Jahresbericht 2011 als PDF - Lehrlingshaus Eidmatt Zürich
Jahresbericht 2011 als PDF - Lehrlingshaus Eidmatt Zürich
Jahresbericht 2011 als PDF - Lehrlingshaus Eidmatt Zürich
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LEHRLINGSHAUS<br />
EIDMATT<br />
<strong>2011</strong><br />
JAHRESBERICHT
INHALT<br />
INHALT Seite 02<br />
VORWORT DES PRÄSIDENTEN Seite 03<br />
BERICHT DES INSTITUTIONSLEITERS Seite 04<br />
75 Jahre <strong>Lehrlingshaus</strong> <strong>Eidmatt</strong> Seite 05 - 24<br />
Wir schreiben Geschichte:<br />
Vom Arbeiterheim zum modernen <strong>Lehrlingshaus</strong> <strong>Eidmatt</strong><br />
ORGANISATION Seite 25<br />
JAHRESRECHNUNG Seite 26 – 27<br />
Sponsoren <strong>2011</strong><br />
Wir danken für die finanzielle Unterstützung,<br />
die Wertschätzung und das geschenkte Vertrauen:<br />
Evang. Kirchgemeinde Matthäus <strong>Zürich</strong> Autohaus Füchslin Einsiedeln<br />
Evang. Ref. Kirchgemeinde Greifensee David Rosenfeldsche Stiftung<br />
Evang. Ref. Kirchgemeinde Richterswil Projektgruppe Bildungssponsoring<br />
Evang. Ref. Kirchgemeinde Schlieren für Jugendliche: Christoph Grünig,<br />
Evang. Ref. Kirchgemeinde Seuzach<br />
Gemeinde Uitikon<br />
Gottesdienstkollekte Dietikon<br />
Kollekte Gemeinde Küsnacht<br />
Markus Ebner, Philippe Alexander Bubb<br />
Ref. Kirchengut Pfäffikon ZH Gestaltung <strong>Jahresbericht</strong><br />
Ref. Kirchgemeinde Lindau Rüegg Werbung, <strong>Zürich</strong><br />
LEHRLINGSHAUS EIDMATT 02 Inhalt
VORWORT DES PRÄSIDENTEN<br />
Es ist keine Kunst ein <strong>Lehrlingshaus</strong> zu<br />
betreiben, aber Kunst zu schaffen…<br />
Erfreut und mit Zufriedenheit dürfen wir<br />
in doppelter Hinsicht auf das vergangene<br />
Jahr <strong>2011</strong> zurückblicken. Mit motiviertem<br />
Blick in die Zukunft wurden wir durch Gratulation<br />
unserer Hausbank zum 75jährigen<br />
Be stehen der Stiftung etwas überrascht.<br />
Überrascht bin ich auch über die interes-<br />
sante, umfassende Jubiläumsschrift aus<br />
der Feder des langjährigen Stiftungsratsmitglieds<br />
und früheren Präsidenten, Martin<br />
Hübner. In kürzester Zeit «durchwühlte» er<br />
unser Archiv, kontaktierte und recherchierte<br />
mit grossem Eifer. Mein Dank an<br />
Martin für diese grossartige Arbeit! Ich hoffe<br />
sehr, dass auch Sie die Jubiläumsschrift<br />
mit Spannung lesen und sich nebst den persönlichen<br />
«Aha-Erlebnissen» ein Schmunzeln<br />
da und dort nicht verkneifen können.<br />
Das <strong>Lehrlingshaus</strong> <strong>Eidmatt</strong> bietet weiterhin<br />
auf solider Basis zahlreichen Jugendlichen<br />
Wohnraum mit Betreuung und begleitet<br />
die heranwachsenden Menschen in ihrer<br />
Berufsausbildung. Unser Institutionsleiter,<br />
Urs Studer, hält das Schiff <strong>als</strong> Kapitän<br />
zusammen mit seiner Crew, allen voran<br />
Berufscoach Marc Bocklet und den Team-<br />
leiterinnen Andrea Jutzeler, Sybille Brügger<br />
und der Leiterin «externes Wohnen»,<br />
Maresa Kauppert, auf Kurs, so dass keine<br />
Havarie zu befürchten ist. Gerade das Angebot<br />
«externes Wohnen» soll in nächster<br />
Zeit noch ausgebaut und verfeinert werden.<br />
Entsprechende Konzepte werden derzeit<br />
ausgearbeitet und sollten in diesem Jahr<br />
umgesetzt werden, so dass wir Ihnen<br />
im nächsten <strong>Jahresbericht</strong> davon mehr<br />
berichten können.<br />
Im vergangenen Jahr wurde im September<br />
wieder einmal ein Tag der offenen Tür<br />
durchgeführt, der auf reges Interesse stiess.<br />
Lehrmeister, Behördenmitglieder, Träger anderer Institutionen, Nachbarn, Bekannte<br />
und Verwandte der Jugendlichen, alle konnten sich ein direktes Bild des <strong>Lehrlingshaus</strong>es<br />
machen. Die Bewohner und Bewohnerinnen bereiteten den Besuchern einen herzlichen<br />
Empfang und zeigten ihr engagiertes Mitwirken. Nicht gerade jährlich, aber wiederkehrend<br />
sollen sich die Türen des <strong>Eidmatt</strong>s fürs Publikum öffnen. Ein herzliches Dankeschön<br />
sprechen wir den Sozialpädagoginnen und -pädagogen aus, die mit solch besonderen<br />
Anlässen die Früchte ihres täglichen Wirkens den Interessierten zeigen können.<br />
Nach den Regeln der Kunst für Stiftungsräte, braucht es auch mal den Mut ein Projekt<br />
fallen zu lassen. Vor gewisser Zeit entstand die Idee das <strong>Lehrlingshaus</strong> mit etwas Kunst<br />
zu bereichern, welche dem Stiftungszweck folgend von jungen Nachwuchskünstlern<br />
geschaffen werden sollte. Paul Bissegger, Architekt und Stiftungsrat, gelang es einen<br />
Kontakt zur F+F Schule für Kunst und Mediendesign in <strong>Zürich</strong> herzustellen. Eine Gruppe von<br />
vier Kunst-schülern arbeiteten drei Projekte aus. Obwohl die Projekte, jedes für sich gesehen,<br />
gewisse Reize ausstrahlten, überzeugte keines die Jury, die sich aus Jugendlichen,<br />
Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern und Mitgliedern des Stiftungsrates zusammensetzte.<br />
Ein Projektstopp war die richtige Entscheidung. Da die Zusammenarbeit und der ganze<br />
Prozess für alle Beteiligten zu interessanten Begegnungen und Erfahrungen führten, gilt<br />
der Satz, «ausser Spesen nix gewesen», diesmal nicht. An dieser Stelle danken wir der F+F<br />
Schule und den mitwirkenden Schülern nochm<strong>als</strong> für die interessante Zusammenarbeit.<br />
Leider haben uns per Ende Jahr zwei Mitglieder des Stiftungsrates verlassen. Gabriela<br />
Meier Schmuki und Hanspeter Kunz sind aufgrund anderer, vor allem beruflicher und<br />
familiärer Engagements, aus dem Stiftungsrat ausgetreten. Gabriela Meier führte seit<br />
anfangs 2008 <strong>als</strong> Aktuarin das Protokoll und brachte <strong>als</strong> Waisenrätin der Stadt <strong>Zürich</strong> wertvolle<br />
Fachkenntnisse in die Sitzungen ein. Hanspeter Kunz, seit 2007 dabei und <strong>als</strong> Gemeinderat<br />
mit politischen Abläufen vertraut, unterstützte uns mit seinem Wissen und warf<br />
auch mal einen kritischen Blick auf unsere Ausgaben im Vergleich mit andern Institutionen.<br />
Wir danken beiden ganz herzlich für ihr Engagement und Mitwirken im Stiftungsrat. Zum<br />
Abschied deckten wir die beiden mit etwas Lektüre ein, die ihnen in der Freizeit ein paar<br />
packende Momente bieten soll.<br />
Aber nicht nur abtretenden Stiftungsräten gebührt der Dank, sondern auch den bleibenden,<br />
die wieder in fünf Sitzungen die Geschicke der Stiftung mitbestimmten und mitbestimmen<br />
werden. Bereits tätigten sie einzelne Anfragen zur Findung neuer Stiftungsräte. Dabei<br />
scheint sich schon ein Erfolg abzuzeichnen, werden doch drei Personen demnächst etwas<br />
Stiftungsratsluft schnuppern. Der Komplettierung des Stiftungsrates im laufenden Jahr<br />
sollte nichts im Wege stehen.<br />
Wir danken auch allen Gönnerinnen und Gönnern für die finanzielle Unterstützung und<br />
freuen uns, in diesem Jahr unsere Aktivitäten kunstvoll, wenn auch ohne Kunst am Bau,<br />
fortsetzen zu können.<br />
Matthias Lüthi<br />
LEHRLINGSHAUS EIDMATT 03 Vorwort des Präsidenten
BERICHT DES INSTITUTIONSLEITERS<br />
1936 – <strong>2011</strong>. Die Mitarbeitenden und ich sind stolz auf unsere Stiftung und gratulieren ihr<br />
zum 75-Jahre-Jubiläum. Für mich ein Anlass, auf die Geschichte unserer Stiftung und die<br />
Entwicklung der Heimerziehung kurz einzugehen und deshalb den Bericht <strong>2011</strong> sehr kurz<br />
zu halten.<br />
Auch dieses Jahr war gekennzeichnet von vielen, meist geplanten 16 Aus- und 14 Eintritten<br />
nebst 8 internen Wechseln mit einer Belegung von 97 % – eine starke Leistung, wofür ich<br />
allen Beteiligten herzlich danke. Für Herrn Hegner, Herrn Klaus und Herrn Szöcs, welcher<br />
erfolgreich seine Ausbildung zum Sozialpädagogen (nochm<strong>als</strong> Gratulation) abgeschlossen<br />
hat, sind Frau Zimmerling, Frau Staudenmaier und Herr Menn gut gestartet. Ihnen wie auch<br />
den beiden engagierten Aushilfen Frau Rangel und Herrn Mühlemann mein Dank für die<br />
wertvolle Mitarbeit.<br />
Mit Freude stelle ich fest, dass nach 75 Jahren das Interesse und Engagement an der<br />
Jugend im Stiftungsrat und bei den Mitarbeitenden unvermindert gross ist, die Auseinandersetzung<br />
mit den Anliegen der Jugendlichen sie fit hält, die Motivation und die Innovationsfreude<br />
nicht erloschen sind.<br />
Ich denke, dass der Entstehungsprozess unserer Stiftung von der Wohngemeinschaft unter<br />
der Leitung der Hausmutter/der Heimeltern (Familienersatz) hin zur individuell angepassten,<br />
ziel- und ressourcenorientierten Förderung der Jugendlichen in unterschiedlichen<br />
Wohnformen wiederspiegelt, wie sich die Heime und Sozialeinrichtungen weiterentwickelt<br />
haben.<br />
Mit Genugtuung und Stolz leite ich heute die moderne Institution <strong>Lehrlingshaus</strong> <strong>Eidmatt</strong>, die<br />
sich am Puls der heutigen Gesellschaft und den Themen und Bedürfnissen der Jugend<br />
orientiert. In meinen 35 Jahren Tätigkeit in Heimen durfte ich entscheidende Fortschritte in<br />
der «Heimentwicklung» miterleben wie z. B. vom Schlafen in Schlafsälen, dem Zusammenleben<br />
in Gemeinschaften von bis zu 25 gleichgeschlechtlichen Jugendlichen, dem Wechsel<br />
zu 2- und 3-Bettzimmern und Leben in einer 9-er-Gruppe (koedukativ) hin zur Bildung von<br />
Wohngemeinschaften, in denen jede/r Jugendliche den Anspruch auf sein eigenes Zimmer<br />
stellen kann.<br />
Zu Anfangszeiten wurde die Betreuung durch Ordensschwestern, Priester oder Hauseltern<br />
gewährleistet, später wurde die Aufgabe den omnipräsenten Gruppenmüttern übertragen<br />
und schliesslich wurden Teams von ausgebildeten Sozialpädagoginnen gebildet die in<br />
Zusammenarbeit mit weiteren Fachpersonen die Betreuung und Begleitung der Jugendlichen<br />
bieten.<br />
Galt es einst, der Hausordnung und Betriebsgemeinschaft Sorge zu tragen, kam die Zeit,<br />
wo man die Jugendlichen mit Fokus auf die Gruppe/Wohngemeinschaften förderte. Heute<br />
haben wir den Anspruch, alle individuell angepasst zu fördern, vernetzt zu arbeiten, sprich<br />
– Eltern, KollegInnen, Schule, Lehrmeister, Therapeuten usw. einzubeziehen.<br />
Gross ist und war der Wandel in der Existenzberechtigung der Sozialen Einrichtungen und<br />
deren Finanzierbarkeit.<br />
Einen weiteren wichtigen Beitrag zur Professionalisierung leisteten und leisten die regionalen<br />
Ausbildungsstätten (Schulen für Soziale Arbeit) mit der Gründung der Heimleiter-<br />
LEHRLINGSHAUS EIDMATT 04 Bericht des Institutionsleiters<br />
und Erzieherausbildung und die Weiterentwicklung<br />
zu einem breiten Spektrum<br />
an Aus- und Weiterbildungsangeboten für<br />
unterschiedliche Funktionsträger in der<br />
sta tionären und ambulanten Kinder- und<br />
Jugendhilfe.<br />
Wie auch Martin Hübner in der Jubiläumsschrift<br />
gut illustriert, hat sich eines all die<br />
Jahre nicht verändert: nämlich die Feststellung<br />
«die Jugendlichen werden immer<br />
schwieriger» einhergehend mit der Sorge,<br />
wie man dem entgegen treten kann. Sprich<br />
– wie gelingt es uns, dem Anspruch zu<br />
genügen, jeden einzelnen Jugendlichen<br />
optimal zu fördern, die Tragfähigkeit der<br />
Institution zu stützen, die Beanspruchung<br />
und Belastung des Person<strong>als</strong> in einer guten<br />
Work-Life-Balance zu halten, so dass letztlich<br />
die Wohn- und Hausgemeinschaft eine<br />
gute Umgangs- und Wohnkultur lebt und zu<br />
pflegen vermag.<br />
Früher wie heute eine Aufgabe die für uns<br />
im Spannungsfeld zur Entwicklung unserer<br />
Gesellschaft steht. Meist droht unseren<br />
Jugendlichen die Ausgrenzung. Aufmerksam<br />
achten wir, der Stiftungsrat und die<br />
Mitarbeitenden, darauf, dass die Jugendlichen<br />
den Anschluss nicht verpassen und<br />
sie ihren Platz in der Gesellschaft finden.<br />
Nebst dem bereits ausgesprochenen Dank,<br />
bedanke ich mich auch bei den Eltern, den<br />
Ausbildungsbegleitern und allen Personen,<br />
die uns und die Jugendlichen tatkräftig<br />
unterstützen, für das entgegengebrachte<br />
Vertrauen.<br />
Urs Studer
GESCHICHTE LEHRLINGSHAUS EIDMATT<br />
Ein reformiertes Arbeiterheim für <strong>Zürich</strong><br />
Im November 1921 traf sich in der Anstalt<br />
für Epileptische der Tuberkulose-Sekretär<br />
Gottfried Weidmann-Hoessly (1894–1964)<br />
mit dem Anstaltsdirektor Pfarrer Rudolf<br />
Grob (1890–1982). Beide waren aktive<br />
Mitglieder der Jung-Reformierten Vereini-<br />
gung <strong>Zürich</strong>. In dem Gespräch äusserte<br />
Weidmann die Idee der Schaffung eines<br />
reformierten Arbeiterheims. Direktor Grob<br />
leuchtete dieser Gedanke ein, und bald darauf<br />
fand sich dank dessen Unterstützung<br />
ein kleiner Kreis junger Männer, der die<br />
Idee lebhaft unterstützte. Innerhalb der<br />
Jung-Reformierten Vereinigung <strong>Zürich</strong> entstand<br />
eine Gruppe, die sich mit der Umsetzung<br />
der für das reformierte <strong>Zürich</strong> neuen<br />
Idee beschäftigte.<br />
Im Februar 1923 gelangten die jungen<br />
Reformierten mit einem Gesuch an die Zentralkirchenpflege<br />
<strong>Zürich</strong>. Sie stellten darin<br />
die etwas kühne Frage, ob es möglich sei,<br />
während einiger Jahre zu der gewöhnlichen<br />
Kirchensteuer einen Sonderfranken<br />
pro Steuerzahler zu erheben, der dann für<br />
die Gründung eines reformierten Arbeiterheimes<br />
verwendet werden sollte. Dieser<br />
Gedanke konnte aber aus rechtlichen Gründen<br />
nicht verwirklicht werden. Es mussten<br />
andere Möglichkeiten der Mittelbeschaffung<br />
gefunden werden. Dazu wurde eine<br />
Kommission zur Gründung eines reformierten<br />
Arbeiterheims gebildet. Sehr bald<br />
erkannten aber die begeisterten Ideenträger,<br />
dass zunächst ein gewaltiges Stück<br />
Öffentlichkeitsarbeit nötig war. Sie besuchten<br />
die Pfarrer, die Kirchenpflegepräsidenten<br />
und viele Gemeindeglieder, um für ihre<br />
Idee zu werben. Langsam fasste der Gedanke<br />
in kirchlichen Kreisen Boden. Als<br />
erste grosse Gabe erhielt das Komitee 1924<br />
von der Positiven Vereinigung <strong>Zürich</strong> 36 600<br />
Franken. Allerdings war diese Schenkung<br />
Wir schreiben Geschichte: Vom Arbeiterheim zum modernen <strong>Lehrlingshaus</strong> <strong>Eidmatt</strong><br />
an die Bedingung geknüpft, dass das reformierte Handwerkerhaus in die Kreise 3, 4 oder 5<br />
zu stehen komme. Für die Ideenträger war dieser erste Beitrag eine starke Ermunterung,<br />
um auszuharren und nicht müde zu werden.<br />
Ein Rundschreiben im ganzen Kanton<br />
Im Oktober 1925 wurde dann beschlossen, mit einem Rundschreiben an die Pfarrämter und<br />
die evangelische Jugend im ganzen Kanton zu gelangen. Zur Abstützung dieses Vorhabens<br />
entstand das «Komitee zur Gründung des reformierten Arbeiterheims»; Pfarrer Carl<br />
Bohnenblust wurde Präsident. So begann das Rundschreiben an die reformierte Jugend<br />
des Kantons <strong>Zürich</strong> vom 10. November 1925: «Ihr alle wollt einmal in die Fremde. Das ist gut<br />
und recht so. Aber hier werdet ihr oft keinen Anschluss finden. Ihr sucht durch Inserate oder<br />
Vermittlungsstellen einen Kostort. Die einen werden das Glück haben, bei rechtschaffenen,<br />
protestantischen Familien ein Heim zu finden. Andere treffen es weniger gut und nehmen<br />
Schaden an Leib und Seele. Wieder andere kommen an katholische Personen, einige in katholische<br />
Gesellenhäuser. Hier wachsen sie ganz allmählich und ungewollt in katholisches<br />
Fühlen und Denken hinein und werden so für jene Sache gewonnen. Das reformierte<br />
Arbeiterheim soll nicht nur einem sozialen, humanitären Bedürfnis entgegenkommen;<br />
es soll vor allem auch ein Haus der Gemeinschaft sein, gegründet auf der protestantischen<br />
Weltanschauung. Die jungen Leute sollen mit den Hauseltern eine Familie bilden, in der<br />
jedes Glied sich für die anderen verantwortlich fühlt.»<br />
Den hier sichtbaren Religionskampf gab es in den Köpfen der Trägerschaft noch etliche<br />
Jahre. Noch in der Stiftungsratssitzung vom 19. Oktober 1949 wurde die Frage aufgeworfen,<br />
«ob es richtig sei, dass im Heim an der <strong>Eidmatt</strong>strasse das Fleisch von Niedermann bezogen<br />
werde, der katholisch und Grossunternehmer sei». Und in der Stiftungsratssitzung vom<br />
9. April 1951 reklamierte der Vertreter des Kirchenrats des Kantons <strong>Zürich</strong>, Pfarrer Oskar<br />
Farner, im Namen des Protestantischen Volksbundes, «dass das Fleisch bei Niedermann,<br />
diesem trotz allem katholischen Unternehmer, gekauft werde. Die reformierten Angestellten<br />
Niedermanns würden aus geschäftspolitischen Gründen beschäftigt.» Darauf wurde<br />
beschlossen, dass neben Niedermann, mit dem man im Heim sehr zufrieden war, noch ein<br />
bis zwei reformierte Metzger <strong>als</strong> Lieferanten zu berücksichtigen seien. Erst 1959 –<br />
der Bau des neuen Lehrlingsheims an der <strong>Eidmatt</strong>strasse war jetzt in Planung – zeigte sich<br />
die Trägerschaft zu einer Fühlungsaufnahme mit den Katholiken bereit. Die katholische<br />
Kirche war nämlich ebenfalls daran, ein neues Lehrlingsheim zu planen. 1962 bot die katholische<br />
Jungmannschaft sogar an, den Reinertrag aus dem Erlös einer Laienspielaufführung<br />
hälftig zwischen ihrem Verein und der Stiftung reformiertes Lehrlings- und Jungmännerheim<br />
zu teilen.<br />
Auch namhafte Zeitungen nahmen Notiz vom reformierten Vorhaben<br />
Im erwähnten Rundschreiben wurden die reformierten Jugendgruppen aufgefordert,<br />
Gegenstände herzustellen, die an einem Bazar in der Stadt <strong>Zürich</strong> verkauft würden, sowie<br />
Theateraufführungen und Konzerte zu veranstalten und den Reinerlös dem Komitee zur<br />
Gründung eines Arbeiterheims zu überweisen. Die Männer des Komitees hielten landauf,<br />
LEHRLINGSHAUS EIDMATT 05 Geschichte <strong>Lehrlingshaus</strong> <strong>Eidmatt</strong>
Lehrlingsheim, 1948, Lausanne © StAAG / RBA<br />
<strong>Lehrlingshaus</strong> <strong>Eidmatt</strong> 2012<br />
LEHRLINGSHAUS EIDMATT 06 Geschichte <strong>Lehrlingshaus</strong> <strong>Eidmatt</strong>
landab Vorträge und führten Besprech-<br />
ungen durch. Es erschienen auch Artikel in<br />
den Zeitungen, so am 23. Juni 1926 in der<br />
Mittagausgabe der «Neuen Zürcher Zeitung».<br />
«Es ist in der NZZ kürzlich darauf<br />
hingewiesen worden, dass sich in <strong>Zürich</strong> ein<br />
Komitee gebildet hat, das ein reformiertes<br />
Arbeiterheim gründen will. Jedes Jahr<br />
kommen viele junge protestantische Arbeiter<br />
nach <strong>Zürich</strong> und suchen hier durch Inserate<br />
und Vermittlungsstellen einen Kostort.<br />
(…) Viele der neu zugereisten jungen Arbeiter<br />
möchten lieber nicht bei Privatleuten,<br />
sondern in einem Jungmännerheim wohnen.<br />
Das protestantische <strong>Zürich</strong> besitzt<br />
aber bis jetzt ein einziges solches Heim, das<br />
jedoch auf die besonderen Bedürfnisse der<br />
Arbeiter und Handwerker zu wenig Rücksicht<br />
nehmen kann. Die Katholiken haben<br />
den Wert solcher Heime schon längst<br />
erkannt, und so sind im Laufe der Jahre in<br />
<strong>Zürich</strong> eine Reihe von katholischen Jungmännerheimen,<br />
Gesellenhäusern entstanden,<br />
in denen oft auch reformierte Arbeiter<br />
Unterkunft suchen und finden.»<br />
Weiter war in dem NZZ-Artikel zu lesen:<br />
«Aus der Erkenntnis der Bedeutung dieser<br />
Heime für das Wohl der jungen Arbeiter<br />
haben 1921 einige junge Leute die Initiative<br />
zur Gründung eines Reformierten Arbeiterheims<br />
in <strong>Zürich</strong> ergriffen. Im Jahr 1923,<br />
nachdem die Bedürfnisfrage noch weiter<br />
abgeklärt worden war, wurde ein Komitee<br />
gebildet, das die Aufgabe hatte, für die Verwirklichung<br />
des Heims zu arbeiten. Bereits<br />
wurden von kirchlicher Seite 7000 Franken<br />
zur Verfügung gestellt. Diese Summe<br />
genügt aber nicht, um ein solches Heim<br />
betreiben zu können, und so sucht das<br />
Komitee nach neuen Quellen. Da junge Leute<br />
die Gründung eines Reformierten Arbeiterheims<br />
angeregt haben, möchte das<br />
Komitee, dass die jungen Glieder der<br />
Landeskirche an der Verwirklichung des<br />
Arbeiterheims mithelfen. So war denn vor einiger Zeit ein Aufruf an die Pfarrämter gesandt<br />
worden, worin die Vereinigungen der ehemaligen Konfirmanden, Missionskränzchen usw.<br />
um Mitarbeit gebeten wurden. In der Folge hat sich dann eine ganze Reihe von Jugendgruppen<br />
in Stadt und Land der Sache angenommen. Einige Vereinigungen fertigen Gegenstände<br />
für einen Bazar an, andere veranstalten Konzert- und Familienabende und liefern<br />
den Reinertrag ab, wieder andere führen unter sich Kollekten zu Gunsten des Arbeiterheims<br />
durch. Auf diese Weise hilft die Jugend der Landeskirche an der Verwirklichung eines<br />
Heims mit, das jungen Arbeitern dienen will. Doch bis zur Eröffnung des Heims wird<br />
noch viel Geld gebraucht. Deshalb sind Präsident Carl Bohnenblust, Bullingerplatz 1, und<br />
Sekretär, Sekretär Gottfried Weidmann, Universitätsstrasse 9, für Beiträge dankbar.<br />
Sie können aber auch direkt auf das Postcheckkonto der Abteilung Fürsorge der NZZ (VIII<br />
5602) einbezahlt werden, versehen mit der Bezeichnung ‹Reformiertes Arbeiterheim›.<br />
Das Komitee ist überzeugt, dass die reformierte Bevölkerung <strong>Zürich</strong>s gerne mithelfen will,<br />
dieses so notwendige Heim zu schaffen.»<br />
Am 4. und 5. Februar 1927 konnte dann im Kirchgemeindehaus <strong>Zürich</strong>-Enge der Bazar<br />
durchgeführt werden, der den Betrag von 11 500 Franken einbrachte. Für die Arbeiterheim-<br />
Initianten war aber klar, dass sie für den Start des Heimbetriebes mindestens<br />
100 000 Franken benötigten. Bis März 1928 waren 47 220 Franken zusammengekommen.<br />
Noch war das Ziel aber bei weitem nicht erreicht. Neue Geldquellen mussten gefunden<br />
werden. Das Komitee dachte daran, eine Haussammlung unter der evangelischen<br />
Bevölkerung zu organisieren. Glücklicherweise anerbot sich jetzt Kirchenrat Professor<br />
Reinhold Hess (1868 – 1935), namens der Sektion <strong>Zürich</strong> des Schweizerischen protestantischen<br />
Volksbundes, die Sammlung gemeinsam mit dem Komitee durchzuführen.<br />
Sie erbrachte im Jahr 1930 69 523 Franken, so dass das Komitee zu diesem Zeitpunkt über<br />
123 000 Franken verfügte.<br />
Bischler-Fonds ehrte fleissige, tüchtige Lehrlinge<br />
Am 2. April 1930 verstarb ein dem «Reformierten Arbeiterheim» nahe stehender Gustav<br />
Albert Bischler. Er vermachte dem Arbeiterheim 20 000 Franken <strong>als</strong> «Albert Bischler-<br />
Fonds, dessen Zinsen alljährlich jungen, strebsamen Leuten, die sich durch Fleiss, Tüchtigkeit<br />
und tadellosem Betragen sowie schöpferischem Bestreben auszeichnen, <strong>als</strong> Prämie<br />
zu verabfolgen seien». Das Komitee hatte jetzt eine erste praktische Aufgabe, nämlich die<br />
Zinsen des Bischler Fonds an Lehrlinge <strong>als</strong> Prämie auszuzahlen.<br />
Die Stiftungsurkunde – eine aufwändige Arbeit<br />
Das vom Komitee in erster Linie zu bearbeitende Problem waren jetzt die Gründung einer<br />
Stiftung und das Verfassen der Stiftungsurkunde. Der erste Versuch, Rechtsgültigkeit<br />
zu erlangen, wurde am 25. April 1932 auf dem Notariat des Kreises 6 unternommen. Dam<strong>als</strong><br />
waren folgende Damen und Herren für den Stiftungsrat nominiert: Marie Bremi, Sekretärin;<br />
Kirchenrat Reinhold Hess, Professor; Gret Högger; Walter Egli, Sekretär; Heinrich Höhn,<br />
Verwalter; Hans Hüppi, stud. Ing.; Jakob Morf, Fabrik-Inspektor; Pfarrer Johannes Spinner,<br />
LEHRLINGSHAUS EIDMATT 07 Geschichte <strong>Lehrlingshaus</strong> <strong>Eidmatt</strong>
<strong>Lehrlingshaus</strong> <strong>Eidmatt</strong> 2012<br />
Lehrlingsheim <strong>Eidmatt</strong> 1963<br />
LEHRLINGSHAUS EIDMATT 08 Geschichte <strong>Lehrlingshaus</strong> <strong>Eidmatt</strong>
Dekan; Hendrik Vollers, Malermeister;<br />
Gottfried Weidmann, Sek retär; Josef Züger,<br />
SBB-Beamter. Das Stiftungsvermögen aus<br />
den Erträgen der Sammlungen wurde dabei<br />
mit 137 000 Franken beziffert. Offensichtlich<br />
war dem Unternehmen «Stiftungsgründung»<br />
zunächst kein Erfolg beschieden.<br />
Einen zweiten Versuch gab es am 30. Juni<br />
1934 auf dem Notariat des Kreises 2. Gültigkeit<br />
erlangte die Stiftungsurkunde aber<br />
erst am 2. Juli 1936, nachdem der Regierungsrat<br />
und der Kirchenrat des Kantons<br />
<strong>Zürich</strong> die Vorlage gutgeheissen hatten. Am<br />
15. Oktober 1936 wurde die Stiftung ins<br />
Handelsregister eingetragen.<br />
Weltwirtschaftskrise und Arbeitslosigkeit<br />
zwangen zum Handeln<br />
Neben all der rechtlichen Arbeit befasste<br />
sich das Komitee, das zu diesem Zeitpunkt<br />
über die angestrebte Stiftungssumme verfügte,<br />
mit der Realisierung des Stiftungsgrundes.<br />
Soll ein neues Haus <strong>als</strong> Arbeiterheim<br />
gebaut oder ein schon bestehendes<br />
gekauft und umgebaut werden? Bereits<br />
1933 wurden Inserate zur Suche von Liegenschaften<br />
aufgegeben. Leider erwiesen<br />
sich alle Gebäude, die offeriert wurden,<br />
nach näherer Prüfung <strong>als</strong> ungeeignet. Einzig<br />
eine Liegenschaft an der Wasserwerkstrasse,<br />
auf der in Zusammenarbeit mit der<br />
Evangelischen Gesellschaft des Kantons<br />
<strong>Zürich</strong> ein grösseres Heim hätte gebaut<br />
werden können, wurde ernsthaft geprüft.<br />
Expertisen wurden eingeholt, Baupläne<br />
und Baukostenvoranschläge erstellt. Aber<br />
leider erhielten die rührigen Planer<br />
schliesslich eine Absage. Die Suche ging<br />
weiter. Auf ein nächstes Inserat hin erhielt<br />
das Komitee 1934 fünfzig Häuser angeboten,<br />
von denen sich aber keines eignete.<br />
Jetzt kam noch ein globales Hindernis hinzu:<br />
die Weltwirtschaftskrise.<br />
In der Stadt <strong>Zürich</strong> gab es dam<strong>als</strong> 14 000 Arbeitslose, darunter 2 000 18 bis 25 Jahre alte<br />
Jugendliche. Die Arbeitsämter versuchten, möglichst viele Jugendliche auf dem Land<br />
zu platzieren. Auch wurde der Zuzug von neuen Arbeitern nach <strong>Zürich</strong> erschwert. Die Krise<br />
hatte auch zur Folge, dass mehr Private <strong>als</strong> bisher Zimmer ausmieten mussten, um sich<br />
«über Wasser zu halten». Auch das CVJM-Haus «Glockenhof» in <strong>Zürich</strong> 1, erbaut 1911, hatte<br />
darunter zu leiden, da es nicht mehr alle Zimmer ausmieten konnte. Da könnte man doch<br />
zunächst einmal zusammengehen. Der Stiftungsrat handelte einen Vertrag mit der Vereinshausverwaltung<br />
des CVJM aus, auf Grund dessen jüngere Arbeiter zu niedrigeren Ansätzen<br />
<strong>als</strong> im «Glockenhof» üblich dort logieren konnten. Die Differenz – sie betrug pro Aufenthaltstag<br />
etwa 80 Rappen – würde von der Stiftung Reformiertes Arbeiterheim übernommen.<br />
Sofort wurden sieben junge Leute aufgenommen. Zwei von ihnen traten bereits im ersten<br />
Jahr wegen Wegzuges von <strong>Zürich</strong> wieder aus, so dass es am Ende des Berichtsjahres<br />
(1. Juli 1937 bis 30. Juni 1938) noch fünf Pensionäre waren. Im gleichen Jahr wurden gemäss<br />
«Albert Bischler-Fonds» an fünf junge Männer Aufmunterungsprämien in der Höhe von<br />
550 Franken ausbezahlt. Es waren Lehrlinge, die sich an einem Wettbewerb durch grossen<br />
Fleiss ausgezeichnet hatten, Gewerbeschüler, deren Arbeit zu besonderem Lob Anlass gab,<br />
und ein junger Mann, der unter schwierigen Umständen erfolgreich das Abend-Technikum<br />
b e s u c h t e .<br />
Das Arbeiterheim <strong>als</strong> Untermieter im Glockenhof<br />
Die Berichte über die folgenden vier Jahre lauteten etwa gleich. Immerhin stieg die Zahl der<br />
Pensionäre stetig an. Allerdings wurde im <strong>Jahresbericht</strong> 1939/40 vermeldet, dass die<br />
Mobilisation im Herbst 1939 etwas Unruhe ins Heim und damit verbunden ein grosser<br />
Wechsel unter den Pensionären gebracht habe. Im Frühjahr 1941 wurde vom Verein Freunde<br />
des jungen Mannes angefragt ob die Stiftung Reformiertes Arbeiterheim bereit wäre, ihr<br />
Wohnheim an der Florhofgasse 2 zu übernehmen. Der Betriebsausschuss lehnte das<br />
Angebot ab, weil das Heim ungeeignet sei <strong>als</strong> Arbeiterheim. Im nächsten <strong>Jahresbericht</strong> für<br />
1941/42 berichtete jener Stiftungsrat, der hauptberuflich <strong>als</strong> CVJM-Sekretär arbeitete,<br />
Walter Egli, 1891 – 1962, dass im ganzen 20 junge Männer auf Rechnung des Reformierten<br />
Arbeiterheimes im «Glockenhof» wohnten. «Das Jahr wurde mit 9 Gästen begonnen und<br />
mit 11 beendigt. 11 Gäste sind im Laufe des Jahres neu hinzugekommen, wovon 3 nur für<br />
kürzere Zeit zum Besuch von Vermessungs-Fortbildungskursen. 6 Gäste sind weggezogen:<br />
5 haben <strong>Zürich</strong> verlassen, und einer zog zu Verwandten in der Stadt. Wir zählten im Ganzen<br />
2994 Verpflegungstage. Die 20 Gäste verteilten sich auf folgende Berufe: Zwei Mechaniker,<br />
je ein Velomechaniker, Feinmechaniker, Schlosser, Eisendreher, Monteur, Maurer, Gipser,<br />
Silberschmied, Cliché-Ätzer, Koch, Zuschneider, Elektromechaniker, Handlanger, Student<br />
(früher Maurer), kaufmännischer Lehrling und drei Vermessungszeichner. Um den Anfragen<br />
entsprechen zu können, ersuchten wir drei Gäste gesetzten Alters, sich anderswo ein<br />
Zimmer zu suchen; im Berichtsjahr wurde kein Bewerber, der sich für das Reformierte<br />
Arbeiterheim interessierte, abgewiesen. Der Geist unter den Pensionären war gut.<br />
Es bestehen nette Freundschaften unter den Burschen. Die Lebensmittelrationierung bot<br />
bisher keine nennenswerten Schwierigkeiten. Wir profitieren vom grossen Hotel-Haushalt<br />
und haben auch noch die gleichen Preise wie zu Beginn des Krieges.»<br />
LEHRLINGSHAUS EIDMATT 09 Geschichte <strong>Lehrlingshaus</strong> <strong>Eidmatt</strong>
Im <strong>Jahresbericht</strong> 1942/43 war folgendes Resümee zu lesen: «Seit unser Aktuar, Gottfried<br />
Weidmann, die Initiative zur Gründung eines reformierten Arbeiterheims ergriffen und<br />
Interessenten in einem Komitee, das sich später zu einer Stiftung konstituierte, vereinigte,<br />
sind 22 Jahre vergangen. Während all diesen Jahren wurden Gelder gesammelt, Pläne<br />
entworfen, geprüft und verworfen. Wie der erste Schritt eine Tat des Glaubens war, hiess es<br />
während Jahren auszuharren und darauf zu vertrauen, dass der gesäte Samen zu seiner<br />
Zeit Frucht bringen werde.»<br />
Die Liegenschaft Hofwiesenstrasse 44 wurde gemietet<br />
Im Frühjahr 1942 drängte der protestantische Volksbund auf die Eröffnung eines<br />
reformierten Arbeiterheims, da die Notlage, in der sich junge Leute in Bezug auf das Finden<br />
eines geeigneten Kostortes befanden, zunahm. Jetzt wurde beschlossen, den Schritt trotz<br />
aller Bedenken zu wagen und ein geeignetes Heim bereit zu stellen. Im Juni 1943 war es<br />
endlich soweit. An der Hofwiesenstrasse 44 im Kreis 6 konnte ein geeignetes Haus gemietet<br />
werden, in dessen acht bis neun Zimmern zwölf Pensionäre untergebracht werden konnten<br />
Sogleich wurde auch eine Hausmutter gewählt: Emma Eisenhut von Wald Appenzell.<br />
Sie nahm sich der Möblierung des Hauses an, so dass bald die ersten Gäste einziehen<br />
konnten. Auch wenn das Haus nicht in allen Teilen den Wunschvorstellungen der Trägerschaft<br />
entsprach, so konnte doch der Hauptwunsch verwirklicht werden: der familiäre<br />
Heimcharakter. In dem am 23. Mai 1943 mit Emma Eisenhut abgeschlossen Arbeitsvertrag<br />
war ein Gehalt von 170 Fr. pro Monat, zuzüglich Kost und Logis, vereinbart worden. Endlich<br />
war das Heim Wirklichkeit. Wenn es auch nicht ein eigentliches Arbeiterheim war, sondern<br />
eher ein Lehrlingsheim wurde, so erfüllte es doch seine Aufgabe im Dienst der protestantischen<br />
Jugend.<br />
Im <strong>Jahresbericht</strong> 1943/44 schrieb Emma Eisenhut: «Das Haus steht in einem netten kleinen<br />
Garten und wirkt von aussen recht heimelig. Es enthält 9 Zimmer, wovon je eines für die<br />
Hausmutter und für ihre Gehilfin. Schon am 15. Juli fand sich ein in der Schweiz heimatloser<br />
Jüngling ein, um bei uns ein Heim zu finden. Mitte September brachte man uns die Möbel,<br />
am 19. Oktober war das ganze Haus besetzt. Schon musste ans Heizen gedacht werden:<br />
Die Zentralheizung kam kaum in Frage, da uns keine Kohlen zugeteilt wurden. In der Stube<br />
und im Hausgang wurde je ein Öfeli, sogenannte ‹Allesbrenner›, hingestellt, womit wir<br />
so gut es ging heizen konnten. Als sich in mir die Sorge wegen der Lebensmittel zu regen<br />
begann, hauptsächlich die Sorge um das tägliche Brot, erhielten wir von der Lebensmittelabteilung<br />
des Kriegswirtschaftsamtes einen Vorschuss an Lebensmittelkarten, von denen<br />
wir bereits einen Teil getilgt haben. Jede Woche an einem Abend kam Pfarrer Albert<br />
Schellenberg zu uns, um mit uns über Fragen des persönlichen und öffentlichen Lebens<br />
zu diskutieren und Antworten zu geben. Diese Abende sollen die Gemeinschaft fördern,<br />
was sehr nötig ist; denn die Menschen verschiedener Art und Herkunft finden sich nicht so<br />
leicht in eine Familie zusammen, was wir doch anstreben. Jeder kommt mit seinen Eigenheiten<br />
ins Heim, und jeder muss lernen, den anderen anzunehmen, wie er ist und nicht, wie<br />
er ihn haben möchte. Nicht jedem Burschen scheint es selbstverständlich zu sein, am Abend<br />
zur rechten Zeit zu Hause zu sein. Auch das ‹Ordnunghaben› ist nicht jedermanns Sache.<br />
LEHRLINGSHAUS EIDMATT 10 Geschichte <strong>Lehrlingshaus</strong> <strong>Eidmatt</strong><br />
Ich möchte das Haus nicht mit allerlei<br />
Vorschriften füllen; der junge Mann soll frei<br />
sein können und auch so wissen, was er zu<br />
tun hat. Unsere Leute sind ja sehr jung, im<br />
Alter von 15 bis 24 Jahren, und lassen sich<br />
keine Zurechtweisungen noch gefallen. Bis<br />
jetzt hatten wir ziemlich viel Wechsel,<br />
verursacht durch Militärdienst, Rekruten-<br />
schule, Landdienst und Ferien. Auch hatten<br />
wir einige Kursteilnehmer, Vermessungszeichner,<br />
die jeweils 4 – 5 Wochen bei uns<br />
blieben. In diesem ersten Heimjahr lebten<br />
insgesamt 25 Burschen an der Hofwiesenstrasse,<br />
davon 8 Arbeiter, 5 Angehörige<br />
anderer Berufe (Techniker, Kaufleute, Ausläufer)<br />
und 12 Handwerkslehrlinge.»<br />
Trotz des eigenen Heims hatte der Stitungsrat<br />
den mit der Vereinshausverwaltung Glockenhof<br />
abgeschlossenen Vertrag nicht<br />
gekündigt. Und so wurden dort junge Leute,<br />
die an der Hofwiesenstrasse keinen Platz<br />
hatten, zu günstigen Bedingungen kurzfristig<br />
untergebracht Die Verbindung mit dem<br />
Haus Glockenhof blieb <strong>als</strong>o bestehen. In<br />
jenem Haus fand auch seit den Anfängen<br />
und bis 1994 ein grosser Teil der Stiftungsrats-<br />
und Betriebskommissionssitzungen<br />
statt.<br />
Die grafische Visitenkarte<br />
Jetzt brauchte die nun etablierte Einrichtung<br />
für ihre Schriftlichkeiten einen grafischen<br />
Auftritt, ein Signet. Ein Signetwettbewerb<br />
wurde initiiert, und nach Beratungen<br />
durch Direktor Konrad Zeller vom<br />
Seminar Unterstrass und von VBZ-Direktor<br />
Josef Züger sowie einem beigezogenen<br />
Grafiker der städtischen Strassenbahn<br />
wurde das Signet St-R-A gewählt. Es erschien<br />
dann erstm<strong>als</strong> auf dem Titelblatt des<br />
<strong>Jahresbericht</strong>s 1946/47.<br />
Für 1944/45 konnten 4068 (2721) Logiernächte<br />
ausgewiesen werden, und auch im
folgenden Jahr wurden 4054 Übernachtungen<br />
gezählt. Emma Eisenhut stellte in<br />
ihrem <strong>Jahresbericht</strong>steil fest: «Junge Menschen<br />
gehen, junge Menschen kommen,<br />
jeder mit seiner Eigenart und mit seiner<br />
Kinderstube, die viel Freude bereiten, oft<br />
aber auch Anlass zu Unzufriedenheit<br />
geben. Wenn etwa Eltern besorgt über<br />
ihren Hans Auskunft wollen, ob er auch gut<br />
aufgehoben sei, ob wir sein Tun und Lassen<br />
auch genügend überwachen, so muss ich<br />
diesen Eltern sagen, so wie sich ihr Sohn<br />
gewöhnt ist, so treibt er es auch bei uns.»<br />
Die Ereignisse überstürzten sich<br />
Nach der erfolgreichen Inbetriebnahme des<br />
Heims an der Hofwiesenstrasse wollte sich<br />
der Stiftungsrat nicht zurück lehnen. Emsig<br />
wurde eine weitere Liegenschaft gesucht.<br />
Stadtrat Emil Landolt machte im September<br />
1945 die Stiftung auf eine Liegenschaft<br />
am Bleicherweg 21 aufmerksam. Da die<br />
Mietdauer aber nicht vereinbart werden<br />
könnte, wäre es nur ein Provisorium. Bei<br />
dieser Gelegenheit wurden grundsätzliche<br />
Konzeptionsfragen diskutiert. Im Heim an<br />
der Hofwiesenstrasse komme der familiäre<br />
Charakter voll zur Geltung. Am Bleicherweg,<br />
<strong>als</strong>o mitten in der Stadt, sei das schwer<br />
zu verwirklichen. Durch die unmittelbare<br />
Nähe aller Vergnügungsstätten sei die Versuchung<br />
zu stetigem Ausgehen am Abend<br />
viel zu gross. Sollte hier neben dem bestehenden<br />
Arbeiterwohnheim noch eine reformierte<br />
Arbeiterherberge geschaffen werden?<br />
«Nein», meinte Präsident Hendrik<br />
Vollers, wir wollen beim Heim bleiben.»<br />
Darauf schilderte Walter Egli die gegenwärtige<br />
Not für junge Männer, die zwecks<br />
Stellenantritts oder zum Besuch von Schulen<br />
oder Kursen nach <strong>Zürich</strong> kamen, eine<br />
Unterkunft zu finden. Am Schalter des<br />
CVJM kämen in letzter Zeit stündlich solche<br />
Leute vorbei. Wenn sie gegen Abend kämen, fänden sie in vielen Fällen nicht einmal mehr<br />
ein Hotelzimmer. Man könnte ja die Stadt um einen günstigen Platz ersuchen, um da eine<br />
grössere Wohnbaracke aufzustellen. Jetzt war man sich einig, diesen Vorschlag sofort<br />
näher zu prüfen und mit Hilfe von Stadtrat Emil Landolt zu einer Lösung zu gelangen.<br />
Der spätere Stadtpräsident wusste aber keinen Rat. Dafür kam nun auch der Christliche<br />
Bund für das Gastgewebe zum Stiftungsrat. Dieser solle prüfen, ob die Möglichkeit bestünde,<br />
gemeinsam zu bauen. Hendrik Vollers hatte darauf von seinem Sohn eine Kostenschätzung<br />
für einen Neubau erstellen lassen. Er kam aber zum Schluss, dass ein Neubau<br />
zu teuer wäre.<br />
Ein Arbeiterheim im noblen Kreis 7<br />
Im Laufe des nächsten Monats tat sich eine neue Türe auf. Im Kreis 7 an der <strong>Eidmatt</strong>strasse<br />
bot ein Dr. Pinkwasser ein stattliches Haus zum Kauf an. Es sei günstig gelegen, habe gute<br />
Tramverbindungen und biete Platz für etwa 15 Pensionäre. Die Liegenschaft sei bei einem<br />
Verkehrswert von Fr. 100 000 für Fr. 110 000 zu haben. Bei den Erwägungen wurde festgestellt,<br />
dass das Haus reparaturbedürftig sei und über grosse Zimmer verfüge. Im Kreis 7<br />
gebe es praktisch keine Fabriken, es sei kein Arbeiterquartier, immerhin seien da einige<br />
Kleinbetriebe, unter anderen die Skifabrik Attenhofer, die auch Arbeiter beschäftigten.<br />
Der VBZ-Direktor im Stiftungsrat machte darauf aufmerksam, dass es keine Auswahl unter<br />
verschiedenen Objekten gebe. Die Distanz zu den möglichen Arbeitsplätzen sei nicht<br />
zu überschätzen, man müsse auch an die zukünftige Entwicklung der Stadt denken: In fünfzig<br />
Jahren werde die <strong>Eidmatt</strong>strasse zum Zentrum <strong>Zürich</strong>s gehören. In anderen Städten,<br />
zum Beispiel in London, seien die Distanzen zwischen Wohn- und Arbeitsort erheblich<br />
länger <strong>als</strong> beispielsweise zwischen der Hard und der <strong>Eidmatt</strong>strasse.<br />
Am 8. Mai 1946 beschloss der Stiftungsrat, die Liegenschaft <strong>Eidmatt</strong>strasse 45, das heisst<br />
599,4 m2 Land mit 1200 m3 umbautem Raum, für Fr. 104 000 zu kaufen. Zu diesem Preis<br />
kamen noch die Kosten für Reparaturen und geringfügige Abänderungen (Fr. 30 000) und<br />
für Mobiliar und Gerätschaften (Fr. 36 900) hinzu. Es mussten <strong>als</strong>o rund Fr. 175 000.00<br />
aufgebracht werden. Auf das Gesuch der Stiftung hin leistete die Zentralkirchenpflege der<br />
Stadt <strong>Zürich</strong> einen à-fonds-perdu-Betrag von Fr. 20 000 und eine erste Hypothek von<br />
Fr. 40 000, die zu lediglich 2 % zu verzinsen war. Es brauchte eine zweite Hypothek, und dem<br />
Eigenkapital waren Fr. 89 000 zu entnehmen. Das Haus konnte bedauerlicherweise nicht<br />
sofort bezogen werden; der Hausbewohnerin war das Wohnrecht bis zum 1. April 1947<br />
zu gewähren.<br />
Kündigung Haus Hofwiesenstrasse<br />
Mitten in die Kaufverhandlungen für die Liegenschaft <strong>Eidmatt</strong>strasse platzte im Oktober<br />
1946 die Kündigung des Mietverhältnisses für das Haus an der Hofwiesenstrasse.<br />
Der Besitzer, ein Herr Walter, fühlte sich durch diesen Liegenschaftsbesitz zu stark belastet.<br />
Deshalb wollte die Besitzerfamilie verkaufen. Erwartet werde ein Verkaufserlös<br />
von Fr. 110 000 Das war ein sehr grosser Betrag, der auch über dem Schätzwert lag.<br />
LEHRLINGSHAUS EIDMATT 11 Geschichte <strong>Lehrlingshaus</strong> <strong>Eidmatt</strong>
Lehrlingsheim <strong>Eidmatt</strong> 1964<br />
<strong>Lehrlingshaus</strong> <strong>Eidmatt</strong> 2012<br />
LEHRLINGSHAUS EIDMATT 12 Geschichte <strong>Lehrlingshaus</strong> <strong>Eidmatt</strong>
Der Stiftungsrat kam nach sorgfältigstem<br />
Abwägen – immerhin hatte die Stiftung für<br />
verschiedene Einrichtungen viel Geld ausgegeben,<br />
das bei einem Kaufverzicht verloren<br />
ginge – noch zu keinem Entscheid. Am<br />
14. Juli 1947, Herr Walter Senior war inzwi-<br />
schen gestorben, sah sich der Stiftungsrat<br />
unter Druck gesetzt. Er hatte mit einem<br />
Rechtsanwalt, H. Aeby, unter Vorbehalt des<br />
Vorkaufsrechts der Stiftung, einen Kauf-<br />
vertrag über Fr. 102 000 abgeschlossen.<br />
Nach gewalteter Diskus sion an der Stif-<br />
tungsratssitzung wurde der Kauf zu den<br />
vorgeschlagenen Bedingungen einstimmig<br />
genehmigt. Das Heim Hofwiesenstrasse,<br />
wo vorwiegend Lehrlinge in Pension lebten,<br />
war gerettet. Und jetzt musste auch ein<br />
Leitungswechsel verkraftet werden. Am<br />
15. August 1947 zog die bisherige Leiterin<br />
Emma Eisenhut ins neu zu eröffnende Haus<br />
an der <strong>Eidmatt</strong>strasse, um dort die Reparatur-<br />
und Umbauarbeiten zu leiten und das<br />
Haus für die neue Nutzung einzurichten.<br />
Nach zwei Zwischenspielen übernahm dann<br />
am 1. April 1948 Gertrud Hochstrasser die<br />
Leitung im Haus Hofwiesenstrasse. Sie<br />
schrieb im <strong>Jahresbericht</strong> 1947/48:<br />
«Da nun das Haus seit dem Frühling Eigentum<br />
der Stiftung ist, durften wir schon<br />
verschiedene Änderungen vornehmen.<br />
Die grösste Freude der Burschen war wohl<br />
die Beschaffung eines Veloständers, wo<br />
nun die Velos geordnet versorgt werden<br />
können… Eine grosse Erleichterung in<br />
unserem Haushalt brachte die Aufhebung<br />
der Rationierung, die man wohl auch etwas<br />
rasch vergessen hat, um recht dankbar für<br />
den heutigen Zustand zu sein… Unser Heim<br />
ist stets besetzt, und immer wieder muss<br />
man junge Leute zurückweisen. So tut es<br />
doppelt leid, Burschen beherbergen zu<br />
müssen, die den Geist unseres Heimes<br />
nicht zu schätzen wissen; doch ist zum<br />
Glück die Mehrzahl der jungen Leute gut<br />
eingestellt. Unsere heimelige Stube wird oft zum Kampfplatz verschiedener Meinungen,<br />
was den jungen Menschen zum erfreulich befruchtenden Er lebnis wird.»<br />
Die «<strong>Zürich</strong>see-Zeitung» berichtete über die Stiftung<br />
In der «<strong>Zürich</strong>see-Zeitung» vom 12. September 1948 erschien die Rubrik: «Ein Gang durch<br />
evangelische Anstalten im Kanton <strong>Zürich</strong>». Da wurde unter anderem berichtet: «Im Juni<br />
1943 wurde das Heim an der Hofwiesenstrasse eröffnet, vier Jahre später das Arbeiterheim<br />
an der <strong>Eidmatt</strong>strasse. Während jenes mehr eine Heimstätte für Lehrlinge geblieben ist,<br />
finden wir an der <strong>Eidmatt</strong>strasse einen Kreis junger Handwerker, die in den wohnlichen<br />
Räumen ein wahres Gemeinschaftsleben führen können. Emma Eisenhut konnte den<br />
Presse vertretern mit berechtigtem Stolz die vielen heimeligen Zimmer zeigen, in denen die<br />
jungen Männer einzeln oder zu zweit wohnen. Die blumengeschmückten Räume, in hellem<br />
Tannenholz möbliert, mahnen mit ihren bunten Vorhängen und gleichfarbigen Steppdecken<br />
viel eher an die fröhlichen Aufenthaltsräume eines Mädchenpensionats. Die Hausmutter<br />
versicherte uns aber, dass ihre jungen Leute gerade nach schmutziger strenger Arbeit die<br />
freundliche helle Atmosphäre ihres Heimes schätzen.»<br />
Das Arbeiterheim an der <strong>Eidmatt</strong>strasse<br />
Ab dem 1. November 1947 wohnten im Heim <strong>Eidmatt</strong> die ersten Pensionäre, obwohl am<br />
Anfang noch nicht alles klappte – es fehlten noch die Vorhänge, Lampenschirme und andere<br />
Kleinigkeiten; immerhin funktionierte die Heizung. Das zu wissen, war sehr beruhigend,<br />
besonders weil der Winter nahte. Jetzt mussten auch die Ansätze für die monatlichen<br />
Pensionsgelder festgelegt werden.<br />
Nach intensiver Diskussion wurden diese wie folgt festgelegt:<br />
Vollerwerbende bezahlen im Doppelzimmer Fr. 200.00<br />
Einerzimmer Fr. 225.00<br />
Lehrlinge / Schüler im Doppelzimmer Fr. 180.00<br />
Einerzimmer Fr. 210.00<br />
Kursbesucher im Sommer pro Tag im Doppelzimmer Fr. 6.50<br />
Einerzimmer Fr. 7.00<br />
Heizzuschlag im Winter pro Tag Fr. 0.50<br />
Darüber hinaus fragte Emma Eisenhut, ob auch Töchter für Einzelmahlzeiten angenommen<br />
werden dürften, zum Beispiel Schwestern von Pensionären. Der Stiftungsausschuss hielt<br />
darauf fest, dass grundsätzlich nur junge Arbeiter, Lehrlinge und Schüler angenommen<br />
werden sollen, ausnahmsweise aber auch Töchter, die der Heimleiterin bekannt sind und<br />
Gewähr böten, dass durch ihre Anwesenheit keine Unannehmlichkeiten entstünden.<br />
Vom gleichen Gremium wurde auch die Frage der Einführung von Radioempfang oder<br />
Telefonrundspruch oder beidem gleichzeitig erörtert. Ob im letzten Fall für beides Gebühr<br />
bezahlt werden müsse? Das sei abzuklären. Im Übrigen überliessen die Ausschuss-<br />
LEHRLINGSHAUS EIDMATT 13 Geschichte <strong>Lehrlingshaus</strong> <strong>Eidmatt</strong>
<strong>Lehrlingshaus</strong> <strong>Eidmatt</strong> 2012<br />
Lehrlingsheim <strong>Eidmatt</strong> 1963<br />
LEHRLINGSHAUS EIDMATT 14 Geschichte <strong>Lehrlingshaus</strong> <strong>Eidmatt</strong>
mitglieder die Entscheidung der Hausmut-<br />
ter Emma Eisenhut. Sie schlug dann noch<br />
vor, den Radio in ihrem Zimmer aufzustellen<br />
und in der allgemeinen Wohnstube<br />
einen Lautsprecher einzurichten. Auf diese<br />
Weise wäre es möglich, den Empfang der<br />
Sendungen zu regeln.<br />
Köchin stieg zu Pensionär aufs Zimmer<br />
Im Arbeiterheim an der Hofwiesenstrasse<br />
wohnte 1949 ein Elektrikerlehrling, Otto<br />
Cazin, 19 Jahre alt, von Zernez. Ihn betreffend<br />
musste die Heimleiterin Gertrud<br />
Hochstrasser feststellen, dass er regelmässig<br />
gewisse Briefe erhielt. Sie behielt<br />
dann einen dieser Briefe zurück und unterbreitete<br />
ihn dem stellvertretenden Vormund<br />
von Otto Cazin. Der Brief stammte<br />
von Anni Müller, einer zeitweiligen Köchin<br />
im Heim Hofwiesenstrasse, die jetzt in London<br />
weilte. In einer Sitzung des Ausschusses<br />
lag der Brief vor, und zwei weibliche<br />
Mitglieder konnten diesen lesen. Sie konstatierten,<br />
der Brief mache einen sehr guten<br />
Eindruck. Er sei kultiviert geschrieben und<br />
mache der Schreiberin alle Ehre. Es ginge<br />
aus dem Schreiben hervor, dass zwischen<br />
den Beiden eine enge Freundschaft bestehe<br />
und dass sie trotz der Jugend Otto Cazins<br />
und trotz des grossen Altersunterschieds<br />
an eine Heirat dächten. Anni Müller schrieb<br />
weiter, Otto solle ja nichts verlauten lassen,<br />
dass sie eines Abends bei ihm auf dem<br />
Zimmer gewesen sei. Wenn die Heimleite-<br />
rin danach frage, solle er einfach «nein»<br />
sagen. Die Sitzungsteilnehmer kamen zum<br />
Schluss: «Nach allem zu schliessen, haben<br />
die Beiden auf dem Zimmer einfach längere<br />
Zeit geplaudert.» Der Ausschuss kam zur<br />
Überzeugung, dass die Freundschaft mit<br />
Anni Müller eher einen guten Einfluss auf<br />
Otto Cazin habe und er deshalb im Arbeiterheim<br />
zu belassen sei. Das Ausschuss-<br />
mitglied Walter Egli übernahm es, den Brief dem stellvertretenden Vormund zurückzubringen,<br />
mit der Bitte, die Sache zu klären. Leider geht aus den Akten nicht hervor, wie<br />
sich diese Liebesgeschichte weiter entwickelte.<br />
Zwei Jahre später beschloss der Ausschuss die sofortige Entlassung eines Harry Sigrist, weil<br />
er sich nicht so aufgeführt habe, wie es von einem Insassen des Arbeiterheims verlangt<br />
werden müsse. Er habe sich vor allem Frauen gegenüber nicht zu benehmen gewusst.<br />
Im diesem Beschluss wurde festgehalten, dass das Arbeiterheim keine Anstalt für Schwererziehbare<br />
sei und dass solche Leute wie Harry in eine Anstalt mit männlicher Führung<br />
gehörten.<br />
In der Ausschusssitzung vom 13. September 1952 berichtete das Mitglied Dr. Schindler von<br />
einem an ihn gerichteten Brief, der verschiedene Reklamationen über die Führung des<br />
Heimes Hofwiesenstrasse enthielt: Qualitativ schlechtes Essen, unlogische Zusammenstellung<br />
der Menüs, Indiskretionen der Leiterin, schlechte Heimführung im Allgemeinen,<br />
Unordnung und Unsauberkeit in Küche und Badezimmer, häufige Abwesenheit der Leiterin<br />
am Abend. Unterschrieben war der Brief von sieben Pensionären und der Köchin. Der letzteren<br />
war bereits gekündigt worden. Um ihren Protest noch zu unterstützen, hatten die<br />
Pensionäre an einem Tag gestreikt, indem sie ohne Voranzeige nicht zum Mittagessen<br />
erschienen waren. Gertrud Hochstrasser hatte erfahren, dass der Brief bei einer Nachbarin<br />
Simmen aufgesetzt worden war. Bei dieser 38-jährigen Witwe würden die Pensionäre<br />
teilweise fast jeden Abend verbringen. Sie seien sehr intim mit ihr, würden sie duzen und<br />
beim Vornamen nennen. Zum Glück ziehe diese Frau auf den 1. Oktober nach Höngg.<br />
Der Ausschuss war aber davon überzeugt, dass die im Brief erhobenen Anschuldigungen<br />
jeder Berechtigung entbehren würden, ganz abgesehen davon, dass es sich zum Teil um<br />
Dinge handle, die die Pensionäre gar nichts angingen. Deshalb wurden jetzt drei Kündigungen<br />
beschlossen. Im Übrigen wollte man nun beobachten, ob nach dem Auszug der Rädelsführer<br />
und dem Wegzug der Nachbarin Simmen wieder Ruhe einkehren würde. Gertrud<br />
Hochstrasser wurde das Vertrauen des Vorstandes ausgesprochen.<br />
Hausordnung und Speisezettel<br />
Möglicherweise <strong>als</strong> Folge obiger Auseinandersetzungen wurde Anfang des folgenden<br />
Jahres eine Hausordnung erlassen. Darin wurde unter anderem bestimmt:<br />
5. Die Pensionäre werden ersucht, zu den Mahlzeiten pünktlich zu erscheinen. Wegbleiben<br />
von Mahlzeiten muss bis spätestens am Vorabend 7 Uhr gemeldet werden. Nicht eingenommene<br />
Mahlzeiten müssen verrechnet werden<br />
6. Die Pensionäre sind verpflichtet, sämtliches Eigentum der Stiftung sorgfältig zu behandeln.<br />
Solche Gegenstände jeder Art, insbesondere Toilettentücher, Wolldecken, Bücher<br />
etc. dürfen nicht aus dem Haus genommen werden.<br />
Schmutzige Wäsche darf nicht im Kasten aufbewahrt werden. Der mitzubringende<br />
Wäschesack ist auf dem Estrich aufzuhängen. Koffern und Schachteln sind ebenfalls<br />
auf dem Estrich zu versorgen.<br />
LEHRLINGSHAUS EIDMATT 15 Geschichte <strong>Lehrlingshaus</strong> <strong>Eidmatt</strong>
7. Mitgebrachte Radio- und Grammophon-Apparate sollen dergestalt eingestellt werden,<br />
dass die Mitbewohner des Heimes auf keinen Fall gestört werden. Von 22.00 Uhr an sind<br />
die Musikapparate jeder Art abzustellen.<br />
8. Die Pensionäre sind gehalten, Wertgegenstände der Heimvorsteherin zur Aufbewahrung<br />
zu übergeben.<br />
9. Freunde dürfen eingeladen werden, sofern sie der Heimvorsteherin vorgestellt werden,<br />
doch haben sie das Heim bis spätestens 22.00 Uhr zu verlassen.<br />
10. Das Heim wird um 23.00 Uhr geschlossen. Später heimkehrende Pensionäre haben zum<br />
voraus den Schlüssel bei der Heimvorsteherin zu verlangen.<br />
Und ein Speisezettel dieser Zeit sah wie folgt aus:<br />
Mittag Abend<br />
Spaghetti, Hackfleisch, Salat Rösti, Milchkaffe<br />
Salzkartoffeln, Blumenkohlsalat, Schüblinge Kaffee complet<br />
Teigwarenauflauf, Salat, Apfel italienischer Salat, Servelat, Tee<br />
Kartoffelstock, Rindfleischplätzli, Salat Kaffee complet<br />
Gemüsesuppe, Omletten, Apfelkompott Mais, überschmelzt, Salat, Tee<br />
Käse- und Zwetschgenwähe, Kakao Rösti, Salat, Tee<br />
Bohnen mit Speck, Kartoffeln Omlettenstreifen gebraten,<br />
Apfelkompott, Milchkaffee<br />
Teigwaren, Rindsbraten, Tomatenund<br />
Endivisalat<br />
Kaffe complet<br />
Wirzgemüse, Salzkartoffeln Quarkauflauf, Zwetschgenkompott<br />
Risotto, Bratwürste, Gurkensalat Suppe, Griesköpfli, Zwetschgenkompott<br />
Staatliche Aufsicht für die Stiftung<br />
Mit Beschluss vom 7. September 1953 verfügte die Direktion der Fürsorge des Kantons<br />
<strong>Zürich</strong>, dass<br />
1. sie die Aufsicht über das Reformierte Arbeiterheim übernommen habe. Der Tätigkeitsbericht<br />
und die Rechnung des Stiftungsrats für die Zeit vom 1. Juli 1952 bis 30. Juni 1953<br />
würden genehmigt.<br />
2. Der Stiftungsrat eingeladen werde, fortan mit dem <strong>Jahresbericht</strong> und der allgemeinen<br />
Rechnung auch die Heimrechnung einzureichen. Diese Mitteilung ging zu Handen<br />
des Stiftungsrates an den Präsidenten Hendrik Vollers-Zuppinger, Malermeister,<br />
Gemeindestrasse 21, <strong>Zürich</strong> 32.<br />
In eben dieser Zeit wurde auch ein Pensionsvertrag aufgesetzt, in dem festgehalten war,<br />
dass zwischen der Stiftung und dem namentlich genannten Pensionär ein Pensionsvertrag<br />
geschlossen werde. Die Pension umfasse<br />
- a. Verköstigung (täglich drei Mahlzeiten),<br />
- b. zur Verfügungstellung eines Zimmers. Dafür schulde der Pensionär den monatlich<br />
LEHRLINGSHAUS EIDMATT 16 Geschichte <strong>Lehrlingshaus</strong> <strong>Eidmatt</strong><br />
zu bezahlenden Pensionspreis. Dieser<br />
solle spätestens in den ersten drei<br />
Tagen des folgenden Monats bezahlt<br />
werden. Daran angefügt wurde unter<br />
dem Titel: «Besondere Bestimmungen»<br />
ein Auszug aus der Hausordnung.<br />
Um eine gute Auslastung der Häuser zu<br />
erreichen, musste jetzt auch Öffentlichkeitsarbeit<br />
geleistet werden. Die beiden<br />
Heime sollten im Telefonbuch auch unter<br />
der Rubrik «Pensionen» erscheinen.<br />
Ferner wurde beschlossen, Inserate zu<br />
schalten in den Zeitschriften «Leben und<br />
Glauben», Junge Kirche und «Ruf». Ferner<br />
wollte man den «Kirchenboten» bitten,<br />
periodisch kleine Notizen über die Häuser<br />
aufzunehmen.<br />
In der Ausschusssitzung, in der die obigen<br />
Formalien zur Kenntnis genommen und<br />
beschlossen wurden, genehmigte das<br />
Gremium auch den Ankauf eines Ping-<br />
Pong-Tisches, einer guten Occasion zum<br />
Preis von Fr. 100. Und einem Werner<br />
Bornemann wurde bewilligt, auf dem Dach<br />
des Hauses an der Hofwiesenstrasse eine<br />
Antenne zu montieren, um so mit seinem<br />
Aufnahmegerät bessere Aufnahmen erzielen<br />
zu können. Anschliessend an jene<br />
Sitzung erfreute der Gesuchsteller den<br />
Ausschuss mit einem Konzert, das er mit<br />
seinem Gerät vom Radio aufgenommen<br />
hatte.<br />
Übrigens konnte Gertrud Hochstrasser<br />
im folgenden Jahr in einer Ausschussratssitzung<br />
berichten, dass eben dieser<br />
Werner Bornemann sich mit der Heimgehifin<br />
im Haus Hofwiesenstrasse, Fräulein<br />
Ehlert, verloben werde. Die Hausmutter<br />
werde die Verlobung in kleinem Kreise<br />
in ihrem eigenen Zimmer mit einem Essen<br />
feiern. Der Ausschuss beschloss dazu,
einen Dessert im Wert von ca. Fr. 15 zu<br />
stiften und Fräulein Ehlert ab 1. Oktober<br />
1954 eine monatliche Lohnerhöhung von<br />
Fr. 10, das heisst von Fr. 170 auf Fr. 180,<br />
inklusive Fr. 10 für die Krankenkasse, zu<br />
gewähren. Ferner wurde Werner Bornemann,<br />
der bereits an einem anderen Ort ein<br />
Zimmer gemietet hatte und deshalb nur<br />
noch zum Mittagessen ins Heim kam,<br />
gestattet, abends seine Braut – beide<br />
waren zu diesem Zeitpunkt ca. 28 Jahre alt<br />
– auf ihrem Zimmer zu besuchen. Die Besuche<br />
sollten jedoch nicht über 22.00 Uhr<br />
ausgedehnt werden (siehe Tabelle).<br />
Aufgrund der Anmerkungen wurde in einer<br />
der nächsten Ausschusssitzungen über<br />
die Aufnahmepraxis diskutiert. Es wurde<br />
hervorgehoben, dass es oft schwierig sei,<br />
die Leute zu beurteilen, bevor man sie<br />
richtig kenne. Es habe sich aber tatsächlich<br />
gezeigt, dass schlechte Elemente, die die<br />
Atmosphäre vergifteten, sich zum überwiegenden<br />
Teil aus Bevormundeten oder<br />
aus ehemaligen Insassen von anderen<br />
Heimen und Anstalten rekrutieren würden.<br />
Die Prüfung von Gesuchen Bevormundeter<br />
sei auch darum so schwierig, weil der<br />
Vormund, der froh sein müsse, sein Mündel<br />
platzieren zu können, einem nie alles sage.<br />
Wenn man diese Burschen einmal habe, sei<br />
es besonders schwierig, sie wieder loszuwerden.<br />
Der Ausschuss stellte darauf fest, dass<br />
der gute Ruf der Häuser wichtiger sei <strong>als</strong><br />
dauernde Vollbesetzung, und dass Heime<br />
und keine Anstalten für Schwererziehbare<br />
geführt würden. Burschen aus anderen<br />
Heimen und Anstalten sowie von<br />
Vormündern eingewiesene sollten nicht<br />
mehr aufgenommen werden. Der gute Ruf<br />
der Heime werde genügend Nachwuchs<br />
sichern.<br />
In einer Aktennotiz vom 18. Oktober 1954 wurde der damalige Pensionärbestand im <strong>Eidmatt</strong><br />
festgehalten:<br />
Name Beruf Anmerkungen<br />
Ardüsser kaufm. Lehrling, Textil Einerzimmer, ruhig<br />
Deringer elektroinst. Lehrling, bei Maag ruhig<br />
Steiner Schreibmaschinenmechaniker frech<br />
Bucher kaufm. Angestellter, Einerzimmer<br />
KK Helvetia, 20 j. unangenehm<br />
Date Deutscher Reichsangehöriger<br />
Uhrmacher, 25 j.<br />
Einerzimmer, arrogant<br />
Blatter ETH-Handlanger, 25 j.<br />
Vögeli Velomechaniker Lehrling, 17 j. schwierig<br />
Siegenthaler Bankangestellter gut<br />
Affolter Radiomechaniker Einerzimmer, gut<br />
Picenoni Lehrling auf Architekturbüro gut<br />
Mühlemann Buchdruckerlehrling Kündigungsandrohung<br />
Wie weiter mit der Liegenschaft <strong>Eidmatt</strong>strasse 45?<br />
Während der ganzen Periode der 50er-Jahre stand für den Stiftungsrat die Frage der Weiterentwicklung<br />
der Heime, vor allem desjenigen an der <strong>Eidmatt</strong>strasse, im Vordergrund. Immer<br />
wieder wurde festgestellt, dass in <strong>Zürich</strong> ein grosser Unterkunftsmangel für Lehrlinge und<br />
Jungarbeiter herrsche. Den einen Mitgliedern schwebte eine Grossinstitution mit rund<br />
40 Betten vor, während die andern weiterhin ein Heim mit familiärem Charakter bevorzugten<br />
Mitten in diese Diskussion platzte ein Kaufsangebot für die Liegenschaft <strong>Eidmatt</strong>.<br />
Ein Architekturbüro offerierte dafür Fr. 190 000. Dieses Angebot tönte für einige Stiftungratsmitglieder<br />
recht verlockend. Hausmutter Emma Eisenhut hielt den Verkauf für keine schlechte<br />
Idee, da es doch oft mühsam sei, genügend Pensionäre zu finden. Die Bedürfnisfrage war<br />
jetzt plötzlich aktuell. Dem hielt CVJM-Sekretär Walter Egli entgegen, es sollte weniger über<br />
das «Bedürfnis» <strong>als</strong> vielmehr über die «Notwendigkeit» gesprochen werden. Es sei eine<br />
Notwendigkeit, dass an vielen Orten und in vielen Haushaltungen etwas Christliches und<br />
Tapferes getan werde. Dr. iur. Schindler, der Anwalt im Gremium, warnte vor übereilten<br />
Entscheiden. Vor allem solle beschlossen werden, was die Stiftung weiter zu tun gedenke.<br />
Wenn dann eines Tages der Verkauf anstehe, werde man sicher einen Käufer finden.<br />
Bald schon verschwand dieser Punkt wieder aus den Traktandenlisten des Stiftungsrats.<br />
Es wurde Näherliegendes beschlossen. So zum Beispiel im September 1953 der Einbau einer<br />
Dusche im Haus Hofwiesenstrasse. Diese Einrichtung wurde in der Folge so beliebt, dass<br />
sich die Hausmutter genötigt sah, das Duschen auf einmal pro Woche und Pensionär<br />
zu beschränken. Im September 1958 wurde die Frage der Zukunft der beiden Häuser wieder<br />
sehr aktuell. Der CVJM <strong>Zürich</strong> 1 hatte eine Kommission gebildet, welche die Schaffung eines<br />
Lehrlingsheims anstreben sollte. Diese Kommission suchte die Zu sammenarbeit mit dem<br />
LEHRLINGSHAUS EIDMATT 17 Geschichte <strong>Lehrlingshaus</strong> <strong>Eidmatt</strong>
Rauchende Buben vor Kiosk, 1956, <strong>Zürich</strong> © StAAG / RBA<br />
<strong>Lehrlingshaus</strong> <strong>Eidmatt</strong> 2012<br />
LEHRLINGSHAUS EIDMATT 18 Geschichte <strong>Lehrlingshaus</strong> <strong>Eidmatt</strong>
Stiftungsrat «Reformiertes Arbeiterheim».<br />
Bereits stand auch Geld bereit. Aus einer<br />
Aktion «<strong>Zürich</strong> wohin» wurden Fr. 100 000<br />
abgezweigt für die Schaffung eines Lehr-<br />
lingsheims, das 40 Lehrlinge aufnehmen<br />
solle.<br />
Erneut war die Zukunft des Hauses an der<br />
<strong>Eidmatt</strong>strasse höchst ungewiss. Eine professionelle<br />
Schätzung, erstellt im Mai 1958,<br />
ergab einen Preis von Fr. 210 000 für den<br />
Bauplatz. Nun drängten die Vertreter des<br />
CVJM auf die Übernahme der Liegenschaft<br />
<strong>Eidmatt</strong>strasse. Da könne ein mindestens<br />
dreistöckiges Haus für 40 Pensionäre und<br />
Zimmern für drei bis vier Hausangestellte<br />
und einer Wohnung für das Hauselternpaar<br />
gebaut werden. Der CVJM hatte im Sommer<br />
1958 von dessen Hausarchitekt Emil Rütti<br />
ein Vorprojekt ausarbeiten lassen. Jetzt<br />
solle eine neue Stiftung gegründet werden.<br />
Der neue Stiftungsrat würde aus Mitgliedern<br />
beider Institutionen zusammengesetzt,<br />
wobei der CVJM das Übergewicht und<br />
die Hauptverantwortung haben solle, und<br />
im neuen Stiftungsnamen müsse «CVJM»<br />
erscheinen. So ergaben sich intensiv<br />
geführte Diskussionen. Der Stiftungsrat<br />
«Reformiertes Arbeiterheim» wollte seine<br />
Eigenständigkeit nicht einfach aufgeben und<br />
war deshalb froh zu hören, dass es gemäss<br />
Aussage der kantonalen Aufsicht nicht möglich<br />
sei, den Stiftungsnamen zu ändern,<br />
auch wenn im neuen Haus mehrheitlich<br />
Lehrlinge untergebracht würden. Und seitens<br />
des CVJM wurde jetzt festgestellt, dass<br />
man sich unter dem neu zu gründenden<br />
Heim etwas ganz anderes vorgestellt habe,<br />
nämlich eine Kombination zwischen Lehrlings-<br />
und Jungmännerhaus. Deshalb falle<br />
die Forderung nach Mehrheit im Stiftungsrat<br />
dahin. Die finanzielle Beteiligung seitens<br />
des CVJM solle aber vertraglich geregelt<br />
werden.<br />
Das Reformierte Lehrlings- und Jungmännerhaus wurde gebaut<br />
1958 beschloss der Stiftungsrat, gemeinsam mit dem CVJM <strong>Zürich</strong> 1 ein neues <strong>Lehrlingshaus</strong><br />
auf dem Areal <strong>Eidmatt</strong>strasse 45 zu bauen. Wie in solchen Fällen üblich, begann<br />
sofort die Suche nach Geld. Sind kirchliche und staatliche Subventionen erhältlich? Ist die<br />
Annahme von Lotteriefonds-Geldern moralisch vertretbar? Soll die evangelische Stiftung<br />
Unterstützung seitens der katholischen Jungmannschaft annehmen? Diese Vereinigung<br />
hatte angeboten, den Reinertrag einer Laienspielveranstaltung mit der «Stiftung Lehrlingsund<br />
Jungmännerhaus» hälftig zu teilen. Alle Kirchgemeinden im Kanton und sämtliche<br />
evangelischen Vereinigungen wurden um Spenden angegangen. Die Lieferanten und<br />
die am Bau beteiligten Handwerker wurden eingeladen, mit Spenden die neue Einrichtung<br />
finanziell zu unterstützen. Die gleiche Einladung erging an alle grösseren Unternehmen in<br />
der Stadt <strong>Zürich</strong>, die Lehrlinge ausbildeten. Die Arbeitsgemeinschaft war mit dieser<br />
Problematik in hohem Masse beschäftigt. Daneben ging aber die Planung weiter.<br />
Das mittlerweile erstellte Raumprogramm sah einen Keller, ein im kleinen Hügel eingebettetes<br />
Untergeschoss und vier Obergeschosse, enthaltend 39 Gästebetten in 18 Zimmern,<br />
Wohnung und Wohnschlafräume für Hauseltern und Angestellte, ein Aufgabenzimmer,<br />
ein Kranken- respektive Reservezimmer, Büro, Schuhraum, Esszimmer, Küche, Vorratskeller,<br />
Spielraum, Einstellraum, Heizung, Waschräume, WC und Duschen vor.<br />
In dieser Umbruchphase kam es im Haus <strong>Eidmatt</strong> auch noch zu einem Leitungswechsel.<br />
Die Frau der ersten Stunde, Emma Eisenhut, verliess per 1. Oktober 1959 das Haus. An ihre<br />
Stelle trat Frau Pfarrer Klara Flückiger. Ihr wurden vertraglich ein Barlohn pro Monat von<br />
Fr. 400 sowie freie Station mit Anrechnung von Fr. 150, total <strong>als</strong>o Fr. 550, zugesichert.<br />
Architekt Emil Rütti trieb nun das Bauprojekt zügig voran. Bereits hatte er einen<br />
Vorentscheid des Stadtrats eingeholt, welcher günstig ausgefallen war, und dann auch<br />
gleich das definitive Baugesuch eingereicht. Parallel dazu bewilligte in dieser Zeit<br />
der Regierungsrat des Kantons <strong>Zürich</strong> die neue Namensgebung – statt «Reformiertes<br />
Arbeiterheim» hiess die Stiftung jetzt «Reformiertes Lehrlings- und Jungmännerhaus».<br />
Am 31. März 1961 wurde das Haus <strong>Eidmatt</strong>strasse 45 geschlossen, das Mobiliar zum Teil<br />
in das Heim Hofwiesenstrasse 44 überführt und in der zweiten Aprilhälfte 1961 wurde<br />
abgebrochen. Die endgültige Baubewilligung lag jetzt vor, und nach längerer Suche, <strong>Zürich</strong><br />
erlebte zu jener Zeit einen richtigen Bauboom, konnte in <strong>Zürich</strong>-Seebach ein Baumeister,<br />
Emil Huber, gefunden werden, der sich bereit erklärte, den Bau auszuführen. Die Bauarbeiten<br />
schritten in der Folge zügig voran, so dass im Herbst der Rohbau bereits unter<br />
Dach stand, und am 5. Oktober 1961 wurde Aufrichte gefeiert. Es bestand die berechtigte<br />
Hoffnung, dass das neue Haus im Frühling 1962 bezugsbereit sein werde.<br />
Anstellung eines Heimleiter-Ehepaars und Einweihung<br />
Während der Bauzeit musste auch ein Heimleiter-Ehepaar gesucht werden. Die Stelle<br />
wurde ausgeschrieben. Aus den 15 Bewerbungen wurde ein Paar ausgesucht und sogleich<br />
über den Lohn verhandelt. Man beschloss, den Bewerbern einen Anfangslohn von Fr. 900<br />
zu offerieren. Wegen des eher geringen Lohnes, oder auf Grund anderer Überlegungen,<br />
LEHRLINGSHAUS EIDMATT 19 Geschichte <strong>Lehrlingshaus</strong> <strong>Eidmatt</strong>
Automatikerlehrling, Lernzentren LfW, 2012, <strong>Zürich</strong><br />
LEHRLINGSHAUS EIDMATT 20 Geschichte <strong>Lehrlingshaus</strong> <strong>Eidmatt</strong><br />
Anstalt für Schwererziehbare, 1944, Albisbrunn © StAAG / RBA
zog dann das ausgewählte Ehepaar die<br />
Bewerbung zurück, und die für die Wahl<br />
Verantwortlichen wandten sich sogleich den<br />
nächsten Bewerbern zu. Hans Rudolf und<br />
Hedwig Sommer brachten sehr viel Heimerfahrung<br />
mit. Der 31 Jahre alte Hans Rudolf<br />
Sommer war Unteroffizier, ursprünglich<br />
Mechaniker, Werkzeugmacher, Vorarbeiter,<br />
Werkstattchef, seit 1959 Werkstattchef und<br />
Gewerbelehrer im Landerziehungsheim<br />
Albisbrunn in Hausen am Albis, dann Gruppenleiter<br />
von 16- bis 20-jährigen Zöglingen<br />
in jener Institution und zuletzt auch noch<br />
Sekundarlehrer im selben Heim. Hans<br />
Rudolf und Hedwig Sommer wurde mit Beschluss<br />
vom 21. Juni 1961 zu einem Monatslohn<br />
von Fr. 800 <strong>als</strong> Heimleiter-Ehepaar<br />
angestellt. Die beiden bezogen, zusammen<br />
mit ihren drei kleinen Kindern, Mitte<br />
März die 4-Zimmerwohnung im obersten<br />
Geschoss des neu erstellen Heims.<br />
Am 31. März 1962 fand im kleinen Rahmen<br />
eine religiöse Einweihungsfeier statt, während<br />
in grösserem Kreis am 5. Mai 1962 das<br />
Gelingen des Neubaus gefeiert wurde. Alle,<br />
die Rang und Namen hatten in der damaligen<br />
evangelischen Kirche, wurden an jenem<br />
Samstagnachmittag ins <strong>Lehrlingshaus</strong> <strong>Eidmatt</strong><br />
eingeladen. Dagegen wurden die<br />
Katholiken, die auch daran waren, ein Lehrlingsheim<br />
zu bauen, ausdrücklich nicht eingeladen.<br />
In den Reden der Herren Dir.<br />
Albert Zollinger, Pfarrer Max Frick und<br />
Kirchenrätin Marie Bremi kam die Freude<br />
über das gelungene Werk zum Ausdruck. Die<br />
ersten Lehrlinge waren Anfang April ins<br />
neue Haus eingezogen, und bald darauf<br />
waren alle Plätze im Haus besetzt. Bereits<br />
am 9. August 1962 lag die Schlussabrechnung,<br />
zusammengestellt von Architekt Emil<br />
Rütti, vor. Sie wies für die Anlagekosten<br />
ohne Land ein Total von Fr. 701 220.45 aus.<br />
Das Leben im Lehrlingsheim<br />
Im <strong>Jahresbericht</strong> 1964/65 war zu lesen: «Das Eingewöhnen in die Heimgemeinschaft ist<br />
bei den Neueintretenden recht verschieden. Diejenigen Jünglinge, die aus geordneten<br />
Fami lienverhältnissen kommen, passen sich in der Regel nur langsam an. Sie tasten sich<br />
behutsam vor, und erst mit der Zeit entsteht ein Vertrauensverhältnis mit den Hauseltern.<br />
Sie ziehen täglich Vergleiche mit dem Elternhaus; in dieser Beziehung sind die Heimeltern<br />
natürlich meistens im Nachteil. Haben sie aber einmal Vertrauen gefasst, bleiben sie<br />
anständig, höflich und überschreiten selten die Grenzen, die sie in der Kinderstube zu<br />
respektieren gelernt haben.<br />
Etwas mehr Sorgen machen die Burschen, die vor dem Eintritt in einem oder sogar<br />
in mehreren Heimen gewesen waren. Sie kennen einen Heimbetreib sehr gut und wissen,<br />
wie man sich den Kameraden und der Leitung gegenüber zu verhalten hat. Sie können sich<br />
sofort anpassen und fühlen sich gleich zu Hause. Sie haben in der Regel keine Kontaktschwierigkeiten<br />
und wissen aus Erfahrung, wie man eine Hausordnung ohne grosse nachteilige<br />
Folgen umgehen kann. Durch ihr Verhalten geben sie den andern ein schlechtes<br />
Beispiel. Mit diesen Jugendlichen muss sich die Leitung mehr abgeben. Wenn sie aber<br />
unter strenger Kontrolle sind, geht es mit der Zeit meistens gut. Gelegentlich kommt es<br />
vor, dass alle Mahnungen und wiederholte, ernsthafte Verweise nichts nützen, in diesem<br />
Falle sind sie im <strong>Lehrlingshaus</strong> nicht mehr tragbar und es bleibt leider nichts anderes<br />
übrig, <strong>als</strong> sie wegzuschicken. Diese Massnahme drängt sich besonders auf, wenn sie andere<br />
anständige, aber etwas labile Jünglinge beeinflussen und diese leicht auf Abwege<br />
bringen können.»<br />
Die Hausordnung umfasste 14 Punkte. Das Zusammenleben im Haus basierte grundsätzlich<br />
auf der freiwilligen Einhaltung dieser Ordnung.<br />
«Es kommt natürlich immer wieder vor, dass die Hausordnung verletzt wird, sei es, dass die<br />
Jünglinge zu spät heimkommen, das Radio laut aufdrehen oder Essenszeiten nicht<br />
einhalten usw. Bei der Beurteilung dieser Verfehlungen dürfen die Leiter nicht stur sein,<br />
vielmehr müssen die Ursachen gefunden werden, z. B.: Ist sie aus Absicht oder Gleichgültigkeit<br />
geschehen, oder haben bestimmte Umstände dazu geführt? Je nachdem wird das<br />
Vergehen toleriert, oder es müssen Strafmassnahmen ergriffen werden.<br />
Die Disziplin soll nicht militärisch straff sein, sie muss sich aber doch an gewisse Grundsätze<br />
halten. Verlangt wird in erster Linie Ehrlichkeit und Höflichkeit. Fluchen ist Charaktersache<br />
und entspringt in der Regel einer Gedankenlosigkeit, gegen die jeden Tag<br />
angegangen werden muss. Die Grenzen zwischen Mein und Dein verwischen sich<br />
gelegentlich bei gewissen Burschen. Nicht immer steckt die Absicht eines Diebstahls<br />
dahinter; obwohl solche leider auch schon vorgekommen sind.<br />
Es ist wichtig, dass die Burschen die Freizeit im Haus verbringen können. So stehen den<br />
Jugendlichen im Haus <strong>Eidmatt</strong> ein Aufgabenzimmer, ein Spiel- und Bastelraum zur<br />
Ver fügung. Jünglinge, die einen handwerklichen Beruf ausüben, wollen in der Regel nicht<br />
gerne in ihrer Freizeit nochm<strong>als</strong> in einem Bastelraum arbeiten. Sie ziehen es vor, ihre<br />
Feierabende mit einem Spiel (Schach, Ping-Pong) oder mit Lesen zu verbringen.<br />
LEHRLINGSHAUS EIDMATT 21 Geschichte <strong>Lehrlingshaus</strong> <strong>Eidmatt</strong>
Dagegen haben kaufmännisch arbeitende Jünglinge eher den Wunsch, sich manuell zu<br />
betätigen. Es kommt vor, dass sie in ihrer Freizeit ganze Möbel anfertigen.<br />
In manchen Heimbetrieben ist die Anschaffung eines Fernsehapparates umstritten.<br />
Im <strong>Lehrlingshaus</strong> <strong>Eidmatt</strong> wurden mit dem Fernsehen gute Erfahrungen gemacht. Es gibt<br />
die Möglichkeit, diejenigen Burschen im Haus zu behalten, die mit sich selber nichts anzufangen<br />
wissen und ohne Fernsehen ins Kino laufen. Die meisten Jünglinge sind sportbegeistert<br />
und bei grossen Veranstaltungen scharen sich alle um den Fernsehschirm.<br />
Der Apparat wird aber nicht wahllos benützt. Die Leitung überwacht die Programmwahl.<br />
Nicht selten wurde der Apparat an zwei bis drei Abenden pro Woche nicht eingeschaltet.<br />
Mit zunehmendem Alter kennen viele Burschen ein Mädchen, mit welchem sie manchmal ausgehen<br />
möchten. Die meisten von ihnen stellen der Leitung das Mädchen vor. Sie hat dann die<br />
Möglichkeit, in einem kurzen Gespräch die Bekannte des Jugendlichen etwas kennen zu lernen.<br />
Scheint die Bekanntschaft sauber und anständig zu sein, ist dagegen nichts einzuwenden.»<br />
Der Übergang zum Heimalltag<br />
Neben dem Neubau des Hauses <strong>Eidmatt</strong> lief der Betrieb im Haus an der Hofwiesenstrasse<br />
unentwegt weiter. Allerdings reichte die langjährige Leiterin, Gertrud Hochstrasser,<br />
im Dezember 1963 ihre Kündigung ein. Glücklicherweise gelang es dam<strong>als</strong> rasch, in Marta<br />
Honegger eine Nachfolgerin zu finden, die mit selbstverständlicher Bestimmtheit und mit<br />
tiefer Zuneigung zu den ihr anvertrauten jungen Männern ab Juli 1964 das Haus bis März<br />
1987 führte. Im <strong>Jahresbericht</strong> 1981 zeigte sie ihre Sicht des <strong>Lehrlingshaus</strong>es auf:<br />
«Als Hausmutter oder Leiterin des <strong>Lehrlingshaus</strong>es ‹Hofwiesen› hatte ich während all den<br />
Jahren noch nie den Eindruck, eine überflüssige Arbeit zu tun. Junge Leute von auswärts,<br />
die für ihre Ausbildung nach <strong>Zürich</strong> kommen, sind ganz besonders auf ein gutes Zuhause<br />
angewiesen. Gemeinsam mit anderen Kameraden in einem <strong>Lehrlingshaus</strong> zu leben, entspricht<br />
den Bedürfnissen dieses Lebensabschnittes oft besser, <strong>als</strong> das sich selber überlassene<br />
Alleinsein. Man sollte sich nicht erst dann um Jugendliche kümmern, wenn eine Platzierung<br />
in Erziehungsheimen erwogen werden muss. Eine gutgeführte Wohngemeinschaft<br />
bietet den Jugendlichen während ihrer Berufsausbildung die notwendigen guten Voraussetzungen<br />
und eine tragfähige Grundlage.» Es gelang Marta Honegger, während 23 Jahren<br />
ein eigentliches <strong>Lehrlingshaus</strong> zu führen. Mehrheitlich kamen die Pensionäre aus anderen<br />
Kantonen und sie alle verbrachten die Wochenende in ihrer Heimat.<br />
Im wesentlich grösseren Betrieb an der <strong>Eidmatt</strong>strasse war es viel schwieriger, eine recht<br />
harmonische Hausgemeinschaft zu führen. Immer häufiger fanden sich da Jugendliche ein,<br />
die intensive Begleitung benötigten. Der Wandel des <strong>Lehrlingshaus</strong>es zu einer sozialpädagogischen<br />
Einrichtung machte sich schleichend bemerkbar. Zunächst aber ergab sich<br />
bereits im August 1968 ein Heimelternwechsel. Hans Rudolf und Hedy Sommer wandten<br />
sich der Altersarbeit zu. Sie übernahmen die Leitung eines Altersheims in Adliswil. Für das<br />
<strong>Lehrlingshaus</strong> <strong>Eidmatt</strong> konnte das Appenzeller Ehepaar Irma und Markus Nänni gewonnen<br />
werden. Sie führten das Haus vom Dezember 1969 bis April 1982. Bevor sie nach 13 Jahren<br />
wieder zurück ins Appenzellerland reisten, stellten sie fest:<br />
«Das Zusammenleben mit den Jungen und den Mitarbeitern des <strong>Lehrlingshaus</strong>es erlebten<br />
wir <strong>als</strong> einen andauernden Versuch, auf einem soliden Grund eine Hausgemeinschaft<br />
LEHRLINGSHAUS EIDMATT 22 Geschichte <strong>Lehrlingshaus</strong> <strong>Eidmatt</strong><br />
zu gestalten. Dabei begegneten wir stets<br />
einer Vielfalt von individuellen Erwartungen,<br />
aus denen sich sowohl die Zeiten mit<br />
einem hohen Mass an Übereinstimmung<br />
und Gemeinsamkeiten <strong>als</strong> auch jene mit<br />
erhöhten Spannungen ergaben. Eine eindrückliche<br />
Bestätigung dafür, dass es diese<br />
Hausgemeinschaft geben muss, ist die Tatsache,<br />
dass sich alljährlich neue Junge<br />
freiwillig dafür entschliessen, während der<br />
Dauer ihrer Berufsausbildung ganz oder<br />
zeitweise in einem <strong>Lehrlingshaus</strong> zu wohnen.<br />
Viele Eltern, Betreuer und Lehrmeister<br />
sind für die Hausgemeinschaft dankbar<br />
und fördern deren Wohl durch ihre wertvolle<br />
Zusammenarbeit.<br />
Solche Hausgemeinschaften sind aber trotz<br />
der mannigfaltigen Vorteile nicht unendlich<br />
belastbar. Schon etliche Junge strapazierten<br />
die Kameradschaft auf unerträgliche<br />
Art, missbrauchten das in sie gesetzte Vertrauen<br />
oder waren im Umgang mit den<br />
vorhandenen Freiheiten überfordert. Umplatzierungen<br />
waren mehrm<strong>als</strong> schmerzhaft,<br />
aber unvermeidbar. In den Lebensgemeinschaften<br />
fühlt man sich wie auf<br />
einem gut angelegten Weg, den man ein<br />
Stück weit gemeinsam mit einander zurücklegt.<br />
Einzelne kommen hinzu, andere<br />
verabschieden sich.»<br />
Neue Entwicklungen<br />
In den folgenden Jahren waren einige neue<br />
Erscheinungen zu beobachten. Auch in den<br />
beiden Lehrlingshäusern tauchten immer<br />
häufiger Drogen auf. Die Leitenden sahen<br />
sich gezwungen, sich rasch möglichst in<br />
diese Problematik einzuarbeiten, was alles<br />
andere <strong>als</strong> einfach war.<br />
Es mussten für die pädagogische Arbeit neben<br />
den Hauseltern zusätzliche Mitarbeiter<br />
eingestellt werden, denn die pädagogische
Betreuung der Heimbewohner wurde lau-<br />
fend anspruchsvoller.<br />
Die Zusammensetzung der Bewohner veränderte<br />
sich ab den 90er-Jahren sehr stark.<br />
Zwar beherbergte das <strong>Lehrlingshaus</strong> nach<br />
wie vor Jugendliche aus der ganzenSchweiz,<br />
es wohnten aber auch vermehrt junge<br />
Menschen mit einer multikulturellen Abstammung<br />
im <strong>Lehrlingshaus</strong>. Beispiele aus<br />
der Belegung 1992:<br />
«A. ist in Brasilien geboren. Sein Vater ist<br />
Schweizer, der vor 30 Jahren nach Brasilien<br />
auswanderte. Er wünschte, dass beide Söhne<br />
in der Schweiz einen Beruf lernen und<br />
schickte sie in die Schweiz.<br />
C. ist in Valparaiso, Chile, geboren. Sein<br />
Vater heiratete eine Schweizerin. Er lebt<br />
seit fünf Jahren in der Schweiz und macht<br />
eine Anlehre <strong>als</strong> Strassenmarkierer.<br />
K. ist in Australien geboren, kam <strong>als</strong> kleines<br />
Kind in die Schweiz und wurde von einer<br />
Schweizer Familie adoptiert. Er macht eine<br />
Lehre <strong>als</strong> Verkäufer.<br />
R. Sein Vater ist Schweizer, der nach Australien<br />
auswanderte. Da es in Australien nur<br />
wenige Ausbildungsplätze gibt, schickte er<br />
seinen Sohn in die Schweiz. Er lernt jetzt<br />
Zimmermann.<br />
G. sein Vater ist Spanier, welcher vor<br />
30 Jahren zum Arbeiten in die Schweiz kam.<br />
G. ist hier aufgewachsen und zur Schule<br />
gegangen. Er steht kurz vor dem Lehrabschluss<br />
<strong>als</strong> Verkäufer.<br />
P. Seine Mutter stammt aus Liberia (Afrika).<br />
Sie heiratete nach dem Tod ihres<br />
ersten Mannes einen Schweizer. P. kam mit<br />
seiner Mutter schwer krank nach <strong>Zürich</strong>.<br />
Er hat sich gut erholt und Schweizerdeutsch<br />
gelernt. Nach einem Jahr Oberschule<br />
hat er den Anschluss an die Re<strong>als</strong>chule<br />
geschafft.<br />
D. Seine Mutter stammt aus Kolumbien, der<br />
Vater ist Schweizer. Er besucht eine Lehre<br />
<strong>als</strong> Autoersatzteil-Verkäufer.<br />
M. Sein Vater arbeitete bei einer Fluggesellschaft, deshalb wohnte er lange Zeit im Ausland<br />
und besuchte dort Schulen. Nun musste er sich für die Aufnahmeprüfung in einer Handelsschule<br />
vorbereiten. Er wohnt während der vier Monate Intensivschulung im <strong>Lehrlingshaus</strong>.<br />
T. Sein Vater heiratete eine Frau aus Thailand. Seit einigen Jahren lebt er nicht mehr in der<br />
Familie. Er beginnt eine Lehre <strong>als</strong> Automonteur.<br />
S. Sein Vater kommt aus der Türkei. Er kam vor 15 Jahren in die Schweiz. S. folgte im Alter<br />
von 12 Jahren seinem Vater, lernte da Deutsch und besuchte hier die Schulen. Er macht eine<br />
Lehre <strong>als</strong> Gleismonteur bei den SBB.<br />
Die «multikulturelle Zusammensetzung wirkt sich täglich im Zusammenleben aus: Unterschiedliche<br />
Temperamente treffen aufeinander, verminderte Deutschkenntnisse führen<br />
zu Missverständnissen, die Essgewohnheiten sind verschieden, im Ursprungsland lebte<br />
man in einer Grossfamilie, etc. Diese Jugendlichen verschiedener Herkunft unter einem<br />
Dach zu vereinen, bedeutet für die Mitarbeiter im Lehrlingsheim jeden Tag eine neue<br />
Herausforderung.<br />
Neben den multikulturellen Bewohnern gab es auch noch die Vermessungszeichner<br />
im Haus. Sie machten etwa einen Viertel der Belegungstage aus. Sie kommen aus allen<br />
Kantonen für dreitägige bis zehnwöchige Kurse nach <strong>Zürich</strong> in die einzige Vermessungszeichner-Schule<br />
der Deutschschweiz, in die Baugewerbliche Berufsschule an der Langstrasse.<br />
Obwohl sie während der vierjährigen Lehrzeit jährlich ein paar Wochen im Haus<br />
<strong>Eidmatt</strong> lebten, wuchsen sie kaum in die Heimgemeinschaft hinein.»<br />
Immer wieder war die Leitung bezüglich Umsetzung des Konzepts gezwungen, Kompromisse<br />
einzugehen. Denn ein Heim kann nur bei guter Auslastung finanziell überleben. Deshalb<br />
mussten auch Jugendliche aufgenommen werden, die nicht unbedingt günstige Voraussetzungen<br />
für ein ausgewogenes Zusammenleben mit sich brachten.<br />
Heimleitung wurde zur Verschleissaufgabe<br />
Die Entwicklung in Bezug auf die Zusammensetzung hatte auch Auswirkungen auf die<br />
Verweildauer der Mitarbeiter. 1982 hatten im Haus an der <strong>Eidmatt</strong>strasse Margrit und<br />
Niklaus Gantenbein die Leitung übernommen. 1988, <strong>als</strong>o nach erst sechs Jahren intensivstem<br />
Einsatz, fühlten sie sich ausgelaugt und suchten eine weniger aufreibende Arbeitsstelle.<br />
Dies war das eigentliche Ende des ursprünglichen <strong>Lehrlingshaus</strong>konzepts. Obwohl<br />
in der Folge zusätzlich zum Heimleiter noch drei bis vier Miterzieher eingestellt wurden,<br />
blieb kein Leiter mehr länger <strong>als</strong> fünf Jahre. Gleiches gilt für die zweite stiftungseigene<br />
Institution an der Hofwiesenstrasse. 1994 wurde jenes Haus gar dem CVJM <strong>Zürich</strong> 1 zur<br />
Führung einer Wohngemeinschaft vermietet.<br />
Auch in der Trägerschaft fand ein grosser Wechsel statt. Mittlerweile war es sehr schwierig<br />
geworden, für die ehrenamtlichen Funktionen geeignete Freiwillige zu finden. Leider war<br />
das der Übergang zu einer recht turbulenten Phase der Heimgeschichte. Bald einmal wurde<br />
die Liegenschaft an der Hofwiesenstrasse verkauft. Der Verkaufserlös wurde in der<br />
Folge in ein für pädagogische Zwecke völlig ungeeignetes Haus im Kreis 3 investiert.<br />
LEHRLINGSHAUS EIDMATT 23 Geschichte <strong>Lehrlingshaus</strong> <strong>Eidmatt</strong>
Dieses Objekt verursachte im Stiftungsrat ausschliesslich Ärger, so dass es bereits 2002<br />
wieder verkauft wurde. Schon im Mai 2000 war es im Stiftungsrat zu grossen Meinungsverschiedenheiten<br />
über Führungsfragen gekommen. Der amtierende Präsident verliess mitten<br />
aus einer Sitzung das Gremium und gleichzeitig sein Amt. Die im Stiftungsrat verbliebenen<br />
Mitglieder versuchten nun, zusammen mit dem damaligen Heimleiter Karl Bieri ein neues<br />
Konzept zu erarbeiten und den Stiftungsrat wieder aktionsfähig zu machen. Glücklicherweise<br />
gelang es nun wieder – wie in den Anfängen dieser Geschichte – Frauen und Männer<br />
des CVJM (heute Cevi) Region <strong>Zürich</strong>, für die nicht immer einfache Arbeit zu gewinnen. In der<br />
Zeit der Neubauplanung <strong>Eidmatt</strong> hatte ja die Leitung des CVJM die Mehrheit im Stiftungsrat<br />
gefordert, was dam<strong>als</strong> aber abgelehnt worden war. Jetzt haben Cevi-Leute die Mehrheit im<br />
Stiftungsrat ohne Nebenabsichten erreicht.<br />
Um die Jahrhundertwende wurde das Heimkonzept pragmatisch laufend angepasst, ohne<br />
die Grundsatzfragen zu klären. Genau dieser Prozess war jetzt aber zwingend notwendig.<br />
Karl Bieri beschrieb die Aufgabe des Heimes wie folgt: «Die Jugend lebt in ihrer eigenen<br />
Welt. Wir müssen diese Welt, die unwahrscheinlich vielseitig, farbig und anforderungsreich<br />
geworden ist, zwar nicht vorbehaltlos teilen, aber doch versuchen sie zu verstehen. Wenn<br />
das nicht gelingt, versiegt der Dialog und ist jedes Miteinander stark erschwert. Als Pädagogen<br />
sehen wir in der Lebenswirklichkeit unserer Jugendlichen von Berufswegen überall<br />
Fallstricke, Hindernisse und Gefahren. Die Jugendlichen sehen darin aber Herausforderungen,<br />
Möglichkeiten und Chancen. Es ist nicht immer einfach, mit so unterschiedlichen<br />
Ansichten den pädagogischen Alltag zu bestreiten, aber wenn das Zusammengehen gelingt,<br />
tragen beide Teile ihren Gewinn davon: Die Jungen sind bereit, die Ansichten und Meinungen<br />
ihrer Pädagogen ernst zu nehmen, die Pädagogen erfahren die Lebensauffassung der<br />
Jungen und nehmen Teil an ihrem Lebensgefühl. Dieser Austausch von Erfahrungen,<br />
unterschiedlichen Lebens- und Weltauffassungen finden in einer pädagogischen Beziehung<br />
statt und macht die Arbeit der Jugendlichen unerhört interessant und vielgestaltig, wenn<br />
auch anforderungs- und konfliktreich.»<br />
Neuausrichtung und Leiterwechsel<br />
Im Dezember 2001 war der Stiftungsrat zusammengetreten und hatte das Grobkonzept für<br />
die folgenden Jahre entwickelt. Dabei wurden alle Möglichkeiten erwogen, von der rein<br />
finanziellen Unterstützung einzelner Jugendlicher in Ausbildung über die Führung eines<br />
Jugendhotels bis zur Fortsetzung und den Ausbau der heutigen mehrheitlich sozialpädagogischen<br />
Arbeit mit Jugendlichen und jungen Erwachsenen. Der Stiftungsrat kam dann nach<br />
all diesen Erwägungen zum Schluss, dass die Beherbergung, Begleitung und Unterstützung<br />
von Jugendlichen die notwendigste Aufgabe darstelle. Es gelte darum, jetzt das Konzept der<br />
verschiedenen, mehrheitlich autonom geführten Kleingruppen mit unterschiedlich intensivem<br />
Begleitungsangebot sowohl baulich wie personell umzusetzen. Da Karl Bieri beabsichtigte,<br />
im Januar 2003 altershalber zurückzutreten, galt es, auf Grund des beschlossenen<br />
Grobkonzepts einen neuen Leiter zu suchen. Er wurde gefunden in der Person von Urs<br />
Studer, der Ende 2002 die Heimleitung übernahm und sofort mit der Ausarbeitung und<br />
schrittweisen Umsetzung des Konzepts begann. Im ersten Halbjahr 2005 wurde das ganze<br />
LEHRLINGSHAUS EIDMATT 24 Geschichte <strong>Lehrlingshaus</strong> <strong>Eidmatt</strong><br />
Haus umgebaut und für die Nutzung<br />
gemäss dem neuen Konzept eingerichtet.<br />
Das «neue» Haus wird jetzt koedukativ<br />
geführt: Im ehemaligen Jungmännerhaus<br />
leben jetzt endlich auch junge Frauen.<br />
Heute bleibt zu wünschen, dass dieser nun<br />
bereits über 75 Jahre dauernden Geschichte<br />
noch manches gute Kapitel beigefügt werden<br />
kann.<br />
Martin Hübner<br />
Quellen<br />
<strong>Jahresbericht</strong>e Stiftung Reformiertes<br />
Arbeiterheim <strong>Zürich</strong> 1938 – 1960<br />
<strong>Jahresbericht</strong>e Stiftung reformiertes<br />
Lehrlings- und Jungmännerheim<br />
<strong>Zürich</strong> 1961 – 2002<br />
<strong>Jahresbericht</strong> <strong>Lehrlingshaus</strong><br />
<strong>Eidmatt</strong> 2003 – <strong>2011</strong><br />
Sitzungsprotokoll und Unterlagen des<br />
Stiftungsrats<br />
Verankert im Zentrum von <strong>Zürich</strong><br />
100 Jahre Glockenhof; Herausgegeben<br />
von Carole N. Klopfenstein, Hansjürg<br />
Büchi, Karl Walder im Auftrag der Stiftung<br />
Glockenhof, Theologischer Verlag <strong>Zürich</strong><br />
Das Glockenhaus, Sein Werden und<br />
sein Dienst 1911 – 1936 Denkschrift<br />
von Karl Egli<br />
50 Jahre Glockenhaus 1911 – 1961<br />
Jubiläumsbericht von Walter Egli<br />
Der Glockenhof an der Sihlstrasse<br />
Dr. Paul Guyer a. Stadtarchivar
ORGANISATION<br />
Mitglieder des Stiftungsrates<br />
Martin Hübner seit 25.3.1994 (Präsident von 5.11.1999 bis 25.4.2005)<br />
Ursula Hänni-Hauser seit 21.11.2000 (Vizepräsidentin seit 12.1.2007)<br />
Matthias Lüthi seit 15.7.2002<br />
Martin Welser seit 15.7.2002<br />
Paul Bissegger seit 15.7.2002<br />
Werner Zembrod seit 25.4.2005<br />
(Präsident seit 25.4.2005)<br />
Hanspeter Kunz seit 12.1.2007 Demission per 31.12.11<br />
Gabriela Meier Schmuki seit 15.1.2008 Demission per 31.12.11<br />
Stiftungsadresse<br />
Stiftungs ref. <strong>Lehrlingshaus</strong> <strong>Eidmatt</strong> Raifeisen Bank, Limmatquai 68, 8001 <strong>Zürich</strong>,<br />
<strong>Eidmatt</strong>strasse 45, 8032 <strong>Zürich</strong><br />
Telefon 044 388 17 17, Fax 044 388 17 18<br />
Kto. 92226.05 BC 81847, PC 87-71996-7<br />
Personal <strong>Lehrlingshaus</strong> <strong>Eidmatt</strong> (Stand Januar 2012)<br />
Institutionsleiter Studer Urs 100%<br />
Team 1 Team 2<br />
Brügger Sybille Teamleiterin 90 % Doll Seraina Soz. Päd. (Dipl.) 80 % Coach ext. Wohnen Kauppert Maresa<br />
Chanlen Athiv Soz. Päd. i. A. 60 % Ghilardi Denise Soz. Päd. (Dipl.) 50 % Soz. Päd. 80 %<br />
Menn Sandro Soz. Päd. (Dipl.) 80 % Jutzeler Andrea Teamleiterin 90% Berufscoach Marc Bocklet<br />
Mühlemann Beat Soz. Päd. Aushilfe 70 % Staudenmaier Miriam Soz. Päd. (Dipl.) 80 % Berufsberater 80 %<br />
Rangel Ana Soz. Päd. Aushilfe 80% Sturzenegger Stefan Soz. Päd. i.A. 60 % Hauswart Wagner Jörg 80 %<br />
Röllin Manuel Soz. Päd. (Dipl.) 80 % Zimmerling Elizabeth Soz. Päd. (Dipl.) 80 %<br />
Tsering Dekyi Soz. Päd. (Dipl.) 80 %<br />
Institutionsadresse ref. <strong>Lehrlingshaus</strong> <strong>Eidmatt</strong><br />
<strong>Lehrlingshaus</strong> <strong>Eidmatt</strong> Post Finance<br />
<strong>Eidmatt</strong>strasse 45, 8032 <strong>Zürich</strong> Leutschenbachstrasse 95, 8050 <strong>Zürich</strong><br />
Telefon 044 388 17 17, Fax 044 388 17 18<br />
www.lehrlingshaus-eidmatt.ch<br />
PC 80-6727-5<br />
Rechnungsführung und Finanzen Aufsicht<br />
Treuhänder, Fluri Treuhand - Stadt <strong>Zürich</strong>, Soziale Dienste, Frau Ch. Wegmann, 8047 <strong>Zürich</strong><br />
Fronalalpstrasse 7, 8867 Niederurnen - Kanton <strong>Zürich</strong><br />
Revisor, BDO Visura - Amt für Jugend und Berufsberatung, Jugend und Familienhilfe, 8090 <strong>Zürich</strong><br />
Fabrikstrasse 50, 8031 <strong>Zürich</strong> - Amt für berufliche Vorsorge und Stiftungen des Kantons <strong>Zürich</strong><br />
LEHRLINGSHAUS EIDMATT 25 Organisation
JAHRESRECHNUNG<br />
Die Jahresrechnung wurde von der BDO AG geprüft und<br />
ohne Einschränkung zur Genehmigung empfohlen<br />
Die vollständige Jahresrechnung/Revisionsbericht kann bei der Stiftung angefordert<br />
oder ab der homepage ausgedruckt werden.<br />
BETRIEBSRECHNUNGEN <strong>2011</strong> UND 2010<br />
(in Schweizer Franken)<br />
BILANZEN AUF DEN 31. DEZEMBER <strong>2011</strong> UND 31. DEZEMBER 2010<br />
(in Schweizer Franken)<br />
BETRIEBSERTRAG Erläuterung 31.12.11 31.12.10<br />
AKTIVEN Erläuterung 31.12.11 31.12.2010<br />
10'158<br />
342'442<br />
1'608'312<br />
10'480<br />
1'944<br />
-15'000<br />
Spendenerlöse 12'535<br />
Staatsbeiträge 479'946<br />
Pensionseinnahmen 1'734'535<br />
Diverse Erträge Bewohner 11'080<br />
Übrige Nebenerlöse 2'632<br />
Erlösminderungen (inkl. Forderungsverluste) 4'455<br />
458'922<br />
1'236'117<br />
285'193<br />
-25'000<br />
16'044<br />
82'286<br />
2'053'562<br />
UMLAUFVERMÖGEN<br />
Flüssige Mittel 691'155<br />
Wertschriften 2 1'229'840<br />
Forderungen aus Lieferungen und Leistungen 233'356<br />
abzüglich Wertberichtigung -10'000<br />
Übrige Forderungen 18'837<br />
Aktive Rechnungsabgrenzungen 46'731<br />
Total 2'209'919<br />
2'599'484<br />
2'599'484<br />
ANLAGEVERMÖGEN<br />
Liegenschaft und Einrichtungen 3 2'534'732<br />
Total 2'534'732<br />
LEHRLINGSHAUS EIDMATT 26 Jahresrechnung<br />
1'958'335<br />
Total Ertrag 2'245'183<br />
BETRIEBSAUFWAND Erläuterung 31.12.11 31.12.10<br />
1'359'202<br />
210'164<br />
57'619<br />
112'583<br />
78'309<br />
0<br />
81'936<br />
1'899'813<br />
Personalaufwand 1'536'067<br />
Bewohneraufwand 209'186<br />
Mietzinsaufwand 80'406<br />
Büro- und Verwaltungsaufwand 111'061<br />
Übriger Betriebsaufwand 74'605<br />
Abschreibungen mobile Sachanlagen 4'295<br />
Abschreibungen Immobilien 81'936<br />
Aufwand für die Leistungserbringung 2'097'556<br />
4'653'046<br />
TOTAL AKTIVEN 4'744'651<br />
PASSIVEN Erläuterung 31.12.11 31.12.2010<br />
90'620<br />
17'000<br />
107'620<br />
KURZFRISTIGES FREMDKAPITAL<br />
Verbindlichkeiten 107'197<br />
Passive Rechnungsabgrenzungen 9'973<br />
Total 117'170<br />
2'015<br />
2'015<br />
Administrativer Aufwand<br />
Büro- und Verwaltungsaufwand 950<br />
Administrativer Aufwand 950<br />
1'577'019<br />
1'577'019<br />
LANGFRISTIGES FREMDKAPITAL<br />
Finanzverbindlichkeiten 4 1'560'379<br />
Total 1'560'379<br />
1'901'828<br />
Total Aufwand 2'098'506<br />
1'684'639<br />
Total Fremdkaptial 1'677'549<br />
56'507<br />
Betriebsergebnis 146'677<br />
55'465<br />
Finanzergebnis -47'982<br />
111'972<br />
Jahresergebnis vor Fondsbewegungen 98'695<br />
120'000<br />
450'722<br />
598<br />
571'320<br />
STIFTUNGSKAPITAL<br />
Fondskapital (zweckgebundene Fonds)<br />
Fonds mit eingeschränkter Verwendung 5 0<br />
Schwankungsfonds 594'708<br />
Ausbildungsfonds 7'218<br />
Total 601'926<br />
-50'367<br />
1'099<br />
Auflösung "Fonds Umbau" 120'000<br />
Zuweisungen an zweckgebundene Fonds -143'985<br />
Verwendung zweckgebundene Fonds -6'620<br />
62'704<br />
Jahresergebnis zugunsten Organisationskapital 68'090<br />
154'567<br />
2'179'815<br />
62'704<br />
2'397'087<br />
Organisationskapital<br />
Einbezahltes Kapital 154'567<br />
Erarbeitetes freies Kapital 2'242'519<br />
Jahresergebnis 68'090<br />
Total 2'465'176<br />
2'968'407<br />
Total Stiftungskapital 3'067'102<br />
4'653'046<br />
TOTAL PASSIVEN 4'744'651
3. Sachanlagen<br />
Anschaffungswerte 01.01.11 Zugänge Abgänge 31.12.11<br />
Einrichtung <strong>Eidmatt</strong> 36'939<br />
0<br />
0<br />
36'939<br />
Fahrzeuge 0<br />
21'480<br />
21'480<br />
Liegenschaft <strong>Eidmatt</strong> 2'994'614<br />
0<br />
0<br />
2'994'614<br />
Anschaffungswerte 3'031'553<br />
21'480<br />
0<br />
3'053'033<br />
kumulierte Abschreibungen 01.01.11 Abschreibungen Abgänge 31.12.11<br />
Einrichtung <strong>Eidmatt</strong> -36'938<br />
0<br />
0<br />
-36'938<br />
Fahrzeuge -4'296<br />
-4'296<br />
Liegenschaft <strong>Eidmatt</strong> -395'132<br />
-81'936<br />
0<br />
-477'068<br />
kumulierte Abschreibungen -432'070<br />
-86'232<br />
0<br />
-518'302<br />
Nettobuchwert 01.01.11 31.12.11<br />
Einrichtung <strong>Eidmatt</strong> 1<br />
0<br />
0<br />
1<br />
Fahrzeuge 0<br />
17'184<br />
0<br />
17'184<br />
Liegenschaft <strong>Eidmatt</strong> 2'599'482<br />
-81'936<br />
0<br />
2'517'546<br />
Nettobuchwerte 2'599'483<br />
-64'752<br />
0<br />
2'534'731<br />
Die Stiftung ist Eigentümerin einer Liegenschaft an der <strong>Eidmatt</strong>strasse 45 in <strong>Zürich</strong>, welche der Stiftung <strong>als</strong><br />
Jugendheim im Sinne des Stiftungszwecks dient.<br />
Die Liegenschaft wurde 1946 zum Preis von CHF 104'000 erworben. In den Jahren 2005 bis 2006 wurde die<br />
Liegenschaft umfassend saniert und umgebaut, wofür rund CHF 2'350'000 aufgewendet wurden. Im Laufe des<br />
Jahres 2006 wurde eine unabhängige Schätzung des Liegenschaftenwerts vorgenommen. Die Gutachter kamen<br />
unter Berücksichtigung der gegenwärtigen Nutzung auf einen Fortführungswert (nach der DCF-Methode<br />
berechnet) von CHF 3'260'000.<br />
GELDFLUSSRECHNUNGEN <strong>2011</strong> UND 2010<br />
(in Schweizer Franken)<br />
31.12.11 31.12.10<br />
Jahresergebnis 68'090<br />
62'704<br />
Abschreibungen 86'232<br />
81'936<br />
Zuweisung zweckgebundene Fonds 30'605<br />
49'268<br />
Kurserfolge netto auf Wertschriften (+ = Verluste / - = Gewinne) 69'732<br />
-35'468<br />
Betrieblicher Geldfluss vor Veränderung des Nettoumlaufvermögens 254'659<br />
158'440<br />
Abnahme (Zunahme) Forderungen und aktive Abgrenzungen 69'599<br />
-22'629<br />
Zunahme (Abnahme) Verbindlichkeiten und passive Abgrenzungen 9'550<br />
28'795<br />
Betrieblicher Geldfluss 333'808<br />
164'606<br />
Festgeldanlagen 0<br />
0<br />
Kauf von Wertschriften -133'699<br />
-189'276<br />
Verkauf von Wertschriften 70'244<br />
200'000<br />
Kauf von Sachanlagen -21'480<br />
-10'362<br />
Geldfluss aus Investitionstätigkeit -84'935<br />
362<br />
Rückzahlung Hypothekar- und Darlehensschulden 0<br />
-250'000<br />
Rückzahlung Darlehen übrige Institutionen -16'640<br />
-16'640<br />
Geldfluss aus Finanzierungstätigkeit -16'640<br />
-266'640<br />
(Ab-) Zunahme Flüssige Mittel 232'233<br />
-101'672<br />
Flüssige Mittel zu Beginn des Jahres 458'922<br />
560'594<br />
Flüssige Mittel am Ende des Jahres 691'155<br />
458'922<br />
4. Finanzverbindlichkeiten Zinssatz am 31.12.11 31.12.10<br />
31.12.11<br />
Staatsbeitrag Kanton <strong>Zürich</strong> 0.00% 946'219 946'219<br />
Darl. Stadt <strong>Zürich</strong> 0.00% 300'000 300'000<br />
Darl. Verb. Stadtzürcher evang.ref. Kirchgemeinden<br />
1.00% 314'160 330'800<br />
Total Finanzverbindlichkeiten 1'560'379 1'577'019<br />
ANHANG ZUR JAHRESRECHNUNG <strong>2011</strong><br />
Der Staatsbeitrag zu den Umbaukosten wurde gemäss Verfügung der Baudirektion des Kantons <strong>Zürich</strong> vom<br />
27.9.2004 <strong>als</strong> unverzinsliches Darlehen gewährt.<br />
Die Darlehen der Stadt <strong>Zürich</strong> und des Verbandes Stadtzüricher ev.-ref. Kirchgemeinden erfolgten zu<br />
Vorzugsbedingungen. Letzteres ist rückzahlbar mit Jahresraten von Fr. 16'640.<br />
1. Grundlagen der Rechnungslegung<br />
Die Rechnungslegung der Stiftung reformiertes <strong>Lehrlingshaus</strong> <strong>Eidmatt</strong> erfolgt seit 1.Januar 2005 in<br />
Übereinstimmung mit den Fachempfehlungen zur Rechnungslegung (Swiss GAAP FER) und vermittelt ein den<br />
tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage (true and fair view) und<br />
entspricht dem Kontierungsreglement der ZEWO. Bilanzstichtag ist der 31. Dezember.<br />
Die wichtigsten Bilanzierungsgrundsätze sind nachfolgend dargestellt.<br />
- Forderungen werden zum Nominalwert, abzüglich notwendiger Wertberichtigungen bewertet.<br />
- Wertschriften werden zum Kurswert am Bilanzstichtag bewertet; seit dem 31.12.2010 werden sie dem<br />
Umlaufsvermögen zugeordnet, die Vorjahreswerte wurden entsprechend umgegliedert.<br />
LEHRLINGSHAUS EIDMATT 27 Jahresrechnung<br />
5. Fonds mit eingeschränkter Verwendung/Auflösung<br />
Die Spenden wurden von verschiedenen Institutionen zum Zweck des Umbaus des <strong>Lehrlingshaus</strong>es in den<br />
Jahren 2005/06 gespendet. Obwohl die Spenden mit keinen weiteren Auflagen verbunden waren, wurden diese<br />
aus Transparenzgründen einem eigenen Fonds zugewiesen. Der Fonds ist jedoch kein "Fonds mit<br />
eingeschränkter Verwendung" im Sinn des ZEWO-Reglements, da die Spenden für ihren Zweck, nämlich den<br />
Umbau 2006, bereits verwendet wurden. Der Stiftungsrat hat daher beschlossen den Fonds aufzulösen.<br />
2. Wertschriften des Umlaufsvermögens<br />
Das Anlagevermögen setzt sich wie folgt zusammen:<br />
6. Weitere Angaben<br />
Transaktionen mit nahestehenden Dritten<br />
Es bestehen keine Transaktionen mit nahestehenden Personen.<br />
Entschädigung an leitende Organe<br />
An die Mitglieder des Stiftungsrates wurden keine Entschädigungen ausbezahlt. Es werden weder Stiftungsratsnoch<br />
Verwaltungshonorare vergütet; die Leistungen erfolgen ehrenamtlich. Effektive Auslagen wurden im Rahmen<br />
der tatsächlich getätigten Kosten vergütet.<br />
Buchwert 31.12.11 in % 31.12.10 in %<br />
Obligationen CH Schuldner 236'300<br />
19.2% 281'695<br />
22.8%<br />
Obligationen ausländ. Schuldner 293'105<br />
23.8% 290'780<br />
23.5%<br />
Aktien Schweiz 445'702<br />
36.2% 410'775<br />
33.2%<br />
Aktien Ausland 45'411<br />
3.7% 48'023<br />
3.9%<br />
Obligationenfonds 84'264<br />
6.9% 84'688<br />
6.9%<br />
Immobilienfonds 125'058<br />
10.2% 120'156<br />
9.7%<br />
Buchwerte 1'229'840<br />
100.0% 1'236'117<br />
100.0%<br />
Gemäss dem revidierten, vom Stiftungsrat am 20. September 2010 genehmigten Anlagereglement darf der Anteil<br />
der Aktien an den Gesamtaktiven 30% nicht überschreiten. Per 31.12.<strong>2011</strong> beträgt die Quote der Aktien<br />
(einschliesslich strukturierte Produkte) an den Gesamtaktiven 10.4% (Vorjahr: 9.9%).<br />
Ereignisse nach dem Bilanzstichtag<br />
Der Stiftung sind keine Ereignisse nach dem Bilanzstichtag bekannt, welche die Rechnung <strong>2011</strong> beein-flussen<br />
könnten.<br />
Risikobeurteilung<br />
Der Stiftungsrat hat am 21. November <strong>2011</strong> eine Risikobeurteilung vorgenommen. Dabei wurden die<br />
seiner Ansicht nach wichtigsten Risiken in einem Risikokatalog erfasst, entsprechende Massnahmen<br />
zur Steuerung und Überwachung der Risiken definiert und über deren Umsetzung entschieden.<br />
Genehmigung der Jahresrechnung durch den Stiftungsrat<br />
Diese Jahresrechnung wurde vom Stiftungsrat am 2. April 2012 genehmigt.
<strong>Eidmatt</strong>strasse 45<br />
8032 <strong>Zürich</strong>