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Kriegsende am Sumpfweg in Niederdollendorf - Kreises der ...

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<strong>Kriegsende</strong> <strong>am</strong> <strong>Sumpfweg</strong> <strong>in</strong> <strong>Nie<strong>der</strong>dollendorf</strong> Se ite 9<br />

nen beiden Hosentaschen und fand noch e<strong>in</strong>en, den er mir gab. Me<strong>in</strong>e Frau, die diese Ge-<br />

schichte noch nicht kannte, fragte etwas süffisant: „Und was hast du d<strong>am</strong>it gemacht?“ E<strong>in</strong>e mögliche<br />

Antwort fiel mir erst etwas später e<strong>in</strong>. Sie hätte lauten können: „Ja, weißt du, Schatz, <strong>der</strong> ist<br />

jetzt natürlich bei den D<strong>in</strong>gen <strong>in</strong> <strong>der</strong> Ausstellung von Herrn Scheuren ,<strong>Kriegsende</strong> im Siebengebirge<br />

vor 50 Jahren“ im Siebengebirgsmuseum <strong>in</strong> Königsw<strong>in</strong>ter."<br />

Wir f<strong>in</strong>gen an, <strong>in</strong> <strong>der</strong> Villa aufzuräumen. Viele Möbel waren, um Platz zu schaffen, von den<br />

Amerikanern e<strong>in</strong>fach aus dem Fenster geworfen worden. E<strong>in</strong>e Bettkiste auf dem Dachboden war<br />

als Klo benutzt worden. Das Rezept <strong>in</strong> ähnlichen Fällen bei Kochtöpfen war: Warten, bis es rappelt.<br />

E<strong>in</strong> Raum war voller Uhren, die uns nicht gehörten, e<strong>in</strong> an<strong>der</strong>er voller Radios. Wir machten<br />

im Ort e<strong>in</strong>en entsprechen- den Aushang, mit Erfolg. Karl Friedrich besuchte mich mit <strong>der</strong> Nachricht,<br />

se<strong>in</strong>e Eltern seien krank. Außerdem war ihr Lebensmittelversteck ausgeräubert worden.<br />

Auf <strong>der</strong> Straße herrschte immer noch starker Verkehr. Auch mo<strong>der</strong>ne Panzer waren jetzt<br />

dabei. E<strong>in</strong>er blieb vor unserem Grundstück liegen und wurde mit e<strong>in</strong>em Spezialfahrzeug abgeschleppt.<br />

Kolonnen deutscher Gefangener zogen Richtung Königsw<strong>in</strong>ter vorüber. Auf dem Acker<br />

jenseits <strong>der</strong> Straße war e<strong>in</strong> Spielplatz für Baseball entstanden. Das laute „Abba, abba“-Rufen<br />

und das In-die-Hände-Klatschen ist mir noch heute im Ohr.<br />

In diesen Tagen begegnete ich me<strong>in</strong>em alten Volksschullehrer Jakob Barth. Ich war gerade<br />

bei Adolf Frembgen <strong>in</strong> <strong>der</strong> Nachbarschaft, als Barth mit dem Fahrrad vorbeik<strong>am</strong>. Barth war<br />

Nationalsozialist mit e<strong>in</strong>em tiefen Glauben an den Führer. Er selber konnte ke<strong>in</strong>er Fliege etwas<br />

zuleide tun. War Reichsparteitag, sah man ihn <strong>in</strong> <strong>der</strong> braunen Uniform, und er fuhr nach Nürnberg.<br />

Unsere e<strong>in</strong>klassige evangelische Volksschule schloss dann, und wir K<strong>in</strong><strong>der</strong> k<strong>am</strong>en zu den<br />

Schwestern <strong>in</strong> den Probsthof o<strong>der</strong> später <strong>in</strong> die katholische Volksschule. Wenn unser Lehrer<br />

zurückk<strong>am</strong>, erzählte er voll tiefer Begeisterung vom Erlebten, Stimmungslagen etwa, wie sie<br />

Leni Riefenstahl <strong>in</strong> ihren Reichsparteitagfilmen vermittelt. Jetzt wirkte er wie jemand, dem <strong>der</strong><br />

Lebenss<strong>in</strong>n genommen war. Ich habe ihn nicht mehr wie<strong>der</strong> gesehen.<br />

Am 1. Mai wurde ich vom <strong>Nie<strong>der</strong>dollendorf</strong>er Ortsvorsteher Herrn Berg mit e<strong>in</strong>em an<strong>der</strong>en<br />

jungen Mann beor<strong>der</strong>t, herumliegende Munition e<strong>in</strong>zus<strong>am</strong>meln. Wir bek<strong>am</strong>en e<strong>in</strong>en Handwagen<br />

und f<strong>in</strong>gen bei dem selts<strong>am</strong>en Drill<strong>in</strong>gsgeschütz an. Noch immer lag dort gegurtete Munition<br />

herum. Wir zogen unseren Karren weiter, das e<strong>in</strong>e o<strong>der</strong> an<strong>der</strong>e aufs<strong>am</strong>melnd. Bei Schäfers -<br />

neben Scharpenseels - rief uns e<strong>in</strong> junges Mädchen <strong>in</strong> den Garten: Wir möchten doch bitte e<strong>in</strong>mal<br />

nachsehen, dort liege e<strong>in</strong>e Tretm<strong>in</strong>e. Sie führte uns zu e<strong>in</strong>em knallblauen Gegenstand, den<br />

wir überlegen lächelnd als Eierhandgranate identifizierten. Das Mädchen war Margret Kessel.<br />

Mit <strong>der</strong> F<strong>am</strong>ilie Kessel wurden Karl Friedrich und ich später noch gut bekannt. Die F<strong>am</strong>ilie Kessel<br />

- <strong>der</strong> Vater war Fotograf - war vor dem Bombenkrieg aus Köln-Mülheim nach<br />

<strong>Nie<strong>der</strong>dollendorf</strong> geflüchtet. Vor den Kriegshandlungen beim E<strong>in</strong>marsch <strong>der</strong> Amerikaner hatten<br />

sie sich <strong>in</strong> den Höhlen <strong>der</strong> Ofenkaulen <strong>in</strong> Sicherheit gebracht und mit an<strong>der</strong>en Königsw<strong>in</strong>terer<br />

F<strong>am</strong>ilien das Gelübde abgelegt, bei heilem Herauskommen e<strong>in</strong>e Kapelle zu stiften. Josef Kessel<br />

ist es im Wesentlichen zu verdanken, dass es dann nach längerer Zeit immerh<strong>in</strong> noch zu e<strong>in</strong>em<br />

kle<strong>in</strong>en, sehr schönen Bildstock k<strong>am</strong>. Dieser, heute geplün<strong>der</strong>t und verwahrlost, sollte als Zeitdokument<br />

an e<strong>in</strong>e günstige Stelle verbracht werden.<br />

Wir bewegten uns mit unserem Karren weiter Richtung Dorf, als plötzlich e<strong>in</strong> <strong>am</strong>erikanischer<br />

Lastwagen hielt. E<strong>in</strong> G. I. sprang heraus: „All guys step on the car!” (etwa: „Alles rauf auf<br />

den Wagen!“). Den Karren zurücklassend, fanden wir uns auf <strong>der</strong> Ladefläche wie<strong>der</strong>. Auf <strong>der</strong><br />

Weiterfahrt gesellten sich an<strong>der</strong>e Dollendorfer unfreiwillig h<strong>in</strong>zu. E<strong>in</strong> geistig beh<strong>in</strong><strong>der</strong>ter, aber <strong>in</strong><br />

das dörfliche Leben voll <strong>in</strong>tegrierter junger Mann, dessen N<strong>am</strong>e mir entfallen ist, kreuzte unseren<br />

Weg. Durch heftige Zeichen konnten wir verh<strong>in</strong><strong>der</strong>n, dass er mit auf den Wagen musste. Da<br />

das so gut klappte, machten wir dasselbe noch e<strong>in</strong>mal bei Metzger Rechmann, <strong>der</strong> vor se<strong>in</strong>em<br />

Geschäft stand. Auch diesmal klappte es. Als nach Me<strong>in</strong>ung <strong>der</strong> Amerikaner genug Leute auf

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