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Online-Coaching - Coaching-Magazin

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Fach- und Führungskräfte nehmen<br />

<strong>Coaching</strong> in Anspruch, weil sie vor Anforderungen<br />

stehen, denen sie sich<br />

nicht mehr oder noch nicht gewachsen<br />

fühlen. Diese Anforderungen<br />

• erschließen sie aus den Erfordernissen<br />

ihrer alltäglichen Arbeit,<br />

• entnehmen sie aus den direkten<br />

Aufträgen der Menschen, mit denen<br />

sie es zu tun haben,<br />

• ergeben sich aber auch aus den<br />

Ansprüchen, die sie selbst an gute<br />

Arbeit haben.<br />

Was sie an Anforderungen wahrnehmen,<br />

wie sie diese bewerten, welche<br />

sie zurückweisen, welche sie ignorieren,<br />

welche sie akzeptieren, und welche<br />

Konsequenzen sie für ihre zukünftigen<br />

Handlungen daraus ziehen: All<br />

das ist das Ergebnis gelegentlich wohl<br />

überlegter, meist jedoch unbewusster<br />

Interpretationsleistungen, in denen es<br />

nicht nur um eine fachliche Sicht der<br />

Dinge geht, sondern auch darum, was<br />

moralisch angemessen ist. Auch wenn<br />

fachlich sauber gearbeitet wurde,<br />

auch wenn die Operation Erfolg hatte,<br />

folgende Fragen sind damit noch nicht<br />

beantwortet: Sind die Ergebnisse sowie<br />

die Wege dort hin auch verantwortbar?<br />

Wurde oder wird mit diesen Entscheidungen<br />

und Tätigkeiten eventuell<br />

jemandem geschadet?<br />

Aber geht es in diesem moralischen<br />

Reflexionsprozess nur um Schadensvermeidung<br />

oder -begrenzung? Geht<br />

es nicht in der Wirtschaft insgesamt<br />

darum, der Bevölkerung ausreichend<br />

Güter und Dienstleistungen zur Verfügung<br />

zu stellen, die die Lebensqualität<br />

eines jeden auf angemessenem<br />

Niveau gewährleisten können? Geht<br />

es nicht im Letzten um ein gutes, ein<br />

gelingendes, ein geglücktes Leben<br />

für alle? Selbstverständlich ist dafür<br />

nicht allein die Wirtschaft zuständig.<br />

Aber sie trägt eine Teilverantwortung.<br />

Denn ohne wirtschaftliche Prosperität<br />

hat das Glück für möglichst viele wohl<br />

kaum eine reelle Chance. So sind gerade<br />

Fach- und Führungskräfte gefordert,<br />

ihren Teil dazu beizutragen, weil<br />

ihre Tätigkeiten die Biografien vieler<br />

Menschen oft entscheidend beeinflus-<br />

sen. Daher geht es im <strong>Coaching</strong> nicht<br />

nur darum, die Klienten fit zu machen,<br />

so dass sie ihre Aufgaben leistungsgerecht<br />

managen können. Es geht auch<br />

darum, ihnen dabei zu helfen, ihre<br />

konkrete Verantwortung je nach Position<br />

und Branche zu sehen und auch<br />

angemessen wahrzunehmen. Warum<br />

sollten sie das aber tun? Meine Antwort:<br />

Weil sie nur dann selbst glücklich<br />

sein können. So ist das Streben nach<br />

Glück für sich und für die anderen, für<br />

die man eine Mitverantwortung trägt,<br />

der entscheidende Motivator für die<br />

Bereitschaft, auch in der Arbeit moralisch<br />

zu handeln. Coachs, die das<br />

begriffen haben, können sich in ihrer<br />

Beratungsarbeit mit einer starken<br />

Kraft verbünden, die nicht nur ihren<br />

Klienten neue Potenziale erschließt,<br />

sondern auch sie selbst beflügelt. Und<br />

sie können mit ihrer Arbeit einen entscheidenden<br />

Beitrag dazu leisten, die<br />

Moralität von Fach- und Führungskräften<br />

ganz konkret zu fördern. Ein Beitrag,<br />

der gerade in der gegenwärtigen<br />

gesellschaftlichen Lage auf große Resonanz<br />

stoßen dürfte.<br />

Was also müssen Coachs wissen und<br />

können, um ihre Klienten auf diese Weise<br />

zu begleiten? Neben der üblichen<br />

Beratungskompetenz und einer ausreichenden<br />

Feldkenntnis müssen sie<br />

sich ausführlich mit Ethik und „Glücksforschung“<br />

befasst haben. Und sie<br />

müssen die Erfahrung gemacht haben,<br />

dass sich die Berücksichtigung dieses<br />

Wissens auch in ihrem eigenen Leben<br />

bewährt hat. Es geht also zunächst um<br />

ein zusätzliches Studium, das autodidaktisch,<br />

aber auch in Studiengruppen<br />

mit oder ohne Unterstützung von Fachleuten<br />

erfolgen kann. Denn dieses<br />

Wissen geht weit über das hinaus,<br />

was üblicherweise im Hochschulstudium<br />

(es sei denn, man hat sich mit<br />

Philosophie, Moraltheologie oder Wirtschaftsethik<br />

befasst) oder in einer Beratungsausbildung<br />

vermittelt wird. Und<br />

ob die selbst gestrickte Lebensphilosophie<br />

ausreicht, kann nur beurteilt<br />

werden, wenn sie sich an anderen, elaborierten<br />

Entwürfen abgearbeitet hat.<br />

Mit welchen Themen sollte ein Coach<br />

sich also befasst haben? Ich schlage<br />

vor: mit Glück, mit Verantwortung und<br />

mit Lebenskunst.<br />

Das Glück<br />

Wenn wir Klienten aus dem westlichen<br />

Kulturkreis beraten, sollten wir vor<br />

allem westliche Traditionen kennen.<br />

Seit den alten Griechen wird zwischen<br />

Zufallsglück (altgr.: euychía; engl.:<br />

luck) und Glückseligkeit (altgr.: eudaimonía;<br />

engl.: happiness) unterschieden.<br />

Im <strong>Coaching</strong> kann es nicht darum<br />

gehen, auf den Zufall zu setzen. Auch<br />

kann Glückseligkeit nicht direkt produziert<br />

werden. Aber es können individuelle<br />

und gesellschaftliche Voraussetzungen<br />

dafür geschaffen werden.<br />

Darauf müssen wir uns konzentrieren.<br />

Die Glückseligkeit umfasst auch das,<br />

was wir Lust, Vergnügen, Freude nennen<br />

(altgr.: hedoné; engl.: pleasure).<br />

Glück umfasst also nicht nur geistige<br />

Genüsse, sondern auch das leibliche<br />

Wohl. Schon Aristoteles (384–322<br />

v.u.Z.) hat in seiner Nikomachischen<br />

Ethik überzeugend dargelegt, dass<br />

das höchste Gut, das alle Menschen<br />

letztlich anstreben, das Glück (eudaimonía)<br />

ist. Und Voraussetzung für<br />

diese Glückserfahrung ist ein tugendhaftes<br />

Leben. Der Tugendbegriff hat<br />

aber im üblichen Sprachgebrauch einen<br />

schlechten Klang. Er meint jedoch<br />

ursprünglich Tauglichkeit oder Tüchtigkeit<br />

(die Wortverwandtschaft ist augenscheinlich).<br />

Wenn wir darunter das<br />

Vermögen verstehen, ein Leben zum<br />

Gelingen zu bringen, dann scheint mir<br />

dieser Begriff auch heute noch brauchbar<br />

zu sein.<br />

Neben Aristoteles hat für mich Epikur<br />

(um 341–270 v.u.Z.) eine große Bedeutung.<br />

Für ihn ist die Basis des Glücks,<br />

Leiden vermeiden und Lust steigern zu<br />

können. Lust soll aber so gelebt werden,<br />

dass sie Freude bereitet, nicht<br />

nur für mich, sondern auch für die, mit<br />

denen ich in Freundschaft verbunden<br />

bin. Sie muss also kultiviert werden.<br />

Es sollte ferner eine Minimalübereinkunft<br />

geben, sich nicht gegenseitig<br />

zu schädigen. Epikur ist also keineswegs<br />

ein Hedonist im üblichen, abwertenden<br />

Sprachgebrauch, dem es ganz<br />

egoistisch nur um die Steigerung der<br />

eigenen Lust geht. Leider ist dieses<br />

Missverständnis seit der Spätantike<br />

gerade vom Christentum verbreitet<br />

worden.<br />

2/2009<br />

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