ABWL IV Organisation und Projektmanagement Exzerpt/Abstract
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Duale Hochschule Baden-Württemberg Mannheim<br />
Studiengang BWL –<br />
Spedition, Transport <strong>und</strong> Logistik<br />
<strong>ABWL</strong> <strong>IV</strong><br />
<strong>Organisation</strong> <strong>und</strong> <strong>Projektmanagement</strong><br />
<strong>Exzerpt</strong>/<strong>Abstract</strong><br />
WOLF, Joachim (2011):<br />
<strong>Organisation</strong>, Management, Unternehmensführung<br />
Einblicke <strong>und</strong> gr<strong>und</strong>legende Kenntnisse<br />
der OMU-Theorien<br />
Bernd Dewitz<br />
Berater, Coach &<br />
Dipl.VermögensManager (DIA)
1. Theorien 3<br />
1.1 Aspekte von Theorien 3<br />
1.1.1 Stufen der Theoriebildung 3<br />
1.1.2 Mindestanforderungen an Theorien 4<br />
1.1.3 Erklärende vs. verstehende Wissenschaft 5<br />
1.1.4 Paradigmen 6<br />
1.1.5 Denkschulen 7<br />
1.2. Begriff <strong>und</strong> Inhalt von <strong>Organisation</strong>-Management- 8<br />
Unternehmensführungs-Theorien (OMU)<br />
1.2.1 Begriff <strong>Organisation</strong>/Management/System 8<br />
1.2.2 Gründe für die Vielzahl an Theorien 9<br />
1.3. F<strong>und</strong>amente der OMU-Theorien 10<br />
1.3.1 Administrationstheorie 10<br />
1.3.1.1 Max Webers Bürokratiemodell 10<br />
1.3.1.2 Frederick Taylors Scientific Management (Taylorismus) 14<br />
1.3.1.3 Henri Fayols Administrationstheorie 18<br />
1.3.1.4 Gemeinsamkeiten <strong>und</strong> Unterschiede der Klassiker 24<br />
1.3.2 Präskriptive Entscheidungstheorie 26<br />
1.3.3 Systemtheorie 27<br />
1.3.3.1 Der Systembegriff 27<br />
1.3.3.2 Historische Entwicklung 28<br />
1.3.3.3 OMU-relevante Gr<strong>und</strong>aussagen 29<br />
1.3.3.4 Betriebswirtschaftliche Varianten der Systemtheorie 32<br />
1.3.3.5 Abgrenzung zu den Klassikern der OMU-Theorien 33<br />
1.3.3.6 Kritische Würdigung 33<br />
1.3.4 Situations- <strong>und</strong> Interaktionstheorie 34<br />
1.3.4.1 Herkunft <strong>und</strong> Bedeutungsgewinn 34<br />
1.3.4.2. Erklärungsanliegen, Gr<strong>und</strong>konzeption <strong>und</strong> zentrale Forschungsfragen 35<br />
1.3.4.3 Vergleich mit den Klassikern der OMU-Theorien 36<br />
1.3.4.4 Kritische Würdigung 36<br />
1.3.4.5 Interaktionstheorie 37<br />
1.3.5 Verhaltenswissenschaftliche Theorie 38<br />
1.3.6 Macht- <strong>und</strong> Ressourcenabhängigkeitstheorie 39<br />
1.4. Aktuelle Entwicklungen der OMU-Theorien 40<br />
1.4.1 Informationsverarbeitungsansatz 40<br />
1.4.2 Neue Institutionenökonomische Theorie 40<br />
1.4.3 Evolutionstheorie 41<br />
1.4.4. Selbstorganisationstheorie 42<br />
1.4.5 Gestaltansatz 42<br />
1.4.6 Interpretationsansatz 43<br />
1.4.7 Institutionalistischer Ansatz 43<br />
1.4.8. Ressourcenbasierter Ansatz 44<br />
1.4.9. Pfadabhängigkeitstheorie 44<br />
1.4.9.1 Gr<strong>und</strong>gedanke 44<br />
1.4.9.2 Definitionsmerkmale 45<br />
1.4.9.3 Zwei weitere Kernaspekte 45<br />
1.4.9.4 Ursachen der Pfadabhängigkeit 46<br />
1.4.9.5 Identifikation <strong>und</strong> Unterbrechung ineffizienter Pfade 47<br />
1.4.9.6 Abgrenzungen der Pfadabhängigkeitstheorie 47<br />
1.4.9.7 Kritische Würdigung 47<br />
1.5 Literaturverzeichnis 49<br />
Wenn im Nachfolgenden die männliche oder weibliche Form verwandt wird, so ist selbstverständlich das jeweils andere Geschlechtlich<br />
eingeschlossen.<br />
�<br />
2�
1. Theorien<br />
Ugs: Theoretiker = fern der Praxis, weltfremd<br />
=> negativ besetzt<br />
wiss.: Theorien = übergeordnete, gr<strong>und</strong>sätzliche, in sich konsistente<br />
Aussagensysteme,<br />
=> positiv besetzt: Fähigkeit zum Erkennen von wesentlichen<br />
Bestandteilen der Realität<br />
1.1 Aspekte von Theorien<br />
Acht Aspekte von Theorien:<br />
�<br />
• Begriffsapparate (Klärung des Verständnisses der verwendeten Begriffe)<br />
• Bündel von Wenn-Dann-Aussagen<br />
• Modelle (Theorien als Modell, weil formal-logisch unbestreitbare Schlüsse abgeleitet werden<br />
können)<br />
• Systeme nomologischer Aussagen (Lehre von Denkgesetzen, universelle Aussagen)<br />
• System von Hypothesen (Vermutungen über die Realität)<br />
• Systeme von Gesetzesaussagen (universelle Gültigkeit <strong>und</strong> empirische Bewährung<br />
aufweisend)<br />
• Ergebnisse geistiger Tätigkeiten (Theorien - auf dem Wege eines gezielten, systematisch<br />
vollzogenen Nachdenkens geschaffen)<br />
• Hauptinformationsträger wissenschaftlicher Erkenntnisbemühungen ()<br />
(s. vertiefend WOLF, 3 ff.)<br />
1.1.1 Stufen der Theoriebildung<br />
Stufen (oder Ziele, Zweck, Reichweiten) von Theorien, die aufeinander aufbauen:<br />
Stufe 1: Begriffsbildung/Begriffsbestimmung<br />
durch Ermittlung begriffskonstituierender Merkmale.<br />
Bsp.:<br />
Personalführung gekennzeichnet durch Merkmale „Beeinflussung“, „Zielgerichtetheit“, „Asymmetrie<br />
der Interaktionsbeziehung“ <strong>und</strong> „Gruppenphänomen“.<br />
Stufe 2: Beschreibung<br />
den Zustand/die Ausprägung der charakterisierten Phänomene darzulegen (deskriptive<br />
Wissenschaft)<br />
Bsp.:<br />
1992 - Unternehmen mit flexibler Arbeitszeit: 40 %, in 2002 waren es 56 %; Anteil der<br />
Alleinerziehenden hat sich verdoppelt.<br />
Stufe 3: Erklärung<br />
Suche nach Gründen für Ausprägungen <strong>und</strong> Veränderungen der untersuchten Variablen<br />
(explanatorische Wissenschaft). Die Beziehungen zwischen den betrachteten Größen wird erklärt.<br />
Bsp:<br />
Die flexible Arbeitszeit hat sich erhöht, weil sich der Anteil der Alleinerziehenden erhöht hat.<br />
3�
Stufe 4: die Prognose<br />
Im Unterschied zur erklärenden Wissenschaft liegt hier eine Ausrichtung in die Zukunft vor (welche<br />
Entwicklung ist wahrscheinlich?). Basis hierfür sind die erklärenden Aussagen.<br />
(Wäre dies nicht der Fall, so entstünden Prophezeiungen.)<br />
Erarbeitung prognostischer Aussagen:<br />
1. bekannt ist, dass <strong>und</strong> warum in der Vergangenheit die untersuchte Größe von der/den Variablen<br />
abhing. Vermutung, dass dieser Zusammenhang in der Zukunft genau so sein wird. Zeitstabilität<br />
des Zusammenhangs.<br />
2. zukünftige Ausprägung wird aus der zu untersuchenden Größe selbst abgeleitet, ohne<br />
erklärende Größe(n). Zeitstabilität des Trends.<br />
Prognostizierende Wissenschaft zeigt auf, warum sich Untersuchungsgegenstand ändert (passiv<br />
beschreibend). Keine Ansätze, was gegen diese Änderung getan werden kann.<br />
Stufe 5: Gestaltungsvorschläge<br />
Weg von deskriptiven hin zu präskriptive Aussagen wie: was können wir tun, um ...?<br />
Erklärung, welche Maßnahmen bei welchen Zielsetzungen <strong>und</strong> welchen Rahmenbedingungen<br />
angezeigt sind.<br />
1.1.2 Mindestanforderungen an Theorien<br />
Theorien beinhalten Teilaussagen mit unterschiedlichen Konkretisierungs- <strong>und</strong><br />
Begründetheitsgrad.<br />
�<br />
Axiome Theoreme Hypothesen<br />
Axiom: unmittelbar einleuchtende Aussage<br />
Theorem: erste, jedoch noch allgemein gehaltene Konkretisierungen der Axiome<br />
Die nachfolgenden acht Mindestanforderungen betreffen idealtypische Theorien.<br />
1. Ökonomiepostulat<br />
Sparsamer Gebrauch von Axiomen <strong>und</strong> Theoremen –<br />
eine gute Theorie ruht auf sehr wenigen Axiomen. Die Zahl nachgelagerter Aussagen<br />
(Theoreme mittleren <strong>und</strong> niedrigeren Niveaus) sind aus wenigen Axiomen ableitbar.<br />
2. Unabhängigkeitspostulat<br />
Wenn eine Theorie auf mehreren Axiomen beruht, so sollen diese inhaltlich voneinander<br />
unabhängig sein.<br />
3. Konsistenzpostulat<br />
Das Aussagensystem muss frei von Widersprüchen sein. Sowohl auf der Ebene der<br />
Axiome, also auch auf der Ebene der (von Axiomen abgeleiteten) materiell-inhaltlichen<br />
Aussagen.<br />
Die Praxis zeigt, dass diese Widerspruchsfreiheit schwierig ist.<br />
4. Vollständigkeitspostulat<br />
Idealerweise erfassen Theorien alle wesentlich beeinflussenden Faktoren hinsichtlich<br />
des Untersuchungsbereiches <strong>und</strong> der Variablen. In der Praxis ist dies aufgr<strong>und</strong> des<br />
hohen Komplexitätsgrades von <strong>Organisation</strong>en kaum möglich.<br />
5. Allgemeingültigkeitspostulat<br />
Gültigkeit nicht nur für einen Sonderfall, sondern für weiteren Kreis von Fällen, z.B. die<br />
Bedürfnispyramide nach Maslow.<br />
Je spezifischer die Wenn-Komponente, desto geringer ist die Allgemeingültigkeit der<br />
Theorie.<br />
4�
�<br />
6. Bestimmtheitspostulat<br />
Umfasst die Forderung nach genauer Angaben der Konsequenzen von Einflussfaktoren<br />
(Was geschieht bei Vorliegen eines best. Sachverhaltes?)<br />
Je exakter die Dann-Komponente, desto höher ist der Bestimmtheitsgrad der Aussage.<br />
7. Falsifizierbarkeitspostulat<br />
Theorien <strong>und</strong> deren Aussagen müssen empirisch überprüfbar sein. Falsifizierbarkeit setzt<br />
voraus, dass die Konstrukte <strong>und</strong> Variablen klar operationalisiert (messbar) sowie die Art<br />
<strong>und</strong> Richtung des Zusammenhangs eindeutig spezifiziert (bestimmt) sind.<br />
8. Postulat der Gesetzesartigkeit<br />
Theorien sollen deterministisch angelegte Aussagen enthalten – die Dann-Komponente<br />
sollte zwangsläufig bei Vorliegen der Wenn-Komponente eintreten.<br />
1.1.3 Erklärende vs. verstehende Wissenschaft<br />
Seit den 80er kontroverse Diskussion in der Sozialwissenschaften/Betriebswirtschaft um die<br />
Mindestanforderungen (s. 1.1.2), insbesondere das Allgemeingültigkeitspostulat <strong>und</strong> das Postulat<br />
der Gesetzesartigkeit.<br />
Zwei Gr<strong>und</strong>positionen:<br />
1. Erklärende Wissenschaft<br />
- Annahme: die Welt ist objektiv erfassbar; zwischen den Elementen der Welt bestehen<br />
Einzelfallübergreifende Beziehungen, die von Wissenschaftlern empirisch ermittelt werden<br />
können.<br />
- Alle Wissenschaften haben gleichartigen Mindestanforderungen/Gütekriterien zu<br />
genügen. Dazu gehören die acht Mindestanforderungen der Theoriebildung.<br />
- Es muss um ein möglichst präzises Ausmessen der in der Realität vorherrschenden<br />
Verhältnisse gehen.<br />
2. Verstehende Wissenschaft<br />
- Im Bereich sozial geprägter Systeme weisen objektiv erfassbare Phänomene keine<br />
Prägekraft auf <strong>und</strong> es gibt keine/sehr wenige deterministische Variablen-Zusammenhänge.<br />
- Ereignisse sind nicht nur durch die thematisierten, sondern auch durch andere Faktoren<br />
verursacht.<br />
- Hermeneutik:<br />
Forschungen müssen beim Erkenntnisgewinn von sozialen Systemen das durch<br />
subjektiven Sinn bestimmte Handeln von Individuen berücksichtigen. Absichten, Werte,<br />
Ideen <strong>und</strong> Wahrnehmungen steuern individuelles Handeln erheblich.<br />
Forscher können nicht aus einer Außenperspektive kommend, soziale Systeme einfach<br />
ausmessen. Diese müssen mit ihren Akteuren <strong>und</strong> deren Verhaltensweisen verstanden<br />
bzw. ganzheitlich erfasst werden.<br />
Vertreter sind Edm<strong>und</strong> Husserl, Wilhelm Dilthey, Hans-Georg Gadamer.<br />
Vergleichende Beurteilung:<br />
Kein Position ist der anderen überlegen, beide haben ihre Schwächen<br />
(s. vertiefend WOLF S. 25).<br />
5�
1.1.4 Paradigmen<br />
KUHN (1962) stellte eine neue Sichtweise über die Entwicklung von Wissen <strong>und</strong> Wissenschaft vor<br />
– entgegen der bisherigen Ansicht:<br />
Wissenschaft sei eine kumulative, sich ergänzende Anhäufung von Wissensbausteinen.<br />
Er zeigte, dass Paradigmen im Wissenschaftsbetrieb eine sehr große Rolle spielen.<br />
Definition Paradigma (nach KUHN):<br />
Gr<strong>und</strong>legende, übergeordnete Sichtweise hinsichtlich eines Wissenschaftsgebietes.<br />
Präsentiert, als endliche Zahl gr<strong>und</strong>legender Annahmen,<br />
- die ein bestimmtes Universum wissenschaftlicher Fragestellungen beschreiben <strong>und</strong><br />
- dabei sowohl die Art der Begriffe <strong>und</strong> Konzepte festlegen, die als legitim angesehen<br />
werden,<br />
- als auch die Methoden, die verwendet werden, um Informationen zu sammeln <strong>und</strong> zu<br />
interpretieren.<br />
Ein Paradigma ist somit mehr als eine einzelne Theorie oder eine singuläre Hypothese. Sie<br />
präsentiert sich als Metatheorie von großer Reichweite, ja sogar als eine bestimmte Weltsicht.<br />
Betriebswirtschaftliches Bsp.:<br />
- Gewerkschaftsinteressen betonende „Arbeitsorientierte Einzelwirtschaftslehre“:<br />
=> Arbeitnehmerziele sollen die primären Orientierungsgrößen für Unternehmen darstellen.<br />
- Neues Institutionenorientiertes Paradigma:<br />
=> Transaktionskosten sind in den Mittelpunkt der Betrachtung zu stellen.<br />
- Ökologieorientiertes volkswirtschaftliches Konzept:<br />
=> Schutz/Erhaltung der natürlichen Ressourcen als zentraler Bezugspunkt<br />
ökonomischer Analysen.<br />
Drei Funktionen von Paradigmen<br />
Der soziale Aspekt eines Paradigmas zeigt sich darin, dass es Gruppen/Gemeinschaften von<br />
Wissenschaftlern zusammenschweißen, aber auch trennen kann.<br />
�<br />
• Kognitive Funktion:<br />
Bestimmt, was der Wissenschaftler sieht bzw. nicht sieht.<br />
• Normative Funktion:<br />
Beeinflusst den Wissenschaftler, wie wichtig er bestimmte Dinge des Erkenntnisbereiches<br />
nimmt.<br />
• Soziale Funktion:<br />
Regelt, wie gut oder schlecht das Verstehen mit anderen Wissenschaftlern ist.<br />
Paradigmenwechsel<br />
Ein Paradigmenwechsel erfolgt, wenn gesicherten Modellen keine Lösungskraft (mehr)<br />
zugeschrieben wird. Andere Wissenschaftler entwickeln ein zeitgerechteres, plausibleres Weltbild.<br />
Paradigmenwechsel sind demnach die Antwort der Wissenschaft auf Krisensituationen, bei denen<br />
es zum Bruch zwischen altem <strong>und</strong> neuem Weltbild kommt.<br />
Bsp:<br />
Die Ablösung der Administrationstheorie durch die Situationstheorie ( s. S. 34).<br />
Aktuell: der Verlust in die Selbstheilungskräfte des Marktes in der letzten Wirtschaftskrise.<br />
6�
1.1.5 Denkschulen<br />
Stärker als das Paradigma-Phänomen ist die Lehrer-Schüler-Beziehung ausgeprägt. Der<br />
wissenschaftliche Austausch ist intensiv, Standpunkte werden angeglichen – es kommt zu<br />
Forscher-Dynastien. Innerhalb einer Wissenschaftsdisziplin kommt es zu Subgruppen, Zirkeln,<br />
Netzwerken.<br />
Lit.:<br />
KLEIN-BLENKERS (1992) hat ein Nachschlagwerk über die deutsche BWL zusammengestellt.<br />
�<br />
Verständnisfragen:<br />
1. Vergleichen Sie den alltagssprachlichen mit dem im Wissenschaftsbereich<br />
vorherrschenden Theoriebegriff.<br />
2. Anhand welcher acht Aspekte lassen sich Theorien charakterisieren?<br />
3. Erläutern Sie die Stufen der Theoriebildung.<br />
4. Worin liegt der Unterschied zwischen einer Prognose <strong>und</strong> einer Prophezeiung?<br />
5. Was versteht man unter Zeitstabilitätsprämisse?<br />
6. Welche Mindestanforderungen sind an Theorien zu richten?<br />
7. Was versteht man unter Axiomen <strong>und</strong> Theoremen?<br />
8. Was ist ein Paradigma (Definition /Beispiel)?<br />
9. Welche Funktionen weisen Paradigmen auf?<br />
10. Auf welche Weise vollzieht sich ein Paradigmenwechsel?<br />
11. Was ist eine Denkschule?<br />
1.2. Begriff <strong>und</strong> Inhalt von<br />
<strong>Organisation</strong>-Management-Unternehmensführungs-Theorien (OMU)<br />
1.2.1 Begriff <strong>Organisation</strong>/Management/Unternehmensführung<br />
<strong>Organisation</strong><br />
MACHARZINA, K. (1993) listet Definitionen von <strong>Organisation</strong> auf als:<br />
• eine bewusste Lebenseinheit aus bewussten Teilen. D.h. klar, dass <strong>Organisation</strong> etwas<br />
Geistiges ist <strong>und</strong> das es stets auf die innere Seele ankommt (nach Plegge 1919),<br />
• ein zielgerichtetes Sozialsystem, das Informationen gewinnt <strong>und</strong> verarbeitet (nach Heinen<br />
1968),<br />
• ein zielorientiertes, psychosoziales <strong>und</strong> technologisches System (Kast/Rosenzweig 1970),<br />
• die planmäßige Zusammenfassung von Menschen <strong>und</strong> Sachen im Hinblick auf ein<br />
bestimmtes Ziel (Hoffmann 1973),<br />
• ein System von Regeln, das die Aufgabenerfüllung der Unternehmung zielgerichtet <strong>und</strong><br />
dauerhaft ordnet (Grochla 1978),<br />
• die Tätigkeit der zielorientierten Steuerung der Aktivitäten in einem sozialen System mit<br />
mehreren Mitgliedern (funktionaler <strong>Organisation</strong>sbegriff) als auch das soziale Gebilde selbst<br />
(institutioneller <strong>Organisation</strong>sbegriff) (Laux/Liermann 1987),<br />
• ein Ordnungsrahmen für das betriebliche Geschehen (Refa 1991).<br />
Der Inhalt des <strong>Organisation</strong>sbegriffes ist nicht eindeutig erfasst.<br />
Eine Unterscheidung wird getroffen:<br />
das System hat eine <strong>Organisation</strong> (instrumentell) / das System ist eine <strong>Organisation</strong> (institutionell).<br />
7�
Management<br />
MACHARZINA, K. (1993) listet Definitionen von Management auf:<br />
�<br />
• prévoir, organiser, commander, coordoner et contrôler (n. Fayol 1916),<br />
• the art of working through other peoples (n. Owen 1958),<br />
• eine komplexe Aufgabe: es müssen Analysen durchgeführt, Entscheidungen getroffen,<br />
Bewertungen vorgenommen <strong>und</strong> Kontrollen ausgeübt werden (n. Ansoff 1966),<br />
• die schöpferischste aller Künste, denn sein Medium ist das menschliche Talent selbst<br />
(n. McNamara 1968),<br />
• die Verarbeitung von Informationen <strong>und</strong> ihre Verwendung zur zielorientiertes Steuerung<br />
von Menschen <strong>und</strong> Prozessen (n. Wild 1971)<br />
• two very basic functions: decision making and influence (Anthony 1981),<br />
• ein System von Steuerungsaufgaben, die bei der Leistungserstellung <strong>und</strong> –sicherung<br />
in arbeitsteiligen Systemen erbracht werden müssen (n. Steinmann/Schreyögg 2000).<br />
instrumentell: angesprochen ist hier die Führung <strong>und</strong> Leitung von Sozialsystemen.<br />
institutionell: Gruppe der Personen, der die Führung <strong>und</strong> Leitung der Sozialsysteme obliegt.<br />
Unternehmensführung<br />
MACHARZINA, K. (1993) listet Definitionen von Unternehmensführung auf als:<br />
• ein auch durch systembezogene Merkmale charakterisiertes Phänomen (n. Bayer 1970),<br />
• jene Gesamtheit von Problemen (Aufgaben), die gelöst werden muss, wenn das Verhalten<br />
der Gesamtunternehmung bestimmt wird (n. Rühli 1988),<br />
• die Gesamtheit derjenigen Handlungen der verantwortlichen Akteure, welche die Gestaltung<br />
<strong>und</strong> Abstimmung (Koordination) der Unternehmens-Umwelt-Interaktion im Rahmen des<br />
Wertschöpfungsprozesses zum Gegenstand haben <strong>und</strong> diesen gr<strong>und</strong>legend beeinflussen<br />
(MACHARZINA 1993).<br />
Der <strong>Organisation</strong>sbegriff ist allgemeiner als der des Managements (da dieser ein Teilaspekt von<br />
<strong>Organisation</strong>en ist – eben deren Führung <strong>und</strong> Leitung).<br />
Management ist weiter gefasst als Unternehmensführung, da letzterer sich auf die Führungs- <strong>und</strong><br />
Leitungsaufgaben der Hierarchiespitze eines bestimmten Typs von <strong>Organisation</strong>en konzentriert.<br />
Gemeinsame Theoriebasis<br />
Bei nachfolgend angeführten Theorien wird davon ausgegangen, dass sich die Theorien von<br />
<strong>Organisation</strong>, Management <strong>und</strong> Unternehmensführung stark überschneiden, so dass nicht weiter<br />
differenziert wird.<br />
Weil:<br />
• Ausrichtung auf <strong>Organisation</strong>en<br />
alle drei setzen sich gr<strong>und</strong>legend mit Sozialsystemen <strong>und</strong> Institutionen auseinander <strong>und</strong><br />
untersuchen die von diesen genutzten Ordnungsrahmen <strong>und</strong> Regelungen.<br />
• Ausrichtung auf Gestalthandeln<br />
die vollzogenen Gestaltungshandlungen werden jeweils in den Vordergr<strong>und</strong> gestellt. (d.h.<br />
Einwirkungsformen von Akteuren, die eine erfolgsorientierte Gestaltung des jeweiligen<br />
Sozialsystems/Institution/<strong>Organisation</strong> zum Ziel haben)<br />
• Ausrichtung auf strategische Aspekte<br />
alle drei diskutieren übergeordnete, gesamtinstitutionenbezogene, gr<strong>und</strong>sätzliche,<br />
längerfristig bedeutsame, schlecht-strukturierte, wertbeladene, innovative (usw.)<br />
Fragestellungen<br />
8�
1.2.2 Gründe für die Vielzahl an Theorien<br />
a) Abstraktheit<br />
Die drei Begriffe OMU weisen einen hohen Abstraktionsgrad auf. Sie sind nicht sinnlich<br />
wahrnehmbar, z.B. das „Unternehmen“ oder den „Fußballverein“. Nur die Symbole wie<br />
Werkshallen Stadien, Logos, Produkte, Räume, Konferenzzimmer etc. lassen sich erkennen.<br />
b) Mehrdeutigkeit<br />
OMU – in hohem Maße interpretationsbedürftig. Was wichtig ist <strong>und</strong> wie die<br />
Wirkungszusammenhänge sind, entscheidet der Betrachter.<br />
c) Komplexität<br />
OMU – setzen sich aus einer Vielzahl inhaltlich verwobener Teilprobleme zusammen.<br />
Z.B. Orga-Lehre: Unterscheidung zw. makroorganisatorischen (gesamtunternehmens-bezogenen)<br />
<strong>und</strong> mikroorganistorischen (gruppenbezogenen) Fragestellungen, zw. denen zahlreiche<br />
Wechselwirkungen bestehen.<br />
Zu behandeln sind demnach Individual-, Gruppen- <strong>und</strong> Gesamtorganisationsprobleme sowie die<br />
Beziehungen zwischen Individuum <strong>und</strong> Gruppe, Individuum <strong>und</strong> <strong>Organisation</strong>, sowie zwischen<br />
Gruppe <strong>und</strong> <strong>Organisation</strong>.<br />
Bei der M+U-Lehre: strategisch-taktisch-operativ, Zielsetzung, Strategieformulierung, Planung,<br />
Planrealisation, Kontrolle, usw. ...<br />
d) Interdisziplinarität<br />
Wissenschaftler unterschiedlicher Disziplintraditionen treffen aufeinander: Betriebswirte,<br />
Soziologen, Psychologen, Politologen u.a. Dementsprechend finden sich unterschiedliche<br />
Auffassungen, Denkschulen etc.<br />
Theorievielfalt als Chance sehen z.B. wegen der Abstraktheit <strong>und</strong> Komplexität.<br />
Einzelne wissenschaftliche Arbeiten sollten dagegen von einer (oder wenigen) Theorie(n) getragen<br />
sein.<br />
�<br />
Verständnisfragen:<br />
1. Kontrastieren Sie die Begriffe „<strong>Organisation</strong>“, „Management“ <strong>und</strong> „Unternehmensführung“<br />
anhand frei gewählter Vergleichskriterien.<br />
2. Welches der zitierten Verständnisse des<br />
a) <strong>Organisation</strong>sbegriffs<br />
b) Managementbegriffs<br />
c) Unternehmensführungsbegriffs<br />
bevorzugen Sie? Warum?<br />
3. Was versteht man unter institutionellem <strong>und</strong> instrumentellem <strong>Organisation</strong>sverständnis?<br />
9�
1.3. F<strong>und</strong>amente der OMU-Theorien<br />
Vorgestellt werden zwei Hauptgruppen von Theorien:<br />
die klassischen, die trotz ihrer frühen Entstehung keineswegs überholt sind sowie die<br />
aktuellen Entwicklungslinien der OMU-Lehre.<br />
1.3.1 Administrationstheorie<br />
Die „Klassiker“ von Max Weber, Frederick Taylor <strong>und</strong> Henri<br />
Fayol werden als sog. betriebswirtschaftlich-pragmatische<br />
Ansätze behandelt. Sie stellen stärker gestaltbezogene<br />
Aussagen bereit, sind in starkem Maß aufgabenorientiert,<br />
bodenständiger.<br />
1.3.1.1 Max Webers Bürokratiemodell<br />
Max Weber (1865 - 1920), Urvater der deutschen Soziologie<br />
entwickelte Ende des 19./Anfang des 20. Jhd. sein<br />
Bürokratiemodell (Primärliteratur: WEBER, Max (1922)<br />
Wirtschaft <strong>und</strong> Gesellschaft).<br />
�<br />
10<br />
Max Weber 1894<br />
Forschungsgegenstand <strong>und</strong> Untersuchungsziele:<br />
Spezifische Strukturform <strong>und</strong> Funktionsweise der preußischen Staatsverwaltung.<br />
• Identifikation von Ursachen der hohen Leistung der preußischen Staatsverwaltung<br />
• Vergleich der Effizienz unterschiedlicher Herrschaftsformen<br />
Fünf Aspekte des Bürokratiemodells<br />
1. Zentrale Begriffe<br />
Bürokratie: Weber verzichtete auf eine Definition. In Webers Verständnis:<br />
• eine mit Verwaltungstätigkeit befasste Körperschaft ernannter Beamter (n. Albrow 1972),<br />
• eine spezifisch zweckrationale Form der Organisierung menschlicher Arbeit <strong>und</strong> der<br />
Beherrschung von Menschen (n. Bosetzky 1982),<br />
• eine formal rationale Form der Herrschaftsausübung (n. Albrow 1972)<br />
=> abweichend zum heutigen Verständnis von Bürokratie:<br />
-> schwerfällige, ineffiziente Einheit <strong>und</strong> negative Auswüchse.<br />
Herrschaft:<br />
WEBER: „jede Chance, durch irgendeine Einwirkung bei einer Person oder einer Gruppe von<br />
Personen eine Verhaltensweise auszulösen, die sie ohne diese Einwirkung nicht zeigen würde“<br />
bzw.<br />
„die Chance, ..., für spezifische Befehle bei einer angebbaren Gruppe von Menschen Gehorsam<br />
zu finden.“<br />
Leitidee:<br />
Rationalisierung von Institutionen:<br />
Bürokratie <strong>und</strong> Herrschaftsformen gewinnen in den <strong>Organisation</strong>en an Gewicht, deren<br />
Handlungssituationen durch Wachstumsprozesse unüberschaubar geworden sind.
2. Thematisierte Schlüsselfragen<br />
• Kernmerkmale eines leistungsfähigen Verwaltungssystems spezifizieren<br />
• Verstehen des Aufkommens <strong>und</strong> Funktionierens großer <strong>Organisation</strong>en<br />
• Darstellung <strong>und</strong> Analyse des Prozess der Rationalisierung<br />
• Diskussion alternativer Legitimationsgr<strong>und</strong>lagen von Herrschaft<br />
• Prüfen, welche Faktoren <strong>Organisation</strong>en stabil halten/stabil werden lassen<br />
3. Bestehende Herrschaftsformen<br />
Drei Formen:<br />
• charismatische<br />
Führungsperson gilt als gottgesandt, auserwählt, mit besonderen Fähigkeiten.<br />
Keine ausdifferenzierten <strong>Organisation</strong>sstrukturen bzw. –systeme.<br />
Bsp: Mahatma Ghandi<br />
�<br />
• traditionelle<br />
althergebrachte Ordnungen <strong>und</strong> Regeln. Führungspersonen nicht an rationale Regeln<br />
geb<strong>und</strong>en, sondern folgen den Vorgaben der Vergangenheit. Führungszirkel besteht aus<br />
dem Kreis eng mit dem Führenden verb<strong>und</strong>enen.<br />
Bsp: Feudalherrschaft im Mittelalter<br />
• legale<br />
Interaktionsprozesse beruhen auf gesatzten, formalen Recht, dem auch die Führungsperson<br />
unterworfen ist. Legale Herrschaft wird von einem Verwaltungsapparat getragen, der nach<br />
fest vorgegebenen Verfahrensrichtlinien arbeitet <strong>und</strong> personenunabhängig funktioniert<br />
Überlegenheit der legalen Herrschaft<br />
Keine Fachkompetenz bei charismatischer <strong>und</strong> traditioneller Herrschaft, Mangel an allg.<br />
Kalkulierbarkeit, Einzelentscheidungen – Gefahr der willkürlichen Entscheidungen.<br />
11
Kriterien Legale<br />
Traditionale<br />
Charismatische<br />
Herrschaft<br />
Herrschaft<br />
Herrschaft<br />
Legitimierung des Kraft Satzung Kraft Glaubens an die Kraft affektueller<br />
Herrschenden<br />
Heiligkeit der von jeher Hingabe an die Person<br />
vorhandenen Ordnung des Herrn <strong>und</strong> ihre<br />
<strong>und</strong> Herrengewalt Gnadegaben, insb.<br />
magische Fähigkeiten,<br />
Heldentum, Macht des<br />
Geistes <strong>und</strong> der Rede<br />
Reinster Typ Bürokratie Patriarchalische oder Herrschaft des<br />
patrimoniale<br />
- Propheten<br />
Herrschaft, ständische - Kriegshelden<br />
Herrschaft<br />
- großen Demagogen<br />
Typus des<br />
Befehlenden<br />
Vorgesetzte „Herr“ Führer<br />
Typus des<br />
Verbandsmitglieder, Untertanen Jünger, Gefolgschaft<br />
Gehorchenden Bürger<br />
Typus des<br />
Ernannte Beamte Hausangehörige, Gemeinde (irrational<br />
Verwaltungsstabs<br />
Diener<br />
vom Führer<br />
ausgelesen nach<br />
Charisma <strong>und</strong><br />
persönlicher Hingabe)<br />
Basis des<br />
Betriebsdisziplin, die Treue bzw. Pietät: Charisma: gehorcht<br />
Gehorsamspflicht Gehorsamspflicht ist gehorcht wird der wird dem Führer kraft<br />
abgestuft in die Person kraft ihres seiner persönlichen<br />
Hierarchie von Ämtern Herkommens durch Qualitäten <strong>und</strong><br />
<strong>und</strong> geregeltem geheiligte Eigenwürde Bewährung, durch<br />
Beschwerdeverfahren<br />
W<strong>und</strong>er, Erfolge,<br />
Wohlergehen der<br />
Gesellschaft<br />
Nachfolge Durch Wahl oder Durch Familienrang - durch Orakel, Los<br />
Ernennung<br />
- durch Führer selbst<br />
a) Nachfolgerdesignation<br />
b) Sohn durch<br />
Erbschema oder<br />
Aufsuchung des<br />
„Neuen“ nach<br />
Merkmalen der<br />
charismatischen<br />
Qualifikation<br />
Beispiel Stadtverwaltung Sippenchef, König Napoleon, Jesus<br />
�<br />
Abb. 1: Webersche Herrschaftsformen (Quelle: WOLF, S. 65)<br />
12
4. Elf konstitutive Merkmale des bürokratischen Verwaltungssystems<br />
Die ersten sechs (notwendigen) Merkmale beschreiben den Amtsbetrieb, die weiteren fünf<br />
(hinreichenden) den Amtsträger.<br />
a) Regelgeb<strong>und</strong>ener Amtsbetrieb<br />
System abstrakter Regeln <strong>und</strong> Verfahrensweisen, diese sind<br />
- genereller Art ,<br />
- abstrakt gefasst,<br />
- mehr oder minder zeitstabil<br />
- relativ erschöpfend bzw. vollständig<br />
- von beamten erlernbar.<br />
Diese Regeln garantieren, dass der Amtsbetrieb standardisiert, formalisiert <strong>und</strong> kontinuierlich<br />
abläuft. Bsp. finden sich in <strong>Organisation</strong>shandbüchern.<br />
Bsp.: Melitta => Anhang 1<br />
b) Klare Kompetenzabgrenzung <strong>und</strong> Arbeitsverteilung<br />
Jeder Beamte besitzt einen sachlich abgegrenzten Bereich von Leistungspflichten sowie die<br />
notwendige Befehlsgewalt (Autorität) <strong>und</strong> Weisungsbefugnis (auch Sanktionen).<br />
c) Amtshierarchie<br />
Streng vertikaler Aufbau des Verwaltungsapparates.<br />
Einliniensystem: Instanzenzug (von oben nach unten) <strong>und</strong> Dienstweg (von unten nach oben;<br />
Regelung, wer mit wem reden darf) sind einzuhalten.<br />
d) Aktenmäßigkeit<br />
Aufgabenerledigung basiert auf Schriftstücken – Möglichkeit der internen <strong>und</strong> externen Kontrolle.<br />
e) Expropriationsgr<strong>und</strong>satz<br />
Strikte Trennung der Beamten von den sachlichen Verwaltungs- <strong>und</strong> Beschaffungsmitteln.<br />
(Untersagt, dass Beamte von Geldern <strong>und</strong> Mitteln Privatbesitz ergreifen.)<br />
f) Trennung von Amt <strong>und</strong> Person<br />
Klare Trennung von Privatsphäre <strong>und</strong> dienstlicher Sphäre sowie Privat-/Dienstkorrespondenz.<br />
g) Vertragsangestellter<br />
Auf Basis eines Arbeitsvertrages: hauptamtlich tätig; ernannt (<strong>und</strong> nicht gewählt); auf Lebenszeit<br />
angestellt.<br />
h) Eingehende Schulung<br />
Fachlich eingehend auf die Qualifikationserfordernisse der Stelle geschult.<br />
(Für WEBER ist die ganze Entwicklungsgeschichte des modernen Staates identisch mit der<br />
Entwicklung des Fachbeamtentums.)<br />
i) Festgehalt<br />
WEBER S.555:<br />
„Das Gehalt ist der lohnartigen Abmessung nach der Leistung im Prinzip entzogen.“<br />
Gehalt richtet sich nach hierarchischem Rang sowie Dauer der Dienstzeit. Auf niedrigem Niveau,<br />
dafür langfristige Zukunftssicherung = Unabhängigkeit des Beamten.<br />
Kompensiert mit einer „spezifisch gehobenen, ständisch sozialen Schätzung.“<br />
j) Fixierte Laufbahn<br />
Existenz von Laufbahnordnungen. Beförderungen anhand objektiver Kriterien (v.a. Dienst- <strong>und</strong><br />
Lebensalter)<br />
k) Amtsdisziplin <strong>und</strong> Kontrolle<br />
Beamter ist strenger Amtsdisziplin <strong>und</strong> Kontrolle unterworfen.<br />
�<br />
13
5. Kritische Würdigung<br />
Stärken:<br />
• Mehr als eine zeitpunktbezogene Beschreibung der Ausprägung der preußischen<br />
Staatsverwaltung,<br />
• Intensive Untersuchungen der vor- <strong>und</strong> frühbürokratischen Formen der patrimonalen<br />
Herrschaft,<br />
• Zum Entstehungszeitpunkt: erstmalige Versachlichung von <strong>Organisation</strong>s- <strong>und</strong><br />
Führungsprozessen,<br />
• Umfassender Ansatz zur Analyse von Verwaltungsformen,<br />
• Kriterien, die zur inhaltlichen Charakterisierung von <strong>Organisation</strong>en dienen können,<br />
• Bürokratiemodell als eines der ersten Vorläufer zur gestaltorientierten Theorie.<br />
Schwächen:<br />
• Unnötige Verwirrung im terminologischen Bereich (Begriff Bürokratie vs. elf Kriterien),<br />
• Unglücklich, dem als Idealtyp gedachten Modell einen negativ besetzten Namen zu geben,<br />
• Wirklichkeit wird durch ein Modell verzerrt – real bestehende Vielfalt an Verwaltungsformen<br />
ignorierend (vs. Vergleiche Webers von Verwaltungsformen in anderen Regionen),<br />
• Inhaltlich nichts Neues – bereits 2000 v.Chr. gab es in China Verwaltungsformen des<br />
Idealtyps,<br />
• Mangel an zwischenmenschlichen/informellen Elementen. Modell geht davon aus, dass<br />
Verwaltung ein mechanischer Apparat <strong>und</strong> Beamte nur technische Funktionäre sind,<br />
• Unbelegt: in der Betonung von Autorität <strong>und</strong> Herrschaft schwingt die preußische<br />
Begeisterung für Militärorganisationen mit,<br />
• Das Modell ist unmenschlich: die Menschen werden von der <strong>Organisation</strong> dominiert, können<br />
sich nicht wehren,<br />
• <strong>Organisation</strong>sziele <strong>und</strong> <strong>Organisation</strong>skontext werden nicht betrachtet,<br />
• Keine Antwort auf die Frage, ob der Erfolg der Bürokratie aus ihren Einzelmerkmalen oder<br />
aus der Zusammenfügung der Merkmale komme,<br />
• Zweifel daran, dass der Regelungsgrad bürokratischer <strong>Organisation</strong>en im Zeitablauf stetig<br />
zunimmt,<br />
Fazit:<br />
Alle Führungsmodelle des 20. Jhd. können als Weiterentwicklung des Bürokratiemodells begriffen<br />
werden<br />
1.3.1.2 Frederick Taylors Scientific Management (Taylorismus)<br />
Frederick Winslow Taylor (1856 – 1915) – ein weiterer Urvater der OMU-<br />
Theorie. (Primärliteratur: TAYLOR, F. (1911): The principles of Scientific<br />
Management)<br />
Sein ganzes Werk von der Idee beseelt, dass in den aufkommenden<br />
Industriebetrieben in hohem Maß menschliche Arbeitskraft vergeudet wird;<br />
dass die Arbeiter nur 30% ihrer Leistung erzielen.<br />
Taylors Gr<strong>und</strong>orientierungen spiegeln die allg. wirtschaftlichen<br />
Rahmenbedingungen der damaligen Zeit wider; die amerikanische<br />
Industrie am Ende des 19. Jhd.<br />
�<br />
14<br />
Frederick Taylor 1856-1915
Einzelmerkmale<br />
�<br />
• Sek<strong>und</strong>ärer Sektor in den USA überflügelt den primären Sektor => neue Herausforderungen<br />
• Industrielle Produktion löst (wie in Europa) handwerkliche Produktion ab,<br />
• Industrielle Produktion bereits erheblich mechanisiert,<br />
• qualifizierte Handwerker durch un- <strong>und</strong> angelernte Arbeiter abgelöst; monotone arbeiten,<br />
• Mechanisierung <strong>und</strong> Betriebswachstum ohne hinreichen <strong>Organisation</strong>;<br />
oft Addition kleiner Einheiten zu einem nicht mehr funktionierenden Gesamtbetrieb,<br />
• Produktionszuwachs ggü. Handwerk – jedoch bei weitem nicht optimal,<br />
• Erste Unternehmer/Manager hatten kein produktionstechnisches KnowHow, weil Kaufleute,<br />
• Entstandene Industriebetriebe waren nicht in der Lage, die US-Binnenmärkte mit einer<br />
hinreichenden Produktqualität zu bedienen,<br />
• Ausgeprägter Arbeiterüberschuss vorhanden => geringes Lohnniveau,<br />
• Existenz- <strong>und</strong> Sicherheitsbedürfnisse dominierten bei Arbeitern; geringe<br />
Unternehmensbindung.<br />
1. Sechs übergeordnete Leitgedanken zu Taylors Scientific Management<br />
(Fabrikmanagement-Konzept)<br />
a) Systemintegration<br />
Oberstes Ziel: Entwicklung eines Produktionssystems, das die Arbeitskraft von Menschen <strong>und</strong><br />
Maschinen bestmöglich integriert <strong>und</strong> genauso leistungsfähig ist, wie eine perfekte Maschine.<br />
b) Transparenz<br />
Konzeptentwicklung zur Transformation von Betrieben in transparente, kontrollierbare <strong>und</strong><br />
steuerbare Gebilde.<br />
c) Experimente<br />
Alle Empfehlungen sollten auf wissenschaftlichen Untersuchungen (= Experimenten) beruhen.<br />
Damit Verminderung der Abhängigkeit der Unternehmen vom Erfahrungswissen einzelner<br />
Arbeiter.<br />
d) Pragmatismus<br />
Entwicklung eines Systems von Aussagen an gestaltorientierten, pragmatischen – direkt von der<br />
Unternehmenspraxis umsetzbaren – Vorschlägen.<br />
e) Universalismus<br />
Das zu entwerfende Aussagensystem sollte universalistisch angelegt sein (= allgemeingültige<br />
Verhaltensregeln für erfolgreiche Produktionssteuerung.)<br />
f) Extremausprägung<br />
Die zugr<strong>und</strong>e liegenden Gestaltungsprinzipien (Arbeitsteilung, Arbeitsprozessstudium,<br />
Leistungsentlohnung) sollten in Reinform <strong>und</strong> mit äußerster Konsequenz verfolgt werden.<br />
2. Einzelbausteine des Konzeptes<br />
Bündelung nachfolgender Wissenschaftler, nicht durch Taylor selbst.<br />
a) Zeit <strong>und</strong> Bewegungsstudien<br />
Analytisch angelegte Studien als Hilfsmittel des Fabrikmanagements. Ziel: Unternehmen vom<br />
reichhaltigen Erfahrungswissen der Arbeiter unabhängig zu machen; faire Leistungserwartung des<br />
Unternehmens an die Arbeiter.<br />
Zuerst starker Bezug auf die Maschinen, später auf die Arbeitsabläufe der Arbeiter.<br />
15
Ablaufanalyse<br />
- Arbeitsabläufe in Elementarbewegungen aufgliedern<br />
- überflüssige Bewegungen ermitteln<br />
- Optimierung der notwendigen Elementarbewegungen<br />
- Zeitnahme der optimalen Bewegung<br />
- Optimale Bewegung beschreiben, dokumentieren, klassifizieren<br />
- Angemessene Zeitzuschläge für Störungen, Verzögerungen, Unterbrechungen<br />
- Angemessene Zeitzuschläge für Einarbeitungen festlegen<br />
- Angemessene Zeitzuschläge für Erholungszeiten berücksichtigen<br />
Synthese<br />
- Standard –Kombination von Elementarbewegungen, die oft in gleicher Reihenfolge<br />
durchgeführt werden<br />
- inhaltliche Beschreibung dieser Bewegungskombinationen<br />
- Gesamtzeiten ermitteln (Addition von Bewegungszeit <strong>und</strong> Zeitzuschlägen)<br />
- Bewegungskombination inhaltlich dokumentieren<br />
b) Vertikale <strong>und</strong> horizontale Formen der Arbeitsteilung<br />
Vertikale Arbeitsteilung:<br />
Sowohl auf der ausführenden als auch der dispositiven (Leitungs-)Ebene.<br />
Trennung von Hand- <strong>und</strong> Kopfarbeit, um Drückebergerei zu reduzieren !<br />
Begründung der vertikalen Arbeitsteilung: im chronischen Facharbeitermangel.<br />
Einsatz Gering-Qualifizierter wurde möglich.<br />
Horizontale Arbeitsteilung<br />
auf Arbeiter- wie Meisterebene -> starke Spezialisierung, vermeiden von Fehlern durch<br />
Minimierung von Ermessensspielräumen, stärkere Unabhängigkeit vom einzelnen Arbeiter.<br />
c) Einrichtung von Leitungseinheiten im Fertigungsbereich<br />
Teil-Leitungsprozesse aufteilen <strong>und</strong> im Arbeitsbüro bündeln:<br />
- Arbeitsverteiler<br />
- Unterweisungsbeamter<br />
- Zeit- <strong>und</strong> Kostenbeamter<br />
Unterstützung durch Funktionsmeister in der Werkstatt:<br />
- Rottenführer<br />
- Geschwindigkeitsmesse<br />
- Prüfmeister<br />
- Instandhaltungsmeister<br />
- Aufsichtsbeamter<br />
Taylorsches Leistungssystem = Funktionsmeistersystem, mehrliniges Leistungssystem (acht Mstr).<br />
d) Einsatz leistungsorientierter Anreizsysteme<br />
Taylor: nur monetäre Anreize (St<strong>und</strong>enlohn) motivieren Arbeiter nicht.<br />
Pensum- (angemessene Arbeitsleistung) <strong>und</strong> Prämienlohn (Leistungskomponente in Form des<br />
Stücklohns)<br />
Dieses Lohnsystem war für Unternehmen risikoarm, für Arbeiter extrem intellektuell anspannend.<br />
Voriges Lohnsystem wurde herabgesetzt – nur wer Höchstleistung erbrachte, verdiente wir zuvor.<br />
�<br />
16
e) Wohlüberlegte Normierung von Fertigungshilfsmitteln<br />
Optimierung <strong>und</strong> Standardisierung von technischen Hilfsmitteln (Vereinheitlichung von<br />
Werkzeugen <strong>und</strong> Werkstoffen sowie deren ordnungsgemäße Lagerung <strong>und</strong> Verteilung;<br />
prozessgerecht Auswahl, Einrichtung <strong>und</strong> Wartung von Maschinen; Verbesserung der<br />
Beleuchtung <strong>und</strong> der klimatischen Verhältnisse in Werkshallen.<br />
Erholungspausen für Arbeiter; ergonomische Gestaltung von Maschinen.<br />
f) Sorgfältige Auswahl <strong>und</strong> Qualifizierung der Arbeiter<br />
Vor Taylor: Arbeiter auf Verdacht eingestellt – try and error.<br />
Dann: systematischer Einsatz von Testverfahren zur verwendungsorientierten Auswahl, orientiert<br />
an Maximalleistung des Best-Arbeiters.<br />
Qualifizierung von Arbeitern als Kernaufgabe des Unternehmens.<br />
g) Harmonieorientierter Interessenausgleich Arbeiter-Unternehmensleitung<br />
Kein Klassenkampfmodell sondern Versöhnungspotenzial zwischen AN-AG.<br />
=> Naiver Win-Win-Glaube von Taylor.<br />
Die Einzelbausteine beziehen sich sowohl auf<br />
• das methodische Vorgehen der Fabrikleitung hinsichtlich der effizienten <strong>Organisation</strong> von<br />
Fertigungsprozessen als auch<br />
• die inhaltliche Ausprägung der Fabrikorganisation<br />
Das Scientific Management würde seine Wirkung am besten entfalten, wenn die Bausteine<br />
„systemisch“ aufeinander abgestimmt seien.<br />
3. Menschenbild im Modell<br />
Arbeiter<br />
=> negatives Menschenbild (leistungsscheu, kalkulierend, leicht verführbar)<br />
=> Billiger Produktionsfaktor ohne höhere Bedürfnisse<br />
Führungskräfte:<br />
schlecht skizzierbar, insb. die motivationale Seite<br />
Informationsverarbeitungskapazität sei gering, daher vielgliedrige Arbeitsteilung (s.o)<br />
4. Relevanz des Modells<br />
Starke Beachtung in den letzten 100 Jahren,<br />
Modell ist Gegenteil von gutem Management, Taylorismus (wie andere „imus“) ist negativ besetzt,<br />
Zeit- <strong>und</strong> Bewegungsstudien haben überdauert (REFA-Verband, RKW leben davon),<br />
Erhebliche Arbeitsteilungen noch heute vorhanden,<br />
Leistungsorientierte Anreizsysteme, insb. im Management weit verbreitet,<br />
Standardisierte Hilfsmittel werde heute stark genutzt,<br />
Funktionsmeistersystem in der <strong>Organisation</strong>slehre ein feststehender Begriff (Mehrliniensystem),<br />
5. Kritische Würdigung<br />
Stärken<br />
• Auslöser einer weltweiten Rationalisierungsbewegung, die bis heute anhält,<br />
mit bedeutenden Kosteneinsparungen (Scientific Management = Rationalisierung)<br />
• Einführung des Experimentes in die Managementlehre, damit Vorstufe einer soliden<br />
wissenschaftlichen Betrachtung von unternehmerischen Gestaltungsprozessen,<br />
• Positive Elemente wie: Beleuchtungsverhältnisse, Qualifizierungen, Pausenregelungen,<br />
„Erfinder“ der Zeitzuschläge bei Ermüdung/Einarbeitung von Arbeitern,<br />
�<br />
17
Schwächen:<br />
• Kein neues Konzept (allerdings spezifischer)<br />
• Unausgewogenheit der verfolgten Ziele (Effizienzziel ggü. sozialen Zielen überbetont),<br />
• Vorwurf der Unwissenschaftlichkeit<br />
• Unrealistische Annahmen insb. im Menschenbild (AN haben sehr wohl Bedürfnisse ...)<br />
• Einzelbausteine: Starke Arbeitsteilung ist inhuman – Menschen streben zur Ganzheitlichkeit,<br />
• Funktionsmeistersystem bläht das mittlere Management auf,<br />
• Produktivitäts- <strong>und</strong> Effizienzgewinne nicht erreicht: AN überanstrengen sich, schädigen die<br />
Ges<strong>und</strong>heit, werden unzufrieden, verfügbares Qualifikationsniveau geht zurück,<br />
• Interessenausgleich AN-AG ist naiv,<br />
• das Konzept ist zu starr – es kennt nur eine - die extremste - Ausprägung,<br />
• Kein Modell für das Gesamtunternehmen, sondern nur für den Funktionsbereich<br />
„Produktivwirtschaft“,<br />
1.3.1.3 Henri Fayols Administrationstheorie<br />
(Primärliteratur:<br />
FAYOL, Henry (1916), Administration Industrielle et Générale)<br />
Fayols (1841-1925) Konzept ist mit Administrationstheorie unglücklich<br />
übersetzt. Weniger eine „spröde Verwaltung“ als vielmehr das Modell<br />
eines „geschmeidiges Managements“ wollte er vorlegen.<br />
Ebenso wenig ist es eine Theorie im wissenschaftlichen Sinne, da er<br />
keine empirischen Untersuchungen durchgeführt hat, sondern in sich<br />
<strong>und</strong> sein Unternehmen „hineinhörte“.<br />
Er wollte ein an Führungskräfte gerichtetes normatives Konzept<br />
vorlegen.<br />
1. Kontextueller Rahmen<br />
Fayol hat zur gleichen Zeit gewirkt wie Taylor:<br />
• Rascher technologischer Wandel mit verzögerter Anpassung der Menschen.<br />
• Unterschied: als Generaldirektor eines Bergbauunternehmens für das Gesamtunternehmen -<br />
nicht nur für einen Funktionsbereich – verantwortlich.<br />
Unternehmen haben sechs übergeordnete Funktionen:<br />
a) technische Funktion<br />
Erzeugung/Herstellung/Umformung von Marktleistungen (heute: Produktion).<br />
b) kaufmännische Funktion<br />
Einkauf, Verkauf <strong>und</strong> Tausch von Leistungen.<br />
c) Finanzfunktion<br />
Sorgt für angemessene Kapitalbeschaffung <strong>und</strong> –verwendung.<br />
d) Rechnungswesen<br />
Inventur, Bilanzerstellung, Selbstkostenermittlung, Erarbeitung von Statistiken als Aufgabe.<br />
e) Sicherheitsfunktion<br />
Schutz von Personen <strong>und</strong> des Vermögens des Unternehmens.<br />
f) Verwaltungs- <strong>und</strong> Administrationsfunktion<br />
Sorgt für das Management bzw. die Führung <strong>und</strong> <strong>Organisation</strong> des Unternehmens.<br />
�<br />
18
Fayol geht davon aus, dass diese übergeordneten Funktionen auch für andere Institutionentypen<br />
gültig sind. Er sieht sie in einem systemischen Gesamtverb<strong>und</strong> – sie können nicht unabhängig<br />
voneinander existieren. (vgl. Systemtheorie S. 34)<br />
Die übergeordneten Funktionen sind je nach Tätigkeit unterschiedlich gewichtet.<br />
�<br />
Abb. 2: Bedeutung der sechs übergeordneten Funktionen in Abhängigkeit<br />
von der hierarchischen Eingliederung einer Stelle (Quelle: WOLF, S. 99)<br />
Fayolsches Gesetz:<br />
Qualifikationsschwerpunkte untergeordneter Mitarbeiter (MA) liegen im fachlichen Bereich,<br />
die der Führungskräfte (FK) vorrangig in verwaltungsbezogenen Fähigkeiten.<br />
Fayol untersuchte weiterhin den Einfluss der Unternehmensgröße auf die Bedeutung der<br />
Verwaltungsfunktionen: mit zunehmender Größe steigt der Einfluss.<br />
Abb. 3: Bedeutung der sechs übergeordneten Funktionen in Abhängigkeit<br />
von der Institutionengröße (Quelle: WOLF, S. 100)<br />
Forderung nach Spezialisierung<br />
Aufgr<strong>und</strong> der Unternehmensgröße <strong>und</strong> der Position in der Hierarchie sowie der Bedeutung der<br />
sechs übergeordneten Funktionen postuliert Fayol, dass nicht jeder MA alles können muss.<br />
Darüber hinaus betont er, dass die Verwaltungsfunktion nicht nur eine Angelegenheit der<br />
Unternehmen-/Institutionsspitze sei. Sämtliche Mitglieder des Unternehmens sind für ihn Träger<br />
der Verwaltungsfunktion <strong>und</strong> damit Manager.<br />
19
�<br />
Abb. 4: Bedeutung der sechs übergeordneten Funktionen in Abhängigkeit<br />
von der horizontalen Positionierung einer Stelle (Quelle: WOLF, S. 101)<br />
Fayol stellte fest, das in der damalige „BWL“ zuwenig über die Administrationsfunktion bekannt sei.<br />
So findet sich in seinen Schriften vieles über diese, weniger über die anderen fünf übergeordneten<br />
Funktionen.<br />
2. Normative Aussagen des Konzeptes<br />
Fünf Teilfunktionen der Verwaltungs- <strong>und</strong> Managementfunktionen sowie<br />
14 Prinzipien als Richtschnur für FK bei der Erfüllung der Teilfunktionen<br />
I) Fünf Teilfunktionen der Verwaltungsfunktion<br />
Ablaufbezogene Teilschritte im Managementprozess, die (im Ideal) inhaltlich <strong>und</strong> zeitlich<br />
aufeinanderfolgen.<br />
a) Vorausschau <strong>und</strong> Planung<br />
Vorbereiten des Unternehmens auf eine ungewisse Zukunft. Schwierigste Aufgabe <strong>und</strong> zugleich<br />
effektivste Maßnahme zur Verbesserung der Verwaltungsfunktion.<br />
Teilaspekte:<br />
• Zukunftsprognose (passiv-beobachtend)<br />
• Erstellung Maßnahmenkatalog zur Zielerreichung (aktiv-gestaltend)<br />
Planung muss fortwährend, gleitend erfolgen (heute: flexible Planung).<br />
20
) <strong>Organisation</strong><br />
Planung (übergeordneter Zukunftsentwurf) <strong>und</strong> <strong>Organisation</strong> (ein “sich rüsten“) bereiten das<br />
eigentliche Handeln vor.<br />
Autoritäts- <strong>und</strong> Verantwortungslinien sind ein Kernelement der <strong>Organisation</strong>sfunktion.<br />
Eine damals hochaktuelle Frage war: wie viele MA kann eine FK führen?<br />
Fayol will darauf eine Antwort darauf finden:<br />
1. Entfaltung seiner Kontrollspannentheorie<br />
2. Überlegungen zur Organgliederung von Unternehmen<br />
3. Einrichtung von Leitungshilfestellungen<br />
Er spricht sich gegen eine einheitliche, auf allen Hierarchieebenen <strong>und</strong> Funktionsfeldern gleich<br />
groß ausgeprägte Kontrollspanne aus.<br />
<strong>Organisation</strong> als soziales Phänomen<br />
Unternehmen enthalten sowohl materielle als auch soziale Komponenten.<br />
Fayol wendet sich damit gegen ein am Bild einer Maschine ausgerichtetes<br />
<strong>Organisation</strong>sverständnis.<br />
c) Leitung bzw. Anweisung (Commandement)<br />
Nicht „kommandieren/befehlen“ vielmehr ein „In-Gang-Setzen“ der Planumsetzung.<br />
Ziel: die MA vom Zustand der Bereitschaft in denjenigen der Aktion zu bringen (= Motivation)<br />
Übergeordnet spricht man heute von Personalführung.<br />
Diese schwierige Aufgabe erleichtert die Einhaltung von Führungsgr<strong>und</strong>sätzen:<br />
• die Mitarbeiter sehr gut kennen,<br />
• die Übereinkünfte zw. MA <strong>und</strong> Unternehmen kennen,<br />
• ein gutes Beispiel geben,<br />
• die Betriebsgemeinschaft regelmäßig inspizieren,<br />
• sich um die Motivation der MA kümmern,<br />
• sich nicht in Einzelheiten verlieren.<br />
d) Koordination<br />
Damit ist die Abstimmung von Aktivitäten im Verlauf des Handlungsprozesses gemeint.<br />
Unterschiedliche Ressourcen <strong>und</strong> Teiltätigkeiten zeitlich, örtlich <strong>und</strong> sachlich in Einklang bringen.<br />
Mittel hierzu: Abteilungsleiterkonferenzen<br />
e) Kontrolle<br />
Vergleich der Handlungsergebnisse mit der ursprünglichen Zielsetzung um den Handlungserfolg<br />
festzustellen.<br />
• Kontrollen sind zwecks Schadenbegrenzung frühzeitig einzubauen,<br />
• Sie sind auf alle unternehmerischen Teilfunktionen bezogen,<br />
• Ggf. mit Sanktionen verb<strong>und</strong>en,<br />
• Rückkopplung an die Planung (um Lernprozesse zu ermöglichen),<br />
• Präzise Zuweisung von Kontrollkompetenzen an Personen/Einheiten<br />
�<br />
21
II) 14 Managementprinzipen<br />
Sie dienen der Ausgestaltung der fünf Teilfunktionen der Verwaltungsfunktion<br />
Eine an Prinzipien ausgerichtete Führung sei in allen Institutionen notwendig.<br />
Eine starre Handhabung der Prinzipien ist nicht wünschenswert.<br />
Nach dem Unschärfeprinzip abgefasst, ermöglichen sie Anpassungen an veränderte<br />
Rahmenbedingungen (= ansatzweise Offenheit für situatives Denken).<br />
Kein Vollständigkeitsanspruch seitens Fayols.<br />
a) Arbeitsteilung<br />
Arbeitsteilung in Form der Spezialisierung um Rationalisierungseffekte zu erzielen, die wiederum<br />
Leistungssteigerungen bewirken. Unterschied zu Taylor: wenn richtiges Maß überschritten wird,<br />
geht der Blick für das ganze verloren.<br />
b) Einheit der Auftragerteilung<br />
Zwei Einzelforderungen<br />
• Hierarchisch nachgelagerte Einheit soll nur von einer übergeordneten Instanz Weisungen<br />
erhalten<br />
• Weisungs- <strong>und</strong> Informationslinien sollen sich entlang des Instanzenwegs erstrecken<br />
Weisungen von oben nach unten, Informationslinien von unten nach oben.<br />
Nichtbefolgen führt zu Autoritätsverlust des Vorgesetzen, zerstört die Ordnung, gefährdet die<br />
Stabilität des Unternehmens.<br />
Nachteil ggü. Taylor: Universell Vorgesetzte weist nicht die gleiche Kompetenzvielfalt auf wie das<br />
Funktionsmeisterprinzip.<br />
Um diesen Nachteil auszugleichen – Einsatz von Stäben zu den Instanzen (Stab-Linien-System)<br />
c) Autorität <strong>und</strong> Verantwortung<br />
Autorität = das Recht, Anweisungen zu erteilen <strong>und</strong> Macht, Gehorsam zu verlangen.<br />
• statutarische Autorität: per Hierarchie (= Webers legale Herrschaft)<br />
• persönliche Autorität: per Intelligenz, Erfahrung, Charakter<br />
(=Webers charismatische Herrschaft)<br />
Erfolgreicher Vorgesetzter muss beide haben.<br />
Autorität verlangt Verantwortung – was bis heute auf sich warten lässt.<br />
„Die Übernahme von Verantwortung ist genauso sehr gefürchtet, wie der Besitz an Autorität<br />
angestrebt wird.<br />
d) Disziplin<br />
Wünschenswerte Eigenschaften wie gehorsam, Dienstbeflissenheit, gute Manieren, Respekt.<br />
Notwendig für den Unternehmenserfolg.<br />
Mangelnde Disziplin durch Unfähigkeit des Vorgesetzten.<br />
Vorbildfunktion<br />
Hohes Maß an Disziplin, wenn auf allen Positionen geeignete FK, gerechte Arbeitsverträge, klare<br />
Dienstordnung, fair eingesetzte Sanktionen.<br />
e) Einheit der Leitung<br />
Eine bestimmte Zuordnung von Sachaufgaben <strong>und</strong> Personen (eine Person <strong>und</strong> ein Plan für ein<br />
bestimmtes Ziel.<br />
�<br />
22
f) Unterordnung von Einzelinteressen<br />
Ausgeprägte Solidarität zw. Unternehmen <strong>und</strong> MA – indem sich Einzelinteressen dem<br />
Gesamtunternehmensinteresse unterordnen.<br />
g) Entlohnung des Personals<br />
Löhne als Preise der von MA geleisteten Dienste – muss angemessen <strong>und</strong> fair sein. Sonst können<br />
MA nicht zufrieden <strong>und</strong> motiviert sein. Auseinandersetzung mit verschiedenen Lohnformen<br />
(Zeitlohn, Akkordlohn, Prämienlohn) <strong>und</strong> Gewinnbeteiligungssystemen – keine Empfehlung.<br />
h) Zentralisation <strong>und</strong> Dezentralisation<br />
Zentralisation zwecks Einheit der Führung, jedoch Delegation an MA, wenn diese die Arbeit<br />
genauso gut erfüllen können. Optimaler Grad am Zentralisation stets situations- <strong>und</strong><br />
unternehmensspezifisch.<br />
i) Hierarchie bzw. Dienstweg / Skalare Kette<br />
Skalare Kette = Instanzenzug, beginnend mit der höchsten Autorität bis zur untersten<br />
Führungsebene. Sämtliche Informationen sollen entlang der Rangordnung verlaufen.<br />
Allerdings – s. staatl. Institutionen – führt dies zu langsamen Entscheidungsprozessen.<br />
Passerelle<br />
Wenn es auf Schnelligkeit ankommt: direkte horizontale Verbindung zwischen nachgelagerten<br />
Instanzen unterschiedlicher Hierarchiezweige für möglich <strong>und</strong> nötig => viel zitierter Fayolsche<br />
Brückenschlag. (Anmerk. Dewitz: kurzer Dienstweg).<br />
j) Ordnung<br />
Materielle <strong>und</strong> soziale Ordnung<br />
„Jedem Mitarbeiter <strong>und</strong> jedem Ding seinen Platz <strong>und</strong> alles auf seinem Platz“<br />
k) Billigkeit<br />
Nicht alles kann vertraglich festgehalten werden (Gerechtigkeit). Daher: Reservoir aus<br />
Fre<strong>und</strong>lichkeit, Vertrauen, Willigkeit <strong>und</strong> Wohlwollen sämtlicher Betriebsangehöriger nötig.<br />
Gerechtigkeit <strong>und</strong> Reservoir = Billigkeit.<br />
l) Stabilität des Personals<br />
Personal = Schlüsselressource des Unternehmens. Bestand ist stetig zu halten,<br />
Personalfluktuation aus Kostengründen zu vermeiden.<br />
�<br />
=> Personalauswahl <strong>und</strong> –entwicklung als wichtigste Tätigkeit der Unternehmensleitung<br />
m) Initiative<br />
Kraft seitens der MA, einen Plan zu entwerfen <strong>und</strong> dessen Ziel umzusetzen<br />
Essenziell weil:<br />
• gem. humanistischem Menschenbild: Selbstverwirklichung ist die größte Erfüllung reifer<br />
Menschen,<br />
• Initiative als die Quelle der Unternehmensstärke<br />
=> Jedem MA die Möglichkeit zur Initiative geben.<br />
n) Gemeinschaftsgeist<br />
Harmonie <strong>und</strong> Einigkeit der MA = Urquell der Unternehmensstärke => Aufgabe der<br />
Unternehmensleitung.<br />
Fayol als Vorläufer des Vertreters der Unternehmenskultur.<br />
Bsp.: Google => Anhang 2<br />
Die Kriterien sind als Orientierungshilfen <strong>und</strong> nicht als absolute Verhaltensmaxime zu sehen.<br />
23
3. Kritische Würdigung<br />
Stärken<br />
• Wissenschaftliche Behandlung von Fragen des Managements ist angemessen,<br />
• Fayols Konzept weitaus umfassender als das von Taylor,<br />
• Humane Züge in der Managementdoktrin,<br />
• Hoher Innovationsgehalt des Konzeptes<br />
- erste systematische Konzeptualisierung der Managementfunktionen,<br />
- erster Entwurf einer Managementlehre,<br />
- erstes Konzept der organisationswissenschaftlichen Gr<strong>und</strong>funktionen „Spezialisierung“<br />
<strong>und</strong> „Koordination“,<br />
- zentrale Bedeutung der personellen Ressourcen für Unternehmen erkannt<br />
• Prozessdenken als interessante Sichtweise,<br />
• Suche nach Prinzipien des Managements,<br />
• Fayols Konzept noch heute sehr modern.<br />
Schwächen<br />
• geringe statistisch-empirische Absicherung der Aussagen,<br />
• Einige der Prinzipien widersprechen sich (z.B. Zentralisation-Initiative),<br />
• Die Prinzipien seien unspezifisch – Binsenweisheiten,<br />
• Das Konzept sei unzulässigerweise universell angelegt,<br />
• Im Konzept hat die Umwelt keinen Platz gef<strong>und</strong>en,<br />
• Fayol habe sich auf die formalen Aspekte von Management beschränkt,<br />
• Das Thema Konflikte in Unternehmen ist ausgeblendet,<br />
•<br />
1.3.1.4 Gemeinsamkeiten <strong>und</strong> Unterschiede der Klassiker<br />
Zeitüberdauernde Gültigkeit<br />
Zahlreiche Elemente sind noch heute voll gültig, wie:<br />
�<br />
• gezielte Nutzung von Spezialisierungsvorteilen,<br />
• funktionale Ausdifferenzierung der Managementfunktion,<br />
• Bemühungen um Standardisierung <strong>und</strong> Routine von Handlungsprozessen,<br />
• Streben nach einer legalen F<strong>und</strong>ierung von Herrschaftsprozessen.<br />
Gemeinsamkeiten<br />
• Bemühen um Regelhaftigkeit <strong>und</strong> Präzision,<br />
• Betrachtung von <strong>Organisation</strong>en als zweckrationale Gebilde,<br />
• Problemlösen nicht über den Menschen <strong>und</strong> dessen Handlungen <strong>und</strong> Interaktionen<br />
sondern über die Aufgaben der <strong>Organisation</strong>,<br />
• Bewährte Praxis als Ausgangspunkt der Konzeptentwürfe,<br />
• Aufzeigen, dass <strong>Organisation</strong>en unterschiedlichen Typs gewisse gleichartige<br />
Strukturmerkmale aufweisen,<br />
• Erfolg der untersuchten Institution ist auf ganzheitliche Abstimmung von bestimmten<br />
Ausprägungen der Einzelmerkmale zurückzuführen,<br />
• Bereitgestellte Leitbilder sind einfach gehalten.<br />
24
Unterschiede<br />
Vergleichkriterien Bürokratie- Scientific Administrations-<br />
Modell Management theorie<br />
Untersuchter Staat Unternehmen Unternehmen<br />
Institutionentyp<br />
Untersuchte alle niedrige(re) alle, Schwerpunkt<br />
hierarchische Hierarchie- Hierarchie- Top-Management<br />
Ebene Ebenen Ebenen<br />
Untersuchter kein spezieller Produktions- Verwaltungs-<br />
Funktionsbereich Bereich bereich bereich<br />
Art der empirischen verstehend orthodox (soweit überhaupt<br />
F<strong>und</strong>ierung des erklärend vorhanden: eher<br />
Konzeptes erklärend)<br />
Universalität der sehr hoch, ebenfalls s. hoch geringer als bei<br />
bereitgestellten entworfene Regeln da jedoch methoden- Weber <strong>und</strong> Taylor,<br />
Aussagen sind absolut bezogene Empfehlg: da Prinzipien elastisch<br />
etwas geringer als formuliert<br />
bei Weber<br />
Bedeutung der relativ relativ relativ<br />
Methodenaussagen gering hoch gering<br />
innerhalb der<br />
Konzeptelemente<br />
Präferiertes Einlinien- Mehrlinien- Einliniensystem<br />
organisatorisches System System jedoch: Stab-Linien-<br />
Leitungssystem System<br />
Präferierte legale legale legale <strong>und</strong> persönliche<br />
Herrschafts- bzw. Herrschaft Herrschaft Herrschaft<br />
Autoritätsform<br />
Berücksichtigung nicht nicht vorhanden<br />
informaler Aspekte vorhanden vorhanden<br />
im Konzept<br />
Vorgeschlagener keine von unten von oben<br />
Ausgangspunkt Aussage (der Werkstatt (der Hierarchie-<br />
der Rationalisierungs- möglich aus) spitze aus)<br />
bemühungen<br />
Ort der größten Hochschulen Praxis Hochschulen<br />
Resonanz/Weiter- (<strong>und</strong> Praxis)<br />
entwicklung des<br />
Konzeptes<br />
�<br />
25
�<br />
Verständnisfragen:<br />
1. Was versteht Weber unter Herrschaft <strong>und</strong> welche Herrschaftsformen differenziert er aus?<br />
2. Welche Kritik wird am Bürokratiemodell geübt?<br />
3. Welche übergeordneten Leitgedanken stellt Taylor in seinem Scientific Management an?<br />
4. Welche Einzelbausteine prägen das Konzept von Taylor?<br />
5. Welche Elemente der Taylorschen Aussagen sind heute noch in Unternehmen präsent?<br />
6. Erläutern Sie die von Fayol identifizierten sechs übergeordneten Unternehmensfunktionen.<br />
7. Welche Bedeutung schreibt er diesen allgemein Funktionen zu <strong>und</strong> warum setzt er sich vertieft<br />
mit der sechsten Funktion auseinander?<br />
8. Beschreiben Sie die fünf Teilfunktionen <strong>und</strong> zeigen Sie, wie diese aufeinander aufbauen?<br />
9. Welche Kritik wurde an der Administrationstheorie geübt?<br />
1.3.2 Präskriptive Entscheidungstheorie<br />
Präskriptive Entscheidungstheorie<br />
Ältere Form, auch Entscheidungslogik, formale oder normative Entscheidungstheorie.<br />
Versucht, Vorschläge für ein idealtypisches Verhalten von Entscheidungsträgern bereitzustellen.<br />
Sieht in der Rationalität das Besondere im Menschen.<br />
Deskriptive Entscheidungstheorie<br />
Untersucht das tatsächliche Verhalten von Akteuren in Entscheidungssituationen.<br />
Scientific Management als Gr<strong>und</strong>lage.<br />
Acht generelle Merkmale<br />
• Entscheidungen im Mittelpunkt<br />
• Konzentration auf den Entscheidungsakt<br />
• Berücksichtigung des Kontexts<br />
• Rationales Handeln: Homo oeconomicus<br />
• Normatives Anliegen<br />
• Formale Problembehandlung<br />
• Untersuchung formaler <strong>Organisation</strong>sbestandteile<br />
• Vereinfachende Annahmen<br />
Entscheidungssituationen sind aus drei Komponenten zusammengesetzt:<br />
1. Die möglichen Handlungsalternativen<br />
2. Die möglichen Umweltzustände<br />
3. Die Konsequenzen bei Realisierung einer Handlungsalternative<br />
im Falle eines bestimmten Umweltzustandes.<br />
Varianten finden sich in der Teamtheorie <strong>und</strong> der Spieltheorie.<br />
26
1.3.3 Systemtheorie<br />
Vertreter wollen eine allgemeine Theorie über (soziale) Systeme bereitstellen. Angestrebt werden<br />
Aussagen über Gemeinsamkeiten/verbindende Elemente der Objektbereiche (Systeme)<br />
unterschiedlicher Wissenschaftsdisziplinen.<br />
1.3.3.1 Der Systembegriff<br />
Alltagssprachlich kann sich fast jeder eine Vorstellung von System machen.<br />
Begriffliche Unklarheit<br />
z.B. diejenige von WILKE ... „der Systembegriff der neueren Systemtheorie nicht mehr nur ein<br />
Netz von Beziehungen bezeichnet, welches Teile zu einem Ganzen zusammenordnet; vielmehr<br />
wird unter System ein Netz zusammengehöriger Operationen verstanden, die sich von nichtdazugehörenden<br />
Operationen abgrenzen lassen.“ (in: WOLF, S. 159)<br />
Sehr bekannt Bertalanffys Umschreibung:<br />
Ein System ist „eine Menge von Elementen, zwischen denen Beziehungen bestehen oder<br />
hergestellt werden können.“ (in: WOLF, S. 159).<br />
=> bis heute kein einheitliches Verständnis dieses zentralen Begriffes vorhanden<br />
Charakterisierung des Begriffes anhand von fünf Kernmerkmalen<br />
a) Elemente<br />
Systeme bestehen aus Elementen (oder Merkmalen), die bestimmte Eigenschaften aufweisen.<br />
Diese sind elementtypisch; ermöglichen die Angrenzung zu anderen Systemen.<br />
Bsp. Unternehmen:<br />
Elemente sind: Abteilungen, Funktionsbereiche, MA, Werke, Maschinen, Auslandsgesellschaften,<br />
Verfahrensweisen, etc.<br />
Die Eigenschaft einer Auslandsgesellschaft ist z.B. ihr Standort, die dortige Führungskompetenz,<br />
die Finanzmittelausstattung oder die Sozialstruktur der MA.<br />
b) Beziehungsvielfalt<br />
Zwischen den Elementen, Subsystemen etc. von Systemen findet sich eine große Zahl an<br />
vielfältigen Beziehungen, z.B.<br />
�<br />
• Ergonomie = Beziehung zw. Element Mensch(gerecht) <strong>und</strong> Maschine<br />
• Versetzung eines MA bestimmt die Beziehungen zw. Elementen <strong>und</strong> Subsystemen (Abtlg.)<br />
neu<br />
Die Beziehungen können den Austausch von Energie, Materie oder Informationen zum<br />
Gegenstand haben.<br />
c) Hierarchische Gliederung<br />
Innerhalb der Systemelemente besteht eine hierarchische Gliederung. Allerdings sind nicht alle<br />
über- oder untergeordnet; viele liegen auf derselben Ebene:<br />
• MA <strong>und</strong> Maschinen als kleinste Analyseeinheit<br />
• Werke oder Auslandsgesellschaften hoch aggregierte Verbindungen<br />
Wegen der hierarchischen Unterschiede ist es nötig, zwischen Elementen, Subsystemen, System,<br />
Supersystem, Super-Supersystem zu differenzieren, ohne das sich immer festlegen lässt, was als<br />
was anzusprechen ist.<br />
27
d) Systemzustände<br />
Elemente, Subsystemen etc. sowie deren Beziehungen bestimmen die Zustände <strong>und</strong><br />
Verhaltensweisen des Systems.<br />
D.h.<br />
• Systeme sind als Ganzheit zu begreifen, sind aber nicht ganzheitlich ausgeprägt.<br />
• die Systemzustände <strong>und</strong> –verhaltensweisen sind aufgr<strong>und</strong> der Veränderlichkeit der<br />
Elemente, Subsystem etc. <strong>und</strong> deren Beziehungen einem Wandel unterworfen.<br />
(z.B. kann das Ausscheiden eines MA eine Verhaltensänderung der Gruppe bewirken.)<br />
e) Systemstruktur<br />
Die Systemstruktur ist das Beziehungsgefüge zwischen den Elementen, Subsystemen etc.<br />
Die Beziehungen sind zwar nicht völlig zeitstabil, doch verfallen sie auch nicht gleich nach ihrem<br />
entstehen.<br />
In Systemen ist also nicht alles im Fluss, weshalb in Systemen eine gewisse Ordnung existiert,<br />
z.B. MA bleiben längere zeit in einer Abtlg, K<strong>und</strong>en wissen bei Reklamationen wen sie anrufen<br />
müssen etc.<br />
Systeme mit diesen fünf Merkmalen existieren überall <strong>und</strong> nicht nur dort, wo eine bewusste<br />
formale Regelung von Strukturen <strong>und</strong> Prozessen vorliegt.<br />
1.3.3.2 Historische Entwicklung<br />
Wurzeln der Systemtheorie bis zum Beginn des wissenschaftlichen Denkens.<br />
Abendländische Philosophie vermutete eine komplexe Ordnung <strong>und</strong> plädierte für eine<br />
ganzheitliche Weltsicht (Holismus):<br />
Aristoteles: „Das Ganze ist mehr als die Summe seiner Teile.“<br />
Heraklit: „Aus Allem wird Eines <strong>und</strong> aus Einem wird Alles.“<br />
d.h.:<br />
• Ganzheiten besitzen eine Qualität, die nicht auf der Ebene <strong>und</strong> in den Begriffen von<br />
Einzelheiten analysierbar/verstehbar ist,<br />
• Prozess, Form <strong>und</strong> Beziehung sind das Wichtigste von Ganzheiten,<br />
• Phänomene können nur unter Berücksichtigung ihres Kontextes verstanden werden.<br />
Die holistische Weltsicht blieb über viele Jahrh<strong>und</strong>erte unspezifisch. Es fehlten geeignete<br />
Methoden für eine Konkretisierung der Systemidee.<br />
Atomismus als Gegenbewegung zum Holismus<br />
Demokrit erkannte nur Materie <strong>und</strong> Bewegung als real an; das Ganze ist die Summe seiner Teile,<br />
lebende Systeme reduziert auf organische Materie.<br />
Aufleben der Systemtheorie im 20. Jhd<br />
Die Hauptvertreter bemühten sich – im Ggs. zum Altertum – um die Entwicklung einer formalen<br />
mathematischen F<strong>und</strong>ierung des systemischen Denkens.<br />
Wichtige Vertreter sind neben BARTALANFFY (Schlüsselpublikation 1968, 1972), BARNARD<br />
(1938), WIENER (1948, Urvater der Kybernetik), PARSONS (1960, 1964), LUHMANN sowie<br />
ULRICH (1968, St. Galler Modell)<br />
Zwei Schwerpunkte:<br />
General Systems Theory <strong>und</strong> Kybernetik (experimentelle Erkenntnistheorie, anwendungsbezogen<br />
<strong>und</strong> stärker mathematisiert).<br />
Probleme zu Beginn des 20. Jhd. aufgr<strong>und</strong> der Komplexität nicht mit einfachen Konzepten lösbar.<br />
Z.B. zunehmende Größe <strong>und</strong> Heterogenität von Unternehmen oder der Wandel von Verkäufer zu<br />
Käufermärkten.<br />
�<br />
28
1.3.3.3. OMU-relevante Gr<strong>und</strong>aussagen<br />
Die fünf Kernmerkmale charakterisieren Systeme. Für die Theorien im betriebswirtschaftlichen<br />
Bereich werden zehn Gr<strong>und</strong>aussagen der Systemtheorie übernommen.<br />
Zehn Gr<strong>und</strong>aussagen<br />
a) Systemoffenheit<br />
Die moderne Systemtheorie beschäftigt sich mit „offenen Systemen“. Sie definieren sich nach<br />
einem „Innen“ (Insystem) <strong>und</strong> „Außen“ (Umsystem, Umwelt) <strong>und</strong> pflegen zwischen diesen einen<br />
intensiven Austausch materieller <strong>und</strong> immaterieller Ressourcen.<br />
z.B. Ressourcenaustausch im Unternehmen: personelle Fähigkeiten oder Roh- <strong>und</strong> Hilfsstoffe.<br />
Handlungen verfolgen nicht einseitige Ziele wie z.B. die der Kapitaleigner, sondern auch<br />
ökologische, ethische, politische, technologische u.a. Ziele anderer Interessengruppen.<br />
Systeminterne wie systemexterne Beziehungen werden in die Analysen einbezogen, weil die<br />
Komplexität eines Systems entscheiden von der Außenorientierung abhängt. Daher ist eine<br />
differenzierte Umweltbetrachtung nötig.<br />
Systemgrenzen<br />
Systemgrenzen kommen zwangsläufig bei der Beschäftigung mit offenen Systemen. Elemente,<br />
Teileinheiten etc. sind durch Mitgliedschaft in mehreren Systemen gekennzeichnet.<br />
Für die Bestimmung der Systemgrenze empfiehlt sich die Untersuchung der Interaktionsdichte.<br />
Einem System werden die Elemente etc. zugewiesen, die im Vergleich zu anderen eine höhere<br />
Interaktionsdichte aufweisen.<br />
b) Systemkomplexität<br />
Komplexität als dominante Eigenschaft von Systemen; besonders in sozialen Systemen<br />
allgegenwärtig <strong>und</strong> daher zentraler Punkt der gesamten Theoriebildung.<br />
Drei Merkmale von Komplexität<br />
• Vielschichtigkeit:<br />
Niveau an funktionaler Differenzierung des Systems.<br />
• Vernetzung:<br />
Art <strong>und</strong> Ausmaß wechselseitiger Abhängigkeiten zwischen Systemteilen, den Teilen <strong>und</strong><br />
dem Ganzen sowie zwischen System-Systemteilen-Umwelt.<br />
Abhängig von Vielschichtigkeit = je höher die funkt. Differenzierung, desto höher die<br />
wechselseitigen Abhängigkeiten.<br />
• Folgelastigkeit:<br />
Anzahl <strong>und</strong> Gewicht, der durch eine bestimmte Handlung in Gang gesetzten Kausalketten<br />
<strong>und</strong> Folgeprozesse inner- <strong>und</strong> außerhalb des Systems.<br />
c) Ganzheitlichkeit<br />
Ganzheitliches Denken, da isolierte Betrachtung einzelner Teile, Fakten, Phänomene <strong>und</strong><br />
Merkmale von Systemen wenig hilfreich erscheint. Angemessener ist die Untersuchung des<br />
Gesamtspektrums der<br />
• Ursachen <strong>und</strong> Bedingungen, die die Phänomene <strong>und</strong> Merkmale hervorgebracht haben,<br />
• Konsequenzen, die durch diese bedingt sind.<br />
Begründung: jedes Systemteil ist nur in seiner Funktion für das Ganze verständlich.<br />
�<br />
29
d) Systemspezifische Kontingenz (prinzipielle Offenheit <strong>und</strong> Ungewissheit menschlicher Lebenserfahrungen)<br />
D.h., es ist nicht möglich, einzelfallübergreifende Wirkungsmuster zwischen Kontexten<br />
Gestaltungsformen <strong>und</strong> Wirkungen zu identifizieren.<br />
Unwahrscheinlich auch,<br />
• gleichförmige Verbindungen zw. Variablen (allenfalls in ein <strong>und</strong> demselben Unternehmen),<br />
• Existenz gleichartiger Wirkungsstrukturen aufgr<strong>und</strong> der in Unternehmen bestehenden<br />
Freiheitsgrade in der Entscheidungsfindung,<br />
• das die Art von Wirkungszusammenhängen über die Zeit stabil bleibt.<br />
Fazit:<br />
Die innerhalb <strong>und</strong> außerhalb von Systemen bestehenden Wechselbeziehungen lassen sich nur im<br />
Hinblick auf das jeweilige System <strong>und</strong> die jeweilige Situation formulieren = spezifisch.<br />
In diese Einschätzung liegt der wesentliche Unterschied zur Situationstheorie (s. S. 34).<br />
e) Subsystembildung<br />
Subsystembildung als Möglichkeit von Systemen, Komplexität <strong>und</strong> Ungewissheit zu beherrschen.<br />
(Neben anderen Möglichkeiten wie Standardisierung/Institutionalisierung von Wahrnehmungs- <strong>und</strong><br />
Verhaltensweisen, jedoch geringere Bedeutung.)<br />
Law of requisite variety<br />
Angemessenes Ausmaß an Subsystembildung (n. ASHBY):<br />
Danach sind jene Systeme überlebensfähig, deren Ausmaß an Eigenkomplexität (interner Varietät<br />
<strong>und</strong> Interdependenz) der Komplexität der sie umgebenden Umwelt entspricht.<br />
Daher wird vermutet, dass soziale Systeme ihre Eigenkomplexität verändern <strong>und</strong> an die<br />
Fremdkomplexität ihrer Umwelt anpassen können.<br />
Bsp.: Siemens/E-Plus => Anhang 3<br />
Konzept der lose gekoppelten Systeme<br />
Kernmerkmale:<br />
• modular aus mehreren Teilsystemen (Systemelementen) aufgebaut, zwischen denen<br />
• eine eingeschränkte Verb<strong>und</strong>enheit besteht,<br />
• die Handlungsprogramme der Teilsysteme sind relativ unabhängig voneinander.<br />
�<br />
= > Teilsysteme verhalten sich eigenbestimmt, mit spontanen Veränderungen.<br />
Nur ein System, das sowohl als Ganzes reaktionsfähig, als auch in seinen Elementen einzigartig<br />
<strong>und</strong> klar unterscheidbar ist, wird als lose gekoppeltes System bezeichnet.<br />
Vorteile lose gekoppelter Systeme:<br />
• Verminderung der Wahrscheinlichkeit, dass das gesamte System auf kleinste<br />
Umweltänderungen in der Gesamtheit <strong>und</strong> damit überzogen <strong>und</strong> ressourcenverschwenderisch<br />
reagiert. Veränderungen federt der Mikrokosmos ab,<br />
• Ausgeprägte Anpassungsfähigkeit an spezifische Teilsystemumwelten,<br />
• Hohe Wahrnehmungsfähigkeit für die Systemumwelten,<br />
• Potential, größere Anzahl von neuen Lösungen, Innovationen <strong>und</strong> Improvisationen zu<br />
generieren <strong>und</strong> vorzuhalten,<br />
• Störungen sind im Bereich des Teilsystems lösbar <strong>und</strong> gefährden nicht das Gesamtsystem,<br />
• Den Systemmitgliedern bleibt viel Raum zur Selbstgestaltung,<br />
Förderung des Gefühls hoher Wirksamkeit,<br />
• Reduktion des Koordinationsbedarfs im Gesamtsystem.<br />
30
f) Symbolische Strukturen <strong>und</strong> Sinn<br />
Mit der Bildung symbolischer Strukturen <strong>und</strong> Sinn wird in menschenzentrierten sozialen Systemen<br />
die Beherrschung von Komplexität <strong>und</strong> Ungewissheit genutzt.<br />
Verständigung auf die systemtragenden Werte, Ideale, Ideen, Präferenzen etc.<br />
Durch gegenseitig verstehbareres Handeln entsteht ein übergeordneter Zusammenhalt.<br />
Sinn ermöglicht für die Beteiligten die Orientierung in komplexes Systemen <strong>und</strong> Umwelten.<br />
Viele Unternehmen bestimmen sorgfältig die Werte in der Unternehmenskultur mit dem Ziel, dass<br />
sich möglichst viele MA wiederfinden.<br />
g) Wandel im Zeitablauf<br />
Die Austauschbeziehungen zwischen System <strong>und</strong> Umwelt sind im Zeitablauf einem Wandel<br />
unterzogen, der i.d.R. eine Anpassung der systeminternen Prozesse erfordert.<br />
Menschenzentrierte soziale Systeme zeichnen sich durch Strukturveränderung oder –anpassung<br />
an neue Umweltbedingungen aus.<br />
Mit Simulationsverfahren oder System-Dynamic-Methoden wird die Veränderung der<br />
Austauschbeziehungen zw. System <strong>und</strong> Umwelt untersucht.<br />
Bsp.:<br />
Ersetzen von Produktionsfaktoren, Wechsel von Lieferanten, Aufteilung von Zuständigkeiten etc.<br />
Fliesgleichgewicht<br />
Offene Systeme sind in der Lage, ein „Fließgleichgewicht“ zu erreichen <strong>und</strong> zu bewahren.<br />
D.h.:<br />
• Systeme haben die Fähigkeit, bei Störungen in einen Gleichgewichtszustand<br />
zurückzukehren,<br />
• bestimmte gr<strong>und</strong>legende Systembeziehungen bleiben bei Systemänderungen stabil,<br />
• die aus dem System ein- <strong>und</strong> ausfließenden Größen bauen sich nicht durch den Austausch<br />
ab,<br />
• Strömungsgrößen im System, zwischen System <strong>und</strong> Umwelt sind nicht gleich Null,<br />
jedoch die Stromgrößenveränderung in der Zeit ist gleich Null.<br />
Bsp.: TUI => Anhang 4<br />
h) Entropie<br />
Maßgröße zur Bestimmung der bestehenden Unordnung in Systemen.<br />
Je geringer der Ordnungsgrad, desto höher die Entropie.<br />
Offene, fließgleichgewichtete Systeme zeichnen sich durch ein Halten bzw. den Abbau der<br />
Entropie (im Vgl. zu geschlossenen Systemen) sowie einer geringeren Systementropie ggü. der<br />
Umwelt aus.<br />
Bsp.: Stausee – trotz Zu- <strong>und</strong> Abfluss bleibt Wasserspiegel gleich.<br />
Zwei Formen zum Erreichen des Fließgleichgewichts:<br />
�<br />
• Steuerung:<br />
Einflussnahme im Störfall auf einen Prozess, ohne das Verhältnis von Ausgangs- <strong>und</strong><br />
Zielgröße zu berücksichtigen. Handeln auf Verdacht.<br />
• Regelung:<br />
Einwirken mittels Durchführung einer Serie von Soll-Ist-Vergleichen.<br />
Nicht auf Verdacht, sondern durch zielannähernde Prozesse.<br />
Bei der Steuerung, nicht jedoch bei der Regelung, müssen (1) die Störungen als auch (2) die<br />
Zuordnung von Steuerungsmaßnahmen zu Störungen bekannt sein.<br />
Bsp.: Südzucker => Anhang 5<br />
31
i) Praxisnähe<br />
Systemtheoretiker plädieren für eine große Praxisnähe <strong>und</strong> eine gestaltungsorientierte Ausrichtung<br />
der OMU-Wissenschaft. Verständnis als Mittler zw. Theorie <strong>und</strong> Praxis.<br />
Praxisnähe, weil:<br />
• Ausprägung von Systemen <strong>und</strong> ihren Elementen, Teilbereichen etc. durch eine Vielzahl<br />
von Verursachungsfaktoren begründet sind,<br />
• die Beziehungen zw. Elementen, Teileinheiten etc. von System zu System variieren<br />
j) Interdisziplinarität<br />
OMU-Fragen sollen durch Forschergruppen bearbeitet werden, weil viele Sachprobleme der<br />
Gegenwart disziplinübergreifend sind.<br />
1.3.3.4 Betriebswirtschaftliche Varianten der Systemtheorie<br />
Dargestellt werden je eine amerikanische <strong>und</strong> eine deutsche Variante<br />
1.) Chester Barnards Funktionen von Führungskräften<br />
Bernard (1886-1961) begründete die beherrschende amerikanische systemische Konzeption mit<br />
seinem Werk „The Functions of the Executives“ (1938).<br />
Im Mittelpunkt sieht er die (Spitzen)Führungskraft, weil diese mittels dreier Funktionen den Erfolg<br />
von Unternehmen beeinflussen kann.<br />
Drei Managerfunktionen<br />
• Kommunikation:<br />
Kurze Kommunikationswege zw. Unternehmensteilen; Neue <strong>Organisation</strong>stheorie die<br />
die <strong>Organisation</strong>sstrukturen als Kommunikationsnetze bzw. –systeme auffasst.<br />
Hohe Bedeutung informeller Kommunikationskanäle.<br />
• Personal:<br />
Vorgesetzte genießen Autorität insoweit, wie MA bereit sind, diese zu akzeptieren.<br />
Erfolgreich sind also jene Unternehmen, deren FK einen Interessenausgleich bewirken <strong>und</strong><br />
ihren Individuen/Gruppen hinreichende Kooperationsanreize gewähren.<br />
• Motivation:<br />
FK sollen<br />
- nicht Quelle von Anweisungen, sonder Vordenker von Werthaltungen bzw.<br />
eines „general purpose“ des Unternehmens sein.<br />
- die zw. Individuen <strong>und</strong> Gruppen bestehenden Beziehungen pflegen.<br />
2.) Ulrichs Unternehmen als produktives soziales System<br />
Hans Ulrich (1919-1997) veröffentlichte 1968 sein Standardwerk „ Die Unternehmung als<br />
produktives soziales System“ als Gr<strong>und</strong>lage einer allgemeinen Unternehmenslehre.<br />
Unternehmen sind<br />
- produktiv, weil sie ohne leistungswirtschaftliche Ziele nicht denkbar sind,<br />
- sozial, weil Menschen die Hauptakteure des Geschehens sind.<br />
St. Galler Management Modell<br />
Ordnungsgerüst für ganzheitliche Erfassung <strong>und</strong> Integration von Aspekten <strong>und</strong> Problemen der<br />
Unternehmensführung. Im Zentrum steht die FK als Handlungsträger, eingebettet in einen<br />
komplexen Kontext.<br />
�<br />
32
Die Komplexität des Systems resultiert aus drei Komponenten:<br />
�<br />
• Umwelt:<br />
Unternehmen sind mehr als Wirtschaftssubjekte; sind Teil der Gesellschaft.<br />
Sie haben für die Gesellschaft bestimmte Zwecke zu erfüllen <strong>und</strong> nutzen zu stiften.<br />
Unternehmensführung setzt daher sorgfältige Umweltanalyse voraus.<br />
• Unternehmen:<br />
Im Unternehmenskonzept werden die, auf den gesellschaftliche Zweck abgestimmten<br />
Unternehmensziele festgelegt. Teilkonzepte definieren Teilziele in leistungswirtschaftlichen,<br />
finanzwirtschaftlichen <strong>und</strong> sozialen Gesichtpunkten.<br />
• Führung:<br />
Führungskonzept hat mehrer Teilaspekte der Unternehmensführung zum Gegenstand<br />
(Führungstechniken, <strong>Organisation</strong> <strong>und</strong> FK).<br />
Unternehmensführung ist mehr als Menschenführung - erforderlich ist insb. eine Steuerung<br />
des Systems an sich.<br />
Beurteilung<br />
Stärken des Modells weniger im Innovationsgehalt als mehr in der ausgeprägten<br />
Systematisierungsleistung.<br />
Weniger neuartig als Barnards Werk <strong>und</strong> Übermenge an Teilkontexten uns Sphären<br />
-> wirkt eher analytisch als integrierend.<br />
1.3.3.5 Abgrenzung zu den Klassikern der OMU-Theorien<br />
Beträchtliche Unterschiede der Systemtheorie zu den Klassikern von Weber, Taylor <strong>und</strong> Fayol.<br />
• Universalität:<br />
Systemtheoretiker erkennen die Unmöglichkeit, universell gültige Prinzipien abzuleiten<br />
(wegen der komplexen Interdependenz von Systemen, ihren Teilen <strong>und</strong> ihrer Umwelt).<br />
Materiell-Inhaltliche Aussagen über die in Systemen bestehenden Wirkungsstrukturen<br />
sind immer auf den Einzelfall bezogen (-> Differenz zu den Klassikern).<br />
• Begrenzte Rationalität<br />
Ein im Systemkontext Tätiger kann nicht dasselbe Rationalitätsniveau erreichen, wie es<br />
bei den Klassikern vermutet wurde.<br />
Dies liegt an der Vielschichtigkeit der im System bestehenden Wirkungsbeziehungen <strong>und</strong><br />
der von Systemikern vermuteten Zielpluralität. Beim Anstreben mehrerer übergeordneter<br />
Ziele ist ein Abwägen erforderlich, für das keine Referenzpunkte mehr zur Verfügung stehen.<br />
Das Abwägen erfolgt nach den Wertvorstellungen des Akteurs.<br />
1.3.3.6 Kritische Würdigung<br />
Stärken:<br />
• Universalität des Ansatzes / F<strong>und</strong>amentales Bezugsproblem der Komplexität,<br />
• Nicht untersuchungsfeldspezifisch bzw. disziplinär geb<strong>und</strong>en,<br />
• Akzent auf Multikausalität <strong>und</strong> Vernetztheit von Ereignisfolgen,<br />
• Vermutung, dass Ursachen wie Wirkungen auf unterschiedlichen Ebenen<br />
(ökonomisch, technisch, rechtlich, sozial) angelagert sein können.<br />
• Hinweis auf die hohe Bedeutung der Unternehmensumwelt,<br />
• Hinweis auf die Systemdynamik <strong>und</strong> die Frage nach der Anpassungsfähigkeit<br />
von Unternehmen,<br />
• Gestaltungsformen im OMU-Bereich sind nur z.T. Ergebnis eines rationalen<br />
geplanten Handelns.<br />
33
Schwächen:<br />
• Abstraktheit der Systemtheorie wird beklagt,<br />
Aussagen seien unspezifiziert, keine Hinweise auf Adaptions- <strong>und</strong> Verbesserungsfähigkeit<br />
• Systemtheorie sei schwierig, kompliziert bis unverständlich <strong>und</strong> frustrierend,<br />
• Formulierte Systemziele sind äußerst vage (Systemerhaltung/Systemüberleben),<br />
• Armut an empirischen Untersuchungen mangels unzureichendem Methodenapparat,<br />
• Mangel an sozialwissenschaftlicher/ökonomischer F<strong>und</strong>ierung,<br />
• Zu geringe strukturelle Gleichartigkeit von natürlichen Systemen (Erkenntnisquelle) mit<br />
gesellschaftlichen <strong>und</strong> ökonomischen Systemen,<br />
• Systemtheoretische Arbeiten sind inhaltlich nicht ergiebig<br />
�<br />
Verständnisfragen:<br />
1. Erläutern Sie die fünf Kernmerkmale des Systembegriffs.<br />
2. Erläutern Sie die zehn Gr<strong>und</strong>aussagen der Systemtheorie.<br />
3. Erläutern Sie Ashbys „law of reguisitevariety“.<br />
4. Beschreiben Sie die Vorteile loser Kopplungen.<br />
5. Was versteht man unter einem Fließgleichgewicht?<br />
6. Welche Stärken/Schwächen weist die Systemtheorie auf?<br />
1.3.4 Situations- <strong>und</strong> Interaktionstheorie<br />
Situationstheorie am weitesten verbreitet – zugleich die umstrittenste Theorie.<br />
Interaktionstheorie als Weiterentwicklung.<br />
1.3.4.1 Herkunft <strong>und</strong> Bedeutungsgewinn<br />
Entstehung Ende der 50er Jahre des 20. Jhd. Differenziert ausgelegte Aussagensysteme kamen<br />
(durch WOODWARD, STINCHCOMBE, UDY) in die <strong>Organisation</strong>stheorie, in deren Rahmen nicht<br />
universelle, sondern konditionale (von bestimmten Fällen abhängige) Aussagen bereitgestellt<br />
wurden.<br />
Entstehungsgründe<br />
• Veränderungen in der damaligen Unternehmenswelt wurden als Notwendigkeit verstanden:<br />
Ein immer breiteres Spektrum an Unternehmen, in immer stärker voneinander abweichenden<br />
Kontexten hat immer vielfältigere Spektren an Führungs- <strong>und</strong> <strong>Organisation</strong>sformen<br />
eingesetzt.<br />
Diese Vielfalt war mit den „alten“ Theorien nicht erklärbar/verstehbar.<br />
• Die Entwicklungen der BWL hatten den Charakter von Notwendigkeiten, da eine Vielzahl<br />
universalistisch angelegter Konzepte vorgestellt wurden, die voneinander abweichende,<br />
widersprüchliche Gestaltungsempfehlungen enthielten (Fayol – Einlinien-, Taylor – Mehr-<br />
Linien-System).<br />
Zu erklären war, welche der Konzepte am angemessensten ist <strong>und</strong> ob die Konzepte für<br />
unterschiedliche Situationen geeignet sind.<br />
OMU-Theorie entwickelte sich, weil sich mehr <strong>und</strong> mehr Vertreter mit den Methoden der<br />
empirischen Sozialforschung vertraut gemacht hatten. Es war nun möglich, zusammenhangsbezogene<br />
Hypothesen zu formulieren <strong>und</strong> zu testen.<br />
34
Meilenstein der Situationstheorie in Deutschland:<br />
Veröffentlichung von KUBICEK <strong>und</strong> WELTER (1985) „Die Messung der <strong>Organisation</strong>sstruktur“,<br />
deren Hauptziel es war, den situativ-empirischen Arbeiten der OMU-Forschern einen Katalog<br />
abgesicherter Instrumente zur Messung häufig auftretender <strong>Organisation</strong>sphänomene an die Hand<br />
zu geben.<br />
1.3.4.2. Erklärungsanliegen, Gr<strong>und</strong>konzeption <strong>und</strong> zentrale Forschungsfragen<br />
Alternative zum Universalismus<br />
Bis in die 40er Jahre des 20 Jhd. herrschten universalistische Anliegen vor, die um generelle<br />
Gestaltungsprinzipien bemüht waren.<br />
1) Kontext als Bezugsrahmen<br />
Der aus internen/externen Gegebenheiten bestehende Kontext der Unternehmen ist bei der<br />
Gestaltung der genutzten/ablaufenden Strukturen, Instrumenten oder Prozessen zu<br />
berücksichtigen.<br />
Je nach Ausprägung dieses Kontexts sind unterschiedliche Verhaltensweisen bzw.<br />
Gestaltungsformen empfehlenswert.<br />
Situationstheorie = konditionales Konzept.<br />
Bsp.:<br />
Weniger fähige <strong>und</strong> motivierte MA sind in diktierender Form, sehr fähige <strong>und</strong> motivierte MA sind in<br />
delegativer Form zu führen.<br />
Wenig differenzierte Unternehmen präferieren die Funktionalstruktur, stark differenzierte die<br />
Produktsparten- <strong>und</strong> Matrixstrukturen.<br />
F<strong>und</strong>amentales Paradigma<br />
Situationstheorie ist ein f<strong>und</strong>amentales Paradigma der BWL (evtl. der gesamten Sozialwissenschaft)<br />
<strong>und</strong> kann für jedweden Typ betriebswirtschaftlichen Wissen herangezogen werden<br />
(Strategie, <strong>Organisation</strong>, Marketing, Personal, Verhandlungsführung etc.).<br />
Vielfach empirische F<strong>und</strong>ierung<br />
weil viele Anhänger empirisch forschen.<br />
2) Suche nach Zusammenhang<br />
Forschungsziel: Zusammenhänge zwischen Kontext <strong>und</strong> Gestaltung bzw. zwischen Gestaltung<br />
<strong>und</strong> Erfolg ermitteln (im Hinblick auf alle Unternehmen bzw. einem bestimmten Unternehmenstyp).<br />
Nicht die Universalität der Ausprägung von Verhaltensweisen <strong>und</strong> Gestaltungsformen, sondern die<br />
Universalität von Beziehungen zwischen diesen wird vermutet.<br />
3) Drei übergeordnete Forschungsfragen<br />
• Welche Kontextfaktoren erklären die Existenz <strong>und</strong> Ausprägung unterschiedlicher<br />
Gestaltungsformen von <strong>Organisation</strong>en?<br />
Wie hängen die identifizierten Kontextfaktoren jeweils mit den Gestaltungsformen<br />
zusammen?<br />
• Auf welche Weise können die Kontextfaktoren sowie die Gestaltungsformen messbar<br />
gemacht werden?<br />
• Inwieweit wirken sich die unterschiedlichen Gestaltungsformen auf den Erfolg von<br />
<strong>Organisation</strong>en aus?<br />
Inwieweit unterscheiden sich unterschiedliche Situations-Gestaltungs-Konstellationen<br />
voneinander?<br />
�<br />
35
4) Varianten der Situationstheorie<br />
Nachfolgend einige Varianten, die nicht gleichzeitig realisiert werden können.<br />
�<br />
• kontextdeterministische <strong>und</strong> kontextoffene<br />
• monokausale <strong>und</strong> multikausale<br />
• zeitpunktbezogene <strong>und</strong> zeitraumbezogene<br />
• differentfinalen <strong>und</strong> äquifinalen<br />
• großzahligen <strong>und</strong> kleinzahligen<br />
• handlungsorientierte <strong>und</strong> analytische<br />
(Erläuterungen in WOLF, S. 204 ff)<br />
1.3.4.3 Vergleich mit den Klassikern der OMU-Theorien<br />
• die Arbeiten der drei Klassiker werden durch die Situationstheorie eher relativiert,<br />
als inhaltlich unterstützt,<br />
• Situationstheorie steht nicht für absolute, sondern für kontextbezogene Gestaltungsformen.<br />
Zur Systemtheorie:<br />
• beide unterstreichen Existenz <strong>und</strong> Bedeutung zahlreicher intensiver Wechselwirkungen<br />
zw. Unternehmen <strong>und</strong> Umwelt,<br />
• Situationstheorie nimmt dagegen die Möglichkeit an, einzelfallübergreifende Aussagen<br />
hinsichtlich der Art der Wechselwirkung zu formulieren,<br />
• Situationstheorie betrachtet den Kontext analytisch, die Systemtheorie ganzheitlich.<br />
Zur Verhaltenswissenschaftlichen Theorie<br />
• beide weisen auf Bedeutung von Personalmerkmalen in Entscheidungsprozessen hin.<br />
1.3.4.4 Kritische Würdigung<br />
Zählt zu den umstrittensten OMU-Theorien, daher zahlreiche Einwände.<br />
Stärken:<br />
• Gr<strong>und</strong>legender Denkansatz in hohem Maße plausibel,<br />
• Forschungskonzeption, mit der manche widersprüchlichen Bef<strong>und</strong>e<br />
der Klassiker erklärbar sind,<br />
• hat zur Steigerung des geringen Spezifikationsgrades systemtheoretischer<br />
Arbeiten beigetragen,<br />
• Vielfalt als Kernelement,<br />
• extrem weitläufige Verbreitung.<br />
Schwächen:<br />
(von den 21 in WOLF, S. 219 ff aufgeführten Schwächen werden nur einige nachfolgend genannt)<br />
• nicht mehr als ein formalanalytisches Gr<strong>und</strong>gerüst<br />
(keine Konzeptualisierungsleistung, geringer intellektueller Gehalt, keine Ideenentfaltung, wie<br />
Zusammenhänge auszusehen haben, keine materiell-inhaltliche Theorie - lediglich ein<br />
übergeordnetes Formalraster),<br />
• Dataismusvorwurf (Überbetonung des Begründungszusammenhangs zu Lasten des<br />
Entdeckungszusammenhangs)<br />
=> spricht gegen einige Fälle der Anwendung<br />
• Geringe Anschlußfähigkeit (mangelhafte Anbindung an die Vorwelt, Bezugsrahmen werden<br />
„zusammengenagelt“)<br />
=> betrifft die Anwendung der Theorie<br />
• Vernachlässigung von Erfolgsanalysen der erforschten Gestaltungsformen,<br />
=> Kritik fraglich<br />
36
�<br />
• Zu wenig mit der Interdependenz der Kontextvariablen auseinandergesetzt,<br />
die fast immer vorhanden sind,<br />
• Ausblenden von Entscheidern in vielen situationstheoretisch f<strong>und</strong>ierten Arbeiten,<br />
denn Entscheider haben erheblichen Ermessensspielraum,<br />
• Ignoranz von Interpretationen, die in <strong>Organisation</strong>en üblicherweise ablaufen,<br />
• Trivialbef<strong>und</strong>e durch wenig spannende <strong>und</strong> intellektuell reizlose Forschungsfragen<br />
wie z.B.: das Feuern eines Topmanagers in erfolglosen Unternehmen ist<br />
wahrscheinlicher als in erfolgreichen.<br />
=> letztlich bestimmt der Forscher die Untersuchungsfrage, nicht die Theorie,<br />
• Lediglich Querschnittsstudien – Situationsveränderungen <strong>und</strong> deren Ursachen<br />
bleiben unberücksichtigt; kaum Längsschnittstudien,<br />
• Überbetonung des durchschnittlichen Falles, da nur durchschnittliche Gestaltungsformen<br />
<strong>und</strong> mittlere (normale) Variablenzusammenhänge interessieren. Vom Mittelmaß lässt sich<br />
jedoch weniger lernen als vom positiv herausragenden Einzelfall,<br />
• Einseitige Vermutung linearer Beziehungen, weil linear ausgerichtete statistische<br />
Zusammenhangsanalysetechniken genutzt werden.<br />
Viele nicht-lineare Zusammenhänge werden nicht aufgedeckt <strong>und</strong> somit als<br />
Nichtzusammenhang deklariert,<br />
• Mangelhafte Variablenoperationalisierung – den verwendeten empirischen Maßen wird<br />
Gültigkeit, Zuverlässigkeit <strong>und</strong> Vergleichbarkeit abgesprochen.<br />
1.3.4.5 Interaktionstheorie<br />
Übergeordnetes sozialwissenschaftliches Konzept.<br />
Durch MACHARZINA (1970) begründet auf die Determinismusvorwurf an der Situationstheorie.<br />
Bezug zur Systemtheorie: Wechselseitige Beziehungen zw. System <strong>und</strong> Umwelt.<br />
Sieben Merkmale der Interaktionstheorie<br />
• Interaktionen stehen im Mittelpunkt (= zielgerichtete wechselseitige Beziehung zwischen<br />
bzw. gegenseitige Beeinflussung von Akteuren),<br />
• Akteure/Interaktionen beeinflussen sich gegenseitig, so dass ihre Handlungen zu<br />
Empfindungen führen, die wiederum andere Interaktionen auslösen,<br />
• Individuen gestalten ihr Handeln nach eigenen Plänen <strong>und</strong> Absichten sowie den Plänen,<br />
Absichten <strong>und</strong> Reaktionen anderer Personen <strong>und</strong> Gruppen,<br />
• Zu Beginn der Interaktionsprozesses sind die Einflussbeziehungen gleichwertig,<br />
• Asymmetrien in der Interaktionstruktur bilden sich erst im Lauf der Interaktionsbeziehung<br />
aufgr<strong>und</strong> der unterschiedlichen Beeinflussungspotentiale,<br />
• Zw. den Beteiligten finden vielfältige Beeinflussungsprozesse statt,<br />
Untersuchungszusammenhang wird dadurch komplex, die empirische Prüfung erschwert,<br />
• nicht nur der objektive Entscheidungskontext sondern weitere entscheidungsprägenden<br />
Elemente wie persönliche Eigenschaften von FK/MA sind zu berücksichtigen.<br />
Vergleich zur Situationstheorie<br />
Unterschied darin, dass bei der Interaktionstheorie<br />
• die Wechselseitigkeit der Beziehungen zwischen Kontext <strong>und</strong> Gestaltung sowie<br />
• die Merkmale der Entscheidungsträger<br />
noch stärker in den Mittelpunkt rücken.<br />
37
Kritische Würdigung<br />
Stärken:<br />
• Gr<strong>und</strong>sätzliche Denkweise ist zweckmäßig,<br />
• Sichtweise, dass der Kontext von Unternehmen (partiell) gestaltbar ist,<br />
• Gleichrangigkeit personaler <strong>und</strong> situativer Bedingungen für die Erklärung organisationaler<br />
Gestaltungsprozesse <strong>und</strong> –ergebnisse.<br />
Schwächen:<br />
• keine eigenständige Theorie,<br />
• reines Formalgerüst ohne materiell-inhaltlichen Kern,<br />
• mangelnde Operationalisierung der Variablen <strong>und</strong> Wirkungsstrukturen,<br />
�<br />
Verständnisfragen:<br />
1. Beschreiben Sie den Gr<strong>und</strong>gedanken der Situationstheorie in einem Satz.<br />
2. Warum ist die Situationstheorie aufgekommen?<br />
3. Mit welchen übergeordneten Forschungsfragen beschäftigt sich die Situationstheorie?<br />
4. Welches ist der bedeutendste Unterschied der Situationstheorie zu den drei Klassikern der<br />
OMU-Theorien?<br />
5. Ziehen Sie einen Vergleich zwischen Situationstheorie <strong>und</strong> Systemtheorie.<br />
6. Nennen Sie je drei Stärken <strong>und</strong> Schwächen der Situationstheorie.<br />
7. Worin liegt der Unterschied zwischen Situationstheorie <strong>und</strong> Interaktionstheorie?<br />
�<br />
1.3.5 Verhaltenswissenschaftliche Theorie<br />
Explizit <strong>und</strong> vorrangig wird das Verhalten von Menschen in <strong>Organisation</strong>en/Unternehmen<br />
untersucht.<br />
Der Begriff Verhalten schließt die Gesamtheit aller möglichen Aktivitäten von Systemen ein.<br />
Fünf Kernmerkmale der verhaltenswissenschaftlichen Theorie<br />
1. Verhalten der <strong>Organisation</strong>s- bzw. Unternehmensmitglieder als Ausgangspunkt<br />
jeglicher Studien,<br />
2. Unterscheidung von Verhalten von <strong>Organisation</strong>en <strong>und</strong> Verhalten in <strong>Organisation</strong>en,<br />
3. deskriptiv-realanalytischer Untersuchungsansatz bevorzugt,<br />
4. Berücksichtigung der motivationalen, emotionalen <strong>und</strong> kognitiven Strukturen der<br />
Individuen sowie deren soziale Eingebettetheit,<br />
5. Einbeziehen informaler Erscheinungen<br />
38
1.3.6 Macht- <strong>und</strong> Ressourcenabhängigkeitstheorie<br />
1) Machttheorie<br />
Gewisses Schattendasein. Der Machtbegriff ist bisher ein mehrdeutiger Term. LUKES<br />
kommentiert: „In der Erörterung der Macht, so hat es den Anschein, anything goes.“<br />
Sieben Aspekte des Machtbegriffes<br />
• Allgegenwärtigkeit<br />
• Personengeb<strong>und</strong>enheit<br />
• Relationales Moment<br />
• Struktureller Aspekt<br />
• Relative Stabilität<br />
• Nutzenasymmetrie<br />
• Wertneutralität<br />
Fünf Machtbasen/Machtquellen<br />
• Belohnung <strong>und</strong> Bestrafung<br />
• Legitimation<br />
• Identifikation<br />
• Sachkenntnis<br />
• Information<br />
Sieben Hauptgruppen von Machtstrategien<br />
• Zwang<br />
• Belohnung<br />
• Beziehungen<br />
• Argumentieren<br />
• Koalitionen<br />
• Anziehungskraft<br />
• Ideologisierung (u.a.m. in WOLF)<br />
Empirischer Bef<strong>und</strong>: rationales Argumentieren, Schmeichelei <strong>und</strong> Heuchelei sowie Koalitionen<br />
sind die drei am häufigsten genutzten Machttaktiken. Bsp.: DB/GdL => Anhang 6<br />
2) Ressourcenabhängigkeitstheorie<br />
Ableger der Machttheorie, Mitte 1970er,<br />
Untersuchungsanliegen<br />
Die Theorie will nicht nur Unternehmen, sondern <strong>Organisation</strong>en unterschiedlichen Typs<br />
erklären/verstehen helfen.<br />
Drei übergeordnete Fragenkomplexe<br />
1. Woraus ergibt sich die Abhängigkeit von <strong>Organisation</strong>en von internen <strong>und</strong> externen Akteuren?<br />
2. Welche Ressourcen stiften in welchem Maße eine Abhängigkeit der <strong>Organisation</strong><br />
von diesen Akteuren?<br />
3. Wie gehen <strong>Organisation</strong>en aufgr<strong>und</strong> potentieller Instabilität von ressourcenzu- <strong>und</strong> –<br />
abflüssen mit dieser Abhängigkeitssituation um? Welche Beeinflussungsstrategien wählen<br />
Sie?<br />
Acht Kernaussagen:<br />
• Unsicherheit <strong>und</strong> Überleben abbauen,<br />
• Überlebenswichtige Ressourcen sicherstellen,<br />
• Ausmaß der Abhängigkeit der <strong>Organisation</strong>en,<br />
• Strategien zur Abhängigkeitsdämpfung,<br />
• Innerhalb der Kooperationsstrategie zwei Möglichkeiten,<br />
• Subjektives Kalkül,<br />
• Anwendbarkeit auf Interne Einheiten,<br />
• Handeln auf „Märkten für Einfluss“.<br />
�<br />
39
1.4. Aktuelle Entwicklungen der OMU-Theorie<br />
Seit den 1970er zunehmende Theoriedynamik, hoher Grad inhaltlicher Überschneidungen.<br />
1.4.1 Informationsverarbeitungsansatz<br />
Schwerwiegendster Mangel der Situationstheorie: ihr Gr<strong>und</strong>konzept stellt keine materiellinhaltlichen<br />
Aussagen über bestehende Wirkungszusammenhänge bereit. Sie ist lediglich eine<br />
übergeordnete Denkhaltung.<br />
Der Informationsverarbeitungsansatz will dies beseitigen.<br />
Fünf Merkmale<br />
• die beobachteten Systeme werden als Informationsverarbeitungseinheiten begriffen,<br />
• das Informationsverarbeitungsverhalten von Systemen wird nur soweit untersucht,<br />
wie es für das Treffen von Entscheidungen bedeutend ist,<br />
• Rational-verursachungsbezogene Analyse des Verhaltens von Systemen,<br />
• Prozessuale Betrachtung der in Systemen ablaufenden Informationsverarbeitung,<br />
• Wahrnehmungen als Gr<strong>und</strong>lage.<br />
1.4.2 Neue Institutionenökonomische Theorie<br />
Wurzeln in USA (1930er), jahrzehntelang ignoriert, Wiederentdeckung in den 1970ern.<br />
Ausgangspunkt Neoklassik: diese konnte Entwicklung von Institutionen nur im Ansatz erklären.<br />
Zwei übergeordnete Erkenntnisziele<br />
1. Denkmodell der Neoklassik (Adam Smith – neoklassische Nationalökonomie) erweitern:<br />
Übergeordnetes Aussagensystem, mit dem Entstehung, Ausprägung <strong>und</strong><br />
Ausdifferenzierung von Institutionen/<strong>Organisation</strong>en (bei wirtschaftlichen Aktivitäten<br />
unterschiedlichster Art) erklärbar sind.<br />
2. Beurteilung der ökonomischen Effizienz von Institutionen bzw. der in ihrem Rahmen<br />
verlaufenden Arrangements.<br />
Zwei konkrete Forschungsfragen<br />
• Welche (alternativen) Institutionen weisen bei welchen Arten ökonomischer<br />
Aktivitäten die relativ geringstem Koordinationskosten auf?<br />
• Wie wirken sich die Koordinationsprobleme, die Kosten <strong>und</strong> die Effizienz von<br />
Austauschbeziehungen auf die Gestaltung <strong>und</strong> den Wandel von Institutionen aus?<br />
Vier Merkmale<br />
• Institutionen stellen Ersatzlösungen für einen nicht immer vollkommen<br />
funktionierenden Markt dar,<br />
• Konzentration auf Analyse der ökonomischen Effizienz von Institutionen bzw. Märkten<br />
(Unterschied Institutionalistischer Ansatz (s. S. 43): betrachtet zusätzlich die soziale Effizienz<br />
sowie die gesellschaftliche Legitimation des Handelns von u. in Institutionen,<br />
• Kosten- <strong>und</strong> Nutzenbetrachtungen stehen im Vordergr<strong>und</strong>,<br />
• Verbindung volkswirtschaftlicher Mikroökonomie, der betriebswirtschaftlichen<br />
<strong>Organisation</strong>stheorie sowie der Rechtswissenschaft => übergeordnetes Aussagesystem<br />
Zehn Gr<strong>und</strong>annahmen:<br />
analog Neoklassik<br />
• Knappheit von Ressourcen<br />
• Individuen sind frei in Entscheidungen – damit Gr<strong>und</strong>lage von Analysen<br />
• Akteure streben nach individueller Nutzenmaximierung<br />
• Stabilität der Nutzenfunktion bei Akteuren<br />
�<br />
40
Gegensatz zur Neoklassik<br />
• Ungleichverteilung von Information, Wissen <strong>und</strong> Fähigkeiten durch Spezialisierung <strong>und</strong><br />
Tausch bewältigen,<br />
• Ausgang von Untersuchungen ist die Informationsstruktur,<br />
• Reibungsverluste existieren im Wirtschaftsprozess,<br />
• Zahlreiche Interdependenzen durch Spezialisierungs- <strong>und</strong> Tauschprozesse,<br />
• Besitz <strong>und</strong> Austausch von Gütern setzt Regeln voraus,<br />
• Jede Analyse ökonomischer Aktivitäten hat auf der Ebene von Institutionen anzusetzen.<br />
Varianten<br />
• Verfügungsrechtetheorie<br />
• Transaktionskostentheorie<br />
• Agenturkostentheorie<br />
1.4.3 Evolutionstheorie<br />
Mittelpunkt der Theorie:<br />
Führungs- <strong>und</strong> organisationsbezogene Entscheidungen tragen Unsicherheit mit sich, sind durch<br />
mögliches Fehlverhalten gekennzeichnet.<br />
Fragestellung:<br />
Auf welche Weise können Verantwortliche dann ihr Gestaltungshandeln vorbereiten <strong>und</strong><br />
durchführen?<br />
Evolutionsbegriff<br />
Dt.: Entwicklung – eine aus zahlreichen kleinsten Einzelschritten zusammengesetzten<br />
Veränderung <strong>und</strong> damit Gegenteil des Konzepts des revolutionären Wandels.<br />
Acht Gr<strong>und</strong>gedanken<br />
• Betrachtung der Veränderungen von <strong>Organisation</strong>en über die Zeit hinweg,<br />
• Analogie zur Natur (Biologie): vermutet werden strukturgleiche Entwicklungsmuster <strong>und</strong><br />
Wirkungsprinzipien,<br />
• Wie in der Natur sind mit Genotypus (Entwicklungsbasis von <strong>Organisation</strong>en) <strong>und</strong><br />
Phänotypus (reale Gestalt der <strong>Organisation</strong>) zwei Analyseebenen zu unterscheiden,<br />
• Veränderungsprozesse von Systemen <strong>und</strong> <strong>Organisation</strong>en als Abfolgen von Variations-,<br />
Selektions- <strong>und</strong> Retentionsprozessen aufgefasst,<br />
• Entwicklungsprozesse von Systemen <strong>und</strong> <strong>Organisation</strong>en sind Versuch- <strong>und</strong> Irrtumprozesse,<br />
• Konservierungsmechanismen gewährleisten Stabilität, Kontinuität <strong>und</strong> Funktionalität des<br />
Systems,<br />
• historizierende-pfadabhängige Erkenntniselemente = Form <strong>und</strong> Merkmale von<br />
<strong>Organisation</strong>en sind nicht nur durch den Kontext, sondern wesentlich durch die Vorwelt <strong>und</strong><br />
deren bisherigen Handlungsmustern bestimmt (s. Pfadabhängigkeitstheorie),<br />
• Systeme <strong>und</strong> <strong>Organisation</strong>en durchlaufen einen Prozess der generellen Höherentwicklung<br />
�<br />
41<br />
Bsp.: McDonald => Anhang 7
1.4.4 Selbstorganisationstheorie<br />
Seit den 190ern äußerst populär,<br />
Nicht nur eine Variante der Systemtheorie, sondern ein neues Paradigma der Systemtheorie <strong>und</strong><br />
Kybernetik,<br />
F<strong>und</strong>amentales Paradigma<br />
Selbstorganisationstheorie abstrahiert von Einzelproblemen <strong>und</strong> thematisiert f<strong>und</strong>amentale,<br />
ökonomische <strong>und</strong> gesellschaftliche Fragestellungen. Frage: müssen (Teil)Systeme gelenkt werden<br />
oder ist es besser, auf die vorhandenen Gestaltungskräfte der Teil-/Systeme zu vertrauen?<br />
Sieben These für Unternehmen als selbstorganisierende Systeme<br />
• Gestaltetheit der Handlungssituation,<br />
• Systemkonstituierende Funktion von Kommunikationsprozessen.<br />
Im Mittelpunkt Informationen mit einem ausgeprägten symbolischen Gehalt<br />
(besser face-to-face als über Handy kommunizieren),<br />
• Operational geschlossen, reagieren auf eigene Zustände,<br />
nehmen die Umwelt nur selektiv wahr,<br />
• Äquifinalität – unterschiedliche Eingangsbedingungen/Handlungsweisen können zu<br />
gleichartigen Ergebnissen führen,<br />
• Multifinalität – gleiche Strategien können unterschiedliche Ergebnisse hinsichtlich<br />
unterschiedlicher Interessengruppen bewirken,<br />
• Überfluss von Potenzialen <strong>und</strong> funktionalen Beziehungen,<br />
• Stark differenzierte <strong>und</strong> dezentralisierte Systeme als Mittel zur Komplexitätshandhabung<br />
1.4.5 Gestaltansatz<br />
Intensive Auseinandersetzung mit dem Gestaltansatz seit den 1990ern.<br />
Mängel situationstheoretischer Forschungsarbeiten führten zur ganzheitlichen, gestaltorientierten<br />
Analyse von Phänomenen.<br />
Gr<strong>und</strong>gedanken<br />
<strong>Organisation</strong>en sind komplexe Ganzheiten. Die Multidimensionalität wird durch Ursache-Wirkungs-<br />
Strukturen (bestehend aus vielfältigen Kontextfaktoren, zahlreichen Gestaltungsformen <strong>und</strong><br />
facettenreichen Wirkungen) zum Ausdruck gebracht.<br />
�<br />
• es gibt Eigenschaften in <strong>Organisation</strong>en, die nicht aus der Summe der Teile stammen.<br />
• Ganzheit trägt einen Sinn in sich, die die Teile für sich nicht transportieren können.<br />
Der zentrale Erfolgsfaktor des <strong>Organisation</strong>smanagements liegt in einer komplexen Abgestimmtheit<br />
der organisationalen Variablen – Streben nach interner <strong>und</strong> externer Stimmigkeit.<br />
• Stimmigkeit als Wettbewerbsvorteil<br />
Vier Einzelbausteine des komplexen Aussagensystems des Gestaltansatzes<br />
• Fit-Konzept: Erfolg bei Passung von mind. zwei Variablen,<br />
• Äquifinalität: In Systemen besteht kein eindeutiger Zusammenhang zw. Anfang- <strong>und</strong><br />
Endzustand, Bsp.: Air Berlin/Ryan Air => Anhang 8<br />
• Begrenzte Anzahl von Gestalten in der Realität,<br />
• Quantensprünge – Weiterentwicklungen über die Zeit hinweg.<br />
42
1.4.6 Interpretationsansatz<br />
Eine der ganz großen, gr<strong>und</strong>sätzlichen Strömungen, übergeordnetes Paradigma.<br />
Gr<strong>und</strong>gedanke<br />
Die für Akteure <strong>und</strong> deren Entscheidungen relevanten Rahmenbedingungen sind nicht objektiv<br />
<strong>und</strong> eindeutig vorgegeben, sondern von diesen sozial konstruiert.<br />
Übergeordnete Gr<strong>und</strong>aussagen<br />
• Im Mittelpunkt der Theoriebildung stehen Verlauf <strong>und</strong> Ergebnis menschlicher Interpretationsprozesse<br />
(Auslegungen, Deutungen bzw. Erklärungen von Zuständen),<br />
• Überwiegender Teil der für das Leben bedeutsamen Phänomen ist mehrdeutig (Bsp. WOLF 496),<br />
• Interpretationen sind an Individuen bzw. deren Wahrnehmung geb<strong>und</strong>en,<br />
Wirklichkeit wird stets personspezifisch konstruiert,<br />
• Die Art einer Wahrnehmung/Interpretation wird durch die Vorgeschichte d. Person bestimmt,<br />
• Individuen tendieren zu Deutungen, die mit bisherigen Deutungen übereinstimmen,<br />
• Unbewusst vorhandene, kognitive Landkarten als Wahrnehmungsfilter (Bsp.WOLF 502),<br />
• Konstruktivismus: Vermutung einer sozialen Konstruiertheit der Wirklichkeit, Verlauf von<br />
Interpretationsprozessen stark durch vorausgehende soziale Austauschprozesse definiert,<br />
• Handeln, im Ggs. zum verhalten, hat eine Absicht im Kopf.<br />
1.4.7 Institutionalistischer Ansatz<br />
Wurzeln in der Bildungssoziologie, 1970er Jahre,<br />
Übergeordneter Kerngedanke<br />
<strong>Organisation</strong>engestalten ihre Verhaltensweisen entsprechend der Erwartungen ihre sozialen<br />
Umwelt, um sich somit Legitimität zu verschaffen (= Streben nach Rechtmäßigkeit)<br />
Zwölf Merkmale<br />
• Institutionen sind im Mittelpunkt der Beobachtungen (die Dauerhaftigkeit von Ordnung wirkt<br />
sich gr<strong>und</strong>legend auf Verhaltensweisen von <strong>Organisation</strong>en aus.)<br />
• Eingebettetheit von <strong>Organisation</strong>en (vielschichtige Verankerung der <strong>Organisation</strong>en <strong>und</strong><br />
deren Verhaltensmustern im institutionellen Umfeld),<br />
• Hohe Bedeutung von Sozialkapital, schwache Verbindungen <strong>und</strong> strukturelle Löcher<br />
(Ressource Sozialkapital -> Mitgliedschaft in sozialen Netzwerken), (Bsp. WOLF 534)<br />
• Relativierung der (technischen <strong>und</strong> ökonomischen) Effizienzorientierung.<br />
Akteuren in <strong>Organisation</strong>en ist es nicht möglich, Verhaltensweisen eindeutig <strong>und</strong> stringent<br />
auf technische/ökonomische Effizienzkriterien auszurichten,<br />
• Existenz von Rationalitätsmythen. Jeder lebensweltliche Bereich hat seine eigene Logik über<br />
die „richtigen“ <strong>Organisation</strong>sziel <strong>und</strong> Ziel-Mittel-Ketten (Bsp. WOLF 540 ),<br />
• Erwartungsgetriebenes Verhalten (Bsp. WOLF 545)<br />
Interne/externe Erwartungen werden als Bezugspunkte für Verhaltensweisen angenommen,<br />
Auch ineffiziente Verhaltensweisen/Managementformen können überleben,<br />
• Legitimitätsstreben der <strong>Organisation</strong>smitglieder<br />
In <strong>Organisation</strong>en dominieren Verhaltensweisen, die von den Akteuren geduldet <strong>und</strong> als<br />
akzeptabel anerkannt sind,<br />
• Normen u. Symbole als Bezugspunkte sowie Institutionalisierung organisationalen Verhaltens<br />
• Hohe Bedeutung von Regeln<br />
Die Dauerhaftigkeit von Ordnung wird oft durch den Rückgriff auf Regeln sichergestellt,<br />
• Agieren in Feldern<br />
<strong>Organisation</strong>en agieren in Feldern (mit anderen <strong>Organisation</strong>en gemeinsam geteilter<br />
Kontext, z.B. gleiche Branche)<br />
• Sozial geprägtes Ähnlichwerden<br />
In bestimmten Feld eingebetteten <strong>Organisation</strong>en werden im Zeitverlauf immer ähnlicher -<br />
insbesondere mit Blick auf Strategien, Strukturen <strong>und</strong> Kulturen,<br />
• Pfadabhängigkeit der Entwicklung<br />
Bestehende Merkmalsausprägungen von <strong>Organisation</strong>en sind hauptsächlich durch deren<br />
Zustände in der Vergangenheit bestimmt (s. Pfadabhängigkeitstheorie 1.4.9).<br />
�<br />
43
1.4.8 Ressourcenbasierter Ansatz<br />
Seit 1990er, Macharzina: völlig neuartige Denkrichtung<br />
Konzeptioneller Gr<strong>und</strong>gedanke<br />
• Stiften von ökonomischem Erfolg (Renten), begründet in Wettbewerbsvorteilen,<br />
• Unternehmensinterne Faktoren als primäre Verursacher von Wettbewerbsvorteilen <strong>und</strong><br />
nachhaltigen Unternehmensrenten,<br />
Focus auf Faktormärkte <strong>und</strong> deren Unvollkommenheit,<br />
• Unternehmen haben unterschiedliche Ausprägungen hinsichtlich bestimmter Ressourcen.<br />
OMU besteht somit<br />
• im Aufspüren hochspezifischer Ressourcen-Fit (Fit = Passung zweier Variablen,<br />
s. Gestaltansatz) <strong>und</strong> nicht im Anpassen an Branchenverhältnisse,<br />
• in einer Kultivierung bzw. Pflege von Unterschiedlichkeit <strong>und</strong> Einzigartigkeit des<br />
eigenen Unternehmens <strong>und</strong> seiner Teile.<br />
Ressourcenbegriff<br />
In der BWL nicht einheitlich bestimmt,<br />
Als Ressource kann gelten, was<br />
1. in die Wertschöpfung von Unternehmen eingeht,<br />
2. wertvoll ist,<br />
3. als Stärke oder Schwäche eines Unternehmens angesehen werden kann, <strong>und</strong><br />
4. ihm Wettbewerbsvorteile einbringt.<br />
Spezielle Ressourcen, die einen starken Einfluss auf die Bildung <strong>und</strong> Erhaltung von<br />
Wettbewerbsvorteile haben:<br />
• wertvoll/werthaltig:<br />
befähigen Unternehmen, Strategien zu verfolgen, die die Effizienz <strong>und</strong> Effektivität erhöhen,<br />
• strategisch relevant(z.B. Unterscheidung vom Wettbewerb),<br />
• nachhaltig – d.h. dauerhaften Schutz ggü. Wettbewerbern,<br />
• immobil – d.h. mit begrenzter Mobilität, Transferierbarkeit oder Handelbarkeit,<br />
• nicht oder kaum imitierbare,<br />
• nicht ersetzbar sind,<br />
• Möglichkeiten bieten, Zugang zu einem breiteren Spektrum an Märkten zu erlangen.<br />
1.4.9 Pfadabhängigkeitstheorie<br />
1.4.9.1 Gr<strong>und</strong>gedanke<br />
Vorweg die Situationstheorie: OMU-Akteure stimmen ihre Gestaltungen mit internen/externen<br />
Rahmenbedingungen ihrer Einheiten ab. Passung gegenwärtiger mit zukünftigen Bedgg. wird<br />
angestrebt. Bei Veränderungen können Akteure ihre Gestaltung ändern, die besser mit den dann<br />
geltenden Bedingungen harmonieren.<br />
Pfadabhängigkeitstheorie:<br />
Zweifel, dass das, was ist, die optimale Ausgestaltung dessen ist, was sein kann.<br />
In der menschgestalteten Welt können dysfunktionale Gestaltungsformen entstehen <strong>und</strong><br />
fortwähren.<br />
�<br />
=> die Entwicklung des Gestaltungsbereichs (die Vorwelt) entfaltet eine erhebliche<br />
Prägekraft, die nicht ignoriert werden darf.<br />
44
1.4.9.2 Definitionsmerkmale<br />
Kernbegriff<br />
Vergangenheitsdeterminierter Prozess relativ kontinuierlicher Entwicklungen, bei dem die jeweils<br />
erreichten Zustände kollektiv ineffizient oder suboptimal sein können.<br />
Drei Teil-Phänomene<br />
�<br />
1. Positive Rückkopplungen<br />
- Die Zunahme (Abnahme) einer Variablen führt zu einer weiteren Zunahme<br />
(Abnahme) der gleichen Variablen.<br />
D.h. es existieren Prozesse der Selbstverstärkung.<br />
- Ursachen: u.a. adaptive Erwartungen, Lern- oder Koordinationseffekte, begrenzte<br />
Rationalität der Entscheidungsträger, asymmetrische Machtverteilung zw. Akteuren.<br />
2. Nonergodizität (mehrer Ergebnisse sind möglich)<br />
Pfadabhängige Prozesse haben die Möglichkeit zu multiplen Gleichgewichten - d.h.<br />
relative Stabilität über die Zeit.<br />
Handlungsrelevanter Kontext toleriert mehrere Ausprägungen des betrachteten Systems -<br />
das Ergebnis ist dann von dem Pfad abhängig, der zuvor eingeschlagen wurde.<br />
3. Verlaufsabhängigkeit<br />
Ein Ergebnis, das sich einstellt, resultiert daraus, welche zeitliche Entwicklung<br />
der Prozess einnimmt.<br />
Der zeitlich-inhaltliche Prozessverlauf bestimmt wiederum den sich in der Zukunft<br />
abzeichnenden Pfad <strong>und</strong> das eintretende Gleichgewicht.<br />
(Bsp: Japan-Manager in Südamerika einsetzen)<br />
Für pfadabhängige Prozesse ist typisch, dass die Wahrscheinlichkeit, dass ein bestimmter Pfad<br />
verfolgt wird, mit jedem Schritt entlang des Pfades steigt.<br />
Prinzipielles Ausscheren ist bei zunehmenden Kosten möglich.<br />
Vergangenheitsbezogene, zeitliche Komponente als zusätzliche Betrachtungsdimension.<br />
Drei Folgen pfadabhängiger Prozesse<br />
1. Nichtvorhersehbarkeit<br />
d.h. keine ex ante Prognose für den Verlauf <strong>und</strong> das Ergebnis pfadabhängiger Prozesse.<br />
2. Inflexibilität<br />
d.h. pfadabhängige Prozesse verlassen nicht von alleine ein erreichtes Gleichgewicht.<br />
3. Potentielle Ineffizienz<br />
d.h. sich im Prozessverlauf herausbildende Systemzustände/-gestaltungen im jeweiligen<br />
Kontext führen nicht notwendigerweise zu positiven Ergebnissen.<br />
Anders: Ungewünschte Tatsachen sind möglich <strong>und</strong> können von Dauer sein.<br />
1.4.9.3 Zwei weitere Kernaspekte<br />
• small historic events:<br />
Pfadabhängige Prozesse verändern sich an Schlüssel-/Gabelungspunkten.<br />
Entscheidungsträger treffen unbewusst große/strategische Entscheidungen,<br />
die sie für Zufälle oder „small historic events“ halten – allerdings gilt an diesen<br />
Punkten: kleine Ursache, große Wirkung.<br />
• lock-in:<br />
Zustand totaler Inflexibilität bzw. festhalten am Pfad.<br />
Bsp.: FK, die aufgr<strong>und</strong> zwanghaften Gruppendenkens keine strategische Beweglichkeit<br />
mehr haben.<br />
45
�<br />
Abb. 5: Konstitution <strong>und</strong> Entwicklung von Pfaden (Quelle: WOLF, S. 609)<br />
Berliner Pfad-“Modell“<br />
Vorphase: Systemverhalten ist breit gestreut; folgt keinem Muster.<br />
Keine Entwicklungspfade wegen großer Variationsbreite.<br />
Pfadausbildung: Ab dem Gabelpunkt (critical juncture) geht die Verhaltensvielfalt zurück,<br />
es bildet sich ein begrenztes Ordnungsmuster des Verhaltens aus.<br />
Log-in: Ab hier ist geht bestehende Verhaltensvielfalt völlig zurück;<br />
das Verhalten ist gänzlich vereinheitlicht.<br />
Bsp.: Polaroid => Anhang 9<br />
1.4.9.4 Ursachen von Pfadabhängigkeit<br />
• Skalenerträge<br />
Bei technologischer oder institutioneller Pfadabhängigkeit.<br />
- statische: beinhalten einfache Fixkostendegressionseffekte:<br />
d.h. hohe Kosten können auf hohe Stückzahlen verteilt werden.<br />
- dynamische: Entstehen, da mit zunehmender kumulierter Ausbringungsmenge<br />
die Produktionsabläufe effizienter gestaltet werden können.<br />
Führen tendenziell zu positiver, effizienter Pfandabhängigkeit, weil durch die Beibehaltung<br />
einer Gestaltungsform die positiven Kosteneffekte größer werden <strong>und</strong> damit nicht vom Pfad<br />
abgewichen wird.<br />
• Netzwerk-Externalität<br />
Der anwenderseitige Nutzen steigt mit der Verbreitung der Technik/der <strong>Organisation</strong>sform.<br />
• Lerneffekte <strong>und</strong> Quasi-Irreversibilität<br />
Anwender einer Technologie/Gestaltung kommen im Lauf der ihrer Anwendung immer<br />
besser zurecht – zunehmend schwerer fällt die Umstellung auf Anderes.<br />
-> Neigung im Alten zu verharren.<br />
• Komplementaritäts- <strong>und</strong> Koordinationseffekte<br />
Mit zunehmender Ausbreitung von Technologien/Gestaltungsformen wird es attraktiver<br />
komplementäre/kompatible Produkte herzustellen. Diese wiederum bewirken, dass die<br />
Technologie/Gestaltungsform noch attraktiver wird.<br />
• Macht, Normen <strong>und</strong> Traditionen<br />
Die Entwicklung im bisherigen Pfad erfolgt, weil dies Interessen, Normen <strong>und</strong> Traditionen der<br />
dominierenden Akteure dient. Die Beibehaltung stärkt wiederum deren Machtposition.<br />
• Kognitive Prozesse<br />
Die für Wahrnehmung <strong>und</strong> Reflexion vorausgehende Selektionsnotwendigkeit hat sich<br />
verfestigt.<br />
• Adaptive Erwartungen<br />
Bei Anwendern einer Technologie/Gestaltungsform besteht die Erwartung, dass sich diese<br />
weiter ausbreitet.<br />
46
1.4.9.5 Identifikation <strong>und</strong> Unterbrechung ineffizienter Pfade<br />
Pfadabhängigkeit kann effizient wie ineffizient sein.<br />
„Interventionsstrategien“ sind möglich, weil Pfadabhängigkeiten keine Naturgesetze, sonder<br />
kulturelle Artefakte sind.<br />
Pfadmonitoring<br />
Zu untersuchen ist, ob die Systementwicklung auf Selbstverstärkungsprozessen beruht.<br />
Insbesondere, ob die etablierten Erfolgsfaktoren weiterhin Gültigkeit haben oder sie wegen<br />
veränderter Bedingungen dysfunktional werden.<br />
Pfadbrechung<br />
Hat die Wiederherstellung einer Wahlmöglichkeit zum Ziel.<br />
Vier Ansätze stehen zur Wahl:<br />
�<br />
• diskursiver Ansatz<br />
Pfadabhängigkeit/Pfadbrechungsmöglichkeiten kommen auf die Agenda von Meetings<br />
<strong>und</strong> Konferenzen <strong>und</strong> werden diskutiert.<br />
Aktuelle Problemlösungen werden in Frage gestellt, Argumente für neue Alternativen<br />
gesucht.<br />
=> Pfadöffnung durch Einsicht.<br />
• verhaltensbezogener Ansatz<br />
Pfadabhängigkeiten beruhen auf emotionalen sich selbst verstärkenden Effekten.<br />
=> Pfadöffnung durch Auflösen emotionaler Sperren.<br />
• systemischer Ansatz<br />
Nicht Individuen <strong>und</strong> deren Verhalten stehen im Vordergr<strong>und</strong>, sondern die Systemstrukturen<br />
<strong>und</strong> deren Reproduktion durch die Systemmitglieder.<br />
=> Pfadlösung durch paradoxe Intervention.<br />
• ressourcenbezogener Ansatz<br />
Gezielte Umlenkung von Ressourcen wird zur Pfadbrechung genutzt.<br />
(dem alten Pfad Ressourcen entziehen, dem neuen hinzufügen.<br />
• Pfadkreation<br />
Kein Zurückdrängen festgefahrener Pfade, sondern bewusstes Abweichen <strong>und</strong><br />
Neuschaffung eines Pfades<br />
1.4.9.6 Abgrenzungen der Pfadabhängigkeitstheorie<br />
Zur Situationstheorie<br />
Wesentlicher Unterschied, dass die Situationstheorie die Ausprägung einer <strong>Organisation</strong> primär<br />
mit deren Rahmenbedingungen <strong>und</strong> die Pfadabhängigkeitstheorie dies mit früheren Ausprägungen<br />
<strong>und</strong> Entwicklungen erklärt.<br />
1.4.9.7 Kritische Würdigung<br />
Stärken<br />
• Berücksichtigung der Geschichtlichkeit sozialer Phänomen,<br />
• Neuartiger Blick auf die Kausalität,<br />
• Interessant für die Untersuchung ökonomischer Sachverhalte, weil die Märkte unvollkommen<br />
<strong>und</strong> mit Transaktionskosten behaftet sind. Beides bewirkt, dass es keine perfekte Selektion<br />
geeigneter Handlungen durch den Kontext gibt, wodurch sich <strong>Organisation</strong>en pfadabhängig<br />
entwickeln können,<br />
• Hilft, Ursachen für die Trägheit von <strong>Organisation</strong>en zu klären. Liefert Beiträge zur Erklärung<br />
von auftretenden Widerständen in <strong>Organisation</strong>en,<br />
47
Schwächen<br />
• Begriff der Pfadabhängigkeit nicht exakt spezifiziert, um Analysen betreiben zu können,<br />
• Mittlerweile inflationäre Verwendung des Pfadabhängigkeitsbegriffs,<br />
• Die Wirksamkeit der herausgestellten Verursachungsfaktoren wird angezweifelt,<br />
• Diskussion darum, mit welcher Absolutheit im wirtschaftlichen Handeln Log-in’s auftreten,<br />
• Weitreichende Pfadabweichungen/Pfadwechsel werden als Ausnahme angesehen,<br />
• Gr<strong>und</strong>legende Veränderungen werden (fälschlicherweise) als Folge außergewöhnlicher<br />
Verursachungszusammenhänge gesehen. Damit geht der Blick weg von bestehenden<br />
Kontextbedingungen,<br />
• Erbringt nur den trivialen Hinweis, dass gegenwärtige Aktionen zum Teil von in der<br />
Vergangenheit erbrachten Handlungen abhängig sind.<br />
�<br />
Verständnisfragen:<br />
1. Was versteht man unter Pfadabhängigkeit <strong>und</strong> welches sind die Definitionsmerkmale?<br />
2. Was versteht man unter „critical junctures“ bzw. „log-in“?<br />
3. Diskutieren Sie die Ursachen der Pfadabhängigkeit?<br />
4. Beschreiben Sie die Folgen Pfadabhängiger Prozesse.<br />
5. Nennen <strong>und</strong> beschreiben Sie die zur Verfügung stehenden Ansätze, um ineffiziente<br />
Pfade zu durchbrechen?<br />
6. Grenzen Sie die Pfadabhängigkeitstheorie zur Situationstheorie ab.<br />
7. Welche Kritik ist am Konzept der Pfadabhängigkeit zu üben?<br />
�<br />
48
1.5 Literaturverzeichnis<br />
BARNARD, Chester (1938)<br />
The Functions of the Executives, Camebridge<br />
BARTALANFFY, Ludwig von (1968)<br />
General System Theorie – Fo<strong>und</strong>ation, Development, Applications, New York<br />
FAYOL, Henry (1916), Administration Industrielle et Générale, Paris<br />
KLEIN-BLENKERS (1992)<br />
Gesamtübersicht über die Hochschullehrer der Betriebswirtschaftslehre 1898 – 1955,<br />
Wirtschaftsverlag Bachem Köln, 2. Auflage, ISBN 3891722192<br />
KUBICEK, H. / WELTER, G. (1985)<br />
Die Messung der <strong>Organisation</strong>sstruktur – eine Dokumentation von Instrumenten zur quantitativen<br />
Erfassung von <strong>Organisation</strong>sstrukturen, Stuttgart<br />
KUHN, T.S. (1962)<br />
The Structure of Scientific Revolutions, Chicago<br />
MACHARZINA, K. (1970)<br />
Interaktion <strong>und</strong> <strong>Organisation</strong> – Versuch einer Modellanalyse, Dissertation, Ludwig-Maximilians-<br />
Universität München<br />
MACHARZINA, K. (1993)<br />
Unternehmensführung. Das internationale Managementwissen – Konzepte, Methoden, Praxis,<br />
Wiesbaden<br />
MALIK, Fredm<strong>und</strong> (2006)<br />
Führen, Leisten, Leben: Wirksames Management für eine neue Zeit, Frankfurt am Main :<br />
Campus Verlag; Auflage: 1 , 400 Seiten, ISBN 978-3593382319<br />
TAYLOR, F. (1911)<br />
The principles of Scientific Management, New York<br />
ULRICH, Hans (1968)<br />
Die Unternehmung als produktives soziales System – Gr<strong>und</strong>lagen einer allgemeinen<br />
Unternehmenslehre, Bern-Stuttgart<br />
WEBER, Max (1922)<br />
Wirtschaft <strong>und</strong> Gesellschaft – Gr<strong>und</strong>riß einer verstehenden Soziologie, Tübingen<br />
WIENER, Norbert (1948)<br />
Cybernetics or Control and Communication in the Animal and the Machine, Camebridge<br />
WOLF, Joachim (2011):<br />
<strong>Organisation</strong>, Management, Unternehmensführung – Theorien, Praxisbeispiele <strong>und</strong> Kritik, Gabler<br />
Verlag Wiesbaden, 4. Auflage, 712 Seiten, ISBN 978-3-8349-2628-9<br />
�<br />
49