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Bauernhöfe - Agrar Koordination

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24<br />

Das „Netzwerk <strong>Bauernhöfe</strong> statt <strong>Agrar</strong>fabriken“<br />

hat diese Strategie in einem<br />

Positionspapier zusammengefasst, es<br />

umfasst folgende Forderungen:<br />

Widerstand vor Ort<br />

Der Widerstand der Bürgerinitiativen<br />

vor Ort geht weiter, jetzt aber in gegenseitiger<br />

Unterstützung bei Informationen,<br />

Tipps, personeller Hilfe und<br />

Ermunterung. Trotz der zugunsten der<br />

Investoren zurecht geschneiderten Gesetz<br />

gebung und schwer aufzubringender<br />

Mittel für eigene Anwälte und<br />

Gutachter, gibt es etliche Erfolge, hier<br />

nur einige exemplarisch:<br />

Die Genehmigung der geplanten<br />

Anlage für 35.000 Schweine in Hassleben<br />

wird seit Jahren erfolgreich verzögert,<br />

u. a. wegen mangelhafter<br />

Unterlagen über die Wirkung der Stickstoff-Emissionen<br />

auf den schon zu DDR-<br />

Zeiten hoch belasteten Wald.<br />

Ein 100.000-Hähnchen-Stall in Etelsen<br />

ist nach einer Anhörung im Verdener<br />

Kreistag bisher nicht genehmigt, u. a.<br />

wegen der unzureichenden Zufahrt<br />

und zweifelhafter Gutachten zur<br />

Geruchsausbreitung.<br />

Eine riesige Schweinefabrik in Allstedt<br />

wurde durch eine Änderung<br />

des Bebauungsplans verhindert. Der<br />

Kreis Steinfurt untersagte eine Hähnchenmastanlage<br />

wegen Zersiedelung<br />

der Landschaft, der Kreis Herford eine<br />

Schweine-Anlage wegen des Einspruchs<br />

des Landschaftsbeirats. Sachsen-Anhalt<br />

verlangt für Großanlagen künftig<br />

Raumordnungsverfahren.<br />

Die Gemeinde Lathen will außerlandwirtschaftliche<br />

Investoren mit der<br />

Reservierung von „Baufenstern“ hinter<br />

den Höfen der örtlichen Landwirte<br />

fern halten. In Metelen lehnte die<br />

Bezirksregierung einen Hähnchenstall<br />

wegen der Belastung der zuführenden<br />

Wohnstraßen ab. In Kalleby,<br />

Dannenberg und vielen anderen Orten<br />

zogen die Investoren ihre Baupläne<br />

zurück, um den Dorffrieden nicht<br />

zu zerstören. In Bassum machte die<br />

Landgesellschaft auf Drängen der Stadt<br />

bei den Grundstücken für geplante<br />

Hennenställe von ihrem Vorkaufsrecht<br />

Impressum<br />

6 Ausgaben im Jahr kosten € 10,80 inklusive Porto für den Versand im Inland. Für ein Auslandsabo<br />

stellen wir das erhöhte Porto in Rechnung.<br />

Herausgeber: Forum für internationale <strong>Agrar</strong>politik FIA e.V. (gemeinnützig). Spendenquittungen<br />

werden ausgestellt.<br />

Redaktion: <strong>Agrar</strong> <strong>Koordination</strong>, Ursula Gröhn-Wittern, Nernstweg 32, 22765 Hamburg, info@<br />

agrarkoordination.de, Tel.: 040 39 25 26; Fax 040 399 00 629; www.agrarkoordination.de<br />

Bankverbindung: FIA e.V.; Postbank Hamburg (BLZ 200100 20), Konto: 605 91 200<br />

Druck: Druckwelten Hamburg, 100 % recycling Papier<br />

<strong>Agrar</strong> Info<br />

Nr. 161: Nr. November/Dezember 168: Januar/Februar 2010 2008<br />

Gebrauch. Im süddeutschen Kammerstein<br />

zogen drei Investoren ihren Hähnchenstallantrag<br />

zurück, nachdem die<br />

Gemeinde den geplanten Baugrund<br />

Neue nötigenfalls Publikationen als Sondergebiet :<br />

für<br />

Arbeitsheft Solaranlagen <strong>Agrar</strong>kraftstoffe: ausweisen wollte. Wie Eine Antwort in der Klimakrise?<br />

viele 27 Seiten Investoren A4, 5,00€ sich zu angesichts den Themen: des<br />

zu erwartenden Widerstands bereits<br />

•
 Der Klimawandel findet statt<br />

rechtzeitig auf bessere Investitions-<br />

Alternativen •
 Energie besonnen aus Pflanzen haben, ist nicht<br />

bekannt... •
 Klimapolitik und Klimabilanz<br />

•
 Landwirtschaft für Tank, Teller oder Trag?<br />

•
 Wer profitiert?<br />

Neue •
 Jatropha Publikationen Curcas :<br />

•
 Ideen und Diskussion<br />

<strong>Agrar</strong> Info<br />

Arbeitsheft Klimawandel und<br />

Landwirtschaft. Ernährungssi-<br />

Neue cherung Ausleihausstellung<br />

durch vielfältige Land-<br />

Klimawandel wirtschaft und Landwirtschaft<br />

Die Ausstellung besteht aus 7 selbststehenden roll-ups. Sie behandeln die Themen:<br />

27 Seiten , A4, 7,00 € zu den Themen:<br />

• Landwirtschaft •
 Klimawandel Täter und und Landwirtschaft<br />

Opfer im<br />

Klimawandel •
 Klimawandel und Armutsbekämpfung<br />

• Agrobiodiversität •
 Landwirtschaft als Strategie als Täter im und Opfer des Klimawandels<br />

Klimawandel •
 <strong>Agrar</strong>kraftstoffe<br />

• Strategien •
 Konkurrenz zur Erhaltung um der Land und Wasser<br />

Agrobiodiversität.<br />

•
 Agrobiodiversität als Strategie im Klimawandel<br />

Neue<br />

•
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Ausleihausstellung<br />

<strong>Agrar</strong>politik für das Klima<br />

Die Ausstellung kann ausgeliehen werden. Transport und Versicherung zahlt der Ausleiher.<br />

Alle Klimawandel Bahnen und können Landwirtschaft im Internet angesehen werden. www.agrarkoordination.de unter Verleih<br />

Ausstellungen. Die Ausstellung Details besteht aus bitte 7 erfragen. selbst-<br />

Arbeitsheft <strong>Agrar</strong>kraftstoffe: stehenden roll-ups. Sie behandeln die<br />

Eine Antwort in der Klimakrise? Themen:<br />

• Klimawandel und Landwirtschaft<br />

27 Seiten A4, 5,00 € zu den Themen: • Klimawandel und Armutsbekämpfung<br />

• Der Klimawandel findet statt<br />

• Landwirtschaft als Täter und Opfer<br />

Arbeitsheft • Energie aus Klimawandel Pflanzen und Landwirtschaft. des Klimawandels Ernährungssicherung durch vielfältige<br />

• Klimapolitik und Klimabilanz<br />

• <strong>Agrar</strong>kraftstoffe<br />

Landwirtschaft<br />

• Landwirtschaft für Tank, Teller oder • Konkurrenz um Land und Wasser<br />

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 profitiert? Landwirtschaft Täter und Opfer im Klimawandel<br />

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 Agrobiodiversität Curcas als Strategie •im <strong>Agrar</strong>politik Klimawandel für das Klima<br />

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unter Verleih Ausstellungen. Details bitte<br />

erfragen.<br />

Nernstweg 32 · 22765 Hamburg<br />

www.agrarkoordination.de<br />

168 Januar/Februar 2010<br />

<strong>Agrar</strong>fabriken oder <strong>Bauernhöfe</strong><br />

Eckehard Niemann<br />

Expansion der <strong>Agrar</strong>konzerne trifft auf gesellschaftlichen Widerstand<br />

Am Tag der Eröffnung der Grünen Woche in Berlin: Demonstranten mit 70<br />

Ortsschildern, von denen jedes exemplarisch für eine der vielen Bürgerinitiativen<br />

gegen geplante <strong>Agrar</strong>fabriken steht: Hassleben in Brandenburg und Alt Tellin in<br />

Vorpommern gegen eine Mega-Schweinemastanlage, Billerbeck in Nordrhein-<br />

Westfalen und Etelsen bei Verden gegen Hähnchen-Mastanlagen, Wietze bei Celle<br />

gegen einen weiteren Rothkötter-Hähnchen-Schlachthof, Schnega/Varbitz und<br />

Berel/Burgdorf gegen die als Zulieferer angeworbenen Ställe, Lukow bei Waren<br />

und Letschin im Oderbruch solidarisch vereint neben Gerbisbach, Binde und<br />

Stöbnitz aus Sachsen-Anhalt, Mockrehna und Niethen aus Sachsen, Immenrode aus<br />

Thüringen und Lähden aus dem Emsland...<br />

Diese erste öffentliche Aktion steht<br />

für das neu gegründete Netzwerk<br />

„<strong>Bauernhöfe</strong> statt <strong>Agrar</strong>fabriken“, es<br />

ver eint unter dem Logo mit dem Ringelschwanz<br />

jetzt schon 70 Bürger initiativen<br />

und Verbände wie BUND, PROVIEH,<br />

AbL, Deutscher Tier schutz bund oder<br />

Neuland.<br />

Dem Vordringen der <strong>Agrar</strong>industrie<br />

- vor allem in den Bereichen der Gefl<br />

ü gel- und Schweinehaltung - stellen<br />

sich inzwischen an fast jedem geplanten<br />

Standort starke und entschlossene<br />

Bürgerinitiativen entgegen. Der Widerstand<br />

gegen <strong>Agrar</strong>fabriken und für eine<br />

artgerechte Tierhaltung auf <strong>Bauernhöfe</strong>n<br />

ist zu einer gesellschaftlichen Bewegung<br />

geworden.<br />

Pohlmann, Schockemöhle,<br />

Wesjohann, Meerpohl...<br />

Bereits in den 60er Jahren ordneten sich<br />

<strong>Agrar</strong>konzerne die Wachstumsbereiche<br />

der Gefl ügelhaltung unter und entrissen<br />

diesen Bereich fast vollständig der<br />

Landwirtschaft. Mittels der neu entwikkelten<br />

Käfi g- und Stallhaltungssysteme<br />

bauten <strong>Agrar</strong>industrielle wie Pohlmann,<br />

Schockemöhle, Wesjohann oder Meerpohl<br />

durchrationalisierte und fl ächenunabhängige<br />

Imperien auf – zunächst in<br />

der Region Südoldenburg, nahe der<br />

Importhäfen für billige Soja-Futtermittel<br />

aus Übersee. „Und ewig stinken die<br />

Felder“ – so schon damals der Slogan<br />

des örtlichen Widerstands gegen die<br />

immer mächtigere Agrobusiness-Lobby,<br />

die durch örtliche Politiker ebenso unterstützt<br />

wurde wie durch die nationale<br />

und internationale <strong>Agrar</strong>politik.<br />

Am ehemaligen Vorbild Holland wurden<br />

die Folgen dieser Entwicklung bald<br />

deutlich: Die Äcker konnten die aus<br />

Übersee importierten Futter-Nährstoff-<br />

Überschüsse bald nicht mehr fassen.<br />

Auch Projekte wie die Verteilung<br />

über Güllebörsen, Verbrennung oder<br />

<strong>Bauernhöfe</strong><br />

statt <strong>Agrar</strong>fabriken<br />

Trockenkot-Exporte (bis nach Arabien)<br />

lösten das Problem nicht. Die<br />

Akzeptanz, die die Gesellschaft für<br />

<strong>Bauernhöfe</strong> gehabt hatte, galt für die<br />

<strong>Agrar</strong>fabriken nicht mehr.<br />

Die holländische Gesellschaft distanzierte<br />

sich von der immer isolierteren<br />

Landwirtschaft. Mittlerweile sind die<br />

Stickstoff- und Phosphorüberschüsse so<br />

erdrückend, dass man für eine Be triebserweiterung<br />

teure Nährstoff-Zer tifi kate<br />

kaufen muss. Der Staat kauft <strong>Agrar</strong>fabriken<br />

aus der Landwirtschaft heraus<br />

(und gibt den <strong>Agrar</strong>industriellen so das<br />

Startkapital für den Bau noch größerer<br />

<strong>Agrar</strong>fabriken in Ostdeutschland).<br />

Andererseits gehen jetzt gerade vom<br />

agrar industrie-geplagten Holland viele<br />

positive Anregungen und Entwicklungen<br />

für eine artgerechte Tierhaltung aus –<br />

vom „Scharrelschwein“ bis hin zur Vermark<br />

tung artgerecht erzeugten Fleischs.<br />

Vom Käfi g zurück auf die Höfe<br />

Mit der Legehennenhaltung im Käfi g<br />

hatte die <strong>Agrar</strong>industrialisierung begonnen<br />

– hier erlitten Eierkonzerne<br />

wie die „Deutsche Frühstücksei“ auch<br />

ihre erste entscheidende Niederlage.<br />

Aufgerüttelt durch immer neue Skandale<br />

und Medienberichte erzwangen Tierschützer<br />

und Konsumenten die Angabe<br />

der Haltungsbedingungen auf den<br />

Eiern, kauften die Verbraucher immer<br />

weniger Käfi geier, reagierten die<br />

Handelskonzerne mit der Auslistung<br />

von Käfi geiern aus den Regalen. Das<br />

EU-weite Verbot der Käfi ghaltung<br />

überraschte die Gefl ügel-Lobby, selbst<br />

ihr von Bauernverband und loyalen


2 Nr. 161: Nr. November/Dezember 168: Januar/Februar 2010 2008<br />

Nr. 168: Januar/Februar 2010 3<br />

Wissenschaftlern gepushter „ausgestalteter<br />

Käfig“ musste wahrheitsgemäß als<br />

Käfig deklariert werden und scheiterte.<br />

Die Umstellung auf Boden-, Freiland-<br />

oder Ökohaltung schafft neue lukrative<br />

Märkte für Bauern und bringt jetzt<br />

erstmals einen Teil der Geflügelhaltung<br />

wieder zurück auf die Höfe. Allerdings<br />

geschieht auch diese Entwicklung noch<br />

weitgehend unter Regie der alten Eier-<br />

Konzerne, z.B. über die Frühstücksei-<br />

Tochterfirma „Wiesengold“/Tiemann.<br />

Es entsteht ein neues „<strong>Agrar</strong>industrie-<br />

Bio“ mit Tierzahlen weit oberhalb<br />

einer artgerechten Haltung. Ein ehrliches<br />

Siegel „bäuerlich“ hätte große<br />

Chancen, muss aber erst noch von<br />

Verballhornungen und Missbräuchen<br />

durch die <strong>Agrar</strong>industrie befreit und zurück<br />

erobert werden.<br />

Hässliche Geflügelmast<br />

Als hässlichste Variante der agrarindustriellen<br />

Haltung verbleibt nun<br />

noch die Haltung von Hähnchen<br />

und Hühnchen, Puten und anderen<br />

Geflügelarten. Die vier marktbeherrschenden<br />

„Integratoren“ sind<br />

die PHW-Wesjohann-Gruppe („Wiesenhof“,<br />

„Bruzzler“) mit 40% Marktanteil,<br />

Rothkötter mit 25%, Stolle mit<br />

20% und Sprehe mit 15%. Sie haben<br />

zudem Kraftfutterwerke, Brütereien<br />

und Schlachtereien. Anders<br />

als die Eierkonzerne betreiben die<br />

Mastkonzerne die eigentliche Produktion<br />

nur zum Teil in eigenen Anlagen: Die<br />

Investitions- und Produktionsrisiken<br />

werden Vertragsmästern aufgedrückt,<br />

deren Gewinne bzw. deren Selbstausbeutung<br />

man durch die Preise bei<br />

Futter und Küken und bei der Abnahme<br />

der Tiere beliebig so steuern kann,<br />

dass eine Minderheit halbwegs ausreichend<br />

verdient und als Vorbild<br />

hingestellt wird und die Mehrheit<br />

der Mäster kaum Lohnanspruch und<br />

Eigenkapitalverzinsung erreicht.<br />

Die Vertragsmäster bekommen von den<br />

Geflügelkonzernen Küken und Futter<br />

zugeteilt und müssen zu festgesetzten<br />

Preisen die Schlachttiere zum vorgegebenen<br />

Termin abliefern. Sie tragen das<br />

Produktions- und Investitionsrisiko, ein<br />

40.000 Hähnchenstall kostet eine halbe<br />

Million Euro. Selbst bei einem Gewinn<br />

von 5 Cent pro Hähnchen und 7 Stall<br />

„Durchgängen“ pro Jahr bleibt dem<br />

Mäster lediglich ein Einkommen von<br />

14.000 Euro.<br />

Dieses System funktionierte halbwegs,<br />

solange die obigen Konzerne ungestört<br />

und halbwegs koordiniert nebeneinander<br />

her wachsen konnten. Nun stößt<br />

die Expansion auf Grenzen: inländi-<br />

sche und europäische Märkte sind gesättigt.<br />

Auch der Export in Drittländer<br />

funktioniert nicht mehr. Rothkötter<br />

(„Emsland-Frischgeflügel“) will seinen<br />

Konkurrenten Marktanteile abnehmen<br />

und wirbt massiv neue Mäster für neue<br />

Schlachtanlagen an. Wesjohann, Stolle<br />

und Sprehe reagieren ihrerseits mit der<br />

Anwerbung „eigener“ neuer Mäster. Die<br />

Folge: massive Produktionsausweitung<br />

bei nur schwach wachsendem Verzehr.<br />

Trotz unübersehbarer Anzeichen für<br />

einen baldigen Zusammenbruch des<br />

Mark tes unterstützen Bauernverband<br />

und Landwirtschaftskammern die Anwer<br />

bungs veranstaltungen für neue<br />

Ver tragsmäster und veröffentli chen<br />

Ju bel meldungen über den „Wachstumsmarkt<br />

Geflügelfleisch“. Dabei liegt<br />

der Selbstversorgungsgrad bereits über<br />

100 %, einem Markt zuwachs für allenfalls<br />

60 Ställe jährlich stehen in 2011<br />

erwartete 600 neue Hähnchenställe<br />

gegenüber. Der Widerstand gegen neu<br />

geplante Mastställe kann deshalb nicht<br />

nur mit der nicht artgerechten Haltung,<br />

den Gräben in den Dörfern, der<br />

Schädigung der Umwelt und des Klimas<br />

und der Regionen, der Zerstörung<br />

der Märkte von Bauern in den armen<br />

Ländern und der Verantwortung des<br />

einzelnen Landwirts argumentieren, sondern<br />

auch mit betriebswirtschaftlichen<br />

Zahlen. Klar ist: Die Geflügelmast ist<br />

nicht der gesuchte rettende Strohhalm<br />

für nach Alternativen suchende Milch-,<br />

Schweine- und Ackerbauern.<br />

Dennoch setzen die Geflügelkonzerne<br />

weiter auf Expansion. Insbesondere<br />

Süd- und Ostniedersachsen drohen<br />

agrar industrielle Strukturen durch den<br />

Plan der Rothkötter-Gruppe („Ems land<br />

Frischgeflügel GmbH“), in Wietze<br />

bei Celle einen riesigen Hähn chenschlachtbetrieb<br />

zu bauen. Für die eine<br />

Million Schlachtungen pro Woche<br />

sollen – je nach Ausbaustufe - 150<br />

bis 420 Vertragsmäster im Umkreis<br />

von 100 km produzieren. Die A7<br />

würde zum „Hähnchen-Highway“, so<br />

die Hannoversche Allgemeine, von<br />

Northeim im Süden über Hildesheim<br />

und Celle bis Soltau-Fallingbostel und<br />

Uelzen im Norden.<br />

„Vermittelt“ haben diese Expansion in östliche<br />

„Ausweichregionen“ Staats se kretär<br />

Ripke und die Landesregierung, nachdem<br />

die Weser-Ems-Region mit Ställen bereits<br />

so vollgepflastert ist, dass Anwohner<br />

und Gemeinden von dieser Viehdichte<br />

die „Nase voll“ haben. Förderer der<br />

Pläne ist auch Bauernverbands-Vize<br />

und Putenmäster Hilse, der kürzlich als<br />

Festredner beim Rothkötter-Jubiläum „gute<br />

Aussichten“ versprach.<br />

Forderungen an die Politik<br />

• Das Privileg für das Bauen im Außenbereich der Gemeinden ist auf die bäuerliche,<br />

flächengebundene Tierhaltung zu begrenzen. Tierhaltungen ohne direkte<br />

Flächenbindung und Anlagen, die eine Umweltverträglichkeitsprüfung<br />

oder eine Genehmigung nach dem Bundesimmissionsschutzgesetz erfordern,<br />

sind vom Baurecht auszuschließen. Die Beteiligungsrechte der Öffentlichkeit<br />

müssen gestärkt werden.<br />

• Wir fordern von der Bundesregierung, die Standards für den Umwelt- und<br />

Tierschutz in der Tier haltung deutlich zu verbessern. Tierschutzverbände müssen<br />

ein Klagerecht erhalten, um den im Grundgesetz verankerten Tierschutz<br />

wirksam umzusetzen. Die Bundesregierung muss einen Tierschutz-TÜV für<br />

Stall bauten und ein entsprechendes Zulassungsverfahren für alle Tier arten<br />

einrichten.<br />

• Wir fordern von der Bundesregierung und der EU Kommission eine verbindliche<br />

Kennzeichnung der Tierhaltungsform auf Fleisch- und Milch produkten.<br />

• Wir fordern von Bund und Ländern, die schädlichen Subventionen für<br />

Überkapazitäten der Schlachthof- und Molkereikonzerne zu stoppen und<br />

die Investitionsförderung für Tierhaltungen strikt an die Verbesserung der<br />

Standards im Tier- und Umweltschutz zu koppeln. Staatliche Förderung für<br />

verarbeitende Unternehmen muss zugunsten der handwerklichen und regionalen<br />

Verarbeitung umverteilt werden und die Produktion besonders nachhaltiger<br />

Qualitäten befördern.<br />

• Wir fordern von der Bundesregierung und der EU-Kommission, die Tierhaltung<br />

in Deutschland und in Europa wieder aus der Industrie auf die <strong>Bauernhöfe</strong> zu<br />

holen, sie auf klima- und tiergerechte Verfahren umzustellen und damit die<br />

Überproduktion abzubauen. Exportsubventionen sind abzuschaffen.<br />

• Wir fordern von der Bundesregierung und der EU Kommission eine<br />

Eiweißstrategie zur Sicherung der Selbstversorgung mit heimi schen<br />

Futtermitteln. Tierische Le bens mittel, die mit gentechnisch veränderten<br />

Futtermitteln erzeugt wurden, müssen verbindlich gekennzeichnet werden.<br />

Nach einer Besichtigungsfahrt zum<br />

Rothkötter-Stammsitz Haren bei Meppen<br />

priesen Celles Kommunalpolitiker die<br />

40 Mio. Euro Investitionspläne als<br />

„Sechser im Lotto“ - mit „bis zu 1.000<br />

Arbeitsplätzen“ (Rothkötter spricht von<br />

zunächst 250). Mit den 1,4 Mio. Euro<br />

für die öffentliche Erschließung wird es<br />

nicht getan sein. Weitere Kosten sind<br />

zu erwarten für Grundstückserwerb,<br />

die Verlegung vorhandener Nutzungen,<br />

die Bereitstellung von Wasser, die<br />

Erweiterung der Kläranlage und den<br />

Ausbau der Straßen für zusätzlich 100<br />

LKWs. „Alles verliert an Wert, Boden,<br />

Luft und auch das eigene Haus“ – so<br />

ein Leserbrief. Andere verweisen auf<br />

die Gefährdung von Tourismus und<br />

Regionsimage, auf Niedriglöhne und<br />

Arbeits bedingungen in der Schlachterei<br />

und auf die anstehenden Auseinandersetzungen<br />

in den Dörfern.<br />

Massiver Widerstand richtet sich allerorten<br />

gegen Gestank und Stäube,<br />

gegen die tierquälerische Haltung<br />

der einseitig gezüchteten Tiere auf ihrem<br />

eigenen Kot, gegen die erhöhte<br />

Seuchengefahr in Intensivregionen (mit<br />

Stallpflicht für alle Geflügelhalter der<br />

Region) und gegen die Verdrängung<br />

bäuerlicher Geflügelhaltung. Ein Verbund<br />

von Bürgerinitiativen in Wietze<br />

und ganz Ostniedersachsen geht gegen<br />

die Rothkötter-Pläne an: „Die<br />

haben das Emsland zugeschissen“,<br />

so die Tierschutzvereins-Vorsitzende<br />

Heidemarie Peters, „wir wollen kein<br />

neues Emsland werden!“<br />

Schweinehaltung rückbaubar<br />

halten<br />

Auch in der Schweinehaltung gibt es<br />

eine deutliche gesellschaftliche Kritik<br />

an den Haltungsbedingungen, an<br />

feh lendem Auslauf bzw. Stallplatz,<br />

am Kupieren der Schwänze und am<br />

Spalten boden ohne Stroh. Die meisten<br />

Schweinehalter sind noch nicht direkt<br />

abhängig - aber offensichtlich stehen<br />

verstärkt die Konzerne aus Futtermittel-,<br />

Genetik- und Schlachtindustrie hinter<br />

den sich bildenden Konzernen<br />

Straathof, van Gennip und Co. - mit<br />

meh reren Hunderttausenden von<br />

Schwei nen (siehe Tabelle „Massen tierhalter“).<br />

Immer mehr Sauen- und Mastbetriebe<br />

wachsen zudem in agrarindustrielle<br />

Dimensionen, oberhalb der<br />

Grenzen, die der Gesetz geber im<br />

Bundesimmissionsschutzgesetz für industrielle<br />

Ställe definiert (z.B. 1.500<br />

Mastplätze). Sie forcieren nicht nur<br />

auf Kosten der meisten Schweinehalter<br />

den Strukturwandel und die<br />

Die größten Massentierhalter im Schweinebereich:<br />

Sauenhalter<br />

(jeweils Ferkel zusätzlich; vorhandene plus geplante Sauenzahlen, geschätzt,<br />

zumeist mehrere weitere Standorten)<br />

01. Adrian Straathof, Gladau, Binde u.a. 32.000<br />

02. Harry van Gennip, Sandbeiendorf 10.000<br />

03. ZNVG eG, Neumünster 10.000<br />

04. Einer Schweinezucht (Südoldenburg) 10.000<br />

05. Henry van Asten/Suimax, Nordhausen 9.500<br />

06. RVV Twistringen eG, Pinnow 9.000<br />

07. WULFA Dinklage und Losten 7.500<br />

08. Aksel und Per Kirketerp, Thiemendorf 7.000<br />

09. Johannes Maria Straathof, Tönchow 7.000<br />

10. Sönke Schmidt/SAZA, Großkayna 6.500<br />

11. Gebr. van Nooren, Allstedt 6.500<br />

12. Gruppe Woestmann, Wallhausen 5.600<br />

13. H. H. Oberhoff, Zwethau, Packisch 5.500<br />

14. Luc Poels, Alkersleben 5.000<br />

15. Gebr. van Genugten/Pelapro, Wellaune 5.000<br />

16. Kläne Menke, Cloppenburg 5.000<br />

17. Gut Kleinwanzleben (Isermeyer u.a.) 5.000<br />

18. Leon-Filip Verschelde/BLF, Bernitt 4.500<br />

19. Gebr. van Dijck, Nuthe-Urstromtal 4.000<br />

20. Gebr. van der Velde, Tarthun 4.000<br />

Anm.: Axel Kirketerp ist an der polnischen Poldanor (18.000 Sauen) beteiligt<br />

und an der ukrainischen Danosha (10.000 Sauen, 140.000 Mastschweine).<br />

Harry v. Gennip soll auch in Weißrussland und in der Ukraine aktiv sein.<br />

Schweinemäster<br />

(vorhandene plus geplante Mastschweineplätze, geschätzt, z.T. an weiteren<br />

Standorten)<br />

01. Adrian Straathof, Medow, Fahrbinde 100.000<br />

02. E. Arts und M. Bolder/Bolart, Vetschau 70.000<br />

03. S. Schmidt/SAZA ,Großkayna, Sietzsch 43.000<br />

04. Kronseder/Saatzucht Steinach, Ballin 35.000<br />

05. Leon und Erick van Dijck, Nuthe, Düben 28.000<br />

06. „Ökol. <strong>Agrar</strong>- und Biopark“, Zerbst 25.000<br />

07. Frdr. u. Jörg Ahlers, Wildeshausen 25.000<br />

08. WULFA-Mast, Dinklage und Losten 24.000<br />

09. <strong>Agrar</strong>unternehmen Barnstädt eG 22.000<br />

10. Berend und Ako van der Velde, Tarthun 20.000<br />

11. Harry v. Gennip, Hassleben, Gerbisbach 20.000<br />

12. Jan und Mari van Genugten, Zollchow 20.000<br />

13. Henry van Asten/Suimax, Nordhausen 20.000<br />

14. Schweinemastanlage Todendorf eG 20.000<br />

15. Anlage Mönchpiffel bei Allstedt 20.000<br />

16. Fam. Osterhuber, Oschätzchen/Prieschka 19.000<br />

17. <strong>Agrar</strong>-Service, Stremmen bei Riesa 17.500<br />

18. Anlage Loburg 17.500<br />

19. Voetdijk Liemershof, Ohrsleben 16.800<br />

20. Schweinemast Zachun (v. Päpcke) 16.500<br />

Anm.: BOLART ist beteiligt an Großanlagen in Ungarn (Cano), Kronseder hat<br />

in USA 65.000 Sauen<br />

Überschussproduktion für den so genannten<br />

„Weltmarkt“, sie schaffen<br />

auch agrarindustrielle Dimensionen,<br />

die nicht mehr rückbaubar sind auf<br />

eine artgerechte Schweinehaltung in<br />

bäuer licher Flächengebundenheit und<br />

Kreislaufwirtschaft.<br />

Ohne einen erfolgreichen Kampf<br />

gegen <strong>Agrar</strong>fabriken gibt es keine<br />

Zukunft der Höfe und der bäuerlichen<br />

Landwirtschaft. Das hält die Zukunft<br />

offen für den gleichzeitigen Einsatz für<br />

veränderte Rahmenbedingungen in<br />

Produktion, Vermarktung, Einkaufs- und<br />

Ernährungsverhalten.<br />

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