Postersession 1: Epilepsie I
Postersession 1: Epilepsie I
Postersession 1: Epilepsie I
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<strong>Postersession</strong> 1: <strong>Epilepsie</strong> I<br />
P001<br />
Wirksamkeit und Verträglichkeit der oralen Lacosamid-Zusatztherapie bei Kindern unter 16<br />
Jahren bei epileptischen Anfällen mit fokalem Beginn<br />
Olze A., Bast T.<br />
<strong>Epilepsie</strong>zentrum Kehl-Kork, Pädiatrie, Kehl-Kork, Germany<br />
Fragestellung: Wir berichten übner unsere Erfahrungen bei Kindern und Jugendlichen unter 16<br />
Jahren mit fokal beginnenden Anfällen, die zuvor eine Therapieresistenz gegenüber den meisten<br />
sinnvoll erachteten Antiepileptika zeigten.<br />
Methodik: Retrospektive Auswertung von Krankenakten. Der Effekt wurde als positiv beurteilt, wenn<br />
es zu einer Reduktion der Anfallshäufigkeit um mind. 50% über mindestens ein Monat kam, oder die<br />
Anfallsschwere sich signifikant besserte. Die Krankenakten wurden auf potentielle Effekte auf die<br />
Kognition und das Verhalten ausgewertet. Nebenwirkungen wurden erfasst.<br />
Ergebnis: 20% der Patienten profitierten eindeutig von der Therapie mit Lacosamid.Beeinträchtigende<br />
Nebenwirkungen traten bei weniger als 10% der Kinder auf.<br />
Als negativ bewertet wurden nat. Anfallsverschlechterung oder starke psychische Nebenwirkungen,<br />
die zum Abbruch der Therapie führten.<br />
In der Pädiatrie bietet sich Lacosamid v.a. auch wegen seiner variablen Darreichungsformen an.<br />
Schlussfolgerung: Die orale Behandlung mit Lacosamid kann durchaus seinen Stellenwert in der<br />
Behandlung fokaler <strong>Epilepsie</strong>n des Kindesalters haben. ,die Anwendung ist vertretbarin ausgewählten<br />
Fällen .Neebenwirkungen treten selten auf und der überwiegende Teil der Familien war mit der<br />
Therapie zufrieden.<br />
Die Ergebnisse prospektiver kontrollierter Studien bei Kindern bleiben abzuwarten.<br />
P002<br />
Erste Beobachtungen der Behandlung mit Rufinamid in Kindern mit myoklonisch astatischer<br />
<strong>Epilepsie</strong><br />
von Stülpnagel C. 1 , Coppola G. 2 , Müller A. 1 , Kluger G. 1<br />
1 Klinik für Neuropädiatrie und Neurologische Rehabilitation, <strong>Epilepsie</strong>-Zentrum für Kinder und<br />
Jugendliche, Schön Klinik Vogtareuth, Vogtareuth, Germany, 2 Clinic of Child Neuropsychiatry,<br />
University of Naples, Naples, Italy<br />
Fragestellung: Add-on Therapie des “orphan” Medikaments Rufinamid (RUF), zugelassen für das<br />
Lennox-Gastaut-Syndrom (LGS), in sieben Patienten mit therapieschwierigem Doose-Syndrom (=<br />
myoclonisch astatische <strong>Epilepsie</strong>, MAE).<br />
Methodik: Retrospektive Erhebung der Behandlung mit RUF in sieben Patienten (5 Jungen; Alter 3,10<br />
- 20 Jahre, Mittelwert 7,8 J.) mit therapieschwieriger MAE- durchschnittliche antikonvulsive<br />
Vorbehandlung mit acht Antikonvulsiva (AED) (2- 14 AED; Mittelwert 7,7) und milder bis schwerer<br />
mentaler Retardierung (vier mild; zwei moderat und einmal schwer). Add-on Therapie mit RUF zur<br />
bestehenden antikonvulsiven Medikation, beginnend mit 5 mg/kg KG/d. Responder (RS): Reduktion<br />
der Anfallsfrequenz um ≥ 50% im Vergleich zu vier Wochen vor Beginn der Therapie mit RUF<br />
anhaltenden therapeutischen Effekt über drei Monate.<br />
Ergebnisse: Reponder: Sechs/ sieben Patienten (85,7%) mit 75 % Reduktion der Anfallsfrequenz.<br />
Bester therapeutischer Effekt von RUF: Sturzanfällen, generalisierte tonisch-klonische Anfällen und<br />
tonischen Anfällen. Nach sechs Monaten: vier/ fünf Patienten RS (80%); nach zwölf Monaten vier/vier<br />
eine 75% Reduktion der Anfallsfrequenz und nach achtzehn Monaten einer/dreien eine 80 %<br />
Reduktion seiner Hauptanfallstypen: Sturzanfälle und myoklonische Anfälle. Die effektivste<br />
therapeutische Dosis von RUF: 44,5 mg/kg KG/d (Dosisbereich 32 mg/kg KG/d - 72 mg/kg KG/d).<br />
Nebenwirkungen (NW): 40 % der Patienten, verminderter Appetit und Schläfrigkeit, mit Besserung,<br />
nachdem die Patienten sich an die Medikation gewöhnt hatten; keine Anfallsverschlechterung. Drei<br />
von sechs Patienten (50%) hatten als Komedikation Valproinsäure.<br />
Schlussfolgerung: Beobachtung eines guten Ansprechens auf RUF in kleiner Gruppe von Patienten<br />
mit pharmakoresistenter MAE mit leichtem Wirkverlust im Langzeitverlauf. Eine geeignete
antikonvulsive Kombination könnte Rufinamid mit Valproinsäure bei diesen Patienten sein, da 50%<br />
unserer Responder diese Kombination hatten. Weitere Multicenter Studien zur Bestätigung unserer<br />
ersten Beobachtungen sind von Nöten.<br />
P003<br />
Rufinamid. Eine neue Therapieoption bei "<strong>Epilepsie</strong> mit myoklonischen Absencen"<br />
Häusler M. 1 , Kluger G. 2 , Nikanorova M. 3<br />
1 Universitätsklinikum RWTH Aachen, Kinderklinik, Aachen, Germany, 2 Schoen Klinik Vogtareuth,<br />
Vogtareuth, Germany, 3 Danish Epilepsy Centre, Children Department, Dianalund, Denmark<br />
Fragestellung: Die "<strong>Epilepsie</strong> mit Myoklonischen Absencen" (EMA) ist ein seltenes<br />
<strong>Epilepsie</strong>syndrom, welches schwer behandelbar ist und häufig mit einer mentalen Retardierung<br />
assoziiert ist.<br />
Methodik: Retrospektive Analyse des Krankheitsverlaufes dreier Kinder mit EMA.<br />
Ergebnis: Drei Kinder mit EMA, deren Krampfanfälle schlecht auf eine konventionelle antiepileptische<br />
Therapie (Primidon + Valproat, n=1; Levetiracetam + Ethosuximid, n=2) ansprachen, wurden<br />
zusätzlich mit Rufinamid behandelt. Dies führte bei zwei Kindern zur Anfallsfreiheit und bei einem Kind<br />
zu einer Halbierung der Anfallsfrequenz.<br />
Schlussfolgerung: Eine Zusatztherapie mit Rufinamid sollte bei KIndern mit EMA stets dann in<br />
Betracht gezogen werden, wenn ihre Anfälle schlecht auf eine konventionelle antiepileptische<br />
Therapie ansprechen.<br />
P004<br />
Geringe Langzeitwirksamkeit von Rufinamid bei Patienten mit Dravet Syndrom<br />
Müller A. 1 , Boor R. 2 , Coppola G. 3 , Striano P. 4 , Dahlin M. 5 , v. Stülpnagel C. 1 , Holthausen H. 1 , Kluger<br />
G. 1<br />
1 Schön Klinik Vogtareuth, Klinik für Neuropädiatrie und Neurorehabilitation, <strong>Epilepsie</strong>zentrum für<br />
Kinder und Jugendliche, Vogtareuth, Germany, 2 Norddeutsches <strong>Epilepsie</strong>zentrum für Kinder und<br />
Jugendliche, Schwentinental - OT Raisdorf / Kiel, Germany, 3 Clinic of Child Neuropsychiatry, Naples,<br />
Italy, 4 'G. Gaslini' Institute, Muscular and Neurodegenerative Diseases Unit, Genova, Italy, 5 Astrid<br />
Lindgren Children's Hospital, Karolinska Hospital, Stockholm, Sweden<br />
Rufinamid (RUF) ist ein von der EMA und FDA zugelassenes neues Antiepileptikum (AED), das seit<br />
2007 für die Behandlung von Pat. mit Lennox-Gastaut-Syndrom (LGS) im Handel ist. In dieser<br />
retrospektiven europäischen Studie bewerteten wir die Wirksamkeit von RUF bei Patienten mit Dravet<br />
Syndrom (DS) und therapierefraktärer <strong>Epilepsie</strong>.<br />
In die Studie schlossen wir 20 Pat. (17 m, Mittel 12,2 Jahre) ein, bei denen eine Therapie mit RUF vor<br />
Februar 2010 begonnen wurde. Alle Pat. zeigten eine geistige Behinderung. Wir bewerteten die<br />
Responderrate (definiert als eine Anfallsreduktion >50%), Tolerabilität und Retentionsrate nach 6 und<br />
18 Monaten. Bei 16 Pat. konnte eine SCN1A-Mutation nachgewiesen werden. Vor Therapiebeginn mit<br />
RUF waren die Pat. mit 2-15 (Mittel: 7) AED vorbehandelt. Am häufigsten wurde RUF mit<br />
Valproinsäure kombiniert (10 Pat.).<br />
Die Responderrate nach 6 Monaten lag bei 20% (4/20). Diese Pat. zeigten ausnahmslos eine<br />
Anfallsreduktion innerhalb der ersten 3 Monate nach Behandlungsbeginn. Nach 18 Monaten betrug<br />
die Responderrate 5% (1/20). Die Retentionsrate lag nach 6 Monaten bei 35% (9/20), nach 18<br />
Monaten bei 15% (3/20). Die Behandlung mit RUF wurde entweder aufgrund von Anfallsaggravierung<br />
(6 Pat.), fehlender Wirkung (45%, 9/20) oder Nebenwirkungen (10%; 2/20) beendet. An<br />
Nebenwirkungen wurden Müdigkeit, Gangstörung, Appetitlosigkeit, Übelkeit, Erbrechen,<br />
Bauchschmerzen und aggressives Verhalten beobachtet. Die Behandlungsdauer betrug zwischen 9
Tagen und 35 Monaten (Mittel: 9,5 Monate), nur ein Pat. wird nach nun 35 Monaten weiterhin mit RUF<br />
therapiert. Bei einem der Responder musste die Behandlung aufgrund von Nebenwirkungen beendet<br />
werden. Die mittlere RUF-Dosis bei den Pat., die länger als 3 Monate behandelt wurden, betrug 32,9<br />
mg/kg/d (9,5-72 mg/kg/d).<br />
Die Wirksamkeit und längerfristige Retentionsrate bei unseren Pat. mit DS und therapierefraktärer<br />
<strong>Epilepsie</strong> ist deutlich geringer als bei unseren Pat. mit LGS und Doose Syndrom. 1/3 unsere Pat.<br />
zeigte eine Aggravierung. RUF kann nicht als längerfristige Therapieoption bei Pat. mit DS empfohlen<br />
werden.<br />
P005<br />
Anwendung der ketogenen Diät in der Frühkindheit: eine Pilotstudie über die Unterschiede<br />
zwischen 3:1 und 4:1 Formula Nahrungen<br />
Dressler A. 1 , Zarits P. 2 , Reithofer E. 1 , Benninger F. 3 , Mühlebner A. 1 , Reiter-Fink E. 1 , Pahs G. 1 ,<br />
Trimmel-Schwahofer P. 1 , Mörzinger M. 1 , Feucht M. 1<br />
1 Medizinische Universität Wien, Abteilung für Kinder- und Jugendheilkunde, Wien, Austria, 2 KH der<br />
Barmherzigen Büder, Abteilung für Kinder- und Jugendheilkunde, Wien, Austria, 3 Medizinische<br />
Universität Wien, Abteilung für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Wien, Austria<br />
Die ketogene Diät (KD) ist eineTherapiealternative bei therapierefraktären <strong>Epilepsie</strong>n und besteht aus<br />
einem hohen Fettanteil, ausreichendem Proteinanteil und niedrigem Kohlenhydratanteil. Seit einiger<br />
Zeit kann die KD durch 2 erhältliche Formula- Nahrungen im Säuglingsalter verabreicht werden. Ziel<br />
dieser Studie war es die Wirksamkeit und Sicherheit bei therapierefraktärer <strong>Epilepsie</strong> in der<br />
Frühkindheit zu untersuchen.Prospektiv wurden alle Säuglinge und Kleinkinder eingeschlossen,<br />
welche an der MUW von Juli 2006 bis September 2010 auf die KD eingestellt wurden eingeschlossen.<br />
Die Wirksamkeit und Verträglichkeit wurde nach 3, 6 und 12 Monaten beurteilt. Analysiert wurde mit<br />
einem Student's t-test und chi-Quadrat.28 Kinder mit einem durchschnittlichen Alter von 1.68 Jahren<br />
(± 1.60) wurden eingeschlossen. Die durchschnittliche Anzahl von vorher verabreichten<br />
antiepileptischen Medikamenten war 3.43 (± 5.04) 12 Teilnehmer begannen mit einer 4:1 Formula,<br />
welche auf 3:1 mit Rapsöl und Kohlenhydraten adjustiert wurde. 57.14% (n=16) waren Responder, d.h<br />
sie zeigten eine Anfallsreduktion ≥50%, davon waren 4 anfallsfrei (n=14.4%), 42, 8% (n=12) waren<br />
Nonresponder. Die Gruppe der Kinder auf der 3:1 Formula waren signifikant jünger, und zeigten einen<br />
signifikant kürzeren Zeitraum zwischen Anfallsbeginn und Beginn der KD. Die KD war in beiden<br />
Gruppen gleich wirksam, kurzfristige Nebenwirkungen traten in der Gruppe der 3: 1 Nahrung als Trend<br />
häufiger auf. Die psychomotorische Entwicklung war in den jüngeren Kindern signifikant schlechter<br />
(chi-quadrat 0.021). Der Kohlenhydratanteil pro kg Körpergewicht pro Tag war bei der adjustierten<br />
Formula signifikant höher. Unsere Responderrate ist höher als in der Frühkindheit bisher beschrieben.<br />
Das könnte an einer höheren Rate von Kindern mit infantilen Spasmen liegen. Die Effektivität und<br />
Sicherheit war für beide Nahrungen gleich. Es war nicht notwendig die KD wegen Nebenwirkungen<br />
abzubrechen. Die Einschränkungen dieser Studie bestehen in einer kleinen Patientenzahl und in<br />
ausschließlich klinisch-neurologischen Verlaufsdaten.<br />
P006<br />
Erste Erfahrungen mit einem Elternfragebogen zur Definition der Therapieziele für die ketogene<br />
Diät bei Kindern mit therapieschwieriger <strong>Epilepsie</strong><br />
von Stülpnagel C., Dechant K., Pascher B., Eitel H.C., Müller A., Kluger G.<br />
Klinik für Neuropädiatrie und Neurologische Rehabilitation, <strong>Epilepsie</strong>-Zentrum für Kinder und<br />
Jugendliche, Schön Klinik Vogtareuth, Vogtareuth, Germany<br />
Fragestellung: Erfahrungen mit einem Elternfragebogen zur Definition von Therapiezielen für die<br />
ketogene Diät (KD) bei Kindern mit therapieschwieriger <strong>Epilepsie</strong>.<br />
Methodik: Retrospektive Analyse eines 20-monatigen Zeitraums von 24 Patienten mit KD (15 Jungen;
1,2- 16 Jahre, mittleres Alter 3,8 J.) mit therapieschwieriger <strong>Epilepsie</strong> (fokale <strong>Epilepsie</strong> (66,7%),<br />
generalisierte idiopathische <strong>Epilepsie</strong> (8,3%), ätiologisch noch nicht weiter klassifizierte <strong>Epilepsie</strong><br />
(25%)). Durchschnittliche antikonvulsive Vorbehandlung 6,4 Antikonvulsiva (AED) (1- 14 AED).<br />
Ernährung über Gastrostoma 7/24 Patienten (29,2%). Fragebogen wurde getrennt von Eltern und<br />
ketogenen Team vor Beginn der KD ausgefüllt und definiert die Therapieziele innerhalb der ersten 3<br />
Monate. Kriterien für das Fortsetzen der KD nach 3 Monaten: Erfüllung der Therapieziele, Effekt auf<br />
EEG und Anfallsfrequenz. Responder (RS): Reduktion der Anfallsfrequenz ≥85% im Vergleich zu 4<br />
Wochen vor Beginn KD. Dokumentation der Anfallsfrequenz und Veränderung in<br />
Kognition/Aufmerksamkeit mittels Tagebuch durch Eltern/Betreuer.<br />
Ergebnisse: Verbesserung in Kognition/Aufmerksamkeit 20/24 (83,3%); besseres Essverhalten 22/24<br />
(92%); 50% Reduktion der Anfallsfrequenz 20/24 (83,3%). Erreichen der im Fragebogen durch Eltern<br />
formulierten Therapieziele 20/24 (83,3%), daher Fortsetzen der KD, obwohl die Reduktion der<br />
Anfallsfrequenz unter 85% lag. Nach 6 Monaten hatten noch 16 Patienten (66,6%), nach 12 Monaten<br />
8 Patienten KD. Therapieabbruch in ersten 3 Monaten 3/24 (12,5%). Nebenwirkungen (NW) (Ess-<br />
/Trinkverweigerung, Apathie, Übelkeit) nur in Einstellungsphase; im Langzeitverlauf in 50 %<br />
Verstopfung; keine Anfallsverschlechterung.<br />
Schlussfolgerung: In unserer Gruppe von Kindern mit therapieschwieriger <strong>Epilepsie</strong> half uns ein<br />
offener Fragebogen objektiver über das Fortsetzen dieser im Familienalltag sehr restriktiven Diät zu<br />
entscheiden. Neben Verbesserung der Anfallsfrequenz, sollten auch andere Aspekte wie die weitere<br />
geistige Entwicklung oder die orale Nahrungsaufnahme nicht in der therapeutischen Entscheidung<br />
unterschätzt werden.<br />
P007<br />
Bromintoxikation unter ketogener Diät ohne klinische Symptomatik?<br />
Haberlandt E., Karall D., Rostásy K., Baumann M., Baumgartner-Sigl S., Schimmel M., Janetschek C.,<br />
Scholl-Buergi S.<br />
Medizinische Universität Innsbruck, Pädiatrie IV, Neonatologie, Neuropädiatrie und angeborene<br />
Stoffwechselstörungen, Innsbruck, Austria<br />
Einleitung: Kaliumbromid ist das älteste Antiepileptikum mit dem Wirkmechanismus einer<br />
Verstärkung der GABA-induzierten Inhibition. Bei den idiopathisch generalisierten frühkindlichen<br />
Grand-Mal <strong>Epilepsie</strong>n wird es immer noch als Mittel 2. Wahl eingesetzt, insbesondere in Kombination<br />
mit Valproat. Als Nebenwirkungen können u.a. eine dosisabhängige Schläfrigkeit, Bromakne und ein<br />
Bromoderm auftreten.<br />
Die ketogene Diät ist eine extrem fettreiche, kohlenhydratarme, protein- und energiebilanzierte Diät,<br />
die den metabolischen Zustand des Fastens imitiert und so zu einer Anfallsreduktion führen kann.<br />
Die ketogene Diät wird mit einer Bromid-Therapie selten kombiniert eingesetzt, daher ist wenig über<br />
die Interaktionen bekannt.<br />
Fallbericht: Wir berichten von einem 6-jährigen Patienten mit Dravet-Syndrom mit bestehender<br />
Kaliumbromidtherapie (50mg/kg - Spiegel 1200mg/l - therapeutischer Zielbereich: 750-2000mg/l). Mit<br />
Beginn der ketogenen Diät konnten bei gleichbleibender Dosierung Brom-Konzentration bis 3800mg/l<br />
ohne Zeichen einer klinischen Intoxikation nachgewiesen werden. Die Reduktion der Kaliumbromid-<br />
Dosierung führte zu Anfallsaggravierung, die Dosis wurde daher wieder auf die Ausgangsdosis erhöht.<br />
Seit 8 Monaten sind keine Nebenwirkungen bei anhaltend hohen Brom-Konzentrationen zu<br />
beobachten.<br />
Schlussfolgerung: Über die Interaktionen von Antikonvulsiva und ketogener Diät ist wenig bekannt.<br />
Unser Fall legt nahe, dass Kaliumbromid mit der ketogenen Diät interagiert und so erhöhte Bromid-<br />
Konzentrationen im Plasma nachweisbar sind. Zu einer vermehrten klinischen Wirksamkeit der<br />
Substanz und Nebenwirkungen ist es in unserem Fall nicht gekommen.<br />
Keywords: Ketogene Diät, Dravet-Syndrom, Kaliumbromid<br />
P008
Modifizierte Atkins-Diät zur <strong>Epilepsie</strong>behandlung bei 23 Kindern<br />
Wiemer-Kruel A., Betz N., Bast T.<br />
<strong>Epilepsie</strong>zentrum Kork, Klinik für Kinder und Jugendliche, Kehl-Kork, Germany<br />
Zur Behandlung therapieresistenter <strong>Epilepsie</strong>n wird in den USA seit 2002 alternativ zur klassischen<br />
ketogenen Diät (KD) die modifizierte Atkins-Diät (MAD) eingesetzt. Sie beinhaltet bei Kindern eine Diät<br />
mit 10 g Kohlenhydraten/Tag mit unbegrenzter Kalorien- und Flüssigkeitszufuhr bei freiem Anteil an<br />
Proteinen und Fett. Die MAD ist weniger restriktiv, somit insbesondere für Schulkinder und<br />
Jugendliche akzeptabler.<br />
In der Zeit von 2/2007 bis 11/2010 wurden in Kork insgesamt 23 Kinder (7 Mädchen, 16 Jungen) mit<br />
fokalen (14), generalisierten (6) sowie nicht klassifizierbaren (3) <strong>Epilepsie</strong>n auf eine MAD eingestellt.<br />
Die Patienten wurden zuvor mit durchschnittlich 11 AED behandelt. Das durchschnittliche Alter bei<br />
MAD-Beginn lag bei 8,9, die <strong>Epilepsie</strong>dauer bis zur MAD bei 6,2 Jahren. Die Beobachtungszeit<br />
variierte zwischen 1 und 24 Monaten, im Mittel 5,4 Monate.Insgesamt stehen noch 8 Kinder unter<br />
MAD, 6 über 3 und 2 Patienten über 11 Monate. 8/15 Patienten stoppten die MAD innerhalb der<br />
ersten 3 Monate (2x wegen Non-Compliance), weitere 5/15 innerhalb der ersten 6 Monate; 1/15<br />
beendete die MAD nach 2 Jahren Anfallsfreiheit. 4 Patienten wurden effektlos auf eine KD umgesetzt.<br />
Die Ergebnisse unserer Patienten werden dargestellt und in Gegenüberstellung mit der Literatur<br />
diskutiert. Unser Ergebnis ist nicht so positiv wie berichtet, mögliche Ursachen werden beleuchtet.<br />
Positiv sind unsere Ergebnisse bei Kindern mit myoklonisch-astatischer <strong>Epilepsie</strong> (MAE), ähnlich der<br />
Literatur. Aus unserer Serie wurde 1 Junge mit MAE (1/5) über 2 Jahre und weiter anhaltend<br />
anfallsfrei, 2 weitere Patienten haben eine Responderrate von >90%. Eine weitere Patientin mit MAE<br />
wurde in Eigenregie der Mutter auf MAD eingestellt und ist ebenso seit über 9 Monaten >75%<br />
anfallsgemindert.<br />
Auch wenn unsere Fallzahlen noch gering sind, ein Vergleich mit der Literatur schwierig ist, die<br />
Responderrate nicht den Zahlen der Literatur entspricht, so kann doch ein besonders gutes<br />
Ansprechen der MAE auf MAD konstatiert werden (4/24; eine >90% Responderrate in 16,6%).<br />
P009<br />
Nierensteine unter der Therapie mit Topiramat und Zonisamid: Therapie? Prophylaxe?<br />
Lübbig A., Lotte J., Janello C., v. Stülpnagel C., Müller A., Kluger G.<br />
Schön-Klinik Vogtareuth, Klinik für Neuropädiatrie und neurologische Rehabilitation, <strong>Epilepsie</strong>-<br />
Zentrum für Kinder- und Jugendliche, Vogtareuth, Germany<br />
Hintergrund: Das Auftreten von Nierensteinen unter einer Therapie mit Topiramat (TPM) wird bei<br />
Erwachsenen mit einer Häufigkeit von 1 bis 5,6% beschrieben, in einer Untersuchung bei nicht<br />
gehfähigen behinderten Kindern sogar in 56%. Bei Therapie mit Zonisamid (ZNS) wird sie mit einer<br />
Häufigkeit von 1 bis 2 % angegeben. Meist handelt es sich um Calcium-Phosphat oder Calcium-<br />
Oxalat Steine. Pathophysiologisch wird u.a. eine Hemmung der Carboanhydrase von TPM oder ZNS<br />
mit konsekutiver metabolischer Azidose, Hypocitraturie und erhöhtem Urin-pH diskutiert.<br />
Methodik: Retrospektive Analyse klinischer Daten von 4 Patienten mit <strong>Epilepsie</strong> unter einer Therapie<br />
mit Topiramat oder Zonisamid von November 2009 bis Dezember 2010.<br />
Ergebnisse:<br />
Geschlecht,<br />
Alter<br />
m,3<br />
m,4<br />
m,25<br />
<strong>Epilepsie</strong> gehfähig<br />
sympt.fokal<br />
(FCD)<br />
Dravet-<br />
Syndrom<br />
sympt.fokal<br />
(Asphyxie)<br />
Dosis<br />
(mg/kg)<br />
ja TPM; 6 -<br />
ja<br />
TPM; 5,5<br />
(anfallsfrei)<br />
Co-Medikamente Symptome Therapie<br />
Nephrocalcinose<br />
Typ IIa<br />
(sonographisch)<br />
- Nierengries<br />
Dosisreduktion,<br />
Füssigkeit↑<br />
L-Methionin,<br />
Dosisreduktion<br />
nein TPM; 8,5 CBZ,LEV,RUF Nierengries Dosisreduktion
w,6<br />
[Patienten]<br />
sympt.fokal<br />
(SHT)<br />
nein ZNS; 7,5<br />
LEV,MES,ESM,VPA,<br />
Lyrica<br />
Nierenstein<br />
(sonographisch)<br />
ZNS wurde vor<br />
Diagnose<br />
abgesetzt<br />
Diskussion: Über das mögliche Auftreten von Nierensteinen unter TPM oder ZNS sollte aufgeklärt<br />
werden, einschließlich des Achtens auf sog. „Nierengries“ und ausreichende Flüssigkeitszufuhr.<br />
Insbesondere bei „Risikopatienten“ (z.B. bei positiver Familienanamnese, renalen und/oder<br />
metabolischen Erkrankungen, immobilen oder mehrfach-behinderten Patienten), bei Co-<br />
Medikamentation mit anderen Carboanhydrase-Hemmern (Sultiam, Acetazolamid) oder unter<br />
ketogener Diät sollten Urinkontrollen und sonographische Kontrollen erfolgen. Als Therapieoption (und<br />
evt. auch als Prophylaxe) ist neben einer Dosisredukion, die Änderung der Co-Medikation sowie ein<br />
Ansäuern des Urin bzw. Citratgabe zu überlegen.<br />
Bei allen Kindern mit <strong>Epilepsie</strong>, insbesondere mit körperlichen Behinderungen, halten wir eine<br />
Schulung über eine gesunde Ernährung bzw. diätetische Beratung für wichtig.<br />
P010<br />
Antikonvulsive Kombinationstherapie mit "alten" und "neuen" Medikamenten während der<br />
Schwangerschaft und Stillzeit - ein Fallbericht<br />
Rauchenzauner M. 1,2 , Kiechl-Kohlendorfer U. 2 , Rostasy K. 3 , Luef G. 4<br />
1 Schoen Klinik Vogtareuth, Neuropediatric Department, Vogtareuth, Germany, 2 Medical University<br />
Innsbruck, Department of Pediatrics IV, Innsbruck, Austria, 3 Department für Pädiatrie, Pädiatrie IV,<br />
Innsbruck, Austria, 4 Medical University Innsbruck, Department of Neurology, Innsbruck, Austria<br />
Wir präsentieren einen Fallbericht einer 30jährigen Patientin mit Janz-Syndrom die mittels<br />
antikonvulsiver Kombinationstherapie bestehend aus Primidon/Phenobarbital (sogenannte "alte"<br />
Antiepileptika) und Levetiracetam (sogenanntes "neues" Antiepileptikum) vor, während und nach der<br />
Schwangerschaft behandelt worden war. Wenige Tage nach der Geburt wurde der jungen Mutter<br />
empfohlen, aufgrund möglicher Nebenwirkungen der Medikation auf das Neugeborene, abzustillen.<br />
Unmittelbar danach kam es beim weiblichen Neugeborenen zu prolongierten Entzugskrämpfen und<br />
konsekutiver Überwachung auf der neonatologischen Intensivstation. Nach Wiederbeginn des Stillens<br />
traten keine neuerlichen Krampfanfälle mehr auf, sämtliche EEG-Untersuchungen waren unauffällig<br />
und das Mädchen zeigte sich klinisch-neurologisch in den folgenden 6 Monaten völlig<br />
altersentsprechend (ebenso wie serielle EEG-Untersuchungen). Aus unserer Sicht sollte auch bei<br />
antikonvulsiver Kombinationstherapie (einschließlich Phenobarbital) das Stillen fortgeführt werden,<br />
man sollte jedoch die Mutter über mögliche sedierende Auswirkungen informieren. Insbesondere<br />
Kinder von Müttern unter Phenobarbital Dauertherapie sollten engmaschig klinisch-neurologisch<br />
kontrolliert werden.<br />
P011<br />
<strong>Epilepsie</strong>chirurgie bei Kindern mit Phakomatosen: Postoperative Resultate von 13 Patienten<br />
Eitel H.C. 1 , Pieper T. 1 , Kessler S. 1 , Pascher B. 1 , Getzinger T. 1 , Hartlieb T. 1 , Blümcke I. 2 , Winkler P.A. 3 ,<br />
Kudernatsch M. 3 , Staudt M. 1 , Holthausen H. 1<br />
1 Schön Klinik Vogtareuth, Neuropädiatrie, Vogtareuth, Germany, 2 Universität Erlangen,<br />
Neuropathologie, Erlangen, Germany, 3 Schön Klinik Vogtareuth, Neurochirurgie, Vogtareuth,<br />
Germany<br />
Fragestellung: Angeborene neurokutane Syndrome gehen häufig mit einer sich bereits früh<br />
manifestierenden und therapieschwierig verlaufenden <strong>Epilepsie</strong> sowie konsekutiver schwerer<br />
Entwicklungsretardierung einher. Trotz ausgedehnter oder multifokaler Schädigung des ZNS kann<br />
eine epilepsiechirurgische Resektion eine effektive Behandlungsoption sein, sowohl hinsichtlich der
<strong>Epilepsie</strong> als auch der damit einhergehenden Einschränkungen von Kognition und Verhalten.<br />
Dargestellt werden soll daher das diagnostische Procedere sowie postoperative Resultate bei<br />
Patienten mit Phakomatosen.<br />
Methodik: Von 311 Patienten, die zwischen 1998 und 2010 im <strong>Epilepsie</strong>zentrum für Kinder und<br />
Jugendliche der Schön-Klinik Vogtareuth operiert wurden, werden retrospektiv die Daten von 13<br />
Kindern mit Phakomatosen vorgestellt. Alle erhielten mindestens ein hochauflösendes MRT sowie<br />
eine Langzeit-Video-EEG-Ableitung. Die Hälfte der Patienten mit tuberöser Sklerose unterzog sich<br />
einer invasiven Diagnostik mittels subduraler Grids und Tiefenelektroden.<br />
Ergebnis: Ätiologien: 8 Patienten Tuberöse Sklerose, 3 Patienten Sturge-Weber-Syndrom, 2<br />
Patienten Hypomelanosis Ito. Mittleres Alter bei Manifestation der <strong>Epilepsie</strong>: 6 Monate (1-9), bei<br />
Operation 5,6 Jahre (2-19). Der durchschnittliche postoperative Beobachtungszeitraum betrug 3,5<br />
Jahre (6 Monate - 9 Jahre). Es wurden 8 Läsionektomien durchgeführt, 2 Hemisphärotomien sowie 3<br />
subtotale Hemisphärektomien. Epileptogene Läsionen bei tuberöser Sklerose: reineTubera 2, tuberassoziierte<br />
fokale kortikale Dysplasie 6. Komplette postoperative Anfallsfreiheit 8, überwiegend<br />
anfallsfrei 2, lohnende Verbesserung 3.<br />
Schlussfolgerung: Alle Patienten mit Phakomatosen profitierten vom durchgeführten<br />
epilepsiechirurgischen Eingriff. Ca. 2/3 der Kinder sind postoperativ anfallsfrei. Trotz multipler Tubera<br />
kann bei Patienten mit tuberöser Sklerose ein gutes Ergebnis erzielt werden. Epileptogene Läsionen<br />
waren oft nicht die Tubera selbst, sondern meist tuber-assoziierte fokale kortikale Dysplasien.<br />
P012<br />
<strong>Epilepsie</strong>chirurgie bei Kindern mit bilateralen und ausgedehnten Hirnläsionen Ergebnisse<br />
eines palliativen Ansatzes bei 22 Patienten<br />
Pieper T. 1 , Kudernatsch M. 2 , Kessler-Uberti S. 1 , Eitel H. 1 , Pascher B. 1 , Getzinger T. 1 , Hartlieb T. 1 ,<br />
Blümcke I. 3 , Kolodziejczyk D. 2 , Winkler P.A. 2 , Staudt M. 1 , Holthausen H. 1<br />
1 Schön Klinik Vogtareuth, <strong>Epilepsie</strong> Zentrum für Kinder und Jugendliche, Vogtareuth, Germany,<br />
2 Schön Klinik Vogtareuth, Klinik für Neurochirurgie und <strong>Epilepsie</strong>chirurgie, Vogtareuth, Germany,<br />
3 Institut für Neuropathologie, Universitätsklinik Erlangen, Erlangen, Germany<br />
Fragestellung: Kinder mit therapieresistenter fokaler <strong>Epilepsie</strong> infolge bilateraler oder<br />
hemisphärischer epileptogener Läsion ohne Hemiparese werden oft nicht als Kandidaten für<br />
<strong>Epilepsie</strong>chirurgie angesehen. Gerade diese Kinder sind häufig extrem therapieresistent und haben<br />
ein hohes Risiko für epilepsie-assoziierte Störungen von Kognition und Verhalten.<br />
Um die Situation für diese Patienten zu verbessern, stellten wir auch hier die Indikation für eine<br />
chirurgische Behandlung trotz geringerer Chancen auf Anfallssfreiheit („palliative <strong>Epilepsie</strong>chirurgie“).<br />
Wir präsentieren die Daten von 22 Patienten, deren epileptogene Läsion/-en primär nicht vollständig<br />
resezierbar waren.<br />
Methodik: Von 311 am <strong>Epilepsie</strong> Zentrum für Kinder und Jugendliche Vogtareuth epilepsiechirurgisch<br />
behandelten Patienten zwischen 09/1998 bis 11/2010 wurden retrospektiv die Daten analysiert. Alle<br />
Patienten hatten wenigstens ein Video-EEG-Monitoring und ein hochauflösendes MRT.<br />
Ergebnis: Bei 8 Patienten kam es zu einer primär inkompletten Resektion ihrer epileptogenen Läsion,<br />
bei 13 Patienten erfolgten bei bilateralen Läsionen nur unilaterale Resektionen; 1 Patient wurde<br />
einzeitig bilateral operiert. Ätiologie: Malfomationen der kortikalen Entwicklung 8, posthypoxische oder<br />
posthaemorrhagische Läsionen 10, postenzephalitische Läsionen: 2, Hirntumore 2 Patienten.<br />
Alter bei : Beginn der <strong>Epilepsie</strong>: 2,7 a (0,1-14), Operation: 7,5 a (1,2-19), post-operatives follow-up<br />
45.7 Monate (3-124).<br />
Operative Verfahren: Hemispärotomie 8, subtotale Hemispärensresektion 2, multilobäre Resektionen<br />
9 und frontale Resektionen 3 Patienten.<br />
Post-operative Anfallssituation: anfallsfrei: 12, >90% Anfallsreduktion: 2, >50% Anfallsreduktion: 7,<br />
unverändert: 1<br />
Schlussfolgerung: Bei mehr als der Hälfte der Patienten konnte Anfallsfreiheit erreicht werden. Die<br />
Patienten, die nicht anfallsfrei wurden, zeigten häufig eine verbesserte Lebensqualität bei reduzierter<br />
Anfallsfrequenz. Die Daten zeigen, dass auch Patienten mit nicht komplett resezierbarer Läsion von<br />
„palliativer“ <strong>Epilepsie</strong>chirurgie profitieren können.
P013<br />
Invasive prächirurgische <strong>Epilepsie</strong>diagnostik bei Kindern: Der Vorteil der Kombination von<br />
Tiefenelektroden mit subduralen Gitterelektroden bei fokal kortikalen Dysplasien und<br />
Tuberöser Sklerose<br />
Pieper T. 1 , Kudernatsch M. 2 , Kessler-Uberti S. 1 , Eitel H. 1 , Pascher B. 1 , Blümcke I. 3 , Winkler P.A. 2 ,<br />
Staudt M. 1 , Holthausen H. 1<br />
1 Schön Klinik Vogtareuth, <strong>Epilepsie</strong> Zentrum für Kinder und Jugendliche, Vogtareuth, Germany,<br />
2 Schön Klinik Vogtareuth, Klinik für Neurochirurgie und <strong>Epilepsie</strong>chirurgie, Vogtareuth, Germany,<br />
3 Institut für Neuropathologie, Universitätsklinik Erlangen, Erlangen, Germany<br />
Fragestellung: Patienten mit therapieresistenter <strong>Epilepsie</strong> bei fokaler kortikaler Dysplasie Typ II (FCD<br />
II) n.Palmini & Lüders sowie Tubera sind oft Kandidaten für <strong>Epilepsie</strong>chirurgie. Die komplette<br />
Entfernung der Läsion sowie der ictal onset zone wird als elementar für die Erzielung von<br />
Anfallssfreiheit angesehen. Oft sind Teile der Läsion unter der Kortexoberfläche und nicht von den<br />
subduralen Gitterelektroden (SGE) erfasst. Zur besseren Analyse der epileptogenen Läsion wurden<br />
Tiefenelektroden (TE) zusätzlich zu den SGE in die Läsion implantiert.<br />
Methodik: Von 311 am <strong>Epilepsie</strong> Zentrum für Kinder und Jugendliche, Schoen Klinik Vogtareuth<br />
chirurgisch behandelten Patienten zwischen 09/1998 bis 11/2010 wurden retrospektiv die Daten von<br />
11 Patienten (f:3,m:8) nach invasiver Diagnostik mit TE und SGE analysiert. TE und SGE wurde von<br />
Ad-Tech Corp. bezogen. Die Implantationsplanung erfolgte mit iPlan Cranial 2.6 software und die<br />
Implantation mit dem VarioGuide TM System (BrainLAB AG). Post Implantationem erfolgten cMRT und<br />
cCT zur Elektrodenlokalisation. Das Video-EEG-Monitoring erfolgte für 10 Tage.<br />
Ergebnis: Ätiologie: FCD II : 8, Tuber: 3 Patienten, Alter bei: Beginn der <strong>Epilepsie</strong>: 3,25 a (0,1-11),<br />
Operation: 9,3 a (3-13), postoperatives follow-up: 8,6 Monate (3,7-15,4). Lokalisation der <strong>Epilepsie</strong>: 9<br />
frontal, 1 zentro-parietal,1 temporo-parieto-occipital. Postoperative Anfallssituation: anfallsfrei: 6 , >90<br />
% Anfallsreduktion: 1, >50 % Anfallsreduktion: 2, unverändert: 1. Alle Läsionen wurden mit den TE<br />
erreicht. Die Implantationen waren komplikationslos. Interiktale epilepsietypische Potenziale fanden<br />
sich: nur an den TE: bei 2, an DE & SGE: bei 6 , nur an den SGE: bei 3 Patienten. Iktale Befunde<br />
fanden sich: nur an den TE: bei 3, an DE & SGE: bei 5 , nur an den SGE: bei 2 Patienten<br />
Schlussfolgerung: Die Implantation von TE mit SGE ist einfach und sicher. TE tragen zur<br />
Verbesserungen der räumlichen und zeitlichen Darstellung iktaler und interiktaler EEG-Daten bei. Sie<br />
ergänzen die Befunde von der Kortexoberfläche und beeinflussen so die Resektionsplanung.<br />
P014<br />
Indikation, Operationsverfahren und postoperative Ergebnisse bei Kindern mit fokaler<br />
<strong>Epilepsie</strong> bei hemisphärischer Polymikrogyrie<br />
Kudernatsch M. 1 , Pieper T. 2 , Kessler S. 2 , Eitel H. 2 , Staudt M. 2 , Winkler P.A. 1 , Holthausen H. 2<br />
1 Schön Klinik Vogtareuth, Neurochirurgie und <strong>Epilepsie</strong>chirurgie, Vogtareuth, Germany, 2 Klinik für<br />
Neuropädiatrie und neurologische Rehabilitation, <strong>Epilepsie</strong>zentrum für Kinder und Jugendliche,<br />
Vogtareuth, Germany<br />
Fragestellung: Fehlbildungen bei der kortikalen Entwicklung sind eine häufige Ursache<br />
therapieschwieriger <strong>Epilepsie</strong> bei Kindern. Die hemisphärische Polymikrogyrie (HPMG) gehört zu den<br />
späten Organisationsstörungen kortikaler Entwicklung. Operationsindikationen werden maßgeblich<br />
durch den klinischen Schweregrad der <strong>Epilepsie</strong>, die epilepsiebedingte mentale Retardierung und das<br />
Ausmaß der kontralateralen Parese beeinflusst. Wir berichten über Operationsverfahren,<br />
postoperatives Anfallsoutcome, mentale Situation und motorische Funktion der paretischen<br />
Körperseite bei 12 Kindern mit HPMG.<br />
Methodik: Von 1998-2010 wurde bei 12 Kindern mit HPMG die Indikation für eine
epilepsiechirurgische Operation gestellt. Um das Vorliegen ipsilateraler kotrikospinaler Bahnen<br />
nachzuweisen wurden alle Kinder mit transkranieller Magnetstimulation untersucht (TMS). Bei allen,<br />
außer bei zwei Patienten, wurde eine Hemisphärotomie durchgeführt. Ein Kind wurde nach invasivem<br />
Monitoring temporo-parieto-okzipital reseziert, bei einem zweiten unter Schonung der Zentralregion<br />
eine subtotale Hemisphärektomie vorgenommen.<br />
Ergebnis: 11 von 12 Kindern verbesserten sich postoperativ mental. Postoperativ waren 11 Kinder<br />
anfallsfrei, ein Junge litt unter sehr seltenen Anfällen. In 9 von 12 Fällen konnten präoperativ durch<br />
TMS ipsilaterale Bahnen zur paretischen Hand nachgewiesen werden.<br />
Schlussfolgerung: Kinder mit therapieschwieriger <strong>Epilepsie</strong> bei HPMG sind gute<br />
Operationskandidaten. Entscheidende Faktoren bei der Indikationsstellung sind Schweregrad der<br />
<strong>Epilepsie</strong>, epilepsieassoziierte Einschränkung der kognitiven Leistungsfähigkeit aufgrund sekundärer<br />
bilateraler Synchronie, Ausmaß der präoperativen Parese und das Vorhandensein kortikospinaler<br />
Reorganisation. Als Operationsverfahren kommt meist eine Hemisphärotomie, in ausgewählten Fällen<br />
funktionserhaltend eine multilobäre Resektionen unter Schonung der Zentralregion in Frage.<br />
P015<br />
<strong>Epilepsie</strong>chirurgische Reoperationen bei Kindern im <strong>Epilepsie</strong>zentrum Bethel 1990 - 2009<br />
Axer S. 1 , Kalbhenn T. 2 , Pannek H.W. 2 , Woermann F. 1 , Hans V. 3 , Tuxhorn I. 4 , Ebner A. 1 , Polster T. 1<br />
1 <strong>Epilepsie</strong>zentrum Bethel, Bielefeld, Germany, 2 Neurochirurgie EvKB, Bielefeld, Germany,<br />
3 Pathologie/EvKB, Bielefeld, Germany, 4 Div. of Pediatric Epilepsy/Children Hospital, Cleveland, United<br />
States<br />
Hat eine epilepsiechirurgische Intervention nicht den angestrebten Erfolg erbracht, stellt sich die<br />
Aufgabe, die Chancen und Risiken eines erneuten chirurgisch-resektiven Vorgehens gegenüber<br />
anderen Optionen abzuwägen. Um diesbezüglich eine genauere Beratung zu ermöglichen, haben wir<br />
die epilepsiechirurgischen Reoperationen bei Kindern am <strong>Epilepsie</strong>zentrum Bethel zwischen 1990 und<br />
2009 analysiert.<br />
Unter allen epilepsiechirurgisch behandelten Patienten identifizierten wir 42 Kinder, bei denen in<br />
diesem Zeitraum Reoperationen durchgeführt wurden. Die meisten Kinder wurden 1x reoperiert,<br />
wenige Kinder 2x und 1 Kind erhielt 3 Reoperationen. Die Verläufe wurden retrospektiv anhand der<br />
klinischen Krankenakten untersucht.<br />
Reoperationen wurden in allen Regionen und bei unterschiedlichen Ätiologien durchgeführt. Der<br />
Anfallsbeginn der <strong>Epilepsie</strong>n lag zwischen dem ersten Lebenstag und dem 12. Lebensjahr. Das Alter<br />
bei erstem epilepsiechirurgischem Eingriff zwischen dem 5. Lebensmonat und dem 12. Lebensjahr.<br />
Im Einzelnen fanden wir folgende lokalisatorische Verteilung der Nachresektionen und der Ätiologien:<br />
1) 17 Frontallappen-Resektionen bei Fokaler Corticaler Dysplasie (FCD), Polymikrogyrie, Tuberöser<br />
Sklerose, Z. n. Meningitis, DNT.<br />
2) 13 Temporallappen-Resektionen bei Hippocampussklerose, Gangliogliom, Oligoastrozytom, DNT,<br />
FCD, Z. n. SHT.<br />
3) 12 Hemisphärische Operationen bei Hemimegalencephalie, Sturge-Weber-Syndrom,<br />
Rasmussen-Enzephalitis, FCD, Z. n. Infarkt oder postpartaler Blutung.<br />
In allen Gruppen waren zudem Patienten, bei denen sich histologisch keine Läsion nachweisen ließ.<br />
Es kam in keinem Fall zu einer unerwarteten irreversiblen Komplikation.<br />
Diskutiert wird die Erfolgsrate von Reoperationen unter besonderer Berücksichtigung der für das<br />
Kindesalter bedeutsamen Größe des neuropsychologischen Outcomes.<br />
P016<br />
Neuropsychologische und soziale Funktionen von Kindern und Jugendlichen mit<br />
hypothalamischen Harmatomen
Strobl K., Mayer H., Bast T.<br />
<strong>Epilepsie</strong>zentrum Kehl-Kork, Kehl, Germany<br />
Einführung: <strong>Epilepsie</strong>n mit gelastischen Anfällen und hypothalamischen Harmatomen sind seltene<br />
aber wohldefinierte Syndrome, die sich typischerweise im frühen Kindesalter entwickeln. Es besteht<br />
nahezu regelhaft Therapieresistenz gegen AED. Darüber hinaus werden bei diesen Patienten häufig<br />
neuropsychologische und soziale Defizite gefunden.<br />
Methodik: Es wird über 8 Patienten berichtet( Alterspanne: 10-20 J., M = 13). Neben verschiedensten<br />
Interventionen wurden alle Patienten auch mikrochirurgisch behandelt. 5 Kinder sind anfallsfrei (Engel<br />
outcome IA), bei 3 Patienten werden nur noch seltene Anfallereignisse beobachtet (Engel outcome: IB<br />
bzw. IIA). Alle Patienten wurden prä- und postchirurgische neuropsychologisch untersucht. Die Daten<br />
wurden einzelfallanalytisch ausgewertet.<br />
Ergebnisse: Das neuropsychologische Profil der Patienten (nach einem Jahr) hat sich postchirurgisch<br />
nicht signifikant verändert. Positive Veränderungen konnten vor allem bei anfallsfreien Patienten im<br />
Bereich Aufmerksamkeit beobachtet werden. Auch die soziale Integration dieser Patienten hatte sich<br />
deutlich stabilisiert.<br />
Folgerung: Hypothalamische Harmatome gehen mit einer Fülle neuropsychologischer und sozialer<br />
Einschränkungen einher, die die Gesamtentwicklung der Patienten entscheidend begrenzen. Infolge<br />
der mikrochirurgische Eingriffe zeigte sich ein Stabilisierung der sozialen und kognitiven Entwicklung.<br />
Kein Patient musste eine Regression von Entwicklungsfunktionen hinnehmen. Im Gegenteil, bei<br />
einigen konnte eine leichte Progression verzeichnet. Aufmerksamkeitsfunktionen sowie die soziale<br />
Entwicklung zeigen die günstigsten Veränderungen.<br />
P017<br />
Rasch progredienter Verlauf eines Lafora Syndroms in Assoziation mit einer neuen NHLRC1<br />
Mutation<br />
Brackmann F. 1 , Kiefer A. 1 , Agaimy A. 2 , Gencik M. 3 , Gabriel H. 3 , Trollmann R. 1<br />
1 Universität Erlangen, Kinder- und Jugendklinik, Erlangen, Germany, 2 Universität Erlangen, Institut für<br />
Pathologie, Erlangen, Germany, 3 diagenos, Osnabrück, Germany<br />
Das Lafora Syndrom (LS) ist eine autosomal rezessive progressive Myoklonus- <strong>Epilepsie</strong>, die<br />
charakterisiert ist durch myoklonische und tonisch-klonische Krampfanfälle, Verlust kognitiver<br />
Fähigkeiten ab der zweiten Lebensdekade und einem stets letalen Ausgang. Die Diagnose beruht auf<br />
dem klinischen Befund, dem Nachweis intrazellulärer Polyglucosan Einschlusskörperchen (Lafora<br />
bodies) in verschiedenen Geweben und dem Nachweis von Mutationen im EPM2A Gen (epilepsy of<br />
progressive myoclonus type 2 gene A), das die Proteinphosphatase Laforin kodiert, bzw. im NHLRC1<br />
Gen (NHL repeat containing 1, auch EPM2B), das die E3 Ubiquitin Ligase Malin kodiert. Für NHLRC1<br />
Mutationen wurde im Vergleich zu EPM2A Mutationen bisher eine langsamere Progredienz der<br />
Symptomatik, mit einem Verlust unabhängiger Alltagsfähigkeiten nicht vor der Mitte der 3.<br />
Lebensdekade, beschrieben.<br />
Wir berichten über einen rasch progredienten Verlauf des LS mit therapierefraktärer <strong>Epilepsie</strong> und<br />
Demenz bereits zwei Jahre nach Krankheitsmanifestation in Assoziation mit einer bisher nicht<br />
beschriebenen homozygoten NHLRC1 Mutation (c.349_350insC; p.His117ProfsX39). Diese<br />
frameshift-Mutation betrifft Histidin-117 mit einem Austausch durch Prolin, welcher ein neues<br />
Leseraster mit einem Stop an Position 39 erzeugt.<br />
Der 15 Jahre alte Patient wurde mit tonisch-klonischen Krampfanfällen vorgestellt und entwickelte im<br />
Verlauf myoklonische Bewegungsstörungen und einen zunehmenden Verlust kognitiver Fähigkeiten.<br />
Der schnell progrediente Verlauf der epileptischen Enzephalopathie verbunden mit typischen EEG-<br />
Befunden führte zur klinischen Diagnose eines LS, die histologisch mit dem Nachweis von Lafora<br />
bodies in einer axillären Hautbiopsie gesichert wurde.<br />
Unsere Beobachtungen werfen die Frage auf, ob NHLRC1 Mutationen verschiedene phänotypische<br />
Ausprägungen hervorrufen und nicht grundsätzlich mit milderem klinischem Verlauf assoziiert sind.<br />
Bezüglich pathophysiologischer Mechanismen ist weiterhin eine Beteiligung von Malin in anderen
neurotoxischen Vorgängen als der Funktionseinschränkung von Laforin zu untersuchen.<br />
P018<br />
Status epilepticus bei einem Neugeborenen - Pyridoxin Intoxikation?<br />
Hartmann H. 1 , Fingerhut M. 2 , Jakobs C. 3 , Plecko B. 4<br />
1 Medizinische Hochschule Hannover, Klinik für pädiatrische Nephrologie, Hepatologie und<br />
Stoffwechselmedizin, Hannover, Germany, 2 Klinikum Nürnberg, Kinderklinik, Nürnberg, Germany, 3 VU<br />
University Medical Center, Department of Clinical Chemistry, Amsterdam, Netherlands, 4 Medizinische<br />
Universität Graz, Kinderklinik, Graz, Austria<br />
Fragestellung: Die Pyridoxin abhängige <strong>Epilepsie</strong> (PDE) (MIM 266100) stellt eine behandelbare<br />
neonatale Enzephalopathie mit autosomal-rezessivem Erbgang dar. In nachfolgenden<br />
Schwangerschaften wird zur Vermeidung intrauteriner Konvuslionen ab dem 3. LM die Einnahme von<br />
100 mg Pyridoxin durch die Mutter empfohlen. Nebenwirkungen wurden bislang nicht berichtet.<br />
Fallbericht: Das männliches Geschwisterkind eines Mädchens mit PDE wurde antenatal (100-200 mg<br />
täglich) und postnatal (30 mg pro kg Körpergewicht und Tag) prophylaktisch mit Pyridoxin behandelt.<br />
Eine pränatale Diagnostik wurde von den Eltern nicht gewünscht. Am 14. Lebenstag entwickelte er<br />
unter fortlaufender B6 Gabe einen enzephalopathischen Zustand mit Status epilepticus, begleitend<br />
war die Kreatinkinase massiv erhöht. Seine Anfälle sprachen nicht auf zusätzliche, parenterale Gaben<br />
von Pyridoxin und Folinsäure an. Unter Wechsel auf Pyridoxalphosphat (30 mg pro kg Körpergewicht<br />
und Tag) besserte sich sein Zustand. Nachdem biochemisch und molekulargenetisch am 26.<br />
Lebenstag eine PDE ausgeschlossen werden konnte, wurde die Cofaktor-Behandlung gestoppt. Er ist<br />
seitdem anfallsfrei geblieben und entwickelt sich altersgerecht.<br />
Schlussfolgerung: Bei einem gesunden Neugeborenen könnte eine hochdosierte Pyridoxintherapie<br />
zu einer erhöhten anstelle einer niedrigeren Neuroexzitabilität führen. Die prophylaktische ante- und<br />
postnatale Behandlung des Geschwisters eines Kindes mit PDE sollte auf eine möglichst kurze Zeit<br />
begrenzt werden entweder durch eine pränatale Diagnostik oder rasche postnatale biochemische<br />
(Plasma Pipecolinsäure und Urin L-α-Aminoadipin-Semialdehyd) und genetische (Antiquitin Gen)<br />
Untersuchungen.<br />
P019<br />
Modifikation epileptiformer Aktivität durch Blockade der glialen Glutamataufnahme<br />
Bertsche A. 1,2,3,4 , Bruehl C. 2 , Pietz J. 1 , Draguhn A. 2<br />
1 Universitätsklinikum Heidelberg, Zentrum für Kinder- und Jugendmedizin, Neuropädiatrie, Heidelberg,<br />
Germany, 2 Universität Heidelberg; Institut für Physiologie und Pathophysiologie, Neurophysiologie,<br />
Heidelberg, Germany, 3 Sozialpädiatrisches Zentrum Leipzig, Leipzig, Germany, 4 Klinikum St. Georg<br />
gGmbH; Klinik für Kinder- und Jugendmedizin, Neuropädiatrie, Leipzig, Germany<br />
Problematik: Etwa ein Drittel der <strong>Epilepsie</strong>patienten wird mit den vorhandenen Therapieoptionen<br />
nicht anfallsfrei. Daher erscheint die Entwicklung neuer Therapiestrategien notwendig. Der<br />
exzitatorische Neurotransmitter Glutamat wird nach Ausschüttung in den synaptischen Spalt sowohl<br />
von Neuronen als auch von Gliazellen resorbiert. Das neuronal aufgenommene Glutamat wird<br />
nachfolgend auch zum inhibitorischen Neurotransmitter GABA umgewandelt und wieder<br />
ausgeschüttet. Somit würde eine verstärkte Aufnahme von Glutamat in die Neurone auch zu einer<br />
erhöhten Ausschüttung von GABA und zu einer verstärkten, antikonvulsiv wirkenden, Inhibition führen.<br />
Eine erhöhte neuronale Glutamataufnahme könnte über die Hemmung des zweiten Resorptionsweges<br />
in Gliazellen, durch Blockade des Glutamattransporters GLT1, eingeleitet werden.<br />
Methoden: Wir lösten an Rattenhirnschnitten epileptiforme Aktiviät aus durch a) Umspülen der<br />
Schnitte mit einer Magnesium-freien künstlichen Liquorlösung, b) Applikation des Kaliumkanalblockers<br />
4-Aminopyridin, c) Applikation des GABAA-Rezeptor-Antagonisten Penicillin. Epileptiforme Aktivität<br />
und evozierte Feldpotentiale wurden in der hippocampalen Region CA1 und im dem Hippocampus
angrenzenden entorhinalen Cortex aufgezeichnet. Die Glutamataufnahme wurde mit DHK, einem<br />
spezifischen Antagonisten des glialen Glutamattransporters GLT1, und TBOA, einem unspezifischer<br />
Blocker der glialen und neuronalen Glutamataufnahme, blockiert.<br />
Ergebnisse: Sowohl die spezifische (DHK) als auch die unspezifische (TBOA) Blockade der<br />
Glutamataufnahme führten im Hippocampus zu einer Reduktion der epileptiformen Aktivität, die durch<br />
Magnesiumentzug oder 4-Aminopyridin-Applikation ausgelöst worden war. War die epileptiforme<br />
Aktivität durch Disinhibition ausgelöst (Penicillineffekt), so führte die Zugabe beider Blocker zu einer<br />
Zunahme der epileptiformen Aktivität.<br />
Im entorhinalen Cortex hatten dagegen beide Blocker überwiegend prokonvulsive Effekte.<br />
Fazit: Der vorliegende Befund könnte zur Entwicklung neuer Therapiestrategien für<br />
therapieschwierige <strong>Epilepsie</strong>n beitragen.<br />
P020<br />
Epileptische Enzephalopathie im frühen Säuglingsalter durch Cobalaminmangel?<br />
Tacke U.H. 1 , Schwab K.O. 2 , Fowler B. 3 , Korinthenberg R. 1<br />
1 Zentrum für Kinder- und Jugendmedizin, Neuropädiatrie, Freiburg, Germany, 2 Zentrum für Kinder-<br />
und Jugendmedizin, Endokrinologie, Freiburg, Germany, 3 Universitäts-Kinderspital beider Basel,<br />
Stoffwechselerkrankungen, Basel, Switzerland<br />
Einleitung: Ein Vitamin B12-Mangel im frühen Säuglingsalter ist meist die Folge eines maternalen<br />
B12-Mangels. Dieser kann subklinisch sein und erst durch die Symptomen des Kindes erkannt<br />
werden. Wir berichten über einen Säugling mit therapieschwierigen Krampfanfällen und einem<br />
unerwartet günstigen Verlauf unter Cobalaminbehandlung.<br />
Kasuistik: Eine jetzt zweijährige Patientin entwickelte in den ersten Lebenstagen therapieschwierige<br />
fokale Krampfanfälle ohne Ansprechen auf Phenobarbital.<br />
Befunde: Vitamin B12 146,9 ng/l (190-631), Folsäure 10 (4,6-18.7), Holotranscobolamin 17,2 pmol/l<br />
(>35), MMA im Urin 195 (0-10)mmol/mol/Crea, Homocystein: 16 (0-13)µmol/l, Methionin 14µmol/l (15-<br />
35), MCV: 96-99fl, Hb 8,7µg/dl, Thrombozyten und Leukozyten normal. Proteinurie. EEG mit<br />
ausgeprägtem Fokus rechts temporal, MRT Normalbefund, fraglich cortikale Dysplasie.<br />
Verlauf: Unter parenteralem VitB12 (1mg/Tag) normalisierten sich die Laborwerte bei gleichbleibender<br />
Anfallssymptomatik. Erst eine Woche später nach zusätzlicher Gabe von Vit.B6 und Folinsäure<br />
besserten sich die Anfälle. Aktuell ist das Kind unter niedrigdosiertem Phenobarbital und oralem Vit<br />
B12 beschwerdefrei und altersentsgemäß entwickelt. Molekulargenetische Untersuchungen auf<br />
Transcobalamindefekte waren negativ. Das Kontroll-MRT war unauffällig. Diskussion: 1. Die Ätiologie<br />
der schweren epileptischen Enzephalopathie ist ungeklärt, der überraschend gute Verlauf unter<br />
niedrigdosiertem Phenobarbital und Cobalamin ist ungewöhnlich.<br />
2. Der Cobalaminmangel, könnte durch die Hyperemesis gravidarum entstanden sein, oder zu einem<br />
Imerslund-Gräsbeck-Syndrom passen. Die neurologische Symptomatik ist jedoch untypisch. 3. Die<br />
Bedeutung der Pyridoxin- und Folinsäuregabe ist unklar, da das Kind ohne diese Cofaktoren seit 2<br />
Jahren anfallsfrei und das EEG saniert ist.<br />
Schlussfolgerung: Da vereinzelt Fälle von Krampfanfällen im Säuglingsalter berichtet wurden, die<br />
unter Cobalamingabe sistierten lassen sich in diesem Fall VitB12 abhängige Anfälle nicht völlig<br />
ausschließen.<br />
P021<br />
Late-onset Folinsäureabhängige <strong>Epilepsie</strong><br />
Diepold K., Sigler C., Wilken B.<br />
Klinikum Kassel, Neuropädiatrie mit SPZ, Kassel, Germany
Folinsäureabhängige epileptische Anfälle sind eine seltene Form von Neugeborenenanfällen, die in<br />
der Regel in den ersten Lebenstagen auftreten. Im Vordergrund stehen therapierefraktäre Anfälle mit<br />
fokalen oder myoklonischen Anfallsmustern oder Apnoen, die erst nach Gabe von Folinsäure<br />
sistieren. Ätiologisch ist in einigen Fällen eine alpha-AASA Defizienz mit Mutationen im ALDH7A1 Gen<br />
beschrieben, das auch bei Pyridoxin-abhängigen Anfällen betroffen ist.<br />
Wir berichten über einen 7 Monaten alten Jungen, der mit multifokalen und tonischen Anfällen auffiel.<br />
Die bisherige Entwicklung war unauffällig verlaufen, der Säugling bislang altersentsprechend<br />
entwickelt. Im EEG zeigte sich eine beginnende Hypsarrythmie, die sich durch Gabe von Vitamin B6<br />
nicht besserte. Nach Gabe von Folinsäure und Phenobarbital besserte sich der Zustand des Kindes,<br />
es war über einige Tage anfallsfrei, das EEG normalisierte sich. Nach Auslassversuch der Folinsäure<br />
traten erneut Anfälle auf, auch zeigte sich wieder die beginnende Hypsarrythmie. Die Fortsetzung der<br />
Therapie mit Folinsäure führte zu einer anhaltenden Anfallsfreiheit und Normalisierung des EEG<br />
Befundes. Pipecolinsäure und alpha-AASA im Liquor waren normal. In der Liquoruntersuchung der<br />
Neurotransmitter fanden sich keine wegweisenden Veränderungen. Das MRT zeigte einen<br />
Normalbefund ohne Hinweise für eine Myelinisierungsstörung. Eine weiterführende genetische<br />
Diagnostik ist veranlasst.<br />
Dieser Verlauf ist ungewöhnlich, da sich die <strong>Epilepsie</strong> nach normaler Entwicklung nicht im<br />
Neugeborenenalter, sondern erst im Alter von 7 Monaten entwickelte. Auch zeigten sich eine normale<br />
Pipecolinsäure und alpha-AASA Konzentrationen sowie unauffällige Konfiguration der biogenen<br />
Amine im Liquor. Es ist daher wichtig, bei therapierefraktären Anfällen auch bei älteren Säuglingen an<br />
eine folinsäureabhängige <strong>Epilepsie</strong> zu denken und eine probatorische Behandlung mit Folinsäure zu<br />
beginnen.<br />
P022<br />
Therapieresistente cerebrale Krämpfe im Alter von 3 Monaten -milde Form einer Nichtketotischen<br />
Hyperglycinämie (NKH)<br />
Grohmann K., Lauffer H., Burtzlaff C., Thiele S., Seidlitz G.<br />
Universitätsklinikum Greifswald, Abteilung für Neuropädiatrie und Stoffwechselerkrankungen,<br />
Greifswald, Germany<br />
Einleitung: Die Nicht-ketotische Hyperglycinämie ist eine seltene Stoffwechselerkrankung. Postnatal<br />
zeigen Betroffene eine Ateminsuffizienz, muskuläre Hypotonie, Trinkschwäche sowie Krampfanfälle.<br />
Der weitere Verlauf ist von statomotorischer und geistiger Retardierung, Tetraspastik, Blindheit und<br />
<strong>Epilepsie</strong> gekennzeichnet. Das EEG zeigt ein Burst-Suppression-Muster bzw. Hypsarrhythmie, die<br />
cMRT Auffälligkeiten des Corpus callosum.<br />
Die Prognose ist schlecht. Die Therapie, medikamentös wie diätetisch, ist rein experimentell und ohne<br />
entscheidenden Einfluss auf die Entwicklungsverzögerung.<br />
Fallbericht: Erstes Kind nicht konsanguiner Eltern. Unauffälliger Schwangerschaftsverlauf, Geburt<br />
nach 34 SSW. Postnatal respiratorische Problematik sowie auffällige muskuläre Hypotonie und<br />
Trinkunlust, die rückläufig waren. Der weitere Verlauf war, bis auf eine zentrale Koordinationsstörung,<br />
unauffällig. Im 3. Lebensmonat Auftreten von cerebralen Krämpfen. Das EEG zeigte diffus sharp<br />
waves und sharp slow waves im Sinne einer Hypsarrhythmie. Trotz mehrfacher antikonvulsiver<br />
Therapie kein Sistieren der Krämpfe. Paraklinisch dtl. Erhöhung des Glycins im Liquor und Plasma bei<br />
pathologischem Liquor/Plasma-Quotienten; somit, bei fehlender Ketose, Diagnose einer NKH. Die<br />
cerebrale MRT zeigte neben einem pränatal bekannten Hydrozephalus internus eine Hypoplasie des<br />
Corpus callosum.<br />
Diskussion: Bei unserem Patienten liegt eine milde Verlaufsform einer NKH vor. Retrospektiv ist die<br />
postnatale Symptomatik im Sinne der Grunderkrankung zu werten. Neben den typischen<br />
Auffälligkeiten des Corpus callosum weist der Patient zudem einen Hydrozephalus internus auf.<br />
Unter medikamentöser Therapie mit Dextromethorphan, Benzoat, Folsäure sowie eiweißarmer Diät<br />
unter Zusatz eines glycinfreien Aminosäurengemisches besteht weiterhin eine dtl.<br />
Entwicklungsverzögerung. Jedoch wurden eine Besserung des Muskeltonus und das Sistieren der<br />
Krampfanfälle bei nur geringgradig allgemeinverändertem EEG ohne epileptiforme Anzeichen erreicht.
P023<br />
Wirbelkörperfraktur nach einem generalisierten tonisch-klonischen Anfall bei einem 16jährigen<br />
Mädchen. Ein ungewöhnlicher Fall.<br />
Finetti C. 1 , Behrens A. 2 , Rülander C. 3 , Brassel F. 4 , Marschall C. 5 , Rosenbaum T. 2<br />
1 Klinikum Duisburg, Klinik für Kinderheilkunde und Jugendmedizin, Abteilung für Neuropädiatrie,<br />
Duisburg, Germany, 2 Klinikum Duisburg, Klinik für Kinderheilkunde und Jugendmedizin, Duisburg,<br />
Germany, 3 Klinikum Duisburg, Klinik für Orthopädie und Unfallchirurgie, Duisburg, Germany, 4 Klinikum<br />
Duisburg, Klinik für Radiologie und Neuroradiologie, Duisburg, Germany, 5 Zentrum für Humangenetik<br />
und Laboratoriumsmedizin, Martinsried, Germany<br />
Hintergrund: Verletzungen im Rahmen eines generalisierten tonisch-klonischen Anfalles (GTKA) sind<br />
häufig. Im Vordergrund stehen Hämatome und Schürfwunden.<br />
Wirbelköperfrakturen nach einem generalisierten tonisch-klonischen Anfall sind im Kindes- und<br />
Jugendalter eine Rarität.<br />
Methode: Wir berichten über ein 16 Jahre altes Mädchen, welche nach ihrem ersten generalisierten<br />
tonisch-klonischen Anfall (GTKA) über Rückenschmerzen klagte. Zusätzlich trug die Patientin<br />
Hörgeräte seit 2 Jahren. Es fielen sowohl bei der Patientin, als auch bei der Mutter und der jüngeren<br />
Schwester bläuliche Skleren auf.<br />
Ergebnisse: Das CT der BWS zeigte eine BWK 8-Fraktur. Es erfolgte eine geschlossene Reposition<br />
und Stabilisierung durch einen Fixateur interne. Aufgrund der Fraktur, der Schwerhörigkeit und der<br />
blauen Skleren wurde die Verdachtsdiagnose einer Osteogenesis imperfecta gestellt. Die Diagnose<br />
konnte durch den Nachweis einer Mutation im COL1A1-Gen gesichert werden.<br />
Schlussfolgerung: Auch bei Kindern und Jugendlichen müssen Rückenschmerzen nach einem<br />
GTKA ernst genommen werden und bedürfen einer klinischen Abklärung. Heftige Muskelkontraktionen<br />
im Rahmen des Krampfanfalls werden meist als Ursache der Rückenschmerzen angesehen. In<br />
seltenen Fällen können diese Muskelkontraktionen auch zu Kompressionsfrakturen einzelner<br />
Wirbelkörper führen. Krampfanfall-induzierte Rückenschmerzen als wegweisendes Symptom einer<br />
bislang unbekannten Osteogenesis imperfecta wurden in der Literatur nach unserem Kenntnisstand<br />
bislang nicht beschrieben.<br />
P024<br />
Inversionsduplikation 15 und therapierefraktäre <strong>Epilepsie</strong>: Ein Fallbeispiel<br />
Linder-Lucht M. 1 , Vivanco Hidalgo R.M. 2 , Herraiz Rocamora J. 2 , Valls Santasusana A. 3 , Manero<br />
Borràs R.M. 4 , Roquer González J. 5 , Rocamora Zúñiga R. 2<br />
1 Hospital del Mar, Servicio de Pediatría, Barcelona, Spain, 2 Hospital del Mar, Unidad de Epilepsia del<br />
Servicio de Neurología, Barcelona, Spain, 3 Hospital del Mar, Servicio de Neurofisiología, Barcelona,<br />
Spain, 4 Hospital del Mar, Unidad de Neurología de la Conducta del Servicio de Neurología, Barcelona,<br />
Spain, 5 Hospital del Mar, Servicio de Neurología, Barcelona, Spain<br />
Einleitung: Bei der Inversionsduplikation 15 handelt es sich um eine seltene Chromosomenstörung<br />
charakterisiert durch allgemeine Entwicklungsverzögerung, Autismus und <strong>Epilepsie</strong>.<br />
Dysmorphiezeichen sind nur gering ausgeprägt oder fehlen. Art der Anfälle, EEG-Veränderungen<br />
sowie Verlauf der <strong>Epilepsie</strong> sind variabel.<br />
Fallbeispiel: Mental retardierte Patientin (24 J.) ohne wesentliche dysmorphe Stigmata, die sich mit<br />
der Diagnose therapierefraktäre <strong>Epilepsie</strong> erstmals in unserem Zentrum zum Video-EEG-Monitoring<br />
vorstellte. Erstmanifestation der <strong>Epilepsie</strong> mit 9 J. durch Status epilepticus. Im weiteren Verlauf<br />
Entwicklung mehrerer Anfallstypen. Z.n. Behandlung mit VPA, TPM, OXC, LTG, PHT. Aktuelle<br />
Medikation: CBZ, CLB, LTG, hierunter 50 Anfälle/Tag. Während des Video-EEGs Ableitung tonischer,<br />
atonischer Anfälle, atypischer Absencen, sekundär generalisierter Krampfanfälle. Interiktales EEG: im<br />
Wachzustand Grundrhythmus 8/s, intermittierend 2,5/s spike-wave Komplexe, im NREM Zunahme der<br />
epileptiformen Aktivität sowie generalisierte ß-Entladungen. Diagnose eines Lennox-Gastaut-
Syndroms und Beginn einer add-on Therapie mit RUF. 6 Monate später Implantation eines VNS.<br />
Hierunter deutliche Reduktion der Anfälle auf 5-15/Tag. Zur weiterführenden Abklärung der Ätiologie<br />
wurde eine kraniale MRT durchgeführt, die eine Arnold-Chiari-Malformation Typ I erbrachte. Die<br />
genetische Abklärung zeigte eine Inversionduplikation 15.<br />
Diskussion: Etwa 50 % aller Patienten mit inv dup (15), die in der Literatur beschrieben wurden,<br />
entwickelten eine <strong>Epilepsie</strong> mit Beginn zwischen dem 6. Lm und 9. Lj. Meist handelt es sich um einen<br />
farmakorefraktären Verlauf. <strong>Epilepsie</strong>typ und EEG-Veränderungen sind heterogen und können zum<br />
aktuellen Zeitpunkt keinem eigenständigen Phänotyp zugeordnet werden. Eine Chromosomenanalyse<br />
gehört zur Basisdiagnostik aller Patienten mit mentaler Retardierung und <strong>Epilepsie</strong>, auch wenn<br />
dysmorphe Stigmata fehlen.<br />
P025<br />
Externe Befundung von EEG-Untersuchungen über eine gesicherte VPN-Leitung<br />
Robl H. 1 , Wintergerst U. 1 , Heinen F. 2 , Borggraefe I. 2<br />
1 KH St.Josef, Braunau am Inn, Kinder- und Jugendheilkunde, Braunau am Inn, Austria, 2 Dr. von<br />
Haunersches Kinderspital, Klinikum der Universität München, Abteilung für Pädiatrische Neurologie,<br />
Entwicklungsneurologie und Sozialpädiatrie, München, Germany<br />
Hintergrund: Im vorliegenden Projekt sollte eine Auswertung von Routine-EEG Untersuchung bei<br />
Kindern an einem Krankenhaus der Versorgungsstufe II ohne Arzt mit EEG-Zertifikat durch das<br />
<strong>Epilepsie</strong>zentrum der LMU durchgeführt werden. Im Juni 2009 wurde im KH St. Josef in Braunau<br />
(Österreich) ein EEG-Labor eingerichtet. Zur Durchführung der Untersuchungen wurden zwei<br />
Krankenschwestern mittels Kurse und Hospitationen im Ableiten von EEG-Untersuchungen<br />
fortgebildet.<br />
Methoden: Die Ableitungen wurden mit kindgerechten Hauben und einem Nihon Kohden EEG 1200<br />
21-Kanal-Gerät durchgeführt. Alle Ableitungen wurden im 10-20 System digital mit simultaner<br />
Videoaufzeichnung durchgeführt. Die Daten wurden im DMS (Data Management System) Programm<br />
erfasst. Der externe Befunder konnte über einen gesicherten CITRIX Client via Internet auf den<br />
Krankenhaus-Server (auf dem die EEGs gespeichert wurden) zugreifen. Für den Zugriff waren<br />
Benutzername, Kennwort und eine 8 stellige PIN-Nummer, die über einen Token angezeigt wurde,<br />
notwendig. Der Befund wurde in einer ebenfalls auf dem Server liegenden Vorlage elektronisch erstellt<br />
und in der Datenbank dem Patienten zugeodnet.<br />
Ergebnisse: Im Zeitraum von 06/2009 bis 12/2010 wurden im KH Braunau 110 EEG-Ableitungen bei<br />
83 Kindern durchgeführt. 21 Kinder wurden aufgrund pathologischer Befunde an ein<br />
neuropädiatrisches Zentrum überwiesen. Bei den pathologischen Veränderungen handelte es sich am<br />
häufigsten um epilepsietypische Potenziale.<br />
Zusammenfassung: Zusammenfassend ist eine externe Befundung von EEG-Kurven bei Kindern<br />
möglich. Vielen Patienten bleibt somit bei einem Normalbefund die Vorstellung in einem Zentrum<br />
erspart und letztere werden von der Basisdiagnostik entlastet. Das o. g. Befundungssystem ist zudem<br />
datenschutzrechtlich unbedenklich, da keine Patientendaten übertragen werden.<br />
<strong>Postersession</strong> 2: Motorik I<br />
P026<br />
AWMF-Leitlinie Umschriebene Entwicklungsstörung motorischer Funktionen: Definition und<br />
Diagnostik<br />
Becker H. 1 , Blank R. 2 , Jenni O. 3 , Linder-Lucht M. 4 , Polatajko H. 5 , Geuze R. 6 , Steiner F. 7 , Schoemaker<br />
M. 8 , Smits-Engelsman B. 9 , Wilson P. 10<br />
1 Zürcher Hochschule f. angewandte Wissenschaften, Winterthur, Switzerland, 2 Universität Heidelberg,<br />
Kinderzentrum Maulbronn, Maulbronn, Germany, 3 Kinderspital Zürich, Abtlg. Entwicklungspädiatrie,<br />
Zürich, Switzerland, 4 Universitätskinderklinik Freiburg, Neuropädiatrie u. Neuromuskuläre<br />
Erkrankungen, Freiburg, Germany, 5 University of Toronto, Department of Occupational Science
Therapy und Graduate Department of Rehabilitation Science, Toronto, Canada, 6 University of<br />
Groningen, Department of Neuropsychology, Groningen, Netherlands, 7 Ostschweizer Kinderspital, St.<br />
Gallen, Switzerland, 8 University of Groningen, Center for Human Movement Sciences, University<br />
Medical Center, Groningen, Netherlands, 9 University of Leuven, Avansplus University, Motor Control<br />
Lab. Faculty of Kinesiology and Rehabilitation Sciences, Leuven, Belgium, 10 RMIT University, Division<br />
of Psychology, School of Health Sciences, Melbourne, Australia<br />
Fragestellung: Erstellung eine AWMF-Leitlinie hoher Qualität im Auftrag der Ges. für Neuropädiatrie<br />
im Bereich Umschriebene Entwicklungsstörung motorischer Funktionen (UEMF)<br />
Methodik: unter der Supervision der AWMF wurde von 2007 bis 2010 eine deutsch-schweizerische<br />
Leitlinie zur UEMF entwickelt, bei der neben allen relevanten Berufsgruppen, Patientenvertreter auch<br />
internationale Experten als Beratungsgremium beteiligt wurden. Die Leitlinienempfehlungen wurden<br />
auch auf europäischer Ebene konsentiert (Brüssel 2010). Eine systematische Literaturrecherche<br />
(1995 - 2010) wurde zu 3 Schlüsselfragen durchgeführt und nach GRADE- bzw. OXFORD-Kriterien<br />
bewertet sowie Schlüsselempfehlungen, Statements und Forschungsempfehlungen im nominativen<br />
Gruppenprozess generiert.<br />
Ergebnisse: Für den Bereich Definition und Diagnose der UEMF werden insgesamt 17<br />
Schlüsselempfehlungen, 2 Statements sowie mehrere Fragestellungen zur weiteren Forschung<br />
werden vorgestellt.<br />
Die Vorstellung der Leitlinienempfehlungen ist Teil des Implementationsprozesses.<br />
P027<br />
AWMF-Leitlinie Umschriebene Entwicklungsstörung motorischer Funktionen:<br />
Therapieindikation und Therapie<br />
Becker H. 1 , Blank R. 2 , Jenni O. 3 , Linder-Lucht M. 4 , Polatajko H. 5 , Steiner F. 6 , Schoemaker M. 7 , Smits-<br />
Engelsman B. 8 , Wilson P. 9<br />
1 Zürcher Hochschule f. angewandte Wissenschaften, Winterthur, Switzerland, 2 Universität Heidelberg,<br />
Kinderzentrum Maulbronn, Maulbronn, Germany, 3 Kinderspital Zürich, Abtlg. Entwicklungspädiatrie,<br />
Zürich, Switzerland, 4 Universitätskinderklinik Freiburg, Neuropädiatrie u. Neuromuskuläre<br />
Erkrankungen, Freiburg, Germany, 5 University of Toronto, Department of Occupational Science<br />
Therapy und Graduate Department of Rehabilitation Science, Toronto, Canada, 6 Ostschweizer<br />
Kinderspital, St. Gallen, Switzerland, 7 University of Groningen, Center for Human Movement Sciences,<br />
University Medical Center, Groningen, Netherlands, 8 Research Center for Movement Control and<br />
Neuroplasticity, Dep. of Biomedical Kinesiology, Leuven, Belgium, 9 RMIT University, Division of<br />
Psychology, School of Health Sciences, Melbourne, Australia<br />
Fragestellung: Erstellung eine AWMF-Leitlinie hoher Qualität im Auftrag der Ges. für Neuropädiatrie<br />
im Bereich Umschriebene Entwicklungsstörung motorischer Funktionen (UEMF)<br />
Methodik: unter der Supervision der AWMF wurde von 2007 bis 2010 eine deutsch-schweizerische<br />
Leitlinie zur UEMF entwickelt, bei der neben allen relevanten Berufsgruppen, Patientenvertreter auch<br />
internationale Experten als Beratungsgremium beteiligt wurden. Die Leitlinienempfehlungen wurden<br />
auch auf europäischer Ebene konsentiert (Brüssel 2010). Eine systematische Literaturrecherche<br />
(1995 - 2010) wurde zu 3 Schlüsselfragen durchgeführt und nach GRADE- bzw. OXFORD-Kriterien<br />
bewertet sowie Schlüsselempfehlungen, Statements und Forschungsempfehlungen im nominativen<br />
Gruppenprozess generiert.<br />
Ergebnisse: Für den Bereich Therapieindikation und Therapie der UEMF werden insgesamt 15<br />
Schlüsselempfehlungen, 7 Statements sowie mehrere Fragestellungen zur weiteren Forschung<br />
vorgestellt.<br />
Die Vorstellung der Leitlinienempfehlungen ist Teil des Implementationsprozesses.
P028<br />
Canadian Occupational Performance Measure (COPM): Klienten zentrierte Anamnese mit Eltern<br />
und Kindern mit Bewegungsstörungen<br />
Weber-Sannwald A., Poths S., Philippi H.<br />
Sozialpaediatrisches Zentrum Frankfurt Mitte, <strong>Epilepsie</strong>ambulanz, Frankfurt am Main, Germany<br />
Therapieziele bei der Behandlung von Kindern mit Bewegungsstörungen beziehen sich im Alltag<br />
überwiegend auf die Verbesserung von Körperfunktionen. Nicht selten wird den Kindern und ihren<br />
Eltern ein intensives Übungsprogramm abverlangt. Die Alltagsrelevanz der Therapie wird selten<br />
überprüft. Wir berichten über unsere Erfahrungen mit einem standardisierten und klientenzentrierten<br />
Interview, dem Canadian Occupational Performance Measure (COPM), zur Formulierung von<br />
Therapiezielen auf Partizipationsebene.<br />
Methoden: Bei 2 Patienten (m/w) im Alter von 10 und 12 Jahren mit spastischer bilateraler bzw.<br />
unilateraler Cerebralparese GMFCS-Level 3 bzw. 1 und 6 Müttern von Kindern im Alter von 2 bis 12<br />
Jahren mit den Diagnosen spastische Cerebralparese oder motorische Entwicklungsstörung wurde die<br />
COPM durchgeführt. Mit der COPM ist eine betätigungsorientierte Befunderhebung aus der Sicht des<br />
Klienten möglich. Es werden Probleme, Belange oder Anliegen in der Betätigungsperformanz erfasst<br />
in den Bereichen der Selbstversorgung (eigene körperliche Versorgung, Mobilität), Produktivität<br />
(Lernen, Spiel, Kindergarten, Schule) und Freizeit. Durch differenziertes Erfragen werden alle<br />
Tätigkeiten, die der Klient tun möchte, die er tun muss oder die von ihm erwartet werden, benannt und<br />
subjektiv bewertet. Die Anliegen werden im Hinblick auf die Ausführung und die Zufriedenheit damit,<br />
quantitativ eingestuft und nach Wichtigkeit priorisiert. Damit kann ein Therapieerfolg im Nachhinein<br />
gemessen werden. Die bisherigen Therapieziele unserer Patienten auf Körperfunktionsebene lauteten<br />
Tonusregulation, Verbesserung der fein- und grobmotorischen Koordination sowie<br />
Gelenkbeweglichkeit.<br />
Ergebnisse: Mit der Anwendung der COPM 1) fällt es Eltern und Kinder leicht, Ihre Ziele auf<br />
Partizipationsebene zu formulieren, sie fühlen sich darin kompetent und beteiligt. Auf<br />
Körperfunktionsebene hingegen fällt die Zielformulierung schwer, sie fühlen sich inkompetent und<br />
unbeteiligt 2) gelingt es, die Ziele von Therapeuten und Eltern/Kindern in Übereinstimmung zu bringen<br />
und den Zusammenhang zwischen einem Partizipationsgewinn im Alltag und Therapie sichtbar zu<br />
machen 3) sind Eltern und Kinder höher motiviert die Therapie durchzuführen 4) erlebt sich das Kind<br />
als eine Person mit Kompetenzen und Schwächen, der Defizit- und Diagnoseaspekt rückt in den<br />
Hintergrund 5) wurden die Therapieziele konkretisiert, quantifiziert und mit spezifischen Maßnahmen<br />
auf unterschiedlichen ICF-Ebenen (Funktion, Partizipation, Umweltfaktoren) verbunden. Therapieziele<br />
nach COPM lauteten u.a. Löffel eigenständig zum Mund führen können, sich selbst abputzen können<br />
nach Toilettengang, eigenständig Jacke anziehen können.<br />
Schlussfolgerung: Unsere Erfahrungen mit einer kleinen Patientengruppe mit Bewegungsstörungen<br />
zeigen, dass die COPM ein hilfreiches Instrument für eine alltagsrelevante Therapiezielformulierung<br />
im Sinne von Partizipation darstellt. Die Beteiligung der Kinder und Eltern an der Identifikation von<br />
hinderlichen und förderlichen Faktoren bewirkt eine hohe Motivation bei der Therapieumsetzung.<br />
P029<br />
Spezifische Bewegungsmuster in drei Ebenen bei Kindern & Jugendlichen mit bilateraler<br />
spastischer Cerebralparese (CP): Erste Ergebnisse einer Querschnittserhebung<br />
Sprinz A. 1 , Hütsch C. 1 , Nagel A. 2<br />
1 Haus Walstedde, Gesundheitszentrum für Kinder, Jugendliche u. junge Erwachsene, Drensteinfurt-<br />
Walstedde, Germany, 2 Ganglabor Walstedde, Zentrum für Bewegungsanalyse und -therapie,<br />
Drensteinfurt-Walstedde, Germany<br />
Einleitung: Erste Klass. von Gangstörungen bei Kindern mit spast. Hemiparese wurden 1987<br />
veröffentlicht [1]. Diese u. spät. Arbeiten beziehen sich meist auf Bewegungsmuster der sagittalen<br />
Ebene [2]. Wichtig ist die Kenntnis der dreidimens. Bewegung zur Begutachtung der Bewegungsstör.<br />
bei Pat. mit CP [3]. Kinemat. 3D-Bewegungsanalyse gibt wertvolle Informat. dazu [4]. Ziel dieser<br />
Studie ist die Identifikation von spezif. Bewegungsmustern von Pat. mit bilat. spast. CP in 3 Ebenen.
Methoden: 22 Kinder mit bilat. spast. CP (GMFCS Level 1-2) ohne Vor-OP und ggf. vor medikament.<br />
Spastikbehandl. (z.B. BoNT). Zur Evaluation der Bew.-Muster wird eine 3D-Bewegungsanalyse<br />
eingesetzt (VICON, Oxford Metrics, UK). Winkelmaximum, -minimum u. Bewegungsumfang werden<br />
analysiert. Analytische Statistik: Spearman Rho als Korr.-Koeffizient (BiAS online, Epsilon, D).<br />
Ergebnisse: Es besteht u.a. eine signifik. pos. Korrelation zw. der max. Antevers. des Beckens und a)<br />
der max. Flex. der Hüfte (r=0.8/0.9) sowie b) der Retrovers. d. Rumpfes (r=-0.59/-0.63). Die Bew-<br />
.Umfänge von Knie u. Hüfte (Flex.-Ext.; r=0.81/0.65) u. Knöchel- und Knierotation (r=0.43/0.48) sind<br />
pos. korreliert. Die Maxima von Inv. und Innenrotat. d. Fußes (r=0.79/0.86) sowie von Becken u.<br />
Rumpf (Seitkippung ; r=0.56/0.75) sind korreliert.<br />
Schlussfolgerungen: Die Ergeb. bestätigen bek. sagit. Bewegungsmuster, z.B. die positive Korrel.<br />
zw. Anteversion d. Becken und Hüftflexion [2]. Unsere Ergeb. deuten an, dass es spez. path.<br />
Bewegungsmuster über die sagittale Ebene hinaus gibt. Becken u. Rumpf spielen bei den Bew.-<br />
Mustern dieser Pat. offensichtlich eine zentr. Rolle, v.a. die Seitkippung d. Beckens u. d. Exkursion d.<br />
Rumpfes haben entscheidenden Einfluss auf die Path. d. Gangbildes. Diese Erkenntnis muss in die<br />
Beh. von Gangstörungen bei Pat. mit CP einfließen. V.a. die Betracht. von Mustern in mind. 2<br />
Bewegungsebenen kann das Verständnis um die Wirkung von Therapiemaßnahmen steigern.<br />
Referenzen:<br />
[1] Winters et al, 1987<br />
[2] Berweck&Heinen, 2006<br />
[3] Dobson et al, 2007<br />
[4] Döderlein&Wolf, 2004<br />
P030<br />
Ist die Gross Motor Function Measure (GMFM 66) eine sensitive Methode um den<br />
Therapieeffekt durch robotergestütztes Laufbandtraining abzubilden? Eine kontrollierte Studie<br />
zum Therapieeffekt des Lokomats ® .<br />
Schröder S.A. 1 , Homburg M.C. 2 , Schäfer J.S. 2 , Warken B. 2 , Huß K. 2 , Heinen F. 2 , Borggräfe I. 2<br />
1 Dr. von Haunersches Kinderspital, Neuropädiatrie, München, Germany, 2 Dr. von Haunersches<br />
Kinderspital, Ludwig-Maximilians-Universität München, Pädiatrische Neurologie,<br />
Entwicklungsneurologie und Sozialpädiatrie, München, Germany<br />
Fragestellung: Das Roboter-gestützte Laufbandtraining mit Hilfe des Lokomat ® findet als<br />
intensiviertes funktionelles Therapietraining bei Kindern mit Cerebralparese zunehmend Anwendung.<br />
Als Evaluationstool hat sich die Gross Motor Function Measure (GMFM) in der Version mit 66<br />
Aufgaben etabliert. Kontrollierte Daten zur Wirksamkeit der Lokomattherapie fehlen jedoch. Ziel dieser<br />
Arbeit war es die Empfindlichkeit verschiedener funktioneller Tests gegenüber einer Veränderung<br />
durch eine Lokomattherapie zu untersuchen.<br />
Methodik: Dreimalige Evaluation der Patienten mit der GMFM 66 (inkl. Einzelanalysen der<br />
Dimensionen D = Stehen und E = Gehen, Rennen, Springen), dem 6 Minuten Gehtest und dem 10 m<br />
Gehtest: drei Wochen vor - , direkt vor - sowie sofort im Anschluss an einen Therapieblock über 12<br />
Trainings im Lokomat ® innerhalb von drei Wochen. Untersucht wurden Kinder mit bilateral spastischer<br />
Cerebralparese (BSCP). Die statistische Auswertung wurde mittels Vorzeichenrangtest nach Wilcoxon<br />
für verbundene Stichproben durchgeführt.<br />
Ergebnis: 15 Patienten (11 männlich) mit BSCP wurden von 6/2009 - 9/2010 jeweils 3x evaluiert.<br />
GMFCS Verteilung: Level I: n=4; II: n=3; III: n=7; IV: n=1; Alter 11,9 Jahre (MW; SD=5,1, range=5,6 -<br />
21,8 J), Gewicht 37 kg (MW; SD=18, range=15-60 kg).<br />
Alle Tests zeigten keine signifikanten Änderungen zwischen den beiden Voruntersuchungen. Im<br />
Vergleich mit beiden Voruntersuchungen zeigte die Nachuntersuchung für die GMFM 66 und die<br />
Dimensionen D und E eine signifikante Verbesserung. Die übrigen Tests ergaben keine signifikante<br />
Veränderung innerhalb der drei Untersuchungszeitpunkte. In der Untergruppe der erstmals<br />
therapierten Patienten (n=5) zeigte sich ebenfalls eine signifikante Verbesserung in der GMFM und<br />
nicht in den anderen Tests.<br />
Schlussfolgerung: Die GMFM 66 ist ein sensitives Evaluationsinstrument um spezifisch die<br />
motorische Verbesserung bei Kindern mit bilateral spastischer CP im Rahmen einer Roboter-gestützte<br />
Lokomotionstherapie abzubilden.
P031<br />
Führt ein zweites Roboter-gestütztes intensiviertes Laufbandtraining (Lokomat®) zu einer<br />
weiteren funktionellen Verbesserung bei Kindern mit bilateral spastischer Cerebralparese?<br />
Homburg M.C., Schröder S.A., Schäfer J.S., Warken B., Huß K., Heinen F., Borggräfe I.<br />
Dr. von Haunersches Kinderspital, Ludwig-Maximilians-Universität München, Pädiatrische Neurologie,<br />
Entwicklungsneurologie und Sozialpädiatrie, München, Germany<br />
Fragestellung: Das Roboter-gestützte Laufbandtraining mit Hilfe des Lokomat® wird immer mehr bei<br />
Kindern mit Cerebralparese eingesetzt um die körpermotorischen Fähigkeiten zu verbessern. Ziel<br />
dieser Arbeit ist es Veränderungen bei Kindern mit bilateral spastischer Cerebralparese (BSCP)<br />
innerhalb von zwei Trainingsblocks bezüglich ihrer motorischen Fähigkeiten mit Hilfe der Gross Motor<br />
Function Measure (GMFM) zu objektivieren.<br />
Methodik: Evaluation der Patienten mit BSCP vor und nach jedem Therapieblocke mit der GMFM<br />
66% (inkl. Einzelanalysen D% und E%) über zwei intensivierte Therapieblöcke mit jeweils 12 Trainings<br />
innerhalb von drei Wochen. Die statistische Auswertung erfolgte mittels Vorzeichenrangtest nach<br />
Wilcoxon für verbundene Stichproben.<br />
Ergebnis: 16 Patienten (11 männlich) mit BSCP wurden im Zeitraum 05/2006 bis 12/2009 zweimal im<br />
Lokomat® trainiert und evaluiert: Abstand zwischen Postevaluation des ersten Blockes und<br />
Präevaluation des zweiten Blocks: 36 Wochen (MW; SD=23; range: 11,4-87,7 Wochen). Alter: 8,1<br />
Jahre (MW; SD=15,8, range: 4,3-19,2 Jahre); GMFCS-Verteilung: Level I: n=2, Level II: n=4, Level III:<br />
n=6, Level IV: n=4; Gewicht: 25 kg (MW; SD=16, range: 15-70 kg). In der GMFM 66%, D% und E%<br />
zeigte sich eine signifikante Veränderung im ersten Therapieblock zwischen Prä- und Postevaluation.<br />
Im zweiten Therapieblock zeigte sich diese ebenfalls in der GMFM 66%. In der Dimension D% und<br />
E% erfolgte eine Verbesserung, jedoch ohne ein Signifikanzniveau zu erreichen. In der Zeit zwischen<br />
der Postevaluation des ersten Blocks und der Präevaluation des zweiten Blocks zeigte sich eine<br />
Reduktion der funktionellen Prozentwerte, der Anfangswert vor dem ersten Therapieblock wurde<br />
jedoch nicht erreicht.<br />
Schlussfolgerung: Die serielle intensivierte Laufbandtherapie mit dem Lokomat® scheint einen<br />
additiven Effekt für die funktionellen Fähigkeiten von Kindern mit bilateral spastischer Cerebralparese<br />
zu haben, eine größere Kohorte erscheint erforderlich um auch in den Untergruppen das<br />
Signifikanzniveau zu erreichen.<br />
P032<br />
Robotergestütztes Gangtraining verbessert das Gangbild und die funktionelle Mobilität bei<br />
Patienten mit Cerebralparese - Erste Ergebnisse einer offenen Längsschnittstudie<br />
Nagel A. 1 , Hütsch C. 2 , Hessel A. 2 , Sprinz A. 2<br />
1 Ganglabor Walstedde, Zentrum für Bewegungsanalyse und -therapie, Drensteinfurt-Walstedde,<br />
Germany, 2 Haus Walstedde, Gesundheitszentrum für Kinder, Jugendliche u. junge Erwachsene,<br />
Drensteinfurt-Walstedde, Germany<br />
Einleitung: Zur Verbesserung des Gangbildes bei Patienten mit Cerebralparese (CP) wird in den<br />
letzten Jahren verstärkt robotergestütztes Gangtraining im Lokomat® [1,2] eingesetzt. Ziel der Studie<br />
war die Längsschnittuntersuchung der Wirkung des robotergestützten Gangtrainings auf das Gangbild<br />
und die funktionelle Mobilität von Patienten mit CP.<br />
Methoden: Bisher sind 10 Kinder mit bilat. Spast. CP eingeschlossen ( GMFCS-Level 1-4). Zur<br />
Evaluation der Gangstörungen wurde eine dreidimensionale Ganganalyse durchgeführt (VICON,<br />
Oxford Metrics, UK). Funktionelle Parameter: Gross Motor Function Measure (GMFM); Tardieu- und<br />
Asworth-Skala; 10-Meter- u. 6-Min-Gehtest; passiver Bew.-Umfang (pROM). Analyt. Statistik der<br />
Daten: Wilcoxon matched-pairs Test.
Ergebnisse: Diese Ergebnisse müssen durch größere Patientenzahlen bestätigt werden. Es zeigte<br />
sich eine im Mittel um 3° verbesserte Hüftstreckung, die Spastik war verringert (mittl. Abnahme in der<br />
Ashworth-Skala; Hüfte (Adduktion): 0,21, Knie: 0,55; OSG: 0,32), bislang ohne stat. Signifikanz. Der<br />
Poplitealwinkel war im Mittel um ca. 40° bzw. 28° vergrößert (langsame/schnelle Bewegung; stat.<br />
signifikant). Im Tardieu-Manöver zeigte das OSG eine signifik. verbesserte Beweglichkeit um bis zu<br />
9°. GMFM: im Mittel eine Verbesserung im „Sitzen“ um 5% und im „Gehen, Rennen, Springen“ um<br />
1,4%. Gangparameter: Verbesserung der Gang-Symmetrie auf (bislang ohne stat. Signifikanz): Die<br />
Abweichung zwischen der Standphasendauer links/rechts verringerte sich im Mittel um 5%, die<br />
Aufteilung zwischen Stand- und Schwungphase im Gangzyklus glich sich an.<br />
Schlussfolgerungen: Die festgestellten Veränderungen weisen auf einen positiven Einfluss des<br />
robotergestützten Gangtrainings im Lokomat® hinsichtlich der Gangparameter als auch der<br />
funktionellen Mobilität hin [3]. Die vorläufigen Ergebnisse müssen durch eine größere Kohorte<br />
bestätigt werden. Dann können sie u.a. zu einer Spezifizierung der Erwartungshaltung an diese<br />
Therapie beitragen.<br />
Referenzen:<br />
[1] Meyer-Heim et al, 2007<br />
[2] Borggräfe et al, 2008<br />
[3] Meyer-Heim et al, 2009<br />
P033<br />
Botulinumtoxin A Multileveltherapie bei Kindern mit cerebralen Bewegungsstörungen<br />
Richwien R., Backes H., Aslami B., Wilken B.<br />
Klinikum Kassel, Neuropädiatrie mit SPZ, Kassel, Germany<br />
Einleitung: Botulinumtoxin A (BtxA) wird erfolgreich zur lokalen Behandlung von<br />
Bewegungsstörungen mit Spastik und Dystonie eingesetzt. Der Einfluss dieser Behandlungsstrategie<br />
und das Alter bei Behandlungsbeginn wurden untersucht.<br />
Methodik: Multileveltherapie wird definiert als BtxA Behandlung, bei der mindestens zwei<br />
Muskelgruppen, die zu unterschiedlichen Bewegungen über zwei Gelenke führen, injiziert werden.<br />
196 Kinder mit zerebralen Bewegungsstörungen, die eine BtxA Therapie erhielten, wurden<br />
retrospektiv analysiert. Die Kinder erhielten entweder eine lokale Therapie oder eine<br />
Multileveltherapie. Die Bewertung des Therapieerfolges erfolgte anhand von besprochenen<br />
Therapiezielen. Evaluiert wurde die Bewertungen der Eltern und Physiotherapeuten, mittels eines<br />
standardisierten Fragebogens.<br />
Ergebnisse: Von 196 Kindern erhielten 84 eine BtxA Multileveltherapie, bei 112 Patienten wurde eine<br />
lokale Behandlung durchgeführt. In der Gruppe der Multilevel-Patienten wurde bei 77,4% der Kinder<br />
das besprochene Therapieziel erreicht. Im Gesamtkollektiv war die Therapie bei 68,9% der Kinder<br />
erfolgreich. Lebensqualität und Zielerreichung, gemessen an der Bewertung der Eltern und der<br />
Physiotherapeuten ergab für die Multilevelgruppe bei 80,9% einen Therapieerfolg. Im Gesamtkollektiv<br />
werteten 75,7% der Eltern die Therapie als erfolgreich. Weder im Gesamtkollektiv, noch in der Gruppe<br />
der Multilevel-Therapie war ein signifikanter Unterschied im Therapieerfolg bezüglich des Alters der<br />
Kinder bei Beginn der Therapie festzustellen.<br />
Schlussfolgerung: Die Therapie mit BtxA bei zerebralen spastischen Bewegungsstörungen ist<br />
insgesamt erfolgreich. Die Multileveltherapie zeigte bessere Ergebnisse in der Erreichung der<br />
definierten Therapieziele. Um langfristig gute Behandlungsergebnisse zu erzielen, sollte die gesamt<br />
Statik des Kindes berücksichtigt werden. Überraschend war, dass das Alter der Kinder zu Beginn der<br />
BtxA Therapie den Therapieerfolg nicht beeinflusst. Auch bei älteren Patienten ist damit ein<br />
Therapieversuch mit Botulinumtoxin sinnvoll.<br />
P034
Unizentrische Kohortenstudie zu den Abbruchkriterien nach erster Behandlung mit<br />
Botulinumtoxin im Rahmen eines multi-modalen Therapiekonzeptes bei Kindern mit bilateral<br />
spastischer Cerebralparese<br />
Hinterstoißer K. 1 , Schröder A.S. 1 , Jansen C. 1 , Huß K. 1 , Borggraefe I. 1 , Heinen F. 1 , Berweck S. 2<br />
1 Dr. von Haunersches Kinderspital, Ludwig-Maximilians-Universität München, Pädiatrische<br />
Neurologie, Entwicklungsneurologie und Sozialpädiatrie, München, Germany, 2 Schön Klinik<br />
Vogtareuth, Neuropädiatrie und Neurologische Rehabilitation, <strong>Epilepsie</strong>zentrum für Kinder und<br />
Jugendliche, Tagesklinik für Neuropädiatrie, Vogtareuth, Germany<br />
Fragestellung: Die multi-level Behandlung mit Botulinumtoxin A (BoNT/A, Botox ® ) bei Kindern mit<br />
Cerebralparese (CP) hat sich als wesentlicher Bestandteil eines integrativen Therapiekonzeptes<br />
etabliert. Ziel dieser Studie war es, die Gründe einer Fortführung der Behandlung mit BoNT/A über<br />
eine einmalige Behandlung hinaus zu diskriminieren.<br />
Methodik: Prospektive Datenerfassung am Dr. von Haunerschen Kinderklinik der LMU München von<br />
Januar 2004 - Dezember 2009. Ausgewertet wurden patientenbezogene Daten (Geschlecht, Alter,<br />
Gewicht, GMFCS) und Gründe für eine Beendigung der Behandlung. Es erfolgte eine getrennte<br />
Auswertung: Gruppe A = einmalige Behandlung versus Gruppe B = mehr als eine Behandlung mit<br />
BoNT/A.<br />
Ergebnis: Analysiert wurden 103 Patienten mit bilateraler spastischer CP. Gruppe A (n = 26), Alter:<br />
6,8 Jahre (median; min-max: 2,0-23,8), Gewicht: 21 kg, häufigster GMFCS Level: 3 (median; MW 3,3,<br />
Stabw. 1,33, Range 1-5), vorhergehende Operationen: 7,6%. Häufigster Grund einer ausbleibenden<br />
Reinjektion war die Indikationsstellung zur Operation (35% der Fälle) und ein fehlendes Erreichen des<br />
Therapiezieles (11%). Gruppe B (n = 77), Alter: 3,6 Jahre (median; min-max: 1,4-22,0), Gewicht: 18<br />
kg, häufigster GMFCS Level: 3 (median; MW 2.7, Stabw. 1,25, Range 1-5), vorhergehende<br />
Operationen: 9,1%. Eine OP-Indikation war in 23% der Fälle der Ausscheidungsgrund.<br />
Kein Unterschied zeigte sich in der Verteilung des Geschlechts zwischen den Gruppen: m: 62%<br />
versus 65% (Gruppe A v. Gruppe B).<br />
Schlussfolgerung: Die Ergebnisse zeigen ein vergleichbares Nichtansprechen (25%) wie bereits<br />
publizierte Daten (Linder-Lucht et al. 2006), fokussieren aber auf patientenbezogene Parameter: ein<br />
höheres Alter, Gewicht und GMFCS Level führen zu einem schlechteren therapeutischen Ansprechen<br />
bei der ersten Behandlung mit BoNT/A. Dies sollte in den frühen Jahren der motorischen Entwicklung<br />
bei Kindern mit CP zur Planung der Injektion von BoNT/A im Rahmen des langfristig angelegten<br />
Therapiekonzeptes berücksichtigt werden.<br />
P035<br />
Therapie für Kinder und Jugendliche mit Hemiparese - eine Standortbestimmung<br />
Hessenauer M. 1 , Schäfer J. 2 , Adler C. 1 , Laage-Gaupp A. 2 , Michaelis U. 3 , Breuer U. 2 , Schröder A.S. 2 ,<br />
Raabe C. 4 , Ney S. 4 , Lippert M. 2 , Staudt M. 1 , Mall V. 3 , Berweck S. 1<br />
1 Schön Klinik Vogtareuth, Klinik für Neuropädiatrie und neurologische Rehabilitation, Vogtareuth,<br />
Germany, 2 Dr. von Haunersches Kinderspital, Ludwig-Maximilians-Universität München, Klinik für<br />
Neuropädiatrie und Sozialpädiatrie, München, Germany, 3 Zentrum für Kinder-und Jugendmedizin,<br />
Klinik II: Neuropädiatrie und Muskelerkrankungen, Freiburg, Germany, 4 Klinik für Kinderheilkunde und<br />
Jugendmedizin, Universität Tübingen, Tübingen, Germany<br />
Fragestellung: CIMT hat sich in den letzten Jahren als „Goldstandard“ bei Hemiparese etabliert.<br />
Gegenläufig hierzu hat sich das Therapiespektrum in 4 Behandlungszentren diversifiziert.<br />
Methodik: Quantitative und qualitative Analyse von n=5 Therapiecamps mit n=50 Kindern und<br />
Jugendlichen mit congenitaler Hemiparese. Eingesetzte Therapieverfahren: Tragen eines<br />
Therapiehandschuhs an der dominanten Hand 2 - 10 Stunden/ Tag, Shaping 1 - 2 Stunden/ Tag,<br />
bimanuell funktionelle Therapie, bimanuell alltagsrelevante Therapie, Gruppentherapie, Erarbeiten von<br />
Strategien, Redression, Botulinumtoxin, Krafttraining, Orthetik<br />
Ergebnisse:<br />
1. Die Art der corticospinalen Reorganisation beeinflusst das Therapiekonzept
2. Die Analyse der Betätigung bestimmt die Auswahl und Gewichtung der verschiedenen<br />
Therapieverfahren<br />
3. Das Gruppenerlebnis ist ein relevanter Faktor für den Therapieerfolg<br />
4. Die induzierten Veränderungen sind alltagsrelevant<br />
5. Die Therapiemethode muss je nach Verlauf adaptiert werden<br />
6. Veränderungssensitiv sind Goal Attainment Scaling, Canadian occupational performance<br />
measure, Assisting Hand Assessment, Jebson Taylor Test, Gelenkwinkelmessung (aktiv,<br />
passiv).<br />
Schlussfolgerung: CIMT ist eine effektive Thrapieoption, birgt aber bei Definition als "Gold-Standard"<br />
das Risiko einer Verschmälerung des Spektrums individuell zu wählender Therapieansätze.<br />
P036<br />
Standardisierte und validierte Evaluation motorischer Fähigkeiten bei Kindern mit<br />
Cerebralparese: Die Etablierung der Gross Motor Function Measure im deutschsprachigem<br />
Raum<br />
Michaelis U. 1 , Stein S. 1 , Heinen F. 2 , Mall V. 1<br />
1 Zentrum für Kinder- und Jugendmedizin, Physiotherapie, Freiburg, Germany, 2 Klinikum Innenstadt,<br />
Kinderklinik, München, Germany<br />
Neue Therapiestrategien und sozioökonomische Zwänge führen zu einem erhöhten<br />
Evaluationsbedarf motorischer Funktionen und Fähigkeiten bei Kindern mit Cerebralparese.<br />
Die Gross Motor Function Measure (GMFM, Russell et al. 1989) ist hierfür standardisiert und validiert<br />
und hat sich als Therapieevaluationsinstrument in Klinik und Forschung international etabliert. Im<br />
deutschsprachigen Raum wurden erste (noch englischsprachige) Kurse 1998 durchgeführt. Die<br />
validierte und autorisierte Übersetzung der GMFM und der GMFM 66, die Ausbildung<br />
deutschsprachiger Ausbilderinnen, die Erstellung von Kursvideos und eines "Video-Tests" zur<br />
Erfolgskontrolle waren die Grundlage für die Durchführung von<br />
deutschsprachigen Kursen. Seit 2000 wurden 31 solche Kurse mit 635 Teilnehmer/-innen<br />
(Physiotherapeuten, Ergotherapeuten/ und Ärzten) aus der Schweiz, Österreich und Deutschland<br />
durchgeführt. Die GMFM fand Anwendung in Studien zur Behandlung mit Botulinum Toxin A,<br />
Laufbandtraining und Hippotherapie und wurde zwischenzeitlich auf für Kinder mit Schädelhirntrauma<br />
validiert. Neben der wissenschaftlichen Anwendung gilt sie inzwischen als Standard in der klinischen<br />
Evaluation motorischer Funktionen.<br />
Die Gross Motor Function Classification Scale (GMFCS) leitet sich aus der GMFM ab. Sie gilt als<br />
wichtiges Instrument zur Prognoseabschätzung und Therapieplanung.<br />
Zusammenfassend sind die GMFM und die GMFCS die am weitesten verbreiteten und etablierten<br />
Instrumente zur Evaluation und Klassifikation der Cerebralparese.<br />
P037<br />
Einfluss der Hüftluxation auf die Lebensqualität bei Kindern und Jugendlichen mit<br />
Cerebralparese beurteilt durch den CP-CHILD Fragebogen - vorläufige Ergebnisse<br />
Jung N.H. 1 , Brix O. 2 , Beyerlein A. 3 , Pereira B. 1 , Bernius P. 4 , Schroeder S. 2 , Koehler T. 5 , Weir S. 6 , von<br />
Kries R. 3 , Narayanan U. 6 , Berweck S. 7 , Mall V. 8<br />
1 Zentrum für Kinder- und Jugendmedizin, Universitätsklinikum Freiburg, Abteilung für Neuropädiatrie<br />
und Muskelerkrankungen, Freiburg, Germany, 2 Dr. von Haunersches Kinderspital, Ludwig-<br />
Maximilians-Universität München, Klinik für Neuropädiatrie und Sozialpädiatrie, München, Germany,<br />
3 Ludwig-Maximilians-Universität München, Institut für Soziale Pädiatrie und Jugendmedizin, München,<br />
Germany, 4 Schön Klinik Harlaching, Klinik für Kinderorthopädie, München, Germany, 5 Kinderzentrum
Mecklenburg gGmbH, Schwerin, Germany, 6 The Hospital for Sick Children, Division of Orthopedic<br />
Surgery, Toronto, Canada, 7 Schön Klinik Vogtareuth, Klinik für Neuropädiatrie und neurologische<br />
Rehabilitation, Vogtareuth, Germany, 8 Zentrum für Kinder- und Jugendmedizin, Abteilung für<br />
Neuropädiatrie und Muskelerkrankungen, Freiburg, Germany<br />
Einführung: Die Hüftlateralisation bei Kindern mit Cerebralparese hängt von der schwere der<br />
motorischen Beeinträchtigung ab und kann zu einer milden Beeinträchtigung, bis hin zu starken<br />
Schmerzen führen. Über den Zusammenhang zwischen der Lateralisation der Hüfte und die<br />
Lebensqualität bei Kindern mit CP gibt es bislang keine Daten. Das Ziel der Studie war es, die<br />
gesundheitsbezogene Lebensqualität bei Kindern mit CP und den Einfluss der Hüftlateralisation mit<br />
Hilfe eines spezifischen Fragebogens, dem Caregiver Priorities and Child Health Index of Life with<br />
Disabilities (CP-CHILD), zu untersuchen.<br />
Methoden: 35 Patienten (Mittleres Alter: 11,71 ± 5,1; W: n=18) mit bilateraler spastischer CP und<br />
Gross motor function classification system (GMFCS) Level III - V nahmen teil. Es wurden die<br />
betreuenden Personen mit Hilfe des CP-CHILD Fragebogen zur Lebensqualität der Patienten befragt.<br />
Der Migrationsindex nach Reimers wurde als Maß der Hüftlateralisation erhoben. Analog der<br />
„Hüftampel“ (www.cp-netz.de) wurden die Patienten in eine Hochrisikogruppe (MI>40%), eine<br />
Risikogruppe (MI 25% bis ≤40%) und eine Gruppe mit einem geringen Risiko (MI < 25%) eine<br />
Hüftluxation zu entwickeln eingeteilt. Eine zweifaktorielle Varianzanalyse für die Faktoren GMFCS und<br />
MI wurde durchgeführt.<br />
Ergebnisse: 57,1% der Patienten mit GMFCS Level III hatten eine MI >40%, 13,3% mit GMFCS<br />
Level IV und 30,8% mit GMFCS Level V. Es zeigte sich ein signifikanter Einfluss der Faktoren GMFCS<br />
und MI auf den Total Score des CP-CHILD nicht jedoch für die Interaktion (GMFCS: p=0,003 [F:<br />
7,361; 2] und MI: p=0,008 [F: 5,807; 2]; MI*GMFCS: p=0,989).<br />
Schlussfolgerung: Es konnte gezeigt werden, dass, neben dem GMFCS Level, die Lateralisation der<br />
Hüfte einen Einfluss auf die gesundheitsbezogene Lebensqualität hat. Das Ergebnis unterstützt die<br />
Bemühungen einer adäquaten Prävention und Therapie der Hüftluxation bei Kindern mit CP.<br />
P038<br />
Die Anwendung der Hüftampel bei Kindern mit bilateral spastischer Cerebralparese- eine<br />
unizentrische Kohortenanalyse<br />
Jansen C. 1 , Schröder A.S. 1 , Hinterstoißer K. 1 , Huß K. 1 , Heinen F. 1 , Berweck S. 2<br />
1 Dr. von Haunersches Kinderspital, Ludwig-Maximilians-Universität München, Pädiatrische<br />
Neurologie, Entwicklungsneurologie und Sozialpädiatrie, München, Germany, 2 Schön Klinik<br />
Vogtareuth, Neuropädiatrie und Neurologische Rehabilitation, <strong>Epilepsie</strong>zentrum für Kinder und<br />
Jugendliche, Tagesklinik für Neuropädiatrie, Vogtareuth, Germany<br />
Fragestellung: Ein progredientes Hüftkopfüberdachungsdefizit (Migrationsindex nach Reimers; MI) ist<br />
ein klassisches muskuloskelettales Problem bei Kindern mit Cerebralparese. Zur Bestimmung des<br />
Risikos einer Hüftluxation wurde die „Hüftampel“ etabliert (www.cp-netz.de). Ziel dieser Studie war es<br />
mit Hilfe der Hüftampel zu überprüfen, ob bei Kindern mit bilateral spastischer Cerebralparese (BSCP)<br />
eine Korrelation zwischen dem Risiko für eine Hüftluxation und dem Alter bzw. dem Schweregrad der<br />
motorischen Beeinträchtigung (GMFCS) vorliegt.<br />
Methodik: Unizentrische deskriptive Kohortenstudie. Beurteilung der ersten Röntgenbilder von 61<br />
Patienten mit BSCP behandelt im Zeitraum von 01/2004-12/2009. Einteilung der Hüften nach GMFCS<br />
(I-V) und Altersgruppen (0-2, >2-4, >4-6. >6-12, >12 Jahre). Berechnung des Spearman<br />
Korrelationskoeffizienten zwischen MI und dem Alter bzw. GMFCS der Patienten.<br />
Ergebnis: Von den 122 erstmals untersuchten Hüften stand die Hüftampel in 22% (27) auf grün, 66%<br />
(81) auf gelb, und in 12% (14) auf rot. Folgende Verteilung ergab sich für die Untergruppen nach<br />
GMFCS I-V: I: grün 65%, gelb 35%, rot 0%; II: 42%, 54%, 4%; III: 0%, 97%, 3%; IV: 8%, 75%, 17%;<br />
V: 6%, 44%, 50%. Für die Verteilung nach Alter ergab sich: 0-2 J.: grün 8%, gelb 92%, rot 0%; >2-4<br />
J.: 32%, 59%, 9%; >4-6 J.: 25%, 64%, 11%; >6-12 J.: 11%, 67%, 22%; >12 J.: 0%, 80%, 20%. Für<br />
das Risiko einer Verschlechterung des MI in Abhängigkeit des GMFCS zeigte sich eine Korrelation<br />
von 0,579. Für das Risiko einer Verschlechterung des MI in Abhängigkeit des Alters zeigte sich keine<br />
relevante Korrelation.<br />
Schlussfolgerung: Die Korrelation zwischen einem hohen MI und dem Schweregrad der Erkrankung
nach GMFCS deckt sich mit den bisher publizierten Ergebnissen (Soo et al. 2006). In zwei von drei<br />
Kindern mit BSCP liegt eine Risikokonstellation bereits bei der Erstuntersuchung nach den Kriterien<br />
der Hüftampel vor. Der gemeinsamen und frühzeitigen Behandlung dieser Kinder durch Neuropädiater<br />
und Kinderorthopäden kommt eine Schlüsselrolle in der Versorgung der unzureichend überdachten<br />
Hüfte zu.<br />
P039<br />
Ziele, Inhalte und Effizienz der tiergestützten Therapie mit Hunden in der stationären Früh-<br />
Rehabilitation<br />
Blankenburg U. 1 , Keßner R. 1 , Sömmer J. 1 , Weiss K. 2 , Hirzinger M. 2 , Gushahn L. 2 , Eberhard C. 2 ,<br />
Romein E. 2 , v. Rienhardt C. 3 , Berweck S. 1 , Antonius-Kluger E. 2 , Kluger G. 1 , Reiserer B. 1<br />
1 Schön Klinik Vogtareuth, Klinik für Neuropädiatrie und Neurologische Rehabilitation, Vogtareuth,<br />
Germany, 2 ---, Vogtareuth, Germany, 3 Animal Learn, Bernau, Germany<br />
Hintergrund: Seit 2004 wird an unserem Zentrum während der stationären Früh- Rehabilitation die<br />
tiergestützte Therapie mit Hunden (TTH) unter der Leitung einer Physiotherapeutin, Logopädin oder<br />
Ergotherapeutin speziell für neurologisch schwer kranke Kinder (insbesondere solche im<br />
„Wachkoma“) angeboten und im Rahmen eines kontinuierlichen Qualitätsmanagementprozesses<br />
evaluiert.<br />
Fragestellung: Welche Kinder erhalten TTH, was sind die Inhalte, wurden die Therapieziele erreicht?<br />
Methodik: Prospektive, monozentrische Verlaufsbeobachtung an 176 Patienten mit 528 TTH-<br />
Einheiten. Es wurden die Therapieinhalte ausgewertet und das Erreichen der vorab definierten<br />
Therapieziele evaluiert. 19 Hunde wurde nach einem speziellen Programm ausgebildet.<br />
Ergebnisse: Alter: (1-24 Jahre, Mittel: 6) mit SHT, Hypoxie-Ereignissen, Hirnblutungen,<br />
onkologischen Erkrankungen, Rückenmarkverletzungen. Minimally responsive state: 70%; beatmet<br />
/Trachealkanüle: 21%, intrathekale Baclofen-Therapie: 23%, Sondenernährung: 65%.Neben dem<br />
wichtigen Ziel einer Entspannung im emotionalen Bereich für Eltern und Kind waren häufige<br />
individuelle Ziele für die TTH: 1. Vigilanz steigern, Aufmerksamkeitsreaktionen erzielen; 2. Interaktion /<br />
Kommunikation zwischen Kind und Hund anbahnen (z.B. Fixieren / Verfolgen des Hundes); 3.<br />
Tonusregulation, Initiieren von Bewegungen.Bei 93% der Patienten wurde mindestens eines der vorab<br />
definierten Therapieziele erreicht.<br />
Diskussion: Ohne Kontrollgruppe sind Therapieerfolge gegen den natürlichen Remissionsverlauf<br />
nicht sicher abzugrenzen. Die TTH unter spezieller Berücksichtigung des Tierschutzes hat sich jedoch<br />
an unserer Klinik als zusätzliches, zielorientiertes Therapieangebot unter spezieller Berücksichtigung<br />
des artgerechten Haltens der Hunde v.a. bei Kindern in früher Remission nach Wachkoma bewährt.<br />
Als wichtigsten Inhalt der TTH sehen wir die spontane Kontaktaufnahme des Hundes zum Kind,<br />
orientiert an den Fähigkeiten des Kindes.<br />
P040<br />
RemiPro in der Frührehabilitation bei schwerem Schädel-Hirn-Trauma: Verlaufsdokumentation<br />
und Therapiezielfindung anhand eines Fallbeispiels<br />
Hessenauer M. 1 , Romein E. 2 , Berweck S. 1 , Kluger G. 1 , Staudt M. 1,3<br />
1 Schön Klinik, Neuropädiatrie und neurologische Rehabilitation, Vogtareuth, Germany, 2 Selbständig,<br />
Gilhoc, France, 3 Klinik für Kinder- und Jugendmedizin, Neuropädiatrie und Entwicklungsneurologie,<br />
Tübingen, Germany<br />
Einleitung: Das RemiPro (Remissionsprofil für Kinder und Jugendliche nach schweren erworbenen<br />
Hirnschädigungen von 3 - 16 Jahren) ist eine standardisierte und valide Methode, die<br />
fähigkeitsorientiert Aktivitäten und Teilhabe im Remissionsverlauf in sechs klar definierten Niveaus<br />
dokumentiert und misst. Jedes Niveau beinhaltet 20-25 definierte Aktivitäten, an denen das Kind
teilnimmt, die mit ihm durchgeführt werden oder die es im Verlauf zunehmend selbst durchführt.<br />
Wir zeigen hier an einem Fallbeispiel den Einsatz von RemiPro zur Verlaufsdokumentation und<br />
Therapiezielfindung im Rahmen der Frührehabilitation nach SHT.<br />
Vorgeschichte: J. wurde im Alter von 6 Jahren als Fahrradfahrerin von einem Pkw erfasst und erlitt<br />
ein schweres SHT. Sie war initial bewusstlos (GCS 3), wurde primär intubiert und 14 Tage beatmet.<br />
CT / MRT: multiple Schädelfrakturen, Kontusionsblutungen, Shearing Injuries. Bei Verlegung zu uns<br />
war das Mädchen schwer vigilanzgestört, tetraspastisch mit Strecksynergismen der Beine und<br />
Beugesynergismen der Arme, sondenernährt.<br />
Verlaufsdokumentation mit RemiPro:<br />
4W nach SHT: entspannt sich, wirkt wacher bei Ansprache ⇒ Schlaf-Wach-Niveau<br />
6W nach SHT: wendet sich Aktivitäten zu ⇒ Wahrnehmungsniveau<br />
8W nach SHT: drückt eigeninitiiert eine Taste ⇒ Kommunikationsniveau<br />
Therapiezielfindung mit RemiPro:<br />
1J nach SHT ist J. weiter „nur“ im Kommunikationsniveau. Die Dokumentation der Einzelitems zeigt<br />
dabei einen weiteren Zugewinn im Bereich kognitiver Fähigkeiten, bei Stagnation motorischer<br />
Bereiche. Daher wird die weitere Therapie fokussiert auf kognitiv anspruchsvolle Aktivitäten, die auch<br />
auf niedrigem motorischen Fähigkeitsniveau möglich sind.<br />
Schlussfolgerung: Remi-Pro macht kleine, aber bedeutungsvolle Veränderungen in den frühen<br />
Remissionsphasen auch bei schweren Verläufen sichtbar. Es ermöglicht eine dem jeweiligen<br />
Fähigkeitsniveau entsprechende Therapiezielformulierung im Bereich Aktivitäten und Teilhabe und<br />
leistet damit einen wertvollen Beitrag zum Behandlungsprozess in der neuropädiatrischen<br />
Rehabilitation.<br />
P041<br />
Angeborene Spiegelbewegungen in einer Familie mit Nachweis einer neuen Mutation im DCC<br />
Gen<br />
Korenke G.C. 1 , Wagner M. 2 , Maak A. 3 , Rosenberger G. 3 , Kutsche K. 3<br />
1 Klinik für Neuropädiatrie, Zentrum für Kinder- und Jugendmedizin, Klinikum Oldenburg, Oldenburg,<br />
Germany, 2 Sozialpädiatrisches Zentrum, Oldenburg, Germany, 3 Institut für Humangenetik der<br />
Universität-Hamburg, Hamburg, Germany<br />
Spiegelbewegungen sind unwillkürliche Bewegungen, die in homologen Muskeln der Gegenseite<br />
während einseitiger Willkürbewegungen auftreten. Spiegelbewegungen finden sich auch bei<br />
angeborenen Erkrankungen des Nervensystems wie dem Klippel-Feil- oder Kallmann-Syndrom. Sie<br />
werden auch bei neurologisch gesunden Personen beobachtet und können gelegentlich bei jungen<br />
Kindern auftreten. Die Persistenz über das Alter von 10 Jahren hinaus ist ungewöhnlich. Über das<br />
familiäre Auftreten von Spiegelbewegungen mit autosomal dominantem Erbgang wurde berichtet.<br />
Kürzlich wurden in zwei Familien mit isolierten angeborenen Spiegelbewegungen heterozygote<br />
Mutationen, eine splice-site-Mutation und eine 1-bp-Duplikation, im DCC- (deleted in colorectal<br />
carcinoma) Gen auf 18q21.2 beschrieben. DCC gehört zur Familie der Transmembranproteine mit<br />
Immunglobulin-Domänen und Fibronektin Typ III repeats. DCC ist in Kommisuren-Axonen exprimiert<br />
und dient dort als Zelloberflächen-Rezeptor für Netrin-1, ein lösliches Eiweiß mit Bedeutung für die<br />
Leitung kommissuraler Axone während der Gehirnentwicklung.<br />
Wir berichten über eine 13-jährige Patientin, die uns erstmals im Alter von 5 Jahren aufgrund<br />
ausgeprägter Spiegelbewegungen vorgestellt wurde. Ihre Mutter und mütterliche Großmutter wiesen<br />
gleichfalls Spiegelbewegungen auf. Es wurde über insgesamt 10 weitere Familienangehörige mit<br />
angeborenen Spiegelbewegungen berichtet. Bei der Sequenzierung der 29 DCC-Exons konnte eine<br />
heterozygote Punktmutation c.817T>C (p.W273R) in der Index-Patientin, ihrer Mutter und Großmutter<br />
nachgewiesen werden. Die Mutation wurde nicht in der gesunden Schwester gefunden. Tryptophan ist<br />
an der Position 273 hochkonserviert in der Immunglobulin-C-2-Typ-Domäne von DCC. Der p.W273R-<br />
Austausch führt nach Vorausberechnungen zu einer schwerwiegenden Beeinträchtigung der<br />
Proteinfunktion. Unsere Daten bestätigen, dass Mutationen im DCC-Gen kongenitale<br />
Spiegelbewegungen verursachen können.
P042<br />
Selektive dorsale Rhizotomie - Neuetablierung eines invasiven Verfahrens: Selektionskriterien<br />
und Outcomeverlauf im ersten postoperativen Jahr<br />
Bevot A. 1 , Schuhmann M. 2 , Roland-Schäfer D. 1 , Raabe C. 1 , Tatagiba M. 2 , Krägeloh-Mann I. 1<br />
1 Universitäts-Kinderklinik Tübingen, Neuropädiatrie und Entwicklungsneurologie, Tübingen, Germany,<br />
2 Universitätsklinikum Tübingen, Neurochirurgie, Tübingen, Germany<br />
Einleitung: Neben den lange etablierten Therapieverfahren für Kinder mit spastischer Zerebralparese<br />
(Physiotherapie, Orthetik, Botulinumtoxintherapie, systemische medikamentöse Therapie<br />
einschliesslich Baclofenpumpen, orthopädischen Operationen) steht die selektive dorsale Rhizotomie<br />
als ergänzendes operatives Verfahren seit kurzem in Deutschland zur Verfügung. Die Methode ist gut<br />
etabliert und validiert. Es ist bekannt, dass das Verfahren kombiniert mit funktioneller Therapie einen<br />
signifikant positiven Effekt auf GFMF, Selbstversorgungsfähigkeit und das Gangbild bei gehfähigen<br />
Kindern mit Zerebralparese hat. Mögliche negative Effekte sind die in den Vordergrund tretende<br />
Muskelschwäche und ihre Folgen (Skoliose, Hüftluxation).<br />
Patientenkollektiv: 6 Patienten mit bilateral-spastischer CP im Alter zwischen 4 und 12 Jahren.<br />
GMFCS II-IV, kognitiv altersentsprechend bis lernbehindert mit kernspintomographisch gesicherter<br />
periventrikulärer Leukomalazie<br />
Methode: GMFCS, modifizierteTardieu-Skala, modifizierte Ashworth-Skala, Goal Attainment Scaling,<br />
standardisierte Videodukumentation (System Dartfish) präoperativ und 3, 6 und 12 Monate<br />
postoperativ.<br />
Ergebnisse: Bei allen Patienten wurde eine signifikante anhaltende Spastikreduktion der unteren<br />
Extremität erreicht (median je 2 Punkte Tardieu-Skala und Ashworth- Skala). Im goal attainment<br />
scaling erreichten alle 6 Patienten Werte zwischen 0 und +1. Nach der zu erwartenden postoperativen<br />
funktionellen Verschlechterung verbesserten alle 6 Patienten ihr Gangbild videodokumentarisch<br />
innerhalb des ersten postoperativen Jahres im Vergleich zur Baseline. Insbesondere zeigte sich eine<br />
Verbesserung bezüglich Gehgeschwindigkeit und Gehstrecke, aber auch eine Physiologisierung des<br />
Gangbildes. 4 Patienten blieben in ihrem GMFCS-Niveau, 2 verbesserten ihr GMFCS-Niveau um eine<br />
Stufe. Klinisch und radiologisch wies kein Patient eine Verschlechterung der Hüfte oder Wirbelsäule<br />
auf.<br />
P043<br />
Stiff-Person-Syndrom bei einem 12jährigen Kind<br />
Thiele S., Schröder C., Utzig N., Burtzlaff C., Lauffer H.<br />
Ernst-Moritz- Arndt Universität Greifswald, Neuropädiatrie und Pädiatrische Endokrinologie,<br />
Greifswald, Germany<br />
Hintergrund: Das Stiff-Person-Syndrom (SPS) ist eine seltene Erkrankung, die eine starke<br />
Assoziation mit Autoimmunerkrankungen aufweist. Symptome des SPS umfassen schmerzhaft<br />
einschießende Muskelspasmen, fortschreitende Steifheit der Rumpfmuskulatur sowie vegetative und<br />
psychische Alterationen. In pädiatrischen Patienten ist das SPS extrem selten. Im vorliegenden<br />
Fallbericht wird die Diagnose und Therapie des SPS dargestellt.<br />
Fallbericht: Ein 12jähriger Junge mit bekannter Autoimmunpolyendokrinopathie<br />
(Hypoparathyroidismus, Hypertonus, Diabetes Typ I, Diabetes insipidus) entwickelte Schmerzen in<br />
beiden Waden mit zunehmender Gangunsicherheit. Innerhalb von acht Monaten kam es zu einer<br />
progressiven Rigidität sowie Spasmen der Rumpf- und Extremitätenmuskulatur. Im EMG (M.tibialis<br />
anterior) wurde nach Anspannung keine willkürliche Entspannung registriert, ein Clonazepam Versuch<br />
führte zu kurzfristiger Symptombesserung. Im Patientenserum und Liquor wurden Autoantikörper<br />
gegen GABA nachgewiesen, der Test auf Antikörper gegen Glutamatdecarboxylase war negativ. Eine<br />
Therapie mit Clonazepam führte zunächst zur Besserung, nach drei Wochen verschlechterte sich der<br />
Zustand des Jungen erneut. Letztlich führte die Kombination von Levetiracetam und Clonazepam zur<br />
einer fast vollständigen Rückbildung aller SPS-assoziierten Symptome.
Schlussfolgerung: Trotz der extremen Seltenheit bei Kindern sollte ein SPS bei zunehmender<br />
schmerzhafter Muskelsteifheit in der Differenzialdiagnose berücksichtigt werden.<br />
P044<br />
Vergleich unterschiedlicher Traktographie-Algorithmen und Validierung durch intraoperative<br />
Elektrostimulation bei einem Kind mit Hirntumor<br />
Gröschel S. 1 , Kumar V. 2 , Schuhmann M.U. 3 , Alber M. 4 , Krägeloh-Mann I. 4 , Wilke M. 1<br />
1 Universitätskinderklinik, Experimentelle Pädiatrische Neurobildgebung und Abteilung für<br />
Neuropädiatrie, Tübingen, Germany, 2 Universitätsklinik, Sektion Experimentelle Kernspinresonanz des<br />
ZNS, Abteilung für Diagnostische und Interventionelle Neuroradiologie, Tübingen, Germany,<br />
3 Universitätsklinik, Pädiatrische Neurochirurgie, Tübingen, Germany, 4 Universitätskinderklinik,<br />
Abteilung für Neuropädiatrie, Tübingen, Germany<br />
Fragestellung: Neue MRT-Verfahren wie funktionelle MRT (fMRT) und MR Diffusions-Traktographie<br />
werden zunehmend bei Kindern zur neurochirurgischen Planung eingesetzt, implementiert in<br />
moderner Neuronavigationssoftware. Diese nutzt jedoch nur einfache deterministische<br />
Diffusionstensor (dDTI) Traktographie.<br />
Ziel dieser Arbeit ist die Evaluation unterschiedlicher Traktographiealgorithmen und der Vergleich mit<br />
intraoperativer Elektrostimulation bei einem Kind mit Hirntumor.<br />
Methodik: Prächirurgische fMRT und MR Diffusions-Traktographie bei einem 6-jährigen Kind mit<br />
Anfällen, jedoch ohne motorische Symptomatik, mit einem Tumor der linken Zentralregion.<br />
Die Diffusionsbildgebung erfolgte mit b=0/3000 s/mm 2 , 60 Richtungen. Vier Algorithmen wurden<br />
verglichen: dDTI, probabilistische DTI-Traktographie (pDTI, FSL's Markov chain Monte carlo),<br />
deterministische und probabilistische CSD-Traktographie (dCSD/pCSD; constrained spherical<br />
deconvolution, Tournier et al. 2007).<br />
Ergebnis: Alle Traktographie-Algorithmen konnten den corticospinalen Trakt mit guter<br />
Übereinstimmung darstellen. Mit den pDTI- und d/pCSD-Methoden zeigten sich deutlich mehr Fasern<br />
als mit dDTI. Ein Teil der Fasern zog durch einen soliden Anteil des Tumors, welche am besten mit<br />
der pCSD-Methode sichtbar waren, jedoch nicht mit der dDTI-Methode. Intraoperative Stimulation<br />
bestätigte die Lokalisation dieser den Tumor durchziehenden Trakte, daher wurde nur eine subtotale<br />
Tumorresektion vorgenommen. Bei einer Nachkontrolle nach 4 Monaten fand sich kein<br />
sensomotorisches Defizit, die Resttumorregion mit den durchziehenden Trakten konnte weiterhin<br />
nachgewiesen werden.<br />
Schlussfolgerung: Obwohl alle hier verwendeten Traktographiealgorithmen erfolgreich die<br />
Pyramidenbahnfasern präoperativ darstellten, konnte die dDTI-Traktographie, die häufig in klinischer<br />
Neuronavigationssoftware angewandt wird, bei diesem Kind kritische Faserbahnen nicht darstellen.<br />
Weitere Untersuchungen sind notwendig, um verschiedene Traktographie-Algorithmen systematisch<br />
zu vergleichen.<br />
P045<br />
Extrapyramidale, choreo-athetotische Bewegungsstörung nach HSV-1 Enzephalitis:<br />
Erfahrungen mit früher Plasmapherese bei 3 konsekutiven Fällen<br />
Lanator I. 1 , Freilinger M. 1 , Csaicsich D. 1 , Seidl R. 1 , Schmook M.T. 2<br />
1 Med.Uni.Wien, Univ.Klinik f Kinder-u. Jugendheilkunde, Wien, Austria, 2 Univ.Klinik f Radiodiagnostik,<br />
Wien, Austria<br />
Die durch Herpes Simplex Virus Typ 1 (HSV-1) verursachte Enzephalitis tritt mit einer Inzidenz von<br />
1/250.000-500.000 auf. Trotz antiviraler Therapie ist diese Enzephalitis mit einer hohen Mortalität und<br />
neurologischen Morbidität assoziiert. Dazu gehört auch das seltene Krankheitsbild einer<br />
extrapyramidalen choreo-athetotischen Bewegungsstörung nach einer HSV-1 Enzephalitis mit
unklarer Pathogenese. Neben der HSV-1 Reaktivierung und der primären Mitbeteiligung extrapyramidaler<br />
Strukturen wird in letzter Zeit ein immun-mediiertes Geschehen als Pathomechanismus<br />
diskutiert. Wir berichten erstmals eine Fallserie von 3 Patienten, die mit Plasmapherese aufgrund<br />
einer extrapyramidalen Bewegungsstörung nach HSV-1 Enzephalitis behandelt wurden.<br />
Es wurde eine retrospektive klinische Datenerhebung durchgeführt.<br />
Wir berichten von 3 Kindern im Alter von 6, 8 und 11 Monaten mit choreo-athetotischer<br />
Bewegungsstörung 14 bis 34 Tage nach Beginn der HSV-1 Enzephalitis. Alle 3 Kinder zeigten<br />
typische choreo-athetotische Bewegungsmuster. Neben Corticosteroiden (2 Pat.) wurden alle drei<br />
Patienten mit Immunglobulinen und Plasmapherese behandelt. Im Schnitt kam die Plasmapherese<br />
erstmals 6- 16 Tage nach Beginn der Bewegungsstörung zum Einsatz und wurde 7 bis 9 Mal in einem<br />
Zeitraum von 14- 22 Tagen durchgeführt. Bei zwei Patienten führte die Plasmapherese zu einer<br />
dauerhaften Remission der Bewegungsstörung, bei der dritten Patientin war nur eine leichte<br />
Besserung nach Plasmapherese zu vermerken, wobei in diesem Fall die Rehabilitationsphase noch<br />
nicht abgeschlossen ist.<br />
Die Ätiologie und die Behandlung der Bewegungsstörung nach HSV-1 Enzephalitis werden anhand<br />
von 3 ähnlich verlaufenden Fällen diskutiert. Dabei wurden eine HSV-1 Reaktivierung und eine<br />
primäre Mitbeteiligung der Basalganglien ausgeschlossen. In 2 Fällen wurde eine anhaltende<br />
Remission der Bewegungsstörung durch Plasmapherese erreicht. Der klinische Verlauf und das<br />
Ansprechen auf Plasmapherese bestärken die Hypothese eines immun-mediierten Geschehens und<br />
die Relevanz der frühen Plasmapherese auch im Säuglingsalter.<br />
P046<br />
Erfolgreiche Bevacizumab-Therapie einer zerebralen Radionekrose nach stereotaktischer<br />
Bestrahlung einer arteriovenösen Malformation<br />
Merkenschlager A. 1 , Hirsch W. 2 , Syrbe S. 1 , Bernhard M. 1 , Wurm R.E. 3<br />
1 Klinik und Poliklinik für Kinder und Jugendliche, Universität Leipzig, Neuropädiatrie, Leipzig,<br />
Germany, 2 Selbständige Abt. f. Pädiatrische Radiologie, Universität Leipzig, Leipzig, Germany, 3 Klinik<br />
für Strahlentherapie / Radioonkologie, Klinikum Frankfurt (Oder), Frankfurt (Oder), Germany<br />
Fragestellung und Methodik: Die Radionekrose ist eine späte Reaktion (> 90 Tage) nach<br />
Schädelbestrahlung mit limitierten Therapieoptionen. Wir beschreiben anhand eines Falles Effekte<br />
und Nebenwirkungen von Bevacizumab bei Radionekrose nach ZNS-Bestrahlung wegen einer<br />
arteriovenösen Malformation (AVM).<br />
Ergebnis: Im Alter von 9 Jahren ereignete sich bei dem bisher völlig gesunden Jungen eine akute<br />
ventrikuläre Massenblutung. Ursächlich fand sich eine rechtshemisphärielle AVM Spetzler II-III. Nach<br />
neurochirurgischer Akutversorgung und anschließender Rehabilitation kam es zu einer fast<br />
vollständigen Erholung (ADL uneingeschränkt). Wenige Monate nach dem Akutereignis wurde die<br />
partielle Embolisation und eine stereotaktische Bestrahlung mit 55.0 Gy durchgeführt, fraktioniert in 5x<br />
5.0 Gy/ Woche.<br />
Ein Jahr nach dieser Radiotherapie entwickelte sich subakut eine Hemiparese links mit Verlust der<br />
selektiven Fingerbewegungen, Wernicke Gangbild, zentraler Facialisschwäche und Hemianopsie links<br />
(GMFCS Stufe II, MACS III, Radiation Therapy Oncology Group -Score Grad III). MR-tomographisch<br />
zeigte sich im Bereich der AVM eine Radionekrose mit massivem Ödem und Mittellinienverlagerung.<br />
Die umgehend begonnene Dexamethasontherapie (3x 4mg/die) führte zu einer Rückbildung des<br />
Ödems. Unter fortgesetzter Steroidtherapie erholte sich die neurologische Funktion langsam.<br />
Reduktionsversuche der Dexamethasondosis unter 3x 1 mg führten zu einer jeweils innerhalb von<br />
Tagen nachweisbaren Progredienz des zerebralen Ödems. Es entwickelten sich intolerable<br />
Nebenwirkungen: deutlicher Cushing, massive Striae rubrae mit Hautulzerationen, arterieller<br />
Blutdruckanstieg und eine Gewichtszunahme von BMI 17 auf 26 kg/m 2 .<br />
Daher wurde ein individueller Heilversuch mit Bevacizumab 7.5 mg/kg alle 2 Wochen durchgeführt (8<br />
Behandlungen). Über 12 Wochen konnte darunter das Steroid abgesetzt werden, MACS II wurde<br />
bisher erreicht.<br />
Schlussfolgerung: Dies ist nach unserem Wissen der erste Bericht einer erfolgreichen pädiatrischen<br />
Therapie einer Radionekrose im Rahmen einer AVM-Bestrahlung mit Bevacizumab.
P047<br />
Affektlabilität als ein führendes Symptom einer Tetrasomie 18p bei einem 7jährigen Mädchen<br />
mit Entwicklungsverzögerung, Adduktoren-Hypertonie, Kyphose und fazialer Dysmorphie<br />
Bernhard M.K. 1 , Syrbe S. 1 , Kujat A. 2 , Merkenschlager A. 1<br />
1 Universitätskinderklinik, Neuropädiatrische Abteilung, Leipzig, Germany, 2 Institut für Humangenetik,<br />
Leipzig, Germany<br />
Hintergrund: Isochromosomen 18p führen zu einer Tetrasomie 18p, die überwiegend auf de novo-<br />
Bildungen beruhen. Die Häufigkeit wird mit 1:140000 Lebendgeborene angegeben.<br />
Fallbericht: Nach regelrechter Schwangerschaft und Geburt im Alter von 3 Monaten erstmalig in<br />
unserer Klinik vorstellig und auffällig wegen Trinkschwäche und zunehmender<br />
Entwicklungsverzögerung. Längenwachstum von Geburt bis zum 7. Lebensjahr fallend von P75 auf<br />
P23, Gewichtsentwicklung fallend von P25 auf < P3 und Kopfwachstum fallend von P50 auf < P3.<br />
Faziale Dysmorphiezeichen: Hypotelorismus, schmale Lidspalte, verstrichenes Philtrum,<br />
hypoplastische Nasenflügel, hoher Gaumen. Zusätzlich Kyphose und deutlich hypertone Muskulatur<br />
der Beinadduktoren mit Coxa-valga-Fehlstellung. Im MRT Schädel diffuse, fleckige subkortikale<br />
Hyperintensitäten v.a. in FLAIR-Sequenz. In der Chromsomenanalyse Nachweis eines de novo<br />
Isochromosoms 18 p. Der Karyotyp nach FISH lautet: 47,XX,+i(18p).<br />
Das Kind konnte ab dem 20. Lebensmonat frei laufen, spricht nun mit 7 Jahren kurze Sätze. Sehr<br />
auffällig ist die psychosoziale Entwicklung: das Mädchen zeigt ausgeprägte Affektausbrüchen mit<br />
anhaltenden schrillen Schreien ohne erkennbaren Anlass, die innerhalb von Sekunden mit<br />
Lachanfällen wechseln.<br />
Diskussion: Eine Entwicklungsverzögerung in Verbindung mit Spastik lässt primär an eine infantile<br />
Zerebralparese denken, ist jedoch auch als Symptom der insgesamt sehr variabel phänotypisch<br />
ausgeprägten Tetrasomie 18p beschrieben. Auffallend ist bei der Patientin eine extreme Affektlabilität.<br />
Assoziierte Verhaltensauffälligkeiten erschweren zusätzlich die Betreuung und Behandlung<br />
betroffener Patienten und Familien.<br />
P048<br />
Sensorisch - Integrative Ayres Therapie SIAT® - www.gsid.de<br />
Kull-Sadacharam K.<br />
Kinderzentrum, Ergotherapie, München, Germany<br />
Darstellung der klassischen Behandlung bei Kindern mit Behinderungen im Sozialpädiatrischen<br />
Spektrum.<br />
Verknüpfung von Theorie und Praxis soll anhand von Fallbeispielen aufgezeigt werden.<br />
Die SIAT beruft sich auf festgelegte Techniken, die in der Behandlung von auch Schwerst<br />
/Mehrfachbehinderten Kindern<br />
Anwendung findet und zur Anbahnung und Verbesserung der Bewegungsmotivation, der Wachheit,<br />
der motorischen Kontrolle, der Eigenständigkeit im Handeln führen kann.<br />
An Fallbeispielen aus der Ambulanz und Klinik des Kinderzentrums München soll die interdisziplinäre<br />
Zusammenarbeit in der Diagnostik wie auch der Ergebnisqualität / Zielformulierung und Erreichung<br />
derselben dargestellt werden.<br />
<strong>Postersession</strong> 3: Inflammation, vaskuläre Erkrankungen
P049<br />
Anti-MOG Autoantikörper in Kindern mit akuter Demyelinisierung: Methodenvergleich und<br />
longitudinale Analyse<br />
Pröbstel A.-K. 1,2 , Dornmair K. 1,2 , Bittner R. 1,2 , Sperl P. 1,2 , Jenne D. 1 , Magalhaes S. 3 , Villalobos A. 3 ,<br />
Breithaupt C. 4 , Weissert R. 5 , Jacob U. 6 , Krumbholz M. 1,2 , Kümpfel T. 2 , Blaschek A. 7 , Stark W. 8 ,<br />
Gärtner J. 8 , Pohl D. 9 , Rostasy K. 10 , Weber F. 11 , Forne I. 12 , Khademi M. 13 , Olsson T. 13 , Brilot F. 14 ,<br />
Tantsis E. 14 , Dale R.C. 14 , Wekerle H. 1 , Hohlfeld R. 1,2 , Banwell B. 15 , Bar-Or A. 3 , Meinl E. 1,2 , Derfuß T. 16<br />
1 Max-Planck-Institut für Neurobiologie, Abt. Neuroimmunologie, Martinsried, Germany, 2 Ludwig-<br />
Maximilians-Universität München, Klinikum Großhadern, Klinische Neuroimmunologie, München,<br />
Germany, 3 Department of Neurology and Neurosurgery, Montreal Neurological Institute, McGill<br />
University, Montreal, Canada, 4 Institute of Biochemistry and Biotechnology, Martin-Luther-University<br />
Halle-Wittenberg, Halle, Germany, 5 Department of Neurology, University of Geneva Hospital, Geneva,<br />
Switzerland, 6 Westend-Innovation, Biotech Consulting, München, Germany, 7 Department of Pediatric<br />
Neurology and Developmental Medicine, Dr von Haunersches Kinderspital, Ludwig-Maximilians-<br />
University, München, Germany, 8 Department of Pediatrics and Pediatric Neurology, Georg August<br />
University, Göttingen, Germany, 9 Children´s Hospital of Eastern Ontario, Ottawa, Canada, 10 Division<br />
of Neuropediatrics and Inherited Metabolic Disorders, Department of Pediatrics, Innsbruck Medical<br />
University, Innsbruck, Austria, 11 RG Inflammatory disorders of the Central Nervous System, Max<br />
Planck Institute of Psychiatry, München, Germany, 12 Munich Centre of Integrated Protein Science and<br />
Adolf Butenandt Institute, Ludwig-Maximilians-University, München, Germany, 13 Neuroimmunology<br />
Unit, Department of Clinical Neuroscience, Karolinska University Hospital, Stockholm, Sweden,<br />
14 Neuroinflammation group, Institute of Neuroscience and Muscle Research, the Kids Research<br />
Institute at the Children´s Hospital at Westmead, University of Sydney, Sydney, Australia, 15 Division of<br />
Neurology, Department of Paediatrics, The Hospital for Sick Children, Toronto, Canada, 16 Department<br />
of Neurology, University Hospital Basel, Basel, Switzerland<br />
Hintergrund: Myelin Oligodendrozyten Glykoprotein (MOG) ist Angriffspunkt von demyelinisierenden<br />
Autoantikörpern in einer Vielzahl von Spezies. Anti-MOG IgG sind bei einer Subpopulation von<br />
Kindern mit akuter Demyelinisierung des zentralen Nervensystems vorhanden, wobei der<br />
Langzeitverlauf der Antikörper bislang unbekannt ist.<br />
Methoden: Für die Detektion von anti-MOG Antikörpern verglichen wir zwei Methoden: Western Blot<br />
mit Glykoproteinen der weißen und grauen Substanz sowie Durchflusszytometrie mit MOGtransfizierten<br />
Zellen. Wir haben die Fragestellung der anti-MOG Antikörper in einer Querschnittstudie<br />
mit 126 pädiatrischen Patienten mit akuter Demyelinisierung sowie 64 adulten Patienten mit Multipler<br />
Sklerose (MS) adressiert. Diese wurde ergänzt durch eine prospektive Studie mit 77 pädiatrischen<br />
Patienten.<br />
Ergebnisse: Die Querschnittsstudie zeigte, dass anti-MOG Ig in 25% der Kinder mit akuter<br />
Demyelinisierung, aber in keiner der kindlichen oder adulten Kontrollen gefunden werden konnten. In<br />
4/64 (6%) der Seren von erwachsenen MS Patienten fanden sich niedrig titrige anti-MOG Antikörper.<br />
Anti-MOG Antikörper waren vom IgG1 Subtyp und ihre Bindung konnte durch Kompetition mit<br />
pathogenen Antikörpern aus einem spontanen Mausmodell der Multiplen Sklerose blockiert werden.<br />
Im Gegensatz dazu wurde MOG im Western Blot von Patienten und Kontrollen erkannt. Im<br />
prospektiven Teil unserer Studie wurden 25 Kinder mit anti-MOG Antikörpern zu Krankheitsbeginn für<br />
bis zu 5 Jahre beobachtet. Anti-MOG Ig nahmen in allen 16 monophasischen Patienten mit akuter<br />
disseminierter Enzephalomyelitis (ADEM) sowie in einem Patienten mit klinisch isoliertem Syndrom<br />
(CIS) schnell und kontinuierlich ab. Im Gegensatz dazu persistierten die Antikörper in 6 von 8 (75%)<br />
Patienten mit kindlicher Multipler Sklerose mit Schwankungen und einem zweiten Antikörperanstieg im<br />
Verlauf.<br />
Fazit: Das Verschwinden bzw. die Persistenz von anti-MOG Antikörpern ist möglicherweise von<br />
prognostischer Relevanz bei Kindern mit akuter Demyelinisierung.<br />
P050<br />
Hohe Inzidenz von demyelinierenden Erkrankungen des zentralen Nervensystems bei Kindern<br />
in Ost-London<br />
Schugal A. 1,2 , Basheer N. 2 , Martinez A. 2
1 Guy's and St Thomas' NHS Foundation Trust, Evelina Children's Hospital, Paediatric Neurology,<br />
London, United Kingdom, 2 Bart's and The London Children's Hospital, Paediatric Neurology, Women's<br />
and Children's Direcorate, London, United Kingdom<br />
Fragestellung: Demyelinierenden Erkrankungen des zentralen Nervensystems manifestieren sich<br />
immer häufiger in der Kindheit mit großer Breite der phänotypischen und klinischen Präsentation:<br />
akute disseminierte Enzephalomyelitis (ADEM), Optikusneuritis (ON), klinisch isolierter Syndrom (CIS)<br />
und Multiple Sklerose (MS).<br />
Methodik: Wir beschreiben Erstpräsentation von demyelinierenden Erkrankungen bei Kindern im<br />
Zeitraum vom 10/2009 bis 04/2010 in Ost-London und klassifizieren diese nach der vorgeschlagenen<br />
Definition der Internationalen Pädiatrischen MS Gruppe (2007).<br />
Ergebnis: Wir identifizierten 10 Kinder (3-16 Jahre; 5 Mädchen) unterschiedlicher ethnischer<br />
Herkunft. ON war die häufigste Erstmanifestation und war ein isolierter Befund in vier Fällen, drei<br />
davon Kaukasier. Drei Kinder erkrankten an ADEM ohne Rückenmark und Sehnerven Beteiligung und<br />
bleiben in Remission, zwei davon Kaukasier. Zwei Kinder wurden mit MS diagnostiziert, mit positiven<br />
oligoklonale Bands und radiologischen Befunde mit Hinweisen auf "Plaques" mit zusätzlichen<br />
intraspinale Läsionen. Ein Kind wurde mit CIS diagnostiziert und hatte dabei eine Beteiligung des<br />
Rückenmarks und des optischen Nerven. Drei der wiederkehrenden Demyelinierungsfälle waren<br />
gezeichnet von Rückenmark-Läsionen und der Erkrankung des optischen Nerven; diese Kinder waren<br />
Nicht-Kaukasier und hatten einen extremen Vitamin-D-Mangel (< 18nmol/L). Die aus diesen Daten<br />
berechnete geschätzte Inzidenz von 25 Fällen auf eine Million Kinder ist deutlich höher als die in<br />
vorausgegangenen Studien in Europa geschätzte Inzidenz von 0,7-4 Fällen pro eine Million Kinder.<br />
Schlussfolgerung: Diese Fallserie weißt darauf hin, dass demyelinierenden Erkrankungen bei<br />
Kindern in Ost-London häufiger als erwartet auftreten und unterstreicht die Probleme der Anwendung<br />
breiter epidemiologischer Daten in Bezug auf Erkrankungen mit variabler Verteilung in einem<br />
regionalen Kontext. Die nicht kaukasische Abstammung und Vitamin-D-Mangel könnten als mögliche<br />
modifizierende Faktoren für die künftige Behandlung und Knochenstoffwechsel Surveillance dienen.<br />
P051<br />
Tumefaktive demyelinisierende Läsion - eine seltene Manifestation der Multiplen Sklerose im<br />
Kindesalter<br />
Kirsch S. 1 , von Kalle T. 2 , Reihle C. 1 , Marquard K. 1 , Keimer R. 1<br />
1 Olgahospital, Klinikum Stuttgart, Pädiatrie 1, Stuttgart, Germany, 2 Olgahospital, Klinikum Stuttgart,<br />
Abteilung für Pädiatrische Radiologie, Stuttgart, Germany<br />
Die Multiple Sklerose (MS) betrifft in 3-5% der Fälle Kinder und Jugendliche vor dem 16. Lebensjahr.<br />
Tumefaktive Läsionen als Manifestation einer Encephalomyelitis disseminata sind bei Erwachsenen in<br />
Einzelfällen beschrieben, bei pädiatrischen Patienten eine Rarität.<br />
Wir berichten über eine 15jährige Jugendliche mit tumefaktiver MS als frühe Manifestation ihrer<br />
Erkrankung. Erstsymptome waren neben einer Hemihypästhesie eine Ataxie mit gesteigerten<br />
Muskeleigenreflexen. Die Diagnostik ergab oligoklonale Banden, eine positive MRZ-Reaktion,<br />
verzögerte evozierte Potentiale und multiple noduläre Signalanhebungen in der weißen Substanz als<br />
MS-verdächtige Befunde.<br />
Drei Wochen nach Therapie und Befundrückgang stellte sie sich mit Hirndruckzeichen (starke frontale<br />
Kopfschmerzen, Erbrechen, Meningismus) vor. Ursächlich fand sich in der cerebralen MRT eine<br />
ausgedehnte Signalanhebung >25 mm Größe im rechten fronto-parieto-temporalen Marklager mit<br />
perifokalem Ödem, Mittellinienshift und Ausdehnung in Capsula interna und Tractus opticus. Neben<br />
dieser tumefaktiven demyelinisierenden Läsion waren die übrigen Herde unverändert.<br />
Die Differentialdiagnosen ZNS-Neoplasien (z.B. Gliom), disseminiertes Lymphom, ZNS-Infektionen,<br />
ADEM, Leukodystrophie, cerebrale Vaskulitis waren bei fehlenden weiteren<br />
klinischen/laborchemischen Kriterien ausgeschlossen bzw. wenig wahrscheinlich, die Diagnose MS<br />
nach zweitem Schub anhand der McDonald-Kriterien gesichert. Unter einer 2. Methylprednisolon-<br />
Stoßtherapie war ein langsamer Rückgang der neurologischen Symptome zu sehen. Die MRT-<br />
Kontrolle 6 Wochen später zeigte eine fast vollständige Rückbildung der tumefaktiven Läsion.<br />
Fazit: Die Manifestation einer tumefaktiven Multiplen Sklerose im Kindesalter ist eine Rarität und stellt
in ihrer klinischen und radiologischen Präsentation als massenartige Läsion eine<br />
differentialdiagnostische Herausforderung dar. Eine einheitliche Definition und Daten zu Inzidenz und<br />
Verlauf fehlen. In unserem Fall zeigte sich ein gutes Ansprechen auf Methylprednisolon mit noch<br />
unklarer Langzeitprognose.<br />
P052<br />
Reversible Hepatopathie unter Beta-Interferon-Therapie bei Multipler Sklerose<br />
Lüdtke U. 1 , Sandrieser T. 1 , Hoppen T. 1 , Huppke P. 2 , Nüßlein T. 1<br />
1 Gemeinschaftsklinikum Kemperhof Koblenz, Kinderklinik, Koblenz, Germany, 2 Georg-August-<br />
Universität Göttingen, Pädiatrie II, Göttingen, Germany<br />
Beta-Interferon-Präparate bilden basierend auf Studien bei Erwachsenen auch bei der Multiplen<br />
Sklerose im Kindes- und Jugendalter zusammen mit Glatirameracetat die Grundlage der<br />
medikamentösen Schubprophylaxe. Neben häufigen asymptomatischen Erhöhungen der<br />
Lebertransaminasen weisen Fachinformationen auf das mögliche Auftreten schwerer<br />
Leberschädigungen hin. Der genaue Wirkmechanismus und die Häufigkeit dieser seltenen<br />
Nebenwirkung sind unbekannt.<br />
Kasuistik: Ein 15 ½ Jahre altes Mädchen stellte sich im Mai 2009 mit Kribbelparästhesien beider<br />
Beine vor. Anhand der McDonald-Kriterien wurde die Diagnose einer MS gestellt. Es erfolgte eine<br />
erste Kortison-Hochdosistherapie.<br />
Bereits nach drei Wochen stellte sich das Mädchen mit einer Exacerbation des Schubes erneut vor.<br />
Ende Juni 2009 erfolgte bei erneutem Schub die Aufnahme in die Universitätsklinik Göttingen mit<br />
Einleitung einer immunmodulatorischen Therapie mit Interferon beta 1a.<br />
10 Wochen nach Beginn der Therapie zeigte sich ein Anstieg der Transaminasen (GOT 433U/l, GPT<br />
1359U/l, Gamma-GT 174U/l) bei negativer Hepatitis-Serologie und negativen Autoantikörpern. Die<br />
Abdomen-Sonografie sowie die Magnetresonanz-Cholangiopankreatikographie waren unauffällig.<br />
Klinisch kam es zu zunehmenden Oberbauchschmerzen.<br />
Unter dem Verdacht auf eine medikamenteninduzierte Hepatopathie wurde Beta-Interferon abgesetzt<br />
und eine mehrwöchige, ausschleichende Therapie mit Prednisolon begonnen. Hierunter zeigte sich<br />
rasch eine klinische Besserung mit Rückgang der Oberbauchschmerzen und Normalisierung der<br />
Transaminasen innerhalb von 8 Wochen.<br />
Die immunmodulatorische Therapie wurde auf Glatirameracetat umgestellt. Bei weiteren Schüben<br />
erfolgte ab Mai 2010 die Umstellung auf Natalizumab.<br />
Fazit: Regelmäßige Transaminasenkontrollen sind insbesondere in den ersten Monaten einer<br />
Therapie mit Beta-Interferonen notwendig. Bei Auftreten einer symptomatischen Leberwerterhöhung<br />
sollte immer an die seltene Möglichkeit einer schweren Hepatopathie gedacht werden. Neben dem<br />
Absetzen des Medikamentes ist eine Therapie mit Prednisolon zu erwägen.<br />
P053<br />
Unerkannte Citrullinämie imitiert Encephalitis: Die Rolle eines standardisierten<br />
Liquorpunktionsprotokolls<br />
Karall D. 1 , Haberlandt E. 1 , Albrecht U. 1 , Rostasy K. 1 , Häberle J. 2 , Scholl-Bürgi S. 1<br />
1 Klinik für Pädiatrie IV, Neonatologie, Neuropädiatrie, angeborene Stoffwechselstörungen, Innsbruck,<br />
Austria, 2 Kinderspital, Zürich, Switzerland<br />
Die Citrullinämie ist ein Harnstoffzyklusdefekt, der durch einen Mangel an Argininosuccinat-<br />
Synthetase verursacht wird. Late onset Formen können unentdeckt bleiben, bis eine metabolische<br />
Dekompensation stattfindet, deren Symptome einer Encephalitis ähneln können. Wir berichten über<br />
einen 14-jährigen Buben, der eine akute Episode mit Bewußtseinsveränderung und Verwirrung erlitt.<br />
Die Symptome wurden als Encephalitis gedeutet. Im EEG zeigte sich eine bilaterale Verlangsamung<br />
mit einzelnen Spitzen. Das cerebrale MRI war unauffällig. Es zeigte sich eine leichte Pleozytose im
Liquor. Eine Therapie mit Aciclovir und Cefrtriaxon wurde begonnen. Da die Symptome aber nicht<br />
verschwanden, wurde eine 2. Punktion nach einem standardisierten Protokoll durchgeführt (inklusive<br />
metabolischer Parameter), die über erhöhtes Cirtullin zu der Diagnose einer Citrullinämie führte. Das<br />
Kennen der Grundkrankheit ist für den Schutz des Patienten vor weiteren möglich auftretenden<br />
hyperammonämischen Episoden essentiell. Somit hat das Befolgen eines standardisierten Protokolls<br />
für Liquorpunktionen ggf. weitreichende Konsequenzen.<br />
P054<br />
Dauerhafte Verbesserung von motorischen, kognitiven und emotionalen Fähigkeiten nach 3<br />
jähriger Therapie einer juvenilen MS mit Natalizumab - ein Fallbericht<br />
Lengnick K. 1 , Waibel P. 2 , Heiniger U. 3 , Spescha H. 4 , Käppeli M. 5 , Weissert M. 1<br />
1 Ostschweizer Kinderspital, Neuropädiatrie, St. Gallen, Switzerland, 2 Ostschweizer Kinderspital,<br />
Radiologie, St. Gallen, Switzerland, 3 Ostschweizer Kinderspital, Neuropsychologie, St. Gallen,<br />
Switzerland, 4 Kinderarzt, Chur, Switzerland, 5 Kinder- und Jugendpsychiaterin, Chur, Switzerland<br />
MS ist eine chronisch entzündliche demyelinisierende Erkrankung des ZNS. Nur 5% der MS Fälle<br />
beginnen im Kindesalter. Mehrheitlich manifestiert sich die kindliche MS mit einem schubförmig<br />
vollständig remittierenden Verlauf. Natalizumab wird bei Erwachsenen mit hoher Schubaktivität und<br />
fehlendem Ansprechen auf andere immunmodulatorische Therapien eingesetzt und zeigt eine gute<br />
Wirkung bezüglich Krankheitsaktivität, physischer und kognitiver Beeinträchtigungen. Bislang wurden<br />
in wenigen Fallberichten nur Kurzzeiterfahrungen bei Kindern veröffentlicht. Bei längerfristiger<br />
Behandlung besteht das Risiko einer PML.<br />
Wir berichten von einer Patientin, bei welcher mit 13 Jahren die Diagnose einer juvenilen MS gestellt<br />
wurde. Sie zeigte einen Verlauf mit hoher Schubaktivität und progredienter Behinderung, trotz<br />
Therapieversuchen mit Steroiden, IFN β, IVIG und Plasmapharese. Das MRI zeigte eine hohe<br />
entzündliche Aktivität. Daher erfolgte ein Therapieversuch mit Natalizumab 300mg i.v. alle 4 Wochen.<br />
Darunter zeigten sich neben einem Rückgang der radiologischen Krankheitsaktivität eine deutliche<br />
Verbesserung von Motorik, Lebensqualität und emotionaler Stabilität. Der EDSS sank von 7 auf 1.5<br />
und blieb seit nun 1 1/2 Jahren stabil. Neuropsychologisch zeigte sich eine Verbesserung der<br />
Kognition mit leichten Defiziten im frontalen Cortex. Nach schwerer Behinderung kann die Patientin<br />
nun ihr Studium mit minimen Einschränkungen fortsetzen.<br />
Die Therapie mit Natalizumab wurde sehr gut vertragen. Der Verlauf der Erkrankung verbesserte sich<br />
in den Bereichen Mobilität, Aktivität, emotionale Stabilität und Lebensqualität deutlich. Im 3 jährigen<br />
Behandlungszeitraum zeigt sich nach initialer Regredienz eine dauerhafte Stabilisierung der Befunde.<br />
Die kognitiven Schwierigkeiten, betreffend den frontalen Cortex könnten auf eine entzündliche<br />
Beeinträchtigung der frontalen Myelinisierung während der Adoleszenz hinweisen. Im Hinblick auf die<br />
anhaltende Verbesserung unserer Patientin ist von einer Remyelinisierung auch bei Jugendlichen<br />
auszugehen, was in weiteren Untersuchungen zu überprüfen ist.<br />
P055<br />
Neuromyelitis Optica - diagnostische und therapeutische Unterschiede zur Multiplen Sklerose<br />
Herberhold T.M. 1 , Hasilik M. 1 , Bauer A. 1 , Wenner K. 1 , Lange-Hüsken F. 2 , Oh J. 3 , Bentele K.H.P. 1<br />
1 Universitätskinderklinik Hamburg-Eppendorf, Neuropädiatrie, Hamburg, Germany, 2 Universitätsklinik<br />
Hamburg-Eppendorf, Innere Medizin-Nephrologie, Hamburg, Germany, 3 Universitätskinderklinik<br />
Hamburg-Eppendorf, Nephrologie, Hamburg, Germany<br />
Einleitung: Die Neuromyelitis Optica (NMO) ist eine seltene Differentialdiagnose der Multiplen<br />
Sklerose (MS). Pathophysiologisch ist die NMO eine antikörpervermittelte Kanalerkrankung. Die<br />
Antikörper richten sich gegen Aquaporin 4 (AQP4), den wichtigsten Wasserkanal des ZNS, der in den
Fußfortsätzen der Astrozyten lokalisiert ist und den Wasseraustausch über die Bluthirnschranke<br />
steuert. Klinisch ist die NMO durch die Befundkombination einer ein- oder beidseitigen Optikusneuritis<br />
mit einer langstreckigen Myelitis charakterisiert. In der Unterscheidung zur MS ist der zwar<br />
eingeschränkt sensitive, aber sehr spezifische Nachweis von Anti-AQP4-Antikörpern wichtig. Typisch<br />
für die NMO - im Gegensatz zur MS - sind zudem eine deutliche Pleozytose (> 50 Zellen/µl) und das<br />
Fehlen oligoklonaler Banden im Liquor.<br />
Kasuistik: Wir präsentieren die Kasuistik einer 14 jährigen Patientin, bei der wir aufgrund der<br />
typischen Befundkombination einer Optikusneuritis und einer langstreckigen thorakalen Myelitis - trotz<br />
fehlender Anti-AQP4-Antikörper - die Diagnose einer NMO stellten. Bei hoher Schubfrequenz und<br />
jeweils nur kurzdauerndem Ansprechen auf wiederholte Cortisonstöße wurde, nachdem unter<br />
Plasmapherese eine schwere allergische Reaktion gegen Frischplasma (FFP) aufgetreten war, eine<br />
Immunadsorption über 7 Tage durchgeführt. Dabei konnte bei vollständiger Rückbildung der<br />
neurologischen Symptome eine bisher (> 5 Monate) dauerhafte Schubfreiheit erzielt werden.<br />
Diskussion: Plasmapherese und Immunadsorption bieten bei der NMO eine kausale und sehr<br />
wirksame Therapie, da die gegen AQP4 gerichteten Antikörper aus dem Blut entfernt werden und so<br />
die antikörpervermittelte Zerstörung des AQP4-Kanalproteins frühzeitig unterbrochen wird. Auch weil<br />
die in der Dauertherapie der MS eingesetzten Interferone bei der NMO meist nicht wirksam sind, ist<br />
bei der NMO - zusätzlich zu einer hochdosierten Cortisonstoß-Therapie bei akutem Schub - frühzeitig<br />
die Indikation zu einer Plasmapherese oder alternativ einer Immunadsorption zu stellen.<br />
P056<br />
Plasmapherese als Schubtherapie bei kindlicher Multiple Sklerose<br />
Kraus V. 1 , Franke C. 2 , Strotmann P. 1,3 , Makowski C. 1 , Burdach S. 1 , Hemmer B. 4<br />
1 Kinderklinik München Schwabing - Klinik und Poliklinik für Kinder- und Jugendmedizin, Klinikum<br />
Schwabing, StKM GmbH und Klinikum Rechts der Isar (AÖR) der Technischen Universität München,<br />
München, Germany, 2 Neurologische Praxis, München, Germany, 3 KfH Nierenzentrum, München,<br />
Germany, 4 Klinikum Rechts der Isar der Technischen Universität München, Neurologie, München,<br />
Germany<br />
Einführung: Während der letzten Jahre wurden die Empfehlungen und Möglichkeiten für die Therapie<br />
der Multiplen Sklerose im Kindesalter stetig erweitert. Insbesondere der frühe Einsatz<br />
immunmodulatorischer Medikamente und invasivere Akuttherapien wurden von Experten empfohlen.<br />
Fallbericht: Wir sahen ein 13-jähriges Mädchen mit schubförmig remittierender Multipler Sklerose.<br />
Sie entwickelte die ersten Symptome bestehend aus einer Fazialisparese und fazialen Parästhesien<br />
im Alter von 8 Jahren. Die Symptome bildeten sich nach Steroidtherapie vollständig zurück. Im Alter<br />
von 9 Jahren entwickelte sie einen zweiten Schub mit denselben Symptomen und kompletter<br />
Remission nach Steroiden. Im MRT des Gehirns zeigten sich disseminierte Läsionen der weißen<br />
Substanz und im Liquor oligoklonale Banden. Eine schubförmig remittierende Multiple Sklerose wurde<br />
nach den Mc Donald Kriterien diagnostiziert. Eine immunmodulatorische Therapie wurde mit<br />
Immunglobulinen und dann mit Interferon beta 1a subkutan durchgeführt. In den Folge-MRTs im Alter<br />
von 11 und 13 Jahren zeigte sich eine Zunahme der Läsionslast und zum Teil<br />
Kontrastmittelaufnahme. Im Alter von 13 Jahren stellte sie sich erstmals in unserer Klinik mit einem<br />
akuten MS-Schub vor bestehend aus generalisierter Ataxie, Dysarthrie, Spastizität, Inkontinenz und<br />
Parästhesien (EDSS 5.0). Das MRT zeigte eine hohe Läsionslast und eine generalisierte Hirnatrophie.<br />
Das Ansprechen der Symptome auf Steroide war gering. Es wurde eine Plasmapherese begonnen.<br />
Eine Reevaluation nach 3 Plasmaaustauschzyklen zeigte eine deutliche Symptombesserung, sodass<br />
wir insgesamt 7 Therapiezyklen durchführten (18,2 Liter Austauschvolumen). Nach 14 Tagen blieb als<br />
Restsymptomatik eine geringe Ataxie und eine Feinmotorikstörung (EDSS 2.5). Im MRT waren keine<br />
kontrastmittelaufnehmenden Läsionen mehr nachweisbar.<br />
Zusammenfassung: Die Plasmapherese war in diesem Fall eine sichere und effektive Schubtherapie<br />
bei kindlicher Multiple Sklerose. Sie sollte bei MS-Schüben, die sich auf Cortisontherapie nur<br />
unzureichend bessern, als Therapie erwogen werden.
P057<br />
Schwerer Beeinträchtigung der Gedächtnisfunktion als Leitsymptom eines akuten MS-Schubes<br />
-Zwei Fallberichte-<br />
Storm van's Gravesande K., Brehm M., Korinthenberg R., Mall V.<br />
Universitätsklinik Freiburg, Zentrum für Kinderheilkunde und Jugendmedizin Klinik für Neuropädiatrie<br />
und Muskelerkrankungen, Freiburg, Germany<br />
Das Auftreten von kognitiven Defiziten ist bei erwachsenen Patienten mit MS bekannt. Inwieweit<br />
kognitive Leistungsveränderungen nach Erstmanifestation der Multiplen Sklerose im Kindesalter und<br />
Jugendalter vorliegen ist bisher nicht klar.<br />
Wir beschreiben den klinischen und kognitiven Verlauf von 2 Patientinnen, bei denen sich ein Schub<br />
durch eine deutliche Beeinträchtigung der Gedächtnisleistung manifestierte. Nach Diagnosestellung<br />
und unter Therapie erfolgte bei beiden Patientinnen ein Testung der Intelligenz (K-TIM, CFT 20-R,<br />
HAWIK), Aufmerksamkeit (D2) und der verbalen Merk- und Lernfähigkeit (VMLT). Beide Patientinnen<br />
besuchten zuvor das Gymnasium mit guten schulischen Leistungen.<br />
Bei Diagnosestellung zeigten die Patientinnen im Rahmen des akuten Schubes neben motorischen<br />
Symptomen erhebliche Einschränkungen im Kurzzeitgedächtnis. Patientin 1 wies bei<br />
Diagnosestellung ein kognitives Leistungsniveau im unteren Normbereich (K-TIM; Gesamtintelligenz:<br />
79, Mittelwert = 100, SD15) sowie eine deutliche Schwächen im Bereich der Lern- und Merkfähigkeit<br />
auf . Ebenso zeigten sich massive Aufmerksamkeits- und Konzentrationsprobleme. Ein Jahr später<br />
ergab der CFT 20-R ebenfalls ein kognitives Leistungsniveau im unteren Normbereich (89). Es zeigen<br />
sich nun 1,5 Jahre nach Therapie unter Tysabri und kompletter Schubfreiheit keine wesentlichen<br />
Veränderungen in den Testergebnissen. Die schulischen Leistungen des Mädchens haben sich<br />
verschlechtert und können durch konsequentes Lernen nur noch eingeschränkt kompensiert werden.<br />
Patientin 2 stellte sich mit motorischen Symptomen einer spinalen Ataxie sowie starken Gedächtnis-<br />
und Konzentrationsproblemen vor. Im K-TIM erzielte das Mädchen einen Standardwert von 104,<br />
insgesamt ein Gesamtergebnis im Normbereich. Auch der Verbale Lern- und Merkfähigkeitstest zeigte<br />
sich im Normbereich. Im D2 Belastungstest erreichte das Mädchen ein unterdurchschnittliches<br />
Ergebnis in der Konzentrationsleistung. Ein Jahr später erfolgte eine Re-Testung, die soweit einen<br />
gleichbleibenden Befund erbrachte. Die Patientin macht derzeit Abitur.<br />
Die zwei Krankheitsverläufe demonstrieren die Notwenigkeit der Erfassung neuropsychologischer<br />
Defizite im Rahmen der Erkrankung, insbesondere wenn im Rahmen eines akuten Schubes eine<br />
Beeinträchtigung einer Gedächtnisleistung vorliegen. Der prädiktive Wert der kognitiven Leistungen für<br />
Schul- und Ausbildungserfolg sowie für die psychosoziale Teilhabe ist von besonderer Bedeutung.<br />
P058<br />
Vitamin D Spiegel bei Kindern und Jugendlichen mit Multipler Sklerose<br />
Blaschek A. 1 , Langhagen T. 2 , Bechtold-Dalla Pozza S. 3 , Heinen F. 1 , Müller-Felber W. 1<br />
1 Haunersches Kinderspital, Pädiatrische Neurologie, München, Germany, 2 Integriertes Forschungs-<br />
und Behandlungszentrum (IFB LMU), München, Germany, 3 Haunersches Kinderspital, Pädiatrische<br />
Endokrinologie, München, Germany<br />
Fragestellung: Wo liegen die Vitamin D Spiegel bei Kindern mit MS? Wie stellen sich diese zur<br />
Vergleichspopulation dar?<br />
Methodik: Routinemessung 25OH Vitamin D im Serum und Korrelation zu Kontrollen<br />
Ergebnis: Die Spiegel der Kinder mit MS liegen deutlich unter denen der Kontrollen. Ein suffizienter<br />
Vitamin D Spiegel wird bei den Patienten nicht gemessen.<br />
Schlussfolgerung: Die Bedeutung einer adäquaten Vitamin D Versorgung wird nach neueren<br />
Erkenntnissen nicht nur für die Knochenstoffwechselhomöostase benötigt. Vielmehr scheinen Vitamin<br />
D abhängige Prozesse an inflammatorischen Prozessen beteiligt zu sein. Die Frage weitergehender<br />
Maßnahmen wird diskutiert.
P059<br />
Klinische Untersuchungen der vestibulären und okulomotorischen Systeme bei Kindern und<br />
Jugendlichen mit demyelinisierenden Erkrankungen des Zentralen Nervensystems<br />
Langhagen T. 1 , Blaschek A. 2 , Heinen F. 2 , Müller-Felber W. 2 , Strupp M. 1<br />
1 Integriertes Forschungs- und Behandlungszentrum (IFB LMU), München, Germany, 2 Haunersches<br />
Kinderspital, Pädiatrische Neurologie, München, Germany<br />
Fragestellung: Welche Störungen der vestibulären und okulomotorischen Systeme finden sich bei<br />
Kindern mit demyelinisierenden Erkrankungen des ZNS? Sind diese Systeme häufig betroffen, welche<br />
Art und Schweregrade der Störungen liegen vor?<br />
Methodik: Im Rahmen einer Pilotstudie wurden Kinder mit demyelinisierenden Erkrankungen des<br />
ZNS mit einem standardisierten und validierten klinischen Untersuchungsansatz getestet, der MRT-<br />
Bildgebung, evozierte Potentiale, neuroorthoptische Untersuchungsverfahren sowie Posturographie<br />
und Ganganalyse umfasste.<br />
Ergebnis: Bislang wurden neun Kinder im Alter von 9 bis 17 Jahren systematisch beurteilt. Die<br />
Untersuchungen lassen sich im pädiatrischen Kollektiv standardisiert und in sinnvollem Zeitausmaß<br />
durchführen. Bei fast allen untersuchten Patienten lassen sich Veränderungen in den untersuchten<br />
Systemen nachweisen. In der Regel führten diese nicht zu gravierenden Einschränkungen. Gerade<br />
weil diese Veränderungen in der Regel subklinische Funktionsstörungen abbilden, leisten sie einen<br />
wichtigen Beitrag die Rolle der Hirnstammfunkionen im Verlauf demyelinisierender Erkrankungen.<br />
Schlussfolgerung: Untersuchungen der vestibulären und okulomotorischen Funktionen bei Kindern<br />
mit demyelinisierenden Erkrankungen des ZNS erlauben eine validierte und standardisierte<br />
Beurteilung des Hirnstamms und der Kleinhirnfunktion.<br />
P060<br />
Akute Varizellenenzephalitis bei einem 26 Monate alten Kleinkind<br />
Kalmus U., Wüller D., Pletziger E., Gerleve H.<br />
Christophorus Kliniken, Pädiatrie/ Neuropädiatrie, Coesfeld, Germany<br />
Hintergrund: Neurologische Erkrankungen durch das Varizella- Zoster- Virus (VZV) betreffen häufig<br />
immundefiziente, selten auch immunkompetente Kinder. Histopathologisch besteht eine Vaskulitis der<br />
kleinen oder großen Hirngefäße. Die Diagnose beruht auf dem klinischen Bild, der Liquor- PCR auf<br />
VZV- DNS, dem Nachweis einer intrathekalen Synthese von Anti- VZV- Antikörpern sowie der<br />
Bildgebung. Wir berichten hier über den Krankheitsverlauf eines Kleinkindes, bei dem es im Rahmen<br />
einer zunächst harmlos verlaufenden Varizelleninfektion zu einer akuten Varizellenenzephaltis kam.<br />
Befunde, Therapie und Verlauf: Ein zuvor gesunder, 26 Monate alter Junge wurde unter dem Bild<br />
eines komplizierten Krampfanfalls bei Fieber stationär aufgenommen. Die unter der Vorstellung einer<br />
Enzephalitis im Rahmen einer akuten Varizelleninfektion durchgeführte Lumbalpunktion ergab 1200/3<br />
Zellen und eine positive PCR auf VZV. MR-tomographisch konnte auf Grund eines erhöhten T2<br />
Signals und der Klinik die Diagnose einer akuten Varizellenenzephalitis gestellt werden. Trotz der<br />
intravenösen Therapie mit Aciclovir verschlechterte sich der klinische Zustand, der durch zunehmende<br />
Somnolenz, Dysarthrie, Ataxie und Intentionstremor gekennzeichnet war. Eine erneute<br />
Lumbalpunktion zeigte unter der intravenösen Behandlung mit Aciclovir einen deutlich rückläufigen<br />
Befund der Zellzahl und eine negative VZV- PCR. Wir führten die intravenöse Behandlung mit<br />
Aciclovir über insgesamt 14 Tage durch. Der Einsatz von Glukokortikoiden wird kontrovers diskutiert,<br />
wir haben uns gegen eine Behandlung entschieden. Vier Wochen nach Beendigung des stationären<br />
Aufenthaltes und einer 3- wöchigen neuropädiatrischen Frührehabilitation ist die Ataxie komplett<br />
rückläufig.<br />
Zusammenfassung: Die Varizellenenzephalitis ist eine gravierende neurologische Erkrankung.
Kernpunkt der Therapie ist eine wenigstens zweiwöchige intravenöse Gabe von Aciclovir. Diese lange<br />
Therapiedauer soll das Auftreten viraler Frührezidive verhindern.<br />
P061<br />
Akute transverse Myelitis nach Influenzaimpfung mit Beteiligung des gesamten Rückenmarkes<br />
Leiz S. 1 , Habelt C. 1 , Engelsberger I. 2 , Makowski C. 3 , Hiener U. 4 , Baethmann M. 1<br />
1 Klinikum Dritter Orden, Klinik für Kinder- und Jugendmedizin, München, Germany, 2 Kinderklinik und<br />
Poliklinik des Universitätsklinikums rechts der Isar der Technischen Universität München,<br />
Intensivmedizin und Dialyse, München, Germany, 3 Kinderklinik und Poliklinik des<br />
Universitätsklinikums rechts der Isar der Technischen Universität München, Neuropädiatrie, München,<br />
Germany, 4 Klinikum Dritter Orden, Kinderradiologie, München, Germany<br />
Die akute transverse Myelitis ist eine sowohl im Kindes- als auch Erwachsenenalter sehr seltene<br />
entzündliche ZNS-Erkrankung mit heterogener Ätiologie, Pathophysiologie, klinischer Manifestation<br />
und Prognose. Sie kann auch in Verbindung mit Impfungen auftreten. Wir berichten über einen 9<br />
Jahre alten Jungen, der drei Wochen nach einer Impfung gegen saisonale Influenza eine transverse<br />
Myelitis mit Ausdehnung der Entzündung auf das gesamte Rückenmark entwickelte. Zunächst<br />
bestand eine akute Monoparese des linken Beines. Die Magnetresonanztomographie zeigte<br />
Signalveränderungen über eine Länge von 9 Wirbelkörpern (BWK3-BWK11), die mit einer Myelitis zu<br />
vereinbaren waren. Die cerebrale Magnetresonanztomographie war unauffällig, insbesondere keine<br />
Zeichen einer ADEM. Die Latenzen der visuell evozierten Potentiale lagen im Normbereich. Die<br />
Liquordiagnostik ergab eine Schrankenfunktionsstörung ohne Pleozytose und ohne Hinweise auf eine<br />
intrathekale Antikörperproduktion. Ausführliche serologische und immunologische Untersuchungen<br />
einschließlich der antinukleären Antikörper und der Aquaporin 4 Antikörper blieben ohne auffällige<br />
Befunde. Es wurde eine Steroidpulstherapie begonnen. Dennoch kam es zu einer klinischen<br />
Verschlechterung mit vollständiger Paralyse der unteren und oberen Extremitäten sowie<br />
Beeinträchtigung der Atmung. Eine erneute Bildgebung zeigte eine Beteiligung des nahezu gesamten<br />
Rückenmarkes. Daher erfolgte eine Intensivierung der Therapie mit zusätzlich Plasmapherese und<br />
einem einmaligen Cyclophosphamidpuls.<br />
P062<br />
Neurologische Symptome bei serologisch aktiver Infektion mit Mykoplasma pneumoniae<br />
Kraus V. 1 , Strotmann P. 1,2 , Dressel P. 1 , Makowski C. 1<br />
1 Kinderklinik München Schwabing - Klinik und Poliklinik für Kinder- und Jugendmedizin, Klinikum<br />
Schwabing, StKM GmbH und Klinikum Rechts der Isar (AÖR) der Technischen Universität München,<br />
München, Germany, 2 KfH Nierenzentrum, München, Germany<br />
Einführung: Infektionen mit Mykoplasma pneumoniae sind bei Schulkindern häufig und führen zu<br />
Infektionen des Respirationstrakts. In der Literatur werden neurologische Komplikationen beschrieben.<br />
Fallbericht: Wir berichten über fünf Kinder mit neurologischen Symptomen. Diese reichten von viraler<br />
Meningitis, Enzephalitis/Meningitis, Enzephalopathie und Nephritis, Fazialisparese bis zu zerebraler<br />
Vaskulitis. Die Serologie für Mykoplasma pneumoniae war positiv, andere Infektionen wurden<br />
ausgeschlossen. Vorausgegangene Infektionen des oberen Respirationstrakts wurden bei drei<br />
Patienten berichtet, ein Patient hatte Symptome einer aktiven Luftwegsinfektion, ein anderer<br />
berichtete über Kopfschmerzen. Drei Patienten wurden mit Clarithromycin und zwei mit Doxicyclin<br />
behandelt. Bis zum Erhalt der Ergebnisse für andere Erkrankungen wurde ein Patient mit<br />
Cephalosporinen, Aciclovir und Kortikosteroiden, zwei Patienten mit Aciclovir behandelt. Bei den<br />
anderen drei Patienten wurde direkt die Therapie mit Clarithromycin oder Doxicyclin begonnen. Mit<br />
dem Erhalt der positiven Mykoplasma pneumoniae Serologie und Ausschluss anderer Ätiologien
wurden alle Patienten für 14 Tage mit Antibiotika behandelt. Die Symptome bildeten sich bei allen<br />
Patienten zurück, insbesondere bei Monotherapie mit Clarithromycin oder Doxicyclin war eine prompte<br />
klinische Besserung zu verzeichnen.<br />
Diskussion: Bei Patienten mit neurologischen Symptomen findet sich öfter eine positive Serologie für<br />
Mykoplasma pneumoniae. Seropositivität ist wegen Bystander-Aktivierung oft schwer zu<br />
interpretieren. Der Nachweis mittels PCR gelingt dagegen selten. Postinfektiöse neurologische<br />
Komplikationen hinterfragen zudem den Einsatz von Antibiotika. Wir haben alle Patienten mit<br />
Antibiotika behandelt und die Symptome bildeten sich in 3/5 der Patienten mit Monotherapie zurück.<br />
Weiterführende Studien in größeren Patientenkollektiven sind notwendig, die Seropositivität mit<br />
neurologischen Symptomen verbinden und den Effekt von Antibiotika beurteilen.<br />
P063<br />
Erfolgreiche Behandlung einer parainfektiösen Enzephalits mit Immunglobulien bei einem<br />
Jungen mit FraX<br />
Spiegler J., Reutlinger C.<br />
UKSH Campus Lübeck, Klinik für Kinder- und Jugendmedizin, Lübeck, Germany<br />
Im Alter von 2 Jahren fiel unser Patient mit einer Sprachentwicklungsverzögerung und Hyperaktivität<br />
auf. In der nachfolgenden Abklärung zeigte sich ein FraX-Syndrom als Ursache. Die<br />
Familienanamnese war positiv. Freies Laufen beherrschte der Junge mit 14 Monaten.<br />
Im Alter von 2 ½ Jahren erfolgte die stationäre Aufnahme, da den Eltern eine zunehmende<br />
Schläfrigkeit und Gangunsicherheit aufgefallen war. Er konnte nur noch mit Unterstützung laufen. Es<br />
zeigte sich eine schwere muskuläre Hypotonie. In den folgenden Tagen verschlechterte sich die<br />
Symptomatik, der Junge konnte sich nicht mehr selbständig fortbewegen und zeigte eine deutliche<br />
Ataxie, die zuvor nicht bestanden hatte. Im MRT fanden sich bilaterale Läsionen im Bereich der<br />
Basalganglien. Umfangreiche Serologien und Liquoruntersuchungen konnten keine infektiöse Ursache<br />
zeigen, umfangreiche immunologische und Stoffwechseluntersuchungen boten keine Erklärung für die<br />
beobachteten Symptome. Der Patient wurde zunächst mit Acyclovir behandelt bis eine Liquor-PCR<br />
einen unauffälligen Befund ergab. Da seine Hypotonie und Ataxie im stationären Verlauf weiter<br />
zunahmen behandelten wir nach 14 Tagen probatorisch mit intravenösen Immunglobulinen. Nach drei<br />
Gaben ivIG (0.6mg/kgKG) konnte der Junge wieder laufen und gezielt greifen. In den folgenden<br />
Wochen bildeten sich die Symptome vollständig zurück. Im MRT konnten die Läsionen zwei Monate<br />
später nicht mehr nachgewiesen werden.<br />
Diskussion: FraX ist der häufigste Grund für eine mentale Retardierung bei Jungen. Ataxie ist ein<br />
häufig beobachtetes Symptom, das auch schon bei Prämutationsträgern auffallen kann. Wir stellen<br />
einen Jungen mit erworbener schwerer Ataxie und Hypotonie vor, die erfolgreich mit Immunglobulinen<br />
behandelt wurde. Trotz umfagnreicher Bemühungen konnte keine Ätiologie für die klinischen<br />
Symptome und MRT-Veränderungen gefunden werden. Wir postulieren eine parainfektiöse<br />
Enzephalis.<br />
P064<br />
Phacomatosis pigmentovascularis und ausgedehnte venöse Malformation der Hirngefässe.<br />
Eine Assoziation oder neues neurokutanes vaskuläres Syndrom?<br />
Toelle S.P. 1 , Weibel L. 2 , Schiegl H. 3 , Boltshauser E. 1<br />
1 Universitäts Kinderkliniken, Neuropädiatrie, Zürich, Switzerland, 2 Universitäts Kinderkliniken,<br />
Dermatologie, Zürich, Switzerland, 3 Universitäts Kinderkliniken, Abteilung Bilddiagnostik, Zürich,<br />
Switzerland<br />
Einführung: Wir berichten über einen 16 jährigen intelligenten und sportlichen Jungen mit den<br />
kutanen Zeichen einer Phacomatosis pigmentovascularis (nicht klassifizierter Typ, Aspekt eines
Nävus anaemicus in Kombination mit café-au-lait-farbenen Hyperpigmentierungen) der linken<br />
Körperseite seit Geburt, im Verlauf der Jahre abgeblasst. Wegen Kopfschmerzen und unspezifischem<br />
Schwindel wurde eine kraniale Bildgebung gemacht. Diese zeigte eine eindrückliche Erweiterung der<br />
subependymalen bzw. tiefen und oberflächlichen medullären Venen rechts, kombiniert mit einer<br />
milden Atrophie der rechtsparietalen Region.<br />
Ergebnis: Wir spekulieren, dass die kutanen und venösen Fehlbildungen einen gemeinsamen<br />
Ursprung haben, vergleichbar mit kutanen kapillären Malformationen oder Hämangiomen, die<br />
kombiniert mit intrakraniellen arteriellen (nie venösen) Fehlbildungen gut beschrieben sind als<br />
Pascual-Castroviejo Typ II Syndrom, PHACE Syndrom oder Sturge-Weber Malformation. Die<br />
Kombination einer Phacomatosis pigmentovascularis und venösen Malformation der Hirngefässe<br />
wurde bislang nicht publiziert.<br />
Schlussfolgerung: Wir schlagen vor, Patienten mit Phacomatosis pigmentovascularis bezüglich<br />
venöser Gefässanomalien im Hirn zu untersuchen, sofern sich die Hautauffälligkeiten über Kopf und<br />
Hals erstrecken. Dies um ein möglicherweise neues vaskuläres neurokutanes Syndrom zu<br />
beschreiben, auch wenn die klinische Bedeutung unklar ist.<br />
P065<br />
Wie sedieren wir Kinder zur Liquoröffnungsdruckmessung? Erfahrungen aus einer<br />
deutschlandweiten Erhebung<br />
Tibussek D. 1,2 , Distelmaier F. 2 , Kummer S. 2 , Mayatepek E. 2 , ESPED<br />
1 Klinikum Leverkusen, Klinik für Kinder und Jugendliche, Leverkusen, Germany, 2 Universitätsklinikum<br />
Düsseldorf, Klinik für Allgemeine Pädiatrie, Düsseldorf, Germany<br />
Die Diagnosestellung eines Pseudotumor cerebris erfordert die Dokumentation eines erhöhten<br />
Liquoröffnungsdrucks. Im KIndesalter sind hierzu allerdings oft methodische Hürden zu überwinden.<br />
Ziel dieser Erhebung ist die Darstellung der aktuell üblichen Methodik der<br />
Liquoröffnungsdruckmessung in Hinblick auf die gewählte Sedierungsmethode und/oder Analgesie.<br />
Methodik: Im Rahmen der Deutschland-weiten ESPED-Erhebung zu allen Neudiagnosen<br />
"Pseudotumor cerebri" im Kindesalter zwischen Januar und Dezember 2008 wurden Fragebögen an<br />
meldende Kliniken geschickt, die neben klinischen Daten auch die Frage der Sedierung und Analgesie<br />
bei Liquoröffnungsdruckmessung erfassten.<br />
Ergebnisse: 61 Fragebögen konnten ausgewertet werden. Das Alter der Patienten lag zwischen 6<br />
Monaten und 17 Jahren. 29 Patienten (47%) erhielten keine Sedierung oder systemische Analgesie<br />
vor oder während der LP. Unter diesen befinden sich die 3 Kinder jünger als 2 Jahre. 32 KInder<br />
erhielten eine Sedierung, systemische Analgesie oder Narkose. Von diesen bekamen 9 Patienten<br />
Ketamin alleine oder in Kombination mit Midazolam. 7 Patienten wurden durch Midazolam alleine<br />
sediert, 2 erhielten Midazolam plus Piritramid. Propofol alleine wurde bei 3 Kinder, zusätzlich zu<br />
Midazolam bei einem Patienten gewählt. Ein Kind erhielt Allgemeinanaeshesie, Details hierzu wurden<br />
nicht berichtet. Von 9 Patienten erhielten wir keine Details über die gewählte Sedierung oder<br />
Analgesie.<br />
Schlussfolgerung: Es fehlt ein standardisiertes Vorgehen für die Messung des Liquoröffnungsdrucks<br />
im KIndesalter inbesondere im Hinblick auf die gewählte Sedierung und/oder Analgesie. Es ist zu<br />
befürchten, dass falsch positive, möglicherweise auch falsch negative Messungen bedingt durch<br />
Medikation oder unzureichende Analgosederung im Kindesalter nicht selten vorkommen.<br />
P066<br />
Migräne - das Chamäleon<br />
Böhmer J. 1 , Rufino A. 2 , Olsson I. 3<br />
1 Queen Silvia Children's Hospital - Sahlgrenska University, Gothenburg, Sweden, 2 Central Hospital<br />
Karlstad, Pediatrics Department, Karlstad, Sweden, 3 Queen Silvia Children's Hospital - Sahlgrenska<br />
University, Neurology Department, Gothenburg, Sweden
Fall 1: Ein 15 jähriges Mädchen erleidet linksseitigen Visusverlust mit retrobulbären Schmerzen. Auf<br />
der Basis von pathologischen VEP wird eine Neuritis nervi optici vermutet und behandelt. Der Visus<br />
kehrt nicht zurück, extensive Untersuchungen können keine Ursache finden; sie wird schließlich unter<br />
dem Verdacht einer psychosomatischen Erkrankung entlassen. Mehrere Monate später kehrt der<br />
Visus spontan zurück, verschwindet jedoch weiter regelmäßig, begleitet von Kopfschmerzen. Unter<br />
Topiramat wird sie fast beschwerdefrei.<br />
Fall 2: Ein 14-jähriges Mädchen hat monatlich Migräne, stellt sich nun aber mit konstantem<br />
Kopfschmerz vor. Sie zeigt erhöhte Zellzahl im Liquor, eine infektiöse Ursache wird nicht gefunden.<br />
Sie nimmt täglich NSAR, was zusammen mit dem Umstand, dass ihre regelmäßige Migräne<br />
verschwunden war, den Verdacht des Medikamenten-induzierten Kopfschmerzes weckte. Nach<br />
Entzug ist der Patient beschwerdefrei.<br />
Fall 3: Ein 4-jähriger Junge wird aufgrund von Kopfschmerz-Attacken, die von Übelkeit und<br />
Photophobie begleitet werden, extensiv untersucht. Im Liquor zeigen sich oligoklonale Banden, die im<br />
Verlauf verschwinden. Trotz Migräne-Profylaxe hat er regelmäßige Attacken, im Verlauf nun etwas<br />
milder und seltener.<br />
Fall 4: Ein 8-jähriger Junge erleidet plötzlich Kopfschmerzen mit Übelkeit während eines Hockey-<br />
Spiels. Ein CT ist o. p. B., er wird beschwerdefrei unter Analgetika. Einige Stunden später entwickelt<br />
er Fieber, die Ursache ist eine Enteroviren-Meningitis.<br />
Diskussion: Migräne verursacht enorme Kosten, teilweise aufgrund ungewöhnlicher Symptome, mit<br />
denen sich die Patienten vorstellen und die zu exzessiven Untersuchungen und stationären Aufhalten<br />
führen. Leukozyten im Liquor und prolongierte Aura sind relativ unbekannte Symptome bei Migräne.<br />
Inflammation und Infektion des ZNS können sich mit Migräne-artigen Symptomen präsentieren. Ein<br />
besseres Verständnis von Migräne, den klinischen Formen und ungewöhnlichen Symptomen ist<br />
wichtig, um Patienten und Gesundheitssysteme von überflüssigen Untersuchungen zu entlasten und<br />
die Prognose zu verbessern.<br />
P067<br />
Multiple zerebrale Infarkte durch Transiente Cerebrale Arteriopathie (TCA) nach Varizellen<br />
Prothmann A., Makowski C., Behrends U., Burdach S.<br />
Kinderklinik und Poliklinik des Universitätsklinikums rechts der Isar der Technischen Universität<br />
München, München, Germany<br />
Arteriell ischämische Schlaganfälle (AIS) werden bei Kindern oft durch Infektionen ausgelöst.<br />
Varizellen können Wochen oder Monate nach Infektion zu einer unilateralen intrakraniellen<br />
Vaskulopathie mit nachfolgenden Ischämien führen. Wir berichten hier über ein 11jähriges Mädchen,<br />
das bereits 7 Jahre vor Auftreten der akuten Ischämie an VZV erkrankt war. Das Kind stellte sich mit<br />
akuten Kopfschmerzen, einer Hemi- und Fazialisparese rechts sowie einer motorischen Aphasie in der<br />
Notaufnahme vor. Kein Trauma oder Infekt vorab. Bei schon vorher bekannten migräneartigen<br />
Kopfschmerzen und positiver Familienanamnese (Mutter und Bruder leiden an Migraine<br />
accompagnee) zunächst Verdacht auf eine komplizierte Migräne. Unter Analgesie und Hydrierung<br />
rasche Besserung. In der cMRT stellten sich multiple hyperakute, akute und ältere ischämische<br />
Läsionen im Mediastromgebiet links bei auffällig unruhiger Gefäßwandstruktur sowie eine filiforme<br />
Stenose der ACM links dar, dringend verdächtig auf Vaskulitis. Dopplersonografisch deutlich<br />
reduzierter Fluss in der ACI links ohne Hinweis auf Dissektion. Diagnostisch ergab sich kein Hinweis<br />
auf eine kardiale Ursache der Ischämien, eine Koagulopathie oder eine systemische<br />
Autoimmunerkrankung. Eine familiäre hemiplegische Migräne wurde durch genetische<br />
Untersuchungen weitgehend ausgeschlossen. Im Liquor zeigten sich eine lymphozytäre Pleozytose<br />
sowie eine positive VZV-PCR. Der Antikörper-Spezifitäts-Index (ASI) zeigte eine intrathekale IgG-<br />
Synthese, was an eine persistierende Varizelleninfektion denken ließ. Unter virustatischer Therapie,<br />
Antikoagulation bzw. Gabe von ASS zur Prävention weiterer AIS kam es zu einer raschen Besserung<br />
der Arteriopathie mit fast vollständiger Rückbildung der Stenose 4 Monate nach dem akuten Ereignis.<br />
Klinisch ist das Kind derzeit frei von neurologischen Symptomen, jedoch bestehen milde kognitive<br />
Beeinträchtigungen. Ungewöhnlich ist in diesem Fall die außergewöhnlich lange Latenz zwischen<br />
durchgemachter Windpockenerkrankung und dem Auftreten der Arteriopathie.
P068<br />
Cerebrovaskuläre Neuroborreliose als Ursache eines ischämischen Schlaganfalls bei einem<br />
12jährigen Jungen<br />
Saur V. 1 , Baethmann M. 1 , Hiener U. 2 , Peters J. 1 , Leiz S. 1<br />
1 Klinikum Dritter Orden, Klinik für Kinder- und Jugendmedizin, München, Germany, 2 Klinikum Dritter<br />
Orden, Kinderradiologie, München, Germany<br />
Infektionen mit Borrelia burgdorferi können verschiedene neurologische Krankheitsbilder verursachen,<br />
am häufigsten eine periphere Facialisparese. Cerebrovaskuläre Erkrankungen wurden hingegen nur<br />
sehr selten beschrieben. Wir berichten über einen 12 Jahre alten Jungen, der sich mit einer akuten<br />
linksseitigen Hemiparese vorstellte. Der Hemiparese war eine Prodromalphase mit zunehmenden<br />
Kopfschmerzen, Müdigkeit und Appetitverlust vorausgegangen. Die Magnetresonanztomographie<br />
zeigte einen ischämischen Infarkt der rechten Capsula interna und des lateralen Thalamus. Die<br />
Liquoruntersuchungen ergaben eine Pleozytose, eine Schrankenfunktionsstörung und eine<br />
intrathekale Antikörperproduktion. Ein hoher spezifischer Antikörperindex für Borrelien bestätigte<br />
schließlich die Diagnose einer Neuroborreliose. Eine zusätzliche Thrombophilie wurde<br />
ausgeschlossen. Neben der Antikoagulation mit Enoxaparin erfolgte eine Therapie mit Ceftriaxon<br />
intravenös, das nach Auftreten eines Arzneimittelexanthems durch Doxycyclin ersetzt wurde<br />
(Therapiedauer 4 Wochen). Das klinische Outcome des Patienten war hervorragend, nach 8 Wochen<br />
war keine Schwäche des rechten Armes oder Beines mehr zu erkennen. Eine Neuroborreliose sollte<br />
in die differentialdiagnostische Abklärung eines ischämischen Schlaganfalls im Kindes- und<br />
Jugendalter einbezogen werden, insbesondere bei Vorliegen einer Pleozytose.<br />
P069<br />
Fallbericht eines Patienten mit multiplen cerebralen Arterio- Venösen Malformationen<br />
Sterl E. 1 , Zeder S.L. 1 , Eder H.G. 2 , Klein G.E. 3 , Sorantin E. 4 , Gruber-Sedlmayr U. 5 , Brunner-Krainz M. 5 ,<br />
Plecko B. 5<br />
1 Univ.- Klinik für Kinder- und Jugendchirurgie, Graz, Austria, 2 Univ.- Klinik für Neurochirurgie, Graz,<br />
Austria, 3 Univ.- Klinik für Radiologie, Klinische Abteilung für vaskuläre und interventionelle Radiologie,<br />
Graz, Austria, 4 Univ.- Klinik für Radiologie, Klinische Abteilung für Kinderradiologie, Graz, Austria,<br />
5 Univ.- Klinik für Kinder- und Jugendheilkunde, Klinische Abteilung für Neuropädiatrie, Graz, Austria<br />
Einleitung: Arterio-Venöse Malformationen (AVM) treten mit einer Inzidenz von 1 zu 100000 pro Jahr<br />
auf und sind zu 30% die Ursache intracerebraler Blutungen bei jungen Erwachsenen. In 9% der<br />
Patienten mit cerebralen vaskulären Läsionen werden multiple AVM nachgewiesen. Häufig werden<br />
diese erst im Verlauf sichtbar. Multiple AVM sind im Rahmen von Syndromen, wie Rendu-Osler-<br />
Weber und Parkes-Weber-Syndrom (RASA I) beschrieben.<br />
Fallbericht: 13J, männl. Patient mit schwirrendem Geräusch über der li. A. carotis, subj. pulsatilem<br />
Tinnitus. Im 11LJ Entfernung einer vaskulären Malformation am re. Beckenkamm. Großvater im 45LJ<br />
an Myocardinfarkt verstorben, Cousin: Cerebrale Malformation.<br />
CE-Angiographie: Kombinierter durale-piale AVM im re. Stammganglienbereich und Hirnstamm,<br />
chron. erhöhter Liquordruck mit Ausweitung der Seitenventrikel, Herniation der Kleinhirntonsillen und<br />
Engstellung des 4. Ventrikels.<br />
Innerhalb von 4J wurden 10 interventionelle radiologische Therapien (Embolisationen/coils)<br />
durchgeführt. Außer einer passageren Hypästhesie des re. Oberschenkels zeigten sich keine<br />
neurologischen Symptome. Nach der 3. Embolisation fand sich eine weitere AVM cerebellär li.. Nach<br />
der 8. Embolisation trat eine retroperitoneale Blutung mit Scrotalhämatom re. auf, die gefäßchirurgisch<br />
versorgt wurde.<br />
Im Alter von 17J traten akute neurologische Symptome mit Hemiparese li. bei Stammganglienblutung<br />
re. auf. Zusätzlich zeigte sich ein Hydrocephalus communicans, der primär mittels externer<br />
Ventrikeldrainage sekundär mittels VP- Shunt versorgt wurde. Nach einer Shuntrevision trat eine<br />
Subdural- und Subarachnoidalblutung mit deutlicher neurologischer Verschlechterung auf. Zusätzlich
esteht ein schwer therapierbares, fokales Anfallsleiden.<br />
Untersuchung des RASA I Genlocus unauffällig<br />
Schlussfolgerung: Trotz 10-facher Embolisationen konnte eine Blutung mit schweren neurologischen<br />
Komplikationen nicht verhindert werden. Neben der Embolisation müssen in der Behandlung von AVM<br />
im Einzelfall neurochirurgische Resektionen, gamma-knife- Bestrahlung oder Kombinationstherapien<br />
erwogen werden.<br />
P070<br />
Aterieller ischämischer Schlaganfall bei einem Jugendlichen in Verbindung mit Anabolika und<br />
Cannabis Abusus.<br />
Karenfort M., Mayatepek E., Weber A.-A.<br />
Universität Düsseldorf, Klinik für Allgemeine Pädiatrie, Schwerpunkt Neuropädiatrie, Düsseldorf,<br />
Germany<br />
Einleitung: Aterielle ischämische Schlaganfälle werden bei Kindern und Jugendlichen zunehmend als<br />
Ursache für Morbidität und Mortalität wahrgenommen. Die Inzidenz liegt bei etwa 6 pro 100.000<br />
Personen-Jahren. Verursachende Faktoren unterscheiden sich signifikant von denen des<br />
Erwachsenen. Risikofaktoren sind chronische Krankheiten, Vaskulopathien, Infektionen,<br />
Herzerkrankungen, Traumata im Kopf und HWS-Bereich sowie eine Thrombophilie.<br />
Fallbericht: Wir berichten über einen bisher gesunden 16 4/12 Jahre alten Jugendlichen Bodybuilder,<br />
der plötzlich über Übelkeit und eine Schwäche im Bereich der rechtsseitigen Extremitäten klagte. Eine<br />
Magnetresonanztomographie 30 Stunden nach Beginn der Symptomatik zeigte eine subakute<br />
ischämische Läsion im linken Thalamus. Eine Magnetresonanzangiographie zeigte einen reduzierten<br />
Blutfluss in der Arteria carotis interna und in der Arteria cerebri media. Eine Dissektion wurde mit Hilfe<br />
einer conventionellen Angiographie ausgeschlossen. Sämtliche laborchemische Untersuchungen,<br />
inklusive eines Thrombophilie Screenings waren unauffällig. Im Urin zeigten sich dann jedoch<br />
Metabolite eines anabolen Steroides und von Cannabis.<br />
Schlussfolgerung: Dieser Fallbericht beschreibt erstmalig einen ischämischen Schlaganfall im<br />
Jugendalter in unmittelbarem Zusammenhang mit einem kombinierten Abusus von anabolen<br />
Steroiden und Cannabis und unterstreicht die Bedeutung eines Substanzabusus in der Genese von<br />
Schlaganfällen bei Jugendlichen.<br />
<strong>Postersession</strong> 4: Neurometabolik, neonatale Neurologie, Varia<br />
P071<br />
Therapeutische Modulation des zerebralen Lysinstoffwechsels in einem Mausmodell für die<br />
Glutarazidurie Typ I<br />
Sauer S.W. 1 , Opp S. 1 , Hoffmann G.F. 1 , Koeller D.M. 2 , Okun J.G. 1 , Kölker S. 1<br />
1 Universitätsklinikum Heidelberg, Zentrum für Kinder- und Jugendmedizin, Klinik I, Heidelberg,<br />
Germany, 2 Oregon Health and Science University, Departments of Pediatric, Molecular and Medical<br />
Genetics, Portland, United States<br />
Glutarazidurie Typ I (GA-I) ist eine angeborene Stoffwechselkrankheit des Lysinabbaus, die zur<br />
Akkumulation der neurotoxischen Glutarsäure und 3-Hydroxyglutarsäure sowie des nicht-toxischen<br />
Glutarylcarnitins führt. Die meisten unbehandelten Patienten entwickeln eine Dystonie aufgrund einer<br />
striatalen Schädigung. Diese kann bei vielen früh diagnostizierten Patienten durch eine kombinierte<br />
Stoffwechseltherapie bestehend aus einer lysinarmen Diät, Carnitinsupplementation und<br />
intermittierender Notfalltherapie während Infektionskrankheiten verhindert werden. Der biochemische<br />
Effekt dieser Behandlung auf das Gehirn ist jedoch unverstanden. Deshalb untersuchten wir den<br />
biochemischen Effekt der Stoffwechseltherapie in Gcdh-defizienten Mäusen. Eine lysinarme Diät, nicht<br />
aber die Carnitinsupplementation reduzierte die zerebrale Glutarsäure-Akkumulation. Die<br />
Carnitinsupplementation forcierte hingegen die Bildung von Glutarylcarnitin und verhinderte eine
Carnitindepletion. Die Wirkung der lysinarmen Diät wurde durch Gabe von Arginin noch verstärkt. Als<br />
zugrundeliegenden Mechanismus vermuten wir eine Kompetition dieser Aminosäuren an basischen<br />
Aminosäurentransportern der Blut-Hirn-Schranke und des Mitochondriums.<br />
Darüberhinaus zeigten wir, dass sich der hepatische und zerebrale Lysinmetabolismus deutlich<br />
voneinander unterschieden. Der mitochondriale Saccharopin-Abbauweg ist in der Leber<br />
vorherrschend, wohingegen der alternative Pipecolat-Abbauweg im Gehirn führend ist.<br />
Die Studie zeigt die grundlegenden Unterschiede zwischen zerebralem und hepatischem<br />
Lysinmetabolismus auf und erbringt zum erstenmal einen biochemischen Wirkungsnachweis für die<br />
lysinarme Diät und die Carnitinsupplementation. Eine Therapieoptimierung ist möglicherweise durch<br />
gezielte Ausnutzung der physiologischen Kompetition zwischen Lysin und Arginin zu erzielen.<br />
P072<br />
Mitochondriale Komplex I Defekte: neue Untersuchungsmethoden führen zu besserer<br />
genetischer Charakterisierung bei 150 Patienten<br />
Freisinger P. 1 , Haack T. 2 , Biste M. 2 , Madignier F. 2 , Ahting U. 3 , Rolinski B. 3 , Mayr J. 4 , Tesarova M. 5 ,<br />
Horvath R. 6 , Sperl W. 4 , Zeviani M. 7 , Meitinger T. 8 , Prokisch H. 2<br />
1 Klinikum Reutlingen, Kinderklinik, Reutlingen, Germany, 2 Helmholtz-Institut, Institut für<br />
Humangenetik, München, Germany, 3 Städt. Klinikum GmbH München, Medizet, München, Germany,<br />
4 Universität Salzburg, Kinderklinik, Salzburg, Austria, 5 Karls-Universität Prag, Kinderklinik, Prag,<br />
Czech Republic, 6 University of Newcastle, Dep. Neurology, Newcastle, United Kingdom, 7 University of<br />
Milan, Dept. of Neurology, Milano, Italy, 8 Institut für Humangenetik des Klinikums rechts der Isar der<br />
Technischen Universität München, München, Germany<br />
Defekte im Komplex I der Atmungskette (C I) sind mit ca. 30% eine der häufigsten Ursachen von<br />
Mitochondriopathien im Kindesalter. Das klinische Spektrum reicht von letalen<br />
Multisystemerkrankungen bis zu milden Myopathien. Über 80 % zeigen eine neurologische<br />
Beteiligung. Die Diagnose wird durch biochemische Analyse der C I- Aktivität in Muskel oder<br />
Fibroblasten gestellt. Die molekulargenetische Diagnostik ist bei diesen Patienten durch die Vielzahl<br />
der Kandidatengene (>80) schwierig und nur bei ca. 10% der Patienten vorhanden. Damit sind<br />
prognostische Einschätzung, genetische Beratung, Pränataldiagnostik aber auch die Entwicklung von<br />
Therapieansätzen schwierig.<br />
Wir haben mit hochauflösender Schmelzpunktanalyse (Idaho Light-Scanner) und Sanger<br />
Sequenzierung über 70 Kandidatengenen, die an Aufbau und Funktion von C I beteiligt sind, auf<br />
pathogene Mutationen untersucht. Mit dieser Strategie haben wir 150 Index- Patienten mit isoliertem C<br />
I-Defekt untersucht. Parallel dazu erfolgte eine Klassifizierung der Patienten mit einem Fragebogen<br />
mit ca. 80 meist klinischen Kennzeichen.<br />
In 30 Fällen haben wir pathogene Mutationen in 18 bereits bekannten Krankheits-genen, identifiziert,<br />
die häufigsten Mutationen im NDUFS1 (20 %). In zwei Genen, NDUFB9 und NDUFA10 wurden<br />
erstmals pathogene Mutationen gefunden. Die Analyse der klinischen Daten erlaubt eine, wenn auch<br />
noch eingeschränkte Genotyp/ Phänotyp- Korrelation.<br />
Aufgrund dieser Studie kann bei der molekulargenetischen Abklärung von Patienten mit einem C I-<br />
Defekt eine Einschränkung auf eine kleine Gruppe von Kandidaten-genen erfolgen. Die Auswahl wird<br />
zudem erleichtert durch die phänotypische Klassifizierung der Patienten.<br />
Trotz dieses umfassenden genetischen Screenings bleiben nahezu 80% der Fälle genetisch unklar.<br />
Hier sind andere Methoden, wie z. B. das Exom-Sequencing zur Identifizierung von Kandidatengenen<br />
notwendig und wurden im Rahmen eines weiteren mitoNET-Projektes begonnen.<br />
P073<br />
Mitochondrialer Komplex I-Defekt: Exom-Sequenzierung ermöglicht effiziente Diagnostik und<br />
identifiziert neues Krankheitsgen<br />
Haack T.B. 1,2 , Danhauser K. 1,2 , Haberberger B. 2 , Hoser J. 3 , Uziel G. 4 , Biskup S. 5 , Rolinski B. 6 , Schmidt
T. 3 , Wittig I. 7 , Zeviani M. 8 , Freisinger P. 9 , Meitinger T. 1,2 , Prokisch H. 1,2<br />
1 Institut für Humangenetik Helmholtz Zentrum München Neuherberg, Neuherberg, Germany, 2 Institut<br />
für Humangenetik des Klinikums rechts der Isar der Technischen Universität München, München,<br />
Germany, 3 Institute of Bioinformatics and Systems Biology, Helmholtz Zentrum München, München,<br />
Germany, 4 Unit of Child Neurology, Neurological Institute 'Carlo Besta'-Istituto Di Ricovero e Cura a<br />
Carattere Scientifico (IRCCS) Foundation, Milano, Italy, 5 CeGaT GmbH, Tübingen, Germany,<br />
6 Städtisches Klinikum München GmbH, Department Klinische Chemie, München, Germany,<br />
7 Molecular Bioenergetics, Medical School, Goethe-Universität Frankfurt, Frankfurt am Main, Germany,<br />
8 Unit of Molecular Neurogenetics, Neurological Institute 'Carlo Besta'-IRCCS Foundation, Milano, Italy,<br />
9 Klinikum am Steinenberg Klinik für Kinder- u. Jugendmedizin, Reutlingen, Germany<br />
Erkrankungen der mitochondrialen Atmungskette treten mit einer Inzidenz von 1 auf 5000<br />
Lebendgeburten auf. Etwa ein Drittel der Patienten haben einen isolierten Komplex I (KI)-Defekt.<br />
Aufgrund der klinischen und genetischen Heterogenität ist die Diagnose von KI Patienten schwierig.<br />
Meist stützt sie sich lediglich auf die biochemische Analyse von Biopsiematerial. Die meisten KI-<br />
Patienten bleiben ohne molekulare Diagnose. Um die Lücke zwischen der biochemischer Definition<br />
und der genetischen Ursache zu schließen, sind dringend neue Strategien notwendig.<br />
Neu entwickelte Technologien erlauben nun die Sequenzierung des Exoms. Das sind die 1,5% des<br />
menschlichen Genoms, die für Proteine kodieren.<br />
Hierbei ist die Herausforderung, aus den vielen hundert seltenen Varianten pro Individuum die<br />
krankheitsverursachenden Mutationen herauszufiltern. Die Exom-Sequenzierung wurde bislang<br />
erfolgreich bei konsanguinen Familien und Patientengruppen mit der gleichen seltenen Erkrankung<br />
angewandt.<br />
Uns gelang erstmals die Aufklärung der genetischen Ursache einer seltenen Erkrankung durch die<br />
Exom-Sequenzierung eines einzelnen Patienten. Die Pathogenität der neu gefundenen Varianten<br />
wurde durch die Korrektur des KI-Defekts in Zellkulturen von Patienten nach der Expression des<br />
wildtyp Gens bestätigt. Mit diesem Ansatz haben wir Mutationen in ACAD9, einem Gen aus der<br />
Familie der Acyl-CoA Dehydrogenasen (ACAD) gefunden, welches bisher nicht mit KI-Defekten<br />
assoziiert war. Durch die Untersuchung von 120 KI-Fällen konnten wir zwei weitere Indexpatienten<br />
identifizieren.<br />
ACADs sind Flavoproteine. FAD bindet und stabilisiert ACADs als Kofaktor. Die dreitägige<br />
Behandlung von Patienten-Zelllinien mit Riboflavin, einer Vorstufe von FAD, hatte eine signifikante<br />
Steigerung der KI-Aktivität zur Folge. Neue Veröffentlichungen und unsere eigenen klinischen<br />
Beobachtungen deuten auf einen positiven Effekt der hochdosierten Riboflavin-Behandlung bei<br />
ACAD9-Patienten hin.<br />
P074<br />
Langzeitverläufe bei Kindern mit Cytochrom-C-Oxidasedefekt und SURF-1-Mutation<br />
Makowski C. 1 , Tauer U. 1 , Ahting U. 2 , Prokisch H. 3 , Rolinski B. 2 , Freisinger P. 4<br />
1 Kinderklinik und Poliklinik des Universitätsklinikums rechts der Isar der Technischen Universität<br />
München, Kinderklinik des Klinikums Schwabing StKM, Neuropädiatrie, München, Germany,<br />
2 Städtisches Klinikum München, Department Klinische Chemie, München, Germany, 3 Technische<br />
Universität München, Institut für Humangenetik, München, Germany, 4 Klinik für Kinder- und<br />
Jugendmedizin, Klinikum am Steinenberg, Reutlingen, Germany<br />
Wir berichten über die Langzeitverläufe (max. 11 Jahre) von 5 Kindern mit Mitochondriopathie und<br />
gesicherten SURF-1-Mutationen.<br />
SSV, Geburt und postnatale Adaptation waren bei allen Kindern unauffällig. Ein Mädchen präsentierte<br />
sich sehr früh mit einer primären Entwicklungsverzögerung in den ersten Lebensmonaten, 2 Kinder<br />
fielen im ersten Lebensjahr auf, 2 weitere im zweiten Lebensjahr. Die Initialsymptome waren<br />
Muskelhypotonie bei allen 5 Kindern, Ataxie, teilweise Ernährungsstörungen bei recht guten mentalen<br />
Funktionen und gutem Sprachverständnis. Bei zwei Kindern bestanden früh Tachypnoen durch<br />
zentrale Laktatazidose. Laborchemisch fand sich bei allen Kindern eine inkonstante Laktatazidose im<br />
Plasma und eine Liquorlaktaterhöhung, teilweise zeigte sich auch ein erhöhtes Alanin im Liquor.<br />
Die Muskelbiopsien zeigten histologisch oft keine charakteristischen Befund, die Analyse der
Enzymkomplexe ergab bei allen 5 Kindern einen deutlichen Cytochrom-C-Oxidase-Mangel, der<br />
genetisch in allen Fällen durch Nachweis pathogener Mutationen im SURF-1-Gens bestätigt werden<br />
konnte. Die initialen MRT-Untersuchungen zeigten in 4/5 Fällen typische symmetrische<br />
Signalanhebungen unterschiedlicher Intensität, in einem Fall war das initale MRT unauffällig und<br />
zeigte typische Veränderungen im Sinne eines Leigh-Syndroms erst im Verlauf. Keines der Kinder<br />
hatte kardiale Probleme. Klinisch zeigten alle Kinder eine progressive Muskelschwäche, eine Ataxie<br />
und wiederholte Episoden von Erbrechen und Regression, wobei die Intensität und die Häufigkeit<br />
dieser Episoden sehr unterschiedlich und teilweise mit Ateminsuffizienz begleitet war. Die<br />
Notwendigkeit zur häuslichen Beatmung bestand bei 2 Kindern, einmal ab dem 2.LJ, einmal ab dem<br />
4.LJ. 2 Kinder zeigten einen eher gutartigen Verlauf, ein Mädchen kann mit Gehhilfe laufen.<br />
Zusammenfassung: Die Langzeitverläufe von Kindern mit Cytochrom-C-Oxidasedefekt und SURF1<br />
Mutationen sind sehr unterschiedlich und im zeitlichen Verlauf sehr variabel.<br />
P075<br />
Differentialdiagnose einer akuten Encephalopathie: Ornithin-Transcarbamylase (OTC)-Mangel<br />
mit akuter Entgleisung bei einem 7jährigen Mädchen<br />
Abels C. 1 , Fiedler B. 1 , Weimer W. 1 , Rutsch F. 2 , Kurlemann G. 1<br />
1 Klinik und Poliklinik für Kinder- und Jugendmedizin, Universitätsklinik Münster, Allgemeine Pädiatrie,<br />
Neuropädiatrie, Münster, Germany, 2 Universitätsklinik Münster, Bereich Angeborene<br />
Stoffwechselerkrankungen, Münster, Germany<br />
Der OTC (Ornithin-Transcarbamylase)-Mangel als häufigster Harnstoffzyklusdefekt (Prävalenz<br />
1:40.000-1:80.000) betrifft als X-chromosomal vererbte Erkrankung in der Regel Jungen mit<br />
frühzeitiger Manifestation und schwerem Verlauf. Das klinische Bild bei Mädchen ist auch innerhalb<br />
einer Familie variabel und abhängig vom Muster der X-Inaktivierung in der Leber.<br />
Wir berichten über ein 7 7/12 Jahre altes Mädchen mit bisher unauffälliger psychomotorischer<br />
Entwicklung, das sich mit seit 2 Tagen bestehendem Erbrechen und akut zunehmender Agitation,<br />
Dysarthrie, Mydriasis, intermittierender Schläfrigkeit und Desorientierung präsentierte.<br />
Die Symptomatik hatte 3 Stunden nach der letzten (im Vorfeld wiederholter) Dimenhydrinat-Gabe<br />
(Vomex®) begonnen. Nach Ausschluss einer Hypoglykämie und Elektrolytstörung, normalem CCT<br />
und unauffälliger Lumbalpunktion stand zuerst der Verdacht auf eine Intoxikation mit Dimenhydrinat im<br />
Vordergrund. Passend dazu bestanden die bei Kindern häufigen ZNS-Symptome wie Müdigkeit,<br />
Agitation, psychotische Symptome mit Harnverhalt, entsprechend des anticholinergen Wirkprofils des<br />
Medikaments.<br />
Retrospektiv bestanden bereits seit 9 Monaten rezidivierende Episoden mit Erbrechen und<br />
Bauchschmerzen nach dem Genuss eiweißreicher Speisen - bisher als chronische Gastritis gedeutet.<br />
Laborchemisch zeigte sich eine Hyperammonämie (Ammoniak im Plasma maximal 260 µmol/l), so<br />
dass bei V. a. einen Harnstoffzyklusdefekt als Initialtherapie kontinuierliche Glucoseinfusionen,<br />
Eiweißrestriktion sowie Natriumbenzoat-Gaben erfolgten. Der Verdacht auf einen OTC-Mangel konnte<br />
durch das Aminosäurenmuster im Serum (Glutamin erhöht, Citrullin erniedrigt) und eine massive<br />
Ausscheidung von Orotsäure bestätigt werden. Die molekulargenetische Diagnostik ergab die<br />
heterozygote Mutation R92Q (c.275G>A) im OTC-Gen als Spontanmutation bei unserer Patientin.<br />
Unter diätetischer Einstellung (Eiweißrestriktion unter Zufuhr essentieller Aminosäuren) sowie<br />
medikamentöser Therapie mit Natriumbenzoat, Natriumphenylbutyrat und Citrullin ist die Patientin<br />
zurzeit beschwerdefrei.<br />
Auch wenn nur etwa 10 % der weiblichen Merkmalsträger für einen OTC-Mangel symptomatisch<br />
werden, sollte dieser bei jeder unklaren akuten encephalopathischen Krise gerade bei Mädchen in die<br />
Differentialdiagnose miteinbezogen werden. Eine frühe Diagnosestellung mit entsprechender<br />
Therapieeinleitung ist für das langfristige neurologische Outcome entscheidend.
P076<br />
Biochemische und genetische Diagnostik in einem großen Patienten-Kollektiv mit Verdacht auf<br />
mitochondriale Syndrome<br />
Ahting U. 1 , Prokisch H. 2 , Makowski C. 3 , Hofmann W. 1 , Freisinger P. 4 , Rolinski B. 1<br />
1 Institut für Klinische Chemie Klinikum Schwabing, München, Germany, 2 Institut für Humangenetik, TU<br />
München, München, Germany, 3 Kinderklinik und Poliklinik der TU München, Kinderklinik des<br />
Klinikums Schwabing, München, Germany, 4 Klinik für Kinder- und Jugendmedizin, Klinikum am<br />
Steinenberg, Reutlingen, Reutlingen, Germany<br />
Fragestellung: Das Stoffwechselzentrum des Klinikum Schwabing befasst sich seit über 20 Jahren<br />
schwerpunktmäßig mit der Diagnostik mitochondrialer Erkrankungen. Überwiegend werden<br />
Muskelbiopsien untersucht.<br />
Methode: Hier analysieren wir die innerhalb der letzten fünf Jahre untersuchten Proben im Hinblick<br />
auf diagnostische Strategien.<br />
Ergebnis: Unter 1940 untersuchten Proben waren 1430 Muskelbiopsien. In 921<br />
Muskelgewebsproben wurden die Aktivitäten der Komplexe I-IV der RC (repiratory chain) gemessen.<br />
Molekulargenetische Untersuchungen wurden in 701 Proben durchgeführt.<br />
Bei 322 der 921 untersuchten Biopsien wurde ein Defekt eines oder mehrerer RC-Komplexe gefunden<br />
(35,0%). Dabei stellen die isolierten Komplex I-Defekte die größte Gruppe dar (118 = 36,6%), gefolgt<br />
von den kombinierten Komplex I- und IV-Defekten (66 = 20,5%).<br />
Bei den 701 molekulargenetisch untersuchten Proben fand sich bei 139 (19,8%) einen positiven<br />
Befund. Es wurden in 35 Proben Deletionen in der mtDNA (25,2%) und in 29 Proben eine Depletion<br />
der mtDNA (20,9%) gefunden. Interessanterweise war in den 20 Fällen einer mt DNA Deletion, in<br />
denen auch die Aktivität der RC untersucht wurde, nur in 7 Fällen ein Defekt der RC feststellbar.<br />
Hingegen wurde in den 19 Proben mit mtDNA Depletion, bei denen die Aktivität der RC gemessen<br />
wurde, in 16 Fällen ein Defekt der RC gefunden.<br />
In 253 Proben wurden primär, also ohne Messung der RC-Aktivität genetische Untersuchungen<br />
durchgeführt. In diesen Proben wurde in 72 Fällen (28,5%) ein positiver Befund festgestellt.<br />
Schlussfolgerung: Die Analyse der im Stoffwechselzentrum des Klinikum Schwabing untersuchten<br />
Proben zeigt den hohen Stellenwert der Muskelbiopsie in der Aufklärung einer vermuteten<br />
mitochondrialen Erkrankung. Gleichzeitig lassen die Daten den Schluß zu, dass eine unauffällige RC-<br />
Aktivität im Skelettmuskel eine Mitochondriopathie nicht ausschließt. Bei entsprechender klinischer<br />
Symptomatik ist in diesen Fällen eine weitergehende molekulargenetische Abklärung indiziert, wobei<br />
Untersuchung auf Deletionen und Depletion der mtDNA im Fokus stehen.<br />
P077<br />
Defekt des mitochondrialen Phosphatcarriers bei einer kombinierten mitochondrialen (Kardio-<br />
)Myopathie<br />
Mayr J. 1 , Zimmermann F. 1 , Horvat R. 2 , Schneider H.-C. 3 , Freisinger P. 3 , Sperl W. 1<br />
1 Universitätsklinik für Kinder- und Jugendheilkunde PMU, Salzburg, Austria, 2 Mitochondrial Research<br />
Group, Institute for Aging and Health, Newcastle University, Newcastle, United Kingdom, 3 Klinik für<br />
Kinder- und Jugendmedizin Perinatal- und Stoffwechselzentrum, Klinikum am Steinenberg,<br />
Reutlingen, Germany<br />
Der mitochondriale Phosphatcarrier ist ein essentielles Enzym der mitochondrialen ATP Synthese.<br />
Das Enzym wird in zwei verschiedenen Isoformen exprimiert, wobei diese durch alternatives Spleißen<br />
des SLC25A3 Gentranskripts entstehen. Ein erster Defekt des Phosphatcarriers wurde kürzlich als<br />
neuer Defekt der oxidativen Phosphorylierung beschrieben.<br />
Wir beschreiben hier eine zweite Familie mit drei betroffenen Kindern konsanguiner Eltern mit<br />
neonatalem Beginn einer hypertrophen Kardiomyopathie und generalisierter muskulärer Hypotonie<br />
aber normaler mentaler Entwicklung. Laktat war konstant erhöht. Einer der Patienten verstarb im<br />
Kleinkindalter, der Krankheitsverlauf bei den beiden überlebenden Patienten ist nicht progredient mit<br />
persistierender hypertropher Kardiomyopathie und muskulärer Atrophie. Der Älteste ist jetzt 17 Jahre
alt.<br />
In einer Muskelbiopsie waren die Atmungskettenenzyme sowie die Oligomycin sensitive ATPase<br />
normal. In der weiteren diagnostischen Aufarbeitung konnten wir eine homozygote intronische<br />
Mutation c.158-9A>G im SLC25A3 identifizieren, die an der 5'-intronischen Seite des Herz- und<br />
Skelettmuskel-spezifischen Exons 3A liegt. Durch diese Mutation entsteht eine neue<br />
Spleißakzeptorstelle, die in einer Insertion von 8 Basen in der mRNA resultiert. Das Spleißen an der<br />
Wildtyp-Spleißstelle ist um mehr als 95% verringert.<br />
Zusammenfassend sollte bei Patienten mit (Kardio-)Myopathie und konstant erhöhtem Laktat an einen<br />
Defekt des mitochondrialen Phosphatcarriers gedacht werden, vor allem wenn die Untersuchung der<br />
Atmungskettenenzyme ein normales Ergebnis zeigt.<br />
P078<br />
Pyruvat-Dehydrogenase-(PDH-)Mangel: Erstbeschreibung einer neuen Mutation der<br />
PDHcE1alpha Untereinheit bei Zwillingen mit dem klinischen Bild eines Guillain-Barré-<br />
Syndroms<br />
Bußmann C. 1 , Kotzaeridou U. 1 , Pietz J. 1 , Bauer M. 2<br />
1 Zentrum für Kinder- und Jugendmedizin, Universitätsklinikum Heidelberg, Abteilung für Pädiatrische<br />
Neurologie, Heidelberg, Germany, 2 Institut für Klinische Chemie und Molekulare Diagnostik, Klinikum<br />
der Stadt Ludwigshafen, Akadem. Lehrkrankenhaus der Universität Mainz, Ludwigshafen, Germany<br />
Wir berichten über monozygote Zwillingsbrüder, die sich im Alter von 3 Jahren mit dem klinischen Bild<br />
einer plötzlich aufgetretenen peripheren Muskelschwäche vorstellten, die initial an ein Guillain-Barré-<br />
Syndrom denken ließ. Die beiden Jungen hatten die Symptome zeitgleich nach einem fieberhaften<br />
Infekt entwickelt, jedoch in unterschiedlicher Ausprägung. Nach zwei bzw. sechs Monate kam es bei<br />
beiden Jungen zu einer vollständigen Genesung. Weitere krisenhafte Verschlechterungen traten bis<br />
zum Alter von jetzt 6 Jahren nicht auf. Aufgrund einer deutlichen Reduktion der Aktivität des<br />
Pyruvatdehydrogenase Komplexes in Lymphozyten wurde die Diagnose eines Pyruvat-<br />
Dehydrogenase-(PDH-)Mangels gestellt. Die Sequenzierung der x-chromosomal kodierten PDHc E1a-<br />
Untereinheit ergab bei beiden Jungen eine bisher nicht beschriebene de novo Mutation C535G, der<br />
einen Aminosäureautausch von Leuzin nach Valin an Position 179 des Genprodukts verursacht.<br />
P079<br />
Progressive dyskinetische spastische Parese bei einem Geschwisterpaar: eine neuartige<br />
Störung der Pyruvatoxidation<br />
Scheffner T. 1 , Mayr J. 2 , Rolinski B. 3 , Ahting U. 3 , Prokisch H. 4 , Sperl W. 2 , Freisinger P. 1<br />
1 Klinikum Reutlingen, Kinderklinik, Reutlingen, Germany, 2 Universität Salzburg, Kinderklinik, Salzburg,<br />
Austria, 3 Städt. Klinikum GmbH München, Medizet, München, Germany, 4 Helmholtz-Institut, Institut für<br />
Humangenetik, München, Germany<br />
Fall 1: Irakisches Mädchen, 12 J. , 2. von 4 Kindern konsanguiner Eltern mit einer bilateralen,<br />
progredienten, dyskinetischen spastischen Parese. Bis zum 4. LJ unauffällige Entwicklung, dann<br />
beginnender Tremor, zunehmende Dystonien, Rigor und Spastik der unteren, dann oberen<br />
Extremitäten. Skoliose und Verlust der Gehfähigkeit sowie der Sprachfähigkeit bei erhaltenem<br />
Sprachverständnis. Hypertrophe Kardiomyopathie und symptomatische <strong>Epilepsie</strong>. Mäßige<br />
Stabilisierung der Dystonien durch intrathekale Baclofenpumpe.<br />
Fall 2: 6-jähriger Bruder, ähnlicher Beginn im Alter von 4 ½ Jahren: fortschreitende Spastik, Dystonie<br />
der oberen Extermität, Rigor. Skoliose und Subluxation der li. Hüfte. Kognitive Funktionen normal. Bei<br />
beiden Patienten war rezidivierend Laktat im Serum (bis 17 mmol/l) und Urin erhöht. Ein MRT bei dem<br />
Mädchen im 6. LJ. wird als unauffällig beschrieben, mit 11 Jahren zeigt sich eine deutliche,
symmetrische striatale Signalanhebung. Mit 7 Jahren unauffällige Aktivität der<br />
Atmungskettenkomplexe I-IV im gefrorenen Muskel. Aufgrund des dringenden V. a. eine<br />
Mitochondriopathie (episodische Laktaterhöhung, typische MRT-Läsion) haben wir im Alter von 11<br />
Jahren die Muskelbiopsie wiederholt und die mitochondriale Funktion am frischen Muskel untersucht.<br />
Komplex I-V waren normal, es fiel jedoch eine eindeutige Verminderung der Pyruvatoxidation bei<br />
normaler Funktion des Pyruvatdehydrogenasekomplexes auf. Dieser Befund bestätigte sich in<br />
Fibroblasten. Damit konnten wir bei den Patienten eine bisher unbekannte Störung der<br />
Pyruvatoxidation diagnostizieren. Eine deswegen begonnene ketogene Diät bewirkte keine<br />
wesentliche klinische Besserung. Bemerkenswert ist, dass sich bei dem Bruder seit der Gabe von<br />
hochdosiertem Thiamin (200 mg/d) über 6 Monate die klinischen Symptome stabilisiert und die<br />
Dystonien verbessert haben, sodass es sich hier möglicherweise um eine bisher nicht beschriebene,<br />
thiaminabhängige Pyruvatoxidationsstörung handelt.<br />
P080<br />
Semi-automatische Quantifizierung des „demyelination load“ im MRT bei Kindern mit<br />
metachromatischer Leukodystrophie<br />
Clas P., Gröschel S., Krägeloh-Mann I., Wilke M.<br />
Universitätskinderklinik, Experimentelle pädiatrische Neurobildgebung und Abteilung für<br />
Neuropädiatrie, Tübingen, Germany<br />
Hintergrund: Die Metachromatische Leukodystrophie (MLD) ist eine seltene lysosomale<br />
Speichererkrankung, bei der es zur progredienten Demyelinisierung kommt. Dies kann mittels MRT<br />
sensitiv im Krankheitsverlauf sichtbar gemacht werden. Direkt gemessen werden kann das Volumen<br />
der Demylinisierung manuell, dies ist jedoch sehr arbeits- und zeitaufwändig. Daher wäre eine<br />
objektive, semi-automatische Methode zur Bestimmung des „demyelination load“ hilfreich.<br />
Zielsetzung: Das Ziel dieser Arbeit war die Entwicklung und Validierung eines Verfahrens, um den<br />
„demyelination load“ bei der MLD auf MRT-Bildern unterschiedlicher Qualität semiautomatisch zu<br />
bestimmen.<br />
Methoden: Eine multispektrale automatisierte Vorbearbeitung unterschiedlicher Sequenzen wird<br />
gefolgt von interaktiven Schritten, in denen der Benutzer die vorgeschlagenen Segmentierungen<br />
auswählt und modifiziert. Es kommen dabei iterative Intensitätsschwellenwertverfahren und Cluster-<br />
Segmentierung des Bildes zum Einsatz. Die Validierung der Methodik erfolgte durch den Vergleich mit<br />
manuell segmentierten Ergebnissen aus unserer Kohorte von ca. 70 Kindern mit MLD; zum<br />
gegenwärtigen Zeitpunkt liegen Ergebnisse von einer Subgruppe von 10 Kindern vor. Zielgröße war<br />
die Übereinstimmung der Demyelinisierung.<br />
Ergebnisse: Mit den von uns entwickelten Algorithmen ist der Zeitaufwand pro Patient deutlich<br />
geringer als mit einer manuellen Segmentierung (12±3 min vs 26±9 min, p< 0.01). Die<br />
Übereinstimmung der semiautomatisch mit dem manuell determinierten „demyelination load“ ist sehr<br />
hoch (Dice Koeffizient 0,80).<br />
Zusammenfassung: Das entwickelte Verfahren zur Bestimmung der „demyelination load“ bei MLD<br />
scheint eine schnellere und gleichzeitig genaue Methode zu sein, die Demyelinisierung im<br />
Krankheitsverlauf zu quantifizieren. Es kann für Kernspinaufnahmen unterschiedlicher technischer<br />
Qualität angewandt werden. Dies ist insbesondere relevant für die Evaluierung von neuen<br />
Therapiestrategien.<br />
P081<br />
Psychopathologie der CLN3-Krankheit: Korrelation mit Krankheitsverlauf und Lebensqualität<br />
Kissenbeck C. 1 , Hartmann M. 2 , Barkmann C. 2 , Kilian D. 1 , Richterich A. 3 , Schulte-Markwort M. 2 ,<br />
Kohlschütter A. 1 , Schulz A. 1
1 Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, Klinik für Kinder- und Jugendmedizin, Hamburg, Germany,<br />
2 Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, Abteilung für Kinder- und Jugendpsychosomatik, Hamburg,<br />
Germany, 3 Helios Kliniken Bochum, Klinik für Kinder- und Jugendpsychosomatik, Bochum, Germany<br />
Einführung: Die CLN3-Krankheit gehört zu den häufigsten erblichen degenerativen Hirnerkrankungen<br />
des Kindes- und Jugendalters. Die Hauptsymptome umfassen Visusverlust, Demenz, <strong>Epilepsie</strong> und<br />
psychomotorischer Abbau. Obwohl die psychopathologischen Symptome eine grosse Belastung für<br />
betroffene Patienten und deren Familien darstellen, gibt es nur wenige Studien, die sich mit diesem<br />
Aspekt der Krankheit und dessen Effekt auf die Lebensqualität detailliert befassen.<br />
Ziele:<br />
1) Systematische Analyse der psychopathologischen Symptome der CLN3-Krankheit in Bezug auf den<br />
generellen Krankheitsverlauf<br />
2) Untersuchung der Auswirkung dieser psychopathologischen Symptome auf die Lebensqualität der<br />
Betroffenen.<br />
Methodik: 32 Patienten mit genetisch gesicherter CLN3-Krankheit wurden untersucht (14 männliche,<br />
18 weibliche Patienten, Durchschnittsalter 16.6 ± 4.2 Jahre, Altersspanne 7.1 bis 32.7 Jahre). Die<br />
psychopathologischen Symptome und die psychiatrische Diagnose wurden durch einen Kinder- und<br />
Jugendpsychiater mit Hilfe eines psychiatrischen Interviews sowie weiterer psychiatrischer<br />
Testmethoden erhoben. Der generelle Krankheitsverlauf wurde mittels eines krankheitsspezifischen,<br />
etablierten Scoring-Systems beurteilt. Die Lebensqualität wurde mit Hilfe eines Eltern-Fragebogens<br />
untersucht, welcher im wesentlichen Teile des etablierten Messinstrumentes für die Lebensqualität<br />
von Kindern (EQ-5D) enthält.<br />
Ergebnisse und Schlussfolgerung: Erste Ergebnisse zeigten, dass psychopathologische<br />
Auffälligkeiten bei CLN3-Patienten häufig, von signifikant klinischer Bedeutung und teilweise auch<br />
krankheitsspezifisch sind. Alle Patienten erhielten die psychiatrische Diagnose einer Demenz, welche<br />
in den meisten Fällen (n=20) mit zusätzlichen psychiatrischen Symptomen wie zumeist<br />
Halluzinationen, Depression oder gemischte Symptomen vergesellschaftet war. Acht Patienten hatten<br />
eine zweite, weitere psychiatrische Diagnose wie zum Beispiel eine Zwangsstörung. Der Schweregrad<br />
der Symptome korrelierte nicht immer mit dem generellen Forschreiten der Krankheit, hatte aber einen<br />
eindeutig negativen Effekt auf die Lebensqualität der Patienten und deren Familien. Das Erkennen<br />
und die erfolgreiche Behandlung psychopathologischer Symptome in CLN3 Patienten wird deren<br />
Lebensqualität verbessern.<br />
P082<br />
Patientenpass für die Therapie-Dokumentation bei Morbus Gaucher<br />
Brixius-Huth M. 1 , Heidrich A. 1 , Reinke J. 1 , Beck M. 1 , Mengel E. 1 , von Rhein M. 2<br />
1 Zentrum für Kinder-und Jugendmedizin, Universitätsmedizin der Johannes Gutenberg-Universität<br />
Mainz, Villa Metabolica, Mainz, Germany, 2 Zentrum für Kinder-und Jugendmedizin,<br />
Universitätsmedizin der Johannes Gutenberg-Universität Mainz, Neuropädiatrie, Mainz, Germany<br />
Hintergrund: Morbus Gaucher ist eine autosomal rezessiv vererbte lysosomale Speichererkrankung,<br />
die als nicht-neuropatische Form (Typ I) und neuropatische Form (Typ II und III) auftritt. In<br />
Deutschland gibt es etwa 250 Gaucher Patienten, weltweit sind es ungefähr 4000. Seit 20 Jahren<br />
kann M. Gaucher durch eine regelmäßige Enzymersatztherapie (enzyme replacement therapy, ERT)<br />
erfolgreich behandelt werden. Eines der Ziele ist dabei die möglichst lange Erhaltung der Mobilität bei<br />
der neuropathischen Form von M. Gaucher. Dabei wäre ein übersichtliches<br />
Dokumentationsinstrument für die Steuerung und Überwachung der Therapie von großem Wert.<br />
Methoden: Entwicklung eines Patientenausweises mit allgemeinen Informationen über die Gaucher<br />
Erkrankung, Notfallmanagement, betreuende Ärzte bzw. Zentren, Patientendaten, Kurzanamnese,<br />
detaillierte Informationen über die fortlaufende ERT (Datum, Enzymmenge und Chargennummer). Der<br />
jährlich zu erneuernde Infusionspass wird den Patienten und den betreuenden Zentren derzeit<br />
flächendeckend zur Verfügung gestellt.<br />
Ergebnis und Schlussfolgerung: Der Patientenpass für die Therapie-Dokumentation bei Morbus<br />
Gaucher bietet eine bequeme und effiziente Möglichkeit, die individuelle Enzymersatztherapie beim<br />
Patienten übersichtlich zu dokumentieren. Sowohl die Patienten als auch Pflegepersonal und Ärzte<br />
haben die Möglichkeit, alle wichtigen Informationen auf eine kompakte und transparente Weise zu
erfassen und zu überblicken, um die bestmögliche Behandlung zu erzielen.<br />
Ausblick: Die computergestützte Dokumentation der Visiten und Verknüpfung der Datenbanken<br />
verschiedener Zentren sind weitere Schritte zur Therapieoptimierung.<br />
P083<br />
Zwei Kinder mit verschiedenen Remethylierungsdefekten: klassische und ungewöhnliche<br />
Präsentation, Diagnosestellung, Verlauf von Klinik und MRT unter Therapie mit Betain,<br />
Cobalamin, Folat und Carnitin im Vergleich<br />
Baethmann M. 1 , Noss J. 1 , Leiz S. 1 , Hiener U. 2 , Fowler B. 3 , Marquardt T. 4 , Schwahn B. 5<br />
1 Klinikum Dritter Orden, Pädiatrie, München, Germany, 2 Klinikum Dritter Orden, Radiologie, München,<br />
Germany, 3 University Children's Hospital, Metabolic Unit, Basel, Switzerland, 4 Uniklinikum Münster,<br />
Klinik für Kinder- und Jugendmedizin, Münster, Germany, 5 Royal Hospital for Sick Children, Yorkhill<br />
Hospitals, NHS Greater Glasgow and Clyde, Paediatric Metabolic Medicine, Glasgow, United Kingdom<br />
Störungen im Methylgruppentransfer von Homozystein zu Methionin führen zu einem Mangel an S-<br />
Adenosylmethionin, das Methylgruppen unter anderem für die Myelinbildung im kindlichen Gehirn<br />
bereitstellt. Wir berichten über zwei Patienten, bei denen im Säuglingsalter zwei verschiedene Defekte<br />
des Folat-abhängigen Methylgruppentransfers diagnostiziert wurden: infantiler 5,10-<br />
Methylentetrahydrofolatreduktase (MTHFR) Defekt und Methioninsynthasemangel -früher cblG Defekt.<br />
Die klassische Symptomatik des Patienten mit MTHFR Defekt bestand in einer sekundären<br />
Mikrozephalie, Krampfanfällen, muskulärer Hypotonie, Dystonie und Entwicklungsstörung. Das Kind<br />
mit Methioninsynthasemangel zeigte hingegen initial ein sepsisähnliches Krankheitsbild mit<br />
Gedeihstörung, Erbrechen, einer schweren respiratorischen Beeinträchtigung, Neutropenie,<br />
hämolytischer Anämie und Ekzem. Bis auf die sekundäre Mikrozephalie traten die typischen<br />
neurologischen Symptome erst im Verlauf hinzu. Die cerebrale MRT wies bei beiden Kindern<br />
ausgedehnte Hygrome sowie eine Substanzminderung des Marklagers auf. Die Ergebnisse der<br />
Labordiagnostik bei Manifestation und unter Therapie, die genetischen Grundlagen der beiden<br />
Erkrankungen sowie die Entwicklung der Kinder und Veränderungen der MRT Befunde unter Therapie<br />
werden vorgestellt und verglichen.<br />
Remethylierungsdefekte können sich klinisch einerseits als neurologische Erkrankungen im<br />
Säuglingsalter manifestieren, aber auch mit nicht-neurologischen Symptomen einhergehen. Sie<br />
müssen in die diagnostischen Algorithmen bei sekundärer Mikrozephalie, Entwicklungsstörungen und<br />
Krampfanfällen mit einbezogen werden. Die Entwicklungsprognose ist abhängig von einer möglichst<br />
zeitigen Diagnose und konsequent durchgeführten Substitutionsbehandlung mit Betain, Cobalamin,<br />
Folat und ggf. Carnitin.<br />
P084<br />
Schwere neonatale Hypotonie und Methylmalonacidurie im Neugeborenenscreening bei<br />
SUCLG1 Mangel<br />
Koch J. 1 , Mayr J. 1 , Rauscher C. 1 , Bodamer O. 1 , Hung C. 1 , Wagner O. 2 , Sperl W. 1<br />
1 Universitätsklinik für Kinderheilkunde und Jugendmedizin, Paracelsus Medizinische Privatuniversität,<br />
Salzburg, Austria, 2 Landes- Frauen- und Kinderklinik, Linz, Austria<br />
Die Methylmalonacidurie (MMA) wird im TMS Neugeborenenscreening (NGS) über erhöhtes<br />
Propionylcarnitin erfasst. Die zu Grunde liegenden Differentialdiagnosen sind vielfältig. Wir<br />
beschreiben den Fall eines neugeborenen Mädchens mit intrauteriner Wachstumsretardierung. Im<br />
NGS fiel erhöhtes Propionylcarnitin, in den Kontrollen eine erhöhte MMA im Harn (150mmol/mol<br />
Kreatinin) auf, das Laktat im Serum war konstant erhöht (5-13 mmol/L). Klinisch war das Kind sehr<br />
hypoton, sie zeigte eine Saugschwäche. Die Kombination der Symptome ließ uns an einen Defekt der<br />
SuccinylCoA Ligase (SUCL) denken. Defekte in den zwei Untereinheiten der SUCL wurden kürzlich<br />
als Ursachen einer mitochondrialen DNA (mtDNA) Depletion beschrieben. Die Patienten zeigen eine
mäßig erhöhte MMA und eine Enzephalopathie in Kombination mit einer Hepatopathie (SUCLG1) oder<br />
Myopathie (SUCLA2). Bei unserer Patientin fand sich im Alter von 3 Wochen biochemisch in der<br />
Muskelbiopsie ein kombinierter Atmungskettendefekt, der Gehalt an mtDNA war auf 5% der Norm<br />
reduziert. Die Sequenzierung von SUCLA2 war unauffällig, in SUCLG1 fanden sich die neuen<br />
Mutationen c.677G>A p.Gly227Arg and c.523-1G>A compound heterozygot. Der klinische Verlauf des<br />
Kindes war rasch progredient mit ausbleibender Entwicklung, schweren Ernährungsproblemen in<br />
Folge der Trinkschwäche, persistierender muskulärer Hypotonie, persistierender Hyperlaktatämie und<br />
frühem Tod im Alter von 4 Monaten. Im Gegensatz zu den bisher beschriebenen Kindern mit SUCLG1<br />
Mutationen hatte unser Mädchen keine Hepatopathie, die Leberwerte waren nur leicht erhöht (GOT90<br />
U/l, GPT 100 U/l). Sie hatte weder zerebrale Krampfanfälle, noch eine Hörstörung noch eine<br />
Opticusatrophie. Wir beschreiben erstmals ein Kind mit einer primär myopathischen Verlaufsform<br />
einer SUCLG1 Mutation, bestätigt durch den hohen Grad der mtDNA Depletion im Muskelgewebe.<br />
Zusammenfassend empfehlen wir, bei Kindern mit moderat erhöhter MMA in der Differentialdiagnose<br />
an ein mtDNA Depletionssyndrom zu denken, insbesondere wenn Laktat erhöht ist.<br />
P085<br />
Okulokutaner Albinismus<br />
Koch K.A., Bussmann C.B.<br />
ZKJM Heidelberg, Neuropädiatrie, Heidelberg, Germany<br />
Der okulokutane Albinismus ist eine weltweit verbreitete Erkrankung, die alle ethnischen Gruppen und<br />
auch Wirbeltiere betreffen kann. Ursache ist eine Störung der Melaninsynthese oder des<br />
Melanintransports. Die Abgrenzung zu Normvarianten der Pigmentierung kann schwierig sein.<br />
Beim Menschen unterscheidet man verschiedene hereditäre Formen, deren Häufigkeit weltweit<br />
variiert. Die in Mitteleuropa häufigste Form ist der OCA Typ 1 (Varianten OCA 1A oder1B,<br />
Tyrosinasemangel, Genlocus 11q14.3). Die Patienten zeigen keine oder kaum Pigmentbildung an<br />
Haut, Iris und Retina mit resultierender Hautemfindlichkeit und Lichtscheu. Andere Formen zeigen<br />
braune oder rötliche Pigmentierungen der Haare. OCA Typ 2 und 3 sind in der afrikanischen<br />
Bevölkerung verbreitet.<br />
Am Auge liegen zusätzlich eine Hypoplasie der Fovea und eine abnorme Fasernkreuzung der Nn.<br />
optici vor. Dies führt zu einer komplexen Sehbehinderung mit Visus < 30% und erfordert eine spezielle<br />
Förderung und Einbindung der Kinder (z. B. an Sehbehinderten-Einrichtungen).<br />
Prophylaxe und Therapie bei OCA: Sonnenschutz, lichtfilternde Brillen (Kantenfiltergläser), Sehhilfen,<br />
soziale Integration, individuelle Beschulung, Lese-Hilfsmittel einschließlich Schreib-Computer,<br />
Beratung der Familien.<br />
Eine pränatale Diagnostik ist bei Kenntnis des Gen-Defektes möglich.<br />
P086<br />
Induktion des neuronalen Migrationsfaktors CXCR4 durch pharmakologische HIF-Stabilisation<br />
im neonatalen Gehirn der Maus<br />
Schneider C. 1 , Walkinshaw G. 2 , Gassmann M. 3 , Trollmann R. 1<br />
1 Universitätsklinikum Erlangen, Klinik für Kinder und Jugendliche, Erlangen, Germany, 2 FibroGen Inc.,<br />
South San Francisco, United States, 3 Universität Zürich, Institut für Veterinärphysiologie und Zentrum<br />
für Integrative Humanphysiologie (ZIHP), Zürich, Switzerland<br />
Einleitung: Hypoxie kann zu Fehlregulationen der neuronalen Migration und kortikalen<br />
Strukturbildung führen. Der Chemokinrezeptor CXCR4 und sein physiologischer Ligand SDF-1 sind<br />
Hypoxie-regulierte Migrationsfaktoren, die eine wichtige Funktion in der frühen Gehirnentwicklung<br />
haben und die Rekrutierung neuronaler Stammzellen in hypoxisch geschädigte Regionen des adulten<br />
Gehirns modulieren. Inwieweit diese Faktoren regenerative Prozesse nach hypoxischer Schädigung<br />
des unreifen Gehirns induzieren, ist ungeklärt. Mit vorliegender Studie wurde untersucht, ob durch
pharmakologische und hypoxische Stimulation des Transkriptionsfaktors HIF Migrationsfaktoren<br />
(CXCR4, SDF-1) im neonatalen Gehirn der Maus beeinflusst werden.<br />
Methodik: Neonatale Mäuse (P7) wurden mit Prolyl-Hydroxylase Inhibitor (PHI) FG-4497 (60-<br />
100mg/kg, i.p.) behandelt. 6h nach Injektion erfolgte die Inkubation unter Normoxie oder akuter<br />
systemischer Hypoxie (8% O2, 6h). Die Quantifizierung der zerebralen Expression von VEGF, CXCR4<br />
und SDF-1 erfolgte mittels RT-PCR, Proteinnachweise mittels Western Blot (HIF-α) und<br />
Immunfluoreszenz (CXCR4).<br />
Ergebnisse: FG-4497 führte zur zerebralen Akkumulation von HIF-1α und -2α. Die funktionelle<br />
Aktivierung des HIF-Systems zeigte sich durch signifikante Induktion von VEGF (p< 0.01). Hypoxie<br />
hatte keine Effekte auf die mRNA-Expression von CXCR4 und SDF-1 (p> 0.05). Unter PHI-<br />
Behandlung hingegen stiegen die CXCR4 mRNA-Konzentrationen signifikant an (60mg/kg, p< 0.05;<br />
100mg/kg, p< 0.01). Dies bestätigte sich immunhistochemisch. Unter Hypoxie zeigten sich additive<br />
Effekte (60 mg/kg, p< 0.001).<br />
Schlussfolgerung: PHI aktiviert entwicklungsrelevante Migrationsfaktoren, die in adaptive<br />
Mechanismen des unreifen Gehirns unter akuter Hypoxie involviert sind. Dies impliziert regenerative<br />
Eigenschaften und ein mögliches therapeutisches Potential des FG-4497 bei perinataler hypoxischer<br />
ZNS-Schädigung.<br />
P087<br />
Referenzintervalle für Katecholamin-Spiegel bei Neugeborenen zur Diagnostik des Menkes-<br />
Syndrom<br />
Smitka M. 1 , Hume R. 2 , Schallner J. 1 , Hübner A. 1 , Brocke K. 1 , Eisenhofer G. 3<br />
1 Klinik für Kinder und Jugendmedizin, Universitätsklinikum Carl G. Carus, TU Dresden,<br />
Neuropädiatrie, Dresden, Germany, 2 Maternal and Child Health Sciences, University of Dundee,<br />
Ninewells Hospital and Medical School, Dundee, United Kingdom, 3 Institut für Klinische Chemie und<br />
Labormedizin, Universitätsklinikum Carl G. Carus, TU Dresden, Dresden, Germany<br />
Das Menkes-Syndrom (#309400) ist eine neurodegenerative Erkrankung mit gestörtem<br />
Kupferstoffwechsel, verursacht durch Mutationen im ATP7A-Gen. Klinisch kommt es zu Symptomen<br />
wie muskuläre Hypotonie, globale Retardierung und Krampfanfälle. Die Patienten versterben meist in<br />
den ersten drei Lebensjahren. Therapeutisch kann Kupferhistidin verabreicht werden, wobei ein<br />
Therapiebeginn in den ersten Lebenswochen entscheidend für die Prognose ist. Eine Bestimmung<br />
von Kupfer und Coeruloplasmin im Serum zeigt insbesondere bei Neugeborenen eine unzureichende<br />
Spezifität und Sensitivität. Sowohl die Untersuchung der Kupferbelastung in Fibroblasten, als auch die<br />
molekulargenetische Analyse benötigen eine relativ lange Zeitdauer bis zur Diagnose. Daneben kann<br />
auch eine Bestimmung der Katecholamin-Spiegel im Plasma erfolgen. Aufgrund des Defektes der<br />
Kupfer-abhängigen Dopamin-β-hydroxylase kommt es zu einem Mangel an Noradrenalin und<br />
Dihydroxyphenylglycol (DHPG), sowie zu einem Überangebot an Dopamin und<br />
Dihydroxyphenylacetylsäure (DOPAC). Insbesondere der Quotienten aus DOPAC/DHPG wird in der<br />
Literatur als zuverlässiges Instrument zur Diagnosestellung beschrieben. Normwerte der<br />
beschriebenen Katecholamin-Spiegel im Säuglingsalter wurden bisher nicht veröffentlicht.<br />
Wir berichten von einem Patienten mit molekulargenetisch gesichertem Menkes-Syndrom, den<br />
entsprechenden Katecholamin-Spiegeln und geben Referenzintervalle basierend auf 107 früh- und<br />
termingeborenen Säuglingen im Alter von 1-18 Lebenswochen an. Der durchschnittliche Wert des<br />
DHPG lag bei 1892 pg/mL, des DOPAC lag bei 3218 pg/mL. Der Quotient DOPAC zu DHPG lag im<br />
Mittelwert bei 1,72 (0,83-3,04).<br />
Die hier angegebenen Referenzbereiche korrelieren mit den bisher publizierten Daten in kleineren<br />
Fallserien. Die Testung der Katecholamin-Spiegel stellt insbesondere im Neugeborenenalter eine<br />
sichere Möglichkeit dar, die Diagnose zeitnah zu stellen. Eine anschließende Therapie kann in<br />
Abhängigkeit der zugrunde liegenden genetischen Veränderung zu einer Verbesserung der Prognose<br />
führen.
P088<br />
Wirkung von Lamotrigin und Levetiracetam auf die Perinatalperiode<br />
Wüller D.H., Kalmus U., Gerleve H.<br />
Christophorus Kliniken, Klinik für Kinder- und Jugendmedizin, Coesfeld, Germany<br />
Hintergrund: Lamotrigin und Levetiracetam sind Antikonvulsiva der neueren Generation. Kenntnisse<br />
über die Pharmakokinetik in der Perinatalmedizin und während der Stillzeit sind von großer Bedeutung<br />
und bislang kaum untersucht. Vor allem wenn sie in hohen Dosen in Kombination verabreicht werden.<br />
Befunde, Therapie und Verlauf: Wir berichten über ein reifes Neugeborenes von 41 SSW, welches<br />
extrem hohen Dosen mütterlicher Antikonvulsiva ausgesetzt war. Die Mutter leidet an einer <strong>Epilepsie</strong>.<br />
Typischerweise zum Ende des ersten Trimenons kam es bei ihr zur Anfallshäufung durch die<br />
vermehrte Metabolisierung von Lamotrigin. Im Verlauf wurde die Dosis von Levetiracetam drastisch<br />
erhöht auf 4000 mg und Lamotrigin 1000 mg pro Tag. Postpartal zeigte der Junge eine gute<br />
Adaptation. Am 3. Lebenstag kam es zu vermehrten Bradykardien mit Sättigungsabfällen.<br />
Labordiagnostisch konnte eine Infektion ausgeschlossen werden. Ab dem 8. Lebenstag wurde die<br />
Ernährung von Muttermilch auf Säuglingsanfangnahrung umgestellt und ab dem 10. Lebenstag traten<br />
keine Bradykardien mehr auf. Die Medikamentenspiegel entsprachen den Medikamentenspiegeln der<br />
Mutter. Nach 72 Stunden waren die Spiegel beim Kind für Levetiracetam < 10% des Wertes im<br />
Nabelschnurblut und für Lamotrigin noch 70% des Wertes im Nabelschnurblut. Postpartal wurde bei<br />
der Mutter wegen ansteigenden Medikamentenspiegels für Lamotrigin eine Dosisreduktion<br />
vorgenommen. Diese wurde initial zu rasch vollzogen, so dass es zu einem erneuten „großen Anfall“<br />
kam. Die Versorgung des Kindes durch die Mutter war jedoch für einige Tage gar nicht oder nur mit<br />
viel Unterstützung möglich.<br />
Zusammenfassung: Unter der Behandlung mit Lamotrigin und Levetiracetam bei Schwangeren sind<br />
Nebenwirkungen bei Neonaten wie vermehrte Müdigkeit und Trinkschwäche beschrieben. Unter sehr<br />
hoher Dosierung wie bei unserer Patientin kann es möglicherweise zu einer Bradykardieneigung beim<br />
Neugeborenen kommen. Probleme für das Neugeborene können jedoch durch mütterliche<br />
Komplikationen auftreten. Die Nachsorge sollte gut organisiert sein.<br />
P089<br />
Anenzephalie: Postnatale in-vivo MRI-Befunde<br />
Poretti A. 1,2 , Meoded A. 1 , Boltshauser E. 2 , Huisman T.A.G.M. 1<br />
1 The Johns Hopkins Medical School, Division of Pediatric Radiology, Baltimore, United States,<br />
2 University Children's Hospital, Department of Pediatric Neurology, Zurich, Switzerland<br />
Einleitung: Anenzephalie ist die schwerste Form eines Neuralrohrdefektes. Charakteristisch sind<br />
Akranie, das partielle oder komplette Fehlen des Gehirns sowie eine abnorme Entwicklung der<br />
Schädelbasis. Es handelt sich um eine lethale Missbildung, und lebendgeborenen Kinder sterben<br />
meist wenige Stunden bis Tage nach der Geburt. Daher ist die Erfahrung mit postnatalen in-vivo MRI-<br />
Befunden bei anenzephalen Kindern sehr limitiert. Mit unserer Beobachtung möchten wir das bereits<br />
bekannte Spektrum neuroradiologischer Befunden erweitern und auf die hintere Schädelgrube<br />
fokussieren.<br />
Fallbeschreibung: Wir beschreiben die auf Wunsch der Eltern durchgeführte Bildgebung eines<br />
anenzephalen Sauglings, der 10 Wochen lang überlebte. Das MRI bestätigte das vollständige Fehlen<br />
der Schädelkalotte, supratentoriellen Strukturen (inklusiv Hypophyse), und des Kleinhirns. Ein<br />
Primordium des Hirnstammes war vorhanden, aber ohne übliche pontine Vorwölbung. Das Innenohr<br />
war auf beiden Seiten angelegt, aber dysmorph. Die Augen waren angelegt, die Orbitae klein, und die<br />
Sehnerven waren hypoplastisch. Zwei kleine laterale Pseudo-Meningozelen fanden sich im oberen<br />
Zervikalmarkbereich. Es lagen keine Missbildungen ausserhalb des zentralen Nervensystems vor.<br />
Schlussfolgerung: Unsere Beobachtung bestätigt die pathologischen Befunden bei anenzephalen<br />
Kindern. Sowohl die beidseitigen Missbildungen im Innenohr als auch die Hypoplasie der Sehnerven<br />
wurde bereits bei einem anderen Säugling mittels MRI gezeigt. Die fehlende pontine Vorwölbung in<br />
einem anenzephalen Kind ohne erkennbare Kleinhirnstrukturen bestätig unsere Beobachtung, dass<br />
eine fehlende pontine Vorwölbung bei pränatalem (nicht postnatalem) Verlust an Kleinhirngewebe
gefunden wird.<br />
P090<br />
Intrakraniale-extrazerebrale Flüssigkeitsansammlung im fetalen ZNS: Hydrozephalus externus<br />
oder subdurale Hygrome?<br />
Blank A.-E. 1 , Reitter A. 2 , Heinrich T. 2 , Louwen F. 2 , Mittelbronn M. 1 , Harter P.N. 1<br />
1 Edinger Institut (Neurologisches Institut), Goethe-Universität, Frankfurt am Main, Germany, 2 Klinik für<br />
Gynäkologie und Geburtshilfe, Goethe-Universität, Frankfurt am Main, Germany<br />
Der Hydrozephalus externus ist eine Erweiterung des Subarachnoidalraumes mit einer vermehrten<br />
Liquoransammlung. Bei Erwachsenen liegt dem Hydrozephalus externus meist eine insuffiziente<br />
Liquorresorption über die Pacchionischen Granulationen zu Grunde, wie man sie beispielsweise nach<br />
einer Meningitis sehen kann. Das Auftreten eines Hydrozephalus externus stellt während der<br />
intrauterinen fetalen Entwicklung ein seltenes Ereignis dar. Die pathophysiologischen Mechanismen<br />
unterscheiden sich meist stark von seiner Entstehung im Erwachsenenalter.<br />
In dieser Falldarstellung berichten wir über einen Fetus aus der 25. Schwangerschaftswoche, bei<br />
welchem per Sonographie die Diagnose eines Hydrozephalus externus gestellt wurde. Begleitend<br />
hierzu fand sich ein Makrozephalus sowie eine Mikroenzephalie.<br />
Die neuropathologische Untersuchung ergab ausgedehnte subdurale Hygrome mit gleichzeitigen<br />
chronisch subduralen Hämorrhagien. Ferner zeigte sich eine Mikroenzephalie mit deutlichen<br />
neokortikalen Störungen der neuronalen Migration und Reifung. Gemäß unserer Untersuchungen<br />
konnten wir die Diagnose eines Hydrozephalus externus ausschließen. Stattdessen sprechen unsere<br />
Befunde dafür, dass eine durch die atrophischen Hemisphären bedingte, chronische Zugbelastung auf<br />
die Brückenvenen primär zu Hygromen und sekundär zu Hämorrhagien im subduralen Raum führte.<br />
P091<br />
Neurologische Nachuntersuchung Frühgeborener mit einem Geburtsgewicht < 1500g im<br />
korrigierten Alter von 24 und 36 Monaten mittels Bayley Scales of Infant Development II<br />
Weitkämper A., Weigt-Usinger K., Teig N., Schauer U., Lücke T.<br />
Ruhruniversität Bochum Klinik für Kinder- und Jugendmedizin St. Josef Hospital, Bochum, Germany<br />
Einleitung: Frühgeborene (FG) mit einem Geburtsgewicht (GG) unter 1500g haben im Vergleich zu<br />
schwereren Neugeborenen ein höheres Risiko für Entwicklungsretardierungen.Zur Qualitätssicherung<br />
werden bei diesen Kindern standardisierte neurologische Nachuntersuchungen im korrigierten Alter<br />
von 24 Monaten durchgeführt. Wir untersuchten die Frage, ob die Untersuchung zu diesem Zeitpunkt<br />
eine gute Vorhersagekraft auf die weitere Entwicklung hat.<br />
Methode: Zwischen Januar 2004 und Juli 2007 geborene FG mit einem GG < 1500 g im korrigierten<br />
Alter von 24 und 36 Monaten wurden mittels Bayley Scales of Infant Development II untersucht.<br />
Ergebnisse: Von 190 FG < 1500g GG überlebten 174, die zur Teilnahme an der Untersuchung<br />
aufgefordert wurden. Es nahmen mit korrigiert 24 Monaten 76 Kinder (44%) und mit korrigiert 36<br />
Monaten 68 Kinder (39%) teil. Geburtsgewicht und Gestationsalter der nachuntersuchten Kinder<br />
waren etwas niedriger als in der Grundgesamtheit, Unterschiede bei sonstigen peri- und postnatalen<br />
Komplikationen zeigten sich nicht.Mit korrig. 24 Monaten waren sowohl das mentale (p< 0,001) als<br />
auch das motorische Entwicklungsalter (p< 0,001) signifikant niedriger als das korrig. Alter, mit korrig.<br />
36 Monaten nur noch das motorischen Entwicklungsalter (p< 0,01).Der motorische Entwicklungsindex<br />
(PDI) mit korrig. 24 Monaten (p=0,0038 , r=0,37) und korrig. 36 Monaten (p=0,0025 , r=0,41)<br />
korrelierten signifikant mit dem GG, der mentale Entwicklungsindex (MDI) nicht.Bei den Kindern die<br />
sowohl mit 24 als auch 36 Monaten nachuntersucht wurden (n=54), zeigte sich, dass der MDI und der<br />
PDI signfikant angestiegen sind. Der MDI lag im korr. Alter von 24 Monaten im Mittel bei 92,04, im<br />
korr. Alter von 36 Monaten bei 97,91 (p=0,0001). Der PDI lag im korr. Alter von 24 Monaten im Mittel<br />
bei 88,81, im korr. Alter von 36 Monaten bei 94,27 (p=0,0007).
Schlussfolgerung: FG mit < 1500g GG zeigen zwischen dem 24 und dem 36 korrigierten Monat eine<br />
Aufholentwicklung, insbesondere im mentalen Bereich. Die Einführung einer standardisierten Testung<br />
mit korrigiert 36 Monaten erscheint sinnvoll.<br />
P092<br />
Entwicklung von Frühgeborenen < 1500g in den ersten beiden Lebensjahren: Standardisierte<br />
Testung anhand der Griffith-Skalen und der Mental Bayley Scales<br />
Nögel S.C. 1 , Deiters L. 1 , Leis T. 1 , Trollmann R. 2<br />
1 Universitätskinderklinik Erlangen, Neuropädiatrie und Sozialpädiatrie, Erlangen, Germany,<br />
2 Universitätskinderklinik Erlangen, Erlangen, Germany<br />
Einleitung: Frühgeborene mit einem Geburtsgewicht < 1500g und einem Gestationsalter < 32 SSW,<br />
die in der Universitätskinderklinik Erlangen erstversorgt werden, werden in ein<br />
entwicklungsneurologisches Nachsorgeprogramm eingeschlossen. Im Alter von 10-12 Monaten wird<br />
die Entwicklung der Frühgeborenen anhand der Griffith Scales untersucht, im Alter von 18-24<br />
Monaten die kognitiven Fähigkeiten mit den Bayley Scales of Infant Development erfasst. Wir<br />
untersuchten, ob der entwicklungsneurologische Befund im Alter von einem Jahr bereits auf eine<br />
spätere kognitive Entwicklungsstörung im Alter von 2 Jahren hinweist.<br />
Ergebnisse: 36 Kinder nahmen an beiden Testverfahren teil. Das mittlere Gestationsalter betrug 29.2<br />
SSW, das mittlere Geburtsgewicht 1174 g. 6 der Kinder hatten eine I-II°gradige ICH, 1 Kind eine ICH<br />
III°, 11 (30,6%) der Frühgeborenen hatten eine BPD, 8 (22%) der Frühgeborenen wurden wegen<br />
neonataler Krampfanfälle mit Phenobarbital behandelt. In den Griffith Skalen zeigten 32 Kinder eine<br />
altersgerechte Entwicklung, 4 deutlich unterdurchschnittliche Ergebnisse in verschiedenen Untertests.<br />
Die durchschnittliche Entwicklung aller getesteten Kinder im Untertest Hören und Sprechen lag im<br />
Bereich einer Standardabweichung unter dem Durchschnitt, die motorische Entwicklung, Auge-Hand-<br />
Koordination und Leistungen im altersentsprechenden Bereich.<br />
In den Mental Bayley Scales erzielten 10 Kinder (31%) deutlich unterdurchschnittliche Leistungen (-2<br />
SDS), 4 davon hatten auch in verschiedenen Untertests der Griffith Scales bereits unterdurchschnittliche<br />
Leistungen.<br />
Schlussfolgerung: Frühgeborene, die in den Griffith Entwicklungsskalen im Alter von 10-12 Monaten<br />
bereits deutlich unterdurchschnittliche Leistungen erzielt hatten, zeigten auch ein<br />
unterdurchschnittliches Testergebnis in den Mental Bayley Scales im Alter von 18-24 Monaten.<br />
Hingegen wurden nur 4/10 Kindern bereits in den Griffith Skalen als unterdurchschnittlich erfasst. Die<br />
vorliegenden Daten weisen auf die Bedeutung wiederholte standardisierter Entwicklungstestungen bei<br />
Frühgeborenen im Kleinkindalter hin.<br />
P093<br />
Objektive Identifizierung erfolgreicher klinischer fMRT bei Kindern<br />
Zsoter A. 1,2 , Staudt M. 2,3 , Wilke M. 1<br />
1 Universitätskinderklinik Tübingen, Neuropädiatrie, Experimentelle Pädiatrische Neurobildgebung,<br />
Tübingen, Germany, 2 Schoen Klinik Vogtareuth, Neuropädiatrie, Vogtareuth, Germany,<br />
3 Universitätskinderklinik Tübingen, Neuropädiatrie, Tübingen, Germany<br />
Einleitung: Funktionelle MRT-Untersuchungen bei Kindern und Jugendlichen mit neurologischen<br />
Erkrankungen sind aufgrund verminderter Compliance und vermehrter Bewegungsartefakten<br />
problematisch. Die Interpretation wird dadurch zum Teil erheblich erschwert und hängt oft stark vom<br />
Auswerter ab, der im klinischen Setting trotz suboptimaler Datenqualität eine Bewertung vornehmen<br />
muss. Dies veranlasste uns dazu, eine Methode zu entwickeln, die anhand objektiver Parameter die<br />
Aktivierung einer Untersuchung kategorisiert.<br />
Methodik: 153 Einzelmessungen im Rahmen klinisch indizierter fMRT-Untersuchungen bei 31
Kindern und Jugendlichen (6 bis 19 Jahre alt) wurden primär visuell durch einen Untersucher (AZ)<br />
ausgewertet (biologisch plausibles Aktivierungsmuster; Goldstandard) und in positive oder negative<br />
Messungen eingeteilt.<br />
Die hier vorgeschlagene automatisierte Methodik ermittelt die durchschnittliche Aktivierung in einer<br />
task-spezifischen Zielregion und einer Kontrollregion für verschiedene Schwellenwerte T. Hieraus wird<br />
der Faktor F als Quotient der Aktivierung in der Zielregion durch die Aktivierung in der Kontrollregion<br />
berechnet.<br />
Ergebnisse: Die beste Übereinstimmung mit dem Goldstandard ergab die Parameterkombination von<br />
T ≥ 2.5 und F = 2, mit einer Sensitivität von 0.89 und Spezifität von 0.97. Mit diesen Parametern<br />
wurden 139 / 153 Messungen korrekt klassifiziert, insbesondere wurde nur eine Messung falsch<br />
positiv klassifiziert.<br />
Schlussfolgerung: Die beschriebene Methode ist in der Lage, mit hoher Sensitivität und Spezifität<br />
und auswerterunabhängig klinische fMRT Messungen korrekt zu klassifizieren. Mit diesem Ansatz<br />
kann die bisher nur subjektive, visuelle Beurteilung objektiv unterstützt werden.<br />
P094<br />
Analyse der Kontrollbedingung in einer sprachlichen fMRT-Aufgabe: eine einfache Möglichkeit<br />
der Untersuchung visuell-räumlicher Funktionen?<br />
Ebner K. 1 , Lidzba K. 1 , Hauser T.-K. 2 , Wilke M. 1<br />
1 Universitäts-Kinderklinik Tübingen, Neuropädiatrie, Tübingen, Germany, 2 Universitätsklinikum<br />
Tübingen, Diagnostische und Interventionelle Neuroradiologie, Tübingen, Germany<br />
Fragestellung: Um die Rate erfolgreicher funktioneller MR-Studien im Kindesalter zu erhöhen ist eine<br />
kürzere Untersuchungszeit hilfreich [1]. Vielversprechend erscheint daher, zwei kognitive Funktionen<br />
mit einer Aufgabe zu untersuchen. Die Hypothese der Studie war, dass die Bearbeitung der<br />
Kontrollbedingung einer etablierten Sprachaufgabe (vowel identification task (VIT) [2]) visuellräumliche<br />
Funktionen erfordert und der VIT somit auch zur Lokalisierung dieser Funktionen geeignet<br />
ist.<br />
Methodik: Rekrutiert wurden 43 gesunde Kinder (19 f,12,0 ± 2,6 Jahre). 42 bearbeiteten den VIT,<br />
bestehend aus fünf Blöcken der aktiven („Kommt im Namen eines [visuell präsentierten] Objekts ein „i“<br />
vor?“) und sechs Blöcken der Kontrollbedingung („Passt der Ausschnitt eines [nicht benennbaren<br />
abstrakten] Musters wie ein Puzzlestück in ein anderes Muster?“). Zudem bearbeiteten alle Kinder den<br />
zur Lokalisierung visuell-räumlicher Funktionen bewährten visual search task (VST) [3], der den<br />
Vergleich zweier komplexer Figuren erfordert.<br />
Daten wurden in einem 1,5 T MRT-Scanner aufgenommen, die Datensätze mit SPM8 entzerrt,<br />
bewegungskorrigiert, räumlich normalisiert [4], geglättet (FWHM=9mm) und statistisch analysiert.<br />
Nach der Durchführung von Random Effects Analysen (p< .01, FWE korrigiert) wurden die<br />
Aktivierungen des VIT (Kontrolle>Aktiv) und des VST verglichen.<br />
Ergebnis: Beidseits, aber rechts-dominant, überlappen die Aktivierungsmuster des VIT<br />
(Kontrolle>Aktiv) superior parietal deutlich mit denen des VST.<br />
Schlussfolgerung: Die überlappenden Aktivierungen in mit visuell-räumlichen Funktionen<br />
assoziierten Gehirnregionen [5] weisen darauf hin, dass visuell-räumliche Funktionen in beiden<br />
Aufgaben benötigt werden. Daher postulieren wir, dass der VIT neben der Untersuchung von<br />
sprachlichen zusätzlich zur Untersuchung visuell-räumlicher Funktionen geeignet ist.<br />
Literatur:<br />
[1] Yerys, Jankowski et al., Hum Brain Mapp, 2009<br />
[2] Wilke, Lidzba et al., Neuroimage, 2006<br />
[3] Lidzba, Staudt et al., Neuroreport, 2006<br />
[4] Wilke, Holland et al., Neuroimage, 2008<br />
[5] Ng, Bullmore et al., J Cogn Neurosci, 2001
P095<br />
Erworbene isolierte fokale cerebelläre Läsionen im Kindes- und Jugendalter: Auswirkungen<br />
auf die kognitive Entwicklung?<br />
Bigi S. 1 , Wingeier K. 1 , Boltshauser E. 2 , Heinks-Maldonado T. 1 , Steinlin M. 1<br />
1 Universitätskinderklinik Inselspital, Neuropädiatrie, Bern, Switzerland, 2 Universitätskinderklinik,<br />
Neuropädiatrie, Zürich, Switzerland<br />
Einführung: Die motorischen Funktionen des Cerebellums sind unbestritten. Diskussionen ergeben<br />
sich jedoch über den Einfluss des Cerebellums auf die Entwicklung kognitiver Funktionen. Das Ziel<br />
der vorliegenden Studie war es, individuelle Langzeitfolgen nach einer erworbenen, nicht<br />
neoplastischen fokalen Läsion im Cerebellum zu untersuchen.<br />
Methode: 8 Patienten zwischen 11 und 21 Jahren mit isolierter fokaler hämorrhagischer cerebellärer<br />
Läsion wurden in die Studie eingeschlossen. Bei allen Patienten wurden frühestens zwei Jahre nach<br />
Auftreten der Läsion eine neurologische Untersuchung inklusive Zürcher Neuromotorik (ZNA) und der<br />
„International Cooperative Ataxia Rating Scale (ICARS)” sowie eine ausführliche neuropsychologische<br />
Testbatterie durchgeführt.<br />
Resultate: Das durchschnittliche Alter bei Manifestation betrug 11.4 Jahre (range 9-13 Jahre, 6/8<br />
weiblich). Die Blutungsursache war in 5/8 eine arteriovenöse Malformation, in 1/8 ein Cavernom, in 2/8<br />
unklar. 4/8 wiesen bei Manifestation einen milden Hydrocephalus auf. Die Zeit bis zum follow-up<br />
betrug durchschnittlich 5.4 Jahre (range 2-9 Jahre). In der neurologischen Untersuchung zeigten sich<br />
leichte Okulomotorik- sowie Feinmotorikstörungen (ICARS durchschnittlich 7/100, range 0-12/100). In<br />
der neuropsychologischen Abklärung war der durchschnittliche Gesamt-IQ 102 (range 83-118). Es<br />
zeigten sich individuelle neuropsychologische Einschränkungen in den Bereichen der exekutiven<br />
Funktionen, des Wortflusses und in diversen Aufmerksamkeitsfunktionen.<br />
Schlussfolgerungen: Zusammenfassend zeigen sich nach erworbener Schädigung des Cerebellums<br />
im Kindes- und Jugendalter leichte kognitive Langzeitfolgen. Ein cerebelläres kognitives affektives<br />
Syndrom konnte nur bei einem Patienten mit Befall des Vermis nachgewiesen werden. Die<br />
interpersonellen Unterschiede in der neuropsychologischen Testung sind am ehesten auf das<br />
unterschiedliche Alter bei Manifestation und auf die Lokalisation der Läsion zurückzuführen.<br />
<strong>Postersession</strong> 5: <strong>Epilepsie</strong> II, Genetik<br />
P096<br />
Anwendung der automatisierte MR-basierten Volumetrie zur Beurteilung der<br />
Krankheitsprogression bei Rasmussen Enzephalitis<br />
Schoene-Bake J.-C. 1,2 , Wagner J. 1,2 , Elger C.E. 1,2 , Weber B. 1,2<br />
1 Universitätsklinikum Bonn, Klinik für Epileptologie, Bonn, Germany, 2 Life & Brain Center, Dept. of<br />
NeuroCognition, Bonn, Germany<br />
Einführung: Die Rasmussen Enzephalitis (RE) ist eine chronische entzündliche Erkrankung des<br />
Gehirns, die eine der beiden Hemisphären betrifft und im Verlauf zerstört. Es bestehen erhebliche<br />
neurologische Defizite, weiterhin leiden die Betroffenen oft an schwerbehandelbarer <strong>Epilepsie</strong>. Mittels<br />
manueller MR-basierter Planimetrie wurden in der Vergangenheit verschiedene Indices zur<br />
Beurteilung des Krankheitsverlaufes postuliert. Das Verhältnis der beiden Hemisphären zueinander<br />
(Hemispheric ratio, HR=Volumen der erkrankten Hemisphäre geteilt durch das der Gesunden) hat sich<br />
hierbei als wertvoller Marker für den Progress der RE erwiesen. Wir haben einen neuartigen Ansatz<br />
zur automatisierten Volumetrie auf MR-Datensätze von RE-Patienten angewendet.<br />
Methoden: Die 3D-T1-Aufnahmen (Auflösung 1mm 3 ) wurden auf einem 3T-MR-Tomographen<br />
(Siemens Magnetom Trio) mittels 8-Kanal Kopfspule gemessen. Tools des FSL-Pakets wurden für die<br />
Entfernung von Knochen- und Weichteilgewebe und die Segmentierung des Gehirns verwendet. Der<br />
3D-Datensatz wurde dann mittels Flirt und Fnirt in den MNI-Space transformiert. Über vordefinierte<br />
Masken erfolgt die Isolierung der linken bzw. rechten Hemisphäre. Die Hemisphären werden dann<br />
durch inverse Matritzen in das native MRT zurück gemorpht. Volumina von Gesamthirn, linker und<br />
rechter Hemisphäre sowie der HR werden dann berechnet. Bisher wurde dieses Verfahren zur<br />
Berechnung der HR und Verlaufsbeurteilung bei 14 pädiatrischen und erwachsenen Patienten
angewendet.<br />
Ergebnisse: Die HR hat sich in den letzten Jahren als wertvoller Parameter zur Beurteilung der<br />
Krankheitsprogression bei RE-Patienten erwiesen. Die bisher durchgeführte manuelle Volumetrie ist<br />
zeitaufwändig und basiert nur auf der Beurteilung einzelner, ausgewählter Schichten, weshalb<br />
automatisierte Ansätze notwendig sind. Wir konnten zeigen, dass automatisierte Volumetrie und HR-<br />
Berechnung bei Kindern und Erwachsenen mit RE möglich und sinnvoll ist. Die HR ist insbesondere<br />
bei Kindern wertvoll, da sie den Progress der Erkrankung auch beim noch im Wachstum befindlichen<br />
Gehirn anzeigt.<br />
July 2007 May 2009 April 2010<br />
Whole brain volume 1225545,125 1272474,5 1273878,125<br />
Left hemisphere volume 482596,6563 485838,75 476236,875<br />
Right hemisphere<br />
volume<br />
566896,625 605020,1875 611442,625<br />
Hemispheric ratio 0,851295695 0,803012461 0,778874183<br />
[Volumetrie bei einem 16-jährigen Mädchen mit RE]<br />
P097<br />
Epileptischer Phänotyp der Anti-NMDAR-Enzephalitis im Kindesalter<br />
Ensslen M. 1 , Blaschek A. 1 , Heinen F. 1 , Penzien J. 2 , Borggräfe I. 1<br />
1 Department of Pediatric Neurology and Developmental Medicine, Dr von Haunersches Kinderspital,<br />
Ludwig-Maximilians-University, München, Germany, 2 Department of Pediatric Neurology, 1. Klinik für<br />
Kinder und Jugendliche, Klinikum Augsburg, Augsburg, Germany<br />
Fragestellung: Die Anti-NMDAR (N-Methyl-D-Aspartat-Rezeptor) Enzephalitis ist eine<br />
enzephalopathisch verlaufende Erkrankung mit epileptischen Anfällen, neuropsychiatrischen<br />
Symptomen, kognitiven Einschränkungen , Dyskinesien und autonomer Instabilität. Während im<br />
Erwachsenenalter der epileptische Phänotyp hinsichtlich EEG-Muster und Anfallssemiologie einer<br />
fokalen <strong>Epilepsie</strong> (temporale und extratemporale Formen) entspricht, ist dieser im Kindesalter weniger<br />
gut charakterisiert.<br />
Methodik: Die Charakterisierung des epileptischen Phänotyps erfolgte durch ein kontinuierliches<br />
EEG-Videomonitoring über 5 Tage, das vor Diagnosestellung zur Syndromzuordnung und<br />
Eingrenzung der Anfallsursprungsszone durchgeführt wurde.<br />
Ergebnis: Es handelt sich um 2 Mädchen im Alter von 7 und 8 Jahren ohne signifikante medizinische<br />
Vorgeschichte. Klinisch zeigte sich ein über Wochen fortschreitendes Bild mit aggressivem Verhalten,<br />
kognitivem Abbau und epileptischen Anfällen. Im kontinuierlichen EEG-Videomonitoring zeigten sich<br />
enzephalopathische Veränderungen mit einer Grundrhythmusverlangsamung sowie intermittierender<br />
und kontinuierlicher generalisierter Verlangsamung. Darüber hinaus zeigten sich generalisierte Slow-<br />
Spike Wave Komplexe. Es konnten tonische Anfälle, dialeptische und generalisiert tonische klonische<br />
Änfälle ohne Lateralisation mit einem generalisierten Anfallsmuster aufgezeichnet werden. Im Serum<br />
beider Patienten konnten Anti-NMDA Rezeptor Antikörper nachgewiesen werden.<br />
Schlussfolgerung: Die Abgrenzung der Anti-NMDAR Enzephalitiden des Kindesalters zum<br />
Erwachsenenalter ist aufgrund zahlreicher Unterschiede wichtig in der Diagnosefindung. Während im<br />
Erwachsenenalter der Phänotyp einer fokalen <strong>Epilepsie</strong> vorherrscht, zeigen die hier geschilderten<br />
Fälle sowohl vom EEG als auch der Anfallssemilogie Aspekte einer generalisierten <strong>Epilepsie</strong>. Wir<br />
spekulieren, dass es sich bei einem geringen Teil der Patienten mit einem kryptogenen Lennox-<br />
Gastaut Syndrom mit gutem Ansprechen auf Steroide um Fälle von NMDAR-assoziierten<br />
Enzepahlitiden handeln könnte.
P098<br />
DYT 11 Myoklonus-Dystonie-Syndrom (MDS) mit generalisierten epilepsietypischen<br />
Potenzialen<br />
Hannibal I., Huß K., Grossmann R., Heinen F., Borggräfe I.<br />
Dr. von Haunersches Kinderspital, Ludwig-Maximilians-Universität München, Neuropädiatrie,<br />
Entwicklungsneurologie und Sozialpädiatrie, München, Germany<br />
Wir berichten über einen 11 jährigen Jungen mit einem familiären DYT 11 Myoklonus-Dystonie-<br />
Syndrom (Mutation im Epsilon-Sarcoglycan (SGCE) Gen). Im Alter von 2 Jahren wurde erstmals ein<br />
auffälliges Gangbild mit Innenrotation beider Beine bemerkt. Ab dem 6. Lebensjahr entwickelte der<br />
Patient multifokale Myoklonien beider Arme, des Rumpfes und des Kopfes, die aufgrund der<br />
Häufigkeit von 100 Episoden/Tag und der Dauer von 10 Sekunden zu Schwierigkeiten beim Essen<br />
und Schreiben führten. Im kontinuierlichen EEG-Videomonitoring zeigten sich generalisiert (Maximum<br />
Elektrode F4 und F3, 55%), frontal links (Maximum Elektrode F3, 30%), frontal rechts (Maximum<br />
Elektrode F4, 12,5%) und parietal rechts (Maximum Elektrode P8, 2,5%) epilepsietypische Potenziale.<br />
Während der pathologischen EEG-Aufzeichnungen wurden keine Myoklonien beobachtet,<br />
wohingegen während myoklonischer Episoden keine EEG-Auffälligkeiten dokumentiert wurden.<br />
Myoklonien bei DYT 11 MDS werden nach derzeitiger Meinung am ehesten subkortikal generiert und<br />
möglicherweise sind Basalganglien und Hirnstamm involviert. Das Auftreten von generalisierten<br />
epilepsietypischen Potenzialen wurde bislang als Ausschlusskriterium eines DYT 11 MDS angesehen,<br />
bei diesem Patienten zeigt sich jedoch eine Koinzidenz des DYT 11 MDS und ETP.<br />
P099<br />
Kernspintomographische Hirnstammveränderungen bei Kindern mit West-Syndrom sind keine<br />
Nebenwirkung von Vigabatrin<br />
Aktas M. 1 , Honnef D. 2 , Häusler M. 1<br />
1 Universitätsklinikum RWTH Aachen, Klinik für Kinder- und Jugendmedizin, Aachen, Germany,<br />
2 Universitätsklinikum RWTH Aachen, Klinik für Diagnostische und Interventionelle Neuroradiologie,<br />
Aachen, Germany<br />
Fragestellung: Bei Kindern mit West-Syndrom (WS) wurden gehäuft kernspintomographische (MRT)<br />
T2-Signalveränderungen als Nebenwirkung einer Vigabatrin-(VGB) Therapie beschrieben. Diese<br />
retrospektive Untersuchung sollte die Bedeutung von Vigabatrin für das Auftreten von Veränderungen<br />
im dorsalen Hirnstamm (VDH) , einem wichtigen Läsionsmuster, untersuchen.<br />
Methodik: Retrospektive Untersuchung der MRT- und klinischen Befunde von Patienten mit und ohne<br />
WS, mit und ohne VGB-Therapie.<br />
Ergebnis: Das Auftreten von VDH war nicht von einer Vigabatrin-Therapie abhängig. Sie fanden sich<br />
nicht nur bei WS+VGB+ Kindern (2/4), sondern auch bei WS+VGB- (2/22) und bei WS-VGB- (13/235)<br />
Kindern. Ihr Altersgipfel lag bei 1-2 Lebensjahren, sie traten stets bilateral auf.<br />
Schlussfolgerung: VDH sind keine Nebenwirkung von Vigabatrin sondern repräsentieren vermutlich<br />
einen Reifungsprozess des Hirnstamms. Sie haben einen ähnlichen Altersgipfel wie das WS. Dies<br />
könnte ihr gleichzeitiges Auftreten mit dem WS sowie ihr spontanes Verschwinden trotz<br />
fortbestehender Vigabatrin-Therapie erklären.<br />
P100<br />
"Everything But Motor (EBM)" - subtotale Hemisphärektomie unter Aussparung der primär<br />
senso-motorischen Zentralregion bei Kindern mit hemisphärischen <strong>Epilepsie</strong>n ohne<br />
Hemiparese<br />
Pascher B. 1 , Pieper T. 1 , Kessler-Uberti S. 1 , Eitel H. 1 , Getzinger T. 1 , Hartlieb T. 1 , Staudt M. 1 , Bluemcke
I. 2 , Kudernatsch M. 3 , Winkler P.A. 3 , Kolodziejczyk D. 3 , Holthausen H. 1<br />
1 Schön Klinik Vogtareuth, Neuropädiatrie, Vogtareuth, Germany, 2 Universität Erlangen,<br />
Neuropathologie, Erlangen, Germany, 3 Schön Klinik Vogtareuth, Neurochirurgie, Vogtareuth,<br />
Germany<br />
Fragestellung: Bei Kindern mit hemisphärischen <strong>Epilepsie</strong>n ist die Hemisphärotomie in der Regel die<br />
epilepsiechirurgische Option mit den größten Chancen auf Anfallsfreiheit. Häufig besteht primär eine<br />
Hemiparese kontralateral. Bei guter motorischer Funktion ist die Entscheidung zur Hemisphärotomie<br />
schwierig. Als alternative chirurgische Vorgehensweise wird im Folgenden die subtotale<br />
Hemisphärektomie unter Aussparung der primär senso-motorischen Zentralregion („Everything but<br />
motor = EBM“) vorgestellt<br />
Methoden: Retrospektive Analyse von 24 Patienten (10w/14m; mittleres Alter bei <strong>Epilepsie</strong>beginn<br />
1J11M, bei Operation 8J6M), die eine subtotale Hemisphärektomie unter Aussparung der primär<br />
sensomotorischen Zentralregion erhalten haben. Vergleich von 2 Gruppen bezüglich Ätiologie,<br />
Operationsverfahren, Outcome, Komplikationen: Gruppe 1(G1): 13 Patienten, Operation 1997-2003;<br />
Gruppe 2 (G2): 11 Patienten, Operation 2006-2010<br />
Ergebnisse:<br />
Ätiologie: Fokale corticale Dysplasie: G1 69,3%;G2 54,5%, Malformation der kortikalen Entwicklung:<br />
G2 18,2%, Phakomatose: G1 15,3%;G2 9,1%, Polymikrogyrie: G1 7,7%;G2 18,2%, Post-HSV-<br />
Encephalitis: G1 7,7%.<br />
Ausmaß der Resektion: Variationen abhängig von morphologischen und elektrophysiologischen<br />
Kriterien.<br />
Anfalls-Outcome (Klassifikation nach Engel): Klasse Ia: G1 30,8%;G2 63,6%, Klasse II: G1 7,7%;G2<br />
9,1%, Klasse III: G1 46,2%;G2 9,1%, Klasse IV: G1 15,4%;G2 18,2%.<br />
Komplikationen: transiente Hemiparese post OP: G1 7,7%;G2 18,2%, permanente Hemiparese post<br />
OP: G1 38,5%;G2 36,4%.<br />
Schlussfolgerung: Bei Kindern mit hemisphärischer <strong>Epilepsie</strong> ohne Hemiparese sollte eine subtotale<br />
Hemisphärektomie unter Aussparung der primären sensormotorischen Zentralregion (EBM) als eine<br />
therapeutische Option diskutiert werden. Resektionsassoziiert besteht ein relativ hohes Risiko für eine<br />
postoperative Hemiparese. Bei den Patienten der Gruppe 2 zeigt sich eine Tendenz zu besseren<br />
Ergebnissen, vermutlich aufgrund zunehmender Erfahrung bezüglich der Auswahlkriterien (iktales und<br />
interiktales EEG, MRT) und der neurochirurgischen Technik.<br />
P101<br />
12 Jahre pädiatrische <strong>Epilepsie</strong>chirurgie- Die Erfahrung in Vogtareuth<br />
Keßler-Uberti S. 1 , Pieper T. 1 , Eitel H. 1 , Pascher B. 1 , Hartlieb T. 1 , Getzinger T. 1 , Karlmeier A. 1 ,<br />
Kudernatsch M. 2 , Winkler P.A. 2 , Kolodziejczyk D. 2 , Blümcke I. 3 , Staudt M. 1 , Holthausen H. 1<br />
1 Schön Klinik Vogtareuth, Neuropädiatrie, Vogtareuth, Germany, 2 Schön Klinik Vogtareuth,<br />
Neurochirurgie, Vogtareuth, Germany, 3 Universität Erlangen, Institut für Neuropathologie, Erlangen,<br />
Germany<br />
Es ist gut belegt, dass <strong>Epilepsie</strong>chirurgie eine effektive Behandlungsmethode für Kinder mit<br />
therapieresistenter fokaler <strong>Epilepsie</strong> ist.<br />
Wir berichten über die biographischen und klinischen Daten sowie die postoperative Anfallssituation<br />
von 311 Kindern mit therapieresistenter <strong>Epilepsie</strong>, die zwischen September 1998 und November 2010<br />
operiert wurden.<br />
Methoden: Retrospektive Analyse von Patientendaten und deren postoperativer Anfallssituation.<br />
Alle Patienten erhielten zumindest ein intensives Video-EEG-Monitoring und ein hochauflösendes<br />
cranielles MRT in Narkose. Die minimale postoperative Nachuntersuchungszeit beträgt 6 Monate. Die<br />
durchschnittliche postoperative Nachuntersuchungszeit beträgt 5,5 Jahre.<br />
Ergebnisse: Durchschnittliches Alter bei Beginn der <strong>Epilepsie</strong>: 3.2 ± 3.8y, bei der Operation: 9.3 ±<br />
6.2y.<br />
Mentales Niveau (286 Patienten wurden untersucht): normale Intelligenz 94 Patienten (33%), mentale<br />
Retardierung 192 Patienten (67%): davon leichte/mittelgradige 88 (31%), schwere/schwerste 104<br />
(36%). 25 ausländische Patienten wurden nicht untersucht.
<strong>Epilepsie</strong>syndrome: 254 (82%) Patienten litten an extratemporalen, hemisphärischen oder<br />
multilobären <strong>Epilepsie</strong>n und 57 (18%) an einer reinen Temporallappenepilepsie.<br />
Etiology: fokale cortikale Dysplasie: 140 Patienten, gliotisch-ischämische Läsionen: 61, Tumore: 52,<br />
Hippokampussklerose: 15, Phakomatose: 14, Polymikrogyrie: 12, Hemimegalencephalie: 4,<br />
Rassmussen Enzephalitis: 4, vaskuläre Malformationen: 2, sonstige: 7<br />
Outcome: 51% der Patienten waren anfallsfrei, 9% der Patienten hatten nur noch Auren, 9% der<br />
Patienten hatten eine > 90% Anfallsreduktion, 11% der Patienten hatten eine > 50% Anfallsreduktion<br />
und 11% waren unverändert. Bei 9% steht die erste postoperative Kontrolle noch aus.<br />
Schlussfolgerung: In 69% der Patienten war die Operation sehr erfolgreich. Diese Ergebnisse<br />
zeigen, dass <strong>Epilepsie</strong>chirurgie bei Kindern eine sehr effektive Behandlungsform ist, auch in einer<br />
pädiatrischen Population mit einer Überrepräsentation schwer mental retardierter Kinder und bei<br />
Patienten mit ausgedehnten epileptogenen Läsionen.<br />
P102<br />
Prächirurgische Diagnostik und postoperatives outcome bei Kinder und Jugendlichen mit<br />
therapieschwieriger fokaler <strong>Epilepsie</strong> bei intrakraniellen Tumoren<br />
Hartlieb T. 1 , Pieper T. 1 , Kessler-Uberti S. 1 , Eitel H.C. 1 , Getzinger T. 1 , Pascher B. 1 , Blümcke I. 2 ,<br />
Kudernatsch M. 3 , Winkler P.A. 3 , Staudt M. 1 , Holthausen H. 1<br />
1 Schoen Klinik Vogtareuth, Neuropädiatrie, Vogtareuth, Germany, 2 Universität Erlangen,<br />
Neuropathologisches Institut, Erlangen, Germany, 3 Schoen Klinik Vogtareuth, Neurochirurgie,<br />
<strong>Epilepsie</strong>chirurgie, Vogtareuth, Germany<br />
Hintergrund: Patienten mit therapieschwieriger <strong>Epilepsie</strong> infolge intrakranieller Tumoren sind<br />
exzellente Kandidaten für <strong>Epilepsie</strong>chirurgie. Nach Literatur werden zwischen 65 -90 % der Patienten<br />
postoperativ anfallsfrei. Die inkomplette Entfernung des Tumors und/oder der tumor-assoziierten<br />
fokalen kortikalen Dysplasie ist ein Risikofaktor für postoperativ persistierende Anfälle. Die Rolle der<br />
invasiven Diagnostik ist noch nicht abschließend zu beurteilen.<br />
Methoden: Retrospektive Aufarbeitung der Daten von 43 Patienten mit intrakraniellen Tumoren aus<br />
dem Gesamtkollektiv von 308 Patienten welche von September 1998 - Oktober 2010 in der Klinik für<br />
Neuropädiatrie und <strong>Epilepsie</strong>chirurgie der Schön-Klinik Vogtareuth unter epilepsiechirurgischen<br />
Gesichtspunkten operiert wurden.<br />
Ergebnisse: Alter bei Beginn der <strong>Epilepsie</strong>: 5,1 Jahre (1m.-11), Alter bei Operation: 10,8 Jahre (2 -<br />
28). Post-operatives follow up: 68 Monate (5,3-147). Lokalisation der <strong>Epilepsie</strong>: temporal 19/43,<br />
temporal plus 15/43, extratemporal 9/43. Einsatz invasiver Diagnostik: 3/43. Histologie: Gangliogliome<br />
27/43, DNET 7/43, Astrozytome 2/43, versch. 3/43, ausstehend 4/43. Postoperatives outcome:<br />
anfallsfrei 26/43, nur Auren 8/43, >90% Anfallsreduktion 4/43, >50% Anfallsreduktion 1/43,<br />
unverändert 1/43, ausstehend 3/43. Gründe für Versagen der <strong>Epilepsie</strong>chirurgie: inkomplette<br />
Entfernung des Tumors (geplant zur Vermeidung funktioneller Defizite / ungeplant) 3/6, inkomplette<br />
Entfernung der tumorassoziierten fokalen kortikalen Dysplasie 2/6, unbekannt 1/6<br />
Zusammenfassung: Der Erfolg der epilepsiechirurgischen Eingriffe unsere Serie ist vergleichbar mit<br />
den Ergebnissen in der Literatur. Gründe für ein Persistieren der Anfälle waren die inkomplette<br />
Entfernung des Tumors oder der tumor-assoziierten fokalen kortikalen Dysplasie. Die Koexistenz einer<br />
tumorassoziierten fokalen kortikalen Dysplasie, die bei MRT in Standardauflösung unentdeckt bleiben<br />
kann, sollte bei prächirurgischer Evaluation und Resektionsplanung mit bedacht werden um die<br />
Chance auf postoperative Anfallsfreiheit zu erhöhen.<br />
P103<br />
Corpus Callosotomie bei Kindern mit therapieschwieriger fokaler <strong>Epilepsie</strong> bei bilateralem EEG<br />
und unilateraler Läsion<br />
Getzinger T. 1 , Pieper T. 1 , Keßler-Uberti S. 2 , Pascher B. 2 , Eitel H. 2 , Hartlieb T. 2 , Blümcke I. 3 , Winkler
P.A. 4 , Kudernatsch M. 4 , Delalande O. 5 , Staudt M. 1 , Holthausen H. 1<br />
1 Schoen Klinik Vogtareuth, Neuropädiatrie, Vogtareuth, Germany, 2 Schoen Klinik Vogtareuth,<br />
Vogtareuth, Germany, 3 Universität Erlangen, Neuropathologisches Institut, Erlangen, Germany,<br />
4 Schoen Klinik Vogtareuth, Neurochirurgie, Vogtareuth, Germany, 5 Fondation Rothschild Hospital<br />
Paris, Pädiatrische Neurochirurgie, Paris, France<br />
Hintergrund: <strong>Epilepsie</strong>chirurgie ist eine erfolgreiche Therapieoption auch bei Kindern im 1.<br />
Lebensjahr mit schwer behandelbaren fokalen <strong>Epilepsie</strong>n. Das altersspezifische bilaterale oder sogar<br />
generalisierte Erscheinungsbild von EEG-Veränderungen und Semiologie kann die<br />
elektrophysiologisch-klinisch-anatomische Korrelation erschweren. Aufgrund hoher Anfallsfrequenz<br />
mit encephalopathischem Verlauf sollte eine epilepsiechirurgische Versorgung jedoch frühzeitig in<br />
Betracht gezogen werden.<br />
Bei 5 Kindern mit Verdacht auf oder gesicherter unilateraler epileptogener Läsion und bilateraler<br />
interiktaler und iktaler EEG-Pathologie führten wir eine Corpus Callosotomie (CC) zur Lateralisierung<br />
der <strong>Epilepsie</strong> durch.<br />
Methode: Von 311 Patienten, die zwischen 9/1998 und 11/2010 im <strong>Epilepsie</strong>zentrum für Kinder und<br />
Jugendliche der Schön-Klinik Vogtareuth operiert wurden, werden retrospektiv die Daten von 5<br />
Kindern die einer CC unterzogen wurden, vorgestellt. Alle erhielten diagnostisch mindestens ein<br />
hochauflösendes MRT sowie eine Langzeit-Video-EEG-Ableitung.<br />
Ergebnisse: 5 Patienten erhielten CC (f:1; m:4), alle schwer mental retardiert. Ätiologie: 3 Patienten<br />
mit fokaler corticaler Dysplasie, 2 Patienten mit Polymicrogyrie. Mittleres Alter bei <strong>Epilepsie</strong>beginn:<br />
0,37J., bei Operation 1,8J., postoperative Verlaufsbeurteilung: 12Monate.<br />
Bei 2 Patienten ermöglichte die CC die Lateralisation und Lokalisation der <strong>Epilepsie</strong>: 1 Patient wurde<br />
temporo-parieto-occipital reseziert, 1 hemishpärotomiert.<br />
Anfalls-Outcome: Nach CC: kein Patient anfallsfrei; nach zweiter Operation: 1 anfallsfrei, 1 >50%<br />
Reduktion der Anfallsfrequenz.<br />
Zusammenfassung: CC war bei 2 Patienten hilfreich, die <strong>Epilepsie</strong> zu lateralisieren und die<br />
Entscheidung zur zweiten Operation zu treffen, welche <strong>Epilepsie</strong> und Lebensqualität der Kinder<br />
verbesserte. Bei 2 der verbliebenen 3 Patienten konnte eine Reduktion der Anfallsfrequenz und<br />
Verbesserung von kognitiver Entwicklung und Lebensqualität erreicht werden.<br />
Im diagnostischen work-up der infantilen unilateral läsionellen <strong>Epilepsie</strong> kann eine CC hilfreich sein.<br />
P104<br />
Syndaktylie, Tremor und Hypomyelinisierung assoziiert mit Okulodentodigitaler Dysplasie<br />
Ries M. 1 , Moog U. 2 , Karch S. 1 , Seitz A. 3 , Kohlhase J. 4 , Pietz J. 1 , Wolf N.I. 5<br />
1 Zentrum für Kinder- und Jugendmedizin, Universitätsklinikum Heidelberg, Heidelberg, Germany,<br />
2 Institut für Humangenetik, Universitätsklinikum Heidelberg, Heidelberg, Germany, 3 Neuroradiologie,<br />
Neurologische Klinik, Universitätsklinikum Heidelberg, Heidelberg, Germany, 4 Praxis für<br />
Humangenetik, Freiburg, Germany, 5 Child Neurology, VU University Medical Center, Amsterdam,<br />
Netherlands<br />
Die Okulodentodigitale Dysplasie (ODDD, OMIM #164200) ist ein seltenes autosomal dominantes<br />
Syndrom, das typischerweise mit Auffälligkeiten der Augen, der Zähne, Syndaktylie und Fehlbildungen<br />
der 4. und 5. Finger einhergeht. Neurologische Symptome können auftreten. Wir berichten über einen<br />
4 9/12 Jahre alten Jungen, der wegen eines seit ca. 6 Monaten bestehenden Zitterns beider Hände<br />
bei Aktivität vorgestellt wurde. Die Symptomatik war morgens verstärkt und er mied feinmotorische<br />
Tätigkeiten. Anamnestisch war eine Syndaktylie Dig IV/V bds. mit operativer Trennung bekannt. In der<br />
körperlichen Untersuchung ließ sich ein Aktions-/Intentionstremor bds. dokumentieren, kein Ruhe-<br />
oder Haltetremor, keine Dysmetrie oder Gleichgewichtsstörungen. Die ophthalmologische<br />
Untersuchung war bis auf eine geringgradige Hyperopie sowie geringen Astigmatismus regelrecht. Er<br />
hatte trockene, schuppige Haut in der Periorbitalregion und einen Epikanthus. In der kranialen MRT<br />
zeigte sich eine leichte Hypomyelinisierung mit besserer Myelinisierung der subcorticalen Fasern und<br />
hyperintensem T2 Signal in der Pons und den Kleinhirnstielen. Der 43-jährige Vater hatte gelbliche<br />
Zähne, Karies, Z.n. operativer Trennung einer teilweisen Sydaktylie IV/V der linken Hand,<br />
Hyperkeratose in mehreren Körperregionen und leicht hypoplastische Nasenflügel. Ein- oder<br />
beidseitige Syndaktylie IV/V fanden sich bei der Schwester des Patienten, die gelbliche, kariöse
Zähne hatte, sowie bei einem väterlichen Onkel und der Großmutter. Aufgrund der leichten<br />
Hypomyelinisierung, der Zahnbefunde und der Syndaktylie wurde bei Verdacht auf ODDD eine<br />
Untersuchung des connexion 43 (GJA1) Gens veranlasst. Es fand sich eine heterozygote<br />
Sequenzveränderung c.17C>G, p.A6G, die bisher als Ursache des ODDD noch nicht beschrieben<br />
wurde. Segregationsstudien stehen aus. Diese Kasuistik unterstreicht die Wichtigkeit assoziierter<br />
Befunde in der DD der Hypomyelinisierung und bestätigt, dass ODDD eine variable intrafamiliäre<br />
Expressivität aufweist. Leichte neurologische Symptome sind möglicherweise häufig bei Patienten mit<br />
ODDD.<br />
P105<br />
Gekreuzte zerebelläre Diaschisis nach Status epilepticus<br />
Koy A. 1 , Klee D. 2 , Weber A.-A. 1 , Karenfort M. 1 , Mayatepek E. 1<br />
1 Klinik für Allgemeine Pädiatrie, Universitätskinderklinik, Düsseldorf, Germany, 2 Klinik für Radiologie,<br />
Universitätskinderklinik, Düsseldorf, Germany<br />
Ein 3,8 Jahre altes ehemaliges Frühgeborenes der 26. Schwangerschaftswoche mit Shunt-versorgtem<br />
posthämorrhagischem Hydrocephalus und spastischer Hemiparese links wurde von ihren Eltern im<br />
Bett hoch fiebernd und nicht ansprechbar vorgefunden. Erst nach bukkaler Applikation von Midazolam<br />
erlangte sie wieder Bewusstsein. In der Magnetresonanztomographie (MRT) zeigte sich in der<br />
diffusionsgewichteten Sequenz (DWI) eine Hyperintensität im Bereich der rechten Hemisphäre. Im<br />
Elektroenzephalogramm waren keine eindeutigen epilepsietypischen Potentiale nachweisbar. Zwei<br />
Tage später verschlechterte sich ihr Vigilanzzustand erneut. In der MRT sah man Zeichen eines<br />
gesteigerten intrakraniellen Drucks, was die Anlage einer externen Liquorableitung erforderlich<br />
machte. Zusätzlich zeigte sich eine zunehmende Hyperintensität im Bereich der rechten Hemisphäre<br />
und nun auch der linken Kleinhirnhemisphäre mit entsprechend abgesenktem Diffusionskoeffizienten.<br />
Die Diagnose einer gekreuzten zerebellären Diaschisis (CCD) wurde gestellt, am ehesten als Folge<br />
einer prolongierten Krampfaktivität. Antikonvulsive Medikation mit Levetiracetam wurde eingeleitet, die<br />
Patientin erholte sich. Vier Wochen später sah man in der MRT eine progrediente Atrophie der linken<br />
Kleinhirnhemisphäre sowie eine Atrophie der rechten Hirnhälfte.<br />
Die Pathophysiologie der CCD bei Status epilepticus (SE) ist bisher nicht eindeutig geklärt. Exzessiver<br />
kortikaler Input über die kortiko-ponto-zerebellären Bahnen führt möglicherweise zu einem Untergang<br />
der neuronalen Zellen der kontralateralen Kleinhirnhälfte. Alternativ könnte der exzitatorische Input<br />
durch das kortikale Ödem im SE zu einer verminderten neuronalen Transmission und demzufolge<br />
reduzierter neuronaler Aktivität des Kleinhirns führen. Diese Deaktivierung könnte eine Reduktion der<br />
zerebellären Perfusion und damit des Stoffwechsels nach sich ziehen.<br />
Eine MRT mit DWI ist hilfreich um frühzeitig eine CCD bei SE zu diagnostizieren. Eine antikonvulsive<br />
Therapie sollte zeitnah begonnen oder optimiert werden, um neuronalen Schaden weitgehend<br />
verhindern zu können.<br />
P106<br />
Eine vier Tagesgabe Lovastatin verbessert synaptische Plastizität bei Patienten mit NF-1<br />
Mainberger F. 1 , Jung N. 2 , Zenker M. 3 , Delvendahl I. 2 , Wahlländer-Danek U. 4 , Freudenberg L. 2 , Brandt<br />
A. 2 , Berweck S. 5 , Winkler T. 4 , Straube A. 4 , Heinen F. 6 , Mall V. 2<br />
1 Uniklinikum Freiburg, Neuropädiatrie, Freiburg, Germany, 2 Uniklinikum Freiburg, Freiburg, Germany,<br />
3 Uniklinikum Erlangen, Erlangen, Germany, 4 LMU München, München, Germany, 5 Schön Klinik<br />
Vogtareuth, Vogtareuth, Germany, 6 Dr. von Haunersches Kinderspital, München, Germany<br />
Neurofibromatose Type 1 (NF1) ist eine der verbreitesten genetischen Erkrankungen welche<br />
Lernschwächen hervorruft. Durch loss-of-function Mutationen des Neurofibromin-Gens wird in der NF1<br />
der RAS-Signalweg hyperaktiv. Dies führt im Mausmodell zu einer verminderten Langzeitpotenzierung<br />
(LTP), welche einen elementaren Mechanismus für alle Formen von Lernen und Gedächtnis darstellt.
Erst kürzlich konnte gezeigt warden, dass die Inhibition der HMG-CoA Reduktase durch Lovastatin<br />
diese Defizite im NF1-Mausmodell beheben kann. Die hier vorgestellte Studie zeigt, dass Patienten<br />
mit NF1 eine verminderte LTP-ähnliche Plastizität aufweisen, welche durch Lovastatin verbessert<br />
werden kann.<br />
Dazu wurden 11 NF1-Patienten (im Mittel 28,0 ± 9,2 Jahre, 4 weiblich, 7 männlich) und 11 gesunde<br />
Probanden (im Mittel 24,72 ± 3,58 Jahre, 5 weiblich, 6 männlich) mittels der gepaart assoziativen<br />
Stimulation (PAS), einer gängigen Methode um LTP-ähnliche Plastizität beim Meschen zu induzieren,<br />
untersucht. Zusätzlich wurde der Effekt von 200 mg Lovastatin auf die LTP-ähnliche Plastizität bei<br />
Patienten mit NF1 geprüft. Zunächst konnte gezeigt werden, dass die MEP-Amplituden, bis eine<br />
Stunde nach PAS Ende, bei gesunder Kontrollprobanden, signifikant von 1,0 ± 0,17 auf 1,71 ± 0,48<br />
mV (Post 3: p=0.001, gepaarter T-Test) anstiegen, was bei Patienten mit NF1 (1,05 ± 0,22 to 0,92 ±<br />
0,56 mV) nicht festgestellt werden konnte. Zusätzlich unterschieden sich beide Kollektive signifikant zu<br />
diesem Zeitpunkt (p=0,000; ungepaarter T-Test). Darüber hinaus konnte gezeigt werden, dass bei<br />
Patienten mit NF1 die MEP-Amplituden nach Gabe von Lovastatin signifikant direkt (von 0,84 ± 0,47<br />
mV auf 1,44 ± 0,52 mV; p=0,016; gepaarter T-Test) und 30 min (von 0,80 ± 0,41 mV auf 1,31 ± 0,63<br />
mV; p=0,041; gepaarter T-Test) nach PAS anstiegen. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass LTPähnliche<br />
Plastizität bei Patienten mit NF1 vermindert ist, und Lovastatin sich hier als nüzliches<br />
Behandlungsverfahren erweisen könnte.<br />
P107<br />
Kompletter Verschluss der Arteria carotis interna bei Neurofibromatose Typ 1. Angeborene<br />
Dysplasie oder progrediente Okklusion?<br />
Roloff-Meßing V. 1 , Finetti C. 1 , Feldkamp A. 2 , Utz N. 3 , Rosenbaum T. 1<br />
1 Klinikum Duisburg, Klinik für Kinderheilkunde und Jugendmedizin, Abteilung für Neuropädiatrie,<br />
Duisburg, Germany, 2 Klinikum Duisburg, Klinik für Kinderheilkunde und Jugendmedizin, Duisburg,<br />
Germany, 3 Klinikum Duisburg, Klinik für Radiologie und Neuroradiologie, Duisburg, Germany<br />
Fragestellung: Die Neurofibromatose Typ 1 (NF1) entsteht durch Mutationen des NF1-Gens<br />
(17q22.1) und ist u. a. durch fleckförmige Hauthyperpigmentierungen (Café-au-lait Flecken) und<br />
Tumoren des peripheren Nervensystems (Neurofibrome) gekennzeichnet. Seltenere Manifestationen<br />
sind Gefäßkomplikationen, die als „vaskuläre NF“ bezeichnet werden. Hierunter versteht man in erster<br />
Linie Nierenarterienstenosen mit sekundärem nephrogenen Hypertonus. In Fallberichten werden aber<br />
auch progressive cerebrovaskuläre Okklusionen beschrieben. Ob es sich im dargestellten Fall um<br />
eine progressive Okklusion oder eine angeborene Dysplasie handelt, wird im Folgenden diskutiert.<br />
Methodik: Wir berichten über ein 14 Jahre altes Mädchen mit nachgewiesener NF1-Mutation und<br />
klinisch eindeutiger NF1 mit Café-au-lait Flecken, sommersprossenartigen Hyperpigmentierungen<br />
sowie aneurysmatischen Knochenzysten und einem tumorösen Prozess des Hirnstamms.<br />
Kernspintomographisch fiel nebenbefundlich eine Dysplasie der A. carotis interna (ACI) links auf. Im<br />
letzten MRT wurde der Verdacht auf einen kompletten Verschluss der ACI links geäußert. Zur<br />
weiteren Abklärung wurden eine MR-Angiographie und eine Dopplersonographie durchgeführt.<br />
Ergebnis: Die MR-Angiographie bestätigte den kompletten Verschluss. Bei kompensatorischer<br />
Vergrößerung der kontralateralen ACI wurde die Gehirnperfusion ausschließlich über diese Arterie<br />
vermutet. Dopplersonographisch ließ sich für die A. carotis externa links jedoch das Flussprofil einer<br />
organversorgenden Arterie darstellen. Somit kann eine Mitperfusion des Gehirns über die A. carotis<br />
externa links vermutet werden.<br />
Schlussfolgerung: Langsam progrediente Gefäßobliterationen - auch der Karotiden - als Teil einer<br />
„vaskulären NF“ sind ein gut beschriebenes, aber ätiologisch unklares Phänomen. Unsere<br />
bildgebenden Untersuchungen sprechen für eine anlagebedingte Gefäßdysplasie mit<br />
kompensatorischen Umgehungskreisläufen. Das in Vorbefunden dokumentierte Restlumen der ACI<br />
links werten wir als Fehlinterpretation, da diese Fragestellung nicht im Untersuchungsfokus stand.
P108<br />
Spektrum klinischer Manifestationen von 20 Kindern und Jugendlichen mit Tuberöser Sklerose<br />
Mettin R.R. 1 , Syrbe S. 1 , Bernhard M.K. 1 , Elix H. 2 , Hirsch W. 3 , Kiess W. 1 , Merkenschlager A. 1<br />
1 Universitätsklinik für Kinder und Jugendliche Leipzig, Leipzig, Germany, 2 Klinik für Kinder- und<br />
Jugendmedizin, Klinikum Chemnitz gGmbH, Chemnitz, Germany, 3 Pädiatrische Radiologie,<br />
Universität Leipzig, Leipzig, Germany<br />
Die tuberöse Sklerose (TSC) ist ein autosomal-dominant vererbtes neurokutanes Syndrom, das durch<br />
das Auftreten hamartomatöser Läsionen in multiplen Organen gekennzeichnet ist. Das Spektrum der<br />
klinischen Manifestationen reicht von einem milden bis zu einem schwerwiegendem Krankheitsbild<br />
und bedarf einer ganzheitlichen, altersabhängigen interdisziplinären Untersuchung, Behandlung und<br />
Betreuung.<br />
In einer Kohorte von 20 Kindern und Jugendlichen mit der klinisch-definitven Diagnose einer TSC<br />
wurden die diversen klinischen, bildmorphologischen und genetischen Merkmale eruiert. Die<br />
Lebensqualität der Patienten wurde in einem Unterkollektiv mit dem KINDL-Fragebogen untersucht.<br />
Die erhobenen Daten wurden mit der aktuellen Literatur verglichen.<br />
Neben den klassischen morphologischen Merkmalen wurden „non-major-non-minor“ Manifestationen<br />
und jeweils ein Fall einer polyzystischen Nierenerkrankung Typ 1 und eines okular-kutanen Albinismus<br />
Typ 1b identifiziert.<br />
In Übereinstimmung mit Daten aus der Literatur zeigte sich eine schlechtere Entwicklung bei<br />
therapierefraktären Anfällen, im Speziellen bei BNS-Anfällen sowie deren Assoziation mit bestimmten<br />
morphologischen Merkmalen und neuropsychiatrischen Komplikationen. Autistische Störungen<br />
wurden ebenso beobachtet wie vielfältige Verhaltensauffälligkeiten und kardiale Komplikationen. Die<br />
Leitlinien waren zur Erkennung von Komplikationen ausreichend. Neben Rhabdomyomen sollten auch<br />
assoziierte Herzfehler untersucht werden. Auch bei persistierenden kardialen Rhabdomyomen traten<br />
jenseits des 1. Lebensjahres keine neuen Komplikationen auf. Gravierende okuläre und pulmonale<br />
Komplikationen wurden nicht identifiziert. Auch schwere renale Komplikationen scheinen im<br />
Kindesalter selten. Patienten mit TSC zeigen eine vergleichbare Lebensqualität zur<br />
Normalbevölkerung. Das Vorliegen eines jeden Major- oder Minormerkmals sollte zu einer<br />
altersabhängigen interdisziplinären Untersuchung führen, um eine frühe Therapie schwerwiegender<br />
Komplikationen wie mentaler Retardierung und neuropsychiatrischer Symptome zu gewährleisten.<br />
P109<br />
Acetazolamid - eine fast vergessene Therapieoption bei tuberkulösem Hydrocephalus<br />
malresorptivus<br />
Syrbe S. 1 , Bernhard M.K. 1 , Tegetmeyer H. 2 , Schuster V. 1 , Trantakis C. 3 , Hirsch W. 4 , Merkenschlager<br />
A. 1<br />
1 Universitätsklinik für Kinder und Jugendliche Leipzig, Leipzig, Germany, 2 Klinik und Poliklinik für<br />
Augenheilkunde, Universität Leipzig, Leipzig, Germany, 3 Klinik für Kopf- und spinale Mikrochirurgie,<br />
Helios Kliniken Leipziger Land, Borna, Germany, 4 Pädiatrische Radiologie, Universität Leipzig,<br />
Leipzig, Germany<br />
Hintergrund: Eine zentrale Tuberkulose im Sinne eines solitären tuberkulösen Hirnabszesses ist im<br />
Kindesalter in Deutschland eine seltene Entität. Für die tuberkulostatische Therapie existieren<br />
Leitlinien. Problematisch können Komplikationen, wie ein kommunizierender Hydrocephalus<br />
malresorptivus sein. Dieser macht in der Regel eine ventrikulo-peritoneale Ableitung notwendig. Eine<br />
Therapie mit Acetazolamid (AZM), wie früher nach tuberkulöser Meningitis häufiger durchgeführt,<br />
findet in der aktuellen Literatur wenig Beachtung.<br />
Fallbericht: Eine 13-jährige Patientin stellte sich mit Doppelbildern und Stauungspapille in unserer<br />
Klinik vor. Im MRT zeigte sich ein beginnender Hydrocephalus internus, bei unklarer Raumforderung<br />
der linken Kleinhirnhemisphäre mit Kompression des Hirnstamms. Nach akuter Anlage einer externen<br />
Ventrikelableitung erfolgte die neurochirurgische Entfernung der Raumforderung. Postoperativ war<br />
keine weitere Liquorableitung notwendig. Nach Diagnosesicherung eines solitären tuberkulösen<br />
Hirnabszesses ohne meningitische Beteiligung erfolgte eine tuberkulostatische Therapie über 12<br />
Monate. Zwei Monate nach Therapiebeginn zeigte sich eine erneute Zunahme der Stauungspapille.
Ein kommunizierender Hydrocephalus malresorptivus wurde diagnostiziert. In Anlehnung an eine<br />
tuberkulöse Meningitis begannen wir einen Therapieversuch mit 2x125mg AZM über 3 Monate, dann<br />
ausschleichende Dosierung über weitere 6 Monate. Bis auf akrale Parästhesien unter initialer Dosis<br />
traten keine Nebenwirkung auf. Die Papillenprominenz war regredient. Nach Ende der<br />
antituberkulösen Therapie besteht nach Absetzen von AZM ein stabiler klinischer Befund. Die Anlage<br />
einer ventrikulo-peritonealen Ableitung konnte vermieden werden.<br />
Diskussion: Die radiologischen, infektiologischen und therapeutischen Besonderheiten eines<br />
tuberkulösen Hirnabszesses sowie die mögliche Komplikation eines Hydrocephalus malresorptivus<br />
werden exemplarisch dargestellt. AZM wird als weiterhin sinnvolle Therapieoption bei Hydrocephalus<br />
communicans im Rahmen einer Neurotuberkulose diskutiert.<br />
P110<br />
Joubert syndrome and related disorders: Spektrum von MR-Befunden bei 75 Patienten<br />
Poretti A. 1,2 , Huisman T.A.G.M. 1 , Scheer I. 3 , Boltshauser E. 2<br />
1 The Johns Hopkins Medical School, Division of Pediatric Radiology, Baltimore, United States,<br />
2 University Children's Hospital, Department of Pediatric Neurology, Zurich, Switzerland, 3 University<br />
Children's Hospital, Division of Diagnostic Imaging, Zurich, Switzerland<br />
Einleitung: Die typischen neuroradiologischen Kennzeichen von Joubert Syndrom and Related<br />
Disorders (JSRD) sind die Hypoplasie des Vermis und das "Molar Tooth Sign" (MTS). Wir berichten<br />
über das Spektrum neuroradiologischer Befunden bei JSRD und möchten speziell auf ungewöhnliche<br />
Beobachtungen hinweisen.<br />
Patienten und Methoden: Wir haben die neuroradiologischen Befunde von 75 Patienten mit JSRD<br />
retrospektiv studiert. In unserer Patientencohorte sind 13 Geschwister aus 6 Familien und 4 Patienten<br />
mit dem Oro-fazio-digitalen Syndrom Typ VI (OFD VI) eingeschlossen.<br />
Ergebnisse: Die Form des MTS war variabel. Bei den meisten Patienten war die Morphologie der<br />
Kleinhirnhemisphären normal, und die hintere Schädelgrube war vergrössert. Bei einem Drittel der<br />
Patienten war die Struktur des Hirnstamms abnorm. Supratentorielle Abnormitäten betraffen u.a.<br />
Malrotation des Hippocampus, Dysgenesie des Balkens, Migrationsstörungen, Zephalozelen, und<br />
Ventrikulomegalie. Alle OFD VI-Patienten zeigten eine schwere Hypoplasie des Vermis und eine<br />
vergrösserte hintere Schädelgrube. Ein hypothalamisches Hamartom war bei zwei OFD VI-Patienten<br />
vorhanden. Eine Korrelation zwischen neuroradiologischen Befunden und Genotyp konnte nicht<br />
gefunden werden.<br />
Schlussfolgerung: Diese Studie zeigt ein breites Spektrum an supra- und infratentoriellen<br />
neuroradiologischen Befunden bei Patienten mit JSRD. Dies unterstützt die Heterogenität dieses<br />
Syndroms. Neuroradiologische Unterschiede zwischen Geschwistern weisen auf eine intrafamiliäre<br />
Heterogenität hin. Aufgrund der fehlenden Korrelation zwischen neuroradiologischen Befunden und<br />
Genotyp soll sich die Klassifikation der Patienten mit JSRD primär auf die Beteiligung der<br />
verschiedenen Organe stützen. Patienten mit OFD VI-Syndrom haben insgesamt ausgeprägtere<br />
neuroradiologische Befunde, welche eine schwere Hypoplasie des Vermis, eine vergrösserte hintere<br />
Schädelgrube, und hypothalamische Hamartome beinhalten.<br />
P111<br />
Potocki-Shaffer Syndrom: Ein Fallbeispiel<br />
Fiedler B.J. 1 , Siebers-Renelt U. 2 , Bohring A. 2 , Schwindt W. 3 , Kurlemann G. 1<br />
1 Universitätskinderklinik Münster, Klinik und Poliklinik für Kinder- und Jugendmedizin, Allgemeine<br />
Pädiatrie, Bereich Neuropädiatrie, Münster, Germany, 2 Universitätskinderklinik Münster, Institut für<br />
Humangenetik, Münster, Germany, 3 Universitätskinderklinik Münster, Institut für Klinische Radiologie,<br />
Münster, Germany
Das Potocki-Shaffer Syndrom (OMIM #601224) ist ein seltenes „contiguous“ Gendeletions-Syndrom<br />
des Chromosoms 11p11.2p12. Die Patienten zeigen charakteristische kraniofaziale Auffälligkeiten,<br />
eine oft deutliche globale Entwicklungsstörung, multiple Exostose, bifrontale Foramina und urogenitale<br />
Auffälligkeiten. In der Literatur sind bisher weltweit weniger als fünfzig Fälle beschrieben.<br />
Wir stellen einen 2 8/12 Jahre alten Jungen vor, bei dem mit 9 Monaten eine BNS-<strong>Epilepsie</strong><br />
diagnostiziert wurde. Nach kurzer Anfallsfreiheit unter Vigabatrin erfolgte eine ACTH-Therapie, die<br />
ebenfalls nur über wenige Wochen zu einer Anfallsfreiheit führte. Seitdem sind die Anfälle<br />
therapierefraktär. Derzeit besteht die antikonvulsive Therapie aus Valproat, Clobazam und Lacosamid.<br />
Der Junge zeigt eine deutliche Muskelhypotonie, sitzt frei, dreht sich und robbt kurze Strecken. Der 4-<br />
Füßler-Stand wird eingenommen, er zieht sich in den Kniestand hoch, krabbeln kann er noch nicht.<br />
Sprachlich lautiert er.<br />
Es zeigen sich folgende craniofaziale Dysmorphiezeichen: beidseitiger Epikanthus, prominente<br />
vorgewölbte Stirn, tief sitzende, leicht dysplastische Ohren, eingesunkene Nasenwurzel,<br />
Brachyzephalus und Strabismus. MR-tomographisch liegt eine fronto-temporal betonte Hirnatrophie<br />
vor, nebenbefundlich zeigen sich beidseitige Plexuszysten. Radiologisch ließen sich bisher keine<br />
Exostosen nachweisen, nach der Literatur werden diese meist auch erst nach dem 3. Lebensjahr<br />
evident. Radiologisch konnten die bifrontalen Foramina eindrücklich dargestellt werden.<br />
Im Rahmen der ätiologischen Abklärung wurde ein CGH-Array durchgeführt. Hier zeigte sich eine<br />
Deletion von 7,9 Megabasen in der chromosomalen Region 11p12-11p11.2, so dass zusammen mit<br />
den klinischen Merkmalen die Diagnose eines Potocki-Shaffer Syndroms gestellt werden konnte.<br />
P112<br />
Das Cohen-Syndrom - eine wichtige Differentialdiagnose bei Kindern mit geistiger<br />
Behinderung und sekundärer Mikrozephalie<br />
Karch S. 1 , Dikow N. 2 , Koch K. 1 , Moog U. 2 , Pietz J. 1<br />
1 Zentrum für Kinder- und Jugendmedizin, Neuropädiatrie, Heidelberg, Germany, 2 Institut für<br />
Humangenetik, Heidelberg, Germany<br />
Einleitung: Das Cohen-Syndrom (CS; OMIM 216550) ist eine seltene, autosomal-rezessiv vererbte<br />
Erkrankung. Hauptmerkmale sind eine globale Entwicklungsstörung, sekundäre Mikrozephalie,<br />
muskuläre Hypotonie, früh beginnende Myopie und Retinadystrophie, intermittierend auftretende,<br />
isolierte Neutropenie und typische faziale Dysmorphiezeichen. Daneben finden sich häufig eine<br />
stammbetonte Adipositas und ein charakteristisches Sozialverhalten. Ursächlich für das CS sind<br />
Mutationen im COH1 (VPS13B)-Gen auf Chromosom 8q22-q23.<br />
Falldarstellung: Wir berichten über vier betroffene Kinder im Alter zwischen 2 und 16 Jahren aus drei<br />
Familien. Alle vier Patienten zeigen eine deutliche Entwicklungsstörung bzw. geistige Behinderung,<br />
Muskelhypotonie, Myopie bzw. Retinopathie und Neutropenie. Bei drei von vier Kindern findet sich<br />
eine sekundäre Mikrozephalie, bei einem eine primäre Mikrozephalie bei insgesamt niedrigen<br />
Geburtsmaßen. An fazialen Dysmorphien weisen alle einen tiefen Haaransatz, kräftige Brauen, einen<br />
hohen Nasenrücken und ein kurzes Philtrum auf. Bei den beiden älteren Patienten bestehen<br />
zusätzlich eine stammbetonte Adipositas und schmale Hände mit sich nach distal verjüngenden<br />
Fingern. Die klinische Verdachtsdiagnose CS konnte bei unseren vier Patienten molekulargenetisch<br />
bestätigt werden.<br />
Diskussion: Bei Kindern mit einer globalen Entwicklungsstörung, sekundären Mikrozephalie und<br />
mindestens zwei weiteren Symptomen der Trias faziale Gestalt, Retinadystrophie bzw. progrediente<br />
Myopie und isolierte Neutropenie sollte ein Cohen-Syndrom in Erwägung gezogen werden. Eine<br />
spezifische molekulargenetische Diagnostik steht zur Verfügung, sie ist aber aufgrund der Größe des<br />
COH1-Gens sehr aufwendig und sollte nur bei deutlichen Hinweisen auf ein CS veranlasst werden.<br />
P113<br />
Kongenitales bilaterales perisylvisches Syndrom mit familiärer Häufung
Weiss D., Walsh S., Haffner D., Denecke J.<br />
Universitäts-Kinder- und Jugendklinik Rostock, Rostock, Germany<br />
Einleitung: Das kongenitale bilaterale perisylvische Syndrom (CBPS) ist eine kortikale Fehlbildung<br />
mit großer Varianz des klinischen Erscheinungsbildes. Die schwerste Ausprägung ist das bilaterale<br />
Operkulumsyndrom mit Plegie der willkürlichen Gesichtsmotorik und Schluck- sowie Sprachstörung.<br />
Häufig ist eine therapieschwierige <strong>Epilepsie</strong> assoziiert.<br />
Die Genese ist nicht eindeutig geklärt. Zumeist tritt die Erkrankung sporadisch auf, es sind jedoch<br />
auch Familien mit mehreren Betroffenen beschrieben. Anhand dieser wird ein X-chromosomaler<br />
Erbgang angenommen, wobei männliche Betroffene zumeist schwerer betroffen sind als Weibliche.<br />
Verschiedene Genloci sind beschrieben.<br />
Kasuistik: Wir berichten über eine Patientin, welche im Alter von 3 Jahren aufgrund einer<br />
sprachlichen Entwicklungsverzögerung vorgestellt wurde.<br />
Sie ist das 4. Kind nicht konsanguiner deutscher Eltern. Bei dem 6 Jahre alter Bruder besteht ein<br />
bilaterales Operkulumsyndrom. Zwei weitere Brüder leiden an einem ADHS bzw. einer leichten<br />
Entwicklungsverzögerung.<br />
Bei Erstvorstellung im Alter von 3 Jahren sprach das Kind etwa 20 Worte bei allgemein geringer<br />
Lautproduktion. Die orale Nahrungsaufnahme gestaltete sich schwierig, das Kind bevorzugt weiche<br />
Speisen.<br />
Klinisch zeigte sich eine orofaziale Hypotonie mit Hypersalivation. Die Mimik war ungestört, der<br />
Würgereflex war regelrecht auslösbar. Das Sprachverständnis war eingeschränkt bei normalem<br />
Hörvermögen.<br />
In der weiteren Diagnostik zeigte sich MR-tomographisch das typische Bild eines CBPS.<br />
Schlussfolgerung:<br />
• Eine MRT des Kopfes sollte auch bei milderen Formen einer gestörten Mundmotorik sowie<br />
Sprachentwicklungsverzögerung zur Abklärung eines CBPS angestrebt werden.<br />
• Familiäre Fälle mit sehr unterschiedlichem klinischen Verlauf bis hin zur Symptomfreiheit<br />
wurden beschrieben und sollten ggf. Anlass zur Untersuchung weiterer Familienmitglieder<br />
sein.<br />
P114<br />
Kleine-Levin-Syndrom-Eine Erkrankung mit dem Leitsymptom „Rezidivierende Hypersomnie“<br />
Walsh S. 1 , Weiss D. 1 , Kirchhoff F. 2 , Haffner D. 1 , Denecke J. 1<br />
1 Universitäts-Kinder- und Jugendklinik, Rostock, Germany, 2 Klinikum Südstadt, Rostock, Germany<br />
Das Kleine-Levin-Syndrom (KLS) ist ein seltenes Krankheitsbild gekennzeichnet durch<br />
wiederkehrende Episoden einer Hypersomnie sowie durch Verhaltens- und Wahrnehmungsstörungen,<br />
fakultativ einer Hyperphagie und Hypersexualität. Die Symptome beginnen meist im Jugendalter,<br />
häufig nach einem vorausgegangenen grippalen Infekt. Einzelne Episoden dauern ca. 1-2 Wochen<br />
und kehren alle 4-6 Monate wieder. Im Median kommt es nach 8 Jahren zur Spontanremission. Als<br />
Ursache werden eine Immunreaktion im Hypothalamus sowie eine genetische Prädisposition<br />
diskutiert. Junge Männer sind bevorzugt betroffen. Wir berichten von einem 17jährigen jungen Mann<br />
mit den typischen Symptomen dieses Krankheitsbildes.<br />
Im Alter von 16 Jahren hatte der Junge nach einem fieberhaften Infekt seine erste Episode mit einer<br />
Dauer von 7d und einer durchschnittlichen Schlafzeit von täglich 20h. Während solcher Phasen ist ein<br />
Schulbesuch nicht möglich. Er berichtet von verlangsamter Sprache und Wortfindungsstörungen<br />
sowie Konzentrationsschwierigkeiten und reduziertem Erinnerungsvermögen. Inkonstant zeigte sich in<br />
dieser Zeit ein gesteigerter Appetit und ein hypersexuelles Verhalten. Zwischen den Episoden ist der<br />
Junge unbeeinträchtigt und zeigt gute schulische Leistungen. Nach 6 solcher Episoden stellte sich der<br />
Junge in unserer Klinik vor. Die Laborparameter (BB, Glucose, Laktat, Ammoniak,<br />
Schilddrüsenhormone, Cortisol, Leberwerte, Drogenscreening), ein EEG, ein cMRT und ein PET-CT<br />
ergaben unauffällige Befunde. In der während einer Episode abgeleiteten Polysomnographie zeigte
sich eine reduzierte Schlafeffizienz und ein verminderter Tiefschlafanteil. Gleichzeitig fanden sich in<br />
der neuropsychologischen Testung ein durchschnittlicher IQ und eine unterdurchschnittliche Leistung<br />
in der Konzentrations-, Lern- und Merkfähigkeit. In der Zusammenschau der typischen Anamnese und<br />
der Befunde konnte die Diagnose eines KLS gestellt werden.<br />
Fazit: Das KLS ist ein seltenes Krankheitsbild, das bei Patienten mit rezidivierender Hypersomnie<br />
differentialdiagnostisch in Erwägung gezogen werden sollte.<br />
P115<br />
Hereditäre Prosopagnosie<br />
Rosenbaum T. 1 , Kennerknecht I. 2 , Plümpe N. 1<br />
1 Kinderklinik, Neuropädiatrie, Duisburg, Germany, 2 Uniklinikum Münster, Humangenetik, Münster,<br />
Germany<br />
Hintergrund: Wir stellen die hereditäre Prosopagnosie vor. Bei diesem Phänomen können die<br />
Betroffenen bekannte Personen anhand ihres Gesichts schlecht oder gar nicht erkennen. Seit 2006 ist<br />
die hereditäre Prosopagnosie im OMIM Verzeichnis aufgeführt. Bei psychiatrischen Erkrankungen wie<br />
z.B. der Schizophrenie oder dem autistischen Formenkreis ist dieses Phänomen häufig vorhanden.<br />
Bereits Kinder können diese Probleme bei der Gesichtserkennung zeigen, wobei die Symptome sich<br />
mit autistischen Kriterien überschneiden können. Insgesamt fallen Betroffene aber nicht stark auf.<br />
Methodik: Über ein Fragebogen-Screening wurden Personen mit Gesichtserkennungsproblemen<br />
erfasst. Diese und ihre Familienangehörigen wurden durch Interviews als Prosopagnostiker oder<br />
Normalpersonen diagnostiziert. Hierbei entstanden Stammbäume von 12 Familien.<br />
Ergebnisse: In den Familien fand sich bei 18 % eine Prosopagnosie. Eine autosomal dominante<br />
Vererbung mit eingeschränkter Penetranz konnte bewiesen werden. Z.T. gaben die Betroffenen<br />
bereits Auffälligkeiten (mangelnder Blickkontakt etc) im Kindesalter an.<br />
Schlussfolgerung: Die Kenntnis der hereditären Prospagnosie ist daher als isoliertes Phänomen<br />
wichtig, da Überschneidungen mit den genannten psychiatrischen Erkrankungen vorliegen und daher<br />
lange Diagnostik- oder Therapieverläufe verhindert werden können.<br />
P116<br />
Kasuistik eines Geschwisterpaares mit Labrune Syndrom<br />
Berger A. 1 , Kutschke G. 1 , Crow Y.J. 2 , Reitter B. 1<br />
1 Universitäts Kinderklinik Mainz, Neuropädiatrie, Mainz, Germany, 2 University of Manchester, Genetic<br />
Medicine, Manchester, United Kingdom<br />
Das Labrune Syndrom wurde 1996 erstmals anhand von drei nicht verwandten Kindern als<br />
progressive zerebrale Erkrankung mit "extrensiven zerebraler Verkalkungen, Leukodystrophie und<br />
Entstehung parenchymaler Zysten" (LCC) beschrieben. Im Unterschied zum Coats Plus Syndrom<br />
fehlen hier die retinalen Veränderungen. Dennoch scheinen die beiden Phänomene zu einer<br />
klinischen Entität zu gehören, da sie die gemeinsame Ätiopathogenese einer obliterativen<br />
Mikroangiopathie der kleinen Gefäße haben. Kürzlich wurde hierfür der Begriff der "Zerebroretinalen<br />
Mikroangiopathie mit Verkalkungen und Zysten" (CRMCC) eingeführt. Die Mutationen in den bisher für<br />
Retinopathien verantwortlichen Genen allerdings sind nicht mit der CRMCC oder LCC assoziiert.<br />
Wir zeigen zwei Schwestern im Alter von 7 und 12 Jahren, die nach vorerst unauffälliger Entwicklung<br />
im Alter von einem bzw. drei Jahren unterschiedlich stark ausgeprägte pyramidale und<br />
extrapyramidale Bewegungsstörungen, mentale Rückschritte und in einem Fall rezidivierende<br />
prolongierte fieberassoziierte fokale Anfälle aufzeigen. Beide Schwestern haben in der Bildgebung die<br />
typischen multiplen Zysten und extensiven Verkalkungen sowie eine Leukodystrophie der LCC. Das<br />
familiäre Auftreten untermauert die Annahme eines hereditären Krankheitsbildes, für das bisher<br />
jedoch bei Mutationsanalysen der Kandidatengene noch keine Assoziation gefunden werden konnte.<br />
Weitere genetische Untersuchungen sind am Laufen.
P117<br />
Mikrodeletion 1q42.12q42.2 bei einem Jungen mit Hypogenesie des Corpus callosum<br />
Siegel C. 1,2 , Prothmann A. 3 , Hempel M. 1,2 , Rivera-Brugués N. 2 , Oexle K. 2 , Makowski C. 3 , Burdach S. 3<br />
1 Institut für Humangenetik des Klinikums rechts der Isar der Technischen Universität München,<br />
München, Germany, 2 Institut für Humangenetik Helmholtz Zentrum München Neuherberg, München,<br />
Germany, 3 Kinderklinik und Poliklinik des Klinikums rechts der Isar der Technischen Universität<br />
München, München, Germany<br />
Die Agenesie des Corpus callosum (CCA) ist eine häufige Hirnfehlbildung. Die zugrunde liegenden<br />
genetischen Defekte sind aufgrund der Komplexität der Balkenentwicklung vielfältig. CCA wurde in<br />
Zusammenhang mit verschiedenen Mikrodeletionen in der chromosomalen Region 1q44 beschrieben.<br />
Wir berichten über einen 3-jährigen irakischen Jungen (1. Kind nicht-konsanguiner Eltern).<br />
Familienanamnese und Schwangerschaft unauffällig. Postnatal fielen Schlaf- und Fütterprobleme auf.<br />
Mit 3 Jahren trat erstmals ein Fieberkrampf auf. Die Sprachentwicklung war verzögert, das Verhalten<br />
hyperaktiv und aggressiv. Zudem fielen diskrete faziale Dysmorphiezeichen (Epicanthus inversus)<br />
sowie zwei Cafe-au-lait Flecken auf. Im kranialen MRT stellte sich eine Corpus callosum Hypogenesie<br />
dar. Stoffwechseluntersuchungen sowie augenärztliche Untersuchungen waren unauffällig.<br />
Ein SNP-Oligonukleotid-Array zeigte eine 3,6 Mb große Duplikation in der chromosomalen Region<br />
1q25.1 und eine 4,2 Mb große Deletion in der chromosomalen Region 1q42.12q42.2. Die Duplikation<br />
umfasst 30 RefSeq-Gene, keines dieser Gene ist ein OMIM annotiertes Krankheitsgen. Die deletierte<br />
Region beinhaltet 40 RefSeq Gene, fünf dieser Gene sind in Zusammenhang mit Krankheiten gelistet<br />
(PSEN2, CABCA1, CJC2, ACTA1, AGT).<br />
Unsere Befunde decken sich mit zwei bisherigen Berichten über ACC-Patienten mit Deletionen in<br />
1q42. Diese Region ist mehr als 10 Mb entfernt von 1q44, in welcher Deletionen als Ursache einer<br />
CAA bereits beschrieben wurden, weshalb wir eine. unabhängige CCA-assoziierte Region bei 1q42<br />
vermuten. Einige in dieser Region lokalisierte Gene, z.B. WNT3A (OMIM 603341) und RHOU<br />
(*606366), wurden bereits als Kandidatengene für CCA und Neuralrohrdefekte diskutiert. Die<br />
Verhaltensauffälligkeiten und Sprachentwicklungsverzögerung bei unserem Patienten können eine<br />
Folge der CCA sein, jedoch kann ein Effekt der Duplikation bei 1q25.1 auf den Phänotypus nicht<br />
ausgeschlossen werden. Dieser Fall unterstützt die Hypothese, dass eine Hypo-/Agenesie des Corpus<br />
callosum durch eine Mikrodeletion 1q42 verursacht sein kann.<br />
P118<br />
Fallbericht eines Kleinkindes mit plötzlichem Herztod und Mutation im LPIN1 Gen<br />
Schönfelder J. 1 , Brocke K. 1 , Winkler U. 2 , Flössel U. 3 , Geiger K. 3 , von der Hagen M. 1 , de Lonlay P. 4 ,<br />
Hübner A. 1 , Smitka M. 1<br />
1 Klinik für Kinder und Jugendmedizin, Universitätsklinikum Carl G. Carus, TU Dresden,<br />
Neuropädiatrie, Dresden, Germany, 2 Oberlausitz Kliniken GmbH, Klinik für Kinder- und<br />
Jugendmedizin, Bautzen, Germany, 3 Institut für Pathologie, Universitätsklinikum Carl G. Carus, TU<br />
Dresden, Dresden, Germany, 4 Paris Descartes University, INSERM U781 and Ref Center of Metabolic<br />
Diseases, Necker Hospital, Paris, France<br />
Mutationen im LPIN1 Gen (#605518) sind assoziiert mit Lipodystrophie, Hypertriglyceridämie und<br />
Insulinresistenz. Darüber hinaus wurden von Zeharia et al. Mutationen im LPIN1 Gen als Ursache für<br />
Rhabdomyolysen beschrieben. Von Michot et al. wurde vermutet das LPIN1-Mutationen die<br />
zweithäufigste Ursache für rezidivierende Rhabdomyolysen im Kleinkindesalter darstellen. Ein Mangel<br />
des Genproduktes Lipin-1 führt zur beeinträchtigten Synthese von Phospholipiden und konsekutiver<br />
Anhäufung von schädlichen Syntheseprodukten und fehlerhaften Zellmembranen. Die auftretenden<br />
Rhabdomyolysen sind durch eine hohe Mortalität gekennzeichnet. Die Episoden werden vorwiegend<br />
durch fieberhafte Infektionen, Fastenepisoden oder extremen Belastungen ausgelöst. Lipin-1 wird
durch inflammatorische Zytokine weiter supprimiert. Zwischen den Rhabdomyolysen sind die Kinder<br />
klinisch und laborchemisch meist unauffällig.<br />
Wir berichten über einen 33-Monate alten Jungen, welcher 4 Wochen nach einer stattgehabten<br />
Myositis akut verstarb. Die Autopsie zeigte als unmittelbare Todesursache ein akutes<br />
Linsherzversagen. Eine dilatative Kardiomyopathie wies bereits auf eine Vorschädigung hin. Weiterhin<br />
zeigte sich eine leichtgradige präduktale Aortenisthmusstenose. Alle untersuchten Muskelgewebe<br />
zeigten myopathische Veränderungen. Postmortem ließ sich eine compound heterozygote LPIN1-<br />
Mutation sichern. Die Todesursache in unserem Fall besteht vermutlich in einer Kombination aus<br />
Herzinsuffizienz und respiratorischer Erschöpfung aufgrund einer im Rahmen einer Atemwegsinfektion<br />
und Myositis dekompensierten Kardiomyopathie. Weiterhin zeigten sich in der Autopsie auch Hinweise<br />
für neuropathische Veränderungen, sodass eine Herzrhythmusstörungen als Ursache nicht<br />
ausgeschlossen werden kann.<br />
Als Fazit empfehlen wir die Einhaltung bestimmter Vorsichtsmaßnahmen bei Patienten mit Mutationen<br />
im LPIN1 Gen(Vermeidung von Fastenepisoden, extremer Belastungen, etc) und die regelhafte<br />
Durchführung einer kardiologische Untersuchung. Auch asymptomatische Geschwister sollten<br />
untersucht werden.<br />
P119<br />
10q26-Mikrodeletionssyndrom - seltene Ursache für Entwicklungsretardierung, Strabismus und<br />
Kleinhirnwurmhypoplasie - ein Fallbericht<br />
Schwerin-Nagel A. 1 , Rötzer K. 2 , Kroisl P. 2 , Wagner K. 2 , Plecko B. 1<br />
1 Universitätsklinik für Kinder- und Jugendheilkunde, Neuropädiatrie, Graz, Austria, 2 Institut für<br />
Humangenetik, Medizinische Universität, Graz, Austria<br />
Einleitung: Das Mikrodeletionssyndrom-10q26 ist ein seltenes Krankheitsbild mit etwa 60<br />
beschriebenen Fällen. Symptome sind motorische, geistige und sprachliche Retardierung<br />
unterschiedlichen Ausmaßes, Strabismus, charakteristische Fazies (u.a. breiter Nasenrücken,<br />
tiefliegende Augen), Mikrocephalie, Wachstumsretardierung sowie variabel Ernährungsprobleme,<br />
Verhaltensauffälligkeiten, muskuläre Hyotonie, Hördefizit, Fehlbildungen an Herz, Niere Genitalien,<br />
Händen und Füßen. Die klinische Variabilität kann durch unterschiedliche Größe der Deletionen<br />
erklärt werden.<br />
Patient und Methode: Wir berichten über ein 10 Jahre altes Mädchen mit mäßiger globaler<br />
Entwicklungsretardierung, Strabismus convergens alternans, leichter Ataxie und Intentionstremor.<br />
Schwangerschaft mit vorzeitige Wehentätigkeit, Geburt 41. SSW per sectionem, APGAR 3/8/9. Länge<br />
und Gewichtsentwicklung entlang 50. Perzentile. Kopfumfangswachstum konform zur 10. Perzentile.<br />
MRT Schädel im Alter von 3 jahren: Kleinunterwurmhypoplasie. Aminosäuren i.S., organische Säuren<br />
i.U., Schilddrüsenparameter, Laktat, Transferrinelektrophorese, Acylcarntitin unauffällig. EEG<br />
unauffällig. Urodynamische Untersuchung wegen rezidivierender Harnwegsinfekte: unauffällig. MRT<br />
der LWS: Bogenschlussanomalie L5/S1.<br />
Resultat: Micro-Array-CGH: Mikrodeletion 10q26 von 6,92Mb. Bestätigung des Befundes durch realtime<br />
PCR. Untersuchung beider Eltern mit Micro-Array-CGH und real-Time PCR unauffällig.<br />
Schlussfolgerung: Das bei unserer Patientin vorliegende Krankheitsbild konnte im Alter von 10<br />
Jahren einem Mikrodeletionssyndrom zugeordnet werden. Die Pathogenität wird durch das „de novo“<br />
Auftreten sowie die Größe der Deletion (>4Mb) belegt werden. Zudem handelt es sich um einen<br />
Symptomenkomplex, der bereits bekannt ist. Neben denen für das Mikrodeletionssyndrom 10q26<br />
typischen Symptomen findet sich hier eine Kleinhirnunterwurmhypoplasie, die zu Intentionstremor und<br />
milder Ataxie führt. Der erweiterte Phänotyp könnte durch die über die übliche Größe der<br />
Mikrodeletion 10q26 hinausgehende Region erklärt werden.<br />
P120
Isolierte Balkenagenesie- seltene Differenzialdiagnose eines Aufmerksamkeitsdefizit Syndroms<br />
Kovacevic-Preradovic T., Mayer T., Holert N.<br />
Sächsisches <strong>Epilepsie</strong>zentrum Radeberg-Kleinwachau, Radeberg, Germany<br />
Einleitung: Aufmerksamkeits-Defizit-Hyperaktivitätsstörung (ADHS) ist eine häufige psychische<br />
Störung von Kindern und Jugendlichen. Anhand ihres charakteristischen Erscheinungsbildes wird sie<br />
nicht selten mit anderen Krankheitsbildern bzw. Phänomenen verwechselt. Wir möchten anhand der<br />
folgenden Kasuistik auf eine seltene, aber differentialdiagnostisch wichtige Ätiologie aufmerksam<br />
machen.<br />
Fallbericht: Wir berichten über einem 9- jährigen, normal intelligenten Mädchen mit<br />
pharmakorefraktärem Aufmerksamkeitsdefizitsyndrom (ADS), das in unserem Zentrum zum<br />
Ausschluss einer Absence <strong>Epilepsie</strong> vorgestellt wurde. Häufige Episoden mit starrem Blick, fehlender<br />
Reaktion auf Ansprache und Bewegungsarrest sind beobachtet worden. Nach dem diagnostischen<br />
Verfahren in unserem Zentrum konnte auf Grund EEG Monitoring eine aktive <strong>Epilepsie</strong><br />
ausgeschlossen werden. Jedoch, eine ausgeprägte interhemisphärielle Asynchronie im Schlaf EEG<br />
wies auf eine Störung der Balkenentwicklung hin, die nach der Reevaluation vom Schädel-MRT<br />
bestätigt werden konnte.<br />
Zusammenfassung: Dieser Fall betont die Bedeutung einer umfassenden diagnostischen Abklärung<br />
bei normal intelligenten Kindern mit ausgeprägten Konzentrationsstörungen, damit die unnötige<br />
medikamentöse Behandlung vermieden werden kann, zumal die Inzidenz von isolierter<br />
Balkenagenesie nicht bekannt ist.<br />
<strong>Postersession</strong> 6: Motorik II, Varia<br />
P121<br />
Wachstum und Pubertätsentwicklung bei Jungen mit X-chromosomal rezessiver Duchenne<br />
Muskeldystrophie (DMD)<br />
Gangfuß A. 1 , Geers B. 1 , Lutz S. 1 , Munteanu M. 1 , Schaaf K. 2 , Hauffa B. 2 , Schara U. 1<br />
1 Universitätsklinikum Essen, Neuropädiatrie, Entwicklungsneurologie und Sozialpädiatrie, Klinik für<br />
Kinderheilkunde I, Essen, Germany, 2 Universitätsklinikum Essen, Pädiatrische Endokrinologie und<br />
Diabetologie, Klinik für Kinderheilkunde II, Essen, Germany<br />
Einleitung: Durch Verbesserung der medizinischen Betreuung erreichen viele Patienten mit DMD<br />
heute das junge Erwachsenenalter. Daten zu Wachstumsverlauf und Pubertät liegen nicht vor,<br />
deswegen veranlassten wir eine Querschnittsstudie in unserer DMD-Ambulanz der<br />
Universitätskinderklinik Essen.<br />
Methoden: 78 Jungen und junge Erwachsene (Alter: 0,5-22,5 Jahre) mit muskelbioptisch u./od.<br />
molekulargenetisch gesicherter DMD wurden bezüglich der Wachstums- und der<br />
Pubertätsentwicklung untersucht. Der Body Mass Index (BMI) wurde berechnet, die<br />
Genitalentwicklung und Schambehaarung nach TANNER eingestuft, das Hodenvolumen durch<br />
vergleichende Palpation mit dem Orchidometer nach PRADER erhoben. Die Daten wurden in<br />
Standard-Abweichungs-Scores (SDS) umgerechnet. Die SDS sind als Median, 25% und 75% Quantil<br />
sowie Spannweite angegeben. 40 Jungen wurde im Rahmen einer zweiten Untersuchung Blut<br />
abgenommen und die Parameter der Hypothalamus-Hypophysen-Gonadenachse sowie der<br />
somatotropen Achse bestimmt.<br />
Ergebnisse: Patienten mit DMD sind kleiner (-1,18, -2,81- -0.3) als gesunde Gleichaltrige und haben<br />
eine Tendenz zu einem höheren BMI (0,71, 0,25-1,57). Ihre Pubertätsentwicklung ist zur<br />
Vergleichsgruppe verzögert: Patienten mit DMD erreichen die Genitalstadien später als gesunde<br />
Jungen (G2:11,2 vs.12,1 Jahre; G3:12,9 vs.14,4 J.; G4:13,8 vs. 16,9 J.; G5:14,7 vs.17,6 J.). Auch die<br />
Stadien der Schambehaarung wurden später erreicht (PH3:13,5 vs.18,6 Jahre; PH4:14,2 vs.16,9 J.;<br />
PH5:14,9 vs.19,4 J.). Laborchemisch liegt bei den Patienten mit DMD häufig ein hypogonadotroper<br />
Hypogonadismus vor und es findet sich gehäuft ein partieller Wachstumshormonmangel.<br />
Schlussfolgerung: Patienten mit DMD sind kleiner, adipöser und kommen später in die Pubertät als<br />
die Jungen einer externen Vergleichsgruppe. Der hypogonadotrope Hypogonadismus kann als<br />
Ursache der Pubertätsentwicklungsverzögerung gesehen werden. Ob sich daraus die Indikation zu<br />
einer Pubertät-induzierenden Therapie ergibt, muss im interdisziplinären Setting besprochen werden.
Die detaillierte Auswertung der Labordaten ist derzeit in Arbeit.<br />
P122<br />
Integration der spezialisierten pädiatrischen Palliativversorgung (SPPV) im Spektrum<br />
lebenslimitierender neuromuskulärer Erkrankungen des Kindes- und Jugendalters am Beispiel<br />
der Spinalen Muskelatrophie Typ I und der Muskeldystrophie Duchenne<br />
von der Hagen M. 1 , Smitka M. 1 , Pyper A. 2 , Breiting M. 2 , Müller A. 2 , Nolte-Buchholtz S. 2<br />
1 Abteilung Neuropädiatrie, Technische Universität Dresden, Dresden, Germany, 2 Brückenprojekt für<br />
SAPPV, Klinik für Kinder- und Jugendmedizin, Technische Universität Dresden, Dresden, Germany<br />
Neuromuskuläre Erkrankungen (NME) stellen die zweithäufigste Gruppe lebenslimitierender<br />
Erkrankungen (LLE) des Kindes- und Jugendalters. Ziel dieser retrospektiven Pilotstudie ist die<br />
Analyse des spezifischen, bedarfsorientierten Verlaufes der spezialisierten pädiatrischen<br />
Palliativversorgung (SPPV) bei Kindern mit NME am Beispiel der spinalen Muskelatrophie Typ I (SMA<br />
I) und der Muskeldystrophie Duchenne (DMD). Anforderungen an die SPPV bei LLE bestehen in den<br />
Phasen: P1. peri-diagnostische Phase P2. Therapieziel-Änderung P3. Veränderungen im funktionellen<br />
Status P4. lebensbedrohende Ereignisse P5. Terminalphase P6. Tod und Trauer. In den Jahren 2007<br />
bis 2010 wurden sechs Kinder mit SMA I und vier Jugendliche mit DMD über einen Zeitraum (ZR) von<br />
durchschnittlich sechs Monaten (min. ein Monat, max. 16 Monate) interdiszplinär durch die SPPV<br />
betreut. Die kontinuierliche Betreuung der Kinder mit SMA I umfasste den ZR P1 oder P2 bis P6<br />
(durchschnittlicher ZR fünf Monate). 4/6 Patienten mit SMA I verstarben in einem Durchschnittsalter<br />
von 10 Monaten, 1/4 Patient mit SMA vom Intermediärtyp im Alter von 52 Monaten. 2/5 Kindern<br />
verstarben im Krankenhaus und 3/5 zuhause. Die Auswertung der Kontaktdokumentation ermöglicht<br />
Aussagen zu den Gründen der stationären Aufnahme in P5. Die SPPV der juvenilen Patienten mit<br />
DMD erfolgte diskontinuierlich über einen durchschnittlichen ZR von sechs Monaten in P2 bis P4 und<br />
bei 1/4 kontinuierlich in P5 und P6. Ereignisse der Phasen P2 - P4, die zur Integration der SPPV<br />
führten waren bei 2/4 Patienten die akute respiratorische Insuffizienz und 1/4 die schwere<br />
Linksherzinsuffizienz. Im Vergleich mit der SPPV onkologischer Erkrankungen im Kindesalter weist die<br />
SPPV von NME eine differente Dynamik der Betreuungsintensität und -frequenz auf. Ein Konzept für<br />
die standardisierte SPPV bei NME benötigt die (i) Definition von Messinstrumenten zur Erfassung der<br />
Lebensqualität (LQ) (ii) Evaluation der Symptombelastung und LQ (iii) Evaluation der dynamische<br />
Verläufe von NME mit dem Ziel (iv) einer Verbesserung der LQ und optimaler Symptomkontrolle.<br />
P123<br />
Patienten mit neuromuskulären Skoliosen nach operativer Aufrichtung und Korrektur:<br />
Klinische, radiometrische und funktionelle Ergebnisse<br />
Goll A. 1 , Niemeyer T. 2 , Wülker N. 3 , Krägeloh-Mann I. 4 , Bevot A. 4<br />
1 Universitäts-Kinderklinik Tübingen, Tübingen, Germany, 2 Asklepios Klinik St. Georg,<br />
Wirbelsäulenzentrum Hamburg, Hamburg, Germany, 3 Universitätsklink für Orthopädie Tübingen,<br />
Tübingen, Germany, 4 Universitäts-Kinderklinik Tübingen, Neuropädiatrie und Entwicklungsneurologie,<br />
Tübingen, Germany<br />
Objekt: Neuromuskuläre Skoliosen können zur Verschlechterung von Alltagsfunktion, Lungenfunktion<br />
und zu Schmerzen führen. Effekte und Komplikationen einer operativen Korrektur von<br />
neuromuskulären Skoliosen wurden mittels retrospektiver Analyse untersucht.<br />
Kollektiv: 45 Patienten (21 m, 24 w) mit neuromuskulärer Skoliose, davon 20 Patienten mit<br />
progredienter Erkrankung wurden in Tübingen in den Jahren 2002-2008 operiert.<br />
Methoden: Klinische Verlaufsdaten einschliesslich forcierter Vitalkapazität (FVC) aus Krankenakte.<br />
Standardisierter physiotherapeutischer Befund durch eine Untersucherin mit grosser<br />
neuropädiatrischer Erfahrung im Verlauf. Subjektive Einschätzung der Alltagsfunktionen und
Ergebniszufriedenheit postoperativ mittels Fragebogen für Patienten oder Betreuer.<br />
Ergebnisse: Für 42% der Patienten war der Erhalt von Funktionen im Alltag der wichtigstes Ziel der<br />
Operation. Funktionell verbesserten sich 24% der Kinder bzgl. der Sitzfunktion, 22% bzgl. Geh- und<br />
Stehfähigkeit. Subjektiv beurteilten 68% der Patienten oder Betreuer die Sitzfunktion nach der<br />
Operation als verbessert. 5 Patienten waren vor OP nächtlich heimbeatmet, drei weitere wurden direkt<br />
präoperativ eingestellt. Alle Patienten konnten problemlos, 66% am Operationstag extubiert werden.<br />
Keiner wurde reintubiert, keine respiratorischen Komplikationen. 51% der Patienten berichten<br />
präoperativ über regelmäßige Schmerzen, postoperativ nur noch 9%, wenn auch mit geringerer<br />
Intensität, Dauer und Frequenz .Das Ergebnis der Operation wurde von 97% der Patienten als voller<br />
Erfolg gewertet und 70 % der Patienten würden sich noch einmal für eine Operation entscheiden.<br />
Konklusion: Da die Patienten aus dieser Studie erst in einem späten Stadium der neuromuskulären<br />
Skoliose, (der präoperative Cobbwinkel betrug im Mittel 82%, die präoperative FVC bei den<br />
progredienten Formen im Mittel 40 %) einer operativen Therapie zugeführt wurden, ist die hohe OP-<br />
Zufriedenheit, der funktionelle Verlauf und die niedrige Komplikationsrate positiv zu bewerten.<br />
P124<br />
Steroidtherapie bei nicht gehfähigem sechs Jahre alten Patienten mit schwerem Phänotyp<br />
einer Muskeldystrophie Duchenne<br />
Lutz S. 1 , Sprinz A. 2 , Schara U. 1<br />
1 Universitätsklinikum Essen, Neuropädiatrie, Entwicklungsneurologie und Sozialpädiatrie, Essen,<br />
Germany, 2 Schwerpunktpraxis Neuropädiatrie, Haus Walstedde, Drensteinfurt, Germany<br />
Hintergrund: Die Muskeldystrophie Duchenne ist eine X-chromosomal-rezessive Erkrankung mit<br />
einer Inzidenz von 1:3500. Aufgrund stark verminderter bis fehlender Dystrophinexpression kommt es<br />
zu einem dystrophen Umbauprozess der Muskulatur. Nach oft verzögertem Erreichen motorischer<br />
Meilensteine fallen unter anderem verminderte Kraft, Wadenpseudohypertrophie, schwerfälliges<br />
Gangbild, positives Gowersphänomen und im Alter von circa neun bis zehn Jahren ein Gehverlust bei<br />
natürlichem Verlauf der Erkrankung auf. Zum jetzigen Zeitpunkt ist keine kurative Therapie etabliert,<br />
eine Steroid-Langzeittherapie ab dem 5. Geburtstag bei gehfähigen Patienten ist empfohlen.<br />
Muskelkraft und Funktion sollen damit länger erhalten blieben.<br />
Patient und Methoden: Erste Vorstellung im Alter von zwei Jahren. Im Rahmen eines Infektes mit<br />
fünf Lebensmonaten ergaben Blutuntersuchungen eine erhöhte Kreatinkinase (CK) von 36000 U/l. Bei<br />
Verdacht auf Muskeldystrophie Duchenne molekulargenetisch Ausschluss von Deletion und<br />
Duplikation mittels MLPA-Methode. In der Muskelbiopsie immunhistochemisch fehlende<br />
Dystrophinexpression. In der Sequenzierung des Dystrophin-Gens Deletion von zwei Basen im Exon<br />
27 mit Verschiebung des Leserasters. Verzögerte motorische, sprachliche und kognitive Entwicklung:<br />
Drehen mit neun, freies Sitzen mit 27, Krabbeln mit 30 und Lautieren mit 12 Monaten. Bis zu einem<br />
Alter von sechs Jahren bis auf wenige gehaltene Schritte kein freies Gehen möglich. Trotz schwer<br />
betroffenem Patienten und fehlender Daten bei noch nicht gehfähigem Patienten Start einer<br />
Deflazacort-Therapie im Alter von sechs Jahren (0.9 mg/kg/Tag). In den Folgewochen deutliche<br />
Besserung der motorischen Situation, nach vier bis sechs Wochen erstmals freies Gehen.<br />
Schlussfolgerung: Trotz fehlender Daten kann der Einsatz von Steroiden bei schwer betroffenen<br />
nicht gehfähigen Duchenne-Patienten, die eher das Bild einer kongenitalen Muskeldystrophie zeigen,<br />
sinnvoll sein. Auch wenn der Steroideffekt im Falle unseres Patienten nicht zu beweisen ist, so war<br />
doch die Verbesserung der Motorik Therapiebeginn deutlich.<br />
P125<br />
Hereditäre sensorische und autonome Neuropathie Typ IV - ein Fallbericht mit Nachweis zweier<br />
bisher unbekannter Sequenzvarianten im NTKR1-Gen<br />
Weimer W. 1 , Fiedler B. 1 , Holinski-Feder E. 2 , Kurlemann G. 1<br />
1 Universitätsklinik Münster, Neuropädiatrie, Münster, Germany, 2 Medizinisch Genetisches Zentrum,
München, Germany<br />
Die hereditäre sensorische und autonome Neuropathie Typ IV (HSAN Typ IV) ist eine seltene,<br />
angeborene Erkrankung mit autosomal rezessivem Erbgang, die mit einem verminderten bis<br />
fehlenden Schmerzempfinden und Mutilationen, einer Anhidrose und rezidivierenden Fieberepisoden<br />
sowie einer möglichen mentalen Retardierung einhergeht.<br />
Histopathologisch zeigt sich eine deutliche Reduktion bzw. ein Fehlen der unmyelinisierten<br />
Nervenfasern und eine Verminderung der kleinen myelinisierten Fasern sowie ein Verlust der ekkrinen<br />
Schweißdrüseninnervation.<br />
Mutationen im NTRK1-Gen verursachen die HSAN Typ IV. NTKR1 kodiert für eine<br />
Rezeptortyrosinkinase des neuronalen Wachstumsfaktors (NGF).<br />
Fallbericht: Unser Patient stellte sich im Alter von fast 8 Jahren zur Abklärung einer unklaren<br />
psychomotorischen Retardierung in unserer Klinik vor.<br />
Auffällig in der Anamnese waren wiederholte Fieberschübe ohne Infektionszeichen, diverse<br />
Mutilationen, eine trockene und verdickte Haut an Hand- und Fußinnenflächen sowie orthopädische<br />
Probleme (Hüftgelenksluxationen, Osteonekrosen, pathologische Frakturen). Wir stellten klinisch den<br />
V.a. eine HSAN Typ IV.<br />
Im NTKR1-Gen konnten bei unserem Patienten 2 bisher noch unbekannte Sequenzvarianten (c.851-<br />
2A>G, c.1806-4delA) homozygot nachgewiesen werden.<br />
Nach bioinformatischer Analyse haben beide Varianten das Potential, das Spleißverhalten negativ zu<br />
beeinflussen (Verlust des Exons 15 bzw. Exons 8) und haben somit sowohl als Einzelereignis als auch<br />
gemeinsam das Potential pathologischer Auswirkungen.<br />
Beide Sequenzvarianten des Patienten konnten heterozygot auch bei den konsanguinen Eltern<br />
nachgewiesen werden, was mit der Homozygotie unseres Patienten den autosomal rezessiven<br />
Erbgang der HSAN Typ IV stützt.<br />
Zusammenfassung: Eine kausale Therapie dieser seltenen Erkrankung ist nicht vorhanden. Es gilt<br />
neben der humangenetischen Beratung der Familie eine entsprechende Aufklärung über das<br />
Krankheitsbild zur Vermeidung von Folgeschäden durch Verletzungen und Hyperthermie<br />
durchzuführen. Eine frühe Diagnosestellung ist hierfür wichtig.<br />
P126<br />
SelenoproteinN1-assoziierte Myopathie: Von klinischen Symptomen zur Diagnose<br />
Alberg E. 1 , Lutz S. 1 , Kress W. 2 , Schara U. 1<br />
1 Universitätsklinikum Essen, Pädiatrische Neurologie, Zentrum für Kinderheilkunde, Essen, Germany,<br />
2 Zentrum Medizinische Genetik Universität Würzburg, Biozentrum, Würzburg, Germany<br />
Einleitung: Den SelenoproteinN1- assoziierten Myopathien liegt eine Mutation im SEPN1 Gen<br />
zugrunde. Prävalenz und Inzidenz sind bisher nicht bekannt. Der Erbgang ist autosomal rezessiv.<br />
Phänotypisch zeigt sich eine von Geburt an bestehende Muskelhypotonie, eine axial betonte<br />
Muskelschwäche mit schlechter Kopfkontrolle, eine verminderte Wirbelsäulenbeweglichkeit häufig mit<br />
einer Skoliose sowie eine respiratorische Beeinträchtigung mit nächtlicher Hypoventilation. Die<br />
meisten Patienten sind dystroph. Die Muskelschwäche ist über lange Zeiträume stabil oder nur<br />
langsam progredient.<br />
Kasuistik: Wir berichten über einen 2 7/12 Jahre alten Jungen, der uns mit unklarer Dystrophie (BMI:<br />
12,7kg/m²;< 1.P. -3,06 SDS) und Muskelschwäche vorgestellt wurde. Bei der klinischen Untersuchung<br />
zeigten sich eine Trichterbrust, Knick-Senkfüße, große Ohren, eine proximal und axial betonte<br />
Muskelschwäche mit positivem Gowers Zeichen sowie schlechter Kopfkontrolle und Hinweise auf eine<br />
nächtliche Hypoventilation. Die Schwangerschaft verlief unkompliziert, das Geburtsgewicht war<br />
normal, in den ersten Monaten gutes Trinkverhalten. Die CK und die Nervenleitgeschwindigkeiten<br />
zeigten keine Auffälligkeiten. Auf Grund des typischen Phänotyps veranlassten wir eine genetische<br />
Untersuchung in SEPN1 ohne zuvor eine Muskelbiopsie durchzuführen. Diese zeigte zwei Missense<br />
Mutationen im SEPN1 Gen (c.1 A>G bzw. p.Met1Val in Exon 1 und c.973 G>A bzw. p.Gly315Ser in<br />
Exon 7).<br />
Schlussfolgerung: Bei den Selenoprotein-assoziierten Myopathien handelt es sich um sehr seltene<br />
Erkrankungen. Histologische Untersuchungen der Muskulatur können unterschiedliche
Veränderungen zeigen. In unserem Fall führten die typische Anamnese und der klinische Phänotyp zu<br />
der Genanalyse im SEPN1 Gen, die die Diagnose sicherte. In solchen Fällen kann die Muskelbiopsie<br />
in der differentialdiagnostischen Bearbeitung übersprungen werden.<br />
P127<br />
Emotionale Gangstörung bei hoher psychozialer Belastung versus Guillain-Barré-Syndrom -<br />
Klinik und Diagnostik mit vielen Fallstricken<br />
Thiels C. 1 , Köhler C. 1 , Weigt-Usinger K. 2 , Richterich A. 3 , Lücke T. 1<br />
1 Ruhruniversität Bochum Klinik für Kinder- und Jugendmedizin St. Josef-Hospital, Abteilung für<br />
Neuropädiatrie, Bochum, Germany, 2 Ruhruniversität Bochum Klinik für Kinder- und Jugendmedizin St.<br />
Josef-Hospital, Bochum, Germany, 3 Helios Klinik St. Josef-Hospital, Kinder- und<br />
Jugendpsychosomatik, -psychiatrie und -psychotherapie, Bochum, Germany<br />
Einleitung: Gangstörungen können sowohl psychogener sowie somatischer Natur sein. Liegen<br />
autobiografische Angaben vor, welche eine dissoziative Gangstörung wahrscheinlich machen, ist die<br />
Abgrenzung sehr erschwert. Beim Guillain-Barré-Syndrom (GBS) handelt es sich um eine autoimmunologisch<br />
getrigggerte subakute/akute Polyneuritis mit multifokaler Demyelinisierung im<br />
peripheren Nervensystem mit progredienter Schwäche der unteren Extremitäten. Diagnose anhand<br />
Klinik, verlängerter motorischer NLG, sowie im Verlauf erhöhtem Liquor-Eiweiß.<br />
Höhe des Liquorproteins korreliert mit dem Risiko, psychiatrische Symptome zu entwickeln.<br />
Psychiatrische Symptome werden überdies bei tetraplegischen und beatmeten Patienten<br />
überproportional häufig beschrieben.<br />
Kasuistik: Jugendliche Patientin mit subakuter Gangstörung, Beinschwäche, diffusen Schmerzen in<br />
den Extremitäten. Z.n. sexuellem Missbrauch durch den Partner der Mutter, von Anfang an hohe<br />
emotionale Labilität und ein deutlich wechselndes somatisches Bild. Bei akuter Suizidalität Verlegung<br />
in die Kinder- und Jugendpsychiatrie. Bei akuter pulmonaler Verschlechterung Rückverlegung und<br />
Diagnosestellung eines GBS (Liquoreiweiß 451mg/dl). Maschinelle Beatmung mit erschwerter<br />
Entwöhnung durch massive Angstzustände und Halluzinationen mit Notwendigkeit einer Neuroleptika-<br />
Therapie zur Extubation.<br />
Zusammenfassung: Anamnese und Klinik sprachen initial für eine dissoziative Gangstörung. Die<br />
somatische Diagnostik war aufgrund der Suizidalität der Patientin erschwert, so dass die Diagnose<br />
eines GBS verspätet gestellt wurde. Die psychiatrischen Probleme bei der Extubation stehen am<br />
ehesten in Zusammenhang mit dem GBS.<br />
Rückblickend spielen die biografisch belastenden Ereignisse keine erklärend-kausale Rolle für die<br />
Gangstörung, auch wenn die akute emotionale Belastung der Patientin eine „Laufverweigerung“<br />
durchaus erklärt hätte. Die lehrbuchhaft vorliegenden und subjektiv stark beeinträchtigenden<br />
biografischen Ereignisse verleiteten dazu, dass Läuse, Flöhe plus Wanzen nicht sofort erkannt<br />
wurden.<br />
P128<br />
Guillain-Barré-Syndrom als Manifestation eines Pyruvat-Dehydrogenase-Mangels<br />
Merkenschlager A. 1 , Sperl W. 2 , Bernhard M. 1 , Syrbe S. 1 , Mayr J.A. 2<br />
1 Klinik und Poliklinik für Kinder und Jugendliche, Universität Leipzig, Neuropädiatrie und<br />
Sozialpädiatrie, Leipzig, Germany, 2 Universitätsklinik für Kinder- und Jugendheilkunde, Paracelsus<br />
Medizinische Privatuniversität, Zentrum für Mitochondriale Stoffwechseldiagnostik, Salzburg, Austria<br />
Fragestellung und Methodik: Wir beschreiben anhand eines Falles, wie sich ein Pyruvat-<br />
Dehydrogenase-(PDH-)Mangel als akute Erkrankung des peripheren Nervensystems manifestieren<br />
kann.<br />
Fall: Der jetzt 12jährige Junge entwickelte sich bis zum Alter von vier Jahren unauffällig. Dann
erkrankte er im Anschluss an einen Atemwegsinfekt an einer akuten, symmetrisch aufsteigenden<br />
schlaffen Parese mit raschem Verlust der Gehfähigkeit und respiratorischer Beteiligung. Es bestand<br />
eine Areflexie. Im Liquor waren eine Erhöhung von Eiweiß (1570 mg/l) und Laktat (4.4 mmol/l) und im<br />
Serum ein schwach positiver GM1-IgG-Antikörpertiter nachweisbar. Unter der Annahme eines<br />
Guillain-Barré-Syndroms (GBS) wurde mit intravenösem Immunglobulin therapiert. Darunter kam es<br />
zu einer sehr langsamen, zunächst asymmetrischen Rückbildung der Parese. Über Wochen erholte<br />
sich der Junge bis auf ein spitzfüßiges Gangbild fast vollständig.<br />
Im Alter von acht Jahren entwickelte sich während einer Mykoplasmen-Infektion ein<br />
enzephalopathisches Bild, begleitet von einer bis zur Bulbärmuskulatur aufsteigenden schlaffen<br />
Parese. Im Liquor war das Eiweiß normwertig, Laktat (4.6mmol/l) und die Aminosäuren Alanin und<br />
Glycin waren erhöht. Das elektrophysiologische Bild entsprach einer polytopen motorischen<br />
Neuropathie. Im MRT bestand eine symmetrische T2-Hyperintensität des Globus pallidus; vier<br />
Wochen später zeigten sich die Globi pallidi nekrotisch umgewandelt. Klinisch entwickelte sich eine<br />
ausgeprägte dyston-hypokinetische Tetraparese als schweres Defektsyndrom (GMFCS Stufe IV).<br />
Im Muskelgewebe fand sich eine Verminderung der Untereinheit E1alpha des PDH-Komplex, als<br />
deren Ursache die hemizygote Mutation c.262C>T p.Arg88Cys im PDHA1-Gen nachgewiesen wurde.<br />
Unter ketogener Diät normalisierte sich die milde Laktatazidose, jedoch ohne klinische oder<br />
bildmorphologische Besserung.<br />
Schlussfolgerung: Ein GBS-ähnliches Bild als Manifestation eines PDH-Mangels wurde bisher nur<br />
vereinzelt beschrieben; an diese Möglichkeit sollte bei atypischem Verlauf oder erhöhtem Laktat im<br />
Plasma oder Serum gedacht werden.<br />
P129<br />
Identifikation eines neuen Gens als häufige Ursache der Neurodegeneration mit<br />
Eisenspeicherung<br />
Hartig M.B. 1,2 , Iuso A. 2 , Kmiec T. 3 , Jurkiewicz E. 4 , Heim K. 2 , Roeber S. 5 , Krajewska-Walasek M. 6 ,<br />
Jozwiak S. 3 , Hempel M. 1,2 , Winkelmann J. 1,2,7 , Haack T. 2 , Elstner M. 2,8 , Oexle K. 1 , Klopstock T. 8 ,<br />
Mueller-Felber W. 9 , Kretzschmar H. 5 , Strom T.M. 1,2 , Meitinger T. 1,2 , Prokisch H. 1,2<br />
1 Technische Universität München, Institut für Humangenetik, München, Germany, 2 Helmholtz Zentrum<br />
München, Institut für Humangenetik, Neuherberg, Germany, 3 Memorial Institut für Kindergesundheit,<br />
Klinik für Neuropädiatrie, Warschau, Poland, 4 Memorial Institut für Kindergesundheit, MRI Abteilung,<br />
Warschau, Poland, 5 Ludwig-Maximilians-Universität, Zentrum für Neuropathologie und<br />
Prionforschung, München, Germany, 6 Memorial Institut für Kindergesundheit, Abteilung für Klinische<br />
Genetik, Warschau, Poland, 7 Technische Universität München, Neurologische Klinik, München,<br />
Germany, 8 Ludwig-Maximilians-Universität, Neurologische Klinik, München, Germany, 9 Ludwig-<br />
Maximilians-Universität, Kinderklinik im Dr. von Haunerschen Kinderspital, München, Germany<br />
Fragestellung: Neurodegeneration mit Eisenspeicherung (Neurodegeneration with brain iron<br />
accumulation, NBIA) ist eine seltene Erkrankung, die durch Eisenablagerung in den Basalganglien<br />
des Gehirns gekennzeichnet ist. Mutationen im PANK2 -Gen (mitochondrial pantothenate kinase<br />
gene) sind eine häufige Ursache für NBIA bei Kindern. In etwa der Hälfte der Betroffenen konnte<br />
bisher keine genetische Ursache der Erkrankung gefunden werden.<br />
Methodik: Wir haben 54 polnische Patienten mit NBIA klinisch und genetisch charakterisiert. In einer<br />
Familie mit PANK2-negativen betroffenen Geschwistern wurde eine Linkage-Analyse durchgeführt. In<br />
15 Patienten erfolgte eine Expressionsanalyse aus Blut, bei einem verstorben Patienten wurde eine<br />
pathologische Untersuchung des Gehirns durchgeführt.<br />
Resultate: Die klinische Charakterisierung und die Expressionsprofile zeigten, dass die Patienten in<br />
zwei klar voneinander abgrenzbare Gruppen eingeteilt werden können: 27 Patienten mit PANK2-<br />
Genmutationen waren von generalisierter Dystonie, Pyramidenbahnzeichen, mentalen Defiziten und<br />
Retinadegeneration betroffen; 27 PANK2-negative Patienten zeigten Symptome einer spastischen<br />
Paraparese, Dystonie, Neuropathie und Optikusatrophie. Die Linkage-Analyse führte zur Identifikation<br />
eines neuen NBIA-Gens. Die Mehrzahl der Patienten mit Mutationen in diesem Gen wies die gleiche<br />
11bp große Deletion auf, die sich vor etwa 50-100 Generationen ereignete. Das identifizierte Gen<br />
kodiert für ein Protein mit mitochondrialer Lokalisation. Die pathologische Untersuchung des Gehirns<br />
eines Betroffenen zeigte das Vorliegen von Lewy-Körperchen, Tau-Proteinen und axonalen<br />
Spheroiden.
Schlussfolgerung: Wir identifizierten ein neues Gen, das in etwa 30% der polnischen Patienten mit<br />
NBIA mutiert ist. Es handelt sich um das dritte NBIA-Gen, das für ein mitochoindriales Protein kodiert.<br />
Unsere Untersuchungsergebnisse tragen dazu bei, die Pathomechanismen von NBIA und anderen<br />
neurodegenerativen Erkrankungen besser zu verstehen.<br />
P130<br />
Mitochondriale Neuronale Gastrointestinale Enzephalopathie (MNGIE): Differentialdiagnose bei<br />
gastrointestinaler Motilitätsstörung, Leukenzephalopathie, peripherer Neuropathie und<br />
normaler geistiger Entwicklung<br />
Illsinger S. 1 , Schubert C. 1 , Bültmann E. 2 , Christen H.-J. 3 , Czermin B. 4 , Pfister E.D. 1 , Baumann U. 1 ,<br />
Hartmann H. 1 , Das A.M. 1<br />
1 Medizinische Hochschule Hannover, Pädiatrische Nieren-, Leber- und Stoffwechselerkrankungen,<br />
Hannover, Germany, 2 Medizinische Hochschule Hannover, Abteilung für Diagnostische und<br />
Interventionelle Neuroradiologie, Hannover, Germany, 3 Kinderkrankenhaus auf der Bult Hannover,<br />
Abteilung für Neuropädiatrie, Hannover, Germany, 4 Medizinisch Genetisches Zentrum München,<br />
München, Germany<br />
Einleitung: Die MNGIE (MIM 603041; Mutationen im Thymidin Phosphorylase Gen TYMP) ist eine<br />
mitochondriale Multiorganerkrankung mit folgender Befundkonstellation: viszerale und periphere<br />
Neuropathie, externe Ophthalmoplegie und Leukenzephalopathie. Es kommt zu chronischen<br />
Diarrhöen, intestinalen Pseudoobstruktionen sowie Kachexie. Zudem periphere Neuropathie und<br />
Schwerhörigkeit; selten dementielle Entwicklung.<br />
Aus dem gestörten Thymidinmetabolismus resultieren erhöhte Thymidinwerte sowie<br />
Depletionen/Deletionen der mtDNA. Die mtDNA Alterationen werden vermutlich durch Toxizität des<br />
akkumulierenden Thymidins sowie Imbalance von Triphosphaten für die mitochondriale<br />
Nukleotidsynthese hervorgerufen.<br />
Fallbericht: Seit dem Kleinkindesalter bestehende gastrointestinale Problematik mit persistierenden<br />
Diarrhöen. Entwicklung einer Kachexie mit initialem V.a. eine chronisch entzündliche<br />
Darmerkrankung. Besuch der Realschule mit guten Leistungen. Mit 14 Jahren klinische als auch<br />
elektrophysiologische Zeichen einer peripheren Neuropathie, Myopathie sowie Leukenzephalopathie<br />
mit diffusen T2w Signalanhebungen pontomesencephal und flächenhaft im frontoparietalen Marklager<br />
mit Beteiligung der Balkenstrahlung unter Aussparung eines subkortikalen Streifens.<br />
Bestätigung der Verdachtsdiagnose MNGIE molekulargenetisch durch eine homozygote<br />
Punktmutation im TYMP Gen (c.929G>A; bzw. p.Gly310Glu).<br />
Untypischer Urinbefund mit vermehrter Ausscheidung von Thymidin und Thymin.<br />
Im letzten Lebenshalbjahr zunehmend Ileus-bedingte Peritonitiden; zudem progressive Ataxie,<br />
Intentionstremor, neuropathische Schmerzen/Lähmungen und Schwerhörigkeit. Der Junge verstarb<br />
mit 16 Jahren an einem Multiorganversagen.<br />
Schlussfolgerung: Bei o.g. Befundkonstellation sollte neben gängigen Differentialdiagnosen beim<br />
Auftreten einer Polyneuropathie und Leukenzephalopathie an eine MNGIE gedacht werden. Ein<br />
Ersatz des defekten Enzyms könnte durch Knochenmarktransplantation sowie<br />
Thrombozytentransfusion erfolgen, durch Dialyse können toxische Metabolite entfernt werden. Dies ist<br />
jedoch experimentell.<br />
P131<br />
Optische Kohärenztomographie bei neuropädiatrischen Erkrankungen - Fallbericht einer 5jährigen<br />
Patientin mit bilateraler Optikusatrophie<br />
Stroet A. 1 , Weigt-Usinger K. 2 , Gold R. 1 , Lücke T. 2<br />
1 Ruhruniversität Bochum Klinik für Neurologie St. Josef Hospital, Neurologie, Bochum, Germany,<br />
2 Ruhruniversität Bochum Klinik für Kinder- und Jugendmedizin St. Josef Hospital, Neuropädiatrie,<br />
Bochum, Germany
Fragestellung/Hintergrund: Die optische Kohärenztomographie (OCT) ist ein neues, nicht-invasives,<br />
bildgebendes Verfahren, das die Darstellung retinaler Strukturen erlaubt und die Dicke der retinalen<br />
Nervenfaserschicht (retinal nerve fiber layer, RNFL) messen kann.Mit Verbesserung der<br />
Bildauflösung, der Geschwindigkeit und Reproduzierbarkeit der Untersuchung bietet sich gerade in<br />
der Pädiatrie mit dieser Methode eine gut durchführbare, wenig zeitintensive und<br />
strahlenbelastungsfreie Möglichkeit zur Darstellung axonaler Degeneration als Maß neuronaler<br />
Atrophie.Bisher gibt es nur wenige Daten aus pädiatrischen Patientenkollektiven. Die Normwerte<br />
beruhen auf Extrapolation adulter Werte, erste Untersuchungen zur Normwertgewinnung weisen zum<br />
Teil widersprüchliche Ergebnisse auf.<br />
Methodik: Fallbericht einer 5 4/12 jährigen Patientin mit bilateraler Optikusatrophie. In der Routine-<br />
Diagnostik mittels cMRT, Labor-Blut- und Liquordiagnostik, VEP, EEG, genetische Untersuchung bzgl.<br />
LHON zeigten sich keine signifikanten Auffälligkeiten.Die OCT-Messung (Spectralis®, Heidelberg<br />
Engineering) ergab eine symmetrische bilaterale Verminderung der retinalen Nervenfaserschichtdicke<br />
in allen Quadranten mit geringerer Ausprägung im nasalen Sektor.Verglichen zu extern erhobenen<br />
Normwerten einer französichen Gruppe wies die Patientin mit einem globalen Mittelwert von 52 µm<br />
(OD) und 51 µm (OS) etwa um die Hälfte reduzierte RNFL-Dicke (104,33 ± 10,22 µm) auf.Eine<br />
Verlaufsuntersuchung nach 12 Wochen konnte die Ergebnisse der ersten Messung reproduzieren.<br />
Schlussfolgerung: Im dargestellten Fall konnte die OCT-Untersuchung der RNFL eine gut<br />
praktizierbare, ergänzende Methode in der Diagnostik eines neuropädiatrischen Krankheitsbildes<br />
bieten, die sich mit vergleichsweise geringem Aufwand als gut reproduzierbare Verlaufsuntersuchung<br />
eignete.Die Erstellung eines pädiatrischen Normwertkollektivs wird daher angestrebt, um die<br />
extrapolierten Normwerte zu verifizieren.<br />
P132<br />
Gleichzeitiges Auftreten von Mutationen im Dystrophin- und FKRP-Gen - „Double trouble“ oder<br />
Zufallsbefund bei Becker-Muskeldystrophie<br />
Geis T. 1 , Lutz S. 2 , Kress W. 3 , Schara U. 2<br />
1 Klinik und Poliklinik für Kinder- und Jugendmedizin der Universität Regensburg (KUNO), Klinik St.<br />
Hedwig, Krankenhaus Barmherzige Brüder Regensburg, Regensburg, Germany, 2 Universitätsklinikum<br />
Essen, Neuropädiatrie, Entwicklungsneurologie und Sozialpädiatrie, Essen, Germany, 3 Institut für<br />
Humangenetik der Universität Würzburg, Biozentrum, Würzburg, Germany<br />
Hintergrund: Die Becker-Muskeldystrophie (BMD) und die Gliedergürtelmuskeldystrophie 2I<br />
(LGMD2I) sind progrediente neuromuskuläre Erkrankungen, die sich häufig im Kindes- und<br />
Jugendalter manifestieren. Beide zeigen typischerweise beinbetonte proximale Paresen und erhöhte<br />
Werte der Creatinkinase im Serum. Der individuelle Verlauf kann sehr variabel sein, nicht selten mit<br />
kardialer Beteiligung. Die BMD wird durch x-chromosomal-rezessiv vererbte Störungen im Dystrophin-<br />
Gen ohne Leserasterverschiebung verursacht, die autosomal-rezessiv vererbte LGMD2I durch<br />
Mutationen des FKRP-Gens (Fukutin related protein).<br />
Patient und Methoden: Ein 4 Jahre alter Junge wurde mit motorischer Entwicklungsverzögerung,<br />
eingeschränkter Belastbarkeit und erhöhten Muskelenzymen i.S. vorgestellt. Klinisch fielen proximale<br />
Paresen der unteren Extremitäten auf. In der MLPA-Analyse des Dystrophin-Gens konnte keine<br />
Deletion oder Duplikation nachgewiesen werden. Die Muskelbiopsie des M. quadriceps zeigte<br />
histologisch ein dystrophes Gewebsbild, in der Immunfluoreszens- und der Western Blot-<br />
Untersuchung waren Dystrophin und α-Dystroglykan vermindert exprimiert. Der molekulargenetische<br />
Nachweis einer heterozygoten Mutation im FKRP-Gen (c.456C>G) schien auf eine LGMD2I<br />
hinzudeuten. Als ein Halbbruder des Patienten mit erhöhten Werten der Creatinkinase i.S. auffiel,<br />
erschien ein x-chromosomaler Erbgang wahrscheinlich. Die folgende Sequenzierung des Dystrophin-<br />
Gens ergab zwei Punktmutationen (c.336G>T; c.337A>T) mit Aminosäuretausch.<br />
Schlussfolgerung: BMD und LGMD2I sind neuromuskuläre Erkrankungen, die klinisch ein sehr<br />
ähnliches Bild zeigen können, jedoch unterschiedliche genetische Hintergründe haben. Der<br />
diagnostische Algorithmus sollte nach unauffälliger MLPA-Analyse des Dystophin-Gens über eine<br />
Muskelbiopsie zu gezielten molekulargenetischen Analysen führen. Hierbei kann die Interpretation der<br />
verminderten Expressionen mehrerer Muskelproteine im Einzelfall schwierig sein. Im Falle unseres<br />
Patienten bleibt die Relevanz der heterozygoten FKRP-Mutation auf den Verlauf der BMD unklar.
P133<br />
Rumpfhypotonie bei Kleinkindern - neue Behandlungsmöglichkeiten mit der Dynamic GPS Soft<br />
Orthese - Fallstudien<br />
Eves K., Preisler B.<br />
Pro Walk GmbH, Egelsbach, Germany<br />
Die Versorgung von Kindern mit ausgeprägter Rumpfhypotonie stellt die interdisziplinären Teams von<br />
Ärzten, Physiotherapeuten und Orthopädietechniker vor große Herausforderungen. Der Rumpf als<br />
Dreh- und Angelpunkt für den Kopf und die Extremitäten muss stabil gehalten und geführt werden<br />
können, damit sich das Kind im Raum orientieren, visuelle und akustische Reize aufnehmen,<br />
zuordnen und mit seiner Umwelt interagieren kann.<br />
Die Autoren stellen ein Versorgungskonzept für Kleinkinder vor, welches das Kind aktiv fordert seinen<br />
Rumpf im Rahmen seiner Möglichkeiten zu stabilisieren<br />
Es werden Ergebnisse im Rahmen einer Pilotstudie präsentiert, bei der 9 Kinder die Dynamic GPS<br />
Soft Orthese sechs Monate trugen retrospektiv untersucht, die Eltern und Physiotherapeuten befragt<br />
wurden.<br />
Die Fragen an die Therapeuten richteten sich auf die Effektivität der Orthese und der therapeutischen<br />
Zielerreichung<br />
Die Versorgung von Kindern mit Rumpfhypotonie bei unterschiedlicher Genese mit der Dynamic GPS<br />
Soft Orthese verbessert die Rumpfstabilität der Kinder. Die verbesserte Rumpfstabilität erlaubt den<br />
Kindern dann andere Ziele zu erreichen und sich in ihrer motorischen Entwicklung positiv<br />
weiterzuentwickeln. Dies verbessert die Lebensqualität der Kinder, die Interaktion mit den Eltern und<br />
ihrem sozialen Umfeld und ihrer Umgebung.<br />
Diese Pilotstudie zeigt den positiven Effekt des Orthesenkonzepts bei Kindern mit Rumpfhypotonie<br />
unterschiedlicher Ursache.NT<br />
P134<br />
Familiarität und Verlauf expressiv und expressiv-rezeptiver Sprachstörung bei 175 Kindern<br />
Triltsch-Ciurea I. 1 , Hempel M. 2 , Meitinger T. 2 , Stevanowa N. 2 , Heinrich M. 3<br />
1 Krankenhaus Josefunum Augsburg, Neuropädiatrie, Augsburg, Germany, 2 Institut für Humangenetik,<br />
München, Germany, 3 Krankenhaus Josefunum Augsburg, Augsburg, Germany<br />
Einführung: Expressiv und expressiv-rezeptive Sprachstörung (SLI) sind umschriebene<br />
Entwicklungsstörungen der Sprache, die nicht durch Intelligenzminderung, Hörstörung, hirnorganische<br />
Erkrankungen, emotionale Störungen oder anregungsarme Umwelt bedingt sind.<br />
Die Familiarität dieser Sprachstörungen ist durch eine Vielzahl von Untersuchungen belegt. In der<br />
vorliegenden Studie haben wir 175 Kinder mit SLI charakterisiert unter besonderer Berücksichtigung<br />
der familiären Belastung und des Verlaufs.<br />
Methode: 175 Kinder im Alter von 3 - 6 Jahren wurden in die Studie eingeschlossen. Die Eigen- und<br />
Familienamamnese wurde dokumentiert, ein sprachfreier Intelligenztest durchgeführt (SON-R),<br />
Wortschatz und Sprachverständnis mit Hilfe von AWST-R und SETK gemessen. Zusätzlich wurden<br />
Satzbildung und Phonologie beurteilt.<br />
Ergebnisse: 73% der Indexpatienten waren männlich. 41% der Kinder kamen aus Familien mit<br />
Sprachstörungen, 43% mit Sprachstörungen und Dyslexie und 5% mit Dyslexie.<br />
Verwandte 1. Grades waren in 46%, 2. Grades in 22% und 1. und 2. Grades in 7% betroffen.<br />
68% der 3 - 3½ jährigen Kinder wiesen einen Wortschatz unter 60 Wörter und keine Satzbildung auf.<br />
In der Mehrzahl der Kinder kam es im Alter von 4 - 4½ Jahren zu einem Schub in der<br />
Sprachentwicklung, jedoch mit phonologischen Störungen und Dysgammatismus.<br />
Trotz frühzeitiger und intensiver logopädischer Behandlung zeigten 88% der 5-jährigen und 63% der<br />
6-jährigen Patienten noch phonologische und morphologische Störungen.
Zusammenfassung: Die beobachtete Familiarität und die ausgeprägte Therapieresistenz bestätigen<br />
die Annahme einer genetischen Ursache von SLI.<br />
Phenotypisierung, Verlaufsdaten und gesammelte Bioproben ermöglichen die Kartierung der<br />
postulierten genetischen Faktoren über Kopplungs- und Assozationsansätze.<br />
P135<br />
Verschwinden eines Kleinhirn-Tumors - zu schön um wahr zu sein<br />
Goeggel Simonetti B. 1 , Nauer C. 2 , Schucht P. 3 , Beck J. 3 , Steinlin M. 1<br />
1 University Hospital Inselspital, Division of Neuropaediatrics, Bern, Switzerland, 2 University Hospital<br />
Inselspital, Department of Neuroradiology, Bern, Switzerland, 3 University Hospital Inselspital,<br />
Department of Neurosurgery, Bern, Switzerland<br />
Ziel: Vorstellung eines Falles, bei dem sich eine Meningoencephalitis bildgebend wie ein Lhermitte<br />
Duclos Syndrom (LDS) präsentierte.<br />
Hintergrund: LDS, oder dysplastisches Gangliozytom, ist ein WHO I° Tumor mit typischer Darstellung<br />
in der MRT. Es ist assoziiert mit dem Morbus Cowden, eine seltene Erkrankung mit multiplen<br />
Hamartomen und Neoplasien der Haut und inneren Organe. Eine Assoziation des LDS mit<br />
Meningoenzephalitis wurde bisher nicht beschrieben.<br />
Fallvorstellung: Ein 9jähriges Mädchen präsentierte sich mit okzipitalen und frontalen<br />
Kopfschmerzen, Erbrechen, Sinusbradykardie, Somnolenz und meningitischen Zeichen ohne Fieber<br />
oder weitere Infektzeichen. Ein Schädel-CT zeigte Hinweise auf ein leichtes Hirnödem mit diskreter<br />
Ventrikelerweiterung. Der LP-Eröffnungsdruck betrug 26 cm H2O, im Liquor fand sich eine<br />
mononukleäre Pleozytose von 257 M/L ohne mikrobielle Erreger in der Gramfärbung. Die Diagnose<br />
einer viralen Meningoencephalitis wurde gestellt. Nach 3 Tagen ohne klinische Besserung unter<br />
Acyclovir Therapie kam in der Schädel-MRT eine T2-hyperintense zerebelläre Raumforderung mit<br />
kortex-isointensen streifigen Veränderungen und Kompression des vierten Ventrikels zur Darstellung,<br />
die ein LDS, hier kompliziert durch eine Meningoencephalitis, vermuten liessen. Nach Steroidtherapie<br />
und Ventrikeldrainage normalisierte sich der Zustand der Patientin. Eine Verlaufs-MRT 2 Wochen<br />
nach Symptombeginn zeigte ausser normalisierter Ventrikelgrösse unveränderte Befunde. Fünf<br />
Monate später fand sich MR-tomographisch eine fast vollständige Remission der Raumforderung mit<br />
lokaler Atrophie. Die EBV, FSME, CMV, HIV Serologien und die PCR für HSV und Enteroviren aus<br />
dem Liquor waren negativ.<br />
Schlussfolgerung: Eine para-/infektiöse fokale Affektion des Zerebellums kann ein LDS vortäuschen.<br />
Nur die Tatsache, dass LDS im Kindesalter selten symptomatisch ist, liess uns das Kind erst mit<br />
Steroiden behandeln, bevor eine Resektion ins Auge gefasst wurde. Die MRT Zeichen eines LDS sind<br />
nicht so spezifisch wie gemeinhin angenommen.<br />
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Isolierter einseitiger vertikaler Nystagmus als einziges Symptom einer ausgedehnten<br />
intracerebralen Raumforderung<br />
Haug V. 1 , von Rhein M. 1 , Frauenknecht K. 2 , Faber J. 1 , Reitter B. 1<br />
1 Unimedizin Mainz, Kinder- und Jugendheilkunde, Mainz, Germany, 2 Unimedizin Mainz,<br />
Neuropathologie, Mainz, Germany<br />
Fallbericht: Wir berichten von einem sechsjährigen Jungen, welcher als einziges Symptom einen<br />
einseitigen vertikalen Nystagmus zeigte. Der Nystagmus war erstmals ein Jahr vor der Vorstellung<br />
aufgefallen und nicht mit einer Sehbeeinträchtigung verbunden. In der neurologischen Untersuchung<br />
präsentierte sich der Patient bis auf den Nystagmus völlig unauffällig. Die statomotorische Entwicklung<br />
war altersgemäß. Die Anamnese war bis auf ein kleines offenes Foramen ovale und eine leichtgradige<br />
valvuläre Pulmonalstenose unauffällig. Ein 3/6 Systolikum war einziges internistisches, ein konstanter<br />
und nicht mit der Blickrichtung variabler vertikaler Pendelnystagmus links einziges neurologisches
Symptom.<br />
Die Diagnostik einschließlich visuell evozierter Potentiale und der Sonographie der Nervi optici zeigte<br />
Normwerte. Im MRT kam eine ausgedehnte intracerebrale Raumforderung zur Darstellung. Die<br />
Histologie konnte diese als pilozytisches Astrozytom (WHO Grad I) identifizieren.<br />
Diskussion: Auch ein isolierter, einseitiger Nystagmus kann Ausdruck einer intracerebralen Läsion<br />
sein, meist des Cerebellum, des kraniozervikalen Übergangs oder der Medulla oblongata. Die exakte<br />
anatomische Zuordnung zu diesen Strukturen ist im beschriebenen Fall nicht eindeutig möglich. Eine<br />
Lokalisation im Mittelhirn scheint möglich. Aus dem klinisch diskret anmutendem Fall ist zu folgern,<br />
dass schon die Feststellung eines isolierten, einseitigen Nystagmus Indikation zur kranialen<br />
Bildgebung ist. In unserem Fall erstaunte die ausgedehnte intracerebrale Raumforderung bei<br />
unauffälligem Allgemeinzustand und extrem umschriebenen neurologischen Befund. Diese<br />
Konstellation ist wohl durch langsames Wachstum der Raumforderung bedingt, zumal kein<br />
umgebendes Ödem zu sehen war.<br />
Conclusio: Ein einseitiger vertikaler Nystagmus kann einziges Symptom einer ausgedehnten<br />
intracerebralen Raumforderung sein.