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Interview mit Dr. Jürgen Wettke

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Tätigkeit bei der Unternehmensberatung McKinsey<br />

Meeting <strong>mit</strong> einem Vorstand, Besprechung<br />

von Problemen, Strategien, Reflexion der Arbeit<br />

des Beraterteams. Dann Meeting <strong>mit</strong><br />

unserem Vor-Ort-Beraterteam. Wenn ich<br />

Glück habe, kann ich dann am Nach<strong>mit</strong>tag<br />

an einer Sitzung <strong>mit</strong> dem Team und dem<br />

Klienten teilnehmen. Aber häufig geht es um<br />

14 Uhr bereits zum nächsten Termin in eine<br />

andere Stadt. Ganze Tage im Düsseldorfer<br />

Büro sind die absolute Ausnahme. Bei den<br />

jüngeren Kolleginnen und Kollegen sieht es<br />

ein wenig anders aus. Diese arbeiten an<br />

einem kontinuierlichen Projekt, fliegen montags<br />

zum Kunden und bleiben in der Regel<br />

die ganze Woche vor Ort. Freitage werden<br />

häufig für Fortbildungsveranstaltungen, Seminare<br />

oder andere Aktivitäten zur persönlichen<br />

Weiterqualifikation der Mitarbeiter<br />

genutzt, aber auch hier gilt: „Client first”.<br />

Kammer im Gespräch:<br />

Die Approbation als Apotheker war<br />

sicherlich nicht das Entscheidungskriterium<br />

für Ihren Einstieg bei McKinsey. Welche<br />

Qualifikationen sind für Ihre Tätigkeiten<br />

entscheidend?<br />

<strong>Dr</strong>. <strong>Jürgen</strong> <strong>Wettke</strong>:<br />

Warum wird man bei McKinsey angestellt?<br />

Eine gute Frage. Sicherlich muss erst einmal<br />

die Form stimmen: Gute Leistungen und<br />

Noten in Schule, Studium oder Promotion,<br />

sehr gute analytische und kommunikative<br />

Fähigkeiten, Englischkenntnisse. Das sind<br />

aber keinesfalls die einzigen Kriterien. Ich<br />

hatte am Anfang von meiner Faszination für<br />

die Menschen in unserem Unternehmen gesprochen,<br />

das heißt, die Persönlichkeit ist<br />

ebenfalls von ausschlaggebender Bedeutung.<br />

Wir möchten interessante Menschen<br />

<strong>mit</strong> außergewöhnlichen Werdegängen für<br />

uns gewinnen. Auslandsaufenthalte, musisches<br />

Engagement, sportliche Aktivitäten,<br />

Einsatz für karitative oder christliche Einrichtungen,<br />

auch solche Dinge zählen. Und natürlich<br />

die Fähigkeit, Probleme zu lösen. Ist<br />

man in der Lage, sich an eine Frage heranzutasten,<br />

<strong>mit</strong> der man noch nie konfrontiert<br />

wurde, aus einer Branche, die einem vollständig<br />

fremd ist? Und ist man in der Lage,<br />

strukturiert vorzugehen und Ergebnisse klar<br />

zu kommunizieren? Mir ist wichtig darauf<br />

hinzuweisen, dass das hier beschriebene<br />

Profil natürlich nicht nur für Unternehmensberatungen<br />

gilt, sondern auch in der Industrie<br />

oder in anderen Bereichen gefordert wird.<br />

Kammer im Gespräch:<br />

Wie sind Ihre Kontakte zu den anderen<br />

Leistungserbringern im Gesundheitssystem,<br />

zur Politik, zu Verbänden und<br />

ähnlichem? Warum sind diese Kontakte<br />

so wichtig?<br />

<strong>Dr</strong>. <strong>Jürgen</strong> <strong>Wettke</strong>:<br />

Ein Blick in die Zeitung genügt, um diese<br />

Frage zu beantworten. Fragen zur Ausgestaltung<br />

des Gesundheitssystems oder zur<br />

zukünftigen Sicherung des Sozialstaates<br />

werden schon lange nicht mehr auf den hinteren<br />

Seiten für wenige Spezialisten kommentiert,<br />

sondern finden sich als Headline<br />

auf Seite eins. Jede gesetzliche Änderung<br />

hat Auswirkung auf die Leistungserbringer<br />

und Patienten, dass erleben die Apotheker<br />

ja gerade sehr schmerzlich. Für uns ist es<br />

daher wichtig, frühzeitig die Strömungen in<br />

der Gesundheitspolitik zu erfassen, die Gesetzesentwürfe<br />

schon im Entstehen zu kennen<br />

und dementsprechend engen Kontakt zu<br />

den Entscheidungsträgern zu halten. Dieser<br />

Informationsfluss darf aber nicht einseitig<br />

sein. Wir geben auch zurück, indem wir <strong>mit</strong><br />

unserem politischen Know-how berechnete<br />

Einsparpotenziale oder angenommene Veränderungen<br />

in der Demografie, bei Krankheitsverläufen<br />

und so weiter kritisch hinterfragen.<br />

Dementsprechend positiv und wichtig<br />

sind solche Gespräche für beide Seiten.<br />

Politikberatung im eigentlichen Sinne ist aber<br />

nicht Schwerpunkt unserer Zielsetzung.<br />

Kammer im Gespräch:<br />

Der bisherige Weg der Arznei<strong>mit</strong>telversorgung<br />

und da<strong>mit</strong> auch die öffentliche<br />

Apotheke stehen zurzeit auf dem Prüfstand.<br />

Wie beurteilen Sie die aktuelle<br />

pharmapolitische Diskussion?<br />

<strong>Dr</strong>. <strong>Jürgen</strong> <strong>Wettke</strong>:<br />

Die aktuelle Diskussion ist aus meiner Sicht<br />

ein Ergebnis der Versäumnisse der vergangenen<br />

zehn Jahre. Ich nenne es mal das<br />

Jahrzehnt der verpassten Chancen. Die<br />

Apothekerschaft, da<strong>mit</strong> meine ich auch die<br />

Standesvertreter, haben eine „Festung Apotheke”<br />

aufgebaut und darauf gebaut, dass<br />

diese Festung uneinnehmbar ist. Darin<br />

haben sie sich dann so sicher gefühlt, dass<br />

die sicherlich vorhandenen Möglichkeiten<br />

zur aktiven Gestaltung, Neuausrichtung und<br />

Sicherung der apothekerlichen Zukunft verpasst<br />

wurden. Übersehen wurde auch, dass<br />

die Fundamente der Burg auf Sand gebaut<br />

waren und die Gegner <strong>mit</strong> nicht für möglich<br />

gehaltenen Rammböcken dabei sind, die<br />

Festung seit geraumer Zeit zu stürmen. Den<br />

kurzfristigen aktionistischen Maßnahmen<br />

räume ich wenig Erfolgschancen ein. Bestes<br />

Beispiel: Das Honorarmodell hätte man bereits<br />

vor Jahren thematisieren sollen und<br />

nach sorgfältiger Analyse der da<strong>mit</strong> verbun-<br />

denen wirtschaftlichen Veränderungen einführen<br />

sollen. Auch kann ich mich des Eindrucks<br />

nicht erwähren, dass man in einer Art<br />

Vogelstrauß-Politik glaubt, was nicht kommen<br />

darf, kommt auch nicht. Siehe Versandhandel<br />

oder Fremd- und Mehrbesitzverbot.<br />

Diese Strukturveränderungen werden kommen,<br />

vielleicht nicht so kurzfristig wie sich<br />

das manche in der Politik wünschen. Allerdings<br />

glaube ich auch, dass Apotheken und<br />

insbesondere Apothekerinnen und Apotheker<br />

als hochqualifizierte Berufsgruppe noch<br />

Zukunftsperspektiven haben. Jedoch nicht<br />

mehr als Einzelkämpfer, in einer „head to<br />

head”-Konfrontation wie der Amerikaner<br />

sagen würde, sondern in leistungsfähigen<br />

Kooperationen.<br />

Kammer im Gespräch:<br />

Auf der Basis Ihrer langjährigen Erfahrungen:<br />

Was empfehlen Sie den Kolleginnen<br />

und Kollegen für ihre berufliche Zukunft?<br />

<strong>Dr</strong>. <strong>Jürgen</strong> <strong>Wettke</strong>:<br />

Erstes wichtiges Kriterium: Sorgfältige und<br />

fundierte pharmazeutische Ausbildung.<br />

Zweites Kriterium – sicherlich geprägt durch<br />

meinen beruflichen Werdegang: Erlangung<br />

eines sauberen und vernünftigen betriebswirtschaftlichen<br />

Basisgrundwissens. Das<br />

dürfte übrigens auch heute für die Offizin-<br />

Apotheke unabdingbar sein. Pharmazeuten<br />

müssen sich breiter aufstellen, deshalb ist für<br />

mich eine betriebswirtschaftliche Zusatzausbildung<br />

entscheidend. Es gibt genug<br />

Möglichkeiten, international oder national<br />

solche Qualifikationen zu erreichen. Auch<br />

sollte man sich bewusst sein, egal was man<br />

gelernt hat, Technologe, Analytiker oder<br />

Pharmakologe, will man in den stark hierarchischen<br />

Strukturen außerhalb der Apotheke<br />

weiterkommen, will man ins Management,<br />

gehören betriebswirtschaftliche Kenntnisse<br />

zur Pflicht. Unverzichtbar ist auch das Prinzip<br />

des „Long-Life-Learning”, darauf muss man<br />

sich einfach einstellen. Fort- und Weiterbildung<br />

sind Pflicht und Chance zugleich.<br />

McKinsey in Deutschland<br />

� 1964 Eröffnung des ersten McKinsey-Büros in Deutschland/Düsseldorf<br />

<strong>mit</strong> vier Beratern<br />

� Inzwischen liegt die Zahl der Berater bei rund 1.100<br />

� Neben Düsseldorf hat McKinsey Deutschland Büros in Hamburg, Berlin,<br />

Köln, Frankfurt, Stuttgart und München sowie in Wien und Zagreb.<br />

� Zu den Kunden gehören Spitzenunternehmen aller Branchen, wachstumsstarke<br />

kleinere Firmen, Finanzdienstleister, Regierungsstellen,<br />

private und öffentliche Institutionen.<br />

� Fachwissen ist bei McKinsey in sogeannten „Practices” angesiedelt. In<br />

Deutschland gibt es 19 Industry und Functional Practices darunter<br />

auch das Practice Healthcare.<br />

� Das Healthcare Practice berät die Hauptakteure des deutschen Gesundheitssystems<br />

(Versicherungen, Krankenhäuser, Pharmaindustrie)<br />

bei der Erarbeitung innovativer, implementierungsfähiger Lösungen.<br />

� Mehr Informationen unter: www.mckinsey.de<br />

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