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zur E-Mail-Story - Michelsenschule

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8. Januar<br />

Von: Paul<br />

An: Vincent<br />

Betreff:<br />

Nochmals: Ich kann diese Leute nicht leiden, die sich nur um ihren persönlichen<br />

Aufstieg kümmern und so keinen Sinn mehr für die wirklich wichtigen Sachen haben.<br />

Letzte Woche, beim Schlittenrennen im Harz, gab´s wieder eine Prügelei, weil sich<br />

einige nur profilieren wollten und den Spaß an der Sache komplett verdrängten. Als<br />

ob es so wichtig sei, Erster mit einem Schlitten (!) oder mit einem Tennisschläger (!)<br />

zu werden!<br />

Es gibt überall Leute, die aus dem Hintergrund die Fäden ziehen, gerade auch an<br />

der Uni, wo viele hohe Posten in Wahrheit von den Sekretärinnen ausgeübt werden.<br />

Man muss es nur schaffen, die Bequemlichkeit anderer auszunutzen und auf seine<br />

Ziele zu lenken.<br />

20. Januar<br />

Von: Paul<br />

An: Lotta<br />

Betreff: Marionettentheater<br />

Ich musste dir einfach schreiben!<br />

Ich sitze hier gerade in einer Baude im Harz, in die ich mich während einer Ski-<br />

Wanderung auf Heines Spuren wegen des schlimmen Wetters flüchten musste.<br />

Solange ich in Göttingen voll im Trubel des Neuen steckte, musste ich weniger an<br />

dich denken, ich habe nicht einmal den Wunsch gehabt, mich bei dir zu melden. Aber<br />

jetzt, wo ich hier eingeschlossen bin und nichts machen kann, weil es draußen<br />

unglaublich windig ist und wie verrückt schneit, bist DU mein erster Gedanke. Und,<br />

Lotta, es ist das erste Mal seit Langem, dass ich mich richtig gut fühle.<br />

Wenn du mich so sehen würdest, so durch den Wind… Ich fühle nichts, ich bin<br />

ausgetrocknet, ich weine nicht einmal! NICHTS! Es ist, als wäre ich eine Puppe. Ich<br />

sehe wie die Leute um mich her sich bewegen und frage mich manchmal, ob nicht<br />

alles eine optische Täuschung ist. Aber ich gehöre ja dazu, ich bin auch eine<br />

Marionette, die bewegt wird. Und manchmal komme ich in Kontakt mit den anderen,<br />

merke, dass sie aus Holz sind und weiche <strong>zur</strong>ück.<br />

Nur eine interessante Frau habe ich hier gefunden, Luise Braun. Sie ähnelt Dir ein<br />

bisschen, falls es überhaupt möglich ist, so wie DU zu sein. Du denkst bestimmt,<br />

dass ich mich einschmeicheln will, und damit hast du auch nicht ganz unrecht. Ich<br />

flirte recht viel in letzter Zeit, anderes kann ich ja auch nicht, mache viele Witze und<br />

die Frauen sagen, dass keiner bessere Komplimente macht als ich. Allerdings sagen<br />

sie auch, dass keiner besser lügen kann, loben und lügen liegt schließlich nah<br />

beieinander, das weißt du ja selbst.<br />

Naja, ich wollte Dir von Luise erzählen. Sie hat Charakter und sehr hübsche blaue<br />

Augen, in denen steht, dass sie es gar nicht mag, immer nur als des Professors<br />

Tochter abgestempelt zu werden. Wir unterhalten uns recht oft über ihren Vater, der<br />

ein hohes Tier hier an der Uni ist, und reden darüber, wie es wäre, wenn sie nicht zu<br />

den Reichen und Schönen der High Society Göttingens gehören würde. Ich muss oft<br />

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