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spotsZ Oktober 2010 - Servus.at

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Ein- oder Ausblicke, reflektiert durchs Okular der Kamera. Die ländliche Fährtensuche des Fotokünstlers<br />

Walter Ebenhofer wird derzeit in Wien und Budapest präsentiert. Teil 2 einer Serie von<br />

Karin M. Hofer, die sich oberösterreichischen KünstlerInnen in Wien und anderswo widmet.<br />

EIN MANN MIT CAMERA<br />

Text Karin M. Hofer Bild Walter Ebenhofer<br />

Draußen wird es langsam dunkel, die Dämmerung<br />

färbt sich ultramarinblau. Drinnen helles Licht in<br />

den Ausstellungsräumen der Wiener Gumpendorferstraße.<br />

Die Vernissage, bereits in vollem Gange,<br />

nähert sich dem informellen Teil des Abends.<br />

Stimmengewirr, Weingläser, Menschengruppen<br />

stehen beieinander, unterhalten sich, diskutieren.<br />

An weißen Wänden gerahmte Fotoarbeiten. Walter<br />

Ebenhofer steht gestikulierend vor den Bildpaaren<br />

seiner Serie „Ansitze und Ausblicke“.<br />

Zu sehen: jeweils eine Landschaft in schwarz-weiß,<br />

beziehungsweise ein fragmentierter (Durch)Blick<br />

ins Grüne – farbig. Einander gegenübergestellt.<br />

Ebenhofer schildert das Konzept dahinter: „Was<br />

die Serie zusammenhält sind dokumentarisch fotografierte<br />

‚Hochstände‘, wie sie am Land überall<br />

zu finden sind. Eine Art von Anonym-Architektur,<br />

die unprätentiös irgendwo steht. Gebaut von Jägern<br />

zum Beobachten des Wildes. Erstaunlich, wie<br />

variantenreich diese minimalistischen Gebilde sein<br />

können! Jedenfalls, als Spaziergänger haben mich<br />

diese Objekte einfach interessiert. In den 80er Jahren<br />

begann ich, sie fotografisch festzuhalten – als<br />

Teil eines Landschaftsbildes, das nicht unbedingt<br />

‚schön‘ im herkömmlichen Sinne sein soll. Ich zeige,<br />

was ich vorfinde, allerdings einer fotografischen<br />

Tradition entsprechend monochrom.<br />

Das Gegenstück dazu basiert auf der Idee von<br />

‚Schuss- – Gegenschuss‘: Vom erhöhten Standpunkt<br />

der Pl<strong>at</strong>tform aus zeige ich meinen vorherigen<br />

Standpunkt, also den Pl<strong>at</strong>z vom dem aus ich das<br />

erste Bild ‚geschossen‘ habe ...<br />

Was auch spürbar wird: das Verhältnis zwischen<br />

Wild und Jäger: zwischen Tarnung, Instinkt, Anpassung<br />

gegen Beobachten und Abwarten einer Gelegenheit.“<br />

Zwei gegenläufige Blicke auf einen Landschaftsausschnitt:<br />

ein fast klassisches monochromes Abbild<br />

ruralen Gebiets kontrastiert mit dem fragmentierten<br />

Ausblick aus einer Luke: „Blick durchs<br />

Fenster“, ein Topos der Kunstgeschichte – in diesem<br />

Falle aus der Enge einer Aussichtskabine heraus.<br />

„Für mich als Fotografen,“ so Ebenhofer, „ergibt<br />

sich da eine Analogie: vom verengten Durchblick<br />

nach draußen zum Blick durch das Okular der Kamera.<br />

Jedesmal ist nur ein Ausschnitt der Umgebung<br />

sichtbar.“<br />

So fungiert die kleine Aussichtskabine gleichsam<br />

als Dunkle Kammer deren obskure Luke verfremdete<br />

Eindrücke von außen durchlässt – was<br />

die Fotoabzüge durch das kleine Bildfeld aus weißer<br />

Fläche – verdeutlichen. Die raue Oberfläche<br />

der Bretterwand dient gleichsam als Passepartout.<br />

Diese Serie von Landschafts- und Ausblicksbildern<br />

ist inzwischen auf etwa 100 Paare angewachsen.<br />

Das Phänomen der Camera Obscura: die verdunkelte<br />

Kammer mit einer winzigen lichtdurchlässigen<br />

Öffnung: Einfallendes Licht veranschaulicht<br />

Ebenhofer ebenfalls bei anderen Werkgruppe. Die<br />

„Camera Obscura“ einer durchschossenen Fotopapierschachtel<br />

zeigt – von den Einschusslöchern<br />

ausgehend, faszinierende Lichtphänomene. Experimente<br />

mit Licht und Zufall – vom Projektil ausgehend<br />

verändern Photonen das empfindliche Papier.<br />

Sichtbar gewordenes Spektrum um jeden<br />

farblosen (Eintritts-)Hof vor weißem oder schwarzem<br />

Hintergrund als „Präpar<strong>at</strong>e“ gezeigt. T<strong>at</strong>sächlich<br />

entsteht der Eindruck, Aufnahmen von Mikroskop-Trägerpl<strong>at</strong>ten<br />

zu sehen. Durch den Schuss<br />

„verletztes M<strong>at</strong>erial“ (so Ebenhofer) wird von den<br />

Eintrittsöffnungen her belichtet – einige Stunden<br />

oder Tage lang. Das vor dem Entwicklungsprozess<br />

gesammelte und gespeicherte Licht (sei es direkte/indirekte<br />

Belichtung oder Durchlicht im Falle<br />

von Großbilddias als Ausgangsm<strong>at</strong>erial) in all seinen<br />

Spektralfarben und Wellenlängen, je nach Lage/belichtetes<br />

Bl<strong>at</strong>t unterschiedlich manifestiert.<br />

Desgleichen werden durch den Schussvorgang eingetretene<br />

Staubpartikel fotogramm<strong>at</strong>isch fixiert.<br />

Sichtbar wird hier die Differenz zwischen Ereignis<br />

(Eintritt des Projektils ins Trägerm<strong>at</strong>erial) und<br />

Abbild (Produkt des Belichtungs- und Entwicklungsvorgangs)<br />

– als Essenz der Photographie.<br />

Autom<strong>at</strong>ische Verfahren im bildnerischen Schaffensprozess,<br />

wie sie etwa auch Jackson Pollock<br />

oder Nicki de Saint Phalle von unterschiedlichsten<br />

Ansätzen her (Abstraktion/Rhythmik/Gesellschaftskritik)<br />

anwandten. Verletzung, ja partielle<br />

Zerstörung des M<strong>at</strong>erials, bleibt als Spur präsent.<br />

Im Falle der Doppelbilder „Ansitze und Ausblicke“<br />

ist eine autom<strong>at</strong>isierter Eingriff in die Umgebung<br />

im Bereich des Möglichen: Doch was zuletzt<br />

ausgespäht und verletzt/zerstört werden wird,<br />

Sehendes oder Gesehenes, Innen oder Außen, Interieur<br />

oder Landschaft wird noch zu klären sein<br />

... •<br />

Karin M. Hofer ist Kunsthistorikerin, Kur<strong>at</strong>orin, Künstlerin, Kulturtheoretikerin<br />

und lebt hauptsächlich in Wien.<br />

Knoll Galerie Wien: „Hochsitze“, noch bis 06. November <strong>2010</strong><br />

Knoll Galeria Budapest: „Panorama“, noch bis 13. November <strong>2010</strong><br />

22 <strong>Oktober</strong> <strong>2010</strong>

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