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274 - Fandom Observer

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FB/FO269/RUBRIK<br />

FB/FO<strong>274</strong>/FILMKRITIK<br />

»JOHN CARTER – ZWISCHEN ZWEI WELTEN«<br />

GROSSER QUATSCH – UND<br />

GROSSARTIGE UNTERHALTUNG<br />

FANTASY IST IM GRUNDE IHRES HER-<br />

ZENS ALBERN. SIE IST EINE AMALGIE-<br />

RUNG ALTER MYTHEN UND MÄRCHEN<br />

AUS DEN KINDESTAGEN DER MENSCH-<br />

HEIT, UND DEMENTSPRECHEND VIEL<br />

TOLERANZ MUSS EIN REZIPIENT HA-<br />

BEN, UM DIE GROSSE KLUFT ZWISCHEN<br />

REALITÄT UND DARGESTELLTER ER-<br />

ZÄHLWELT ZU ÜBERBRÜCKEN.<br />

(Eine private Note: meine Frau, studierte<br />

Germanistin, weigert sich seit Jahren standhaft,<br />

irgendeinen Film mit a) Raumschiffen<br />

b) Elfen, Zwergen oder c) Schwertern mit<br />

mir zu sehen.) Gleichzeitig haben Fantasy-<br />

Geschichten ihres Ursprungs wegen einen<br />

sehr direkten Zugang zum emotionalen Unterbau<br />

unserer Psyche: der Glaube an<br />

Monster, Magie und dem einfachen Gut/Böse-Schema<br />

des Märchens ist tief in jedem<br />

von uns verwurzelt. Das gibt den Geschichten<br />

Kraft, uns zu berühren und zu bewegen,<br />

wie jeder <strong>Fandom</strong>ler aus eigener Erfahrung<br />

weiß.<br />

So stehen wir oft genug vor dem Dilemma,<br />

unsere Begeisterung für eine bestimmte<br />

Geschichte, einen Film oder ein Thema vor<br />

anderen begründen zu müssen. Oft genug<br />

John Carter (Taylor Kitsch) bei den Tharks<br />

FANDOM OBSERVER <strong>274</strong> · 04/2012<br />

stehen wir dabei auf verlorenem Posten:<br />

»Conan der Barbar« ist immens unterhaltsam,<br />

aber jeder halbwegs gebildete Mensch<br />

erkennt auch, dass Film, Geschichte und<br />

Hauptdarsteller großer Quatsch sind. Ähnlich<br />

verhält es sich mit »Highlander«: Pathos<br />

pur, aber nur wenn man Teile seines Hirns<br />

vorübergehend ausschalten kann, wird man<br />

in die Geschichte eindringen können und<br />

das Werk genießen (wobei der brillante<br />

Soundtrack von Queen sicher hilft). Manche<br />

Filme spielen mit dieser willentlichen Überwindung<br />

des gesunden Menschenverstandes:<br />

»Starship Troopers« funktioniert nur,<br />

wenn man es mit einem zwinkernden Auge<br />

betrachtet. Sie bilden den Übergang zu einem<br />

eigenen Genre, dem Kult/Trash/B-Movie-Gebiet.<br />

Es ist aber ungemein schwer, eine Fantasy-Geschichte<br />

zu erzählen, die weder zu<br />

weit in Richtung Trash abdriftet, noch sich<br />

selbst zu ernst nimmt. Gescheiterte Beispiele<br />

gibt es genug; Filme, die bei großem Aufwand<br />

und visuellen Effekten einfach nur<br />

steif und langweilig wirken (siehe Star Wars<br />

Episode 1-3) oder aber im Sumpf der Trashigkeit<br />

versinken und nicht mehr witzig sind<br />

(eine gute Illustration bietet der Webcomic<br />

Die Tharks reiten auf Thoats, achtbeinigen Kreaturen<br />

XKCD unter http://xkcd.com/653/ - oder<br />

Werke von Uwe Böll).<br />

Es zeugt von großen filmischen Geschichte<br />

und einer Portion Glück, wenn es<br />

dennoch gelingt. Der Film »John Carter«<br />

muss demnach als Kind eines Schornsteinfegers<br />

an einem Sonntag in einem Bett aus<br />

vierblättrigem Klee geboren sein.<br />

»John Carter« basiert auf den Werken Edgar<br />

Rice Burroughs, einem spätberufenem Autor<br />

aus der Zeit der Jahrhundertwende vom<br />

19. ins 20. Jahrhundert. Burroughs ist besser<br />

bekannt für sein zweites großes Opus,<br />

»Tarzan«. Er ist tief in der Kultur der Pulp-<br />

Romane verankert, die aus dem viktorianischen<br />

Weltbild schöpfen. Bei Tarzan zeigt<br />

sich das im verklärten Bild des Kolonialismus,<br />

bei den Barsoom-Geschichten (deren<br />

Held John Carter ist) treten Grünhäutige Aliens<br />

an die Stelle Dunkelhäutiger Menschen,<br />

sechsbeinige Monstren nehmen den Platz<br />

der Elefanten ein, und der Transit zwischen<br />

den Welten geschieht nicht auf dem Dampfschiff,<br />

sondern mittels einer nicht näher definierten,<br />

magieähnlichen Technologie. Burroughs<br />

war kein großer Fan technischer Fik-<br />

17<br />

FOTOS: ©2011 DISNEY. JOHN CARTER ERB, INC.

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