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G ermano - S lavistische B eitr ä ge Festschrift für Peter Rehder zum ...

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Um dem Leser den Vergleich der beiden Texte zu erleichtern, werden<br />

hier Ivanovs Änderun<strong>ge</strong>n stets kursiv <strong>ge</strong>druckt. So sieht man auf einen<br />

Blick, wie wenig von Schors Übersetzung übrig<strong>ge</strong>blieben ist. Ivanovs<br />

Rechtschreibung und Interpunktion wurden behutsam modernisiert.<br />

Wie es sich r<strong>ä</strong>cht, Dionysos Antlitz erschaut zu haben 14<br />

Im heili<strong>ge</strong>n Bezirk der Artemis Triklaria zu Patrai wurde frommen Wallfa<br />

rern eine Tempelle<strong>ge</strong>nde (legog Xöyog) erz<strong>ä</strong>hlt, die uns in kurzer Fassung<br />

bei Pausanias (III, 24; VII, 19-21) vorliegt.<br />

Als die verbündeten Fürsten des ach<strong>ä</strong>ischen Heeres nach Trojas Plünderung<br />

die ersten Beutestücke unter sich verlosten, ward von Eurypylos, de<br />

thessalischen Gewalti<strong>ge</strong>n, ein verh<strong>ä</strong>ngnisvoller Gewinnst aus<strong>ge</strong>würfelt. Von<br />

der Schwelle der brennenden königlichen Schatzkammer hatte die wütende<br />

Wahrsa<strong>ge</strong>rin, des Königs Tochter Kassandra, eine von altersher verschlossene<br />

herrliche Truhe den Sie<strong>ge</strong>rn vor die Füsse hin<strong>ge</strong>schleudert. Hephaistos'<br />

Kunstwerk war die Truhe und Zeus' Vaterse<strong>ge</strong>n, dem Stadterbauer Dard<br />

nos zu<strong>ge</strong>dacht, dem Ahnherrn der Priamiden. Nun f<strong>ä</strong>llt der heili<strong>ge</strong> Schat<br />

durchs Los dem Thessalier zu. Ver<strong>ge</strong>bens warnen ihn die Kampf<strong>ge</strong>nossen,<br />

ein Unheil witternd, vor den R<strong>ä</strong>nken der rachsüchti<strong>ge</strong>n Besessenen: eher<br />

sollt' er die Hexengabt in die Fluten des Skamanders versenken. Aber der<br />

Held glüht vor Verlan<strong>ge</strong>n, dem dunklen Geschick ent<strong>ge</strong><strong>ge</strong>nzueilen famor f<br />

heißt wohl dieses Verlan<strong>ge</strong>n in Nietzsches Sprache): er schleppt seine B<br />

mit sich fort, erbricht die Lade [mit] verwe<strong>ge</strong>ner Hand und sieht beim lodernden<br />

Lichte des Brandes ein hölzernes Bild des b<strong>ä</strong>rti<strong>ge</strong>n Dionysos, von<br />

üppi<strong>ge</strong>n Zwei<strong>ge</strong>n umrankt, in einem altertümlichen Reliquienkasten. Kaum<br />

hat er des Gottes Zü<strong>ge</strong> erblickt, so trübt sich sein Sinn: er verf<strong>ä</strong>llt einer<br />

wildschw<strong>ä</strong>rmenden Raserei.<br />

In einer Zwischenzeit klaren Bewusstseins verl<strong>ä</strong>sst nun Eurypylos mit<br />

Kriegsvolk und Flotte den Strand des ein<strong>ge</strong><strong>ä</strong>scherten Ilion; doch nicht an<br />

der Heimkehr ist es ihm zun<strong>ä</strong>chst <strong>ge</strong>le<strong>ge</strong>n, er se<strong>ge</strong>lt vielmehr nach Kirrha,<br />

dem delphischen Hafen, um bei Apollos Dreifuss die Heilung zu suchen<br />

vom dionysischen Wahnsinn. Die Pythia verspricht ihm Heil und Heimat im<br />

Lande, wo er einen fremden Opferdienst abschaffen und das mit<strong>ge</strong>brachte<br />

Gottesbild aufstellen werde. Der Wind treibt die Schiffe an die Küste Achajas;<br />

Eurypylos landet in der N<strong>ä</strong>he des Heiligtums der Triklaria und be<strong>ge</strong>gnet<br />

dort einem feierlichen Zu<strong>ge</strong>: ein Jüngling und eine Jungfrau werden<br />

j<strong>ä</strong>hrliches Opfer <strong>ge</strong>führt <strong>zum</strong> Altar der grausi<strong>ge</strong>n Göttin. So erkennt er die<br />

ihm verkündete Ruhest<strong>ä</strong>tte; und die Einwohner des Landes ihrerseits erkennen<br />

in ihm den ihnen verheissenen Erlöser: einem Orakelspruch <strong>ge</strong>m<strong>ä</strong>ß erwarten<br />

sie l<strong>ä</strong>ngst einen fremden König mit dem Bilde eines unbekannten<br />

Mitherrschers der Artemis, dessen enthusiastischer Kult die bisheri<strong>ge</strong>n<br />

Menschenopfer ablösen soll.<br />

14<br />

In einer früheren Version (in Ivanovs Hand auf Schors Manuskript): „Von Einem, der<br />

Dionysos' Antlitz erschaut hat".

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