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Zurücklächeln funktioniert automatisch - TÜViT TÜV ...

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explore:<br />

Kundenmagazin der <strong>TÜV</strong> NORD Gruppe<br />

02 Mai 2006<br />

Das<br />

Sprache und mehr<br />

Elemente der Kommunikation


04<br />

06<br />

07<br />

10<br />

11<br />

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14<br />

15<br />

explore: WISSEN<br />

explore: WISSEN<br />

explore: FORSCHUNG<br />

explore: FORSCHUNG<br />

explore: ENTDECKUNG<br />

explore: MENSCH<br />

explore: MENSCH<br />

explore: MENSCH<br />

02 - explore: 2/2006<br />

EDITORIAL<br />

Liebe Leserinnen und Leser,<br />

INHALT<br />

von dem in Wien geborenen Kommunikationswissenschaftler Paul Watzlawik stammt das<br />

metakommunikative Axiom: „Man kann nicht nicht kommunizieren“. Dies wird plausibel,<br />

wenn man die Elemente der Kommunikation etwas genauer betrachtet. Diese bestehen<br />

bei uns Menschen aus Sprache (verbal), Mimik, Gestik und Körperhaltung (non-verbal)<br />

und Tonfall, Tonhöhe und Sprachtempo (paraverbal). Hinzu kommt, dass man heute weiß,<br />

dass nicht der Sprecher (Sender) die Bedeutung seiner Mitteilung bestimmt, sondern in<br />

aller Regel der Hörer (Empfänger).<br />

Wir Menschen sind kommunikative Wesen. Eine gute Kommunikation beschert uns auch<br />

ein Mehr an Lebensqualität. Ich wünsche Ihnen viel Spaß beim Lesen dieser Ausgabe von<br />

explore:<br />

Ihr Dr. Guido Rettig, Vorsitzender des Vorstandes der <strong>TÜV</strong> NORD AG<br />

04 06<br />

07 12<br />

14<br />

Symbole. Botschaften für Eingeweihte<br />

Nur wenn Sender und Empfänger die gleiche symbolische Sprache sprechen,<br />

verstehen sie sich.<br />

Schrift – Der Schlüssel zur Vergangenheit<br />

Wie Forscher den Schriften längst versunkener Kulturen ihre Geheimnisse zu<br />

entlocken versuchen.<br />

Einsprachigkeit ist heilbar<br />

Dank besonderer Lernmethoden in wenigen Monaten mehrere Sprachen verstehen.<br />

Wanderung durch die Sprachen der Welt<br />

Welche Sprache nutzt unbestimmte Artikel, die gleich dem Zahlwort „ein“<br />

sind, und hat genau vier Fälle?<br />

Von wem lernen Kuckuckskinder ihr typisches Lied?<br />

Das bekannte „Kuckuck“ ist aus einem ganz bestimmten Grund nur sehr einfach<br />

gestrickt.<br />

„Rabäääh“ – Was Babys eigentlich sagen wollen<br />

Kurse in Babyzeichensprache helfen Eltern zu verstehen.<br />

<strong>Zurücklächeln</strong> <strong>funktioniert</strong> <strong>automatisch</strong><br />

Lächeln lässt nicht kalt. Warum Sie gleich damit anfangen sollten.<br />

Sport ist wie eine universelle Sprache<br />

Beim friedlichen Sport-Wettkampf verstehen sich Menschen aller Länder<br />

und Religionen.


INHALT<br />

explore:<br />

Jede neue Sprache ist wie ein offenes Fenster, das einen neuen Ausblick<br />

auf die Welt eröffnet und die Lebensauffassung weitet.<br />

Netzwerk<br />

Verbindungen, Kommunikation, Strukturen – hier bündeln sich an Knotenpunkten<br />

Kompetenz und Know-how für eine gut funktionierende Partnerschaft.<br />

Trommeln, Tauben, Telegrafie<br />

Nachrichten schnell zu übermitteln kann Vorteile verschaffen.<br />

Sprechen ohne Strippe<br />

Die Technik hinter dem Mobilfunk macht weiterhin rasante Fortschritte.<br />

Digitaler Rundfunk ist auf dem Vormarsch<br />

Der Zugang zur weltweiten Rundfunklandschaft durch die Digitalisierung<br />

rückt immer näher.<br />

Ich bin der Sender<br />

Podcasten – Nachrichten empfangen, wenn man sie selber möchte.<br />

Mein Computer versteht mich<br />

Fachleute schätzen, dass in spätestens zehn Jahren die letzten Hürden einer<br />

zuverlässigen Spracherkennung genommen werden.<br />

Sprachen ohne Muttersprachler<br />

Computer sind geistig beschränkte Kommunikationspartner, die logisch denken.<br />

Ins Netz gegangen<br />

Das Internet besitzt das Potenzial, viele Medien zu integrieren.<br />

Impressum<br />

explore: <strong>TÜV</strong> NORD<br />

explore: TECHNIK<br />

explore: TECHNIK<br />

explore: TECHNIK<br />

explore: TECHNIK<br />

explore: TECHNIK<br />

explore: TECHNIK<br />

explore: ZUKUNFT<br />

explore:<br />

Frank Harris<br />

(1856-1931), irischer Schriftsteller<br />

17 25 30 33<br />

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17<br />

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33<br />

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37<br />

explore: 2/2006 - 03


WISSEN Symbole. Botschaften für Eingeweihte<br />

Symbole. Botschaften<br />

für Eingeweihte<br />

Von Dr. Heiner Wolfes<br />

„Ein Wort oder ein Bild ist symbolisch, wenn es mehr enthält, als man auf den ersten Blick erkennen kann", hat der<br />

Schweizer Psychologe C. G. Jung definiert. Symbole waren die ersten Ausdrucks- und Verständigungsmittel der<br />

Menschheit. Sie sind nicht-sprachliche Zeichen der menschlichen Kommunikation. Es gibt vielfältige Möglichkeiten,<br />

diese Zeichen zu nutzen: Symbole können abstrakte Formen, natürliche Gegenstände, Tiere, Farben,<br />

Markenzeichen aber auch Gesten sein. Symbole sind die Vorstufe der Schriftzeichen. Ein Symbol ist nicht exakt<br />

definiert, es ist geradezu das Wesen eines Symbols, nicht auf einen festen Rahmen festgelegt zu sein. Hierdurch<br />

können Widersprüche vereint und Abstraktes vermittelt werden. Eine Ausnahme bilden die Symbole der<br />

Naturwissenschaftler, die zum Beispiel eindeutige Rechenvorschriften, Naturgesetze oder chemische Formeln<br />

beschreiben. Gleiches gilt für Piktogramme und Verkehrszeichen; sie sind Symbole, die kulturunabhängig und ohne<br />

Schrift Verhaltensregeln vermitteln.<br />

Ursprung der Symbole<br />

Der Ursprung des griechischen<br />

Wortes σνμβολον („zusammenwerfen“<br />

oder „das Zusammengefügte“)<br />

beruht auf einem antiken Brauch: Zwei<br />

Teile eines zerbrochenen Gegenstandes<br />

aus Holz, Ton oder eines Siegels<br />

04 - explore: 2/2006<br />

dienten als Erkennungszeichen zweier<br />

Individuen, die beim Abschied das<br />

Symbol zerbrachen, um sich später an<br />

dem von Bruchrand zu Bruchrand<br />

zusammengefügten Zeichen zu erkennen.<br />

Obwohl etwas zerbrochen<br />

wurde, vereinte es die Mitglieder einer<br />

Gemeinschaft und verlieh Macht. Die<br />

Alchimisten der Spätantike und des<br />

Mittelalters, Anhänger der Schwarzen<br />

Magie oder Freimaurer glaubten fest<br />

an die Macht ihrer Symbole.


Symbole. Botschaften für Eingeweihte WISSEN<br />

Symbole und Kulturkreis<br />

In der Mythologie werden Gegenständen<br />

symbolische Aussagen zugeordnet.<br />

Das Symbol des vierblättrigen<br />

Kleeblatts bedeutet Glück, ebenso wie<br />

das Schwein. Die Bedeutung eines<br />

Symbols ist kulturabhängig: In der jüdischen<br />

und islamischen Kultur ist das<br />

Schwein unrein und mit negativem<br />

Symbolgehalt assoziiert. Oft sind sich<br />

Kommunikationspartner nicht der versendeten<br />

Botschaft bewusst; was zu<br />

Missverständnissen der vermittelten<br />

Information führen kann, insbesondere<br />

dann, wenn das Repertoire der Bedeutung<br />

beim Sender und Empfänger<br />

nicht identisch ist. Katze und Hund verstehen<br />

sich nicht, weil für den Hund<br />

das Anheben der Pfote eine freundschaftliche<br />

Geste, für die Katze aber<br />

das Kennzeichen einer Aggression ist.<br />

Ein Hindu wird seinen Kopf schütteln,<br />

wenn er „ja“ meint, dies wird ein Europäer<br />

nicht verstehen können, weil er<br />

die gestische Symbolik des fremden<br />

Landes nicht lesen kann. Generell werden<br />

Symbole missverstanden, wenn<br />

Sender und Empfänger nicht die gleiche<br />

symbolische Sprache benutzen.<br />

Warenzeichen von Porzellanmanufakturen:<br />

Die Porzellanmanufaktur Fürstenberg an der<br />

Weser war 1708 das erste Unternehmen, dem<br />

in Europa die Produktion von Porzellan gelang.<br />

Die gekreuzten Schwerter der Porzellanmanufaktur<br />

Meissen wurden 1722 als Qualitätszeichen<br />

des weißen Goldes aus Preussen eingeführt.<br />

Das Konkurrenzunternehmen Staatlich<br />

Berlin wurde 1751 gegründet. Die Porzellanmanufaktur<br />

Rosenthal aus Bayern mit dem<br />

Gründungsjahr 1879 ist ein eher „junges“<br />

Unternehmen.<br />

Signaturen im Handwerk<br />

und Markenzeichen<br />

Aus dem Handelsbrauch, namenlose<br />

Lebensmittelprodukte mit einem Etikett<br />

auszuzeichnen, entwickelten sich<br />

Händlerverpackungen, die typisch für<br />

die jeweilige Ware wurden. Bereits im<br />

Mittelalter kennzeichneten Meisterwerkstätten<br />

die Erzeugnisse ihrer<br />

Manufaktur mit Signaturen.<br />

Bekannte Beispiele sind die gekreuzten<br />

Schwerter der Porzellanmanufaktur<br />

Meissen oder das Zepter<br />

der Staatlichen Porzellanmanufaktur<br />

Berlin.<br />

Die Weiterentwicklung der Manufaktursymbole<br />

führte zu geschützten Warenzeichen<br />

oder Logos für Industrieprodukte.<br />

Firmenlogos wie der Mercedesstern,<br />

die vier Ringe von Audi<br />

oder die Emily von Rolls-Royce sind<br />

Symbole für das Prestige einer Automarke.<br />

Die Adidas-Streifen an Turnschuhen,<br />

das Fischskelett von Fishbone oder<br />

das Krokodil von Lacoste an modischen<br />

Accessoires signalisieren, dass<br />

sich der Besitzer diese Produkte leisten<br />

kann. Markensymbole spiegeln<br />

mehr als das Ansehen einer Firma<br />

wider; der Wiedererkennungswert<br />

eines Markenzeichens ist ausschlaggebend<br />

für den Verkauf eines Produkts,<br />

weil Käufer glauben, mit dem<br />

Kauf eines Markenartikels das mit der<br />

Marke assoziierte Prestige zu erwerben.<br />

Diese Zeichen muss keiner erklären.<br />

explore: INFOBOX<br />

Gaunerzinken:<br />

Eine bis ins letzte Jahrhundert bekannte<br />

Bilderschrift bildeten die Gaunerzinken, die<br />

mit einfachen Symbolen von Vagabunden<br />

und Kriminellen an Wegweisern „Zunftgenossen“<br />

informierten. Die Bedeutung der<br />

Gaunerzinken war nur einem kleinen Kreis<br />

von Eingeweihten bekannt, die den Inhalt<br />

der Botschaft deuten konnte. Dies ist ein<br />

generelles Konzept der durch Symbole vermittelten<br />

Botschaften.<br />

Auch heute noch gibt es Gaunerzeichen an<br />

Klingelschildern.<br />

1. Gehe weiter<br />

BUCHTIPP:<br />

„Das Buch der Zeichen und Symbole“ von<br />

I. Schwarz-Winklhofer & Hans Biedermann,<br />

VFS, ISBN: 3-85365-203-4, 400 Seiten,<br />

19,90 Euro<br />

LINKS:<br />

www.kunstdirekt.net/Symbole/<br />

exkursheinzmohr.htm<br />

www.beyars.com/kunstlexikon/<br />

lexikon_8834.html<br />

2. An dieser Stelle<br />

3. Gefahr (scharfe Zähne eines Hundes)<br />

4. Bedrohung durch Schusswaffe<br />

(Mensch mit erhobenen Armen)<br />

5. Wohlstand (Mensch mit ausgestrecktem<br />

Arm und Servierbrett)<br />

explore: 2/2006 - 05


Schrift – der Schlüssel<br />

Von Dr. Doris Marszk<br />

Nicht alle Völker hatten die gleichen Vorstellungen von einer<br />

Schrift. Es gibt Alphabetschriften, Silbenschriften, Gegenstandsschriften.<br />

Finden Archäologen Steine mit unbekannten<br />

Zeichen, müssen Fachleute für Schriften erst herausfinden,<br />

ob ein Zeichen für einen Laut, eine Silbe oder ein ganzes<br />

Wort steht; danach kann die Entzifferungsarbeit beginnen.<br />

Selten haben die Entzifferer dabei solches Glück wie<br />

Jean-François Champollion, der die Inschriften des Steins<br />

von Rosette nutzen konnte, um die Hieroglyphen zu entziffern.<br />

1799 wurde während Napoleons Ägypten-Feldzug der<br />

Stein entdeckt, der mit Schriftzeichen in drei Sprachen<br />

bedeckt war: mit griechischen, demotischen, einer aus den<br />

Hieroglyphen hervorgegangenen Kursivschrift, und mit<br />

ägyptischen Hieroglyphen selbst. Man fand bald heraus,<br />

dass alle drei Texte Übersetzungen voneinander sein mussten.<br />

Damit hatte man einen Schlüssel zur Entzifferung der<br />

Hieroglyphen in der Hand.<br />

Champollion war 1799 noch ein Kind, doch keiner der<br />

damaligen Gelehrten hatte die richtige Idee zur Entzifferung.<br />

So war es Champollion, der 1821 den entscheidenden<br />

Schritt tat, indem er die Zahl der griechischen Wörter mit der<br />

Zahl der Hieroglyphen verglich. Und siehe da: Es gab etwa<br />

dreimal so viele Hieroglyphen wie griechische Wörter. Die<br />

Hieroglyphen standen also für Laute und nicht für Wörter.<br />

Seine weiteren Erkenntnisse über die Lautung der<br />

Hieroglyphen verdankte Champollion seiner Vertrautheit mit<br />

dem Koptischen, einer Sprachstufe des Ägyptischen in<br />

frühchristlicher Zeit.<br />

Auch heute sind noch nicht alle aufgefundenen Schriften früher<br />

Hochkulturen entziffert: So geben Sprache und Schrift<br />

der Induskultur in Nordwestindien bis heute Rätsel auf. Nur<br />

teilweise hat man bisher Schrift und Sprache der einst in<br />

Italien ansässigen Etrusker verstanden. Auf eine Entzifferung<br />

warten bis heute die minoischen Schriften von Kreta.<br />

Vor allem der einzigartige Diskos von Phaistos, der vor etwa<br />

100 Jahren auf Kreta gefunden wurde, gibt den Forschern<br />

Rätsel auf. Man ist sich so uneins über seine Bedeutung,<br />

dass nicht einmal Konsens darüber besteht, ob die Hieroglyphen<br />

linksläufig oder rechtsläufig gelesen werden sollen.<br />

In manchen Fällen fehlt es an genügend Schriftmaterial. Bei<br />

den minoischen Schriften ist oft nicht einmal bekannt, welche<br />

Völker sie benutzten. Zwei- oder dreisprachige<br />

Denkmäler wie der Stein von Rosette bilden eine Ausnahme.<br />

Und zu allem muss noch die zündende Idee des Entzifferers<br />

kommen.<br />

06 - explore: 2/2006<br />

WISSEN Schrift – der Schlüssel zur Vergangenheit<br />

zur Vergangenheit<br />

Wie Forscher den Schriften längst versunkener Kulturen ihre<br />

Geheimnisse zu entlocken versuchen<br />

2.<br />

Der 1799 auf Napoleons Ägypten-Feldzug<br />

entdeckte Stein von Rosette zeigt Inschriften<br />

in drei unterschiedlichen<br />

Sprachen: Der obere Teil (1.) den ägyptischen<br />

Hieroglyphentext, der mittlere (2.)<br />

den demotischen und der untere Part (3.) den griechischen Text. Trotz<br />

fehlender Stücke hat der Stein mit 762 Kilogramm, 114 Zentimeter<br />

Höhe, 72 Zentimeter Breite und 28 Zentimeter Dicke beträchtliche<br />

Maße. Wer wissen möchte, was auf dem Stein geschrieben steht, findet<br />

die Übersetzung ins Deutsche im Internet unter:<br />

www.hieroglyphen.de/gl_rosettestein_text.shtml.<br />

3.<br />

1.


Einsprachigkeit ist heilbar FORSCHUNG<br />

Ein#prachigkeit ist heilbar*<br />

„E# hatte aber alle Welt einerlei Zunge und Sprache. (...) Und sie sprachen untereinander: (...)<br />

Wohlauf, laßt un# eine Stadt und einen Turm bauen, dessen Spitze bi# an den Himmel reiche, damit<br />

wir un# einen Namen machen; denn wir werden son#t zerstreut in alle Länder. Da fuhr der Herr her-<br />

nieder, daß er sähe die Stadt und den Turm, die die Menschenkinder bauten. Und der Herr sprach:<br />

Siehe, e# ist einerlei Volk und einerlei Sprache unter ihnen allen und die# ist der Anfang ihre# Tun#;<br />

nun wird ihnen nicht# mehr verwehrt werden können von allem, wa# sie sich vorgenommen haben zu<br />

tun. Wohlauf, laßt un# herniederfahren und dort ihre Sprache verwirren, daß keiner de# andern<br />

Sprache verstehe! So zerstreute #ie der Herr von dort in alle Länder, daß sie aufhören mußten, die<br />

Stadt zu bauen. Daher heißt ihr Name Babel, weil der Herr daselbst verwirrt hat aller Länder<br />

Sprache und sie von dort zerstreut hat in alle Länder.<br />

(Die Bibel, der Turmbau zu Babel, nach der Übersetzung Martin Luthers in der revidierten Fassung von 1984, Altes Testament, 1. Mose 11)<br />

*Einsprachigkeit ist heilbar<br />

explore: 2/2006 - 07


Von Dörte Saße<br />

Ausgerechnet Afrika ist uns<br />

weit voraus, während die<br />

USA schwer hinterher hinken<br />

– was die Sprachfertigkeit<br />

ihrer Einwohner angeht. Für<br />

viele Afrikaner ist es ganz all-<br />

täglich, zu Hause eine andere<br />

Sprache zu sprechen als in<br />

der Schule, auf dem Amt<br />

oder im nächsten Dorf. Über-<br />

haupt beherrschen Bürger<br />

großer Länder meist weniger<br />

Sprachen als die der kleinen:<br />

Deutsche weniger als Dänen,<br />

Franzosen weniger als<br />

Luxemburger, Russen weni-<br />

ger als Litauer. Dabei gibt es<br />

dank neuer Lernmethoden<br />

keinen Grund, es den<br />

Afrikanern nicht nachzuma-<br />

chen. Die Mehrsprachig-<br />

keitsforschung liefert das<br />

Rüstzeug, um innerhalb<br />

weniger Monate gleich einen<br />

ganzen Schwung Sprachen<br />

verstehen zu können – ohne<br />

sie einzeln und von der Pike<br />

auf gelernt zu haben.<br />

08 - explore: 2/2006<br />

„Das <strong>funktioniert</strong> deshalb, weil Strukturen<br />

und Wortschatz zum Beispiel in<br />

den romanischen Sprachen große<br />

Gemeinsamkeiten aufweisen“, erklärt<br />

Horst Günter Klein, Romanistik-Professor<br />

an der Universität Frankfurt/<br />

Main. Nachdem seine Studenten in<br />

der Schulzeit Französisch gepaukt<br />

haben, lernen sie jetzt, sich damit viele<br />

andere romanische Sprachen zu<br />

erschließen. Nach nur einem Semester<br />

mit der EuroCom-Methode von<br />

Professor Klein verstehen sie auf<br />

Abiturniveau auch Spanisch,<br />

Italienisch, Portugiesisch, Katalanisch<br />

und Rumänisch, geschrieben und<br />

gesprochen. Und sie können einfache<br />

Sätze bilden.<br />

Nach einem Semester Abiturniveau<br />

Was auf den ersten Blick unglaublich<br />

klingt, ist bei näherem Hinschauen nur<br />

logisch: Die romanische Sprachfamilie<br />

teilt ähnliche Wörter, Struktur und<br />

Grammatik (siehe Beispiele Seite 9).<br />

Dabei geht es um das Sprechen und<br />

Schreiben lernen erst im zweiten<br />

Schritt. Zunächst ist das Hör- und<br />

Leseverstehen gefragt, darin liegt die<br />

Zukunft, meint Professor Klein – ob<br />

Menschen nun im Internet surfen oder<br />

tatsächlich auf Reisen gehen.<br />

Das sind gute Nachrichten für alle, die<br />

bisher sicher waren, für Fremdsprachen<br />

einfach unbegabt zu sein.<br />

Denn die Hirn- und die Lernforschung<br />

bestätigen: Das Lernen wird mit jeder<br />

weiteren Sprache immer einfacher.<br />

Zwar scheint die Muttersprache zunächst<br />

am leichtesten – doch schließlich<br />

verwenden die Kinder viele Jahre<br />

darauf und lernen durch Versuch und<br />

Irrtum. Erwachsene hingegen können<br />

ihre Ratio hinzunehmen und schon auf<br />

früheren Lernerfolgen aufbauen – ein<br />

nicht zu unterschätzender Vorteil,<br />

wenngleich auch Aussprache und<br />

Satzbau der spät erlernten Sprachen<br />

wohl nie so perfekt sein werden wie<br />

bei jenen aus den Kindertagen.<br />

Sprachfenster<br />

Neugeborene sind noch in der Lage,<br />

sich auf alle Sprachmelodien einzulassen<br />

und die mehr als 100 Sprachlaute<br />

der Welt zu unterscheiden, die Klicks,<br />

die Zischlaute, die Tonhöhenveränderung.<br />

Doch schon ab dem Alter von<br />

FORSCHUNG Einsprachigkeit ist heilbar<br />

zehn Monaten beschränken sie sich<br />

auf jene Sprachklänge, von denen sie<br />

täglich umgeben sind. Dann arbeiten<br />

alle Kleinkinder daran, aus dem herumwabernden<br />

Tonbrei Wörter und<br />

Satzmuster herauszufiltern und logische<br />

Strukturen und Regeln zu bilden.<br />

Dem Hirn macht es offenbar wenig<br />

aus, das gleich für mehrere Sprachen<br />

zu leisten. Zwar kommt es anfangs zu<br />

mehr Verwechslungen, doch polyglott<br />

aufwachsende Kinder finden erstaunlich<br />

schnell den Dreh, die einzelnen<br />

Sprachen voneinander getrennt zu<br />

halten.<br />

Im Hirnscan zeigt sich klar, ob jemand<br />

eine Sprache als Muttersprache oder<br />

vergleichbar früh erlernt hat – oder erst<br />

nach dem so genannten Sprachfenster,<br />

das sich im Alter von etwa<br />

sechs Jahren schließt. Neurolinguistische<br />

Untersuchungen mit dem funktionellen<br />

Magnetresonanztomografen<br />

dokumentieren auch: Die frühen<br />

Sprachen verarbeitet das Hirn in einem<br />

anderen Bereich der Großhirnrinde als<br />

die später erlernten. Allerdings liegt die<br />

Hirnaktivität für spätere Sprachen<br />

räumlich eng beieinander, offenbar bildet<br />

das Hirn tatsächlich eine Art<br />

Fremdsprachenzentrum, welches das<br />

Hinzulernen erleichtert.<br />

Mehrere Sprachen verwirren nicht<br />

Dass mehrere Fremdsprachen einander<br />

befruchten, haben auch unterschiedliche<br />

Lernstudien seit den<br />

1970er-Jahren immer wieder bestätigt.<br />

Wer schon Vorkenntnisse einer ähnlichen<br />

Sprache besaß, fand schneller<br />

Zugang zur neuen. Wer schon eine<br />

Fremdsprache gelernt hatte, konnte<br />

das Lernmuster übertragen. Trotzdem<br />

galt bisher in der Didaktik der Lehrsatz:<br />

„Mehrere Sprachen verwirren die<br />

Lernenden.“ In deutschen Schulen<br />

werden Englisch, Französisch, Latein,<br />

Spanisch, Russisch oder auch Altgriechisch<br />

deshalb zwar in unterschiedlicher<br />

Reihenfolge angeboten –<br />

immer aber im Abstand von mindestens<br />

zwei Jahren.<br />

Die Pädagogen fürchten Interferenzen<br />

durch andere Sprachen, Fehler wie „I<br />

want to become a ceiling“ für „Ich<br />

hätte gerne eine Decke“. Dabei treten<br />

solche Verirrungen, auch false friends<br />

genannt, ohnehin zu etwa zehn Prozent<br />

auf, unabhängig vom kulturellen


Einsprachigkeit ist heilbar FORSCHUNG<br />

Deutsch Französisch Spanisch Italienisch Portugiesisch Katalanisch Rumänisch<br />

Abgrund abysse/abîme abismo abisso abismo abís abis<br />

Automobil automobile automóvil automobile automóvel cotxe automobil<br />

voiture coche carro<br />

Brücke pont puente ponte ponte pont pod<br />

essen manger comer mangiare comer menjar a mânca<br />

Hase lièvre liebre lepre lebre llebre iepure<br />

Herr seigneur señor signore senhor senyor senior<br />

hervorragend excellent excelente eccelente excelente excel·lent excelent<br />

Mond lune luna luna lua lluna lunǎ<br />

Präsident président presidente presidente presidente president pres¸ edinte<br />

Schwester sœur hermana sorella irma germana sorã<br />

Wort parole palabra parola palavra paraula cuvânt<br />

Würfel dé dado dado dado dau zar<br />

wütend furieux furioso furioso furioso furios furios<br />

Zahl nombre número numero número número numar<br />

zeigen montrer mostrar mostrare mostrar mostrar a arǎta<br />

Wer versteht, wie unterschiedliche Sprachen den gleichen Laut schreiben, kann auch aus unbekannten Wörtern intelligente Schlüsse ziehen: Das<br />

französische seigneur entspricht dem spanischen señor und dem portugiesischen senhor; die Italiener nennen es signore, die Katalanen senyor und<br />

die Rumänen senior.<br />

Hintergrund und der Anzahl der zuvor<br />

erlernten Sprachen, berichtet die<br />

Anglistik-Professorin Britta Hufeisen<br />

von der TU Darmstadt. Sie hält diese<br />

Wechselwirkungen im Kopf der Lernenden<br />

für unvermeidlich. Deshalb<br />

solle man sie als große Chance<br />

begreifen und multiples Sprachenlernen<br />

gleich zur Regel machen.<br />

Der ersten Fremdsprache kommt<br />

dabei eine ganz besondere Rolle zu,<br />

und damit auch den Lehrern, so<br />

Hufeisen: Hier entscheidet sich meist,<br />

ob ein Kind sich mit Folgesprachen<br />

schwer tut oder sich für sprachbegabt<br />

hält. Beherrscht es seine Muttersprache<br />

gut? Mag es Sprachen?<br />

Entwickelt es Merkstrategien, die zu<br />

seinem Lerntyp passen – begreift es<br />

Gehörtes, Gelesenes oder Selbstgeschriebenes<br />

am besten? Und ist die<br />

Lernatmosphäre motivierend oder<br />

feindlich?<br />

Lernatmosphäre ist wichtig<br />

Im Idealfall soll den Sprachschülern<br />

klar werden, wie viele Fähigkeiten sie<br />

bereits mitbringen. Die erste Fremdsprache<br />

wird quasi zur Brückensprache<br />

für alle folgenden. Wer das<br />

Neue aktiv mit Bekanntem vergleicht,<br />

entdeckt schnell hilfreiche Parallelen<br />

und kann im Zweifelsfall geschickt<br />

raten. Das nimmt die Angst, schlägt<br />

schnell Schneisen ins Dickicht des<br />

Unbekannten. Nach diesem Prinzip<br />

nutzt EuroCom „sieben Siebe“, durch<br />

die fremde Texte zu filtern sind: Was<br />

etwa erschließt sich aus den Bildern im<br />

Umfeld, welche Worte sind international<br />

verbreitet, welche klingen wie<br />

Bekanntes, was sieht aus wie ein Verb,<br />

was könnten Vorsilben sein?<br />

„Es war wirklich faszinierend, was für<br />

einen großen Motivationsschub die<br />

Schüler bekommen“, meinte Schulleiter<br />

Karl Hildebrandt, nachdem seine<br />

Schüler aus den Klassen 10 bis 13 im<br />

hessischen Hattersheim die Methode<br />

am Italienischen ausprobiert hatten.<br />

Der Erfolg gibt Professor Klein und<br />

Forschern in ähnlichen Projekten<br />

Recht. Gleichzeitig haben zahlreiche<br />

Studien das Prinzip wissenschaftlich<br />

abgesichert. Nun ist der Multispracherwerb<br />

an zahlreichen Universitäten in<br />

Europa im Kommen, ein Teil der Inhalte<br />

findet sich auch im Internet. Erklärtes<br />

Ziel des Projekts ist aber auch die<br />

Lehrerausbildung – um künftigen<br />

Schülern schlechte Erfahrungen von<br />

vornherein zu ersparen.<br />

Brückensprachen verschaffen<br />

den Zugang<br />

Dabei widmet sich das Team neben<br />

der romanischen mittlerweile auch den<br />

germanischen und slawischen<br />

Sprachfamilien: In EuroComGerm soll<br />

die Brückensprache Englisch auch<br />

das Niederländische, Schwedische,<br />

Norwegische und Dänische erschlie-<br />

ßen; und EuroComSlav ebnet mit der<br />

Brückensprache Russisch gleich den<br />

Zugang zu 14 slawischen Sprachen,<br />

von Bosnisch und Bulgarisch über<br />

Polnisch und Sorbisch bis zu<br />

Tschechisch und Ukrainisch.<br />

Wem das schwer vorstellbar scheint,<br />

der lasse sich auf die Philosophie des<br />

Projekts ein: „Bisweilen herrscht in<br />

den europäischen Ländern noch die<br />

landläufige Meinung, Mehrsprachigkeit<br />

sei in der Welt ein Ausnahmefall.<br />

Das Gegenteil ist der Fall. Einsprachigkeit<br />

ist heute eher als ein Defizit oder<br />

gar als Krankheit zu betrachten, allerdings<br />

mit der Aussicht auf Besserung:<br />

Einsprachigkeit ist heilbar!“<br />

explore: INFOBOX<br />

LINKS:<br />

Einblicke in die EuroCom-Methode:<br />

www.eurocomcenter.com<br />

Zweisprachige Kindererziehung: www.artetv.com/de/wissenentdeckung/babel/D_27une<br />

_20langue_20_C3_A0_20l_27autre/991886,<br />

CmC=1006530.html<br />

Wie lernt man Sprachen?<br />

http://web.uni-marburg.de/fb09/igs/daf/<br />

VLEinfuehrung_htm/2.htm<br />

Sprachfamilien:<br />

http://de.wikipedia.org/wiki/Sprachfamilie<br />

Sprachen der Welt:<br />

www.weikopf.de/Sprache/sprache.html<br />

explore: 2/2006 - 09


Grammatische Eigenheiten in den Sprachen der Welt<br />

Die genaue Zahl der Sprachen der Welt ist schwierig zu<br />

bestimmen, weil sie vor allem davon abhängt, nach welchen<br />

Kriterien etwas als eigenständige Sprache gezählt<br />

wird. Wie in der Tier- und Pflanzenwelt können auch von<br />

Sprachen Familien gebildet werden. Es können sich aber<br />

Ähnlichkeiten nicht nur durch eine gemeinsame Abkunft<br />

ergeben, sondern auch durch Sprachkontakt oder<br />

dadurch, dass das menschliche Gehirn bestimmte<br />

Verarbeitungsmechanismen bevorzugt.<br />

Neu ist an dem Atlas, den das Team um Professor Dr.<br />

Martin Haspelmath erstellt hat, dass dem Buch eine CD<br />

beiliegt, die es den Nutzern ermöglicht, sich selbst gezielt<br />

auf die Suche nach grammatischen Eigenheiten zu<br />

machen. Der elektronische Atlas besteht aus einem<br />

Language-Viewer, einem Feature-Viewer und einem<br />

Composer. Im Language Viewer kann man alphabetisch<br />

nach den Sprachen suchen und kann sich von jeder<br />

Sprache anzeigen lassen, welche Merkmale von ihr<br />

bekannt sind. Der Feature-Viewer bietet die Möglichkeit,<br />

den Atlas nach Merkmalen zu durchsuchen. Man könnte<br />

etwa fragen, welche Sprachen beispielsweise den Optativ<br />

kennen (die Wunschform wie in „möge er lange leben“). Hat<br />

man beispielsweise eine Liste für Sprachen mit Optativ<br />

erhalten, könnte man sich genauer ansehen, wie dies für<br />

10 - explore: 2/2006<br />

FORSCHUNG Wanderung durch die Sprachen der Welt<br />

Wanderung durch die Sprachen<br />

der Welt<br />

Von Dr. Doris Marszk<br />

Sprachen sind in den Köpfen von Menschen entstanden. Da die Gehirnstrukturen bei allen Menschen im<br />

Wesentlichen gleich sind, müssen sich auch sprachliche Strukturen ähneln. Wie diese Ähnlichkeiten beschaffen<br />

sind, untersucht die Typologie, eine Teildisziplin der Linguistik. 1999 wurde am Max-Planck-Institut für evolutionäre<br />

Anthropologie ein Großprojekt ins Leben gerufen, in dem in einer großen Auswahl zusammengetragen wurde, was<br />

man über die Sprachen dieser Welt weiß. Es entstand der „World Atlas of Language Structures“, der 2.500 der etwa<br />

7.000 Sprachen der Welt erfasst. Kürzlich ist er als Buch und CD erschienen.<br />

„Wir konnten leider nicht alle Sprachen berücksichtigen“, erklärt Professor Dr. Martin Haspelmath, einer der<br />

Herausgeber des Sprachatlasses. „Darum haben wir uns von der Regel leiten lassen, nicht mehr europäische als<br />

außereuropäische Sprachen aufzunehmen.“<br />

eine bestimmte Sprache aussieht. Das für Linguisten interessanteste<br />

Instrumentarium dürfte jedoch der Composer<br />

sein. Hier lassen sich Merkmale kombinieren. Man könnte<br />

etwa nach Sprachen suchen, die unbestimmte Artikel<br />

haben, die gleich dem Zahlwort „ein“ sind, und genau vier<br />

Kasus haben. In dieser Abfrage gäbe es nur eine Sprache,<br />

bei der diese kombinierten Merkmale auftreten: Deutsch.<br />

Für Fachleute und „fortgeschrittene Laien“<br />

Das Hauptanliegen des Sprachatlasses ist, wie Professor<br />

Haspelmath sagt, „Ergebnisse der sprachtypologischen<br />

Forschung in allgemeinverständlicher Form für Laien und<br />

für Forscher zusammenzustellen“. Dabei räumt er ein, dass<br />

es sich schon um „fortgeschrittene Laien“ handeln muss,<br />

weil man ohne eine gewisse Kenntnis linguistischer<br />

Begrifflichkeit die Fülle der dargebotenen Informationen<br />

nicht nutzen können wird.<br />

explore: INFOBOX<br />

Im Sprachatlas lassen sich<br />

grammatische Merkmale auch<br />

auf einer Weltkarte anzeigen.<br />

In der Abbildung links ist zu<br />

sehen, welche Sprachen auf<br />

welche Weise einen bestimmten<br />

Artikel (der, die, das) haben.<br />

Manche Sprachen kommen mit<br />

einem einzigen Artikel aus, wie<br />

das Englische („the“), andere<br />

haben zwei wie das<br />

Französische („le“, „la“),<br />

manche Sprachen kennen auch<br />

gar keine bestimmten Artikel.<br />

BUCHTIPP:<br />

„The World Atlas of Language Structures“, (Book with interactive CD-<br />

ROM) von Martin Haspelmath, Matthew Dryer, David Gilund Bernard<br />

Comrie (eds.) 2005, Oxford: Oxford University Press,<br />

ISBN: 0-19-925591-1, Preis: etwa 400 Euro


Von wem lernen Kuckuckskinder ihr typisches Lied? ENTDECKUNG<br />

Von wem lernen Kuckuckskinder<br />

ihr typisches Lied?<br />

Von Cornelia Dick-Pfaff<br />

Vogelstimmen gibt es viele unterschiedliche, und lange<br />

nicht jeder kann die heimische Vogelschar anhand des<br />

Gesangs erkennen. Wenn es aber einen schier unverkennbaren<br />

Vogellaut gibt, dann ist das wohl der des<br />

Kuckucks. Mindestens genauso berühmt wie für sein<br />

Rufen ist der Vogel allerdings für die legendäre Art und<br />

Weise, wie er seine Jungen aufzieht – nämlich eigentlich<br />

überhaupt nicht. Jubelt er seine Eier doch bekanntermaßen<br />

unfreiwilligen Adoptiveltern unter und überlässt<br />

jenen die ganze Arbeit.<br />

Dieser so genannte Brutparasitismus des Kuckucks bringt<br />

eine Schwierigkeit mit sich: Da Vögel ihren Gesang<br />

gewöhnlich von ihren Eltern lernen, drängt sich im Fall des<br />

Kuckucks förmlich die Frage auf, wie der junge Kuckuck<br />

sein charakteristisches „Kuckuck“ lernen kann. Schließlich<br />

sind seine Wirtseltern wider Willen nicht seine biologischen<br />

Eltern. Sie rufen demnach auch nicht das typische<br />

„Kuckuck“, weshalb das Kuckuckskind es sich somit nicht<br />

auf die übliche Weise aneignen kann.<br />

Es muss also eine andere Möglichkeit geben, den Laut von<br />

Generation zu Generation weiterzugeben. Dies geschieht<br />

über Gene. Weil der Kuckucksruf in einem genetischen<br />

Programm gespeichert ist, sind die Rufe vieler der weltweit<br />

53 brutparasitierenden Kuckucksarten auch sehr einfach<br />

gestrickt und beschränken sich auf das simple „Kuckuck“.<br />

Der Ruf des Kuckucks ist damit ein eindrucksvolles Beispiel<br />

für die weit reichende Kontrolle, welche die Gene auf ein<br />

Individuum und sein Verhalten ausüben können. Der<br />

Einfluss des Erbguts auf ein Lebewesen geht somit weit<br />

über offensichtliche Eigenschaften wie etwa äußere<br />

Merkmale oder die Widerstandsfähigkeit gegen Krankheiten<br />

hinaus.<br />

Kuckuck!<br />

ruft’s aus dem Wald Aus Niederösterreich<br />

(1) Kuckuck, Kuckuck ruft’s aus dem Wald.<br />

Lasset uns singen, tanzen und springen.<br />

Frühling, Frühling wird es nun bald.<br />

(2) Kuckuck, Kuckuck lässt nicht sein Schrei’n:<br />

Komm in die Felder, Wiesen und Wälder.<br />

Frühling, Frühling, stelle dich ein.<br />

(3) Kuckuck, Kuckuck, trefflicher Held.<br />

Was du gesungen, ist dir gelungen.<br />

Winter, Winter räumet das Feld.<br />

Da Kuckuckskinder nicht von ihren biologischen Eltern aufgezogen<br />

werden, bekommen sie deren Gesang als Jungvögel kaum zu hören.<br />

explore: 2/2006 - 11


„Rabäääh“ –<br />

Was Babys eigentlich sagen wollen<br />

Von Cornelia Dick-Pfaff<br />

Die ersten Worte sagen Babys frühestens<br />

mit neun Monaten, die meisten<br />

mit etwa einem Jahr. Und diese reichen<br />

kaum, sämtliche Bedürfnisse zu<br />

schildern. Ganz so lange müssen sich<br />

Eltern aber nicht gedulden: Mithilfe<br />

der Babyzeichensprache können<br />

Babys ihre Wünsche schon weit früher<br />

äußern. Etwa ein halbes Jahr,<br />

bevor der Sprachapparat so weit entwickelt<br />

ist, dass Babys mit dem Sprechen<br />

beginnen, können sie ihre<br />

12 - explore: 2/2006<br />

MENSCH „Rabäääh“ – Was Babys eigentlich sagen wollen<br />

Babygebrabbel klingt oft sehr niedlich – verständlich ist es zum Bedauern der Eltern<br />

aber nicht. Und spätestens, wenn sich das entzückende Brabbeln in herzzerreißen-<br />

des Weinen verwandelt, wünschen sich alle, dass der Nachwuchs endlich äußern<br />

könnte, was ihm fehlt. Mit Babyhandzeichen können die Kleinen das schon viel<br />

früher als gedacht.<br />

Hände bereits koordiniert bewegen<br />

und so mit simplen Handzeichen rudimentär<br />

kommunizieren. „Der Alltag ist<br />

viel entspannter, wenn mein Kind nicht<br />

weinen und quengeln muss, um auf<br />

seine Bedürfnisse aufmerksam zu<br />

machen, sondern einfach das Zeichen<br />

benutzt für eine volle Windel, den<br />

Wunsch, etwas zu essen oder nach<br />

Hause zu wollen“, erklärt Vivian König,<br />

die seit einem Jahr Kurse in Babyzeichensprache<br />

gibt.<br />

Ein einfaches und logisches<br />

Konzept<br />

Zwischen dem fünften und siebten<br />

Monat können Eltern loslegen. „Sie<br />

sind immer überrascht, wie logisch<br />

und einfach das Konzept ist und wie<br />

leicht und natürlich die Zeichen in den<br />

Tagesablauf zu integrieren sind“,<br />

berichtet Vivian König. Als erste<br />

Zeichen eignen sich Gesten für alltägliche<br />

Dinge – etwa Milch oder essen.<br />

Immer wenn man das Wort sagt, zeigt


„Rabäääh“ – Was Babys eigentlich sagen wollen MENSCH<br />

Klaas zeigt ESSEN. Luca demonstriert TELEFON. Merlin gebärdet KATZE.<br />

man gleichzeitig die Geste. Wie schnell<br />

ein Baby die Zeichen versteht und<br />

wiedergibt, hängt von der individuellen<br />

geistigen und motorischen Entwicklung<br />

ab.<br />

Vorteile für beide Seiten<br />

Hierzulande noch weitgehend unbekannt,<br />

ist Babyzeichensprache in<br />

Großbritannien und Amerika verbreitet,<br />

gehört zu den gängigen Angeboten für<br />

frisch gebackene Eltern. Hörende und<br />

gehörlose Kinder werden dort häufig<br />

gemeinsam betreut. Es stellte sich heraus,<br />

dass Handzeichen der Gebärdensprache<br />

hörenden Kindern<br />

enorme Vorteile bringen: Einige<br />

Monate der Frustration bleiben<br />

erspart. Die Kleinen sind glücklich,<br />

dass sie verstanden werden, und die<br />

Das Sprachgen<br />

Von Dr. Erich Lederer<br />

Probleme beim Sprechen<br />

sind erblich<br />

Es dauert nur wenige Jahre, bis aus<br />

einem Babybrabbeln eine geschliffene<br />

Sprache mit Nebensätzen, Konjunktiven<br />

und angepasster Wortwahl wird.<br />

Die fein abgestimmten Bewegungen<br />

von Zunge, Kiefer und Kehlkopf lernen<br />

wir – anders als beim Lesen ohne –<br />

gezielte Anleitung, allein durch Nachahmung.<br />

Die Anlage zum Sprechen liegt in<br />

unseren Genen. Eines mit dem Namen<br />

FoxP2 scheint dabei eine Schlüsselrolle<br />

zu spielen. Ist seine Struktur nur<br />

ein klein wenig verändert, gibt es<br />

große Probleme beim Erlernen der<br />

Muttersprache. Weil Eltern solche<br />

Fehler in ihrem Erbgut auch an ihre<br />

Kinder weitergeben, entdeckten<br />

Forscher vor etwa fünf Jahren die<br />

Bedeutung von FoxP2. Das Gen<br />

bestimmt aber nicht etwa die Form<br />

der Zungenmuskeln oder des Kehlkopfs,<br />

sondern ist im Kleinhirn für die<br />

Produktion von Eiweißstoffen zuständig.<br />

Die Funktion dieser Proteine liegt<br />

jedoch noch im Dunkeln.<br />

Schlüssel zur menschlichen<br />

Sprache?<br />

Auch bei unseren Verwandten im<br />

Tierreich bestimmt das Gen die<br />

Verständigung untereinander: Bei<br />

Mäusen verhindert ein Defekt die<br />

Kommunikation im Ultraschallbereich.<br />

Und bei Singvögeln entscheidet es<br />

über deren Gesang. Wie Constance<br />

Scharff und ihre Kollegen vom Max-<br />

Planck-Institut für molekulare Genetik<br />

in Berlin herausfanden, wird FoxP2<br />

immer dann aktiv, wenn ein Fink oder<br />

ein Kanarienvogel sein „Lied“ lernt.<br />

Zu mehr als 99,5 Prozent ist das<br />

Eltern freuen sich, besser auf ihr Baby<br />

eingehen zu können. Die Kleinen sprechen<br />

zudem früher und erlangen einen<br />

größeren Wortschatz, viele entwickeln<br />

ein verstärktes Interesse an Büchern.<br />

Das Lernen der Gesten unterstützt<br />

damit die gesamte Sprachentwicklung.<br />

explore: INFOBOX<br />

BUCHTIPP:<br />

Kleines Wörterbuch der Babyzeichen von<br />

Vivian König, Kestner, Juli 2005, ISBN:<br />

3000159312, 130 Seiten, 17,50 Euro<br />

Englisch: Baby Sign Language Basics von<br />

Monta Z. Briant, Hay House, Januar 2004,<br />

ISBN: 1401902901, 333 Seiten, 8,49 Euro<br />

LINKS:<br />

Vivian König: Zwergensprache – mit Babys<br />

kommunizieren bevor sie sprechen können:<br />

www.babyzeichensprache.com/<br />

Englisch: Videowörterbuch der<br />

Babyhandzeichen:<br />

www.mybabycantalk.com/content/<br />

dictionary/dictionaryofsigns.aspx<br />

menschliche FoxP2-Protein mit dem<br />

der Maus oder dem Schimpansen<br />

identisch. Ob die zwei kleinen Veränderungen<br />

beim Menschen unsere<br />

Sprache zu etwas Einmaligem<br />

machen, versuchen Wissenschaftler<br />

zurzeit herauszufinden. Möglicherweise<br />

helfen ihre Ergebnisse einmal<br />

Kindern, denen das Sprechenlernen<br />

schwer fällt.<br />

explore: 2/2006 - 13


Von Dr. Erich Lederer<br />

Was der Smiley nicht kann<br />

Ein fröhliches Gesicht steckt uns an.<br />

Manchmal können wir nicht anders, als<br />

ganz einfach zurücklächeln. Als Gute-<br />

Laune-Macher ist der Smiley dem<br />

menschlichen Gesicht jedoch klar<br />

unterlegen; denn unser Gehirn erkennt<br />

nicht nur hochgezogene Mundwinkel.<br />

Es registriert auch kleine Fältchen um<br />

die Augen herum, die zu einem natürlichen<br />

ungezwungenen Lächeln dazugehören.<br />

Das antrainierte Lächeln des<br />

Versicherungsvertreters dagegen besteht<br />

meist nur aus einem freundlichen<br />

leicht geöffneten Mund.<br />

Die Laune im Gesicht des anderen<br />

ablesen und selbst darauf reagieren –<br />

14 - explore: 2/2006<br />

MENSCH <strong>Zurücklächeln</strong> <strong>funktioniert</strong> <strong>automatisch</strong><br />

<strong>Zurücklächeln</strong> <strong>funktioniert</strong><br />

<strong>automatisch</strong><br />

diese beiden Prozesse sind eng verknüpft<br />

und laufen meist unbewusst<br />

ab. Schwedische Forscher fanden vor<br />

einigen Jahren heraus, dass das Foto<br />

eines lächelnden Menschen unsere<br />

Wangenmuskulatur auch dann zucken<br />

lässt, wenn es nur für wenige hundertstel<br />

Sekunden zwischen andere Bilder<br />

eingeblendet wird.<br />

Offene Menschen lächeln<br />

eher zurück<br />

Ohne die positive innere Einstellung<br />

<strong>funktioniert</strong> die Reaktion jedoch nicht.<br />

In einer Studie zeigten Turhan Canli<br />

und seine Kollegen von der amerikanischen<br />

Stanford-Universität unlängst,<br />

dass das Gehirn geselliger und offener<br />

Menschen eher auf die einladende<br />

Mimik reagiert als das verschlossener<br />

und in sich gekehrter. Ein finsteres<br />

Gesicht ließ dagegen keine der beiden<br />

Gruppen kalt.<br />

Evolutionsforscher haben dafür eine<br />

einleuchtende Erklärung: Nur wer für<br />

einen Flirt aufgeschlossen ist, bei dem<br />

wird aus dem Blickkontakt vielleicht ein<br />

Kennenlernen. Wer aber ein grimmiges<br />

oder ängstliches Gesicht sieht, dem<br />

signalisiert sein Instinkt unabhängig<br />

von seiner Laune: Achtung Gefahr!


Sport ist wie eine universelle Sprache MENSCH<br />

Sport ist wie eine<br />

universelle Sprache<br />

Von Almut Bruschke-Reimer<br />

„Die Welt zu Gast bei Freunden“, heißt das offizielle Motto, mit dem Deutschland zur Fußballwelt-<br />

meisterschaft einlädt. Neben dem sportlichen Wettkampf soll das Großereignis auch zur Völker-<br />

verständigung beitragen, wünscht sich der Weltfußballverband. „Sport ist wie eine universelle<br />

Sprache. Sport bringt die Menschen zusammen, egal welche Herkunft, Wurzeln, religiöse Vor-<br />

stellungen oder welchen wirtschaftlichen Status sie haben“, sagt UN-Generalsekretär Kofi Annan.<br />

Viele Medien vermitteln heute leider oft<br />

ein anderes Bild: Ausschreitungen,<br />

Körperverletzungen und Rassismus<br />

scheinen gerade im Fußball an der<br />

Tagesordnung zu sein. Von Völkerverständigung<br />

ist nicht viel zu sehen.<br />

Die Fokussierung mancher Medien auf<br />

Skandale verschiebt jedoch die<br />

Relationen, glaubt Politikwissenschaftler<br />

Uli Jäger vom Institut für<br />

Friedenspädagogik in Tübingen. Das<br />

Bild ist verzerrt, die Gewaltbereitschaft<br />

wird dramatisiert. Hooligans beispielsweise<br />

nutzen die Medienaufmerksamkeit,<br />

um sich in Szene zu setzen.<br />

Fast nie handelt es sich bei den<br />

Schlägern um wirkliche Sportfans,<br />

sondern um Gewalttouristen, hat die<br />

Hooligan-Forschung herausgefunden.<br />

Welches Land spielt und gewinnt, ist<br />

Nebensache. Was zählt, ist die<br />

Aussicht auf medienwirksame<br />

Randale.<br />

Viele sehr erfolgreiche Aktionen für<br />

Völkerverständigung im Sport geschehen<br />

dagegen ohne große Publicity<br />

eher im Verborgenen. So hatte die UN,<br />

von der deutschen Öffentlichkeit fast<br />

unbemerkt, 2005 das „Internationale<br />

Jahr des Sports und der Leibeserziehung“<br />

ausgerufen. Sportinitiativen<br />

rund um den Globus brachten und<br />

bringen Menschen friedlich zusammen<br />

und halfen dabei, Vorurteile abzubauen<br />

und Minderheiten in die Gesellschaft<br />

zu integrieren.<br />

Schon heute gibt Sport beispielsweise<br />

Menschen aus Somalia und Ruanda in<br />

Flüchtlingslagern von Uganda oder<br />

Im Jahr 2000 wurde Dirk Nowitzki<br />

zum UN-Botschafter des Sports ernannt.<br />

Kenia die Möglichkeit, miteinander<br />

Spaß zu haben und dadurch zu kommunizieren,<br />

auch ohne die jeweilige<br />

Sprache zu beherrschen. Die Bundesregierung<br />

engagiert sich in Afghanistan<br />

durch Sportangebote in wieder aufgebauten<br />

Schulen, insbesondere für<br />

Frauen und Mädchen. Bereits seit<br />

Jahrzehnten kümmert sich der jetzt<br />

gegründete Deutsche Olympische<br />

Sportbund (DOSB) um die Integration<br />

der in Deutschland lebenden Ausländer.<br />

Ein anderes Völkerverständigungsprojekt<br />

nennt sich „Operation Sneaker“.<br />

Es wird von Dirk Nowitzki, Pélé und<br />

vielen anderen prominenten Sportlern<br />

unterstützt. Ziel ist es, Kindern in<br />

Krisengebieten auf der ganzen Welt<br />

durch Sport zu helfen, ihre oft traumatischen<br />

Erlebnisse zu bewältigen. Sehr<br />

erfolgreich sind die Straßenfußballprojekte<br />

der Organisation „Streetfootballworld“.<br />

Zum Sieg zählen nicht nur<br />

erzielte Tore, sondern auch das<br />

Fairplay-Verhalten der Mannschaften.<br />

Die Fußball-WM in Deutschland soll<br />

auch ein Meilenstein für den gewaltfreien<br />

Straßenfußball werden: Parallel<br />

zur WM kicken junge Straßenfußballer<br />

aus aller Welt in Berlin um den Titel.<br />

explore 2/2006 - 15


Dr. Hans-Georg Ehrhart ist stellvertretender Leiter des<br />

Zentrums für Europäische Friedens- und Sicherheitsstudien<br />

(Zeus) und wissenschaftlicher Referent am<br />

Institut für Friedensforschung und Sicherheitspolitik<br />

(IFSH) in Hamburg. Mit ihm sprach explore:-Autorin<br />

Almut Bruschke-Reimer darüber, ob Sport zum friedlichen<br />

Miteinander, zur Völkerverständigung gar beitragen<br />

kann – trotz vieler Ausschreitungen von Fans nach meist verlorenen<br />

Wettkämpfen ihrer Idole.<br />

explore:<br />

Trägt Fußball zur Völkerverständigung<br />

bei?<br />

Dr. Hans-Georg Ehrhart:<br />

Das kann man nicht so einfach mit „ja“<br />

oder „nein“ beantworten. Rinus<br />

Michels, der Ex-Coach der Niederlande,<br />

soll gesagt haben: „Fußball ist<br />

Krieg.“ Das ist eine Übertreibung, die<br />

deshalb nicht zutrifft, weil Fußball vom<br />

Grundansatz her sehr kooperativ ist.<br />

Er basiert auf genauen Regeln. Es<br />

existieren Schiedsrichter, welche die<br />

Regeln durchsetzen und Schiedsgerichte<br />

der Verbände. Im Grunde ist<br />

man im Fußball hier sogar viel weiter<br />

als in der internationalen Politik. In<br />

Ruanda beispielsweise hat der<br />

Deutsche Rudi Gutendorf einige Jahre<br />

nach dem Völkermord der Hutu an<br />

den Tutsis die Nationalmannschaft<br />

betreut. Er integrierte Spieler beider<br />

Völker in seiner Mannschaft. Nach<br />

einem gewonnenen Spiel lagen sich<br />

nun alle in den Armen. Da zeigt<br />

Fußball seine versöhnende Kraft. Aber<br />

es gibt natürlich auch negative Dinge,<br />

wie die rechtsradikale Unterwanderung<br />

von Fan-Gruppen.<br />

explore:<br />

Fördert die Sprache im Fußball nicht<br />

die Aggressivität?<br />

Dr. Hans-Georg Ehrhart:<br />

Fußballreporter legen manchmal einen<br />

Sprachgebrauch an den Tag, da denkt<br />

man, es herrsche Krieg. Da wird<br />

„niedergemacht“, „gebombt“ und „geschossen“.<br />

Dennoch ist das nicht wei-<br />

16 - explore: 2/2006<br />

explore: INTERVIEW<br />

„Fußball ist globale<br />

Kommunikation“<br />

ter schlimm, denn es verläuft spielerisch.<br />

Fußball dient insbesondere bei<br />

Länderspielen als Ventil. Die Kämpfe<br />

werden sozusagen symbolisch auf<br />

dem Fußballfeld ausgetragen. Doch da<br />

ist alles geregelt, und es gibt Sicherheitszäune.<br />

Das ist ein großer Fortschritt,<br />

denn vor wenigen Jahren<br />

bekriegte man sich in Europa noch auf<br />

dem Schlachtfeld.<br />

explore:<br />

Wieso spielt in vielen Teilen der Welt<br />

gerade Fußball und nicht beispielsweise<br />

Leichtathletik eine so große<br />

Rolle als Mittler zwischen den<br />

Kulturen?<br />

Dr. Hans-Georg Ehrhart:<br />

Fußball ist ein Massenphänomen.<br />

Fußball kennt jeder und jeder hat<br />

schon mal Fußball gespielt – inzwischen<br />

zunehmend auch Frauen und<br />

Mädchen. Das war schon so, bevor es<br />

Massenmedien wie den Fernseher<br />

gab. Das Fernsehen hat das nur verstärkt.<br />

Fußball ist globale Kommunikation,<br />

denn Millionen, wenn nicht<br />

gar Milliarden Menschen schauen sich<br />

die gleichen Spiele an.<br />

explore:<br />

Vielen Dank für das Gespräch.<br />

MENSCH Sport ist wie eine universelle Sprache<br />

Fans beim Uefa-Cup-Halbfinale Valencia<br />

gegeg Villarreal.<br />

explore: INFOBOX<br />

Lebensretter Fußball<br />

Bagdad im Jahr 2003 während des<br />

Irakkriegs: Eine Gruppe aggressiver junger<br />

Männer umzingelt Zeitungsreporter Gustavo<br />

Sierra und seine Kollegen. Die Bedroher halten<br />

Knüppel schlagbereit in den Händen. Sie<br />

fordern US-Dollars und die Fotoapparate der<br />

Journalisten. „Wir haben keine Dollars. Wir<br />

sind aus Argentinien“, versucht Sierra zu<br />

erklären. „Argentinien? Maradona!“ Die Iraker<br />

sind begeistert. Plötzlich werden aus erbitterten<br />

Feinden die besten Freunde. Mit vielen<br />

guten Wünschen trennt man sich. Fußball hat<br />

uns gerettet, sagt Gustavo Sierra.<br />

LINKS:<br />

Operation Sneaker:<br />

www.operationsneaker.com/de<br />

Streetfootballworld - Straßenfußball für<br />

Toleranz:<br />

www.streetfootballworld.org/index_html/de<br />

Fußball gegen Rassismus in Europa:<br />

http://de.farenet.org


Unser Netzwerk<br />

Verbindungen, die Kunden nutzen<br />

17 - explore: 2/2006


<strong>TÜV</strong> NORD NETZWERK<br />

Mehr zu den mit �� gekennzeichneten<br />

Themen unter:<br />

www.tuev-nord.de/explore<br />

Kontakt:<br />

Volker Klosowski<br />

vklosowski@<br />

tuev-nord.de<br />

0201 825-2569<br />

„Mit über 800 Auditoren<br />

verfügt <strong>TÜV</strong> NORD CERT<br />

über einen großen Pool von<br />

erfahrenen Fachleuten aus<br />

unterschiedlichen<br />

Branchen.“<br />

Ein weiterer Meilenstein im Neuaufbau<br />

der <strong>TÜV</strong> NORD Gruppe ist gesetzt:<br />

Die Zertifizierungsaktivitäten<br />

sind jetzt in der Gesellschaft <strong>TÜV</strong><br />

NORD CERT gebündelt. „Mit dieser<br />

Fusion innerhalb des Konzerns ist<br />

eine leistungsfähige Gesellschaft mit<br />

einem deutlich erweiterten Portfolio<br />

entstanden“, freut sich Geschäftsführer<br />

Volker Klosowski, der im Vorstand<br />

der <strong>TÜV</strong> NORD Gruppe für<br />

die Geschäftsbereiche Zertifizierung<br />

und International verantwortlich<br />

zeichnet.<br />

Ziel von <strong>TÜV</strong> NORD CERT ist es,<br />

Kunden bei ihren komplexen Aufgaben<br />

zu unterstützen, bei Veränderungsprozessen<br />

kompetent zu begleiten<br />

und nach innovativen Lösungen<br />

zu suchen. „Service, Innovation<br />

sowie attraktive Produkte wie<br />

unsere Bausteine für die Luftfahrtund<br />

Lebensmittelindustrien stehen<br />

bei uns im Mittelpunkt, darüber hinaus<br />

gehören Produktprüfungen zum<br />

Portfolio“, beschreibt Klosowski die<br />

Aufgaben: „Hier sind wir besonders<br />

stark bei Investitionsgütern, explosionsgeschützten<br />

Geräten, Medizinprodukten<br />

und Spielgeräten.“<br />

explore: 2/2006 - 18<br />

Kontakt:<br />

Prof. Dr. jur. Elmar<br />

Giemulla<br />

egiemulla@<br />

tuev-nord.de<br />

030 22679300<br />

„Die gewaltigen Umstrukturierungen<br />

in der europäischen<br />

Zivilluftfahrt werden<br />

ohne Einbindung kompetenter<br />

Partner aus der Privatwirtschaft<br />

nicht zu bewältigen<br />

sein.“<br />

Während der Internationalen Luft- und<br />

Raumfahrtausstellung in Berlin vom<br />

16. bis zum 21. Mai wird die <strong>TÜV</strong><br />

NORD Gruppe erstmals ihr neues<br />

Geschäftsfeld Aviation auf einem eigenen<br />

Stand der breiten Öffentlichkeit<br />

vorstellen. „Dank unserer besonderen<br />

Nähe zu Luftfahrtunternehmen, Flughafenbetreibern,<br />

Herstellern, Logistik-<br />

Dienstleistern sowie zu Wartungsund<br />

Instandhaltungsunternehmen<br />

können wir übergreifende und nachhaltige<br />

Lösungen anbieten“, beschreibt<br />

Professor Dr. Elmar Giemulla<br />

die Aufgabe, die er als Branchenmanager<br />

übernommen hat. Der 55-<br />

Jährige ist seit über 25 Jahren<br />

Spezialist für Luftverkehr und Luftverkehrsrecht<br />

und lehrt an der<br />

Technischen Universität Berlin die<br />

<strong>TÜV</strong> NORD CERT hat über 200<br />

Mitarbeiter und hält etwa 120 nationale<br />

und internationale Akkreditierungen<br />

sowie freiwillige Prüfstandards<br />

in Personal-, Produkt- und<br />

Systemzertifizierung. <strong>TÜV</strong> NORD<br />

CERT ist einer der größten international<br />

tätigen Zertifizierer in<br />

Deutschland. „Aviation“: Die <strong>TÜV</strong> NORD Gruppe startet mit neuem Geschäftsfeld durch.<br />

Fächer Luft- und Weltraumtechnik/<br />

Luftverkehrspolitik sowie Luftverkehrsmanagement/Unternehmensrecht.<br />

„Mit Professor Giemulla konnte ein<br />

Fachmann gewonnen werden, der<br />

unseren hoch gesetzten Anforderungen<br />

an einen Branchenmanager<br />

mehr als gerecht wird“, freut sich<br />

Volker Klosowski, der in der Geschäftsführung<br />

der <strong>TÜV</strong> NORD<br />

Gruppe die Geschäftsbereiche<br />

Zertifizierung und International verantwortet.<br />

Die gewaltigen Umstrukturierungen<br />

in der europäischen Zivilluftfahrt,<br />

so Klosowski weiter, werden<br />

ohne Einbindung kompetenter Partner<br />

aus der Privatwirtschaft nicht zu bewältigen<br />

sein. Die <strong>TÜV</strong> NORD Gruppe<br />

kann sowohl für die EASA im Bereich<br />

Safety Auditierungs-, Zertifizierungsund<br />

Trainingsaufgaben übernehmen<br />

als auch die nationalen Luftfahrtämter<br />

in Europa bei der Umsetzung komplexer<br />

Anforderungen im Bereich Security<br />

unterstützen und entlasten. ��


Kontakt:<br />

Axel Müller<br />

axmueller@<br />

tuev-nord.de<br />

0201 825-2918<br />

„Das <strong>TÜV</strong> NORD Qualitätssiegel<br />

für die Campo Aktiv-<br />

Arena schafft mehr Sicherheit<br />

für Hallenspielplätze an<br />

365 Tagen im Jahr.“<br />

Hallenspielplätze erfreuen sich steigender<br />

Beliebtheit. Über 250 dieser<br />

Freizeit-Oasen gibt es in Deutschland<br />

schon. Seit November 2005 übernimmt<br />

<strong>TÜV</strong> NORD Systems in Ko-<br />

operation mit dem Verband Deutscher<br />

Hallenspielplätze (VDH) die Überwachung<br />

der Anlagen mit ihren Hüpfburgen,<br />

Trampolinanlagen, Kletterlandschaften,<br />

Skaterparcours und<br />

Hochseilgärten. Die Campo Aktiv-<br />

Arena in Hannover-Anderten hat jetzt<br />

als erster Hallenspielplatz das <strong>TÜV</strong><br />

NORD Qualitätssiegel erhalten. „Die<br />

Sicherheit und das Wohlbefinden<br />

unserer Gäste stehen bei uns an<br />

oberster Stelle. Die Fachleute von<br />

<strong>TÜV</strong> NORD Systems helfen uns, dies<br />

an 365 Tagen im Jahr umzusetzen“,<br />

sagt Jens Ahlbrand, Geschäftsführer<br />

der Campo Aktiv-Arena.<br />

Nach dem Rahmenvertrag zwischen<br />

<strong>TÜV</strong> NORD Systems und dem VDH<br />

können die VDH-Mitgliedsbetriebe<br />

ihre Einrichtungen und Spielgeräte<br />

jährlich von den <strong>TÜV</strong>-Fachleuten nach<br />

einem einheitlichen Standard überprüfen<br />

lassen. „Bei diesen Inspektionen<br />

geht es um den betriebssicheren<br />

Zustand der Spielgeräte, um Verletzungsgefahren<br />

der Benutzer wei-<br />

Zertifikatsvergabe im Hochseilgarten:<br />

Jens Ahlbrand (vorn) und Axel Müller.<br />

testgehend auszuschließen“, erklärt<br />

Axel Müller von <strong>TÜV</strong> NORD Systems.<br />

Zusätzlich zur Hauptinspektion sehen<br />

die Richtlinien eine tägliche Sichtkontrolle<br />

der Geräte sowie eine operative<br />

Inspektion pro Quartal vor, um<br />

Schäden rechtzeitig zu erkennen.<br />

Mängel muss der Betreiber innerhalb<br />

einer angemessenen Frist beheben.<br />

Erst dann wird das begehrte Zertifikat<br />

von <strong>TÜV</strong> NORD Systems verliehen.<br />

<strong>TÜV</strong> NORD NETZWERK<br />

Kontakt:<br />

Dr. Harald Bosse<br />

hbosse@tuev-nord.de<br />

040 8557-2677<br />

„Wir laden Sie ein, sich am<br />

28. Juni bei uns über die<br />

neue Kommunikationstechnik<br />

VoIP zu informieren.“<br />

Eine neue Technik hält Einzug in die<br />

Unternehmen. Eine Kommunikationstechnik,<br />

die unser Leben vereinfachen,<br />

die Kosten senken und<br />

ansonsten die gewohnten Vorteile<br />

der alten Technik beibehalten soll:<br />

Voice over IP (VoIP). Aber wird das<br />

Telefonieren über das Internet genauso<br />

sicher sein wie mit dem herkömmlichen<br />

Telefon? Ist der Datenschutz<br />

und die Vertraulichkeit gewährleistet?<br />

Immerhin geht es hier<br />

um Grundrechte. Welche Vorteile<br />

bietet VoIP den Unternehmen? Und<br />

was sollten sie vor der Einführung<br />

der neuen Technik beachten?<br />

Die <strong>TÜV</strong> NORD Akademie in<br />

Hamburg wird diesen und weiteren<br />

Fragen in einer Informationsveranstaltung<br />

am Mittwoch, 28. Juni,<br />

auf den Grund gehen. IT-Fachleute<br />

und Juristen erläutern die Vor- und<br />

Nachteile der Erfolg versprechenden<br />

Technik und vertiefen Aspekte<br />

der Sicherheit und Wirtschaftlichkeit.<br />

Angesprochen sind außer IT-<br />

Verantwortlichen und Geschäftsführern<br />

auch alle am Thema interessierten<br />

Personen.<br />

Übrigens: Aufgrund der großen<br />

Nachfrage wird die <strong>TÜV</strong> NORD<br />

Akademie ihr Bildungsangebot im<br />

Bereich IT- und Datensicherheit<br />

erweitern. Für den Zertifikatslehrgang<br />

„Datenschutzbeauftragter<br />

<strong>TÜV</strong>“ wurden auf Kundenwunsch<br />

für das zweite Halbjahr 2006 zusätzliche<br />

Termine aufgenommen.<br />

Weitere Informationen gibt es unter<br />

www.tuevnordakademie.de/<br />

seminare.<br />

19 - explore: 2/2006


<strong>TÜV</strong> NORD NETZWERK<br />

„Um sich Wettbewerbsvorteile<br />

zu verschaffen,<br />

gewinnt die Ausrichtung<br />

der IT-Service-Prozesse<br />

nach ITIL und eine<br />

Zertifizierung nach ISO<br />

20000-1 immer mehr an<br />

Bedeutung.“<br />

Wie gut sind IT-Dienstleistungen im<br />

Unternehmen? Ist die IT-Organisation<br />

in der Lage, die Geschäftsabwicklung<br />

im Unternehmen wirksam<br />

zu unterstützen? Ist sie zukunftsfähig<br />

und sicher? Liefert sie den richtigen<br />

Service zur richtigen Zeit? Wer<br />

als Unternehmer diese Fragen nicht<br />

sicher beantworten kann, sollte über<br />

eine Bewertung seiner IT-Organisation<br />

nachdenken, eine anschließende<br />

Zertifizierung nach ISO 20000<br />

eingeschlossen. Das gilt erst recht,<br />

wenn er externe IT-Dienstleistungen<br />

einkauft.<br />

„Die Ausrichtung der IT-Service-<br />

Prozesse nach ITIL (IT Infrastructure<br />

Library) sowie eine Zertifizierung<br />

nach ISO 20000-1 wird für IT-<br />

Dienstleister künftig immer mehr an<br />

Bedeutung gewinnen, um sich<br />

Wettbewerbsvorteile zu verschaffen,<br />

prognostiziert Uwe Spindler, der bei<br />

<strong>TÜV</strong> NORD CERT national und<br />

international besonders bei Unternehmen<br />

der IT-Branche tätig ist.<br />

ISO 20000 ist als Nachfolger der<br />

BS 15000 der erste weltweite<br />

Zertifizierungsstandard für das IT<br />

Service Management.<br />

Auch externe IT-Dienstleister profitieren<br />

von einem Zertifikat. Sie können<br />

ihre Außendarstellung verbessern<br />

und so zusätzliche Kunden<br />

gewinnen. Ein Zertifikat ist drei<br />

Jahre gültig, bei jährlichen Überwachungsaudits.<br />

Eine Kombination mit<br />

anderen Managementsystemen wie<br />

QMS, ISMS und UMS ist möglich.<br />

explore: 2/2006 - 20<br />

Kontakt:<br />

Uwe Spindler<br />

uspindler@<br />

tuev-nord.de<br />

0201 825-3625<br />

Kontakt:<br />

Hans-Günter Seewald<br />

hseewald@<br />

tuev-nord.de<br />

0511 986-2500<br />

„Die neue Norm ISO 22000<br />

bietet eine Chance, die<br />

unterschiedlichen Normen<br />

für die Zertifizierung von<br />

Lebensmitteln und deren<br />

Herstellungsprozessen zu<br />

vereinheitlichen.“<br />

Die Herstellung von Lebensmitteln<br />

unterliegt strengen Kontrollen, etwa<br />

nach dem Hygiene-Standard HACCP<br />

(Hazard Analysis and Critical Control<br />

Points), der weltweit als wichtige<br />

Grundlage von Managementsystemen<br />

akzeptiert ist. Doch es gibt keinen<br />

einheitlichen Standard, wenn es um<br />

die Zertifizierung der Prozesse geht.<br />

Die Folge: Unternehmen, die auf<br />

unterschiedlichen Märkten agieren,<br />

benötigen gleich mehrere Zertifizierungen.<br />

So haben sich bei Handelsmarkenherstellern<br />

der International<br />

Food Standard (IFS) und der<br />

BRC Global Standard Food (British<br />

Retail Consortium) durchgesetzt.<br />

„Eine mehrfache Zertifizierung nach<br />

unterschiedlichen Standards bringt<br />

aber keinen mehrfachen Qualitätsgewinn“,<br />

kritisiert Hans-Günter Seewald,<br />

Mitglied der Geschäftsführung von<br />

<strong>TÜV</strong> NORD CERT. Aus seiner Sicht<br />

bietet nur die neue Norm ISO 22000<br />

eine Chance, die unterschiedlichen<br />

Normen für die Zertifizierung von<br />

Lebensmitteln und deren Herstellungsprozessen<br />

zu vereinheitlichen.<br />

<strong>TÜV</strong> NORD CERT ist dabei<br />

bereits heute in der Lage, nach der<br />

neuen Norm zu auditieren und zu zer-<br />

Sichere Lebensmittel durch strenge<br />

Zertifizierungsstandards.<br />

tifizieren. Eine entsprechende<br />

Akkreditierung wird in Kürze erwartet.<br />

„Wir haben ein großes Know-how im<br />

Lebensmittelsektor“, sagt Seewald.<br />

„Mit dieser Akkreditierung werden wir<br />

eine der ersten Zertifizierungsgesellschaften<br />

sein, die ISO 22000-Zertifikate<br />

auf der Grundlage einer international<br />

anerkannten Zertifizierung<br />

anbieten kann.“ ��<br />

Kontakt:<br />

Christine Flöter<br />

cfloeter@tuev-nord.de<br />

0521 786-346<br />

Kontakt:<br />

Jörn Voß<br />

jvoss@tuev-nord.de<br />

0201 825-3411<br />

„Immer mehr Betriebe spüren<br />

den Marktdruck, sich<br />

nach dem GMP-Standard<br />

zertifizieren zu lassen, sich<br />

einem Futtermittelsicherheitssystem<br />

zu unterstellen.“<br />

Futtermittel sind in Deutschland mit<br />

einem Wert von etwa zehn Milliarden<br />

Euro das bedeutendste landwirtschaftliche<br />

Betriebsmittel. Der Bedarf liegt<br />

bei etwa 66 Millionen Tonnen jährlich,<br />

was etwa dem achtfachen des Getreideverbrauchs<br />

für die menschliche<br />

Ernährung entspricht. Ohne eine qualitätsorientierte<br />

Erzeugung der Futtermittel<br />

entstehen nicht nur erhebliche<br />

wirtschaftliche Schäden, sondern<br />

auch Umweltbelastungen.<br />

Über die „Gute Herstellungspraxis“<br />

(Good Manufacturing/Managing<br />

Practice, GMP) oder die „Gute landwirtschaftliche<br />

Praxis“ (GAP) sind<br />

Kriterien aufgestellt worden, um die<br />

Lebensmittel-Futtermittel-Kette besser<br />

zu schließen. Im Fokus steht dabei ein<br />

System zur Produktion qualitativ und<br />

hygienisch „sicherer“ Futtermittel, die<br />

letztendlich den Endverbrauchern Vertrauen<br />

in sichere Lebensmittel geben<br />

sollen.


„Wir setzen hoch qualifizierte Auditoren<br />

ein, damit Betriebe im Falle einer<br />

bestehenden Zertifizierung auch noch<br />

mit einem vertretbaren Mehraufwand<br />

die zusätzlichen Anforderungen abdecken<br />

können“, resümiert Christine<br />

Flöter von <strong>TÜV</strong> NORD CERT. „Immer<br />

mehr Betriebe spüren den Marktdruck,<br />

sich nach dem GMP-Standard zertifizieren<br />

zu lassen, sich einem Futtermittelsicherheitssystem<br />

zu unterstellen.“<br />

Der GMP-Standard wurde vom niederländischen<br />

Marktverband für Tierfutter<br />

(PDV) entwickelt. Im vergangenen<br />

Herbst hatte sich PDV mit anderen<br />

Standardinhabern wie beispielsweise<br />

Q+S in Deutschland auf einen<br />

einheitlichen und europaweit gültigen<br />

Standard für Einzelfutter geeinigt.<br />

Nachdem in den vergangenen Jahren<br />

viele Standards bezüglich der Lebensund<br />

Futtermittelsicherheit entstanden<br />

waren, ist dies der Versuch einer Harmonisierung<br />

und gegenseitiger Anerkennung<br />

im Rahmen der Zertifizierungen.<br />

Dies trägt bei Herstellern<br />

sicher zu einer besseren Übersicht im<br />

„Standarddschungel“ bei, ohne das<br />

hohe Niveau des Futtermittelsicherheitssystems<br />

zu beeinträchtigen.<br />

Kontakt:<br />

Barbara Meyer<br />

bmeyer@tuev-nord.de<br />

040 8557-2150<br />

„Als erste deutsche<br />

Zertifizierungsgesellschaft<br />

hat jetzt <strong>TÜV</strong> NORD CERT<br />

von der Schweizer Akkreditierungsstelle<br />

SAS eine<br />

OHSAS-Akkreditierung<br />

erhalten.“<br />

Mehr und mehr Unternehmen wünschen<br />

sich zertifizierte Arbeitsschutzmanagement-Systeme<br />

mit akkreditierten<br />

Zertifikaten. Dafür gibt es viele<br />

Gründe: Wenn weniger Unfälle geschehen<br />

und weniger Schäden auftreten,<br />

kommt es zu weniger Ausfallzeiten;<br />

das trägt zum wirtschaftlichen<br />

Erfolg der Unternehmen bei. Immer<br />

mehr internationale Konzerne nutzen<br />

daher Arbeitsschutzmanagement-<br />

Systeme nach OHSAS 18001, um<br />

weltweit die Risiken in ihren<br />

Produktionsstandorten zu minimieren.<br />

Auch in Deutschland wächst die<br />

Nachfrage nach OHSAS-18001-<br />

Zertifizierungen stetig.<br />

Als erste deutsche Zertifizierungsgesellschaft<br />

hat jetzt <strong>TÜV</strong> NORD CERT<br />

von der Schweizer Akkreditierungsstelle<br />

SAS eine OHSAS-Akkreditierung<br />

erhalten. SAS hat bei der Akkreditierung<br />

hohe Anforderungen an die Qualifikation<br />

der OHSAS-Auditoren, die bei<br />

<strong>TÜV</strong> NORD CERT erfahrene Fachleute<br />

für Arbeitssicherheit sind, und an das<br />

Zertifizierungsverfahren gelegt.<br />

„Kunden sind bei der Zertifizierung von<br />

Arbeitsschutzmanagement-Systemen<br />

qualitätsbewusst“, erklärt Barbara<br />

Meyer von <strong>TÜV</strong> NORD CERT. „Bisher<br />

ist eine Akkreditierung nach OHSAS<br />

18001 in Deutschland nicht möglich,<br />

nun können wir auch diese Nachfrage<br />

befriedigen.“ Schon seit 2001 bietet<br />

das Unternehmen Zertifizierungen<br />

nach diesem Standard an.<br />

Das Kürzel OHSAS steht für<br />

Occupational Health and Safety<br />

Assessment Series; OHSAS 18001<br />

wurde als Leitfaden von unterschiedlichen<br />

internationalen Normungsinstituten<br />

und Zertifizierungsgesellschaften<br />

entwickelt.<br />

Derzeit ist OHSAS 18001 das einzige<br />

Arbeitsschutzmanagementsystem mit internationaler<br />

Bedeutung. Es ermöglicht eine systematische<br />

und kontinuierliche Verbesserung<br />

des Sicherheitsstandards sowohl in der<br />

Arbeitssicherheit als auch in der Anlagensicherheit<br />

durch umfassende Prävention.<br />

<strong>TÜV</strong> NORD NETZWERK<br />

Kontakt:<br />

Joachim Friedrich<br />

isms@tuev-nord.de<br />

0201 825-3264<br />

„Künftig können verantwortliche<br />

IT-Mitarbeiter von<br />

Unternehmen zur Rechenschaft<br />

gezogen werden.“<br />

Die Informationstechnik gewinnt in<br />

nationalen und internationalen Geschäftsprozessen<br />

zunehmend an<br />

Bedeutung. Doch mit der Abhängigkeit<br />

von IT-Anwendungen steigen<br />

auch die Risiken dramatisch an –<br />

und es wächst der Bedarf an einem<br />

systematischen Schutz, der rund um<br />

die Uhr zuverlässig <strong>funktioniert</strong>. „Die<br />

Lösung dieses Problems ist ein auf<br />

den jeweiligen Bedarf zugeschnittenesInformationssicherheits-Management-System,<br />

kurz ISMS“, empfiehlt<br />

Joachim Friedrich, Leiter der Zertifizierungsstelle<br />

ISMS bei <strong>TÜV</strong> NORD<br />

CERT. Idealerweise ist ein solches<br />

ISMS mit bestehenden Systemen<br />

vernetzt, also mit Qualitäts-, UmweltoderArbeitsschutz-Managementsystemen.<br />

„Wir stehen unseren<br />

Kunden als unabhängiger Dritter für<br />

Zertifizierungen zur Seite, unsere<br />

internationale Reputation und<br />

Akkreditierungen in unterschiedlichen<br />

Zertifizierungsbereichen helfen uns<br />

bei unserer Arbeit“, so Joachim<br />

Friedrich. Zwei wichtige Gründe<br />

sprechen aus seiner Sicht für die<br />

Einführung eines ISMS: „Künftig können<br />

verantwortliche Mitarbeiter von<br />

Unternehmen zur Rechenschaft<br />

gezogen werden, wenn auf IT-Sicherheitslücken<br />

basierende Haftungsansprüche<br />

erhoben werden. Zudem<br />

wird IT-Sicherheit in Unternehmen<br />

auch im Rahmen von Basel-II-<br />

Ratings bei Kreditvergaben künftig<br />

stärker gewichtet.“<br />

Wie gut das ISMS von <strong>TÜV</strong> NORD<br />

CERT am Markt angenommen wird,<br />

zeigen Kunden wie der größte tschechische<br />

Mobilfunkanbieter Eurotel, T-<br />

Online oder das größte asiatische IT-<br />

Unternehmen Tata Consultancy Services<br />

(TCS). Aber auch nationale kleinere<br />

und mittelständische Unternehmen<br />

unterschiedlicher Branchen<br />

zählen zu den Kunden. ��<br />

21 - explore: 2/2006


<strong>TÜV</strong> NORD NETZWERK<br />

explore: 2/2006 - 22<br />

Kontakt:<br />

Rainer Hagemann<br />

rhagemann@<br />

tuev-nord.de<br />

0511 986-1339<br />

„1.000 „exotische“ Automodelle<br />

in unserer Datenbank<br />

verhelfen vielen<br />

importierten Fahrzeugen<br />

ohne Typgenehmigung zur<br />

Zulassung.“<br />

Wer importierte Fahrzeuge in der<br />

EU zulassen will, greift immer öfter<br />

auf den Im- und Exportservice von<br />

<strong>TÜV</strong> NORD Mobilität zurück.<br />

Mehrere tausend Wagen kommen<br />

im Monat in deutschen Häfen aus<br />

Übersee an, Tendenz steigend.<br />

Doch viele importierte Fahrzeuge<br />

haben in Europa keine Typgenehmigung.<br />

Zugelassen werden<br />

können sie in Europa nur mit einer<br />

Einzelgenehmigung oder einem<br />

Exportgutachten – am besten mit<br />

einem Gutachten von <strong>TÜV</strong> NORD<br />

Mobilität.<br />

Die Fachleute gehen eine Checkliste<br />

durch und vergleichen Werte<br />

wie Geschwindigkeit, Geräuschund<br />

Abgasverhalten, Motorleistung,<br />

Hubraum und Reifengröße<br />

mit einer Datenbank, die<br />

mehr als 1.000 „exotische“ Modelle<br />

verzeichnet. „Die technischen<br />

Daten sind gesichert, reproduzierbar<br />

und justiziabel“, konstatiert<br />

Rainer Hagemann, dessen Team<br />

aus neun geschulten Sachverständigen<br />

im Einsatz ist, um vor<br />

Ort Fahrzeuge zu begutachten.<br />

Doch in der Regel reicht der Blick<br />

in die Datenbank und eine Durchsicht,<br />

um eine schnelle Zulassung<br />

zu gewährleisten. Das hilft den Importeuren<br />

und freut die Besitzer.<br />

„Nur wirklich neue Modelle und<br />

spezielle Motorisierungen müssen<br />

zur Grundmessung nach Hannover“,<br />

sagt Hagemann. ��<br />

Kontakt:<br />

Vadim Gudoshnik<br />

tnd@tuev-dieks.com<br />

+38 0562 368704<br />

Kontakt:<br />

Horst-Lorenz Halllinger<br />

hallinger@<br />

tuevnordmpa.de<br />

03461 434477<br />

„Mit den speziellen Sonden,<br />

die in Wirbelstromprüfungen<br />

eingesetzt werden, kommen<br />

wir bei der Fehlersuche<br />

weiter als bei den anderen<br />

Verfahren.“<br />

Vadim Gudoshnik von <strong>TÜV</strong> NORD<br />

Dieks in Dnepropetrovsk (Ukraine) hat<br />

es meist mit Korrosion in Rohren zu<br />

tun. Ursache sind oft Materialeinschlüsse.<br />

Dann zirkuliert das Wasser<br />

im Rohr nicht richtig. Es kommt zu<br />

unterschiedlichen Sauerstoffkonzentrationen<br />

an unterschiedlichen Stellen.<br />

Das Rohr rostet und wird dünn. Mit<br />

Wirbelstromprüfungen lassen sich<br />

diese Probleme frühzeitig erkennen<br />

und Schäden oder Totalausfälle vermeiden.<br />

<strong>TÜV</strong> NORD Dieks bietet das<br />

Verfahren vor allem Raffinerien an. Die<br />

<strong>TÜV</strong>-Fachleute können mithilfe der<br />

Wirbelstromprüfung Risse in der<br />

Oberfläche von Materialien erkennen,<br />

die Dicke von Schichten und auch<br />

Materialeigenschaften bestimmen.<br />

„Es gibt auch andere Verfahren, um<br />

Oberflächenfehler aufzuspüren“,<br />

erklärt Vadim Gudoshnik von <strong>TÜV</strong><br />

NORD Dieks. „Aber mit den speziellen<br />

Sonden, die in Wirbelstromprüfungen<br />

eingesetzt werden, kommen wir weiter,<br />

als bei den anderen Verfahren.“ In<br />

Deutschland kommen Wirbelstromprüfungen<br />

der <strong>TÜV</strong> NORD Gruppe<br />

häufig in Zuckerfabriken zum Einsatz.<br />

Auch in der Luftfahrtindustrie und bei<br />

Herstellern von Wärmetauschern und<br />

Rohren wird die Technik nachgefragt.<br />

Zirkuliert das Wasser im Rohr nicht richtig, wird mit Wirbelstromprüfungen der Fehler gesucht.


Kontakt:<br />

Ralf Middelhauve<br />

rmiddelhauve@<br />

tuev-nord.de<br />

0201 825-2678<br />

„Wir schaffen Vertrauen<br />

durch 130 Jahre Wissensmanagement.“<br />

Wenn es um Erdgas-Kavernenspeicher<br />

geht, ist Ralf Middelhauve von<br />

<strong>TÜV</strong> NORD Systems mit dabei: Zusammen<br />

mit seinem Team betreut er<br />

solche Anlagen. „Im Inneren der Erde<br />

ist das Gas auf bis zu 200 bar komprimiert,<br />

mindestens 30 bar Druck muss<br />

in der Kaverne herrschen. Da ist<br />

sicherheitstechnisches Know-how<br />

gefragt“, sagt Middelhauve, der in<br />

nationalen und internationalen Gremien<br />

mitwirkt und viele Beiträge in<br />

Fachbüchern geschrieben hat. Daher<br />

nutzen viele Unternehmen seine Expertise,<br />

nicht nur in Deutschland, obwohl<br />

hierzulande der Schwerpunkt der<br />

Tätigkeiten liegt.<br />

Drei Beispiele: Bei Xanten am Niederrhein<br />

und in Epe bei Gronau betreiben<br />

unter anderem Ruhrgas und RWE Gas<br />

seit den 1980er Jahren mehrere große<br />

Kavernenspeicheranlagen, die seitdem<br />

fast kontinuierlich erweitert werden.<br />

Ein weiterer Betreiber solcher Anlagen<br />

in Deutschland ist das niederländische<br />

Unternehmen Essent, das ebenfalls<br />

auf das Know-how von <strong>TÜV</strong> NORD<br />

Systems setzt. Hinzu kommen neue<br />

Beratungs- und Begutachtungsaufträge<br />

für weitere Kavernenspeicherprojekte<br />

unter anderem der Firmen<br />

Nuon und Trianel.<br />

Die Arbeit der Fachleute von <strong>TÜV</strong><br />

NORD Systems ist dabei nicht ganz<br />

ungefährlich. Rund 1.100 Meter tief<br />

unter der Erde wird das Gas in kugelförmigen<br />

Erdgaskavernen mit einem<br />

Sicherheit für Erdgasspeicher.<br />

Durchmesser von etwa 75 Metern eingelagert.<br />

Oberirdisch müssen an den<br />

Übergabestationen alle Verbindungen<br />

dicht sein, es darf kein Gas entweichen.<br />

„Explosionsschutz ist ein wichtiges<br />

Thema“, betont Middelhauve.<br />

Doch der Fachmann baut auf seine<br />

langjährige Erfahrung. „Unsere Auftraggeber<br />

vertrauen unserem Sachverstand,<br />

den wir als Unternehmen in<br />

über 130 Jahren Geschichte aufgebaut<br />

haben. Das nimmt uns keiner.“��<br />

Kontakt:<br />

Jürgen Richters<br />

jrichters@tuev-nord.de<br />

0511 986-1789<br />

„Unsere Dienstleistung stellt<br />

sicher, dass Ihre gesamte<br />

eingesetzte Sicherungstechnik<br />

sinnvoll aufeinander<br />

abgestimmt ist.“<br />

Wirtschaftsspionage, Einbruch, Vandalismus,<br />

Diebstahl: Unternehmen<br />

sind ständig vielen Gefahren ausgesetzt.<br />

Hier bietet <strong>TÜV</strong> NORD EnSys<br />

Hannover Rat und Hilfe an. „Wir kümmern<br />

uns um Einbruchmelde- und<br />

Zutrittsanlagen, um die mechanische<br />

Sicherungstechnik, aber auch um Interventionsmaßnahmen,<br />

die mit der<br />

Polizei oder Wach- und Sicherheitsunternehmen<br />

vereinbart werden“, betont<br />

Jürgen Richters von <strong>TÜV</strong> NORD<br />

EnSys Hannover. Zusammen mit seinem<br />

Team verfügt Richters über reichlich<br />

Erfahrung im Objektschutz.<br />

Deshalb rät er seinen Kunden, angemessene<br />

und aufeinander abgestimmte<br />

Sicherungs- und Schutzmaßnahmen<br />

zu treffen. „Eine völlig überzogene<br />

Sicherungstechnik ist dabei wegen<br />

hoher Kosten genauso verkehrt, wie<br />

ein zu laxer Umgang mit der Gefahr“,<br />

so Richters. Die Analyse des Gefährdungspotenzials<br />

beginnt immer mit<br />

einer Begehung des zu sichernden<br />

Gebäudes oder Geländes. Dann wird<br />

die Sicherungstechnik vor Ort gründlich<br />

begutachtet und auf Basis einer<br />

Risikoanalyse bewertet. „Unsere<br />

Dienstleistung stellt sicher, dass die<br />

gesamte eingesetzte Sicherungstechnik<br />

aufeinander abgestimmt ist<br />

und alle aufgedeckten Schwachstellen<br />

beseitigt sind.“<br />

<strong>TÜV</strong> NORD NETZWERK<br />

Kontakt:<br />

Roger Koch<br />

rokoch@tuev-nord.de<br />

040 8557-2317<br />

„Wenn fundierte Anlagenuntersuchungen,<br />

wie bei<br />

Dampfkesseln, mit einer<br />

Garantie verbunden werden<br />

können, ist das Risiko für<br />

Unternehmen kalkulierbar.“<br />

Wenn Produktionsbetriebe umrüsten,<br />

Anlagen erweitern oder die Produktionsprozesse<br />

verändern, stehen<br />

sie oft vor der Frage, ob der vorhandene<br />

Dampfkessel langfristig verfügbar<br />

ist oder eine Investition beispielsweise<br />

in neue Brenner lohnt. „Mit<br />

unserem Know-how aus der Anlagenprüfung<br />

können wir bis zu zehn<br />

Jahre nach vorn schauen und die<br />

Restlebensdauer des Kesselkörpers<br />

bestimmen“, sagt Roger Koch von<br />

<strong>TÜV</strong> NORD Industrieberatung.<br />

„Damit erhalten Betreiber eine solide<br />

Basis für ihre Investitionsentscheidungen.“<br />

Mithilfe rechnerischer Verfahren<br />

und zerstörungsfreier Prüfungen<br />

wie Wanddickenmessungen,<br />

Oberflächenrissprüfungen oder<br />

Materialgefügeuntersuchungen lassen<br />

sich altersbedingte Schäden<br />

früh erkennen.<br />

Besonderer Vorteil für den Kunden:<br />

<strong>TÜV</strong> NORD Industrieberatung arbeitet<br />

mit einem Versicherungsmakler<br />

zusammen, der nach Abschluss<br />

einer Zustandsbewertung und Ermittlung<br />

der Restlaufzeit eine Garantie<br />

auf die von <strong>TÜV</strong> NORD Industrieberatung<br />

ermittelten Werte gibt.<br />

Mit der Resonanz auf die Zustandsbewertung<br />

samt der angebotenen<br />

Garantie ist man bei <strong>TÜV</strong> NORD<br />

Industrieberatung sehr zufrieden.<br />

Roger Koch: „Wenn fundierte Anlagenuntersuchungen<br />

mit einer<br />

Garantie verbunden werden können,<br />

ist das Risiko für das Unternehmen<br />

kalkulierbar.“<br />

23 - explore: 2/2006


<strong>TÜV</strong> NORD NETZWERK<br />

„Mit einer Vermittlungsquote<br />

von bis zu 80 Prozent<br />

bei weiterqualifizierten IT-<br />

Fachleuten liegen wir bis zu<br />

30 Prozent über der von<br />

den Arbeitsagenturen<br />

geforderten Quote.“<br />

Die Informationstechnologie verändert<br />

sich rasant. Auch das Berufsbild<br />

der IT-Fachleute hat sich in den<br />

vergangenen Jahren stark verändert.<br />

„Neben dem Fachwissen sind zunehmend<br />

auch betriebswirtschaftliche<br />

Kenntnisse und Soft Skills gefragt“,<br />

stellt Melanie Braunschweig,<br />

IT-Projektkoordinatorin der RW<strong>TÜV</strong>-<br />

Akademie, fest.<br />

Die Einrichtung qualifiziert derzeit<br />

etwa 100 arbeitslos gewordene IT-<br />

Fachleute in Münster, Unna, Dortmund<br />

und Essen. Die Weiterqualifizierung<br />

erstreckt sich über sechs bis<br />

zwölf Monate. Innerhalb dieser Zeit<br />

absolvieren die Teilnehmer Praktika<br />

mit einer Dauer von bis zu drei<br />

Monaten, frischen ihr IT-Fachwissen<br />

auf, lernen Präsentationstechnik,<br />

das Kalkulieren von Angeboten und<br />

den Umgang mit Mitarbeitern. „Sehr<br />

häufig sind die Unternehmen, die<br />

unsere Teilnehmer aufnehmen, an<br />

einer späteren Übernahme interessiert“,<br />

freut sich Braunschweig. Sie<br />

ist stolz auf die Vermittlungsquote<br />

von bis zu 80 Prozent. Die Arbeitsagenturen<br />

fordern eine Quote von<br />

mindestens 50 Prozent. „Mit unserem<br />

Angebot liegen wir offenbar<br />

goldrichtig“, so die Projektkoordinatorin.<br />

Das bestätigt auch Marcus<br />

Preuße, EDV-Koordinator beim<br />

ADAC Westfalen. Dort hatte man<br />

kürzlich einen Teilnehmer der<br />

RW<strong>TÜV</strong>-Akademie als Netzwerkadministrator<br />

eingestellt. Preuße:<br />

„Der neue Mitarbeiter verfügt über<br />

ein sehr fundiertes Wissen und eine<br />

schnelle Auffassungsgabe.“<br />

explore: 2/2006 - 24<br />

Kontakt:<br />

Melanie Braunschweig<br />

mbraunschweig@<br />

tuev-nord.de<br />

02303 96110-17<br />

Kontakt:<br />

Vladimir Matviyenko<br />

vmatvienko@<br />

tuev-nord.com.ua<br />

+38-062-382-60-24<br />

„In der Ukraine gewinnen<br />

Umwelt- und Risikomanagement<br />

an Bedeutung, und wir<br />

sind einer der Vorreiter in<br />

diesem Segment.“<br />

<strong>TÜV</strong> NORD Ukraina hat die ersten<br />

Umweltmanagementsysteme nach<br />

ISO 14001:2004 und Risikomanagementsysteme<br />

nach HACCP-Standard<br />

zertifiziert. „Sowohl Umwelt- als auch<br />

Risikomanagement gewinnen in der<br />

Ukraine an Bedeutung, und wir sind<br />

einer der Vorreiter in diesem Segment“,<br />

erklärt Vladimir Matviyenko von<br />

<strong>TÜV</strong> NORD Ukraina.<br />

Zertifikatübergabe in Donezk: QM-Managerin<br />

der Firma Lik Jelena Achnorskaya,<br />

Dr. Dmitrij Tursunov, Direktor von <strong>TÜV</strong> NORD<br />

Ukraina, Natalya Grigoryeva, QM- und<br />

HACCP-Auditorin von <strong>TÜV</strong> NORD Ukraina.<br />

Eines der ersten Zertifikate nach ISO<br />

14001:2004 hat das Nikopoler Werk<br />

für Edelstahlrohre erhalten. „Qualität<br />

und Umweltschutz können nicht voneinander<br />

getrennt werden“ betonte die<br />

verantwortliche Managerin für den<br />

Umweltschutz des Unternehmens,<br />

Jelena Komlyk. Durch umweltfreundliche<br />

Fertigungsverfahren würden die<br />

Qualität der Produkte erhöht und die<br />

Herstellungskosten gesenkt.<br />

Die Spirituosenfabrik Lik hat ihr Risikomanagementsystem<br />

nach HACCP-<br />

Anforderungen zertifizieren lassen.<br />

Geschäftsführer Konstantin Gutin hob<br />

die hohe Professionalität des Auditorenteams<br />

hervor. Allein die Vorbereitung<br />

zur Zertifizierung habe maßgeblich<br />

dazu beigetragen, dass man das<br />

Thema Nahrungsmittelsicherheit anders<br />

bewertet und der Verbesserung<br />

von Prozessabläufen im Unternehmen<br />

mehr Aufmerksamkeit widmet.<br />

Kontakt:<br />

Rainer Winter<br />

rwinter@tuev-nord.de<br />

0201 825-3329<br />

„<strong>TÜV</strong> NORD CERT ist eine<br />

von weltweit elf Zertifizierungsstellen,<br />

die von der<br />

UNO anerkannt sind.“<br />

Klimaschutz, Emissionszertifikate,<br />

Kyoto-Protokoll: „Wir leisten unseren<br />

Beitrag zur Reduzierung des Treibhausgaseffekts“,<br />

erläutert Rainer<br />

Winter von <strong>TÜV</strong> NORD CERT. Sein<br />

Team validiert und verifiziert seit zwei<br />

Jahren internationale Treibhausgas-<br />

Minderungsprojekte. Dabei wird vor<br />

Ort untersucht und bewertet, ob ein<br />

Projekt Treibhausgase wie CO 2 und<br />

CH 4 laut den JI/CDM-Anforderungen<br />

einspart. JI steht dabei für Joint<br />

Implementation und CDM für Clean<br />

Development Mechanism. „Mehrere<br />

JI und CDM-Validierungen und Verifizierungen<br />

sind in Bearbeitung oder<br />

bereits abgeschlossen. Hierbei geht<br />

es zum Beispiel um den Brennstoffwechsel<br />

von Kohle zu biogenen<br />

Brennstoffen, sowie um Windkraftnutzung<br />

in Indien, um Kesselerneuerungen<br />

in der Mongolei oder<br />

um die Nutzung von Grubengas in<br />

Deutschland.“ Eine erfolgreiche<br />

Validierung ist Voraussetzung für eine<br />

Anerkennung der Projekte, und mit<br />

jedem geprüften Minderungsprojekt<br />

werden CO 2-Emissionszertifikate<br />

generiert, um sie an anderer Stelle<br />

einzusetzen. So können beispielsweise<br />

europäische Unternehmen<br />

diese Zertifikate nutzen, um ihre Verpflichtungen<br />

im Rahmen des europäischen<br />

Emissionshandels zu erfüllen.<br />

Auch Länder wie die Niederlande,<br />

Belgien oder Österreich kaufen Zertifikate<br />

aus derartigen Projekten auf,<br />

um ihren nationalen Verpflichtungen<br />

aus dem Kyoto-Protokoll zu genügen.<br />

Initiiert werden diese Projekte meist<br />

von Unternehmen aus Europa und<br />

anderen Industrienationen wie<br />

Kanada oder Japan. Winter: „Letztlich<br />

leisten die Unternehmen durch ihr<br />

Engagement auch außerhalb Europas<br />

einen beachtenswerten Beitrag für<br />

den Klimaschutz.“ ��


Trommeln, Tauben, Telegrafie TECHNIK<br />

Trommeln, Tauben, Telegrafie<br />

Wie die Menschen sich in vergangenen Zeiten Nachrichten sandten<br />

Bis heute wird die Brieftaube zur Nachrichtenübermittlung eingesetzt. Insbesondere in Afrika nutzte man in der Vergangenheit akustische Signale.<br />

Bereits 450 v. Chr. wurde in Griechenland die Fackeltelegrafie erfunden. Die beiden Fackelzeichen links geben die Zeile zwei an, die fünf Fackelzeichen<br />

rechts weisen auf die Spalte fünf hin: Hier wird also „K“ signalisiert.<br />

Von Dr. Doris Marszk<br />

Es wird sich wohl nie mehr ermitteln<br />

lassen, wann Menschen einander<br />

zum ersten Mal eine Nachricht über<br />

große Entfernungen zukommen ließen.<br />

Doch sicher ist, dass es bereits<br />

vor Jahrtausenden geschehen ist.<br />

Einfache Signale wurden beispielsweise<br />

bereits im Trojanischen Krieg<br />

genutzt, wie durch Aischylos bekannt<br />

ist. Der Trojanische Krieg fand wiederum<br />

lange vor seiner dichterischen<br />

Beschreibung statt, vermutlich um<br />

1200 vor Christus. Durch Aischylos'<br />

Orestie erfahren wir, dass Agamemnon<br />

seiner Gattin Klytaimnestra nach der<br />

Einnahme Trojas ein Feuersignal senden<br />

ließ. Allerdings hatte er das<br />

Feuersignal vor seinem Aufbruch verabreden<br />

müssen, und es konnte auch<br />

nichts anderes kundtun als eben den<br />

vereinbarten Inhalt.<br />

Doch noch in der Antike erreichte das<br />

Nachrichtenwesen ein beachtliches<br />

Niveau. Bereits um 450 vor Christus<br />

erfanden Kleoxenos und Demokleitos<br />

eine Fackeltelegrafie, die im zweiten<br />

Jahrhundert von Polybios weiterentwickelt<br />

wurde. Sie beruht darauf, dass<br />

die Buchstaben des Alphabets mithilfe<br />

einer in fünf mal fünf Felder mit den 25<br />

Buchstaben unterteilten quadratischen<br />

Tafel in zwei aufeinander folgenden<br />

Phasen durch Fackelzeichen<br />

übermittelt werden konnten (siehe<br />

Grafik oben). Mit einer Fackel wurde<br />

die Reihe signalisiert, mit der anderen<br />

die Spalte. Über große Entfernungen<br />

ging dies natürlich nicht ohne Relaisstationen.<br />

Ein weiterer Nachteil war,<br />

dass man nun zwar jeden Text „telegrafieren“<br />

konnte, aber die Sendedauer<br />

erheblich war. Die Nachricht<br />

„100 Kreter desertiert“ hat vermutlich<br />

eine halbe Stunde gedauert, komplexere<br />

Nachrichten dauerten entsprechend<br />

länger. Neben diesen informationstechnischen<br />

Verfahren gab es<br />

auch immer die Boten in vielerlei<br />

Gestalt: Meldereiter, Patrouillen, ausgeschickte<br />

Privatsklaven sowie Reisende<br />

oder Kaufleute als Gelegenheitsboten.<br />

Man schrieb im Altertum,<br />

je nach Kultur, auf Holz- oder Metalltäfelchen,<br />

auf Tonscherben, Elfenbein,<br />

Seide, Leinen oder auch Leder.<br />

Wenn die Trommeln sprechen<br />

Außer der optischen gab es auch<br />

schon früh die akustische Nachrichtenübermittlung,<br />

etwa mittels<br />

Trommeln. In Afrika, wo diese Technik<br />

ihre Heimat hatte, sind es ganz<br />

bestimmte Trommeln, die hierbei zum<br />

Einsatz kommen. Die so genannte<br />

sprechende Trommel ist „in ganz Afrika<br />

südlich der Sahara-Wüste verbreitet“,<br />

wie Dr. Kouamé Pascal Gnamien in seiner<br />

kürzlich erschienenen Doktorarbeit<br />

über „Westafrikas Weg in die<br />

Informationsgesellschaft“ beschreibt.<br />

„Die Nachrichten, die durch die sprechende<br />

Trommel übermittelt werden,<br />

kann man als wortsprachliche Texte<br />

begreifen, die in den jeweiligen Stammesdialekten<br />

abgefasst sind. Für die<br />

Signalisierung der einzelnen Silben der<br />

zu sendenden Wörter existieren in jeder<br />

Sprache besondere Trommelalphabete.“<br />

Allen frühen Nachrichtenübermittlungsverfahren<br />

ist eigen, dass sie nicht für<br />

den privaten Gebrauch bestimmt sind.<br />

Das hat manchmal, bei der Fackeltelegrafie<br />

zum Beispiel, etwas damit zu<br />

tun, dass die Verfahren zu aufwändig<br />

sind, um etwa Grüße vom Sohn im<br />

Heerlager an die Eltern zuhause zu<br />

„telegrafieren“. Aber auch das römische<br />

cursus publicus (Postinstitut) für<br />

den Brief- und Depeschenverkehr, das<br />

es seit Kaiser Augustus gab, stand<br />

nicht der allgemeinen Bevölkerung zur<br />

explore: 2/2006 - 25


Verfügung. Ebenso stand der afrikanische<br />

Trommler nur in den Diensten seines<br />

Häuptlings oder Königs. Der<br />

Trommler war nur Erfüllungsgehilfe.<br />

Vom Text der zu trommelnden<br />

Botschaft auch nur ein Jota abzuweichen,<br />

war ihm bei Todesstrafe untersagt.<br />

Darum prägten sich die Trommler<br />

die Botschaften genau ein und behielten<br />

sie auch noch lange nach ihrer<br />

aktuellen Aussendung im Gedächtnis.<br />

Später gaben sie diese Botschaften an<br />

die nächste Trommler-Generation weiter,<br />

wodurch sie gewissermaßen ein<br />

lebendes Archiv bilden. So seien noch<br />

heute Trommler zu finden, so Dr.<br />

Gnamien, die Nachrichten aus der Vor-<br />

Kolonialzeit im Gedächtnis bewahrt<br />

haben.<br />

Während Trommeln oder Feuerzeichen<br />

eine vorhandene Sprache wie<br />

Griechisch, Latein oder afrikanische<br />

Dialekte in optische oder akustische<br />

Signale umsetzten, ist das Silbo<br />

Gomero Sprache und Signal zugleich.<br />

Silbo Gomero ist eine Pfeifsprache, die<br />

Schäfer auf den Kanarischen Inseln,<br />

vor allem auf Gomera, nutzten, um<br />

sich über große Entfernungen hinweg<br />

zu verständigen. Diese alte Verständigungsmethode<br />

existiert bis heute, ist<br />

jedoch jetzt vom Aussterben bedroht.<br />

Dass Silbo Gomero eine eigene<br />

Sprache ist wie Deutsch oder<br />

Chinesisch, haben David Corina von<br />

der University of Washington und<br />

Manuel Carreiras von der Universidad<br />

de la Laguna erst Anfang 2005 in einer<br />

in der Zeitschrift „Nature“ erschienenen<br />

Studie nachgewiesen.<br />

Der Heimkehrinstinkt der Taube<br />

Um Entfernungen von mehreren hundert<br />

Kilometern nachrichtentechnisch<br />

schnell zu überwinden, machte man<br />

sich bereits in der Antike die Brieftaube<br />

zunutze. Die Taube hat einen Heimkehrinstinkt.<br />

Dadurch wurde sie vor<br />

allem bei militärischen Aktionen mit<br />

großen Truppenbewegungen interessant:<br />

Die Tauben musste man von<br />

ihrem heimatlichen Schlag zum so<br />

genannten Auflassort mitnehmen. An<br />

diesem Ort, von dem sie losfliegen sollten,<br />

band man ihnen kleine Zettel an<br />

die Füße und ließ die Taube in die<br />

Heimat fliegen. Eine Brieftaube fliegt, je<br />

nach Windverhältnissen, zwischen 60<br />

und 120 Kilometer pro Stunde. Je<br />

26 - explore: 2/2006<br />

nach Zuchteigenschaft kann sie zwischen<br />

200 und 1.200 Kilometer überwinden.<br />

Der Vorteil gegenüber optischen<br />

und akustischen Signalen war,<br />

dass die fliegende Taube einfach als<br />

Vogel wahrgenommen wurde und<br />

nicht als Nachrichtenmedium. Der<br />

Nachteil war: Man konnte nur so viele<br />

Nachrichten schicken, wie man vorher<br />

Tauben an den Auflassort gebracht<br />

hatte. Bis zu den Weltkriegen spielte<br />

die Brieftaube jedoch eine wichtige<br />

Rolle bei der Übermittlung militärischer<br />

Nachrichten.<br />

Vom Zeigertelegrafen<br />

zum Morsealphabet<br />

Doch in der Neuzeit hatte man schon<br />

wieder an weiteren technischen Möglichkeiten<br />

zur Nachrichtenübermittlung<br />

gearbeitet. Der Franzose Claude<br />

Chappe baute Ende des 18. Jahrhunderts<br />

einen Zeiger-Telegrafen,<br />

bestehend aus einem hohen Mast mit<br />

einem beweglichen Flügel. An dessen<br />

Morseschreibtelegraf. Mit elektrischer Spannung<br />

Buchstaben zu kodieren, ist das Grundprinzip<br />

der elektrischen Telegrafie.<br />

Enden befand sich jeweils ein etwa<br />

halb so langer drehbarer Seitenflügel,<br />

der über eine Scheibe durch Seilzüge<br />

bewegt wurde. Mit diesem Apparat<br />

konnten bis zu 196 unterschiedliche<br />

Figuren gebildet werden. Im Interesse<br />

eines eindeutigen und sicheren Ablesens<br />

wurden allerdings nur 98 Figuren<br />

verwendet. Über 20 Zwischenstationen<br />

war es möglich, kurze Nachrichten<br />

von Paris nach Lille über eine<br />

Entfernung von 270 Kilometern innerhalb<br />

von zwei Minuten zu übertragen.<br />

Doch erst mit der Nutzung der<br />

Elektrizität konnte ein Telegraf entwickelt<br />

werden, der schnell arbeitete und<br />

keine riesigen Vorrichtungen erforderte.<br />

Der deutsche Arzt Samuel Thomas<br />

von Sömmering nutzte Erfindungen<br />

von Galvani und Volta. Luigi Galvani<br />

TECHNIK Trommeln, Tauben, Telegrafie<br />

hatte 1780 gezeigt, dass durch die<br />

Elektrizität der Informationsfluss in den<br />

Nerven ermöglicht wird, und Graf Volta<br />

hatte die erste elektrische Batterie mit<br />

Hilfe von Galvanis Erkenntnissen entwickelt.<br />

So erfand Sömmering 1809<br />

einen elektrochemischen Telegrafen.<br />

Beim Sender wurde eine Spannung an<br />

den zu übertragenden Buchstaben<br />

angelegt, und in diesem Augenblick<br />

stiegen bei der Empfängerstation in<br />

einem Glasbehälter, der mit Wasser<br />

gefüllt war, an dem entsprechenden<br />

Buchstaben Gasblasen auf. Ein Prinzip<br />

war geboren: Mithilfe elektrischer<br />

Spannung werden Buchstaben markiert.<br />

Doch für Sömmerings Apparat<br />

waren 35 Drähte (für alle Buchstaben<br />

und Satzzeichen) nötig, und auf große<br />

Entfernungen war dies sehr teuer. Erst<br />

die Kenntnis und Nutzung des<br />

Elektromagnetismus brachte eine<br />

Vereinfachung. Mithilfe eines Elektromagneten<br />

und einer Hebelvorrichtung<br />

konnten Stromkreise einfach geöffnet<br />

und geschlossen werden. Nun brauchte<br />

man nur noch einen endlosen<br />

Papierstreifen, der durch die<br />

Vorrichtung lief, und einen Schreibstift.<br />

Wird der Stromkreis geschlossen, zieht<br />

der Elektromagnet den Schreibstift an,<br />

der Stift wird auf das Papier gedrückt.<br />

Bei geöffnetem Stromkreis geht der<br />

Stift in die Ausgangsposition zurück.<br />

Je nachdem, ob der Stromkreis lang<br />

oder kurz geschlossen wird, entstehen<br />

Punkte oder Striche auf dem Papier.<br />

Das ist das Prinzip, das Samuel Morse<br />

in der Mitte des 19. Jahrhunderts entwickelt<br />

hatte.<br />

Doch noch fünfzig weitere Jahre dauerte<br />

es, bis für die Übermittlung der<br />

Morse-Nachricht keine Drähte mehr<br />

benötigt wurden. Guglielmo Marconi<br />

erkannte 1896 die Tauglichkeit der von<br />

Heinrich Rudolf Hertz entdeckten<br />

Radiowellen für die drahtlose Nachrichtenübermittlung.<br />

Damit wurde das<br />

Problem des aufwändigen Leitungsbaus<br />

gelöst, und die Morse-Telegrafie<br />

konnte nun auch unter extremen<br />

Bedingungen genutzt werden. Zwar<br />

begann zeitgleich das Telefon der<br />

Telegrafie den Rang abzulaufen; doch<br />

bis heute ist die Morse-Telegrafie als<br />

letzte handbetriebene digitale Übertragungstechnik<br />

in einigen Situationen,<br />

wo ein einfacher Funkverkehr nötig ist,<br />

in Gebrauch.


Sprechen ohne Strippe TECHNIK<br />

Sprechen ohne Strippe<br />

Die Technik hinter dem Mobilfunk<br />

Von Jan Oliver Löfken<br />

Am 17. Juni 1947 begann die Ära des Mobilfunks: Von einem Auto aus konnten Bewohner von<br />

St. Louis in Missouri erstmals schnurlos telefonieren. Die Funkstation des amerikanischen<br />

Unternehmens AT&T war noch so schwer, dass sie nur für einen Festeinbau in der Limousine<br />

taugte. 1958 folgte in Deutschland das erste „öffentliche bewegte Landfunknetz A“. Gut 10.000<br />

Teilnehmer leisteten sich die 16 Kilogramm schweren und umgerechnet 7.500 Euro teuren<br />

Autotelefone. Knapp 50 Jahre später haben fast 90 Prozent der Deutschen ein Handy und tele-<br />

fonieren mühelos und rauschfrei in alle Welt.<br />

Das Rückgrat der schnurlosen Anschlüsse<br />

bilden Tausende von Funkzellen.<br />

Wie Bienenwaben überziehen<br />

sie das Land und überlappen an ihren<br />

Rändern. Die Idee dieses zellulären<br />

Aufbaus eines Funknetzes wurde erstmals<br />

1985 beim so genannten<br />

C-Netz im Frequenzbereich um 450<br />

Megahertz umgesetzt. Dieses Mobilfunknetz<br />

der ersten Generation, kurz<br />

1G genannt, stieß mit etwa 800.000<br />

Nutzern in den 1990er-Jahren an seine<br />

Kapazitätsgrenzen und wurde im Jahr<br />

2000 abgestellt.<br />

Der nötige Generationswechsel zum<br />

GSM-System (Global System for Mobile<br />

Communications, 2G) vollzog sich<br />

1992 und kann heute den Massenmarkt<br />

von weit über 60 Millionen<br />

Handybesitzern allein in Deutschland<br />

bedienen. Die in Europa entwickelte<br />

GSM-Technologie zählt zu den erfolgreichsten<br />

Technikstandards überhaupt.<br />

Er wird in knapp 200 Staaten<br />

für den Betrieb von fast 700 Mobilfunknetzen<br />

verwendet. Etwa 1,6 Milliarden<br />

Menschen telefonieren mobil mit<br />

GSM-Geräten, und täglich kommen<br />

etwa eine Million Neukunden hinzu.<br />

In Deutschland bildet GSM die technische<br />

Grundlage für die D- und E-Netze.<br />

Über 50.000 Basisstationen mit<br />

Sendeleistungen zwischen 10 und 25<br />

Watt bauen, aufgestellt auf Hausdächern,<br />

Schornsteinen, Funkmasten<br />

und Kirchturmspitzen, das engmaschige<br />

Wabennetz auf. Nur mit einer<br />

geschickten Netzplanung können die<br />

Betreiber störungsfreie Telefonate<br />

garantieren. Auf Bahnhöfen, Messegeländen<br />

und Flughäfen mit vielen<br />

Nutzern misst eine Mikro-Funkzelle<br />

gerade mal 100 Meter im Durchmesser,<br />

in Städten zwischen 500 und<br />

5.000 Metern. Großzellen für die<br />

Versorgung ländlicher Bereiche können<br />

auf bis zu 20 Kilometer Größe<br />

anwachsen.<br />

Single-, Duo-, Tri-Band:<br />

Frequenzvielfalt<br />

Der Ablauf eines Telefonats ist trotz<br />

unterschiedlicher Frequenzbereiche in<br />

Europa, Asien oder den USA immer<br />

gleich. Um einige dieser gängigen<br />

Frequenzbänder nutzen zu können,<br />

muss das Handy entsprechend ausgestattet<br />

sein. Heute gehört das so<br />

genannte Tri-Band-Gerät für die drei<br />

Bereiche bei 900, 1.800 (Europa,<br />

Asien) und 1.900 Megahertz (Amerika)<br />

zum Standard.<br />

Wählt der Handynutzer nun eine<br />

Nummer, werden diese Daten digitalisiert<br />

und auf die jeweilige Trägerfrequenz<br />

aufgeprägt. Das geschieht<br />

durch eine gezielte Modulation der<br />

Phasen der einzelnen Funkwellen. Von<br />

der Basisstation einer Funkzelle aufgefangen,<br />

werden diese Verbindungsdaten<br />

genauso wie die digitalisierten<br />

Worte während eines Gesprächs an<br />

eine Vermittlungsstelle weitergeleitet.<br />

Mit dieser ist jede Basisstation entweder<br />

per Richtfunk oder durch eine<br />

feste Kabelleitung verbunden. Die<br />

Vermittlungsstelle erkennt, ob das<br />

Gespräch ins Festnetz oder an einen<br />

Mobilfunkteilnehmer in einer anderen<br />

Funkzelle weitergeleitet werden muss.<br />

Einloggen und Orten<br />

Von zentraler Bedeutung ist dabei der<br />

permanente Kontakt eines Handys zu<br />

einem Funkmast. Auch bei aufgelegtem<br />

Hörer loggt sich das Telefon quasi<br />

ins Mobilfunknetz ein. Die dabei<br />

genutzte Funkzelle wird direkt an die<br />

explore: 2/2006 - 27


Vermittlungsstelle weiter gegeben,<br />

auch wenn sie sich beispielsweise bei<br />

schneller Autofahrt innerhalb kürzester<br />

Zeit ändert. Dieses Einloggen, das<br />

nebenbei auch zu einer Ortung des<br />

jeweiligen Handys mit einer Genauigkeit<br />

von bis zu 100 Metern, abhängig<br />

von der Größe der Funkzelle,<br />

geeignet ist, spielt auch im Ausland<br />

eine entscheidende Rolle. Über das so<br />

genannte Roaming klinkt sich ein<br />

Handy auch in fremde Netzwerke ein.<br />

Die jeweilige Vermittlungsstelle, ganz<br />

gleich ob in Italien oder Neuseeland,<br />

erhält die Nummer des Geräts und<br />

gibt diese Information an die Vermittlungsstelle<br />

des jeweiligen Heimnetzes<br />

weiter. So bleibt der Handynutzer<br />

weltweit mit der gleichen<br />

Nummer erreichbar. Allerdings lassen<br />

sich Fremdnetze diesen Roaming-<br />

Service mit nicht gerade geringen<br />

Entgelten bezahlen.<br />

28 - explore 2/2006<br />

Fließen über eine Standard-GSM-Verbindung<br />

gerade mal 9,6 Kilobit pro<br />

Sekunde, kann diese Datenrate für<br />

mobiles Surfen oder E-Mail-Versand<br />

mit der so genannten GPRS-Technik<br />

(General Packet Radio Service) auf<br />

57,6 Kilobit pro Sekunde erhöht werden.<br />

Den gleichen GSM-Frequenzbereich<br />

nutzend, wird bei GPRS keine<br />

feste Leitung wie beim Telefonat geknüpft,<br />

sondern die digitalen Daten<br />

werden, in einzelne Pakete verpackt,<br />

über die verfügbaren Kanäle gesendet.<br />

Auf einer vergleichbaren Technik<br />

baut auch der Datentransfer des<br />

Internets auf.<br />

Mobile Datenraten jenseits der<br />

1.000 Kilobit-Hürde<br />

Zurzeit werden in Deutschland 384<br />

Kilobit pro Sekunde erreicht; noch<br />

höhere Datenraten mit bis zu 1.920<br />

Kilobit pro Sekunde bietet die dritte<br />

Mobilfunkgeneration (3G). Diese in<br />

Sprechen ohne Strippe TECHNIK<br />

Die ersten Mobiltelefone waren unhandlich, nutzten aber das Frequenzband um 450 MHz, das durch ein besseres Beugungsverhalten der Wellen<br />

im Prinzip eine höhere Reichweite ermöglicht als die heute in Europa etablierten GSM-Frequenzen bei 900 und 1.800 MHz. Daher wird an eine<br />

Neuauflage der 450 MHz-Frequenz gedacht. Seit 2003 gibt es in Deutschland UMTS-Netze. Diese funken mit Frequenzen zwischen 1.900 bis<br />

2.200 MHz. Der zelluläre Aufbau des Funknetzes gewährleistet eine flächendeckende Verbindung für die Telefonteilnehmer. Zurzeit forscht die<br />

Industrie an einer Technik, bei der die Handys selber als Basisstation eingesetzt werden können. Der Frequenzbereich liegt hier etwa zwischen<br />

2.500 und 5.000 MHz.<br />

Deutschland seit 2003 verfügbaren<br />

UMTS-Netze (Universal Mobile Telecommunications<br />

System) funken jedoch<br />

in einem höheren Frequenzbereich<br />

(1.900 bis 2.200 Megahertz)<br />

und nutzen mit dem so genannten<br />

Wideband-CDMA eine neuere Technik<br />

zur schnellen Datenübertragung als<br />

GSM. Dabei wird das zu sendende<br />

Signal stark gespreizt, so dass es eine<br />

größere Bandbreite einnehmen kann.<br />

Das ermöglicht Videotelefonie, Breitbandsurfen<br />

und zusätzliche Informationsdienste,<br />

die weit über das einfache<br />

Telefonieren hinausgehen. Doch<br />

weltweit konnten bisher nur gut 30<br />

Millionen Kunden von den Vorteilen<br />

dieser leistungsfähigen Funkverbindung<br />

überzeugt werden. Ein wichtiger<br />

Vorteil dieser Technik liegt darin, dass<br />

die Sendeleistung der Mobilteile von<br />

ein bis zwei Watt bei GSM-Geräten auf<br />

0,125 Watt gesenkt werden könnte.<br />

Richtig zum Zuge wird UMTS spätes-


Sprechen ohne Strippe TECHNIK<br />

Werden Radioprogramme über digitale Nullen und Einsen codiert und nicht über Analog-Signale versendet, erhöht sich die Klangqualität deutlich.<br />

Heute können Radio- und Fernsehprogramme, inklusive weiterführender Videotextinformationen, deutschlandweit über Satellit in CD-Qualität<br />

empfangen werden. Über den DVB-S-Standard (Digital Video Broadcasting Satellit) wird in die privaten Haushalte gesendet. Für den Empfang ist<br />

eine Satellitenschüssel und ein digitaler Satellitenreceiver erforderlich (siehe auch Seite 30 ff).<br />

tens dann kommen, wenn im kommenden<br />

Jahrzehnt das GSM-Netz<br />

abgestellt werden könnte. Aber konkrete<br />

Zeitangaben gibt es dafür noch<br />

nicht. Die Erhöhung der Datenübertragungsrate<br />

auf 1,4 bis 5,8 Megabit<br />

pro Sekunde ist vorgesehen.<br />

Obwohl sich die UMTS-Investitionen<br />

der deutschen Netzbetreiber im zweistelligen<br />

Milliardenbereich noch lange<br />

nicht amortisiert haben, wird in den<br />

Laboren bereits an der vierten Mobilfunkgeneration<br />

geforscht. Noch einmal<br />

hundertfach schneller sollen 4G-<br />

Netze bis zu 1.000 Megabit pro Sekunde<br />

übertragen können, wie Studien<br />

im Rahmen des europäischen<br />

Winner-Projekts (Wireless World Initiative<br />

New Radio) zeigen. Erste<br />

„Handy“-Prototypen, so ausladend<br />

wie ein riesiger Kühlschrank, stehen<br />

bereits in einigen europäischen<br />

Instituten wie im 4G-Lab der finnischen<br />

Universität Oulu.<br />

4G – Die Zukunft des Mobilfunks<br />

4G könnte neben schnellen Datenraten<br />

auch das Funknetz mit seiner<br />

heutigen Wabenstruktur revolutionieren,<br />

denn über mehrere Antennen soll<br />

jedes Handy selbst auch zu einer kleinen<br />

Basisstation werden und so das<br />

4G-Netz dynamisch abhängig vom<br />

explore: INFOBOX<br />

BUCHTIPPS:<br />

„Grundkurs Mobile Kommunikationssysteme“ von Martin Sauter. Vieweg, September 2004,<br />

ISBN 3-528-05886-2, 29,90 Euro<br />

„Mobilkommunikation“ von Jochen Schiller. Pearson, München 2003, ISBN 3-8273-7060-4,<br />

39,95 Euro<br />

„GSM, Global System for Mobile Communication: Vermittlung, Dienste und Protokolle in digitalen<br />

Mobilfunknetzen“ von Jörg Eberspächer. Teubner, Stuttgart 2001, ISBN 3-519-26192-8,<br />

39,90 Euro<br />

LINKS:<br />

GSM, 2G: www.gsmworld.com, UMTS, 3G: www.3gpp.org,<br />

4G, EU-Projekt Winner: www.ist-winner.org<br />

Standort des Nutzers erweitern. Bis<br />

zur Marktreife werden mindestens<br />

noch zehn Jahre vergehen. Selbst der<br />

Frequenzbereich, in dem 4G funken<br />

soll, ist weltweit noch nicht festgelegt.<br />

Doch er wird wahrscheinlich irgendwo<br />

zwischen 2,5 und 5 Gigahertz liegen,<br />

oberhalb der UMTS-Bänder.<br />

explore 2/2006 - 29


30 - explore 2/2006<br />

TECHNIK Digitaler Rundfunk ist auf dem Vormarsch<br />

Mehr Radio- und Fernsehsender auf gleichen<br />

Frequenzen mit hoher Qualität:<br />

Digitaler Rundfunk ist auf dem<br />

Vormarsch<br />

Von Jan Oliver Löfken<br />

Kurzwelle 6.190 Kilohertz. Über diese Frequenz funkt<br />

der Sender Berlin des Deutschlandfunks über tausende<br />

Kilometer bis in den letzten Winkel Europas und darüber<br />

hinaus. Die Nachrichten erklingen allerdings in<br />

mono und sind wegen störender Nebengeräusche selten<br />

ein Hörgenuss. Zielgruppe sind informationsbegierige<br />

Deutsche im fernen Ausland. Auch hierzulande lassen<br />

sich mit wenig Aufwand und technischem Knowhow<br />

dutzende Kurzwellensender aus aller Welt empfangen.<br />

Doch die in Europa nur sehr selten gehörte<br />

Kurzwelle steht vor einem grundlegenden Wandel: Mit<br />

der Digitalisierung der Funkdaten lässt sich die<br />

Klangqualität deutlich steigern, nicht nur auf der<br />

Kurzwelle, sondern auch in allen anderen Frequenzbändern.<br />

Findet die analoge Kurzwelle heute eine kleine Fangemeinde,<br />

die möglichst weit in die ferne und knackende<br />

Rundfunkwelt hinaushört, bieten digitalisierte Kurzwellensender<br />

rauschfreies Hörvergnügen in stereo.<br />

Grundlage ist die höhere Datenrate, die 10 bis 100 Meter<br />

lange Wellen tragen können. „Mit der Digitalisierung lassen<br />

sich die Frequenzbereiche deutlich besser nutzen als mit<br />

der Analog-Technik“, sagt Professor Heinz Gerhäuser,<br />

Leiter des Fraunhofer-Instituts für Integrierte Schaltungen in<br />

Erlangen. Die gleichen Frequenzen eines Kurzwellenbandes<br />

können digital mindestens fünfmal so viele Sender verbreiten<br />

bei deutlich verbesserter Qualität. „Digital Radio<br />

Mondiale“ nennt sich das internationale Konsortium, das<br />

sich die bessere Ausnutzung der Frequenzen unterhalb von<br />

30 Megahertz zum Ziel gesetzt hat.<br />

Und die digitale Zukunft lässt sich auch schon hören. So<br />

sendet die Deutsche Welle ihr Programm digital aus Sines<br />

in Portugal. Trotz der Stereoqualität, vergleichbar mit der<br />

heutiger UKW-Sender, bleiben die Vorteile eines Kurzwellensenders<br />

erhalten: Dessen Wellen können sich über<br />

Tausende von Kilometern ohne nennenswerte Abschwächung<br />

ausbreiten.<br />

Die für den Kurzwellenbereich digitalisierten Funkdaten können sich ohne nennenswerte Abschwächung ausbreiten. Möglich wird es durch die<br />

Reflexion der Funkwellen an der Ionosphäre. Nur mit einem einzigen Sender kann ein sehr viel größeres Gebiet abdeckt werden als mit heute<br />

verbreiteten UKW-Stationen. So kann auch in abgelegenen Gegenden Hörfunk in CD-Qualität empfangen werden. Hier eine Auswahl handelsüblicher<br />

Kurzwellenempfänger.


Digitaler Rundfunk ist auf dem Vormarsch TECHNIK<br />

Digital Radio nicht nur zum Hören, sondern auch zum Sehen.<br />

Serviceinformationen zum laufenden Programm und zusätzliche Infos<br />

lassen sich hier bequem abrufen. Der PDA und das Digital Radio kommunizieren<br />

miteinander über eine Bluetooth-Schnittstelle. Derzeit werden<br />

die Geräte im Rahmen eines EU-Projekts getestet.<br />

Hohe Reichweite durch Reflexion<br />

Der Grund für diese Reichweite liegt in der Reflexion der<br />

Radiowellen an der so genannten Ionosphäre zwischen 60<br />

und 400 Kilometern Höhe. Luft und Wassermoleküle sind<br />

hier teilweise elektrisch geladen, da sie durch elektromagnetische<br />

Strahlung der Sonne ionisiert werden. Für Kurzwellen<br />

wirken diese Schichten wie ein Spiegel, so dass sie<br />

sich ohne Beeinträchtigung durch die Krümmung der Erdoberfläche<br />

über Kontinente hinweg ausbreiten können.<br />

Ultrakurzwellen dagegen werden nicht von der Ionosphäre<br />

reflektiert, sie gehen geradlinig hindurch in den Weltraum,<br />

Radioprogramme auf Ultrakurzwelle sind im Prinzip nur bis<br />

zum Horizont zu hören.<br />

Noch funken neben der Deutschen Welle nur wenige<br />

Anbieter aus Deutschland über die digitale Kurzwelle. „Aber<br />

ich rechne damit, dass bis zum kommenden Weihnachtsgeschäft<br />

deutlich mehr Sender dazukommen“, so<br />

Gerhäuser. Parallel könnte das Angebot an digitalen<br />

Empfangsgeräten breiter werden. Obwohl die Technik ausgereift<br />

ist, sind heute nur wenige Modelle von speziellen<br />

Herstellern zu bekommen. „Über den Erfolg wird der<br />

Radiohörer entscheiden“, ist Gerhäuser überzeugt.<br />

Wertet die Digitalisierung schon die Kurzwelle für<br />

Stereoempfang auf, können natürlich auch die anderen<br />

Frequenzbereiche von diesem Fortschritt profitieren. So<br />

halten die Fraunhofer-Entwickler auch Lösungen für die<br />

Mittelwellen bereit, die ebenfalls über hunderte bis tausende<br />

Kilometer Entfernung in Stereo-Qualität empfangen werden<br />

kann. Und die weit verbreitete Ultrakurzwelle wandelt<br />

sich sogar zur wahren HiFi-Frequenz. Über den digitalen<br />

Versand können spezielle UKW-Radios sogar Musik in CD-<br />

Qualität mit Mehrkanalton des 5.1-Standards empfangen.<br />

Modulation der Wellenphase<br />

Der grundlegende Kunstgriff für die vielfach gesteigerte<br />

digitale Datenrate liegt in der veränderten Modulation der<br />

Trägerwelle. Bei analoger Kurz-, Mittel- und Langwelle verändert<br />

sich die Amplitude entsprechend der gefunkten<br />

Inhalte, im UKW-Band wird die Frequenz moduliert.<br />

Digitalfunk setzt nicht in erster Linie auf diese Amplituden-<br />

(AM) und Frequenzmodulationen (FM), sondern variiert die<br />

Phase der entsprechenden Trägerwellen. Für die digitalen<br />

Binärwerte 0 oder 1 eines Bits wird die Phasenlage der<br />

Sinusschwingung geändert. Die Effizienz der Trägerfrequenz<br />

kann über mehrstufige Phasenmodulationen weiter<br />

gesteigert werden. Ausgeklügelte Verfahren kombinieren<br />

sogar diese Phasenmodulationen mit der klassischen<br />

Amplitudenmodulation für einen höheren Datenfluss.<br />

Zusätzlich entwickelten die Digitalfunker eine leistungsfähige<br />

Fehlerkorrektur, so dass es nur selten zu Empfangsstörungen<br />

kommt.<br />

Trotz der besseren Ausnutzung der Frequenzbänder und<br />

überzeugender Empfangsqualität fristet der Digitalfunk im<br />

UKW-Bereich seit Jahren ein Nischendasein. Digitalradio<br />

nach dem ältesten Standard, DAB (Digital Audio<br />

Broadcasting), lässt sich mit speziellen DAB-Empfängern in<br />

fast dem gesamten Bundesgebiet hören. Allerdings sind die<br />

Signale oft so schwach, dass sie nicht bis in die Häuser<br />

kommen und Außenantennen notwendig sind. 2006 könnte<br />

aber die Sendeleistung verzehnfacht werden, um nicht<br />

nur Autoradios zu erreichen. Insgesamt gibt es im<br />

Bundesgebiet etwa 100 DAB-Programme, vornehmlich<br />

gespeist von den öffentlich-rechtlichen Anbietern. Diese<br />

konzentrieren sich allerdings im Süden der Republik in<br />

Bayern und Baden-Württemberg. Im Norden lohnt sich<br />

wegen der geringen Programmvielfalt der Kauf eines DAB-<br />

Geräts kaum. Und unter vorgehaltener Hand wollen sich<br />

die nördlichen Landesmedienanstalten still und leise vom<br />

DAB-Standard ganz verabschieden.<br />

Wettstreit der Funkstandards<br />

Der Grund liegt in den neuen Standards, die mittlerweile zur<br />

Verfügung stehen. So hat sich in weiten Bereichen des<br />

Bundesgebiets DVB-T (Digital Video Broadcasting-<br />

Terrestrial) für den terrestrischen Fernsehempfang schon<br />

durchgesetzt. Die analoge Verbreitung wurde schon weitgehend<br />

eingestellt. Diese Technik taugt ebenfalls für die<br />

Aussendung von Radioprogrammen. Die erfolgte Weiterentwicklung<br />

zum europäischen Standard DVB-H (Digital<br />

Video Broadcasting - Handheld) könnte diesen Trend weiter<br />

unterstützen und sowohl DAB als auch die digitalen<br />

Kurz- und Mittelwellen-Projekte zu einem Nischendasein<br />

verdammen.<br />

Wer heute schon digitale Klangqualität in großer Vielfalt<br />

hören will, ist noch auf Satellitenempfang angewiesen. Über<br />

den DVB-S-Standard gelangen hunderte europäische<br />

Sender via Satellitenschüssel in das heimische Wohnzimmer.<br />

Zugang zur weltweiten Radiolandschaft eröffnet<br />

parallel die Welt des Internetradios. Immer mehr Konsumenten<br />

mit einer DSL-Flatrate schätzen diesen Umweg<br />

über das Internet, um Spartenradios oder die neuesten<br />

Nachrichten aus Kalifornien oder Tokio zu hören. Hier wird<br />

die Angebotsvielfalt des kommenden digitalen Rundfunks<br />

bereits vorweggenommen.<br />

Trend zum personalisierten Spartenradio<br />

„Ob DAB oder ein anderes Verfahren für den Rundfunk<br />

genutzt wird, ist für den Konsumenten letztendlich nicht<br />

explore: 2/2006 - 31


entscheidend“, sagt Gerhäuser. Er sieht Radiogeräte voraus,<br />

die mit allen verfügbaren Standards funktionieren. 300<br />

bis 400 Sender können dann überall ohne Satellitenschüssel<br />

oder Internetanschluss zur Verfügung stehen. Aus<br />

dieser Vielfalt von öffentlich-rechtlichen Sendern bis zum<br />

Spartenradio für einzelne Musikrichtungen sucht sich der<br />

Hörer der Zukunft sein spezielles Programm zusammen.<br />

Dank der Digitalisierung ließe sich sogar parallel zur Musik<br />

ein Foto der Sängerin oder das Verkaufsangebot eines<br />

Musikversanddienstes empfangen.<br />

Lässt der Durchbruch des digitalen Radios noch einige<br />

Jahre auf sich warten, liegt die Zukunft beim digitalen<br />

Fernsehen zum Greifen nah. Zugunsten des DVB-T<br />

Empfangs wurden viele Analog-Frequenzen bereits abgestellt.<br />

Wann der Analog-Funk für das UKW-Radio der digitalen<br />

Zukunft weichen wird, mögen Rundfunk-Fachleute<br />

wie Professor Heinz Gerhäuser oder Ulrich Reimers,<br />

Professor am Institut für Nachrichtentechnik der Technischen<br />

Universität Braunschweig, noch nicht vorhersagen.<br />

Noch mehr Dynamik bekommt das digitale Fernsehen derzeit<br />

durch den Sprung zum Handy-TV. Wie schon beim<br />

Radio stehen hier zwei konkurrierende Standards zur<br />

Verfügung, DVB-H und DMB, eine Weiterentwicklung des<br />

Radiostandards DAB. Hamburg, Berlin, Niedersachsen und<br />

Brandenburg favorisieren DVB-H, Bayern, Rheinland-Pfalz<br />

und weitere Länder DMB.<br />

Handy-TV zur WM 2006 nur im Pilotbetrieb<br />

„Zur Fußball-Weltmeisterschaft wollen wir überhaupt etwas<br />

in die Luft bekommen“, sagt Reimers, der als einer der<br />

Väter von DVB-H gilt. „Mehr ist nicht mehr zu machen.“ Mit<br />

einem Regelbetrieb, für den parallel ausreichend Endgeräte<br />

verfügbar sind, rechnet er frühestens im Jahr 2007.<br />

Technologisch scheint indes DVB-H leicht die Nase vorn zu<br />

haben. „DVB-H nutzt vorhandene Frequenzen etwa doppelt<br />

so effizient wie DMB“, sagt Michael Kornfeld,<br />

Rundfunk-Fachmann an der TU Braunschweig. Zudem sei<br />

der Stromverbrauch der Endgeräte, bei Handys mit ihren<br />

kleinen Akkus, eine Schlüsselanforderung, bei DVB-H<br />

geringer. In der Bildqualität werden sich beide Systeme mit<br />

etwa 360 auf 288 Bildpunkte kaum voneinander unterscheiden.<br />

Optimistisch stimmt die DVB-H Anhänger auch<br />

eine internationale Marktstudie, nach der weltweit im Jahr<br />

2010 17 Millionen DMB- aber ganze 75 Millionen DVB-H-<br />

Geräte ihre Käufer gefunden haben sollen.<br />

Ob dieses mobile Fernsehen viele Freunde finden wird, ist<br />

noch nicht absehbar. Hollywood-Streifen werden sich<br />

jedenfalls kaum auf dem winzigen Handydisplay genießen<br />

lassen. Nachrichtensendungen könnten dagegen mehr<br />

Zuschauer finden. Die ersten Geräte für Handy-TV gab es<br />

bereits vor wenigen Monaten auf der Internationalen Funkausstellung<br />

in Berlin zu bewundern, die Industrie hält sich<br />

bereit. Für DMB-Geräte gibt es in Asien zwei Hersteller, LG<br />

und Samsung; denn in Südkorea gibt es bereits<br />

Sendungen nach dem DMB-Standard. Für DVB-H präsentierte<br />

der Handyhersteller Nokia funktionierende Endgeräte.<br />

32 - explore: 2/2006<br />

TECHNIK Digitaler Rundfunk ist auf dem Vormarsch<br />

Mit dem N92-TV-Handy demonstriert Nokia, wie die nahe Zukunft der<br />

mobilen Kommunikation aussehen wird.<br />

Und andere Firmen wie Motorola oder Philips arbeiten<br />

daran, um bei Nachfrage den Markt schnell mit fernsehtauglichen<br />

Handys zu versorgen.<br />

„In etwa fünf Jahren werden Handys genauso mit einem<br />

Fernsehempfänger ausgestattet sein wie heute mit einer<br />

Digitalkamera“, sagt Reimers. Da sich dieser Fernseh-<br />

Standard auch gut mit Hörfunk koppeln lässt, wird das<br />

Handy zur vielseitigen Medienstation für Internet, E-Mail<br />

und jedweder Art von Rundfunk. Ob es sich für den Nutzer<br />

auch lohnt, entscheiden die nach und nach verfügbaren<br />

digitalen Programme. Bis Mitte des kommenden Jahrzehnts<br />

dürfte sich die Digitalisierung aller Medien schrittweise<br />

durchsetzen. Analogradios werden zunehmend nur<br />

noch Rauschen empfangen und gerade noch einen Platz<br />

im Museum finden.<br />

explore: INFOBOX<br />

Welche Geräte brauche ich für digitales Radio?<br />

Für jede Art des digitalen Rundfunks, sei es Radio oder Fernsehen,<br />

reichen die klassischen, analogen Empfangsgeräte nicht mehr aus.<br />

Weitere Verbreitung finden heute in Deutschland schon die DVB-T-<br />

Tuner für das digitale Fernsehen. Damit können ältere Fernseher mit<br />

einer Scart-Schnittstelle weiter genutzt werden.<br />

Für den digitalen Satellitenempfang (DVB-S) sind sowohl Satellitenschüssel<br />

als auch ein DVB-S-Decoder nötig.<br />

Digitales Radio wird in naher Zukunft auch über DVB-T versendet und<br />

mit dem gleichen DVB-T-Tuner wie für den Fernseher genutzt werden<br />

können. Ein Testbetrieb im Berliner Raum läuft derzeit. Für die anderen<br />

Sendeformate von DRM bis DAB sind spezielle Geräte nötig. Das<br />

gleiche gilt für den Empfang von Handy-TV (DVB-H). Dabei gilt DAB<br />

allerdings als eine auslaufende Technologie. Für DVB-H konnten die<br />

Hersteller erste Prototypen schon vorstellen, die wahrscheinlich noch<br />

2006 auf den Markt kommen werden.


Ich bin der Sender TECHNIK<br />

ICH BIN DER SENDER<br />

Von Dörte Saße<br />

Dieser neue Sendekanal könnte das Radionutzungsverhalten<br />

ändern: Plötzlich verpassen Hörer nicht mehr ihre<br />

Lieblingssendungen, sondern hören sie individuell und allerorten.<br />

Plötzlich gibt es Zeitungsartikel fürs Ohr, nicht nur für<br />

Blinde. Plötzlich kann jeder sein eigener Radiosender sein,<br />

sein eigener Intendant.<br />

Und so hat alles angefangen: als Tummelplatz der Kleinen,<br />

mit Selbstdarstellern und Feierabendkritikern, Möchtegern-<br />

Moderatoren, Sofa-Philosophen und einigen ernsthaften<br />

Journalisten. Und mit einer Handvoll Technikfreaks in den<br />

USA, die 2004 ihre Software soweit entwickelt hatten, dass<br />

sie Audiodateien <strong>automatisch</strong> aus dem Internet herunterladen<br />

konnten.<br />

Zugleich brauchte man keine Tonstudios und Schnitttechniker<br />

mehr, um die eigene Meinung fürs Ohr zu verewigen.<br />

Ein schneller Rechner, ein Audioschnittprogramm und<br />

ein Mikrofon genügten. Und so gestaltete wohl als erster<br />

der Ex-MTV-Moderator Adam Curry seine regelmäßige<br />

Sendung „Daily Source Code“, er räsoniert bis heute zu fetziger<br />

Musik über Gott und die Welt.<br />

Via Mundpropaganda und Internet fanden sich eine<br />

beachtliche Fangemeinde und zahlreiche Nachahmer. Auch<br />

Langsam trauen sich auch die Großen: Die Tagesschau tut es, die<br />

Deutsche Welle, die BBC schon länger. Und inzwischen tun es<br />

auch Zeitungen von Handelsblatt bis Auto-Bild – sie podcasten.<br />

Sie bieten ihre Sendungen und Texte zum Nachhören an, als MP3-<br />

Dateien zum Herunterladen aus dem Internet.<br />

Hören, wenn man es selber will. Das Podcasting, setzt sich aus den Wörtern i-Pod und Broadcasting (senden, ausstrahlen) zusammen.<br />

in Deutschland kommen und gehen neue Angebote, mittlerweile<br />

über tausend, liebevoll naiv oder sehr professionell<br />

gemacht: vom bunten Sushi-Radio über die Plauderei<br />

Schlaflos in München bis zum sonntäglichen Wanhoffs<br />

Wunderbare Welt der Wissenschaft.<br />

Gerade hat sich der deutsche Podcastverband gegründet.<br />

Die großen Sender sind ebenso aufmerksam geworden<br />

wie die Werbewirtschaft. Der eine oder andere Podcaster<br />

sammelt die Kommentare seiner Hörer auf dem Anrufbeantworter<br />

und stellt sie auch gleich wieder online. Und<br />

als Weiterentwicklung sind erste Videoblogs zum Immerund-überall-Gucken<br />

zu nutzen. Verdrängen wird Podcasting<br />

die klassischen Medien wohl kaum, so die<br />

Fachleute. Doch zumindest bereichern.<br />

explore: INFOBOX<br />

LINKS:<br />

Verzeichnisse von Podcast-Angeboten in Deutsch: www.podcast.de<br />

www.podster.de<br />

www.dopcast.de<br />

www.spodradio.de,<br />

… und Englisch: www.podcastingnews.com<br />

explore: 2/2006 - 33


34 - explore 2/2006<br />

TECHNIK Mein Computer versteht mich<br />

Mein Computer versteht mich<br />

Von Jan Oliver Löfken<br />

„Von welchem Bahnhof möchten sie abfahren?“ So beginnt der Sprachcomputer der Deutschen Bahn seine <strong>automatisch</strong>e<br />

Fahrplanauskunft. In einem kurzen Dialog versteht der Rechner Orte und Reisezeiten zuverlässig und gibt<br />

die gewünschte Verbindung, ebenfalls <strong>automatisch</strong> verlesen, an. Service-Hotlines schätzen die Spracherkennung<br />

durch Computer immer mehr. Auch die Nummernliste in einem Handy und einfache Befehle am Heimrechner gehorchen<br />

überzeugend aufs Wort.<br />

Ist der Wortschatz begrenzt und werden<br />

ganze Sätze vermieden, spielen<br />

Spracherkennungssysteme auf leistungsfähigen<br />

Computern ihre Vorteile<br />

aus. Sie sind immer verfügbar und<br />

sparen Personal. Jedes gesprochene<br />

Wort zerlegt die Programme unabhängig<br />

vom Sprecher in kleine Lauteinheiten,<br />

so genannte Phoneme.<br />

Diese werden mit einer gespeicherten<br />

Datenbank abgeglichen und erkannt.<br />

Wieder zu einem ganzen Wort zusammengesetzt,<br />

kann der Rechner so<br />

das gehörte Wort sehr gut erkennen.<br />

Ganze Sätze hingegen verstehen<br />

aktuelle Erkennungssysteme von<br />

Firmen wie IBM, Nuance Communications<br />

oder Philips nicht immer:<br />

Erkennungsraten von über 95 Prozent<br />

werden erreicht. Das klingt nach viel,<br />

doch die fehlenden fünf Prozent verursachen<br />

bei der Textkontrolle viel<br />

Korrekturaufwand mit der Tastatur.<br />

Dennoch geben die Programmierer<br />

weltweit nicht auf. Sie kombinieren die<br />

Lautanalyse der Phoneme zunehmend<br />

mit einer Sinnerkennung. Mit wachsenden<br />

Datenbanken erkennt der<br />

Rechner die Grammatik eines Satzes.<br />

Sind Subjekt, Prädikat und Objekt einmal<br />

identifiziert, nähern sich die<br />

Programme nach und nach einer hundertprozentigen<br />

Erkennungsrate an.<br />

Im Alltag angekommen sind so<br />

Diktiersysteme für spezielle Wortschätze<br />

wie bei Ärzten und Juristen.<br />

Diesen Programmen wird vorher noch<br />

die persönliche Aussprache des<br />

Nutzers beigebracht. Nach erfolgreicher<br />

Lernphase kann die Fehlerrate<br />

beim Diktat schon unter ein Prozent<br />

rutschen. Trotz einiger Ungenauigkeiten<br />

nutzt auch die Europäische<br />

Union die Spracherkennung für eine<br />

<strong>automatisch</strong>e Übersetzung („EC<br />

Systran“) der vielsprachigen Beiträge<br />

in Brüssel.<br />

„Sollen wir am Sonntag nach Berlin fahren“. So schaut dieser Satz aus, wenn er mit moderner<br />

Analysetechnik zerlegt wird. Das obere Bild zeigt die Variationen der Schallwellen mit der Zeit.<br />

Hieraus lassen sich einzelne Lauteinheiten, die Phoneme, erkennen. Für das untere Bild wurde<br />

das Schallspektrum einer Fouriertransformation unterzogen, um es mit der Spracherkennungssoftware<br />

besser untersuchen zu können.<br />

Um auch bei Hintergrundgeräuschen<br />

einen zuverlässigen Erkennungsdienst<br />

zu leisten, setzt beispielsweise<br />

Intel auf eine kombinierte Sprach- und<br />

Lippenanalyse. Die Videobilder erleichtern<br />

der Software die Auswahl<br />

der richtigen Wörter.<br />

Fachleute schätzen, dass in spätestens<br />

zehn Jahren die letzten Hürden<br />

einer zuverlässigen Spracherkennung<br />

genommen werden können. Dann<br />

sind handkleine Direktübersetzer und<br />

Wortsuchen wie bei Google auch in<br />

Audio- und Videodateien keine anfälligen<br />

Spielereien mehr. Tastatur und<br />

Maus als Eingabewerkzeuge für den<br />

Computer werden dann schrittweise<br />

verdrängt. Parallel macht die <strong>automatisch</strong>e<br />

Sprachausgabe von Rechnern<br />

Fortschritte, sodass schon bald kleine<br />

Unterhaltungen mit dem Computer<br />

möglich werden.<br />

explore: INFOBOX<br />

BUCHTIPPS:<br />

„Readings in Speech Recognition“<br />

von Alex Waibel, 1990, ISBN 1558601244,<br />

39,90 Euro<br />

„Fundamentals of Speech Recognition“<br />

von Lawrence R. Rabiner und Biing-Hwang<br />

Juang Juang, 1993, ISBN 0130151572,<br />

etwa 82 Euro<br />

„Automatische Spracherkennung“ von<br />

E.-G. Schukat-Talamazzini, 1995 und 2001,<br />

ISBN 3528154926 (vergriffen)<br />

LINKS:<br />

Spracherkennung:<br />

www.spracherkennung.de<br />

Vorlesung Computerlinguistik,<br />

HU Berlin: http://www2.hu-berlin.de/<br />

compling/Lehrstuhl/Skripte/CL_2_Speech/<br />

Spracherkennung zum Testen:<br />

kostenlose Bahnauskunft: 0800 1507090


Sprachen ohne Muttersprachler TECHNIK<br />

SPRACHEN OHNE<br />

MUTTERSPRACHLER<br />

Von Prof. Dr. Thomas J. Schult<br />

Natürliche Sprachen helfen Menschen,<br />

sich mit ihresgleichen zu verständigen.<br />

Doch es gibt auch künstliche, formale<br />

Sprachen, mit denen der Mensch<br />

Computern Befehl erteilt. Was zeichnet<br />

solche Programmiersprachen aus?<br />

explore: 2/2006 - 35


Wo Menschen kommunizieren, drohen<br />

Missverständnisse. Ihre Äußerungen<br />

bieten oft Raum für unterschiedliche<br />

Deutungen. Dass es nicht ständig zu<br />

kommunikativen Katastrophen kommt,<br />

liegt an unserer Intelligenz: Aus den<br />

vagen Sätzen unseres Gegenübers<br />

konstruieren wir einen leidlich präzisen<br />

Sinn. Und zunächst einmal reparieren<br />

wir die Sätze, die wir im Alltag hören<br />

oder lesen; denn viele von ihnen sind<br />

streng genommen grammatikalisch<br />

nicht korrekt.<br />

Wer dagegen einem Computer Anweisungen<br />

in Form von Programmen<br />

geben will, hat es mit einem geistig<br />

extrem beschränkten Kommunikationspartner<br />

zu tun. Ihm fehlen typisch<br />

menschliche Fähigkeiten, grammatikalische<br />

Mängel auszubügeln und die<br />

Bedeutung des Gesagten aus dem<br />

Kontext zu erschließen. Daher versteht<br />

er nur Äußerungen, deren Grammatik<br />

und Bedeutung höchsten Präzisionsanforderungen<br />

genügen und die eindeutig<br />

sind.<br />

Weil natürliche Sprachen dies kaum<br />

leisten könnten, gibt es Dutzende<br />

Programmiersprachen, beispielsweise<br />

Basic, Java oder moderne höhere<br />

Programmiersprachen wie SQL. Wer<br />

sie ohne Fachkenntnis liest, entdeckt<br />

einige vom Englischen her vertraute<br />

Wörter wie while und read, aber größtenteils<br />

unverständliche Zahlen,<br />

Zeichenfolgen und Interpunktionen. Es<br />

kann Wochen und Monate dauern, sie<br />

einigermaßen flüssig zu beherrschen.<br />

Ein typischer Informatikstudent lernt<br />

vielleicht zwei oder drei im Laufe seines<br />

Studiums. Nach einigen Jahren<br />

oder Jahrzehnten büßen Sprachen oft<br />

stark an Bedeutung ein und werden<br />

von neueren verdrängt. So kam zum<br />

Beispiel in den 90er-Jahren Java auf,<br />

weil sich die Java-Programme in<br />

Webseiten integrieren ließen.<br />

Generationenwechsel<br />

Ende der 90er-Jahre wurden plötzlich<br />

Fachleute für längst untergegangene<br />

Programmiersprachen gesucht, weil<br />

das Jahr-2000-Problem viele Jahre<br />

funktionierende Software unbrauchbar<br />

zu machen drohte. Solche „Altsprachler“<br />

sollten in diesen Programmen<br />

zweistellige Jahresangaben<br />

identifizieren und dafür sorgen, dass<br />

36 - explore: 2/2006<br />

das Jahr 2000 nicht als Jahr 1900<br />

interpretiert wurde.<br />

Obwohl Programme in einer Sprache<br />

wie Java dem Laien absolut unverständlich<br />

vorkommen, sind sie doch<br />

dahingehend optimiert, von Menschen<br />

unterschiedlicher Herkunft gut verstanden<br />

zu werden, jedenfalls wenn<br />

diese ein gewisses Training hinter sich<br />

haben. Damit sind sie für den<br />

Prozessor, der in einem Computer für<br />

die Verarbeitung von Informationen<br />

zuständig ist, immer noch viel zu komplex.<br />

Er kann in seinen digitalen elektrischen<br />

Schaltkreisen nur zwei Zustände<br />

erkennen und in logischen<br />

Verknüpfungen verarbeiten: den Zustand<br />

„Schalter ein“ oder „Schalter<br />

aus“. Mit diesen zwei Grundzuständen<br />

können logische Funktionen und<br />

Zahlen dargestellt und alle notwendigen<br />

Befehle auch für sehr komplizierte<br />

Aufgaben formuliert werden. Natürlich<br />

ist der Aufwand dafür sehr hoch:<br />

Zahlen und Buchstaben müssen in<br />

unterschiedliche Codes verschlüsselt<br />

werden. Auch arithmetische Operationen<br />

werden in entsprechenden<br />

Codes verschlüsselt. Den natürlichen<br />

Zahlen 15 und 129 entsprechen zum<br />

Beispiel im System der Binärzahlen<br />

11111 und 10000001, die dann nach<br />

TECHNIK Sprachen ohne Muttersprachler<br />

bestimmten Vorschriften miteinander<br />

verknüpft werden, wenn es ans<br />

Rechnen geht.<br />

Übersetzungsdienst<br />

Der Programmierer muss sich aber<br />

nicht mit einem solchen Binärcode<br />

aus Nullen und Einsen beschäftigen:<br />

Anweisungen, Worte und Zahlen in<br />

der für ihn verständlichen Programmiersprache<br />

lässt er in eine<br />

Folge von Instruktionen und Daten in<br />

Was für den Laien Kauderwelsch ist, stellt für Computer eine präzise Arbeitsanweisung dar. Im<br />

Unterschied zu Fremdsprachen ist bei Programmiersprachen jedoch kein jahrelanges Studium<br />

erforderlich. Wer logisch denken kann, erlernt eine Sprache in wenigen Wochen.<br />

einem Binärcode übersetzen. Dieser<br />

Maschinencode ist auch für Fachleute<br />

schwer lesbar und sehr aufwändig zu<br />

schreiben. In der Regel steht dafür ein<br />

eigenes automatisiertes Übersetzungsprogramm,<br />

ein so genannter<br />

Compiler, zur Verfügung, der die vom<br />

Programmierer geschriebenen Zeilen<br />

der Programmiersprache in kryptische<br />

Folgen aus Nullen und Einsen übersetzt,<br />

die der Prozessor eines bestimmten<br />

Computertyps als Anweisungen<br />

versteht, die er direkt ausführen<br />

kann. Der Prozessor hat beispielsweise<br />

für die Operation „addiere“<br />

den festgelegten Code 00011010.<br />

Die Anweisung an den Rechner,<br />

die Zahlen 15 und 129 zu addieren,<br />

lautet dann in Maschinensprache:<br />

00011010 000011111 10000001.<br />

Der zurzeit leistungsfähigste Super-


Sprachen ohne Muttersprachler TECHNIK<br />

Computer führt die unvorstellbar hohe<br />

Zahl von 280 Billionen (10 12 ) Operationen<br />

pro Sekunde aus.<br />

Der Prozessor beschränkt sich also<br />

auf ganz simple Operationen. Erstaunlicherweise<br />

lässt sich alles, was<br />

Anwender überhaupt am Computer<br />

bewerkstelligen möchten, letztlich in<br />

solche Rechenoperationen übersetzen.<br />

Ob sie in einem Digitalfoto rote<br />

Augen retuschieren, eine Audio-CD ins<br />

MP3-Format übertragen, Videoaufnahmen<br />

am Bildschirm schneiden, bei<br />

eBay eine Pflanze ersteigern oder<br />

einen Brief neu formatieren: Der<br />

Prozessor sieht nur Massen von elementaren<br />

Rechenaufgaben, weil es<br />

der Programmierer im Verbund mit<br />

dem Compiler geschafft hat, die<br />

Aufgabe in einer Programmiersprache<br />

so zu formulieren, dass sie berechenbar<br />

ist, dass sie also durch einfache<br />

Rechenoperationen gelöst werden<br />

kann, auch wenn dies Milliarden<br />

Schritte erfordert. Die Masse macht's.<br />

Und dieses Prinzip gilt ja auch für die<br />

menschliche Informationsverarbeitung<br />

mit Milliarden verknüpfter Neuronen im<br />

Impressum:<br />

explore:<br />

Kundenmagazin der<br />

<strong>TÜV</strong> NORD Gruppe<br />

Verlag und Herausgeber:<br />

<strong>TÜV</strong> NORD AG,<br />

Am <strong>TÜV</strong> 1, 30519 Hannover<br />

www.tuev-nord.de/explore<br />

explore@tuev-nord.de<br />

Erscheinungsweise:<br />

viermal jährlich<br />

Redaktion:<br />

<strong>TÜV</strong> NORD AG<br />

Konzern-Kommunikation<br />

Jochen May (V.i.S.d.P.); Svea Büttner<br />

Konzeption und Gestaltung:<br />

<strong>TÜV</strong> NORD Gruppe, 30519 Hannover<br />

Käfer lehrt Programmieren<br />

Wer sich erstmals an die Aufgabe wagt, dem Computer Anweisungen zu geben, muss sich<br />

zunächst an das präzise „algorithmische“ Denken gewöhnen. Der virtuelle Marienkäfer Kara kann<br />

dabei helfen, weil er allein mit Mausklicks programmiert wird, ohne dass eine komplizierte<br />

Grammatik einer neuen Sprache zu lernen ist.<br />

Jeder kann das von Züricher Programmierdidaktikern entwickelte System im Internet herunterladen<br />

und anschließend den Käfer in einer Welt aus Baumstümpfen, Kleeblättern und Pilzen einfacherweise<br />

programmieren – gerade auch für Schüler ein idealer Einstieg. Eine Variante namens<br />

KaraToJava ebnet dann auf Wunsch den Weg ins „richtige“ Programmieren mit Java.<br />

Gestaltung:<br />

MPR Dr. Muth Public Relations GmbH,<br />

20354 Hamburg<br />

Satz, Lithographie & Druck:<br />

diaprint KG, 30952 Ronnenberg-Empelde<br />

Wissenschaftlicher Beirat:<br />

Prof. Dr.-Ing. E.h. Dr. h.c. Eike Lehmann<br />

Prof. Dr. Friedhelm Noack<br />

Prof. Dr. Günter Maaß<br />

Abbildungen:<br />

ARD.de (S. 3, 30)<br />

Campo GmbH & Co. KG (S. 3, 19)<br />

Corbis (Titel, S. 2, 3, 4, 7, 11, 12, 14, 16, 26,<br />

33, 35, 36, 38, 40)<br />

diaprint KG (S. 5)<br />

Digitaler Rundfunk Mitteldeutschland/<br />

Frank Gehrmann (S. 31)<br />

Nokia (S. 32)<br />

explore: INFOBOX<br />

LINKS:<br />

www.educa.ch/dyn/9.asp?url=56232%2Ehtm<br />

Downloads und technische Informationen<br />

zu Kara: www.educeth.ch/informatik/<br />

karatojava/download.html<br />

BUCHTIPPS:<br />

„Computerlogik“ von Daniel Hillis, C. Bertelsmann,<br />

2001, ISBN 3-570-12010-4,<br />

192 Seiten (vergriffen)<br />

„Programmieren mit Kara“ von Raimond<br />

Reichert, Jürg Nievergelt, Werner Hartmann,<br />

Springer, 2005, ISBN 3-540-23819-0, 152<br />

Seiten, 19,95 Euro<br />

Gehirn. Eine einfache Programmieraufgabe: Der Marienkäfer soll um den Bereich herumlaufen, der<br />

durch die Baumstümpfe markiert ist. Dabei soll er die Kleeblätter einsammeln. Mit dem<br />

kostenlosen Kara-System lässt sich die Aufgabe mit wenigen Mausklicken fertigstellen und so<br />

das Programmieren üben.<br />

Operation Sneaker Trust (S. 15)<br />

Oxford University Press (S. 10)<br />

Picture Alliance (S. 2, 6)<br />

Porzellanmanufaktur FÜRSTENBERG (S. 5)<br />

Porzellan-Manufaktur Meissen GmbH (S. 5)<br />

RWE Westfalen Weser Ems (S. 23)<br />

RWTH Aachen (S. 34)<br />

Steffen Faust (S. 3, 25, 28, 29, 30)<br />

<strong>TÜV</strong> NORD Gruppe (S. 2, 3, 16, 17, 18, 19, 20,<br />

21, 22, 23, 24)<br />

Wikipedia (S. 6)<br />

www.oberstufeninformatik.de (S. 37)<br />

Züricher Unterland Medien (S. 5)<br />

Zwergensprache Vivian König (S. 12)<br />

Nachdruck, auch auszugsweise, nur mit schriftlicher<br />

Genehmigung des Herausgebers.<br />

Leserbriefe sind herzlich willkommen.<br />

Weitere Artikel zu unserem Schwerpunkt-Thema<br />

Kommunikation finden Sie im Internet unter<br />

www.tuev-nord.de/explore<br />

explore: 2/2006 - 37


Ins Netz gegangen<br />

Von Hilde-Josephine Post<br />

Jeder Deutsche konsu-<br />

miert täglich fast zehn<br />

Stunden Medien: Und es<br />

werden immer mehr. Da-<br />

bei steigt das Internet in<br />

der Gunst, doch der heiß<br />

geliebten „Glotze“ kann<br />

es noch immer nicht den<br />

Rang ablaufen. Fachleute<br />

sagen voraus: Künftig<br />

werden Medien stärker<br />

fusionieren.<br />

38 - explore 2/2006<br />

„Wenn ich mir früher eine Zeitschrift<br />

gekauft habe, hat mich die Hälfte<br />

davon doch nicht interessiert,... und<br />

heute gehe ich ins Internet“, äußerten<br />

sich Onliner bei der qualitativen<br />

Erhebung der ARD/ZDF-Onlinestudie<br />

2005. Interessiert sich etwa ein<br />

Manager für aktuelle Wirtschaftsdaten,<br />

so hat er im Web die<br />

Möglichkeit, das Nachrichtenangebot<br />

nach seinen Anforderungen zusammenzustellen<br />

und gezielt abzurufen,<br />

und das oft auch noch kostenlos.<br />

Informationsverhalten im Wandel<br />

Aufgrund dieser Vorteile sei laut<br />

ARD/ZDF-Studie auch ein Wandel im<br />

Informationsverhalten über alle Onlinegruppen<br />

hinweg zu beobachten,<br />

was partiell zu Lasten der Printmedien<br />

gehe. Dennoch kommt die Studie zu<br />

dem Schluss: „Das Internet wird in<br />

den Medienalltag integriert, ohne<br />

dass andere Medien verdrängt wer-<br />

ZUKUNFT Ins Netz gegangen<br />

den.“ Ob ein Verdrängungswettbewerb<br />

klassischer Medien tatsächlich<br />

stattfindet, darüber sind die Fachleute<br />

sich jedoch noch nicht ganz einig.<br />

Jesko Kaltenbaek, Medienpsychologe<br />

am Center for Media Research (CMR)<br />

der Freien Universität Berlin schätzt:<br />

„Alles hängt von der Frage ab, was in<br />

welcher Qualität im Internet zur<br />

Verfügung steht und welchen Aufwand<br />

es bedeutet, an Informationen heranzukommen.“<br />

Besonders Jugendliche<br />

hätten immer weniger Interesse an<br />

klassischen Medien wie Radio oder<br />

Zeitung so Kaltenbaek weiter.<br />

Netzzeiten steigen<br />

Laut ARD/ZDF-Studie nehme die Zeit,<br />

die der Datenreisende im Netz unterwegs<br />

sei, grundsätzlich zu – im Jahr<br />

2004 seien es hochgerechnet auf<br />

jeden Erwachsenen im Durchschnitt<br />

43 Minuten pro Tag gewesen.<br />

Mittlerweile verbringe er 46 Minuten in


Ins Netz gegangen ZUKUNFT<br />

den Weiten des Webs. Spitzenreiter im<br />

Ranking unter den Medien bliebe aber<br />

nach wie vor das Fernsehen. Fast vier<br />

Stunden sehe der deutsche Bundesbürger<br />

täglich fern, und Radiosendungen<br />

höre er gut drei Stunden.<br />

Warum das Fernsehen immer noch<br />

des Deutschen liebstes Kind ist, liege<br />

wohl an der einfachen Zugänglichkeit:<br />

per Knopfdruck auf die Fernbedienung,<br />

begründet Kaltenbaek. Auch<br />

die Ton- und Bildqualität spielten seiner<br />

Meinung nach ebenso eine Rolle<br />

wie das lizenzfreie Angebot von<br />

Fußballsendungen oder frei abrufbaren<br />

Filmen, die es im Internet nur bedingt<br />

gebe.<br />

Bisher schätzten die Deutschen, so<br />

die Langzeitstudie „Time Budget<br />

2003“ vom Markt- und Meinungsforschungsinstitut<br />

forsa, Fernsehen<br />

besonders wegen der guten Dokumentationen,<br />

Nachrichten, der Unterhaltungs-<br />

und Sportsendungen. Das<br />

Radio führe bei Verkehrsmeldungen<br />

und Musik. Doch gerade was Musik<br />

angehe, bekomme es immer mehr<br />

Konkurrenz durch Fernsehen und<br />

Internet.<br />

Internet als Wissens-<br />

und Ratgeberplattform<br />

Internet stehe für Aktualität und Zeitsouveränität.<br />

Es werde vorwiegend als<br />

Wissensplattform sowie Service- und<br />

Ratgebermedium eingesetzt, sagt die<br />

ARD/ZDF-Onlinestudie. Das spiegele<br />

sich auch in den genutzten Inhalten<br />

wider. So nannten die Befragten hier<br />

aktuelle Informationen über das Geschehen<br />

in Deutschland und im Ausland<br />

an erster Stelle. 44 Prozent informierten<br />

sich nach dieser Studie im<br />

Web über Wissenschaft, Forschung<br />

und Bildung – sowie über Freizeitthemen<br />

und Veranstaltungstipps,<br />

wobei diese überwiegend jüngere<br />

Menschen abriefen.<br />

Aber wo finden da noch Tageszeitungen<br />

und Zeitschriften ihre Nischen?<br />

Die Kernkompetenzen der Tageszeitungen<br />

lägen, den Ergebnissen von<br />

„Time Budget 2003“ zufolge, bei Wirtschaftsinformation<br />

und lokalen sowie<br />

regionalen Nachrichten. Zu Zeitschriften<br />

griffen die Leser am ehesten<br />

wegen Gesundheitstipps, Erotik- und<br />

Reiseinformationen. Doch auch hier<br />

lief vor allem das Internet den<br />

Printmedien in den vergangenen<br />

Jahren den Rang ab. „Wenn man an<br />

Flatrate, WLAN sowie die Möglichkeiten<br />

der neuen Fernsehgeräte denkt,<br />

die in hervorragender Qualität Inter-<br />

US-Teenager „bloggen“ gern<br />

In den USA gelten sie als Massenphänomen,<br />

die Weblogs oder kurz Blogs genannt. Seit<br />

Anfang 2004 erleben Online-Tagebücher<br />

einen wahren Boom. Das US-Unternehmen<br />

Perseus Development Corp. schätzte die Zahl<br />

der Weblogs, bezogen auf die führenden<br />

Blog-Service-Anbieter der USA, Ende 2005<br />

auf über 50 Millionen. Am meisten würden<br />

Teenager zwischen 13 und 19 Jahren auf<br />

Blogs abfahren. Sie machten etwa 60 Prozent<br />

aus, gefolgt von den 20- bis 29-Jährigen mit<br />

36 Prozent, so Perseus. Fast 70 Prozent<br />

davon sind Frauen. „Blogs erinnern an<br />

Poesiealben und Freundschaftsbücher aus<br />

der Schulzeit. Hier ging es darum, ein Teil einer<br />

dokumentierten Gruppe zu sein. Junge<br />

Menschen benötigen soziale Anerkennung.<br />

Sie wollen beachtet werden, denn sie haben<br />

das Gefühl, in der Masse unterzugehen“,<br />

erklärt Medienpsychologe Jesko Kaltenbaek<br />

vom Center for Media Research der Freien<br />

Universität Berlin.<br />

„Deutschland steckt allerdings in puncto<br />

Weblogs noch in den Kinderschuhen“, ergab<br />

eine von Proximity Germany 2005 in Auftrag<br />

gegebene Studie. Demnach wisse immerhin<br />

jeder vierte deutsche Internet-Nutzer, was<br />

unter einem Blog zu verstehen sei:<br />

Regelmäßig aktualisierte Websites mit informativen<br />

und persönlich geprägten Beiträgen<br />

zu bestimmten Themen. Nur eingefleischte<br />

Weblog-Fans nutzten laut Proximity-Studie<br />

bisher diesen Kanal zur Informationsbeschaffung<br />

und Meinungsbildung. Ein<br />

Großteil lese deshalb Blogs, weil sie dort<br />

Informationen bekämen, die sonst nirgends zu<br />

finden seien, und außerdem sei das Interesse<br />

an der Meinung des Autors sehr stark. In<br />

Deutschland scheint der Markt noch geprägt<br />

von privaten und journalistischen Weblogs.<br />

Die Wochenzeitung Die Zeit hatte frühzeitig<br />

einen Marktplatz für Weblogs eingerichtet.<br />

Mittlerweile haben sich schon Wettbewerbe<br />

im Web etabliert: Wer hat den besten Blog?<br />

Marketing- und Werbefirmen denken darüber<br />

nach, wie sie Blog-Inhalte auswerten können,<br />

um sie für Werbezwecke und Userprofile auszuschlachten.<br />

Auch gibt es immer mehr<br />

Firmen, die Software entwickeln zur Überwachung<br />

von Webinhalten.<br />

netseiten anzeigen, lässt sich prognostizieren“,<br />

so Professor Ludwig J.<br />

Issing, Leiter des CMR, „dass das<br />

Internet-Fernsehen Musik-CDs, Radio<br />

und Zeitung zwar nicht vollständig,<br />

doch in zunehmendem Maß verdrängen<br />

wird. Das Internet als<br />

Multimedium besitzt das Potenzial, die<br />

genannten Medien alle zu integrieren.<br />

Ich bin davon überzeugt, dass Medien<br />

immer stärker fusionieren werden.“<br />

explore: INFOBOX<br />

LINKS:<br />

Hier wird gebloggt!<br />

www.zeit.de/blogs, www.blogbar.de<br />

www.bildblog.de, http://blog.handelsblatt.de,<br />

www.blog-city.com, www.blogger.com<br />

www.diaryland.com, www.livejournal.com,<br />

www.perseus.com/blogservey<br />

Zurück in die Steinzeit<br />

Zurzeit verbringe ein Erwachsener laut<br />

ARD/ZDF-Onlinestudie 2005 täglich fast<br />

zehn Stunden mit Medienkonsum. Das<br />

macht bei sieben Stunden Schlaf pro Tag gut<br />

die Hälfte seines restlichen Tageszeit-<br />

Budgets aus. Wird der Mensch künftig, statt<br />

aktiv zu erleben, nur noch virtuell Erfahrungen<br />

sammeln? Eine Befragung des<br />

Fraunhofer Instituts für Systemtechnik und<br />

Innovationsforschung über die Entwicklung<br />

der Mediennutzung in der Zukunft gibt zu<br />

denken: Der Mensch werde lernen, immer<br />

zielgerichteter mit Medien umzugehen.<br />

Problematisch könne allerdings sein, dass<br />

nicht nur seine Konzentrations- und Ausdrucksfähigkeit<br />

abnehmen. Zudem könnten<br />

Defizite in seiner Schreib- und Lesefähigkeit<br />

ebenso wie in seiner sozialen Kompetenz<br />

auftreten. Außerdem werde der Mensch<br />

weniger Aktivitäten außer Haus ausführen.<br />

Onliner-Invasion<br />

Immerhin seien fast 60 Prozent der deutschen<br />

Bevölkerung ab 14 Jahren inzwischen<br />

online, sagt die ARD/ZDF-Onlinestudie 2005.<br />

1,8 Millionen neue Nutzer kamen innerhalb<br />

eines Jahres hinzu. Und eine Sättigung des<br />

Marktes sei nicht abzusehen, da zunehmend<br />

Menschen, die zuvor wenig mit Internet am<br />

Hut hatten, wie etwa ältere oder nichtberufstätige<br />

Personen, vermehrt Interesse<br />

fänden. Bis zum Jahr 2010, prognostiziert<br />

die ARD/ZDF-Studie weiter, steige die Zahl<br />

der Onliner auf etwa 75 Prozent an.<br />

explore 2/2006 - 39


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