrhunderts entwickelt<br />
hatte.<br />
Doch noch fünfzig weitere Jahre dauerte<br />
es, bis für die Übermittlung der<br />
Morse-Nachricht keine Drähte mehr<br />
benötigt wurden. Guglielmo Marconi<br />
erkannte 1896 die Tauglichkeit der von<br />
Heinrich Rudolf Hertz entdeckten<br />
Radiowellen für die drahtlose Nachrichtenübermittlung.<br />
Damit wurde das<br />
Problem des aufwändigen Leitungsbaus<br />
gelöst, und die Morse-Telegrafie<br />
konnte nun auch unter extremen<br />
Bedingungen genutzt werden. Zwar<br />
begann zeitgleich das Telefon der<br />
Telegrafie den Rang abzulaufen; doch<br />
bis heute ist die Morse-Telegrafie als<br />
letzte handbetriebene digitale Übertragungstechnik<br />
in einigen Situationen,<br />
wo ein einfacher Funkverkehr nötig ist,<br />
in Gebrauch.
Sprechen ohne Strippe TECHNIK<br />
Sprechen ohne Strippe<br />
Die Technik hinter dem Mobilfunk<br />
Von Jan Oliver Löfken<br />
Am 17. Juni 1947 begann die Ära des Mobilfunks: Von einem Auto aus konnten Bewohner von<br />
St. Louis in Missouri erstmals schnurlos telefonieren. Die Funkstation des amerikanischen<br />
Unternehmens AT&T war noch so schwer, dass sie nur für einen Festeinbau in der Limousine<br />
taugte. 1958 folgte in Deutschland das erste „öffentliche bewegte Landfunknetz A“. Gut 10.000<br />
Teilnehmer leisteten sich die 16 Kilogramm schweren und umgerechnet 7.500 Euro teuren<br />
Autotelefone. Knapp 50 Jahre später haben fast 90 Prozent der Deutschen ein Handy und tele-<br />
fonieren mühelos und rauschfrei in alle Welt.<br />
Das Rückgrat der schnurlosen Anschlüsse<br />
bilden Tausende von Funkzellen.<br />
Wie Bienenwaben überziehen<br />
sie das Land und überlappen an ihren<br />
Rändern. Die Idee dieses zellulären<br />
Aufbaus eines Funknetzes wurde erstmals<br />
1985 beim so genannten<br />
C-Netz im Frequenzbereich um 450<br />
Megahertz umgesetzt. Dieses Mobilfunknetz<br />
der ersten Generation, kurz<br />
1G genannt, stieß mit etwa 800.000<br />
Nutzern in den 1990er-Jahren an seine<br />
Kapazitätsgrenzen und wurde im Jahr<br />
2000 abgestellt.<br />
Der nötige Generationswechsel zum<br />
GSM-System (Global System for Mobile<br />
Communications, 2G) vollzog sich<br />
1992 und kann heute den Massenmarkt<br />
von weit über 60 Millionen<br />
Handybesitzern allein in Deutschland<br />
bedienen. Die in Europa entwickelte<br />
GSM-Technologie zählt zu den erfolgreichsten<br />
Technikstandards überhaupt.<br />
Er wird in knapp 200 Staaten<br />
für den Betrieb von fast 700 Mobilfunknetzen<br />
verwendet. Etwa 1,6 Milliarden<br />
Menschen telefonieren mobil mit<br />
GSM-Geräten, und täglich kommen<br />
etwa eine Million Neukunden hinzu.<br />
In Deutschland bildet GSM die technische<br />
Grundlage für die D- und E-Netze.<br />
Über 50.000 Basisstationen mit<br />
Sendeleistungen zwischen 10 und 25<br />
Watt bauen, aufgestellt auf Hausdächern,<br />
Schornsteinen, Funkmasten<br />
und Kirchturmspitzen, das engmaschige<br />
Wabennetz auf. Nur mit einer<br />
geschickten Netzplanung können die<br />
Betreiber störungsfreie Telefonate<br />
garantieren. Auf Bahnhöfen, Messegeländen<br />
und Flughäfen mit vielen<br />
Nutzern misst eine Mikro-Funkzelle<br />
gerade mal 100 Meter im Durchmesser,<br />
in Städten zwischen 500 und<br />
5.000 Metern. Großzellen für die<br />
Versorgung ländlicher Bereiche können<br />
auf bis zu 20 Kilometer Größe<br />
anwachsen.<br />
Single-, Duo-, Tri-Band:<br />
Frequenzvielfalt<br />
Der Ablauf eines Telefonats ist trotz<br />
unterschiedlicher Frequenzbereiche in<br />
Europa, Asien oder den USA immer<br />
gleich. Um einige dieser gängigen<br />
Frequenzbänder nutzen zu können,<br />
muss das Handy entsprechend ausgestattet<br />
sein. Heute gehört das so<br />
genannte Tri-Band-Gerät für die drei<br />
Bereiche bei 900, 1.800 (Europa,<br />
Asien) und 1.900 Megahertz (Amerika)<br />
zum Standard.<br />
Wählt der Handynutzer nun eine<br />
Nummer, werden diese Daten digitalisiert<br />
und auf die jeweilige Trägerfrequenz<br />
aufgeprägt. Das geschieht<br />
durch eine gezielte Modulation der<br />
Phasen der einzelnen Funkwellen. Von<br />
der Basisstation einer Funkzelle aufgefangen,<br />
werden diese Verbindungsdaten<br />
genauso wie die digitalisierten<br />
Worte während eines Gesprächs an<br />
eine Vermittlungsstelle weitergeleitet.<br />
Mit dieser ist jede Basisstation entweder<br />
per Richtfunk oder durch eine<br />
feste Kabelleitung verbunden. Die<br />
Vermittlungsstelle erkennt, ob das<br />
Gespräch ins Festnetz oder an einen<br />
Mobilfunkteilnehmer in einer anderen<br />
Funkzelle weitergeleitet werden muss.<br />
Einloggen und Orten<br />
Von zentraler Bedeutung ist dabei der<br />
permanente Kontakt eines Handys zu<br />
einem Funkmast. Auch bei aufgelegtem<br />
Hörer loggt sich das Telefon quasi<br />
ins Mobilfunknetz ein. Die dabei<br />
genutzte Funkzelle wird direkt an die<br />
explore: 2/2006 - 27
Vermittlungsstelle weiter gegeben,<br />
auch wenn sie sich beispielsweise bei<br />
schneller Autofahrt innerhalb kürzester<br />
Zeit ändert. Dieses Einloggen, das<br />
nebenbei auch zu einer Ortung des<br />
jeweiligen Handys mit einer Genauigkeit<br />
von bis zu 100 Metern, abhängig<br />
von der Größe der Funkzelle,<br />
geeignet ist, spielt auch im Ausland<br />
eine entscheidende Rolle. Über das so<br />
genannte Roaming klinkt sich ein<br />
Handy auch in fremde Netzwerke ein.<br />
Die jeweilige Vermittlungsstelle, ganz<br />
gleich ob in Italien oder Neuseeland,<br />
erhält die Nummer des Geräts und<br />
gibt diese Information an die Vermittlungsstelle<br />
des jeweiligen Heimnetzes<br />
weiter. So bleibt der Handynutzer<br />
weltweit mit der gleichen<br />
Nummer erreichbar. Allerdings lassen<br />
sich Fremdnetze diesen Roaming-<br />
Service mit nicht gerade geringen<br />
Entgelten bezahlen.<br />
28 - explore 2/2006<br />
Fließen über eine Standard-GSM-Verbindung<br />
gerade mal 9,6 Kilobit pro<br />
Sekunde, kann diese Datenrate für<br />
mobiles Surfen oder E-Mail-Versand<br />
mit der so genannten GPRS-Technik<br />
(General Packet Radio Service) auf<br />
57,6 Kilobit pro Sekunde erhöht werden.<br />
Den gleichen GSM-Frequenzbereich<br />
nutzend, wird bei GPRS keine<br />
feste Leitung wie beim Telefonat geknüpft,<br />
sondern die digitalen Daten<br />
werden, in einzelne Pakete verpackt,<br />
über die verfügbaren Kanäle gesendet.<br />
Auf einer vergleichbaren Technik<br />
baut auch der Datentransfer des<br />
Internets auf.<br />
Mobile Datenraten jenseits der<br />
1.000 Kilobit-Hürde<br />
Zurzeit werden in Deutschland 384<br />
Kilobit pro Sekunde erreicht; noch<br />
höhere Datenraten mit bis zu 1.920<br />
Kilobit pro Sekunde bietet die dritte<br />
Mobilfunkgeneration (3G). Diese in<br />
Sprechen ohne Strippe TECHNIK<br />
Die ersten Mobiltelefone waren unhandlich, nutzten aber das Frequenzband um 450 MHz, das durch ein besseres Beugungsverhalten der Wellen<br />
im Prinzip eine höhere Reichweite ermöglicht als die heute in Europa etablierten GSM-Frequenzen bei 900 und 1.800 MHz. Daher wird an eine<br />
Neuauflage der 450 MHz-Frequenz gedacht. Seit 2003 gibt es in Deutschland UMTS-Netze. Diese funken mit Frequenzen zwischen 1.900 bis<br />
2.200 MHz. Der zelluläre Aufbau des Funknetzes gewährleistet eine flächendeckende Verbindung für die Telefonteilnehmer. Zurzeit forscht die<br />
Industrie an einer Technik, bei der die Handys selber als Basisstation eingesetzt werden können. Der Frequenzbereich liegt hier etwa zwischen<br />
2.500 und 5.000 MHz.<br />
Deutschland seit 2003 verfügbaren<br />
UMTS-Netze (Universal Mobile Telecommunications<br />
System) funken jedoch<br />
in einem höheren Frequenzbereich<br />
(1.900 bis 2.200 Megahertz)<br />
und nutzen mit dem so genannten<br />
Wideband-CDMA eine neuere Technik<br />
zur schnellen Datenübertragung als<br />
GSM. Dabei wird das zu sendende<br />
Signal stark gespreizt, so dass es eine<br />
größere Bandbreite einnehmen kann.<br />
Das ermöglicht Videotelefonie, Breitbandsurfen<br />
und zusätzliche Informationsdienste,<br />
die weit über das einfache<br />
Telefonieren hinausgehen. Doch<br />
weltweit konnten bisher nur gut 30<br />
Millionen Kunden von den Vorteilen<br />
dieser leistungsfähigen Funkverbindung<br />
überzeugt werden. Ein wichtiger<br />
Vorteil dieser Technik liegt darin, dass<br />
die Sendeleistung der Mobilteile von<br />
ein bis zwei Watt bei GSM-Geräten auf<br />
0,125 Watt gesenkt werden könnte.<br />
Richtig zum Zuge wird UMTS spätes-
Sprechen ohne Strippe TECHNIK<br />
Werden Radioprogramme über digitale Nullen und Einsen codiert und nicht über Analog-Signale versendet, erhöht sich die Klangqualität deutlich.<br />
Heute können Radio- und Fernsehprogramme, inklusive weiterführender Videotextinformationen, deutschlandweit über Satellit in CD-Qualität<br />
empfangen werden. Über den DVB-S-Standard (Digital Video Broadcasting Satellit) wird in die privaten Haushalte gesendet. Für den Empfang ist<br />
eine Satellitenschüssel und ein digitaler Satellitenreceiver erforderlich (siehe auch Seite 30 ff).<br />
tens dann kommen, wenn im kommenden<br />
Jahrzehnt das GSM-Netz<br />
abgestellt werden könnte. Aber konkrete<br />
Zeitangaben gibt es dafür noch<br />
nicht. Die Erhöhung der Datenübertragungsrate<br />
auf 1,4 bis 5,8 Megabit<br />
pro Sekunde ist vorgesehen.<br />
Obwohl sich die UMTS-Investitionen<br />
der deutschen Netzbetreiber im zweistelligen<br />
Milliardenbereich noch lange<br />
nicht amortisiert haben, wird in den<br />
Laboren bereits an der vierten Mobilfunkgeneration<br />
geforscht. Noch einmal<br />
hundertfach schneller sollen 4G-<br />
Netze bis zu 1.000 Megabit pro Sekunde<br />
übertragen können, wie Studien<br />
im Rahmen des europäischen<br />
Winner-Projekts (Wireless World Initiative<br />
New Radio) zeigen. Erste<br />
„Handy“-Prototypen, so ausladend<br />
wie ein riesiger Kühlschrank, stehen<br />
bereits in einigen europäischen<br />
Instituten wie im 4G-Lab der finnischen<br />
Universität Oulu.<br />
4G – Die Zukunft des Mobilfunks<br />
4G könnte neben schnellen Datenraten<br />
auch das Funknetz mit seiner<br />
heutigen Wabenstruktur revolutionieren,<br />
denn über mehrere Antennen soll<br />
jedes Handy selbst auch zu einer kleinen<br />
Basisstation werden und so das<br />
4G-Netz dynamisch abhängig vom<br />
explore: INFOBOX<br />
BUCHTIPPS:<br />
„Grundkurs Mobile Kommunikationssysteme“ von Martin Sauter. Vieweg, September 2004,<br />
ISBN 3-528-05886-2, 29,90 Euro<br />
„Mobilkommunikation“ von Jochen Schiller. Pearson, München 2003, ISBN 3-8273-7060-4,<br />
39,95 Euro<br />
„GSM, Global System for Mobile Communication: Vermittlung, Dienste und Protokolle in digitalen<br />
Mobilfunknetzen“ von Jörg Eberspächer. Teubner, Stuttgart 2001, ISBN 3-519-26192-8,<br />
39,90 Euro<br />
LINKS:<br />
GSM, 2G: www.gsmworld.com, UMTS, 3G: www.3gpp.org,<br />
4G, EU-Projekt Winner: www.ist-winner.org<br />
Standort des Nutzers erweitern. Bis<br />
zur Marktreife werden mindestens<br />
noch zehn Jahre vergehen. Selbst der<br />
Frequenzbereich, in dem 4G funken<br />
soll, ist weltweit noch nicht festgelegt.<br />
Doch er wird wahrscheinlich irgendwo<br />
zwischen 2,5 und 5 Gigahertz liegen,<br />
oberhalb der UMTS-Bänder.<br />
explore 2/2006 - 29
30 - explore 2/2006<br />
TECHNIK Digitaler Rundfunk ist auf dem Vormarsch<br />
Mehr Radio- und Fernsehsender auf gleichen<br />
Frequenzen mit hoher Qualität:<br />
Digitaler Rundfunk ist auf dem<br />
Vormarsch<br />
Von Jan Oliver Löfken<br />
Kurzwelle 6.190 Kilohertz. Über diese Frequenz funkt<br />
der Sender Berlin des Deutschlandfunks über tausende<br />
Kilometer bis in den letzten Winkel Europas und darüber<br />
hinaus. Die Nachrichten erklingen allerdings in<br />
mono und sind wegen störender Nebengeräusche selten<br />
ein Hörgenuss. Zielgruppe sind informationsbegierige<br />
Deutsche im fernen Ausland. Auch hierzulande lassen<br />
sich mit wenig Aufwand und technischem Knowhow<br />
dutzende Kurzwellensender aus aller Welt empfangen.<br />
Doch die in Europa nur sehr selten gehörte<br />
Kurzwelle steht vor einem grundlegenden Wandel: Mit<br />
der Digitalisierung der Funkdaten lässt sich die<br />
Klangqualität deutlich steigern, nicht nur auf der<br />
Kurzwelle, sondern auch in allen anderen Frequenzbändern.<br />
Findet die analoge Kurzwelle heute eine kleine Fangemeinde,<br />
die möglichst weit in die ferne und knackende<br />
Rundfunkwelt hinaushört, bieten digitalisierte Kurzwellensender<br />
rauschfreies Hörvergnügen in stereo.<br />
Grundlage ist die höhere Datenrate, die 10 bis 100 Meter<br />
lange Wellen tragen können. „Mit der Digitalisierung lassen<br />
sich die Frequenzbereiche deutlich besser nutzen als mit<br />
der Analog-Technik“, sagt Professor Heinz Gerhäuser,<br />
Leiter des Fraunhofer-Instituts für Integrierte Schaltungen in<br />
Erlangen. Die gleichen Frequenzen eines Kurzwellenbandes<br />
können digital mindestens fünfmal so viele Sender verbreiten<br />
bei deutlich verbesserter Qualität. „Digital Radio<br />
Mondiale“ nennt sich das internationale Konsortium, das<br />
sich die bessere Ausnutzung der Frequenzen unterhalb von<br />
30 Megahertz zum Ziel gesetzt hat.<br />
Und die digitale Zukunft lässt sich auch schon hören. So<br />
sendet die Deutsche Welle ihr Programm digital aus Sines<br />
in Portugal. Trotz der Stereoqualität, vergleichbar mit der<br />
heutiger UKW-Sender, bleiben die Vorteile eines Kurzwellensenders<br />
erhalten: Dessen Wellen können sich über<br />
Tausende von Kilometern ohne nennenswerte Abschwächung<br />
ausbreiten.<br />
Die für den Kurzwellenbereich digitalisierten Funkdaten können sich ohne nennenswerte Abschwächung ausbreiten. Möglich wird es durch die<br />
Reflexion der Funkwellen an der Ionosphäre. Nur mit einem einzigen Sender kann ein sehr viel größeres Gebiet abdeckt werden als mit heute<br />
verbreiteten UKW-Stationen. So kann auch in abgelegenen Gegenden Hörfunk in CD-Qualität empfangen werden. Hier eine Auswahl handelsüblicher<br />
Kurzwellenempfänger.
Digitaler Rundfunk ist auf dem Vormarsch TECHNIK<br />
Digital Radio nicht nur zum Hören, sondern auch zum Sehen.<br />
Serviceinformationen zum laufenden Programm und zusätzliche Infos<br />
lassen sich hier bequem abrufen. Der PDA und das Digital Radio kommunizieren<br />
miteinander über eine Bluetooth-Schnittstelle. Derzeit werden<br />
die Geräte im Rahmen eines EU-Projekts getestet.<br />
Hohe Reichweite durch Reflexion<br />
Der Grund für diese Reichweite liegt in der Reflexion der<br />
Radiowellen an der so genannten Ionosphäre zwischen 60<br />
und 400 Kilometern Höhe. Luft und Wassermoleküle sind<br />
hier teilweise elektrisch geladen, da sie durch elektromagnetische<br />
Strahlung der Sonne ionisiert werden. Für Kurzwellen<br />
wirken diese Schichten wie ein Spiegel, so dass sie<br />
sich ohne Beeinträchtigung durch die Krümmung der Erdoberfläche<br />
über Kontinente hinweg ausbreiten können.<br />
Ultrakurzwellen dagegen werden nicht von der Ionosphäre<br />
reflektiert, sie gehen geradlinig hindurch in den Weltraum,<br />
Radioprogramme auf Ultrakurzwelle sind im Prinzip nur bis<br />
zum Horizont zu hören.<br />
Noch funken neben der Deutschen Welle nur wenige<br />
Anbieter aus Deutschland über die digitale Kurzwelle. „Aber<br />
ich rechne damit, dass bis zum kommenden Weihnachtsgeschäft<br />
deutlich mehr Sender dazukommen“, so<br />
Gerhäuser. Parallel könnte das Angebot an digitalen<br />
Empfangsgeräten breiter werden. Obwohl die Technik ausgereift<br />
ist, sind heute nur wenige Modelle von speziellen<br />
Herstellern zu bekommen. „Über den Erfolg wird der<br />
Radiohörer entscheiden“, ist Gerhäuser überzeugt.<br />
Wertet die Digitalisierung schon die Kurzwelle für<br />
Stereoempfang auf, können natürlich auch die anderen<br />
Frequenzbereiche von diesem Fortschritt profitieren. So<br />
halten die Fraunhofer-Entwickler auch Lösungen für die<br />
Mittelwellen bereit, die ebenfalls über hunderte bis tausende<br />
Kilometer Entfernung in Stereo-Qualität empfangen werden<br />
kann. Und die weit verbreitete Ultrakurzwelle wandelt<br />
sich sogar zur wahren HiFi-Frequenz. Über den digitalen<br />
Versand können spezielle UKW-Radios sogar Musik in CD-<br />
Qualität mit Mehrkanalton des 5.1-Standards empfangen.<br />
Modulation der Wellenphase<br />
Der grundlegende Kunstgriff für die vielfach gesteigerte<br />
digitale Datenrate liegt in der veränderten Modulation der<br />
Trägerwelle. Bei analoger Kurz-, Mittel- und Langwelle verändert<br />
sich die Amplitude entsprechend der gefunkten<br />
Inhalte, im UKW-Band wird die Frequenz moduliert.<br />
Digitalfunk setzt nicht in erster Linie auf diese Amplituden-<br />
(AM) und Frequenzmodulationen (FM), sondern variiert die<br />
Phase der entsprechenden Trägerwellen. Für die digitalen<br />
Binärwerte 0 oder 1 eines Bits wird die Phasenlage der<br />
Sinusschwingung geändert. Die Effizienz der Trägerfrequenz<br />
kann über mehrstufige Phasenmodulationen weiter<br />
gesteigert werden. Ausgeklügelte Verfahren kombinieren<br />
sogar diese Phasenmodulationen mit der klassischen<br />
Amplitudenmodulation für einen höheren Datenfluss.<br />
Zusätzlich entwickelten die Digitalfunker eine leistungsfähige<br />
Fehlerkorrektur, so dass es nur selten zu Empfangsstörungen<br />
kommt.<br />
Trotz der besseren Ausnutzung der Frequenzbänder und<br />
überzeugender Empfangsqualität fristet der Digitalfunk im<br />
UKW-Bereich seit Jahren ein Nischendasein. Digitalradio<br />
nach dem ältesten Standard, DAB (Digital Audio<br />
Broadcasting), lässt sich mit speziellen DAB-Empfängern in<br />
fast dem gesamten Bundesgebiet hören. Allerdings sind die<br />
Signale oft so schwach, dass sie nicht bis in die Häuser<br />
kommen und Außenantennen notwendig sind. 2006 könnte<br />
aber die Sendeleistung verzehnfacht werden, um nicht<br />
nur Autoradios zu erreichen. Insgesamt gibt es im<br />
Bundesgebiet etwa 100 DAB-Programme, vornehmlich<br />
gespeist von den öffentlich-rechtlichen Anbietern. Diese<br />
konzentrieren sich allerdings im Süden der Republik in<br />
Bayern und Baden-Württemberg. Im Norden lohnt sich<br />
wegen der geringen Programmvielfalt der Kauf eines DAB-<br />
Geräts kaum. Und unter vorgehaltener Hand wollen sich<br />
die nördlichen Landesmedienanstalten still und leise vom<br />
DAB-Standard ganz verabschieden.<br />
Wettstreit der Funkstandards<br />
Der Grund liegt in den neuen Standards, die mittlerweile zur<br />
Verfügung stehen. So hat sich in weiten Bereichen des<br />
Bundesgebiets DVB-T (Digital Video Broadcasting-<br />
Terrestrial) für den terrestrischen Fernsehempfang schon<br />
durchgesetzt. Die analoge Verbreitung wurde schon weitgehend<br />
eingestellt. Diese Technik taugt ebenfalls für die<br />
Aussendung von Radioprogrammen. Die erfolgte Weiterentwicklung<br />
zum europäischen Standard DVB-H (Digital<br />
Video Broadcasting - Handheld) könnte diesen Trend weiter<br />
unterstützen und sowohl DAB als auch die digitalen<br />
Kurz- und Mittelwellen-Projekte zu einem Nischendasein<br />
verdammen.<br />
Wer heute schon digitale Klangqualität in großer Vielfalt<br />
hören will, ist noch auf Satellitenempfang angewiesen. Über<br />
den DVB-S-Standard gelangen hunderte europäische<br />
Sender via Satellitenschüssel in das heimische Wohnzimmer.<br />
Zugang zur weltweiten Radiolandschaft eröffnet<br />
parallel die Welt des Internetradios. Immer mehr Konsumenten<br />
mit einer DSL-Flatrate schätzen diesen Umweg<br />
über das Internet, um Spartenradios oder die neuesten<br />
Nachrichten aus Kalifornien oder Tokio zu hören. Hier wird<br />
die Angebotsvielfalt des kommenden digitalen Rundfunks<br />
bereits vorweggenommen.<br />
Trend zum personalisierten Spartenradio<br />
„Ob DAB oder ein anderes Verfahren für den Rundfunk<br />
genutzt wird, ist für den Konsumenten letztendlich nicht<br />
explore: 2/2006 - 31
entscheidend“, sagt Gerhäuser. Er sieht Radiogeräte voraus,<br />
die mit allen verfügbaren Standards funktionieren. 300<br />
bis 400 Sender können dann überall ohne Satellitenschüssel<br />
oder Internetanschluss zur Verfügung stehen. Aus<br />
dieser Vielfalt von öffentlich-rechtlichen Sendern bis zum<br />
Spartenradio für einzelne Musikrichtungen sucht sich der<br />
Hörer der Zukunft sein spezielles Programm zusammen.<br />
Dank der Digitalisierung ließe sich sogar parallel zur Musik<br />
ein Foto der Sängerin oder das Verkaufsangebot eines<br />
Musikversanddienstes empfangen.<br />
Lässt der Durchbruch des digitalen Radios noch einige<br />
Jahre auf sich warten, liegt die Zukunft beim digitalen<br />
Fernsehen zum Greifen nah. Zugunsten des DVB-T<br />
Empfangs wurden viele Analog-Frequenzen bereits abgestellt.<br />
Wann der Analog-Funk für das UKW-Radio der digitalen<br />
Zukunft weichen wird, mögen Rundfunk-Fachleute<br />
wie Professor Heinz Gerhäuser oder Ulrich Reimers,<br />
Professor am Institut für Nachrichtentechnik der Technischen<br />
Universität Braunschweig, noch nicht vorhersagen.<br />
Noch mehr Dynamik bekommt das digitale Fernsehen derzeit<br />
durch den Sprung zum Handy-TV. Wie schon beim<br />
Radio stehen hier zwei konkurrierende Standards zur<br />
Verfügung, DVB-H und DMB, eine Weiterentwicklung des<br />
Radiostandards DAB. Hamburg, Berlin, Niedersachsen und<br />
Brandenburg favorisieren DVB-H, Bayern, Rheinland-Pfalz<br />
und weitere Länder DMB.<br />
Handy-TV zur WM 2006 nur im Pilotbetrieb<br />
„Zur Fußball-Weltmeisterschaft wollen wir überhaupt etwas<br />
in die Luft bekommen“, sagt Reimers, der als einer der<br />
Väter von DVB-H gilt. „Mehr ist nicht mehr zu machen.“ Mit<br />
einem Regelbetrieb, für den parallel ausreichend Endgeräte<br />
verfügbar sind, rechnet er frühestens im Jahr 2007.<br />
Technologisch scheint indes DVB-H leicht die Nase vorn zu<br />
haben. „DVB-H nutzt vorhandene Frequenzen etwa doppelt<br />
so effizient wie DMB“, sagt Michael Kornfeld,<br />
Rundfunk-Fachmann an der TU Braunschweig. Zudem sei<br />
der Stromverbrauch der Endgeräte, bei Handys mit ihren<br />
kleinen Akkus, eine Schlüsselanforderung, bei DVB-H<br />
geringer. In der Bildqualität werden sich beide Systeme mit<br />
etwa 360 auf 288 Bildpunkte kaum voneinander unterscheiden.<br />
Optimistisch stimmt die DVB-H Anhänger auch<br />
eine internationale Marktstudie, nach der weltweit im Jahr<br />
2010 17 Millionen DMB- aber ganze 75 Millionen DVB-H-<br />
Geräte ihre Käufer gefunden haben sollen.<br />
Ob dieses mobile Fernsehen viele Freunde finden wird, ist<br />
noch nicht absehbar. Hollywood-Streifen werden sich<br />
jedenfalls kaum auf dem winzigen Handydisplay genießen<br />
lassen. Nachrichtensendungen könnten dagegen mehr<br />
Zuschauer finden. Die ersten Geräte für Handy-TV gab es<br />
bereits vor wenigen Monaten auf der Internationalen Funkausstellung<br />
in Berlin zu bewundern, die Industrie hält sich<br />
bereit. Für DMB-Geräte gibt es in Asien zwei Hersteller, LG<br />
und Samsung; denn in Südkorea gibt es bereits<br />
Sendungen nach dem DMB-Standard. Für DVB-H präsentierte<br />
der Handyhersteller Nokia funktionierende Endgeräte.<br />
32 - explore: 2/2006<br />
TECHNIK Digitaler Rundfunk ist auf dem Vormarsch<br />
Mit dem N92-TV-Handy demonstriert Nokia, wie die nahe Zukunft der<br />
mobilen Kommunikation aussehen wird.<br />
Und andere Firmen wie Motorola oder Philips arbeiten<br />
daran, um bei Nachfrage den Markt schnell mit fernsehtauglichen<br />
Handys zu versorgen.<br />
„In etwa fünf Jahren werden Handys genauso mit einem<br />
Fernsehempfänger ausgestattet sein wie heute mit einer<br />
Digitalkamera“, sagt Reimers. Da sich dieser Fernseh-<br />
Standard auch gut mit Hörfunk koppeln lässt, wird das<br />
Handy zur vielseitigen Medienstation für Internet, E-Mail<br />
und jedweder Art von Rundfunk. Ob es sich für den Nutzer<br />
auch lohnt, entscheiden die nach und nach verfügbaren<br />
digitalen Programme. Bis Mitte des kommenden Jahrzehnts<br />
dürfte sich die Digitalisierung aller Medien schrittweise<br />
durchsetzen. Analogradios werden zunehmend nur<br />
noch Rauschen empfangen und gerade noch einen Platz<br />
im Museum finden.<br />
explore: INFOBOX<br />
Welche Geräte brauche ich für digitales Radio?<br />
Für jede Art des digitalen Rundfunks, sei es Radio oder Fernsehen,<br />
reichen die klassischen, analogen Empfangsgeräte nicht mehr aus.<br />
Weitere Verbreitung finden heute in Deutschland schon die DVB-T-<br />
Tuner für das digitale Fernsehen. Damit können ältere Fernseher mit<br />
einer Scart-Schnittstelle weiter genutzt werden.<br />
Für den digitalen Satellitenempfang (DVB-S) sind sowohl Satellitenschüssel<br />
als auch ein DVB-S-Decoder nötig.<br />
Digitales Radio wird in naher Zukunft auch über DVB-T versendet und<br />
mit dem gleichen DVB-T-Tuner wie für den Fernseher genutzt werden<br />
können. Ein Testbetrieb im Berliner Raum läuft derzeit. Für die anderen<br />
Sendeformate von DRM bis DAB sind spezielle Geräte nötig. Das<br />
gleiche gilt für den Empfang von Handy-TV (DVB-H). Dabei gilt DAB<br />
allerdings als eine auslaufende Technologie. Für DVB-H konnten die<br />
Hersteller erste Prototypen schon vorstellen, die wahrscheinlich noch<br />
2006 auf den Markt kommen werden.
Ich bin der Sender TECHNIK<br />
ICH BIN DER SENDER<br />
Von Dörte Saße<br />
Dieser neue Sendekanal könnte das Radionutzungsverhalten<br />
ändern: Plötzlich verpassen Hörer nicht mehr ihre<br />
Lieblingssendungen, sondern hören sie individuell und allerorten.<br />
Plötzlich gibt es Zeitungsartikel fürs Ohr, nicht nur für<br />
Blinde. Plötzlich kann jeder sein eigener Radiosender sein,<br />
sein eigener Intendant.<br />
Und so hat alles angefangen: als Tummelplatz der Kleinen,<br />
mit Selbstdarstellern und Feierabendkritikern, Möchtegern-<br />
Moderatoren, Sofa-Philosophen und einigen ernsthaften<br />
Journalisten. Und mit einer Handvoll Technikfreaks in den<br />
USA, die 2004 ihre Software soweit entwickelt hatten, dass<br />
sie Audiodateien <strong>automatisch</strong> aus dem Internet herunterladen<br />
konnten.<br />
Zugleich brauchte man keine Tonstudios und Schnitttechniker<br />
mehr, um die eigene Meinung fürs Ohr zu verewigen.<br />
Ein schneller Rechner, ein Audioschnittprogramm und<br />
ein Mikrofon genügten. Und so gestaltete wohl als erster<br />
der Ex-MTV-Moderator Adam Curry seine regelmäßige<br />
Sendung „Daily Source Code“, er räsoniert bis heute zu fetziger<br />
Musik über Gott und die Welt.<br />
Via Mundpropaganda und Internet fanden sich eine<br />
beachtliche Fangemeinde und zahlreiche Nachahmer. Auch<br />
Langsam trauen sich auch die Großen: Die Tagesschau tut es, die<br />
Deutsche Welle, die BBC schon länger. Und inzwischen tun es<br />
auch Zeitungen von Handelsblatt bis Auto-Bild – sie podcasten.<br />
Sie bieten ihre Sendungen und Texte zum Nachhören an, als MP3-<br />
Dateien zum Herunterladen aus dem Internet.<br />
Hören, wenn man es selber will. Das Podcasting, setzt sich aus den Wörtern i-Pod und Broadcasting (senden, ausstrahlen) zusammen.<br />
in Deutschland kommen und gehen neue Angebote, mittlerweile<br />
über tausend, liebevoll naiv oder sehr professionell<br />
gemacht: vom bunten Sushi-Radio über die Plauderei<br />
Schlaflos in München bis zum sonntäglichen Wanhoffs<br />
Wunderbare Welt der Wissenschaft.<br />
Gerade hat sich der deutsche Podcastverband gegründet.<br />
Die großen Sender sind ebenso aufmerksam geworden<br />
wie die Werbewirtschaft. Der eine oder andere Podcaster<br />
sammelt die Kommentare seiner Hörer auf dem Anrufbeantworter<br />
und stellt sie auch gleich wieder online. Und<br />
als Weiterentwicklung sind erste Videoblogs zum Immerund-überall-Gucken<br />
zu nutzen. Verdrängen wird Podcasting<br />
die klassischen Medien wohl kaum, so die<br />
Fachleute. Doch zumindest bereichern.<br />
explore: INFOBOX<br />
LINKS:<br />
Verzeichnisse von Podcast-Angeboten in Deutsch: www.podcast.de<br />
www.podster.de<br />
www.dopcast.de<br />
www.spodradio.de,<br />
… und Englisch: www.podcastingnews.com<br />
explore: 2/2006 - 33
34 - explore 2/2006<br />
TECHNIK Mein Computer versteht mich<br />
Mein Computer versteht mich<br />
Von Jan Oliver Löfken<br />
„Von welchem Bahnhof möchten sie abfahren?“ So beginnt der Sprachcomputer der Deutschen Bahn seine <strong>automatisch</strong>e<br />
Fahrplanauskunft. In einem kurzen Dialog versteht der Rechner Orte und Reisezeiten zuverlässig und gibt<br />
die gewünschte Verbindung, ebenfalls <strong>automatisch</strong> verlesen, an. Service-Hotlines schätzen die Spracherkennung<br />
durch Computer immer mehr. Auch die Nummernliste in einem Handy und einfache Befehle am Heimrechner gehorchen<br />
überzeugend aufs Wort.<br />
Ist der Wortschatz begrenzt und werden<br />
ganze Sätze vermieden, spielen<br />
Spracherkennungssysteme auf leistungsfähigen<br />
Computern ihre Vorteile<br />
aus. Sie sind immer verfügbar und<br />
sparen Personal. Jedes gesprochene<br />
Wort zerlegt die Programme unabhängig<br />
vom Sprecher in kleine Lauteinheiten,<br />
so genannte Phoneme.<br />
Diese werden mit einer gespeicherten<br />
Datenbank abgeglichen und erkannt.<br />
Wieder zu einem ganzen Wort zusammengesetzt,<br />
kann der Rechner so<br />
das gehörte Wort sehr gut erkennen.<br />
Ganze Sätze hingegen verstehen<br />
aktuelle Erkennungssysteme von<br />
Firmen wie IBM, Nuance Communications<br />
oder Philips nicht immer:<br />
Erkennungsraten von über 95 Prozent<br />
werden erreicht. Das klingt nach viel,<br />
doch die fehlenden fünf Prozent verursachen<br />
bei der Textkontrolle viel<br />
Korrekturaufwand mit der Tastatur.<br />
Dennoch geben die Programmierer<br />
weltweit nicht auf. Sie kombinieren die<br />
Lautanalyse der Phoneme zunehmend<br />
mit einer Sinnerkennung. Mit wachsenden<br />
Datenbanken erkennt der<br />
Rechner die Grammatik eines Satzes.<br />
Sind Subjekt, Prädikat und Objekt einmal<br />
identifiziert, nähern sich die<br />
Programme nach und nach einer hundertprozentigen<br />
Erkennungsrate an.<br />
Im Alltag angekommen sind so<br />
Diktiersysteme für spezielle Wortschätze<br />
wie bei Ärzten und Juristen.<br />
Diesen Programmen wird vorher noch<br />
die persönliche Aussprache des<br />
Nutzers beigebracht. Nach erfolgreicher<br />
Lernphase kann die Fehlerrate<br />
beim Diktat schon unter ein Prozent<br />
rutschen. Trotz einiger Ungenauigkeiten<br />
nutzt auch die Europäische<br />
Union die Spracherkennung für eine<br />
<strong>automatisch</strong>e Übersetzung („EC<br />
Systran“) der vielsprachigen Beiträge<br />
in Brüssel.<br />
„Sollen wir am Sonntag nach Berlin fahren“. So schaut dieser Satz aus, wenn er mit moderner<br />
Analysetechnik zerlegt wird. Das obere Bild zeigt die Variationen der Schallwellen mit der Zeit.<br />
Hieraus lassen sich einzelne Lauteinheiten, die Phoneme, erkennen. Für das untere Bild wurde<br />
das Schallspektrum einer Fouriertransformation unterzogen, um es mit der Spracherkennungssoftware<br />
besser untersuchen zu können.<br />
Um auch bei Hintergrundgeräuschen<br />
einen zuverlässigen Erkennungsdienst<br />
zu leisten, setzt beispielsweise<br />
Intel auf eine kombinierte Sprach- und<br />
Lippenanalyse. Die Videobilder erleichtern<br />
der Software die Auswahl<br />
der richtigen Wörter.<br />
Fachleute schätzen, dass in spätestens<br />
zehn Jahren die letzten Hürden<br />
einer zuverlässigen Spracherkennung<br />
genommen werden können. Dann<br />
sind handkleine Direktübersetzer und<br />
Wortsuchen wie bei Google auch in<br />
Audio- und Videodateien keine anfälligen<br />
Spielereien mehr. Tastatur und<br />
Maus als Eingabewerkzeuge für den<br />
Computer werden dann schrittweise<br />
verdrängt. Parallel macht die <strong>automatisch</strong>e<br />
Sprachausgabe von Rechnern<br />
Fortschritte, sodass schon bald kleine<br />
Unterhaltungen mit dem Computer<br />
möglich werden.<br />
explore: INFOBOX<br />
BUCHTIPPS:<br />
„Readings in Speech Recognition“<br />
von Alex Waibel, 1990, ISBN 1558601244,<br />
39,90 Euro<br />
„Fundamentals of Speech Recognition“<br />
von Lawrence R. Rabiner und Biing-Hwang<br />
Juang Juang, 1993, ISBN 0130151572,<br />
etwa 82 Euro<br />
„Automatische Spracherkennung“ von<br />
E.-G. Schukat-Talamazzini, 1995 und 2001,<br />
ISBN 3528154926 (vergriffen)<br />
LINKS:<br />
Spracherkennung:<br />
www.spracherkennung.de<br />
Vorlesung Computerlinguistik,<br />
HU Berlin: http://www2.hu-berlin.de/<br />
compling/Lehrstuhl/Skripte/CL_2_Speech/<br />
Spracherkennung zum Testen:<br />
kostenlose Bahnauskunft: 0800 1507090
Sprachen ohne Muttersprachler TECHNIK<br />
SPRACHEN OHNE<br />
MUTTERSPRACHLER<br />
Von Prof. Dr. Thomas J. Schult<br />
Natürliche Sprachen helfen Menschen,<br />
sich mit ihresgleichen zu verständigen.<br />
Doch es gibt auch künstliche, formale<br />
Sprachen, mit denen der Mensch<br />
Computern Befehl erteilt. Was zeichnet<br />
solche Programmiersprachen aus?<br />
explore: 2/2006 - 35
Wo Menschen kommunizieren, drohen<br />
Missverständnisse. Ihre Äußerungen<br />
bieten oft Raum für unterschiedliche<br />
Deutungen. Dass es nicht ständig zu<br />
kommunikativen Katastrophen kommt,<br />
liegt an unserer Intelligenz: Aus den<br />
vagen Sätzen unseres Gegenübers<br />
konstruieren wir einen leidlich präzisen<br />
Sinn. Und zunächst einmal reparieren<br />
wir die Sätze, die wir im Alltag hören<br />
oder lesen; denn viele von ihnen sind<br />
streng genommen grammatikalisch<br />
nicht korrekt.<br />
Wer dagegen einem Computer Anweisungen<br />
in Form von Programmen<br />
geben will, hat es mit einem geistig<br />
extrem beschränkten Kommunikationspartner<br />
zu tun. Ihm fehlen typisch<br />
menschliche Fähigkeiten, grammatikalische<br />
Mängel auszubügeln und die<br />
Bedeutung des Gesagten aus dem<br />
Kontext zu erschließen. Daher versteht<br />
er nur Äußerungen, deren Grammatik<br />
und Bedeutung höchsten Präzisionsanforderungen<br />
genügen und die eindeutig<br />
sind.<br />
Weil natürliche Sprachen dies kaum<br />
leisten könnten, gibt es Dutzende<br />
Programmiersprachen, beispielsweise<br />
Basic, Java oder moderne höhere<br />
Programmiersprachen wie SQL. Wer<br />
sie ohne Fachkenntnis liest, entdeckt<br />
einige vom Englischen her vertraute<br />
Wörter wie while und read, aber größtenteils<br />
unverständliche Zahlen,<br />
Zeichenfolgen und Interpunktionen. Es<br />
kann Wochen und Monate dauern, sie<br />
einigermaßen flüssig zu beherrschen.<br />
Ein typischer Informatikstudent lernt<br />
vielleicht zwei oder drei im Laufe seines<br />
Studiums. Nach einigen Jahren<br />
oder Jahrzehnten büßen Sprachen oft<br />
stark an Bedeutung ein und werden<br />
von neueren verdrängt. So kam zum<br />
Beispiel in den 90er-Jahren Java auf,<br />
weil sich die Java-Programme in<br />
Webseiten integrieren ließen.<br />
Generationenwechsel<br />
Ende der 90er-Jahre wurden plötzlich<br />
Fachleute für längst untergegangene<br />
Programmiersprachen gesucht, weil<br />
das Jahr-2000-Problem viele Jahre<br />
funktionierende Software unbrauchbar<br />
zu machen drohte. Solche „Altsprachler“<br />
sollten in diesen Programmen<br />
zweistellige Jahresangaben<br />
identifizieren und dafür sorgen, dass<br />
36 - explore: 2/2006<br />
das Jahr 2000 nicht als Jahr 1900<br />
interpretiert wurde.<br />
Obwohl Programme in einer Sprache<br />
wie Java dem Laien absolut unverständlich<br />
vorkommen, sind sie doch<br />
dahingehend optimiert, von Menschen<br />
unterschiedlicher Herkunft gut verstanden<br />
zu werden, jedenfalls wenn<br />
diese ein gewisses Training hinter sich<br />
haben. Damit sind sie für den<br />
Prozessor, der in einem Computer für<br />
die Verarbeitung von Informationen<br />
zuständig ist, immer noch viel zu komplex.<br />
Er kann in seinen digitalen elektrischen<br />
Schaltkreisen nur zwei Zustände<br />
erkennen und in logischen<br />
Verknüpfungen verarbeiten: den Zustand<br />
„Schalter ein“ oder „Schalter<br />
aus“. Mit diesen zwei Grundzuständen<br />
können logische Funktionen und<br />
Zahlen dargestellt und alle notwendigen<br />
Befehle auch für sehr komplizierte<br />
Aufgaben formuliert werden. Natürlich<br />
ist der Aufwand dafür sehr hoch:<br />
Zahlen und Buchstaben müssen in<br />
unterschiedliche Codes verschlüsselt<br />
werden. Auch arithmetische Operationen<br />
werden in entsprechenden<br />
Codes verschlüsselt. Den natürlichen<br />
Zahlen 15 und 129 entsprechen zum<br />
Beispiel im System der Binärzahlen<br />
11111 und 10000001, die dann nach<br />
TECHNIK Sprachen ohne Muttersprachler<br />
bestimmten Vorschriften miteinander<br />
verknüpft werden, wenn es ans<br />
Rechnen geht.<br />
Übersetzungsdienst<br />
Der Programmierer muss sich aber<br />
nicht mit einem solchen Binärcode<br />
aus Nullen und Einsen beschäftigen:<br />
Anweisungen, Worte und Zahlen in<br />
der für ihn verständlichen Programmiersprache<br />
lässt er in eine<br />
Folge von Instruktionen und Daten in<br />
Was für den Laien Kauderwelsch ist, stellt für Computer eine präzise Arbeitsanweisung dar. Im<br />
Unterschied zu Fremdsprachen ist bei Programmiersprachen jedoch kein jahrelanges Studium<br />
erforderlich. Wer logisch denken kann, erlernt eine Sprache in wenigen Wochen.<br />
einem Binärcode übersetzen. Dieser<br />
Maschinencode ist auch für Fachleute<br />
schwer lesbar und sehr aufwändig zu<br />
schreiben. In der Regel steht dafür ein<br />
eigenes automatisiertes Übersetzungsprogramm,<br />
ein so genannter<br />
Compiler, zur Verfügung, der die vom<br />
Programmierer geschriebenen Zeilen<br />
der Programmiersprache in kryptische<br />
Folgen aus Nullen und Einsen übersetzt,<br />
die der Prozessor eines bestimmten<br />
Computertyps als Anweisungen<br />
versteht, die er direkt ausführen<br />
kann. Der Prozessor hat beispielsweise<br />
für die Operation „addiere“<br />
den festgelegten Code 00011010.<br />
Die Anweisung an den Rechner,<br />
die Zahlen 15 und 129 zu addieren,<br />
lautet dann in Maschinensprache:<br />
00011010 000011111 10000001.<br />
Der zurzeit leistungsfähigste Super-
Sprachen ohne Muttersprachler TECHNIK<br />
Computer führt die unvorstellbar hohe<br />
Zahl von 280 Billionen (10 12 ) Operationen<br />
pro Sekunde aus.<br />
Der Prozessor beschränkt sich also<br />
auf ganz simple Operationen. Erstaunlicherweise<br />
lässt sich alles, was<br />
Anwender überhaupt am Computer<br />
bewerkstelligen möchten, letztlich in<br />
solche Rechenoperationen übersetzen.<br />
Ob sie in einem Digitalfoto rote<br />
Augen retuschieren, eine Audio-CD ins<br />
MP3-Format übertragen, Videoaufnahmen<br />
am Bildschirm schneiden, bei<br />
eBay eine Pflanze ersteigern oder<br />
einen Brief neu formatieren: Der<br />
Prozessor sieht nur Massen von elementaren<br />
Rechenaufgaben, weil es<br />
der Programmierer im Verbund mit<br />
dem Compiler geschafft hat, die<br />
Aufgabe in einer Programmiersprache<br />
so zu formulieren, dass sie berechenbar<br />
ist, dass sie also durch einfache<br />
Rechenoperationen gelöst werden<br />
kann, auch wenn dies Milliarden<br />
Schritte erfordert. Die Masse macht's.<br />
Und dieses Prinzip gilt ja auch für die<br />
menschliche Informationsverarbeitung<br />
mit Milliarden verknüpfter Neuronen im<br />
Impressum:<br />
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Verlag und Herausgeber:<br />
<strong>TÜV</strong> NORD AG,<br />
Am <strong>TÜV</strong> 1, 30519 Hannover<br />
www.tuev-nord.de/explore<br />
explore@tuev-nord.de<br />
Erscheinungsweise:<br />
viermal jährlich<br />
Redaktion:<br />
<strong>TÜV</strong> NORD AG<br />
Konzern-Kommunikation<br />
Jochen May (V.i.S.d.P.); Svea Büttner<br />
Konzeption und Gestaltung:<br />
<strong>TÜV</strong> NORD Gruppe, 30519 Hannover<br />
Käfer lehrt Programmieren<br />
Wer sich erstmals an die Aufgabe wagt, dem Computer Anweisungen zu geben, muss sich<br />
zunächst an das präzise „algorithmische“ Denken gewöhnen. Der virtuelle Marienkäfer Kara kann<br />
dabei helfen, weil er allein mit Mausklicks programmiert wird, ohne dass eine komplizierte<br />
Grammatik einer neuen Sprache zu lernen ist.<br />
Jeder kann das von Züricher Programmierdidaktikern entwickelte System im Internet herunterladen<br />
und anschließend den Käfer in einer Welt aus Baumstümpfen, Kleeblättern und Pilzen einfacherweise<br />
programmieren – gerade auch für Schüler ein idealer Einstieg. Eine Variante namens<br />
KaraToJava ebnet dann auf Wunsch den Weg ins „richtige“ Programmieren mit Java.<br />
Gestaltung:<br />
MPR Dr. Muth Public Relations GmbH,<br />
20354 Hamburg<br />
Satz, Lithographie & Druck:<br />
diaprint KG, 30952 Ronnenberg-Empelde<br />
Wissenschaftlicher Beirat:<br />
Prof. Dr.-Ing. E.h. Dr. h.c. Eike Lehmann<br />
Prof. Dr. Friedhelm Noack<br />
Prof. Dr. Günter Maaß<br />
Abbildungen:<br />
ARD.de (S. 3, 30)<br />
Campo GmbH & Co. KG (S. 3, 19)<br />
Corbis (Titel, S. 2, 3, 4, 7, 11, 12, 14, 16, 26,<br />
33, 35, 36, 38, 40)<br />
diaprint KG (S. 5)<br />
Digitaler Rundfunk Mitteldeutschland/<br />
Frank Gehrmann (S. 31)<br />
Nokia (S. 32)<br />
explore: INFOBOX<br />
LINKS:<br />
www.educa.ch/dyn/9.asp?url=56232%2Ehtm<br />
Downloads und technische Informationen<br />
zu Kara: www.educeth.ch/informatik/<br />
karatojava/download.html<br />
BUCHTIPPS:<br />
„Computerlogik“ von Daniel Hillis, C. Bertelsmann,<br />
2001, ISBN 3-570-12010-4,<br />
192 Seiten (vergriffen)<br />
„Programmieren mit Kara“ von Raimond<br />
Reichert, Jürg Nievergelt, Werner Hartmann,<br />
Springer, 2005, ISBN 3-540-23819-0, 152<br />
Seiten, 19,95 Euro<br />
Gehirn. Eine einfache Programmieraufgabe: Der Marienkäfer soll um den Bereich herumlaufen, der<br />
durch die Baumstümpfe markiert ist. Dabei soll er die Kleeblätter einsammeln. Mit dem<br />
kostenlosen Kara-System lässt sich die Aufgabe mit wenigen Mausklicken fertigstellen und so<br />
das Programmieren üben.<br />
Operation Sneaker Trust (S. 15)<br />
Oxford University Press (S. 10)<br />
Picture Alliance (S. 2, 6)<br />
Porzellanmanufaktur FÜRSTENBERG (S. 5)<br />
Porzellan-Manufaktur Meissen GmbH (S. 5)<br />
RWE Westfalen Weser Ems (S. 23)<br />
RWTH Aachen (S. 34)<br />
Steffen Faust (S. 3, 25, 28, 29, 30)<br />
<strong>TÜV</strong> NORD Gruppe (S. 2, 3, 16, 17, 18, 19, 20,<br />
21, 22, 23, 24)<br />
Wikipedia (S. 6)<br />
www.oberstufeninformatik.de (S. 37)<br />
Züricher Unterland Medien (S. 5)<br />
Zwergensprache Vivian König (S. 12)<br />
Nachdruck, auch auszugsweise, nur mit schriftlicher<br />
Genehmigung des Herausgebers.<br />
Leserbriefe sind herzlich willkommen.<br />
Weitere Artikel zu unserem Schwerpunkt-Thema<br />
Kommunikation finden Sie im Internet unter<br />
www.tuev-nord.de/explore<br />
explore: 2/2006 - 37
Ins Netz gegangen<br />
Von Hilde-Josephine Post<br />
Jeder Deutsche konsu-<br />
miert täglich fast zehn<br />
Stunden Medien: Und es<br />
werden immer mehr. Da-<br />
bei steigt das Internet in<br />
der Gunst, doch der heiß<br />
geliebten „Glotze“ kann<br />
es noch immer nicht den<br />
Rang ablaufen. Fachleute<br />
sagen voraus: Künftig<br />
werden Medien stärker<br />
fusionieren.<br />
38 - explore 2/2006<br />
„Wenn ich mir früher eine Zeitschrift<br />
gekauft habe, hat mich die Hälfte<br />
davon doch nicht interessiert,... und<br />
heute gehe ich ins Internet“, äußerten<br />
sich Onliner bei der qualitativen<br />
Erhebung der ARD/ZDF-Onlinestudie<br />
2005. Interessiert sich etwa ein<br />
Manager für aktuelle Wirtschaftsdaten,<br />
so hat er im Web die<br />
Möglichkeit, das Nachrichtenangebot<br />
nach seinen Anforderungen zusammenzustellen<br />
und gezielt abzurufen,<br />
und das oft auch noch kostenlos.<br />
Informationsverhalten im Wandel<br />
Aufgrund dieser Vorteile sei laut<br />
ARD/ZDF-Studie auch ein Wandel im<br />
Informationsverhalten über alle Onlinegruppen<br />
hinweg zu beobachten,<br />
was partiell zu Lasten der Printmedien<br />
gehe. Dennoch kommt die Studie zu<br />
dem Schluss: „Das Internet wird in<br />
den Medienalltag integriert, ohne<br />
dass andere Medien verdrängt wer-<br />
ZUKUNFT Ins Netz gegangen<br />
den.“ Ob ein Verdrängungswettbewerb<br />
klassischer Medien tatsächlich<br />
stattfindet, darüber sind die Fachleute<br />
sich jedoch noch nicht ganz einig.<br />
Jesko Kaltenbaek, Medienpsychologe<br />
am Center for Media Research (CMR)<br />
der Freien Universität Berlin schätzt:<br />
„Alles hängt von der Frage ab, was in<br />
welcher Qualität im Internet zur<br />
Verfügung steht und welchen Aufwand<br />
es bedeutet, an Informationen heranzukommen.“<br />
Besonders Jugendliche<br />
hätten immer weniger Interesse an<br />
klassischen Medien wie Radio oder<br />
Zeitung so Kaltenbaek weiter.<br />
Netzzeiten steigen<br />
Laut ARD/ZDF-Studie nehme die Zeit,<br />
die der Datenreisende im Netz unterwegs<br />
sei, grundsätzlich zu – im Jahr<br />
2004 seien es hochgerechnet auf<br />
jeden Erwachsenen im Durchschnitt<br />
43 Minuten pro Tag gewesen.<br />
Mittlerweile verbringe er 46 Minuten in
Ins Netz gegangen ZUKUNFT<br />
den Weiten des Webs. Spitzenreiter im<br />
Ranking unter den Medien bliebe aber<br />
nach wie vor das Fernsehen. Fast vier<br />
Stunden sehe der deutsche Bundesbürger<br />
täglich fern, und Radiosendungen<br />
höre er gut drei Stunden.<br />
Warum das Fernsehen immer noch<br />
des Deutschen liebstes Kind ist, liege<br />
wohl an der einfachen Zugänglichkeit:<br />
per Knopfdruck auf die Fernbedienung,<br />
begründet Kaltenbaek. Auch<br />
die Ton- und Bildqualität spielten seiner<br />
Meinung nach ebenso eine Rolle<br />
wie das lizenzfreie Angebot von<br />
Fußballsendungen oder frei abrufbaren<br />
Filmen, die es im Internet nur bedingt<br />
gebe.<br />
Bisher schätzten die Deutschen, so<br />
die Langzeitstudie „Time Budget<br />
2003“ vom Markt- und Meinungsforschungsinstitut<br />
forsa, Fernsehen<br />
besonders wegen der guten Dokumentationen,<br />
Nachrichten, der Unterhaltungs-<br />
und Sportsendungen. Das<br />
Radio führe bei Verkehrsmeldungen<br />
und Musik. Doch gerade was Musik<br />
angehe, bekomme es immer mehr<br />
Konkurrenz durch Fernsehen und<br />
Internet.<br />
Internet als Wissens-<br />
und Ratgeberplattform<br />
Internet stehe für Aktualität und Zeitsouveränität.<br />
Es werde vorwiegend als<br />
Wissensplattform sowie Service- und<br />
Ratgebermedium eingesetzt, sagt die<br />
ARD/ZDF-Onlinestudie. Das spiegele<br />
sich auch in den genutzten Inhalten<br />
wider. So nannten die Befragten hier<br />
aktuelle Informationen über das Geschehen<br />
in Deutschland und im Ausland<br />
an erster Stelle. 44 Prozent informierten<br />
sich nach dieser Studie im<br />
Web über Wissenschaft, Forschung<br />
und Bildung – sowie über Freizeitthemen<br />
und Veranstaltungstipps,<br />
wobei diese überwiegend jüngere<br />
Menschen abriefen.<br />
Aber wo finden da noch Tageszeitungen<br />
und Zeitschriften ihre Nischen?<br />
Die Kernkompetenzen der Tageszeitungen<br />
lägen, den Ergebnissen von<br />
„Time Budget 2003“ zufolge, bei Wirtschaftsinformation<br />
und lokalen sowie<br />
regionalen Nachrichten. Zu Zeitschriften<br />
griffen die Leser am ehesten<br />
wegen Gesundheitstipps, Erotik- und<br />
Reiseinformationen. Doch auch hier<br />
lief vor allem das Internet den<br />
Printmedien in den vergangenen<br />
Jahren den Rang ab. „Wenn man an<br />
Flatrate, WLAN sowie die Möglichkeiten<br />
der neuen Fernsehgeräte denkt,<br />
die in hervorragender Qualität Inter-<br />
US-Teenager „bloggen“ gern<br />
In den USA gelten sie als Massenphänomen,<br />
die Weblogs oder kurz Blogs genannt. Seit<br />
Anfang 2004 erleben Online-Tagebücher<br />
einen wahren Boom. Das US-Unternehmen<br />
Perseus Development Corp. schätzte die Zahl<br />
der Weblogs, bezogen auf die führenden<br />
Blog-Service-Anbieter der USA, Ende 2005<br />
auf über 50 Millionen. Am meisten würden<br />
Teenager zwischen 13 und 19 Jahren auf<br />
Blogs abfahren. Sie machten etwa 60 Prozent<br />
aus, gefolgt von den 20- bis 29-Jährigen mit<br />
36 Prozent, so Perseus. Fast 70 Prozent<br />
davon sind Frauen. „Blogs erinnern an<br />
Poesiealben und Freundschaftsbücher aus<br />
der Schulzeit. Hier ging es darum, ein Teil einer<br />
dokumentierten Gruppe zu sein. Junge<br />
Menschen benötigen soziale Anerkennung.<br />
Sie wollen beachtet werden, denn sie haben<br />
das Gefühl, in der Masse unterzugehen“,<br />
erklärt Medienpsychologe Jesko Kaltenbaek<br />
vom Center for Media Research der Freien<br />
Universität Berlin.<br />
„Deutschland steckt allerdings in puncto<br />
Weblogs noch in den Kinderschuhen“, ergab<br />
eine von Proximity Germany 2005 in Auftrag<br />
gegebene Studie. Demnach wisse immerhin<br />
jeder vierte deutsche Internet-Nutzer, was<br />
unter einem Blog zu verstehen sei:<br />
Regelmäßig aktualisierte Websites mit informativen<br />
und persönlich geprägten Beiträgen<br />
zu bestimmten Themen. Nur eingefleischte<br />
Weblog-Fans nutzten laut Proximity-Studie<br />
bisher diesen Kanal zur Informationsbeschaffung<br />
und Meinungsbildung. Ein<br />
Großteil lese deshalb Blogs, weil sie dort<br />
Informationen bekämen, die sonst nirgends zu<br />
finden seien, und außerdem sei das Interesse<br />
an der Meinung des Autors sehr stark. In<br />
Deutschland scheint der Markt noch geprägt<br />
von privaten und journalistischen Weblogs.<br />
Die Wochenzeitung Die Zeit hatte frühzeitig<br />
einen Marktplatz für Weblogs eingerichtet.<br />
Mittlerweile haben sich schon Wettbewerbe<br />
im Web etabliert: Wer hat den besten Blog?<br />
Marketing- und Werbefirmen denken darüber<br />
nach, wie sie Blog-Inhalte auswerten können,<br />
um sie für Werbezwecke und Userprofile auszuschlachten.<br />
Auch gibt es immer mehr<br />
Firmen, die Software entwickeln zur Überwachung<br />
von Webinhalten.<br />
netseiten anzeigen, lässt sich prognostizieren“,<br />
so Professor Ludwig J.<br />
Issing, Leiter des CMR, „dass das<br />
Internet-Fernsehen Musik-CDs, Radio<br />
und Zeitung zwar nicht vollständig,<br />
doch in zunehmendem Maß verdrängen<br />
wird. Das Internet als<br />
Multimedium besitzt das Potenzial, die<br />
genannten Medien alle zu integrieren.<br />
Ich bin davon überzeugt, dass Medien<br />
immer stärker fusionieren werden.“<br />
explore: INFOBOX<br />
LINKS:<br />
Hier wird gebloggt!<br />
www.zeit.de/blogs, www.blogbar.de<br />
www.bildblog.de, http://blog.handelsblatt.de,<br />
www.blog-city.com, www.blogger.com<br />
www.diaryland.com, www.livejournal.com,<br />
www.perseus.com/blogservey<br />
Zurück in die Steinzeit<br />
Zurzeit verbringe ein Erwachsener laut<br />
ARD/ZDF-Onlinestudie 2005 täglich fast<br />
zehn Stunden mit Medienkonsum. Das<br />
macht bei sieben Stunden Schlaf pro Tag gut<br />
die Hälfte seines restlichen Tageszeit-<br />
Budgets aus. Wird der Mensch künftig, statt<br />
aktiv zu erleben, nur noch virtuell Erfahrungen<br />
sammeln? Eine Befragung des<br />
Fraunhofer Instituts für Systemtechnik und<br />
Innovationsforschung über die Entwicklung<br />
der Mediennutzung in der Zukunft gibt zu<br />
denken: Der Mensch werde lernen, immer<br />
zielgerichteter mit Medien umzugehen.<br />
Problematisch könne allerdings sein, dass<br />
nicht nur seine Konzentrations- und Ausdrucksfähigkeit<br />
abnehmen. Zudem könnten<br />
Defizite in seiner Schreib- und Lesefähigkeit<br />
ebenso wie in seiner sozialen Kompetenz<br />
auftreten. Außerdem werde der Mensch<br />
weniger Aktivitäten außer Haus ausführen.<br />
Onliner-Invasion<br />
Immerhin seien fast 60 Prozent der deutschen<br />
Bevölkerung ab 14 Jahren inzwischen<br />
online, sagt die ARD/ZDF-Onlinestudie 2005.<br />
1,8 Millionen neue Nutzer kamen innerhalb<br />
eines Jahres hinzu. Und eine Sättigung des<br />
Marktes sei nicht abzusehen, da zunehmend<br />
Menschen, die zuvor wenig mit Internet am<br />
Hut hatten, wie etwa ältere oder nichtberufstätige<br />
Personen, vermehrt Interesse<br />
fänden. Bis zum Jahr 2010, prognostiziert<br />
die ARD/ZDF-Studie weiter, steige die Zahl<br />
der Onliner auf etwa 75 Prozent an.<br />
explore 2/2006 - 39
... und was sagst du dazu?