Frederick im Herzen von Maryland ist Teil dieser Geschichte. Es ist nicht einmal lange her, dass sich hier die Truppen des Norden und des Südens im Krieg zwischen den Staaten bekämpft haben. Kämpften sie für die Freiheit von Sklaven oder für wirtschaftliche Rechte und Vorteile? Diese Frage spaltet bis heute Süd von Nord. Die Sklavenquartiere von Frederick, in einem Staat, der dem Norden angehörte, sprechen ihre eigene Sprache. Heute jedoch ist diese Stadt durchpulst vom Schlag der Kunst. Überall ertönt Musik und der aufmerksame 6 Beobachter wird unglaublich realistische Gemälde an den Hauswänden erspähen. Frederick bezaubert. Doch wahrhaft bezaubernd an den USA sind die Menschen. Sie sind offen und warmherzig. Mancher findet das oberflächlich. Tatsächlich ist es eine Art Naivität, die sehr sympathisch ist. Der Schmelztiegel der Nationen mag nicht wirklich alle Unterschiede zu verwischen. Doch erschafft er ein Bewusstsein für die Verbindung zwischen dem eigenen Schicksal und der Nation. Der Amerikaner hat das Gefühl, Teil eines Ganzen zu sein und somit zu zählen. Ein Gefühl, das uns leider allzu oft fehlt. K. Die Rollenspielszene in den USA Eine Szene in der Krise Es ist kein Geheimnis, dass die Rollenspielszene in Deutschland kränkelt. Viel zu viele innovative Ideen ersticken unter der erdrückenden Last der Wettbewerbsfähigkeit. Viele kleine Projekte und sogar ganze Verlage kapitulieren vor den immer stärkeren Bedürfnissen des Marktes. Amazon vernichtet mit einer unverschämt attraktiven Preispolitik die kleinen Rollenspielläden, wo traditionell Innovation ihren Wohnsitz hat. Und immer mehr ziehen Computerrollenspiele den potentiellen Spielernachwuchs ab. Da lohnt sich ein Blick über den großen Teich. Das <strong>Zunftblatt</strong> hat Rollenspielläden an der Ostküste besucht, um sich ein Bild von der Situation in den Staaten zu machen. Immerhin war dort die Wiege der Rollenspielszene. Zuerst besuchten wir Dream Wizards in Rockville, einer kleinen Vorstadt von Washington DC. Das Ladenlokal liegt außerhalb der Ortschaft, in einer der vielen kleinen Malls, die das Geschäftsleben in den Staaten prägen. Nebenan ein Möbelhaus, auf der anderen Seite eine Spedition. Niemand würde hier einen Rollenspielshop erwarten. Und doch ist Dream Wizards einer der größten Läden der Ostküste, vielleicht nur überboten von einigen Comic- und RPG-Läden in New York City. Voller Erwartung treten wir durch die Tür…und fühlen uns gleich wie zuhause. Zugegeben, das Geschäft wirkt aufgeräumter als der durchschnittliche deutsche Shop. Aber auch hier treffen wir auf einen bärtigen Clerk in schwarzem T-Shirt und schwarzer Jeans mit einem leichten Bauchansatz. Eines der Standardmodelle der Szene. Er ist sehr gesprächsbereit und bestätigt uns, was unsere Augen bereits wahrgenommen hatten. Die Rollenspielszene in den Staaten ist krank. Sie leidet an einem Schwund von Ideen und kreativem Potential. Vorbei sind die Zeiten, wo man selbst zu Barbie oder Sailor Moon ein entsprechendes RPG erwarten durfte. Nun dominieren die Klassiker den Markt: D&D, World of Darkness und ein paar versprengte Systeme dazwischen. D&D und WoD führt dann allerdings auch jeder größere Buchladen im Standardsortiment. Harte Zeiten für spezialisierte Rollenspielhändler. Da hilft nach Ansicht von Dream Wizards nur eines: selbst mit kreativen Verkaufsideen aufwarten. Daher ist es mittlerweile in den US-Läden Standard, dass sie im hinteren Teil etliche Tische für Großevents bereit halten. Welche Art von Events, wollen wir wissen. Die Antwort ist ernüchternde: in erster Linie Tradingcard- Turniere und Miniaturenspiele. Denn die laufen einfach besser als das klassische RPG und können an eine größere Zielgruppe abgesetzt werden. Natürlich sehnt man sich bei Dream Wizards die goldene Zeit des RPGs zurück. Und daher ist man erfreut über den Pioniersgeist und Mut einiger weniger Verbliebener, die immer noch mit Independent-Systemen auf den Markt drängen. Und auch dem <strong>Zunftblatt</strong> wünscht man viel Erfolg und sagt, dass eine Zeitung wie die unsere wieder Leben in die Szene bringen könnte. Wir schlucken erst einmal. Eine schwere Verantwortung. Weiter geht es nach Holmes, Pennsylvania, wenige Kilometer von Philadelphia entfernt. Hier erwartet uns Alternate Universes, ein weiterer Shop, der ein etwas anderes Konzept fährt. Wir finden uns hier pünktlich zu einem der allwöchentlichen Magic-Turniere ein. Denn Alternate Universes hat die Rollenspiele nicht länger zu seinem Schwerpunkt gemacht. Lediglich eine kümmerliche Ecke mit Restexemplaren und – wie nicht anders zu erwarten – ein großer Ständer mit D&D-Material in der neuen Edition erwarten den Spieler. Alternate Universes hat quasi komplett auf Tradingcards und Miniaturen umgestellt. Hier liegt nach Angaben des Inhabers die Zukunft. Denn Tradingcards sind einfach eine amerikanische Tradition, die in den Baseballkarten wurzelt. Und Traditionen sterben in den USA sehr langsam. So hat man sich hier voll auf die neue, alte Szene der Kartenkids eingeschossen. Der Laden ist offizielles Territorium des Kranich-Clans aus L5R und bietet mehrmals die Woche Turniere für alle möglichen Systeme. Sehr stolz ist man hier auf die Vielfalt der Systeme und den Variationsreichtum der Karten. Man zeigt uns Spezialkarten aller Art, Karten aus Japan und Russland. Und tatsächlich wird das Turnier sehr voll. Die Rollenspielszene? Die sei an ihrem Untergang selber Schuld. Es liege an der Beratung in den Läden, die oft einfach unqualifiziert sei, dem sehr limitierten Angebot und schließlich an der Tatsache, dass in den meisten Shops keine Proberunden angeboten würden und in der Szene generell Neueinsteiger von oben herab betrachtet würden. Ich stimme zu. Nachwuchsförderung war im Rollenspielsektor immer ein hartes Brot. Zu groß ist die Arroganz vieler Spielleiter selbst auf Cons, die nur mit „erfahrenen Spielern“ spielen möchten. Dabei sind es oft gerade die Newbies, die frischen Wind und neue Ideen mit sich bringen. Wir haben aus unserem Besuch in den Staaten mehrere Lehren ziehen können. Die Rollenspielszene, wie wir sie kennen und lieben, kann nur bestehen, wenn sie von ihrem hohen Ross herabsteigt. Sie kann nur bestehen, wenn sie Innovation zulässt und fördert. Sie kann nur bestehen, wenn noch immer einige den Mut haben, das zu wagen, was die Vernunft eigentlich verbietet. Ja, sie wird nur überleben, wenn sie sich zugänglich, frisch und geistreich zeigt und gewillt ist, ihre eigenen Strukturen in Frage zu stellen. Sie braucht Öffentlichkeit und Sprachorgane. Wir haben begriffen. Wir werden helfen. Kermit. 7