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Kurz gefaßte christliche Soziallehre, Berlin 2/1991

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lehre gab, ja es ist im Gegenteil so, daß die Zeitgenossen Christi seine<br />

Lehre (Liebesgebot, Bergpredigt) nur zu fassen vermochten, weil sie schon<br />

ein sittliches Grundwissen besaßen, wesentlich gefördert durch die Ethik<br />

des Alten Bundes. Die Vernunft sagt dem Menschen, daß im gesellschaftlichen<br />

Leben ähnliche Regeln beobachtet werden müssen wie in der Familie,<br />

damit ein menschenwürdiges Leben für alle möglich ist. Aus all den erwähnten<br />

Gründen hat die <strong>christliche</strong> <strong>Soziallehre</strong> immer der Familie und mit<br />

ihr der Ehe eine erste Stelle zugewiesen.<br />

III. Das sittliche Urteil<br />

<strong>Kurz</strong> <strong>gefaßte</strong> <strong>christliche</strong> <strong>Soziallehre</strong><br />

Mit ihren allgemeinen Grundsätzen kann die <strong>christliche</strong> <strong>Soziallehre</strong> nicht<br />

immer unmittelbar feststellen, was in der jeweils konkreten Situation als<br />

Recht und Gerechtigkeit, Gut und Böse zu gelten hat. Dies ist besonders in<br />

der heutigen Gesellschaft mit der vielfältigen Abhängigkeit der Einzelnen<br />

und der verschiedenen Gruppen voneinander und den nicht unmittelbar<br />

überschaubaren Folgen des Handelns oder gesellschaftlicher Maßnahmen<br />

der Fall. In vielen Fällen wird besondere Sachkenntnis erforderlich sein, um<br />

zu einem richtigen sittlichen Urteil zu kommen. Der Ethiker wird sich daher<br />

an die Fachwissenschaften wenden müssen, an die Gesellschafts- und<br />

Wirtschaftswissenschaften, die Psychologie, Soziologie, Politikwissenschaft.<br />

Man darf allerdings nicht vergessen, daß in vielen einfacheren Fällen, besonders<br />

des täglichen Lebens, der gesunde Hausverstand hinreicht, um<br />

Recht und Unrecht, Gut und Böse eines Handelns zu beurteilen. Die Fachwissenschaften<br />

bereiten dem Ethiker Schwierigkeiten, wenn sie sich widersprechen,<br />

vor allem aber dann, wenn ihre Urteile durch Voreingenommenheit<br />

(Ideologien) bedingt sind.<br />

Denkgefüge, die in der einen oder anderen Weise von der Wirklichkeit und<br />

Wahrheit (der "Natur der Sache") hinsichtlich des Menschen und der Gesellschaft<br />

abweichen, sind Ideologien. Bei ihrer Durchführung in der Veränderung<br />

oder Neugestaltung der Gesellschaft kommen sie zu Forderungen,<br />

die die davon betroffenen Menschen an ihrer Selbstverwirklichung durch<br />

die Befriedigung grundlegender Bedürfnisse, so besonders ihrer Freiheit,<br />

hindern. Eine solche Ideologie war der Liberalismus des 19. Jahrhunderts<br />

mit seiner Forderung der unbedingten Freiheit des wirtschaftlichen Einzelinteresses<br />

und der Folge der Proletarisierung der Arbeiterschaft. Inzwischen<br />

ist der Marxismus in Osteuropa und China an die Macht gelangt.<br />

Nach ihm findet die menschliche Person ihren Lebenssinn nur im Dienst an<br />

der kommunistischen Gesellschaft. In mannigfaltigen Formen eines Neuverständnisses<br />

des Marxismus hat dieser auch im Westen zahlreiche Vertreter<br />

gefunden. Die <strong>christliche</strong> <strong>Soziallehre</strong> sieht sich genötigt, gegenüber<br />

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