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Abwasserentsorgung und EU-WRRL - Fachgebiet ...

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<strong>Abwasserentsorgung</strong> <strong>und</strong> <strong>EU</strong>-<strong>WRRL</strong><br />

Wirkungen von Einleitungen auf Biozönosen<br />

<strong>und</strong> Auswirkungen der <strong>EU</strong>-<strong>WRRL</strong> auf die<br />

<strong>Abwasserentsorgung</strong><br />

Seminar WS 05/06<br />

Siedlungswasserwirtschaft <strong>und</strong> Wasserbau<br />

Simone Lay<br />

Sylvia Martin


Seminararbeit SiWaWi/Wasserbau WS 05/06 „<strong>EU</strong> Wasserrahmenrichtlinie“<br />

Simone Lay & Sylvia Martin<br />

Inhaltsverzeichnis<br />

1. Einfluß von Abwassereinleitungen auf die Biozönose im<br />

Fließgewässer ................................................................... 2<br />

1.1 Biozönotische Gr<strong>und</strong>prinzipien .......................................... 2<br />

1.2 Die Biozönose im Ökosystem Fließgewässer ................... 3<br />

1.2.1 Pflanzen .................................................................................................... 3<br />

1.2.2 Tiere.......................................................................................................... 3<br />

1.3 Die biozönotische Gliederung der Fließgewässer ............. 5<br />

1.4 Abwassereinleitungen........................................................ 7<br />

1.5 Auswirkungen von Abwassereinleitungen auf Gewässer<br />

<strong>und</strong> Biozönose ................................................................... 7<br />

1.5.1 Physikalische Beeinträchtigungen............................................................. 8<br />

1.5.2 Stoffliche Beeinträchtigungen.................................................................... 9<br />

1.6 Abhängigkeit der Auswirkungen von Abwassereinleitungen<br />

in ein Gewässer ............................................................... 12<br />

2. Einführende Gr<strong>und</strong>lagen in die Abwassereinleitung........ 13<br />

2.1 Zustand vor der <strong>EU</strong>- Wasserrahmenrichtlinie.................. 15<br />

2.1.1 Rechtliche Rahmenbedingungen ............................................................ 15<br />

2.1.2 Praxis bei der Dimensionierung von Abwasseranlagen vor <strong>WRRL</strong>......... 16<br />

2.2 Zustand mit der <strong>EU</strong>-Wasserrahmenrichtlinie................... 19<br />

2.2.1 Rechtliche Situation ................................................................................ 19<br />

2.2.2 Praxis <strong>und</strong> Dimensionierung von Abwasseranlagen mit der<br />

Wasserrahmenrichtlinie........................................................................... 19<br />

2.3 Auswirkungen der immissionsbezogenen Betrachtungen21<br />

2.4 Beispiel Bedersdorf.......................................................... 22<br />

2.5 Fazit <strong>und</strong> Ausblick............................................................ 23<br />

1


Seminararbeit SiWaWi/Wasserbau WS 05/06 „<strong>EU</strong> Wasserrahmenrichtlinie“<br />

Simone Lay & Sylvia Martin<br />

1. Einfluss von Abwassereinleitungen auf die Biozönose im<br />

Fließgewässer<br />

Abwassereinleitungen aus Kanalisationen <strong>und</strong> Kläranlagen können zu unterschiedlichen<br />

Gewässerbeeinträchtigungen führen. Die Belastungen können sowohl stofflich, physikalisch,<br />

hygienisch als auch ästhetisch sein. Diese Gewässerbeeinträchtigungen beeinflussen auch<br />

das Leben im <strong>und</strong> am Wasser.<br />

Da Abwassereinleitungen in der Regel in Fließgewässer erfolgen, soll hier nur die Biozönose<br />

im Fließgewässer betrachtet werden. Durch die Fließbewegung verteilen sich Schadstoffe<br />

über längere Strecken, bei Einleitungen in Seen ist nur der direkte Bereich um die<br />

Einleitstelle betroffen.<br />

1.1 Biozönotische Gr<strong>und</strong>prinzipien<br />

Als Gr<strong>und</strong>lage zum Verständnis der Wechselwirkung zwischen Biozönose <strong>und</strong> Biotop dienen<br />

die Biozönotischen Gr<strong>und</strong>prinzipien 1 .<br />

1. Je vielfältiger die ökologischen Nischen eines Ökosystems, desto artenreicher ist<br />

eine Biozönose<br />

Jedes Lebewesen stellt bestimmte Ansprüche an seinen Lebensraum. Nur wo diese<br />

Ansprüche erfüllt sind, kann es dauerhaft existieren (Prinzip der ökologischen Nische 2 ).<br />

Vielfältige ökologischen Nischen bieten vielfältige Umweltbedingungen, so dass sich eine<br />

artenreiche Biozönose ausbilden kann.<br />

2. Je mehr sich die abiotischen Faktoren eines Biotops von globalen Mittelwerten<br />

entfernen, desto artenärmer, aber auch individuenreicher ist die Biozönose.<br />

Da jedes Lebewesen an bestimmte Umweltbedingungen angepasst ist, können bei extremen<br />

Umweltbedingungen nur spezialisierte Lebewesen überleben. Durch die für sie guten<br />

Bedingungen können sie sich sehr stark vermehren (z.B. Abwasser, Tiefsee)<br />

3. Je langsamer <strong>und</strong> kontinuierlicher sich die Lebensbedingungen in einem Biotop<br />

verändert haben, desto artenreicher ist seine Biozönose.<br />

Durch die langsame Veränderung kann sich die Biozönose an die veränderten<br />

Lebensbedingungen anpassen.<br />

1 www.wikipedia.de<br />

2 „Ökologie der Fließgewässer, Lebensraum Bach/Fluss- Ausprägung <strong>und</strong> Differenzierung“, Dipl. Biol. Dipl Ökol.<br />

Ines Adrian, Ruhr-Universität Bochum<br />

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Seminararbeit SiWaWi/Wasserbau WS 05/06 „<strong>EU</strong> Wasserrahmenrichtlinie“<br />

Simone Lay & Sylvia Martin<br />

1.2 Die Biozönose im Ökosystem Fließgewässer<br />

Die Biozönose im Fließgewässer setzt sich wie folgt zusammen:<br />

1.2.1 Pflanzen<br />

- Makrophyten:<br />

Höhere Wasserpflanzen mit Luftblättern, z.B. Schilf.<br />

- Phytobentos:<br />

„Aufwuchs“ auf Steinen <strong>und</strong> Pflanzen am Gewässerboden (Benthos), der aus einer<br />

Mischung aus verschiedenen Algen, Bakterien <strong>und</strong> Pilzen besteht.<br />

- Phytoplankton:<br />

Im Wasser schwebende Algen in der Freiwasserzone, nur in sehr langsamen<br />

Gewässerabschnitten. Durch die Strömung wird das Phytoplankton in schneller<br />

fließenden Bereichen verdriftet.<br />

- Neophyten:<br />

Eingeschleppte, nicht heimische Arten verdrängen häufig einheimische Arten durch<br />

bessere Angepasstheit <strong>und</strong> das Fehlen natürlicher Feinde <strong>und</strong> prägen so das<br />

Gewässerbild. Häufig treten sie massenhaft auf, z.B. Wasserpest (elodea canadensis).<br />

1.2.2 Tiere<br />

- Mikrozoobenthos<br />

In der Regel Einzeller, z.B.: Rädertierchen (Rotatorien) oder Wimperntierchen (Ciliaten)<br />

Abbildung 1: Wimperntierchen (Stylonychia) Abbildung 2: Rädertierchen<br />

(Quelle: www.wikipedia.de)<br />

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- Makrozoobenthos (Makroinvertebraten):<br />

Makroinvertebraten können nach ihrer Ernährungsweise eingeteilt werden:<br />

• Filtrierer: filtern ihre Nahrung aus dem Wasser (z. B. Muscheln).<br />

• Weidegänger: sie fressen den Aufwuchs (Phytobenthos) von Steinen <strong>und</strong><br />

Pflanzen, z.B.: Eintagsfliegenlarve, Köcherfliegenlarve<br />

Abbildung 3:Eintagsfliegenlarve (Ephemeroptera) Abbildung 4: Köcherfliegenlarve (Trichoptera)<br />

(Quelle: „Ökologie der Fließgewässer, Lebensraum Bach/Fluss- Ausprägung <strong>und</strong> Differenzierung“, Dipl. Biol. Dipl Ökol.<br />

Ines Adrian, Ruhr-Universität Bochum)<br />

• Zerkleinerer:<br />

Sie ernähren sich von abgestorbenem organischen Material, z.B. der<br />

Schlammröhrenwurm (Tubifex).<br />

Abbildung 5: Schlammröhrenwürmer (Tubifex)<br />

(Quelle: Biologisches Labor Wien-Ost)<br />

• Jäger: Sie jagen <strong>und</strong> fressen andere Makroinvertebraten, z.B. Libellenlarve.<br />

Makroinvertebraten sind wichtige Bioindikatoren zur Beurteilung der biologischen<br />

Gewässerbeschaffenheit. Sie werden über den Saprobienindex zur<br />

Gewässergüteklassifizierung eingesetzt <strong>und</strong> dienen nach der <strong>EU</strong>-<strong>WRRL</strong> als<br />

Indikatororganismen zur Beurteilung des ökologischen Zustands.<br />

An ihnen erkennt man gut die Angepasstheit an bestimmte Umweltbedingungen. Die<br />

Köcherfliegenlarve baut sich je nach Art einen Panzer aus Steinen oder Pflanzenteilen.<br />

Dadurch tarnt sie sich zum einen, schützt sich aber auch durch das zusätzliche Gewicht vor<br />

Verdriftung durch die Strömung. Die Eintagsfliegenlarve ist durch ihre abgeplattete<br />

Körperform stromlinienförmig gebaut <strong>und</strong> gut an die Strömung angepasst. Der<br />

Schlammröhrenwurm lebt in organisch stark belasteten Gewässern mit geringem<br />

Sauerstoffdargebot. Um trotzdem überleben zu können, hat er einen hohen Hämoglobin-<br />

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Simone Lay & Sylvia Martin<br />

anteil im Blut (daher die rote Färbung) um den wenigen Sauerstoff besser lösen zu können.<br />

- Zooplankton:<br />

Das Zooplankton besteht aus kleinen Tieren z.B. Kleinkrebsen in der Freiwasserzone.<br />

Wie das Phytoplankton ist es nur in ruhigen Gewässerabschnitten zu finden, da die<br />

Strömung es verdriftet.<br />

- Nekton:<br />

Zum Nekton gehören alle sich frei im <strong>und</strong> am Wasser bewegende Tiere z.B. Fische,<br />

Amphibien etc. Fische dienen nach <strong>EU</strong>-<strong>WRRL</strong> der Beurteilung des ökologischen<br />

Zustands.<br />

- Pleuston:<br />

Zum Pleuston gehören alle Lebewesen an der Wasseroberfläche, z.B.<br />

Rückenschwimmer, Wasserläufer, versch. Käferarten (Taumelkäfer).<br />

- Neozoen:<br />

Hierzu gehören eingeschleppte, nicht heimische Arten, wie z. B. Nutria oder der<br />

amerikanische Flußkrebs.<br />

1.3 Die biozönotische Gliederung der Fließgewässer<br />

Fließgewässer ändern in ihrem Verlauf von der Quelle bis zur Mündung ihre morphologische<br />

Gestalt. Mit steigendem Abstand zur Quelle werden die Gewässer langsamer, breiter <strong>und</strong><br />

tiefer, der Sauerstoffgehalt sinkt. So bilden sich unterschiedliche Lebensbereiche in ein <strong>und</strong><br />

demselben Fluss. Aus diesem Gr<strong>und</strong> befinden sich in unterschiedlichen<br />

Gewässerabschnitten unterschiedliche Biozönosen.<br />

Die biozönotische Gliederung sieht wie folgt aus:<br />

Abbildung 6: Biozönotische Gliederung nach Illies<br />

(Quelle: „Ökologie der Fließgewässer, Lebensraum Bach/Fluss- Ausprägung <strong>und</strong> Differenzierung“, Dipl. Biol. Dipl Ökol.<br />

Ines Adrian, Ruhr-Universität Bochum)<br />

Von der Quelle bis zur Mündung kann man das Fließgewässer in die zwei großen Bereiche<br />

Rithral (Bachregion) <strong>und</strong> Potamal (Flußregion) aufteilen. Bach <strong>und</strong> Flußregion<br />

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Simone Lay & Sylvia Martin<br />

werden dann in Epi-, Meta-, oder Hypo- Rithral oder Potamal, also in Ober-, Mittel- oder<br />

Unterlauf- Bach- oder Flußregion eingeteilt.<br />

Die Unterteilung kann auch nach Fischregionen vorgenommen werden. Jedem Bestandteil<br />

der Bach- oder Flußregion wird ein Leitfisch zugeordnet, der in dieser Region häufig<br />

vorkommt. In der Bachregion herrschen die Salmoniden (Lachsartige) vor, in der Flussregion<br />

sind die Cypriniden (Karpfenartige) häufiger vorhanden, was insbesondere mit der<br />

Gewässermorphologie zusammenhängt.<br />

Abbildung 7: Gliederung nach Fischregionen<br />

(Quelle: „Ökologie der Fließgewässer, Lebensraum Bach/Fluss- Ausprägung <strong>und</strong> Differenzierung“, Dipl. Biol. Dipl Ökol.<br />

Ines Adrian, Ruhr-Universität Bochum)<br />

In der Natur kann diese Einteilung wie folgt aussehen:<br />

Abbildung 8: River Continuum Concept (Vannote et al., 1980)<br />

(Quelle: „Ökologie der Fließgewässer, Lebensraum Bach/Fluss- Ausprägung <strong>und</strong> Differenzierung“, Dipl. Biol. Dipl Ökol.<br />

Ines Adrian, Ruhr-Universität Bochum)<br />

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Seminararbeit SiWaWi/Wasserbau WS 05/06 „<strong>EU</strong> Wasserrahmenrichtlinie“<br />

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In den blau eingefärbten Kreisen erkennt man die Veränderung der Zusammensetzung der<br />

Makroinvertebraten mit steigender Nähe zur Flussmündung. Neben der linken Skala<br />

(Strombreite) ist die Einteilung nach Fischregionen von der Forellenregion (trout) bis ca. zur<br />

Brassenregion (in diesem Bsp. ist der Leitfisch ein Katzenwels (catfish), was der deutschen<br />

Einteilung der Brassenregion entspricht) dargestellt. Die Kaulbarsch/Fl<strong>und</strong>er-Region ist hier<br />

nicht mehr eingezeichnet. Sie befindet sich in der Nähe der Mündung, wo sich Salz- <strong>und</strong><br />

Süsswasser mischen (Brackwasser).<br />

1.4 Abwassereinleitungen<br />

Abwassereinleitungen in ein Gewässer erfolgen aus diffusen Quellen (hauptsächlich<br />

Nährstoffe aus der Landwirtschaft) <strong>und</strong> aus Punktquellen.<br />

Zu den Punktquellen zählen:<br />

- Einleitungen aus Kläranlagen: Kommunal-, Industrie- <strong>und</strong> Kleinkläranlagen<br />

- Kühlwasser (insb. Kraftwerke, Industrie), Sümpfungswässer (warmes<br />

Tiefengr<strong>und</strong>wasser aus dem Bergbau)<br />

- Mischwasserentlastungen (Regenüberläufe <strong>und</strong> Regenüberlaufbecken)<br />

- Regenwasser aus Trennkanalisationen<br />

- Schmutzwasser ohne Behandlung (seit 01.01.06 nach <strong>EU</strong> Richtlinie 91/271/EWG<br />

verboten, aber immer noch nicht alle Haushalte an eine Kläranlage angeschlossen)<br />

1.5 Auswirkungen von Abwassereinleitungen auf Gewässer <strong>und</strong><br />

Biozönose<br />

Die Beeinträchtigung von Gewässern durch Abwassereinleitungen kann entweder<br />

physikalischer oder stofflicher Natur sein.<br />

Zu den physikalischen Beeinträchtigungen gehören:<br />

- Mechanisch-hydraulische Beeinträchtigungen<br />

- Thermische Beeinträchtigungen<br />

Stoffliche Beeinträchtigungen können sein:<br />

- leicht abbaubare organische Stoffe<br />

- Pflanzennährstoffe<br />

- Toxische Stickstoffverbindungen<br />

- Xenobiotika<br />

- Schwer abbaubare <strong>und</strong> akkumulierende Stoffe<br />

- Sedimentierende Feststoffe<br />

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Seminararbeit SiWaWi/Wasserbau WS 05/06 „<strong>EU</strong> Wasserrahmenrichtlinie“<br />

Simone Lay & Sylvia Martin<br />

1.5.1 Physikalische Beeinträchtigungen<br />

Mechanisch-hydraulische Beeinträchtigungen:<br />

Diese Beeinträchtigungen entstehen hauptsächlich durch Einleitungen aus Regenüberläufen,<br />

Regenüberlaufbecken <strong>und</strong> Regenwasserausläufen aus der Trennkanalisation. Diese<br />

Einleitungen stellen Extremereignisse dar, bei denen auf einmal sehr große Wassermengen<br />

in ein Gewässer eingeleitet werden, was zu einer Abflusserhöhung <strong>und</strong> zu stärkerer<br />

Strömung führt. Insbesondere die Organismen an der Gewässersohle sind hiervon betroffen,<br />

da sie durch den entstehenden Geschiebetrieb zerquetscht werden. Ein weiterer Teil der<br />

Organismen wird durch die Strömung verdriftet.<br />

Wie sich die Individuenzahl der Biozönose unterhalb einer Einleitungsstelle negativ<br />

verändert, zeigt folgende Grafik:<br />

Abbildung 9: Besiedlungsverlauf im Rohrbach (Schweiz) ober- <strong>und</strong> unterhalb der Kanalisationseinleitungen<br />

(Quelle: „Gewässerbelastungen durch Abwasser aus Kanalisation <strong>und</strong> Regenwetter“, V.Krejci et al.)<br />

In der Regel kann sich die Biozönose wieder erholen, da solche Ereignisse auch in der Natur<br />

(z.B. durch Hochwasser) vorkommen. Der Gewässerboden wird dann mit der Zeit wieder<br />

besiedelt. Treten diese Ereignisse häufiger als für das Gewässer natürlich auf, kann es zu<br />

einer sog. „Auswaschung“ der Biozönose kommen, die Biozönose verarmt. Bei häufigerem<br />

Auftreten kann also aus einer akuten Wirkung eine Langzeitwirkung werden.<br />

Die Auswirkungen auf die Organismen sind abhängig vom Gewässertyp. Bei einer<br />

heterogenen Gewässersohle, in der durch Felsen, Steine oder Bäume viele<br />

Rückzugsbereiche für die Organismen vorhanden sind, sind die Auswirkungen weniger stark,<br />

als bei einer gleichmäßig ausgebideten Sohle, wo keine Rückzugsmöglichkeiten vorhanden<br />

sind. Außerdem müssen bestimmte Bedingungen erfüllt sein, dass es überhaupt zum<br />

Geschiebetrieb kommt.<br />

Eine positive Auswirkung des Geschiebetriebs ist die Reinigung der Gewässersohle.<br />

Ablagerungen werden ausgewaschen, eine Verstopfung des Porenraums der Sohle kann<br />

vermieden werden. Ein Problem entsteht allerdings, wenn in den Ablagerungen<br />

sedimentierende Schadstoffe vorhanden sind. Werden diese aufgewirbelt, kann es zu<br />

toxischen Wirkungen kommen.<br />

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Thermische Beeinträchtigungen<br />

Thermische Beeinträchtigungen stammen in der Regel aus Einleitungen von Kühlwässern<br />

aus Kraftwerken <strong>und</strong> der Industrie <strong>und</strong> von Sümpfungswässern (warmes Tiefengr<strong>und</strong>wasser<br />

aus dem Bergbau). Aber auch Abwasser aus der Kanalisation kann unter bestimmten<br />

Rahmenbedingungen (kurze Fließwege, stark erwärmte, befestigte Oberflächen) thermische<br />

Belastungen verursachen.<br />

Solche Einleitungen haben kurzfristige Temperaturänderungen im Gewässer zur Folge.<br />

Dadurch entsteht eine Verringerung der Sauerstofflöslichkeit im Wasser, mikrobiologische<br />

Prozesse laufen beschleunigt ab, was zusätzlichen Sauerstoff verbraucht. Außerdem kann<br />

durch die Erwärmung die Toxizität von bestimmten Stoffen (z.B. PAK <strong>und</strong> Schwermetalle)<br />

verstärkt werden. Zusätzlich beeinflusst die Temperatur die Bildung von fischgiftigem<br />

Ammoniak aus Ammonium.<br />

Fische sind von diesen Temperaturerhöhungen insbesondere während der Laichzeit<br />

betroffen. Winterlaicher, wie z.B. Salmoniden brauchen zum Ablaichen eine Temperatur<br />

kleiner 10°C.<br />

Dauern die Temperaturerhöhungen nur kurzfirstig an (1-2 St<strong>und</strong>en) <strong>und</strong> bewegen sich nur im<br />

Rahmen von wenigen °C kommt es aber normalerweise ni cht zu besonderen Problemen.<br />

1.5.2 Stoffliche Beeinträchtigungen<br />

Leicht abbaubare, organische Substanzen<br />

Diese Stoffe werden im Gewässer unter Sauerstoffzehrung von heterotrophen<br />

Mikroorganismen abgebaut. Werden sehr viele organische Stoffe eingetragen, kann diese<br />

Sauerstoffzehrung so groß sein, dass sich anaerobe Verhältnisse einstellen können.<br />

Organismen, die auf ein großes Sauerstoffangebot angewiesen sind, können bei<br />

Sauerstoffmangel absterben. Es kommt zu einer Verarmung der Biozönose, O2-tolerante<br />

Destruenten herrschen vor. Die Anzahl der Arten nimmt ab, die Individuendichte steigt.<br />

In der Regel entstehen diese starken Sauerstoffdefizite im Bereich der Gewässersohle. Im<br />

Fließgewässer sorgt die Strömung normalerweise für eine Verwirbelung <strong>und</strong> so für Sauer-<br />

stoffeinträge in den gesamten Wasserkörper. In Seen kann es durch die fehlende<br />

Durchmischung aber zu einer Schichtung kommen, so dass ein Gasaustausch bis in die<br />

unteren Schichten nicht mehr möglich ist.<br />

Durch Fortschritte in der Abwasserreinigung sind organische Belastungen inzwischen aber<br />

kaum noch ein Problem.<br />

Pflanzennährstoffe<br />

Hier sind besonders Phosphor- <strong>und</strong> Stickstoffverbindungen zu nennen. Sie stammen<br />

hauptsächlich aus diffusen Quellen, insbesondere aus dem Düngemitteleinsatz in der<br />

Landwirtschaft. Die auf die Felder aufgebrachten Düngemittel werden durch Regen oder<br />

Erosion in Gewässer eingetragen <strong>und</strong> verursachen dort eine Überdüngung („Eutrophierung“).<br />

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Es kommt zu verstärktem Pflanzenwachstum. Nachts kann es durch die Atmung der<br />

Pflanzen zu einem Sauerstoffdefizit kommen. Die Folgen eines Sauerstoffdefizits wurden<br />

bereit im vorherigen Abschnitt „Leicht abbaubare, organische Substanzen“ beschrieben.<br />

Aber auch durch die Einleitung von Abwasser aus der Kanalisation können<br />

Pflanzennährstoffe in Gewässer eingetragen werden. Hier stellt insbesondere der Phosphor<br />

ein Problem dar, da nicht jede Kläranlage über eine Anlage zur Phosphatfällung verfügt.<br />

Diese Eutrophierung zeigt sich insbesondere bei kleineren Seen <strong>und</strong> Weihern, da hier das<br />

Nährstoffangebot das Pflanzenwachstum limitiert. Bei Fließgewässer sind eher fehlende<br />

Beschattung oder das Fehlen von pflanzenfressenden Kleinlebewesen das Problem.<br />

Toxische Stickstoffverbindungen<br />

In Abhängigkeit von pH-Wert <strong>und</strong> Temperatur wandelt sich der harmlose Pflanzennährstoff<br />

Ammonium NH4 + zu giftigem Ammoniak NH3 um. Die Wirkung des Ammoniaks ist akut<br />

toxisch. Da es fischgiftig wirkt, kann es zu Fischsterben kommen. Makroinvertebraten<br />

ragieren dagegen nicht auf kurzfristige Belastungsspitzen.<br />

Xenobiotika<br />

Bei Xenobiotika handelt es sich um eine Vielzahl künstlich hergestellter Substanzen. Viele<br />

sind nur schwer abbaubar <strong>und</strong> nicht bei allen sind die Effekte auf die Umwelt bekannt.<br />

Außerdem können die Auswirkungen unterschiedlichster Art sein. Sie gelangen über<br />

Industrieabwässer, aber auch über normale Haushaltsabwässer in Flüsse <strong>und</strong> Seen. Ein<br />

besonderes Problem stellen hier Medikamente, insbesondere hormonaktive Substanzen,<br />

dar, da sie die Fortpflanzung der Lebewesen beeinflussen können.<br />

Schwer abbaubare <strong>und</strong> akkumulierende Stoffe<br />

Hierzu gehören Schwermetalle (Kupfer, Cadmium, Blei etc.) <strong>und</strong> bestimmte organische<br />

Verbindungen wie PAK (polyzyklische, aromatische Kohlenwasserstoffe) oder PCB<br />

(polychlorierte Biphenyle). Sie sind im Gewässer nur schwer abbaubar <strong>und</strong> können teilweise<br />

am Sediment akkumulieren.<br />

Diese Stoffe können durch industrielle Abwässer in die Gewässer gelangen, sie stammen<br />

aber auch aus unterschiedlichen diffusen Quellen (z.B. Altlasten im Boden), aus denen sie<br />

durch Regen oder das Gr<strong>und</strong>wasser ausgeschwemmt werden. PCB findet sich z.B. häufig im<br />

Klärschlamm wieder. Ein Verbot der Ausbringung von Klärschlamm auf landwirtschaftliche<br />

Flächen könnte die PCB-Belastung verringern.<br />

Die Folge einer Belastung mit solchen schwer abbaubaren Stoffen ist die Verarmung der<br />

benthischen Biozönose, also den Lebewesen auf <strong>und</strong> in der Gewässersohle, da sich die<br />

Stoffe insbesondere dort anlagern. Tiere <strong>und</strong> Pflanzen in der Freiwasserzone sind weniger<br />

betroffen, da sich im Wasser selbst weniger Schadstoffe befinden <strong>und</strong> diese durch die<br />

Strömung verteilt werden.<br />

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Sedimentierende Feststoffe<br />

Sedimentierende Feststoffe stammen aus Mischwassereinleitungen (RÜ <strong>und</strong> RÜB) <strong>und</strong> aus<br />

Regenwassereinleitungen aus Trennkanalisationen. Sie können den Porenraum der<br />

Gewässersohle verstopfen <strong>und</strong> führen zu einer Verschlammung des Gewässerbodens. Der<br />

Lebensraum für die benthische Biozönose wird beeinflusst. Der Schlamm behindert den<br />

Zugang zum Porenraum, Schmermetalle können an den Partikeln adsorbiert sein <strong>und</strong> sich<br />

so im Gewässerboden anreichern. Bei einer Aufwirbelung können diese Stoffe freigesetzt<br />

werden. Da organisches Material eingetragen wird, werden die sog. „Zerkleinerer“ gefördert,<br />

„Weider“ <strong>und</strong> „Filtrierer“ werden dagegen in ihrer Nahrungsaufnahme behindert. Der<br />

Schlamm bedeckt den Gewässerboden, so dass Weider nicht an den Aufwuchs auf Steinen<br />

<strong>und</strong> Pflanzen gelangen, der ihnen als Nahrungsgr<strong>und</strong>lage dient. Filtrierer wie z.B. Muscheln<br />

können vom Schlamm zugedeckt <strong>und</strong> so bei der Nahrungsaufnahme aus dem Wasser<br />

behindert werden. Der Abbau von organischen Bestandteilen des Schlamms führt zu einer<br />

Sauerstoffzehrung am Gewässerboden, was Organismen beeinflusst, die nicht O2-tolerant<br />

sind. Zusätzlich trüben Schwebstoffe das Wasser <strong>und</strong> behindern den Lichteinfall, wodurch<br />

die Photosynthese der Pflanzen behindert wird.<br />

Im folgenden Schaubild ist der Einfluss von Siedlungsentwässerung auf die Biozönose im<br />

Gewässer noch einmal zusammengefasst:<br />

Abbildung 10: Einfluss der Siedlungsentwässerung auf die Biozönose<br />

(Quelle: „Gewässerbelastungen durch Abwasser aus Kanalisation <strong>und</strong> Regenwetter“, V.Krejci et al.)<br />

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1.6 Abhängigkeit der Auswirkungen von Abwassereinleitungen in<br />

ein Gewässer<br />

Die Auswirkungen von Abwassereinleitungen sind abhängig von bestimmten Fakoren im <strong>und</strong><br />

am Gewässer. In den folgenden Tabellen sind diese Rahmenbedingungen<br />

zusammenfassend dargestellt.<br />

Stoffliche Belastung<br />

Vorraussetzung Konsequenzen<br />

Q im Gewässer sehr gering oder Gewässer gestaut Lange Wirkung des Abwassers, Sedimentation,<br />

langsame Wiederbelüftung<br />

Kurzer, heftiger Regen nach langer Trockenperiode Hohe Abwasserkonzentrationen gelangen in das<br />

Gewässer<br />

Regen lokal über Siedlungsgebiet Schlechte Verdünnung im Gewässer<br />

Hohe Temperaturen <strong>und</strong> pH-Werte im Gewässer <strong>und</strong><br />

Anwesenheit von empfindlichen Organismen<br />

Geringe stoffliche Gewässerbelastung bei<br />

Trockenwetter <strong>und</strong> naturnahe Morphologie<br />

Hydraulische Stossbelastung<br />

Gefahr der Ammoniaktoxiziät<br />

Vorraussetzung Konsequenzen<br />

QAbwasser : QGewässer >10 Geschiebetrieb<br />

Gewässer mit feinem Sohlenmaterial Geschiebetrieb<br />

Empfindliche Organismen potentiell vorhanden<br />

Quellgewässer Biozönose nicht auf Hochwasser adaptiert, langsame<br />

Wiederbesiedlung<br />

Gewässer kanalisiert, Ufer verbaut Hohe Strömungsgeschwindigkeiten<br />

Steiles Einzugsgebiet Sehr schnelles Ansteigen des Abflusses<br />

Tabelle 1: Abhängigkeit der Auswirkungen von typischen Belastungen auf das Gewässer<br />

(Quelle: „Gewässerbelastungen durch Abwasser aus Kanalisation <strong>und</strong> Regenwetter“, V.Krejci et al.)<br />

Nicht jede Abwassereinleitung stellt also ein Geschässerschutzproblem dar. Die<br />

Beeinträchtigung ist abhängig von den Bedinungen im Gewässer <strong>und</strong> von Dauer, Intensität<br />

<strong>und</strong> Häufigkeit der Einleitungen. Daher sollte bei Einleitungen in ein Gewässer nicht nur die<br />

in das Gewässer eingetragene Schmutzfracht betrachtet werden (Emissionsansatz). Auch<br />

die Bedingungen im Gewässer sind zu berücksichtigen (Immissionsansatz), um mögliche<br />

Auswirkungen der Abwassereinleitungen abschätzen zu können <strong>und</strong> möglichst gering zu<br />

halten. Abwässer sollten nur in solche Gewässer eingeleitet werden, die die<br />

Abwassereinleitungen durch die entsprechenden Rahmenbedingungen kompensieren<br />

können.<br />

Dieser kombinierte Emissions-Immissions-Ansatz ist in der <strong>EU</strong>-Wasserrahmenrichtlinie<br />

verankert, was im Folgenden dargestellt werden soll.<br />

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2. Einführende Gr<strong>und</strong>lagen in die Abwassereinleitung<br />

Abwassereinleitungen erfolgen in Gewässer. Unter dem Begriff Gewässer versteht man nach<br />

§1 Abs. 1 des Wasserhaushaltsgesetzes (WHG) alle Oberflächengewässer <strong>und</strong> das<br />

Gr<strong>und</strong>wasser. Gewässer sind in unterschiedliche Größenordnungen eingeteilt, die durch die<br />

jeweiligen Landeswassergesetze festgelegt sind.<br />

Die Auswirkungen von Abwassereinleitungen auf Gewässer sowohl hydraulischer als auch<br />

stofflicher Art wurden bereits im ersten Teil der Arbeit erläutert.<br />

Einleitungen von Abwasser in Gewässer können auf verschiedene Arten erfolgen. Die<br />

bekanntesten Einleitungen sind Kläranlageneinleitungen. Diese werden von der Art des<br />

Abwassers her unterschieden ob es sich um eine kommunale oder eine industrielle<br />

Kläranlage handelt. Des Weiteren gibt es die Mischwasserbehandlungsanlagen als<br />

Einleitstellen zu nennen. Dabei handelt es sich um so genannte Regenüberläufe (RÜ),<br />

Regenüberlaufbecken (RÜB) <strong>und</strong> Staukanäle (SK). Eine weitere Einleitung von Abwasser ist<br />

die Niederschlagswassereinleitung aus Trennsystemen.<br />

Abbildung 11: Funktionsweise eines Regenüberlaufs<br />

Erläuterung der Skizze:<br />

Das Abwasser kommt durch eine Rohrleitung auf der Skizze von links an <strong>und</strong> gelangt in das<br />

Bauwerk. Nach dem Bauwerk wird das Wasser durch eine kleiner dimensionierte Rohrleitung<br />

weitergeführt.<br />

Bei Trockenwetter ist es der Fall, dass das Schmutzwasser durch den Kanal in das Bauwerk<br />

<strong>und</strong> durch den weiterführenden Kanal zur Kläranlage geleitet wird. Das Bauwerk <strong>und</strong> die<br />

nachfolgende Rohrleitung sollten so dimensioniert sein, dass es zu keinem Rückstau kommt.<br />

Bei Regenwetter laufen das Abwasser <strong>und</strong> das Regenwasser in das Bauwerk. Ab einer<br />

bestimmten Regenwassermenge ist der weiterführende Kanal zur Kläranlage mit Absicht zu<br />

klein für die ankommenden Wassermengen. Es kommt zu einem Rückstau in dem Bauwerk.<br />

Das Bauwerk ist so dimensioniert, dass eine definierte Menge weitergeleitet wird <strong>und</strong> das<br />

13


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Simone Lay & Sylvia Martin<br />

überschüssige Wasser über eine Schwelle in das dort angrenzende Gewässer abgeschlagen<br />

wird.<br />

Abbildung 12: Funktionsweise eines Regenüberlaufsbeckens<br />

Regenüberlaufbecken <strong>und</strong> Staukanäle funktionieren nach dem gleichen Prinzip. Im<br />

Gegensatz zu Regenüberläufen besitzen Regenüberlaufbecken <strong>und</strong> Staukanäle noch ein<br />

Stauvolumen, entweder in Form eines Beckens oder eines Kanals, wie es der Name schon<br />

sagt. Das hat den Vorteil, dass bei Regen wenn die Kanäle durchspült werden, sich die<br />

abgesetzten Stoffe in den Kanälen lösen. Diese Stoffe werden im Regenüberlaufbauwerk<br />

bzw. dem Staukanal nicht direkt ins Gewässer ausgespült, sondern sinken durch das<br />

beruhigte Becken bzw. den Kanal ab <strong>und</strong> werden dann zur Kläranlage weiter transportiert.<br />

Das System eines Kanalisationsnetzes ist so ausgelegt, dass die Regenüberlaufbecken <strong>und</strong><br />

die Staukanäle als erstes anspringen, bevor die Regenüberläufe anspringen. Erst bei<br />

größeren Regenmengen (Wassermenge=135l/(s*ha)*A+Qt24) kommt es zu einem<br />

Anspringen der Regenüberläufe.<br />

Abbildung 13: Einleitung in ein Gewässer aus einem Staukanal<br />

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2.1 Zustand vor der <strong>EU</strong>- Wasserrahmenrichtlinie<br />

2.1.1 Rechtliche Rahmenbedingungen<br />

Im Wasserhaushaltsgesetz (WHG) steht unter § 18b, dass Abwasseranlagen nach den<br />

allgemein anerkannten Regeln der Technik errichtet <strong>und</strong> betrieben werden müssen. Des<br />

Weiteren geht § 7a des Wasserhaushaltsgesetzes auf die Anforderungen an das Einleiten<br />

von Abwasser ein. Das heißt, die „ Schadstofffracht für das Einleiten von Abwasser muss so<br />

gering wie möglich gehalten werden <strong>und</strong> muss dem Stand der Technik entsprechen“ (3) .<br />

§ 7a des Wasserhaushaltsgesetzes ist die Gr<strong>und</strong>lage für die Abwasserverordnung (AbwV),<br />

die der B<strong>und</strong> erlassen hat. Der B<strong>und</strong> hat in dieser Verordnung Mindestanforderungen an das<br />

Einleiten von Abwasser in Gewässer gestellt. Die Anforderungen an die Kläranlagen sind<br />

emissionsorientiert, das heißt, es sind Grenzwerte festgelegt, welche Konzentrationen beim<br />

Auslauf einer Kläranlage ins Gewässer eingeleitet werden dürfen unabhängig davon, um<br />

welches Gewässer es sich handelt. (Bach, Fluss)<br />

Abwassereinleitungen in Gewässer sind Benutzungen im Sinne des<br />

Wasserhaushaltsgesetzes <strong>und</strong> bedürfen daher der behördlichen Erlaubnis nach § 7 WHG.<br />

Gemäß § 7a WHG darf eine Erlaubnis nur erteilt werden, wenn die Schadstofffracht des<br />

Abwassers so gering gehalten wird, wie dies bei Einhaltung der jeweils in Betracht<br />

kommenden Verfahren nach dem Stand der Technik möglich ist. In Anhängen zur<br />

Abwasserverordnung sind für diverse Branchen Mindestanforderungen festgelegt. Im Zuge<br />

des Erlaubnisverfahrens nach § 7 WHG sind außerdem die gewässerökologischen<br />

Auswirkungen der Einleitung zu beurteilen.<br />

Tabelle 2: Anhang 1 „Kommunales Abwasser“ der Abwasserverordnung<br />

Größenklasse<br />

CSB BSB5<br />

[mg/l] [mg/l]<br />

NH4-N<br />

[mg/l]<br />

Nges Pges<br />

[mg/l] [mg/l]<br />

1 (bis 1.000 EW) 150 40 - - -<br />

2 (von 1.000 bis 5.000 EW) 110 25 - - -<br />

3 (von 5.000 bis 10.000 EW) 90 20 10 - -<br />

4 (von 10.000 bis 100.000 EW) 90 20 10 18 2<br />

5 (mehr als 100.000 EW) 75 15 10 13 1<br />

(Quelle: Verordnung über Anforderungen an das Einleiten von Abwasser in Gewässer (AbwV)) (1)<br />

In dieser Tabelle stehen die Mindestanforderungen (Konzentrationen) für das Einleiten von<br />

Abwasser aus kommunalen Kläranlagen in Gewässer.<br />

(3) Verordnung über Anforderungen an das Einleiten von Abwasser in Gewässer (AbwV), 17.06.2004<br />

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Tabelle 3: Anhang 3 „Milchverarbeitung“ der Abwasserverordnung<br />

BSB 5<br />

25<br />

CSB 110<br />

NH 4-N 10<br />

N ges<br />

P ges<br />

mg/l<br />

18<br />

2<br />

(Quelle: Verordnung über Anforderungen an das Einleiten von Abwasser in Gewässer (AbwV)) (1)<br />

Für den Gewerbe-/Industriebereich gibt es für fast jeden Bereich einen eigenen Anhang in<br />

der Verordnung. In Tabelle 3 sind beispielhaft die Anforderungen an Abwassereinleitungen<br />

bei der Milchverarbeitung dargestellt.<br />

Diese Anhänge der Abwasserverordnung gelten nur für Kläranlagen (Direkteinleiter) <strong>und</strong><br />

Indirekteinleiter. Für Einleitungen aus Mischwasserbehandlungsanlagen gibt es in dieser<br />

Verordnung keinen Anhang. Also gibt es keine b<strong>und</strong>eseinheitliche konkreten Anforderungen<br />

in Form von Grenzwerten an die Einleitungen von Abwasser aus<br />

Mischwasserbehandlungsanlagen. Trotzdem gilt immer noch der § 7a des<br />

Wasserhaushaltsgesetzes, der definiert, dass die Belastung so gering wie möglich gehalten<br />

werden soll. Je nach B<strong>und</strong>esland sind die Anforderungen an die Mischwasserbehandlung<br />

sehr unterschiedlich.<br />

2.1.2 Praxis bei der Dimensionierung von Abwasseranlagen vor <strong>WRRL</strong><br />

Der in Tabelle 2 gezeigte Anhang 1 der Abwasserverordnung gibt aus Emissionssicht vor,<br />

was am Auslauf kommunaler Kläranlagen einzuhalten ist. Nach diesen Werten werden<br />

anhand des Arbeitsblattes 131 des Deutschen Verbandes für Wasserwirtschaft <strong>und</strong> Abfall<br />

(DWA) die einzelnen Bauwerke der Kläranlage dimensioniert.<br />

Zur Dimensionierung der Mischwasserbehandlungsanlagen wird zunächst eine<br />

Schmutzfracht für das gesamte Einzugsgebiet der Kläranlage ermittelt. Die Berechnung der<br />

Schmutzfracht <strong>und</strong> die Dimensionierung der einzelnen Bauwerke (Regenüberlaufbecken<br />

bzw. Staukanäle) - <strong>und</strong> damit auch der Nachweis der Einhaltung der Schmutzfracht - wird mit<br />

dem DWA Arbeitsblatt 128 durchgeführt. Diese Berechnung bezieht sich nur auf den<br />

Parameter CSB. Ansonsten spielen bei der Berechnung <strong>und</strong> dem Nachweis keine anderen<br />

Parameter eine Rolle. Die Regenüberläufe werden über Mindestwassermengen<br />

dimensioniert, die zur Kläranlage weiterzuleiten sind. Die Mindestwassermenge ergibt sich in<br />

Abhängigkeit der angeschlossenen befestigten Flächen.<br />

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Als Zwischenfazit kann gesagt werden, dass es zumeist eine emissionsorientierte Sicht gab<br />

ohne die Berücksichtigung des Einleitgewässers. Es handelte sich vor der<br />

Wasserrahmenrichtlinie um eine weitestgehend „ingenieurmäßige“ Betrachtung mit<br />

„greifbaren“ Grenzwerten.<br />

Es stellt sich die Frage, ob immissionsorientierte Ansätze wie sie jetzt in der<br />

Wasserrahmenrichtlinie gefordert sind, neu sind?<br />

Betrachtet man die Anforderungen an Kläranlagen, so sind aus rechtlicher Sicht nur<br />

Mindestanforderungen festgelegt. Das heißt, dass höhere Anforderungen,<br />

immissionsorientierte Anforderungen, gestellt werden können.<br />

Auch die Regelwerke zu Mischwasserbehandlungsanlagen lassen eine solche Sicht zu.<br />

Bereits vor der Inkrafttreten der Wasserrahmenrichtlinie war nach dem Arbeitsblatt 128, in<br />

dem die Mischwasserbehandlung geregelt ist, eine Immissionsbetrachtung zulässig. In dem<br />

Arbeitsblatt wird unter den weitergehenden Anforderungen an die Regenwasserbehandlung<br />

Folgendes beschrieben:<br />

„Liegt ein besonderes Schutz- oder Bewirtschaftungsbedürfnis vor, können weitergehende<br />

Anforderungen gestellt werden, die aus Immissionsbetrachtungen abgeleitet werden.“ (4)<br />

Des Weiteren wird im Anhang 1 des Arbeitsblattes 128 unter „Schutz- oder<br />

Bewirtschaftungsbedürfnis“ auf Immissionsbetrachtungen eingegangen:<br />

„Art <strong>und</strong> Umfang weitergehender Anforderungen an Mischwasserüberläufe leiten sich aus<br />

den wasserwirtschaftlichen Zielsetzungen ab. Vorbehaltlich detaillierter Betrachtungen ist die<br />

Prüfung weitergehender Anforderungen dort erforderlich, wo ein besonderes Schutz- oder<br />

Bewirtschaftungsbedürfnis des Fließgewässers vorliegt, insbesondere, wenn:<br />

• ein Bewirtschaftungsplan hinsichtlich relevanter Parameter erlassen wurde<br />

• an die bei der Mischwasserentlastung relevanten Parameter immissionsseitig<br />

begründet über die Mindestanforderungen hinausgehende Anforderungen an den<br />

Kläranlagenablauf gestellt werden<br />

• entsprechende Immissionsbetrachtungen eine wesentliche Beeinträchtigung der<br />

Gewässerbeschaffenheit infolge der betrachteten Mischwasserüberläufe ergeben“ (4)<br />

(4) DWA-A 128 Richtlinie für die Bemessung <strong>und</strong> Gestaltung von Regenentlastungsanlagen in<br />

Mischwasserkanälen, April 1992<br />

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Des Weiteren gab es vor der Wasserrahmenrichtlinie die „LAWA-Zielvorgaben“, in denen die<br />

Qualitätsziele für Oberflächengewässer behandelt werden. Allerdings ist zu erwähnen, dass<br />

es sich hierbei nur um eine Empfehlung handelt, die keine rechtliche Verbindlichkeit besitzt.<br />

Als Mindestziel wird in den „LAWA-Zielvorgaben“ im Bereich der Biologie die Güteklasse II<br />

empfohlen, deren Beurteilung nach dem Saprobiensystem für organische Belastungen<br />

erfolgt. Im Bereich Chemie sind beispielsweise für die Gewässergüteklasse II, die in Tabelle<br />

3 grün hinterlegten Werte einzuhalten.<br />

Tabelle 4: LAWA-Zielvorgaben<br />

Chemie<br />

keine akut <strong>und</strong> chronisch<br />

toxischen<br />

LAWA Klassifikation<br />

als 90 (50) Perzentil<br />

Wasserinhaltsstoffe<br />

Sauerstoffgehalt als 10<br />

Güteklasse II (Qualitätsziel) Güteklasse III<br />

Perzentil (Minimum) > 6 > 5<br />

BSB5 (ungehemmt)<br />

gesamt-Phosphor ≤ 0,15 ≤ 0,6<br />

Gesamt-Stickstoff ≤ 3 ≤ 12<br />

Ammonium-Stickstoff +<br />

≤ 0,3 ≤ 0,39 mg NH4 /l ≤ 1,2<br />

Es Nitrat-Stickstoff ergibt sich folgendes ≤ 2,5 Zwischenfazit: ≤ 11,06 mg Nitrat/l ≤ 10<br />

Nitrit-Stickstoff ≤ 0,1 ≤ 0,3285 mg Nitrit/l ≤ 0,4<br />

TOC ≤ 5 ≤ 20<br />

(Quelle: Länderarbeitsgemeinschaft Wasser (LAWA) (1998)) (12)<br />

Es gab schon vor der Wasserrahmenrichtlinie die Möglichkeit eines immissionsorientierten<br />

Ansatzes. Allerdings gibt es keine rechtliche Verpflichtung, über die Mindestanforderungen<br />

hinaus zu gehen. Dadurch sind stärkere Anforderungen behördlicherseits oftmals schwer<br />

durchsetzbar, da sie meist mit Mehrkosten verb<strong>und</strong>en sind. Es kann die Erkenntnis<br />

gewonnen werden, dass die b<strong>und</strong>eseinheitlichen Emissionsnormen nicht ausreichen, die<br />

angestrebte Gewässerqualität bei allen Gewässern zu erreichen.<br />

18


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2.2 Zustand mit der <strong>EU</strong>-Wasserrahmenrichtlinie<br />

2.2.1 Rechtliche Situation<br />

Die bisherigen Paragraphen des Wasserhaushaltsgesetzes, wie § 7a <strong>und</strong> § 18b, gelten<br />

weiterhin. Neu ist § 25a des Wasserhaushaltsgesetzes, der die Bewirtschaftungsziele aller<br />

Oberflächengewässer beinhaltet: Die Ziele gelten für alle Gewässer, die nicht HMWB (=<br />

heavily modified waterbody) (=schwer veränderte Wasserkörper) eingestuft sind. Als Ziel soll<br />

die nachhaltige Veränderung des ökologischen <strong>und</strong> chemischen Zustands vermieden<br />

werden, das so genannte Verschlechterungsverbot.<br />

Gleichzeitig ist in den Bewirtschaftungszielen die Erreichung des guten ökologischen <strong>und</strong><br />

chemischen Zustands gefordert. Als weiteren neuen Paragraph im Wasserhaushaltsgesetz<br />

ist § 33a zu nennen, der ähnlich wie § 25a WHG die Bewirtschaftungsziele für die<br />

Oberflächengewässer die Bewirtschaftungsziele für das Gr<strong>und</strong>wasser erläutert.<br />

Die §§ 36 <strong>und</strong> § 36a des Wasserhaushaltsgesetzes nennen die neuen Instrumente, um die<br />

oben genannten Ziele zu erreichen. Es handelt sich um das Maßnahmenprogramm <strong>und</strong> den<br />

Bewirtschaftungsplan.<br />

Die Beurteilung von Abwassereinleitungen erfolgt daher sowohl nach dem bisherigen Recht,<br />

wie den Paragraphen § 7a, § 18b WHG UND nach den neuen Kriterien.<br />

2.2.2 Praxis <strong>und</strong> Dimensionierung von Abwasseranlagen mit der<br />

Wasserrahmenrichtlinie<br />

Es gibt derzeit verschiedene Bemühungen, die neuen Anforderungen an das Einleiten von<br />

Abwasser zu beurteilen. Sie sind in verschiedenen „Regelwerken“, „Leitfäden“ oder<br />

„verschiedenen Forschungsarbeiten“, wie Diplomarbeiten niedergeschrieben. Besonders<br />

bedeutend sind die Werke: „BWK M/3“ <strong>und</strong> der „Leitfaden für das Erkennen ökologisch<br />

kritischer Gewässerbelastungen durch Abwassereinleitungen in Hessen“.<br />

BWK M/3<br />

Das BWK M/3 (B<strong>und</strong>esverband für Wasserbau <strong>und</strong> Kulturbau) dient der<br />

immissionsbezogenen Beurteilung von Niederschlagswasser aus dem Trennverfahren <strong>und</strong><br />

den Mischwasserbehandlungsanlagen in oberirdische Fließgewässer.<br />

Nach dem Merkblatt sind folgende Bereiche von Einleitungen frei zu halten:<br />

Gewässer <strong>und</strong> Gewässerabschnitte, die<br />

• eine hohe ökologisch-funktionale Bedeutung für das angrenzende Gewässer / -<br />

abschnitte darstellen<br />

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• aufgr<strong>und</strong> ihrer Seltenheit <strong>und</strong> Empfindlichkeit ein hohes Schutzbedürfnis haben<br />

• eine besondere Naturnähe aufweisen<br />

Es stellt sich die Frage, wann eine Einleitung zulässig ist?<br />

Das Merkblatt erläutert in einem detaillierten bzw. einem vereinfachten Nachweis diese<br />

Frage. Im Folgenden wird der vereinfachte Nachweis verkürzt erläutert:<br />

Der vereinfachte Nachweis überprüft zunächst, ob die hydraulische Belastung zulässig ist.<br />

Ared<br />

QE, zul.<br />

< 1,<br />

0 ∗ Hq1,<br />

pnat ∗ + x ∗ Hq1,<br />

pnat ∗ A<br />

100<br />

QE,zul: zulässiger, kritischer, jährlicher Einleitungsabfluss [l/s]<br />

Hq1: potenziell naturnahe jährliche Hochwasserabflussspende [l/s*km²] das in dem<br />

Gewässer vorkommen würde, wenn es keine Siedlungsgebiete im Einzugsgebiet<br />

gäbe<br />

Ared: befestigte Fläche des geschlossenen Siedlungsgebietes [ha]<br />

AEo: oberirdisches Einzugsgebiet des Gewässers [km²]<br />

X: Multiplikationsfaktor für die zulässige Abflusserhöhung für anthropogene Einflüssen<br />

der Regel 0,1<br />

Mit dieser Formel wird berechnet, welche Einleitmenge an einer Einleitstelle zulässig ist.<br />

Dieser Wert wird mit der Einleitmenge verglichen, die sich auf Gr<strong>und</strong> von hydraulischen<br />

Berechnungen an der Einleitstelle ergibt. Entspricht die Berechnung nicht diesem Wert,<br />

müssen Gegenmaßnahmen getroffen werden.<br />

(siehe Kapitel 2.3: „Auswirkungen der immissionsbezogenen Betrachtungen“)<br />

Des Weiteren wird die stoffliche Belastung überprüft. Für die stoffliche Belastung ist der<br />

maßgebende Abfluss der mittlere Niedrigwasserabfluss (MNQ). Bei der stofflichen Belastung<br />

werden als Parameter der leicht abbaubare Kohlenstoff BSB5 <strong>und</strong> das Ammonium<br />

(Ammoniak) betrachtet.<br />

Leitfaden Hessen<br />

Der Leitfaden Hessen behandelt im Gegensatz zum BWK M/3 nicht nur die<br />

Mischwasserbehandlungsanlagen bzw. das Niederschlagswasser aus Trennsystemen<br />

sondern auch die Immissionsbelastungen aus Kläranlagen.<br />

Der Leitfaden gibt vor, dass keine chronischen Ammoniakbelastungen aus einer Kläranlage<br />

zu erwarten sind, wenn:<br />

• die Anforderungen dem Stand der Technik entsprechen<br />

• das Verhältnis MNQ/Qt24 >10 beträgt<br />

• der pH-Wert im Gewässer ≤ 7,5 beträgt<br />

Eo<br />

20


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2.3 Auswirkungen der immissionsbezogenen Betrachtungen<br />

Die Anwendung immissionsbezogener Betrachtungen kann folgende Konsequenzen haben:<br />

Bei Mischwasserbehandlungsanlagen:<br />

• Bau von Rückhaltebecken<br />

• Bau von Bodenfiltern<br />

• Überprüfung des Standortes<br />

Bei Kläranlagen:<br />

• Nachrüsten von Kläranlagen z.B. Nitrifikation, generelle Nährstoffelimination oder bei<br />

einer Anlage mit schlechtem Kohlenstoffabbau (BSB) entsprechende Nachrüstungen<br />

• Evtl. Nachschalten einer 4. Reinigungsstufe (Entkeimung, Arzneimittel, etc...)<br />

• Überprüfung des Standortes<br />

Eine Überprüfung des Standortes kann z.B. erforderlich sein, wenn das Einleiten an dieser<br />

Stelle untersagt ist (siehe BWK M/3) oder wenn die zulässigen Werte (hydraulisch / stofflich)<br />

generell nicht eingehalten werden können.<br />

Allgemein können alle immissionsbezogenen Betrachtungen zu baulichen Veränderungen<br />

gegenüber einer herkömmlichen Betrachtungsweise führen. Diese Veränderungen<br />

implizieren Mehrkosten für die Betreiber, die im Endeffekt über die Gebührenzahler finanziert<br />

werden. Politische Konflikte werden die Folge sein.<br />

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2.4 Beispiel Bedersdorf<br />

Bedersdorf ist ein Pilotprojekt zur Beurteilung der Anwendung der <strong>EU</strong>-<br />

Wasserrahmenrichtlinie.<br />

Ausgangslage:<br />

Es handelt sich um drei ländlich geprägte Gemeinden. Zurzeit sind dort noch keine<br />

Kläranlagen vorhanden. Die Entsorgung erfolgt über Hausklärgruben in die örtlichen<br />

Gewässer.<br />

Der Variantenvergleich hat ergeben, dass die präferierte Lösung für die drei Gemeinden aus<br />

einer zentralen Kläranlage mit zwei Mischwasserbehandlungsanlagen bestehen soll<br />

Abbildung 14: Darstellung der präferierten Lösung<br />

(Quelle: Schmutzfracht- <strong>und</strong> Gewässersanierung der Gemeindebezirke Bedersdorf, Ittersdorf <strong>und</strong> Düren, EVS Saar, 2005) (17)<br />

Das Ergebnis des Pilotprojekts hat ergeben, dass der gute Zustand der Gewässer nur durch<br />

das Nachschalten eines Bodenfilters an einem der Regenüberlaufbauwerke erreichbar ist.<br />

(Auch wenn in der Zeichnung bei jedem RÜB ein Bodenfilter eingezeichnet ist.) Der Bau des<br />

Bodenfilters verursacht Mehrkosten gegenüber einer konventionellen Lösung.<br />

Problematik:<br />

Da es noch keinen Bewirtschaftungsplan bzw. Maßnahmenprogramm für das Einzugsgebiet<br />

gibt, gibt es noch kein rechtsverbindliches Instrument. So hat der Betreiber zurzeit noch<br />

keine Verpflichtung, den Bodenfilter zu bauen <strong>und</strong> die dazu notwendigen Mehrkosten zu<br />

investieren.<br />

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2.5 Fazit <strong>und</strong> Ausblick<br />

Vor der <strong>EU</strong>-Wasserrahmenrichtlinie gab es zumeist eine „ingenieurmäßige“,<br />

emissionsorientierte Betrachtung mit festen Grenzwerten. Durch die <strong>EU</strong>-<br />

Wasserrahmenrichtlinie wird ein kombinierter Ansatz von Emissions- <strong>und</strong><br />

Immissionsbetrachtung gefordert.<br />

Im gegenwärtigen Übergangszustand bis zur Realisierung von Bewirtschaftungsplänen <strong>und</strong><br />

Maßnahmenprogrammen gibt es keine rechtsverbindlichen Instrumente zur Forderung von<br />

Anforderungen, die über die Mindestanforderungen hinaus gehen. Ebenso unterliegen<br />

Immissionsbetrachtungen weitgehend subjektiven Kriterien, die bisher nur ansatzweise in<br />

diversen Dokumenten festgeschrieben sind.<br />

Dringender Handlungsbedarf besteht daher in der Vereinheitlichung der Auswahl der<br />

Zielgrößen <strong>und</strong> der Grenzwerte, um die Subjektivität einzuschränken. Aber auch langfristig<br />

gesehen ist eine Vereinheitlichung der Zielgrößen <strong>und</strong> die Vorgehensweise zur Einhaltung<br />

dieser Zielgrößen unabdingbar.<br />

Bei den Vorgaben die an die zukünftigen Anforderungen gestellt werden, sollten die<br />

finanziellen Auswirkungen der Vorgaben nicht außer Acht gelassen werden. Die <strong>EU</strong>-<br />

Wasserrahmenrichtlinie sorgt mit ihren Vorgaben für einen verstärkten Gewässerschutz, der<br />

zukünftigen Generationen zu Gute kommen wird. Der verstärkte Gewässerschutz muss aber<br />

gerade für die späteren Generationen auch noch bezahlbar bleiben.<br />

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Literaturverzeichnis:<br />

(1) „Auswirkungen von Niederschlagswassereinleitungen auf die<br />

Fließgewässerökologie“, Dieter Borchert, GWA 158<br />

(2) BWK M/3 „Ableitung von immissionsorientierten Anforderungen an Misch- <strong>und</strong><br />

Niederschlagswassereinleitungen unter Berücksichtigung örtlicher Verhältnisse“,<br />

April 2001<br />

(3) „Bestandsaufnahme stoffliche Einträge in Oberflächengewässer“, H. Friedrich, U.<br />

Frotscher-Hoof, N. Kirchhoff, KA 2002 (49) Nr. 6<br />

(4) DWA-A 128 Richtlinien für die Bemessung <strong>und</strong> Gestaltung von<br />

Regenentlastungsanlagen in Mischwasserkanälen (Abschnitt 3.2 <strong>und</strong> Anhang 1:<br />

Hinweise zu weitergehenden Anforderungen), April 1992<br />

(5) DWA-A 131 Bemessung von einstufigen Belebungsanlagen, Mai 2000<br />

(6) „Erläuterungen zur Gewässergütekarte“, Homepage des Landkreises Harburg,<br />

Niedersachsen<br />

(7) <strong>EU</strong> Wasserrahmenrichtlinie 2000 Richtlinie 2000/60/EG des Europäischen<br />

Parlaments <strong>und</strong> des Rates vom 23. Oktober 2000 zur Schaffung eines<br />

Ordnungsrahmens für Maßnahmen der Gemeinschaft im Bereich der Wasserpolitik<br />

(8) Gesetz zur Ordnung des Wasserhaushalts (WHG) in der Fassung der<br />

Bekanntmachung vom 19. August 2002 (BGBI. I Nr. 59 vom 23.08.2002 S. 3245)<br />

(9) „Gewässerbelastungen durch Abwasser aus Kanalisationen bei Regenwetter“,<br />

Projekt STORM, Abwassereinleitungen aus Kanalisationen bei Regenwetter, V.<br />

Krejci, A. Frutiger, S. Kreikenbaum, L. Rossi<br />

(10) „Gewässertypen-ein neues Element der deutschen Gewässergütebetrachtung“, M.<br />

Liebeskind, KA-Wasserwirtschaft, Abwasser, Abfall 2002 (49) Nr. 11<br />

(11) „Immissionsorientierte Bewertungen von Einleitungen in Gewässer Mischzonen<br />

oder Opferstrecken, wo gelten die Gütekriterien?“, T. Bleninger, G.H. Jirka, D.<br />

Leonhard, I. Hauschild, A. Schlenkhoff<br />

(12) Ländergemeinschaft Wasser (LAWA) (1998): Beurteilung der<br />

Wasserbeschaffenheit von Fließgewässern in der B<strong>und</strong>esrepublik Deutschland –<br />

Chemische Gewässergüteklassifikation<br />

(13) Leitfaden für das Erkennen ökologisch kritischer Gewässerbelastungen durch<br />

Abwassereinleitungen in Hessen, HLMUV, September 2004<br />

(14) „Ökologie der Fließgewässer, Lebensraum Bach/Fluss-Ausprägung <strong>und</strong><br />

Differenzierung“, Dipl. Biol. Dipl. Ökol. Indes Adrian, Ruhr-Uni Bochum<br />

(15) Skript Gewässerökologie, TU Kaiserslautern, Dipl. Ing. W.Frey, WS 05/06<br />

(16) Schmutzfracht- <strong>und</strong> Gewässersanierung der Gemeindebezirke Bedersdorf,<br />

Ittersdorf <strong>und</strong> Düren unter Berücksichtigung des Einzugsgebietes des Dorfbaches –<br />

Pilotprojekt zur Anwendung der <strong>EU</strong>-Wasserrahmen-Richtlinie, Entsorgungsverband<br />

Saar, September 2005<br />

(17) Verordnung über Anforderungen an das Einleiten von Abwasser in Gewässer<br />

(AbwV) in der Fassung der Bekanntmachung vom 17. Juni 2004 (BGBI. I Nr. 28<br />

vom 22.06.2004 S. 1108)<br />

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Simone Lay & Sylvia Martin<br />

Abbildungs- / Tabellenverzeichnis<br />

Abbildung 1: Wimperntierchen (Stylonychia)........ ..................................................................3<br />

Abbildung 2: Rädertierchen.....................................................................................................3<br />

Abbildung 3:Eintagsfliegenlarve (Ephemeroptera)....................... ...........................................4<br />

Abbildung 4: Köcherfliegenlarve (Trichoptera)........................................................................4<br />

Abbildung 5: Schlammröhrenwürmer (Tubifex).......................................................................4<br />

Abbildung 6: Biozönotische Gliederung nach Illies .................................................................5<br />

Abbildung 7: Gliederung nach Fischregionen .........................................................................6<br />

Abbildung 8: River Continuum Concept (Vannote et al., 1980)...............................................6<br />

Abbildung 9: Besiedlungsverlauf im Rohrbach (Schweiz) ober- <strong>und</strong> unterhalb der<br />

Kanalisationseinleitungen..................................................................................8<br />

Abbildung 10: Einfluss der Siedlungsentwässerung auf die Biozönose ................................11<br />

Abbildung 11: Funktionsweise eines Regenüberlaufs...........................................................13<br />

Abbildung 12: Funktionsweise eines Regenüberlaufsbeckens .............................................14<br />

Abbildung 13: Einleitung in ein Gewässer aus einem Staukanal ..........................................14<br />

Abbildung 14: Darstellung der präferierten Lösung...............................................................22<br />

Tabelle 1: Abhängigkeit der Auswirkungen von typischen Belastungen auf das Gewässer ..12<br />

Tabelle 2: Anhang 1 „Kommunales Abwasser“ der Abwasserverordnung ............................15<br />

Tabelle 3: Anhang 3 „Milchverarbeitung“ der Abwasserverordnung......................................16<br />

Tabelle 4: LAWA-Zielvorgaben.............................................................................................18<br />

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