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FB/FO269/RUBRIK<br />
FB/FO269/SZENE<br />
FB/FO<strong>274</strong>/MAGAZIN<br />
ALLES IM STROM<br />
KURZ-INTERVIEW MIT MARCUS KIRZYNOWSKI, VERLEGER UND CHEFREDAKTEUR<br />
VON »TORRENT«<br />
FO: Du bist freier Journalist und jetzt auch<br />
Verleger eines Printmagazins für »serielles<br />
Erzählen«. Darin geht es um komplex erzählte<br />
Fernsehserien wie MAD MEN und<br />
THE WEST WING. Wie bist du auf die Idee<br />
gekommen?<br />
MK: Die Idee hatte ich vor etwa einem<br />
Jahr, weil ich ganz gerne Zeitschriften zu<br />
den kulturellen Medien lese, die mich interessieren<br />
(Film, Comic, Musik etc.), aber mir<br />
auffiel, dass es zu insbesondere komplex<br />
erzählten TV-Serien keine hintergründigen<br />
Zeitschriften gibt. Da man ja im Internet auf<br />
viele Serienfans stößt, die sich auch gerne<br />
über ihre Lieblingsserien informieren, fragte<br />
ich mich, warum zu dem Thema noch niemand<br />
ein Printmagazin macht. Und da ich<br />
eh nach einer zündenden journalistischen<br />
Geschäftsidee suchte, dachte ich, ich<br />
versuch’s halt mal selbst. Ich habe dann<br />
erst mal eine Nullnummer gemacht und als<br />
PDF ins Internet gestellt. Danach haben<br />
uns die Anzeigenkunden zwar nicht gerade<br />
die Tür eingerannt, aber ich fand die Idee<br />
einfach zu gut, um es nicht doch mit einer<br />
Printausgabe zu probieren.<br />
FO: Was bedeutet der Titel »torrent«?<br />
MK: »torrent« ist ja einfach das englische<br />
Wort für reißender Strom, Sturzbach, Sturzflut,<br />
Wildbach. Das passt meiner Meinung<br />
nach zum Thema Serien ganz schön. Da ist<br />
ja auch alles im Strom: Serienfolgen als<br />
Datenströme im Internet, aber auch die Art,<br />
wie wir Serien sehen und in Zukunft sehen<br />
werden (also der ganze Medienwandel weg<br />
vom linearen Fernsehen), ebenso wie die<br />
Geschichten, die in Serien erzählt werden.<br />
Meistens steht ihr Ende noch nicht fest,<br />
auch nicht die Entwicklung dorthin.<br />
FO: Das Wort »torrent« wird heute im Zusammenhang<br />
mit dem Internet hauptsächlich<br />
mit einer speziellen Bedeutung<br />
assoziiert.<br />
MK: Ja, zumindest in Deutschland. Auf<br />
Mallorca ist das wohl eine gängige Bezeichnung<br />
für die dortigen Wildbäche. Aber<br />
im Ernst: Der Titel steht natürlich auch dafür,<br />
dass immer weniger, gerade junge, Serienfans<br />
bereit sind, Jahre zu warten, bis interessante<br />
Serien im deutschen Free-TV<br />
ausgestrahlt werden, und dann womöglich<br />
noch zu schlechten Sendezeiten. Das ist<br />
heute, wo viele ohnehin den ganzen Tag im<br />
Internet sind, einfach nicht mehr zeitgemäß.<br />
Das Problem illegales Filesharing hat<br />
sich, glaube ich, in dem Moment weitgehend<br />
erledigt, in dem die Studios es endlich<br />
schaffen, eine legale Möglichkeit anzubieten,<br />
sich aktuelle Serienfolgen genauso<br />
schnell und zu einem vernünftigen Preis he-<br />
FANDOM OBSERVER <strong>274</strong> · 04/2012<br />
runterzuladen. In den USA geht das ja zum<br />
Beispiel mit Netflix. Solange so etwas in<br />
Deutschland fehlt, suchen sich viele Leute<br />
eben andere Wege, an die neuesten Folgen<br />
ihrer Lieblingsserien zu kommen. Was ja<br />
nicht heißt, dass sie sich nicht später trotzdem<br />
noch die DVD-Box kaufen, wenn sie<br />
Fans einer Serie sind. Persönlich bin ich ein<br />
Befürworter der Kulturflatrate, das wäre<br />
wahrscheinlich der einfachste Weg.<br />
FO: Internet und DVD ermöglichen uns anders<br />
als früher auch, Top-Serien nicht nur<br />
schneller, sondern auch im Original zu sehen.<br />
Ich würde zum Beispiel DOCTOR<br />
WHO oder SHERLOCK niemals in der<br />
deutschen Fassung sehen wollen (obwohl<br />
die sehr erfolgreich sein soll). Wie beurteilst<br />
du die Bedeutung deutscher Versionen?<br />
Wird es sie in Zukunft noch geben, oder<br />
werden sie immer unwichtiger?<br />
MK: Geben wird es sie sicher noch Jahrzehnte,<br />
weil die meisten Leute halt einfach<br />
durchs deutsche Fernsehen Synchronisationen<br />
gewöhnt sind (anders als zum Beispiel<br />
bei unseren niederländischen Nachbarn).<br />
Viele Ältere sprechen auch einfach<br />
nicht so gut Englisch und haben dann auch<br />
keine Lust, abends nach der Arbeit noch<br />
Untertitel zu lesen. Für die jüngeren Serienfans,<br />
insbesondere diejenigen mit guter<br />
Bildung, werden Synchros hingegen zunehmend<br />
unwichtiger. Obwohl ich die meisten<br />
deutschen Bearbeitungen qualitativ recht<br />
gelungen finde, geht dadurch natürlich immer<br />
etwas verloren. Bestimmte Serien, die<br />
auch von ihrem Slang leben, kann ich mir<br />
nur schwer auf Deutsch vorstellen, etwa<br />
das britische MISFITS oder auch THE<br />
WIRE.<br />
FO: Toll finde ich die »torrent«-Rubrik »Das<br />
unentdeckte Meisterwerk«. Da werden vergessene,<br />
aber herausragende Einzelepisoden<br />
vorgestellt, bis jetzt aus den Serien<br />
DER ALTE und DER FAHNDER. Wie stark<br />
wird sich »torrent« mit dem deutschen<br />
Fernsehen befassen?<br />
MK: Das kommt natürlich immer darauf an,<br />
ob gerade interessante deutsche Produktionen<br />
geplant sind. Zurzeit bereiten wir ein<br />
Interview mit Dominik Graf vor, auch Serien<br />
wie WEISSENSEE wären sicher ein Thema<br />
für uns. Was die Klassiker angeht, muss<br />
man da schon etwas in der TV-Geschichte<br />
graben, um da zwischen all dem langweiligen<br />
Mainstream die Perlen zu finden. Aber<br />
etwa bei Grafs FAHNDER-Folgen ist das<br />
sehr lohnend.<br />
FO: Uns interessiert natürlich: Welche Rolle<br />
werden Genre-Serien spielen?<br />
MK: Sicher eine relativ große. Wir wollen<br />
uns ja bewusst nicht auf bestimmte Genres<br />
beschränken, wie das andere Zeitschriften<br />
gemacht haben. Das heißt umgekehrt natürlich<br />
auch, dass wir keine Scheuklappen<br />
haben, über SF- oder Fantasyserien zu<br />
schreiben. Zu meinen persönlichen All-<br />
Time-Favourites gehören mit BSG und<br />
DS9 immerhin zwei SF-Serien.<br />
FO: Ein Printmagazin muss sich am Markt<br />
behaupten und ist natürlich immer ein<br />
Wagnis. Mir gefällt, dass die Leser da Entdeckungen<br />
machen können und ihr Texte<br />
mit Tiefgang schreibt, die nicht nur das<br />
Zeug abfeiern, das gerade in Mode ist.<br />
Wünsche dem Projekt viel Erfolg!<br />
DAS INTERVIEW FÜHRTE<br />
OLAF BRILL<br />
MARCUS KIRZYNOWSKI<br />
AUS DÜSSELDORF IST 37, HAT<br />
JOURNALISMUS STUDIERT UND<br />
DIE LETZTEN JAHRE VERSUCHT,<br />
SICH ALS FREIER JOURNALIST<br />
DURCHZUSCHLAGEN. DANEBEN<br />
BLOGGT ER SCHON SEIT LÄNGEREM<br />
VOR SICH HIN UND HAT AUCH EIN<br />
ONLINE-STADTMAGAZIN GESTARTET.<br />
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