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arm? was heisst hier - Diakonie Landshut

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<strong>was</strong> <strong>heisst</strong> <strong>hier</strong><br />

<strong>arm</strong>?<br />

<strong>Landshut</strong>er Armutskonferenz<br />

- Forum für soziale Rechte -<br />

Seit 10 Jahren aktiv für<br />

Stadt und Landkreis <strong>Landshut</strong>.


Diese<br />

Institutionen<br />

sind aktiv<br />

dabei:<br />

Arbeiterwohlfahrt<br />

Bayerisches Rotes Kreuz<br />

Caritas<br />

Diakonisches Werk <strong>Landshut</strong><br />

Evang.-Luth. Dekanat <strong>Landshut</strong><br />

Haus International<br />

JVA-Seelsorge<br />

Katholische Jugendfürsorge<br />

Kinderschutzbund<br />

<strong>Landshut</strong>er Netzwerk<br />

<strong>Landshut</strong>er Tafel<br />

und andere


Liebe <strong>Landshut</strong>erinnen,<br />

liebe <strong>Landshut</strong>er,<br />

„Arme sind selbst schuld an ihrer Situation.“<br />

Vorurteile und Klischees – feste Bestandteile unserer Welt.<br />

Und so sehr diese unser Leben vielleicht im ersten Moment<br />

vereinfachen, so sehr tun wir damit den Vorverurteilten<br />

großes Unrecht.<br />

Armut wird in den meisten Gesellschaften stigmatisiert.<br />

Es ist ein Thema, mit dem sich niemand gern beschäftigt.<br />

Aus dieser Erfahrung heraus entstand vor 10 Jahren die<br />

Initiative der Caritas und der <strong>Diakonie</strong> <strong>Landshut</strong>.<br />

Vorwort<br />

von<br />

Dekan<br />

Siegfried<br />

Stelzner<br />

Ziel war und ist es zum einen, dem Thema Armut, den<br />

Benachteiligten in unserem direkten Umfeld, eine Stimme zu<br />

verleihen.


Zum anderen ging und geht es den Beteiligten um<br />

Erfahrungsaustausch und die Bündelung der Ressourcen im<br />

Kampf gegen die Armut. Die Tatsache, dass sich inzwischen<br />

15 <strong>Landshut</strong>er Institutionen diesem Netzwerk angeschlossen<br />

haben, zeigt (leider), wie aktuell dieses Thema bei uns<br />

unverändert ist.<br />

Mittlerweile engagieren sich zahllose Mitarbeiter aus<br />

folgenden Einrichtungen in der <strong>Landshut</strong>er Armutskonferenz:<br />

Frauenhäuser, Katholische Schwangerenberatung,<br />

Offene Behindertenarbeit, Fachberatung für psychisch<br />

kranke Erwachsene, Fachberatung für Flüchtlinge<br />

und Migranten, Fachstelle zur Verhinderung von<br />

Obdachlosigkeit, Jugendarbeit, Schulsozialarbeit,<br />

Katholische Jugendfürsorge, Kinderschutzbund,<br />

Die Tafel, JVA-Sozialdienst, Gefangenenseelsorge und<br />

das Evangelische Dekanat <strong>Landshut</strong>.<br />

In dieser Broschüre finden Sie zahlreiche Vorurteile zum<br />

Thema Armut wieder – und die entsprechenden Fakten dazu.


Ich bin mir sicher, Sie werden nach Lektüre dieser<br />

Broschüre einen neuen, einen offeneren Blick auf das<br />

Thema Armut in <strong>Landshut</strong> haben. Ich wünsche mir, dass<br />

jeder einzelne von uns diese gesellschaftlichen Problematik<br />

dann nicht nur vorurteilsfrei betrachten kann,<br />

sondern auch tatsächliche Änderungen in seinem Handeln<br />

entwickelt.<br />

„Arme sind selbst schuld an ihrer Situation.“<br />

Wir müssen lernen, die Menschen, die – aus welchem Grund<br />

auch immer – anders leben müssen als die Mehrheit, zu<br />

respektieren. Wenn wir alle uns einmal Fragen, „Warum ist<br />

jemand <strong>arm</strong>?“, ist ein erster, zunächst kleiner, doch in<br />

seiner Wirkung großer Schritt getan.<br />

Ihr Dekan<br />

Siegfried Stelzner<br />

Sprecher <strong>Landshut</strong>er Armutskonferenz<br />

– Forum für soziale Rechte -


Grusswort des<br />

Schirmherren,<br />

Oberbuergermeister<br />

Hans Rampf:<br />

Liebe <strong>Landshut</strong>erinnen,<br />

liebe <strong>Landshut</strong>er,<br />

zehn Jahre Armutskonferenz, das ist kein Grund<br />

zu feiern, aber ein Grund innezuhalten und sich klar zu<br />

machen, dass auch in <strong>Landshut</strong> Menschen durch das soziale Netz<br />

fallen und in Armut leben.<br />

Die Initiative zu einer Armutskonferenz ging vor<br />

10 Jahren von den Menschen aus, die im Rahmen<br />

karitativer Einrichtungen „an der Front“ arbeiten.<br />

Heute sind alle wichtigen <strong>Landshut</strong>er Organisationen<br />

in der Armutskonferenz zusammengeschlossen. Sie hat<br />

es sich zur Aufgabe gemacht, eine Lobby,<br />

eine Stimme für bedürftige Menschen zu<br />

sein, damit diese die Unterstützung<br />

und Beratung erhalten, welche sie<br />

benötigen, um in ein normales Leben<br />

zurückzufinden.


Die Erfahrung zeigt, dass es immer „<strong>arm</strong>e“ Menschen geben<br />

wird; in den nächsten Jahren wird uns voraussichtlich<br />

immer häufiger die Alters<strong>arm</strong>ut beschäftigen.<br />

Viele Betroffene schämen sich ihrer Lage, und unsere<br />

Aufgabe wird es sein, die Armut sichtbar zu machen, ohne<br />

Einzelne bloßzustellen. Denn um eine breite Unterstützung<br />

zu bekommen, muss die Gleichgültigkeit und Unkenntnis der<br />

Mitbürger beendet werden.<br />

Mein Dank gilt der <strong>Landshut</strong>er Armutskonferenz und damit<br />

all denen, die sich unermüdlich für benachteiligte<br />

Mitmenschen einsetzen.<br />

Ich werde mich weiterhin persönlich und im Rahmen meines<br />

Amtes für dieses Thema engagieren und freue mich sehr,<br />

wenn der Kreis der Unterstützer wächst.<br />

Ihr<br />

Hans Rampf<br />

Oberbürgermeister der Stadt <strong>Landshut</strong>


<strong>was</strong> <strong>heisst</strong><br />

<strong>hier</strong> Arm?<br />

Hunger und Krankheit, Menschen,<br />

die unter erbärmlichen Bedingungen in<br />

einem Flüchtlingslager in Uganda hausen.<br />

Seien wir ehrlich, Armut findet für die<br />

meisten von uns ausschließlich in Afrika statt.<br />

Arm sind immer „die anderen dort“.<br />

Bestenfalls fühlen wir uns betroffen und spenden einmal<br />

im Jahr an Weihnachten für UNICEF, das Rote Kreuz oder<br />

Ärzte ohne Grenzen.<br />

Damit ist das Thema erledigt –<br />

damit wird das Thema wieder für ein Jahr verdrängt.<br />

Doch Armut existiert – <strong>was</strong> viele nicht wahrhaben wollen –<br />

auch in Europa, in Deutschland, in Bayern,<br />

und ja – selbst in <strong>Landshut</strong>.


So unglaublich es sich<br />

für viele anhören mag:<br />

Ja, es gibt sie, Armut in <strong>Landshut</strong>.<br />

Armut<br />

in <strong>Landshut</strong> -.<br />

Wo denn bitte?<br />

In unserer nächsten Umgebung, in unserer Nachbarschaft,<br />

unter unseren Freunden, unseren Arbeitskollegen, direkt<br />

vor unserer Tür.<br />

Manchmal können wir, meist wollen wir das nicht sehen,<br />

nicht wahrhaben.<br />

Es gibt bei uns in Niederbayern Menschen, die nicht wissen,<br />

wie sie monatlich den Abschlag der Stadtwerke bezahlen sollen;<br />

die nicht wissen, wie sie der achtjährigen Tochter erklären<br />

sollen, dass sie aus finanziellen Gründen leider nicht am<br />

Vereinsausflug teilnehmen kann; die nicht wissen, wie sie Tag<br />

für Tag das Geld für die notwendigsten Grundnahrungsmittel<br />

aufbringen sollen.


Was genau<br />

ist Armut<br />

eigentlich?<br />

Es wird zwischen absoluter und<br />

relativer Armut unterschieden.<br />

Die absolute Armut findet man in<br />

der Tat in erster Linie in Afrika.<br />

Unterernährte Kinder, Bauern,<br />

die ihr Vieh nicht mehr füttern können,<br />

Menschen, die vergeblich für einen Sack Reis anstehen,<br />

die täglich viele Kilometer für einen Kanister sauberes<br />

Trink<strong>was</strong>ser gehen müssen.<br />

Die relative Armut definiert sich über das relative Einkommen<br />

einer Bevölkerungsgruppe. Laut Europäischer Union bedeutet<br />

das konkret: Arm ist, wer über weniger als 60 % des<br />

durchschnittlichen Nettoeinkommens verfügt.<br />

Im Jahr 2011 lag diese Grenze in Deutschland<br />

für allein lebende Erwachsene bei 940,- EUR.


Der Asylant in der Maistraße,<br />

der Obdachlose im Wohnheim in<br />

der Watzmannstraße, die von ihrem<br />

Mann misshandelte Frau im Frauenhaus.<br />

Was ist<br />

"versteckte<br />

Armut“?<br />

Das sind Menschen, die vom Sozialstaat registriert werden,<br />

weil sie staatliche Unterstützung erhalten.<br />

Doch geschätzt wird, dass auf drei Empfänger von Hilfe<br />

zum Lebensunterhalt 1,5 bis 2 weitere Berechtigte kommen.<br />

Ein Viertel bis zwei Fünftel der bestehenden Ansprüche würden<br />

demnach nicht wahrgenommen.<br />

Ursache dafür sind Fehlinformationen und Angst vor<br />

Stigmatisierung sowie die Angst vor einer Regresspflicht<br />

gegenüber den Angehörigen.


Armut laesst<br />

sich so<br />

zusammenfassen:<br />

Wer <strong>arm</strong> ist, hat ein geringes Einkommen,<br />

schlechte Bildungschancen, ist häufiger krank<br />

und kann aus diesen Gründen nur eingeschränkt<br />

am gesellschaftlichen Leben teilnehmen.<br />

Wer <strong>arm</strong> ist, kann sich nur schlecht ernähren,<br />

hat Schwierigkeiten,<br />

Wohnraum zu finden,<br />

Freundschaften zu schließen,<br />

bekommt wenig Anerkennung,<br />

hat fast keine Möglichkeiten,<br />

seinen eigenen Lebensraum selbst zu gestalten.<br />

Armut bedeutet also in letzter Konsequenz:<br />

Ausgrenzung aufgrund mangelnder finanzieller Möglichkeiten.


Die <strong>Landshut</strong>er<br />

Armutskonferenz<br />

– Forum fuer<br />

soziale Rechte -<br />

Die Caritas und die <strong>Diakonie</strong> <strong>Landshut</strong> gingen daher im Herbst<br />

2002 gemeinsam auf andere regionale Wohlfahrtsverbände und<br />

soziale Institutionen zu, u. a. auf die Arbeiterwohlfahrt,<br />

das Haus International, die Frauenhäuser und den<br />

Kinderschutzbund, um sich zum Thema Armut untereinander<br />

auszutauschen.<br />

Aus diesem informellen Zusammenschluss entstand die<br />

<strong>Landshut</strong>er Armutskonferenz<br />

– Forum für soziale Rechte -.


Ziel war und ist es, der Armut in der Region und der<br />

Stadt <strong>Landshut</strong> ein Gesicht zu geben. Denn die Interessen,<br />

Ängste und Sorgen der Benachteiligten finden in unserer<br />

reichen Region viel zu wenig Gehör.<br />

Der aufrüttelnde, für viele provokant klingende Begriff<br />

„Armutskonferenz“ stieß anfangs auf einigen Widerstand.<br />

Verständlich, denn wer möchte schon, dass seine Stadt in<br />

einem Zug mit diesem negativen Begriff, Armut, genannt<br />

wird?<br />

Doch passender lässt sich der Zusammenschluss derer, die<br />

sich tagtäglich mit den unter-schiedlichsten Ursachen und<br />

Wirkungen der Armut konfrontiert sehen, nicht bezeichnen.


Diesen gab – und gibt –<br />

es leider unverändert:<br />

die extrem angespannte Wohnsituation in <strong>Landshut</strong> und Umgebung.<br />

Aufgrund der guten wirtschaftlichen Entwicklung der Region und<br />

der Stadt <strong>Landshut</strong> wird Mietraum Jahr für Jahr teurer und somit<br />

für <strong>arm</strong>e Menschen schlicht und ergreifend unerschwinglich.<br />

Eigentlich paradox:<br />

Gab es einen<br />

konkreten<br />

Anlass fuer<br />

die Gruendung?<br />

Den meisten geht es gut, und gleichzeitig verschärfen<br />

sich die Probleme derer, die wenig, die nichts haben.


Wieso Wohnraumproblem?<br />

Es gibt doch diesen<br />

Wohnberechtigungsschein!<br />

Den gibt es, und er kann für<br />

eine Gebühr in Höhe von 13,- EUR<br />

also umgerechnet drei Tagessätze<br />

dessen, <strong>was</strong> der Staat Hilfsbedürftigen für den täglichen<br />

Nahrungsmittelbedarf zu Grunde legt, beantragt werden.<br />

Doch das Problem ist:<br />

Seit Jahren existiert in <strong>Landshut</strong> kein sozialer Wohnungsbau<br />

mehr; es werden keine Wohnungen gebaut, die für Menschen mit<br />

Berechtigungsschein verfügbar sind.<br />

Und die wenigen noch vorhandenen Sozialbauwohneinheiten werden<br />

Stück für Stück umgewidmet, sprich, dem „normalen Mietmarkt“<br />

zur Verfügung gestellt.


Sicher, in Artikel 1 des<br />

Grundgesetzes heißt es:<br />

„Die Würde des Menschen ist unantastbar.<br />

Wir haben doch<br />

ein soziales<br />

Sicherungsnetz<br />

in Deutschland!<br />

Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller<br />

staatlichen Gewalt.“<br />

Und in der Tat heißt es in Artikel 20 weiter:<br />

„Die Bundesrepublik Deutschland ist ein<br />

demokratischer und sozialer Bundesstaat.“<br />

Bleibt allein die Frage: Wie sieht dieses soziale Netz, die<br />

soziale Grundsicherung in Deutschland aus? Aus Angst vor<br />

Missbrauch verhindern zahllose Gesetze und Bestimmungen des<br />

Staates oft eine effiziente und effektive Unterstützung der<br />

anspruchsberechtigten Hilfesuchenden.


Sozialleistungen<br />

–<br />

da gibt es doch<br />

nur Missbrauch!<br />

Sie als Kunde eines Supermarktes<br />

würden sich wohl sehr echauffieren,<br />

wenn Sie beim Betreten des Geschäftes<br />

automatisch als Ladendieb verdächtigt würden –<br />

zu Recht!<br />

Und genauso geht es Menschen, die Sozialleistungen erhalten:<br />

Zu oft wird von „den Sozialschmarotzern“ gesprochen,<br />

und bestimmte Medien greifen dieses Thema nur allzu gerne auf.<br />

Doch Tatsache ist, dass es in diesem Bereich<br />

keine größere Missbrauchsquote gibt als unter<br />

der „Normalbevölkerung“, die z. B. ihre Steuererklärung<br />

„schönt“ oder unberechtigte Subventionen kassiert.<br />

Wohl kaum jemand lebt freiwillig<br />

von Sozialhilfe oder Hartz IV!


Die Forderung nach mehr Sach- und<br />

weniger Geldleistungen ist oft zu hören.<br />

Die meisten von uns können ihren eigenen Lebensraum<br />

frei mitgestalten, Empfänger von staatlichen Sozialleistungen<br />

jedoch nicht.<br />

Ja, ihnen wird, sofern angemessener sozialer Wohnraum<br />

vorhanden, die Miete bezahlt, sie sind teilweise von<br />

der GEZ befreit, erhalten Unterstützung beim Kauf von<br />

Schulbüchern für die Kinder.<br />

Sachleistungen sind richtig – und wichtig.<br />

Leute,<br />

die <strong>arm</strong> sind,<br />

die verrauchen,<br />

vertrinken<br />

das Geld.<br />

Doch die Bargeldleistungen sind jetzt schon so gering,<br />

dass sie – wenn überhaupt – gerade mal für Lebensmittel<br />

ausreichen.<br />

Ein Kinobesuch, die Busfahrt zum Sportverein oder ins<br />

Schwimmbad sind davon einfach nicht mehr zu bestreiten.


Lebensmittel<br />

gibt’s doch bei der<br />

<strong>Landshut</strong>er Tafel!<br />

Fakt ist:<br />

Die <strong>Landshut</strong>er Tafel,<br />

auf Initiative der <strong>Landshut</strong>er Armutskonferenz<br />

im Sommer 2004 gegründet, ist absolut wichtig –<br />

doch Fakt ist auch:<br />

Sie ist wahrsten Sinne des Wortes ein Armutszeugnis.<br />

Wer von uns möchte sich einmal die Woche dort freiwillig um<br />

vergünstigte Lebensmittelzuteilung anstellen?


Auf Betreiben der <strong>Landshut</strong>er<br />

Armutskonferenz gibt es seit 2007<br />

den Pass „<strong>Landshut</strong> sozial“.<br />

Und <strong>was</strong><br />

ist mit all<br />

den anderen<br />

Ermaessigungen?<br />

Sozial Benachteiligte, zu denen insbesondere auch Familien<br />

und Alleinerziehende im Arbeitslosengeld-II-Bezug gehören,<br />

erhalten damit Ermäßigungen bei verschiedenen Institutionen,<br />

u. a. bei den Stadtwerken, der Stadtbücherei, den städtischen<br />

Museen oder der Musikschule.<br />

Der Pass ermöglicht den Inhabern eine bessere gesellschaftliche<br />

Teilhabe.<br />

Mitte 2007 hatten 733 Personen den Pass beantragt, im April<br />

diesen Jahres waren es 968.<br />

Es ist unverändert das Bestreben der Organisatoren, auch<br />

private Unternehmen für diesen Pass zu begeistern.


Wie wirkt sich<br />

Kinder<strong>arm</strong>ut<br />

aus?<br />

Haben Sie sich mal überlegt,<br />

dass Ihr Kind nicht zu einer<br />

Geburtstagsfeier gehen kann,<br />

weil Sie als Eltern finanziell<br />

nicht in der Lage sind, ein Geschenk<br />

für das Geburtstagskind zu kaufen?<br />

Nicht nur in materieller Hinsicht, sondern auch in Bezug auf<br />

Bildungschancen, emotionale Entwicklung und gesellschaftliche<br />

Teilhabe sind heute viele Kinder zunehmend benachteiligt.<br />

Eine Langzeitstudie des Frankfurter Instituts für Sozialarbeit<br />

und Sozialpädagogik (ISS-Frankfurt a. M.) im Auftrag der<br />

Arbeiterwohlfahrt kam im Jahr 2005 zu folgenden Ergebnissen:


* Armut bestimmt die Schullaufbahn und<br />

das Leben der Kinder. Die eigentliche<br />

Bildungsmisere in Deutschland hat ganz<br />

offensichtlich nichts mit Leistung zu tun,<br />

sondern zunächst einmal mit Chancen.<br />

* Die Versorgung der Kinder prägt den Alltag<br />

in <strong>arm</strong>en Familien maßgeblich und nimmt<br />

einen Großteil der elterlichen Ressourcen<br />

in Anspruch.<br />

* Mehr als jedes dritte Kind (37,5 %), das<br />

1999 und 2003 <strong>arm</strong> war, „blieb sitzen“.<br />

Demgegenüber nur 8,5 % der seit 1999<br />

permanent nicht-<strong>arm</strong>en Kinder. Zudem sind<br />

die Durchschnittsnoten von <strong>arm</strong>en Kindern<br />

signifikant schlechter als bei Kindern aus<br />

nicht <strong>arm</strong>en Haushalten.


Die AWO-ISS-Studie räumt schließlich mit einem weit<br />

verbreiteten Vorurteil auf. Thomas Beyer, Landesvorsitzender<br />

der Arbeiterwohlfahrt Bayern, erklärt:<br />

„Die Analysen weisen von Beginn an darauf hin, dass<br />

nicht von ‚sozial Schwachen‘ gesprochen werden kann,<br />

wenn ‚einkommens<strong>arm</strong>e Menschen und Familien‘<br />

gemeint sind.<br />

Diese ‚sozial Schwachen‘<br />

sind alles andere als sozial schwach:<br />

Von den meisten der in der Untersuchung befragten<br />

‚<strong>arm</strong>en‘ Eltern wird nur eine schwer vorstellbare<br />

Stärke verlangt, ihre Situation täglich zu<br />

bewältigen und für ihre Kinder zu sorgen.<br />

Prävention von Kinder<strong>arm</strong>ut ist zwar sehr teuer.<br />

‚Spätere Reparaturen‘ übersteigen diese Kosten<br />

aber um ein Vielfaches.“


1986 klebte ein Bundesminister<br />

Plakate mit dem Titel:<br />

„Denn eins ist sicher: Die Rente.“<br />

So weit die Theorie.<br />

Warum nimmt<br />

Alters<strong>arm</strong>ut<br />

immer mehr zu?<br />

Gut 25 Jahre später weiß wohl jeder, dass dieser Satz leider<br />

nicht (mehr) gültig ist und jeder Erwerbstätige privat für<br />

seine Rente vorsorgen muss. Für viele Arbeitnehmer, die in den<br />

letzten Jahren in Ruhestand kamen, blieb nicht ausreichend<br />

Zeit, sich auf die neue Realität einzustellen. Teilzeitarbeiten<br />

führen im Alter oft zum Bezug von Grundsicherung. Gestiegene<br />

Mietkosten, unaufhaltsam steigende Energiepreise, Zusatzkosten<br />

für das Gesundheitswesen: Das sind nur einige Gründe dafür,<br />

dass immer mehr ältere Menschen zusätzlich staatliche<br />

Unterstützung und Hilfe in Anspruch nehmen müssen.


Kann also<br />

auch mich<br />

Armut treffen?<br />

Ja!<br />

Es gibt den Elektroingenieur,<br />

dem von heute auf morgen gekündigt wird,<br />

die alleinerziehende Mutter, deren Mann keinen Unterhalt<br />

bezahlt, den Jugendlichen, der nach der Ausbildung nicht<br />

übernommen wird und keine Anstellung mehr findet.<br />

Besonders gefährdet sind Erwerbslose und schlecht bezahlte<br />

Arbeitnehmer, Alleinerziehende und Zuwanderer.<br />

Jeden kann Armut unverschuldet treffen, <strong>was</strong> eine<br />

oft unaufhaltsame negative Spirale in Gang setzt:


Das Auto muss verkauft, die Miete kann nicht<br />

mehr bezahlt, die Monatskarte für den Bus muss<br />

eingespart werden.<br />

Der Abschlag für Strom- und Heizung kann nicht<br />

pünktlich überwiesen werden, und so findet sich<br />

z. B. eine alleinerziehende, berufstätige Mutter<br />

in <strong>Landshut</strong> plötzlich in der Situation wieder<br />

– leider eine wahre Begebenheit aus unserer Stadt –<br />

Bad und Küche morgens mit Kerzen zu beleuchten,<br />

um ihre drei Kinder für die Schule fertig machen<br />

zu können.


Arbeiten und<br />

trotzdem <strong>arm</strong><br />

sein!?<br />

Wie funktioniert<br />

das denn?<br />

Es „funktioniert“, leider.<br />

Der viel zitierte Niedriglohnsektor<br />

trägt dazu bei.<br />

Das heißt, das monatliche Einkommen liegt<br />

nur knapp oberhalb der Armutsgrenze.<br />

Kommen unvorhergesehene Ausgaben auf die Betroffenen zu –<br />

sei es die Reparatur der Waschmaschine, eine Mieterhöhung<br />

wegen energetischer Renovierungsmaßnahmen oder die schnell<br />

wachsenden Füße des 13-jährigen Sohnes, der innerhalb eines<br />

Jahres das dritte Paar Schuhe benötigt – entsteht ein Loch<br />

in der Haushaltskasse, das nicht geschlossen werden kann.


Im selbstkritischen Sitzungsprotokoll<br />

der Armutskonferenz aus dem Jahr 2004<br />

heißt es:<br />

Was genau<br />

macht also die<br />

<strong>Landshut</strong>er<br />

Armutskonferenz?<br />

„Es wird bemängelt, dass viele Politiker noch nicht wissen,<br />

<strong>was</strong> die <strong>Landshut</strong>er Armutskonferenz ist und <strong>was</strong> sie will.“<br />

Das hat sich inzwischen, nach vielen Gesprächen, Eingaben im<br />

Stadtrat und großem Engagement aller in der Armutskonferenz<br />

Beteiligter zwar et<strong>was</strong> verbessert.<br />

Doch noch immer gilt: Das Thema Armut ist – so präsent und<br />

prekär die Probleme unverändert sind – generell kein Thema,<br />

mit dem man sich gerne „schmückt“. Mit Armut kann man eben<br />

keinen Staat machen.


Umso wichtiger bleibt die Aufgabe der Armutskonferenz,<br />

alle Bürger für dieses Thema zu sensibilisieren,<br />

und vorurteilsfrei zu informieren.<br />

Ziel bleibt es, Politik, Kirche, Wirtschaft<br />

und sozialpädagogisches Handeln zu verbinden, um die<br />

vorhandenen Ressourcen der Stadt und des Landkreises<br />

<strong>Landshut</strong> darzustellen und weitergehende Perspektiven zu<br />

erarbeiten.<br />

Es ist – leider noch – unverzichtbar,<br />

unermüdlich gegen die Mühlen der Bürokratie,<br />

gegen die Vorurteile in der Bevölkerung anzukämpfen<br />

und nachhaltig auf die Politik einzuwirken.


Die „<strong>Landshut</strong>er Armutskonferenz – Forum für soziale<br />

Rechte -“ zeigt die Realität und gibt der Armut ein<br />

Gesicht, gibt den Armen eine Stimme.<br />

So negativ der Begriff Lobbyarbeit auch in den Köpfen<br />

vieler verankert sein mag:<br />

Eine Lobby für benachteiligte Mitmenschen in unserer<br />

Stadt, unserem Landkreis, ist unerlässlich.<br />

Und da Solidarität keine Grenzen kennt, engagiert sich<br />

die Konferenz für Bürger und Mitmenschen jeder Herkunft<br />

und aller Religionen.


Die<br />

Armutskonferenz<br />

kostet doch nur<br />

Geld!<br />

Man sollte es nicht glauben,<br />

aber das gibt es wirklich:<br />

Die Armutskonferenz ist ein freier Zusammenschluss<br />

der verschiedenen Wohlfahrtsverbände und<br />

sozialen Institutionen, die keinerlei<br />

staatliche Zuschüsse erhält.<br />

Die Kosten für die vierteljährlichen Treffen<br />

tragen die entsprechenden Verbände,<br />

indem sie die Mitarbeiter für<br />

diese Treffen freistellen.


Wussten Sie, dass die Europäische<br />

Sonderkommission das Jahr 2010 als<br />

„Jahr zur Bekämpfung der Armut“ ausgerufen hatte?<br />

Was kann die<br />

Politik tun?<br />

Aufgabe der Politik muss es sein, Rahmenbedin-gungen zu<br />

schaffen, um jeden, der gewillt ist, vor Armut zu beschützen.<br />

Dazu gehören zum einen, ein existenzsicherndes Einkommen<br />

für Arbeit sowie die Vereinbarkeit von Erwerbstätigkeit<br />

und Kindererziehung, zum anderen eine sinnvolle, qualitativ<br />

hochwertige, schnellwirkende und -reagierende soziale<br />

Infrastruktur.


Kann ich denn<br />

irgendwie<br />

helfen?<br />

Ja, jeder kann helfen!<br />

Und dabei geht es in erster Linie<br />

nicht um finanzielle Hilfe.<br />

Sich bewusst machen,<br />

dass Armut auch bei uns existiert;<br />

sich bewusst machen, dass jeder<br />

– unverschuldet –<br />

in diese Lage geraten kann,<br />

ist der erste, und wie so oft,<br />

der schwierigste Schritt.<br />

Natürlich kann sich jeder auch darüber<br />

hinaus für Benachteiligte engagieren:<br />

Schenken Sie Zeit, indem Sie ein betroffenes<br />

Schulkind bei den Hausaufgaben unterstützen.


Spenden Sie einem Asylanten die Teilnahme an einem<br />

Deutschkurs.<br />

Kaufen Sie für einen Schüler ein Schulbuch oder übernehmen<br />

Sie für ein Kind das Mittagessen in der Tagesbetreuung<br />

oder eine ehrenamtliche Patenschaft.<br />

Es gibt unzählige Möglichkeiten zu helfen. Wenn Sie<br />

sich informieren möchten, sprechen Sie einfach die<br />

Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der <strong>Landshut</strong>er<br />

Wohlfahrtsverbände oder sozialen Institutionen an.<br />

Ein sozialer Staat, eine soziale Stadt, <strong>Landshut</strong> braucht<br />

das Engagement aller, um soziale Gerechtigkeit zu<br />

schaffen, um den sozialen Frieden zu gewährleisten.


Also,<br />

wer ist <strong>hier</strong> <strong>arm</strong>?<br />

Arm ist unsere Gesellschaft,<br />

eine Gesellschaft,<br />

die Armut zulässt;<br />

eine Gesellschaft,<br />

die bei Armut wegschaut.<br />

Arm ist unsere Gesellschaft,<br />

die Betroffene oft wie Aussätzige behandelt.<br />

Arm ist unsere Gesellschaft,<br />

die Armut tabuisiert.<br />

Armut geht uns alle an!


Dass der Staat und die Bürger<br />

Benachteiligten mit Offenheit<br />

und ehrlicher Wertschätzung<br />

begegnen, und sich dadurch,<br />

in letzter Konsequenz,<br />

der größte Wunsch<br />

aller Beteiligter<br />

erfüllt:<br />

Dass die <strong>Landshut</strong>er Armutskonferenz<br />

baldmöglichst überflüssig ist …<br />

Was<br />

wuenscht sich die<br />

konferenz zum<br />

10-jaehrigen<br />

Bestehen?


Sponsoren:<br />

ADFC <strong>Landshut</strong><br />

Blumengrosshandel Kwoka<br />

BMW AG<br />

Brauerei C. Wittmann OHG<br />

Club der Köche <strong>Landshut</strong><br />

Diakonisches Werk Bayern<br />

Evangelisches Bildungswerk <strong>Landshut</strong><br />

Friedhofsgärtnerei Mayerhofer<br />

Hauswirtschaftsschule Schönbrunn<br />

Jugendwohnheim - <strong>Landshut</strong><br />

JVA <strong>Landshut</strong><br />

<strong>Landshut</strong>er Brauhaus<br />

Restaurant Bernlochner<br />

Rotary Club <strong>Landshut</strong><br />

Sparkasse <strong>Landshut</strong><br />

Stadt <strong>Landshut</strong><br />

Stadttheater <strong>Landshut</strong><br />

Fr. Jutta Widmann, MdL


Auflage: 1.000<br />

Verantwortlich für den Inhalt<br />

ist Dekan Siegfried Stelzner,<br />

Sprecher der Armutskonferenz<br />

Text: Christian Duelli<br />

Layout: Carsten Queschning, ebw <strong>Landshut</strong> e.V.<br />

Redaktion: Bernd Heinze, ebw <strong>Landshut</strong> e.V.<br />

Druck: Hartig Druck, <strong>Landshut</strong><br />

Kontakt und Ansprechpartnerin:<br />

Johanna Behrens<br />

Kirchliche Allgemeine Sozialarbeit<br />

Diakonisches Werk <strong>Landshut</strong> e.V.<br />

Gabelsberger Str. 46<br />

84034 <strong>Landshut</strong><br />

Tel.: 0871 609-206<br />

jbehrens@diakonie-landshut.de<br />

Impressum:


LANDSHUTER<br />

ARMUTSKONFERENZ<br />

- Forum für soziale Rechte -

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