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Mit Hitler gegen „jüdischen Schund“ - Museum für Kunst ...

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<strong>Mit</strong> Fleiß trägt der Autor außerdem ein wahres Schreckenskabinett an Kriminellen der<br />

verschiedensten Spielarten zusammen, 8 die durch „schlechte“ Bücher, Filme und Comics<br />

zu ihren Untaten angeregt worden seien: „Es gibt kaum ein Unsittlichkeitsverbrechen in<br />

unseren Tagen, wo nicht beim Täter unsittliche Schriften – nicht selten sogar ausländischer<br />

Herkunft – vorgefunden werden!“ 9 , behauptet der Autor. Den Beleg da<strong>für</strong>, dass Schund-<br />

konsum Kriminalität zur Folge hat, bleibt er schuldig, stattdessen untermauert er seine An-<br />

sicht durch suggestiv wirkende Fallbeispiele. Dieses Vorgehen ist typisch <strong>für</strong> den Schund-<br />

kampf seiner Zeit. Da stichhaltige Beweise <strong>für</strong> den postulierten Kausalzusammenhang<br />

nicht zur Verfügung standen, und weil bereits zu Beginn des 20. Jahrhunderts renommierte<br />

Kriminalwissenschaftler und Juristen daran zweifelten, dass sich Kriminalität als Resultat<br />

schlechter Lektüre verifizieren ließe, 10 warben die Schundkämpfer mit einer Mischung aus<br />

Appellen an naive Moralvorstellungen und der Befriedigung von Sensationslüsten <strong>für</strong> ihre<br />

Sache. 11<br />

Sleumers Argumentationstaktik und sein Eifer wirken angesichts heutiger Verhältnisse<br />

auf den ersten Blick lediglich altbacken und kurios, so etwa seine Entrüstung über „den be-<br />

rüchtigten Film ‚Die Sünderin‘“ 12 . Die Bemerkung zur „ausländischen Herkunft“ 13 anrü-<br />

chiger Druckerzeugnisse fällt im Gewirr seiner entrüsteten Ausrufe und Seitenhiebe beim<br />

flüchtigen Lesen nicht sofort auf. Dann aber spricht der Autor plötzlich vom „russischen<br />

Juden“ Ilja Ehrenburg, der Opfer der sowjetischen Zensur geworden sei. 14 Es bleibt an die-<br />

ser Stelle noch unklar, warum Sleumer die Religion Ehrenburgs <strong>für</strong> erwähnenswert hält –<br />

deutlich ist nur, dass er die Zensur an sich legitimieren und zugleich die sowjetische dis-<br />

kreditieren will.<br />

8 Sleumer 11 1956, S. 26-28.<br />

9 Sleumer 11 1956, S. 24-25.<br />

10 Vgl. Dietrich Maurer, „Schundkonsum als Kriminalitätsursache. Zum pädagogischen Diskurs vor<br />

1933“, in: „Prädikat wertlos. Der lange Streit um Schmutz und Schund.“ Projektgruppe Helmut Bode...,<br />

Tübingen 2001.<br />

11 Der Streit flammt seit Ende 2005 erneut auf, wobei es diesmal um die Auswirkungen gewaltgeladener<br />

Computerspiele geht. Auch in diesem Fall konnte bisher nicht schlüssig nachgewiesen werden, dass virtuelle<br />

Gewalt zu ähnlichem Verhalten in der realen Lebenswelt verleitet. Eher scheint es sogar, als würden die<br />

Spieler in den fiktiven Kampfszenarien reale Aggressionen erfolgreich abbauen. Trotzdem sind Verbote<br />

weltweit wiederum nicht unwahrscheinlich.<br />

12 Sleumer 11 1956, S. 59<br />

13 Sleumer 11 1956, S. 25.<br />

14 Sleumer 11 1956, S. 15.<br />

© Johannes Wiele 12/2010 S. 4

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