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Otto Hetzer - db deutsche bauzeitung

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Ingenieurporträt<br />

<strong>Otto</strong> <strong>Hetzer</strong><br />

Begründer des Holzleimbaus<br />

Text: Christian Müller<br />

<strong>Otto</strong> <strong>Hetzer</strong> war zwar kein<br />

Bauingenieur (<strong>Hetzer</strong> war Zimmermann),<br />

doch reicht seine<br />

Bedeutung als Konstrukteur weit<br />

über seinen Lehrberuf hinaus:<br />

<strong>Hetzer</strong> gilt als Begründer des Holzleimbaus.<br />

Kurz vor seinem<br />

Tod konnte er 1910 noch den<br />

technischen Durchbruch dieser<br />

Bauweise auf der Weltausstellung<br />

in Brüssel erleben: Die Reichsbahnhalle<br />

setzte dort mit 43 Metern<br />

Spannweite für lange Zeit<br />

Maßstäbe.<br />

<strong>Otto</strong> <strong>Hetzer</strong> was a carpenter,<br />

not a structural engineer, but his<br />

significance as a designer of<br />

buildings reached far beyond his<br />

trade qualifications. <strong>Hetzer</strong><br />

is regarded as the founder of<br />

laminated wood construction.<br />

In 1910, shortly before his death, he<br />

was able to experience the<br />

breakthrough of this method of<br />

construction at the World<br />

exhibition in Brussels: there the<br />

state railway depot with<br />

spans of 43 meters set for a long<br />

time new standards.<br />

Im 19. Jahrhundert wurde der Baustoff<br />

Holz immer mehr von Stein, Stahl und<br />

Stahlbeton verdrängt. Die zimmermannsmäßige<br />

Verarbeitung von Holz<br />

galt zunehmend als veraltete, billige<br />

Bauweise, mit der man nur noch<br />

Schalungen für Betonkonstruktionen<br />

oder Dachstühle baute. Dabei ließ sich<br />

schon damals die statische Berechenbarkeit<br />

der Stahlkonstruktionen ebenso<br />

auf den Holzbau übertragen.<br />

Für den Ausbau der Eisenbahn in Nordamerika<br />

brauchte man Mitte des<br />

19. Jahrhunderts viele Brücken, die aus<br />

Kostengründen häufig aus Holz gebaut<br />

wurden. Für die bautechnische Entwicklung<br />

dieser Brücken ist besonders<br />

der von William Howe im Jahr 1840<br />

entwickelte Howe'sche Träger hervorzuheben,<br />

an dem die Hauptprobleme<br />

des damaligen Holzbaus deutlich werden:<br />

Howe entwickelte einen doppelt<br />

ausgekreuzten Fachwerkträger, der<br />

durch die Vorspannung der Zugvertikalen<br />

vorgespannt war und so alle<br />

Diagonalen auf Druck beanspruchte.<br />

Um einfache Verbindungspunkte zu<br />

erhalten, wurden die Vertikalen als<br />

Stahlstäbe ausgeführt, durch deren<br />

Vorspannung die Holzdiagonalen mit<br />

einem Druckstoß angeschlossen werden<br />

konnten. Alle Stäbe besaßen die<br />

gleiche Länge und konnten so von<br />

angelernten Hilfskräften aufgebaut<br />

werden. Wenn das Holz zu schwinden<br />

begann, konnten die Zugstäbe immer<br />

wieder nachgezogen werden.<br />

Auch im Hallenbau gab es um 1890<br />

ingenieurmäßige Entwicklungen für<br />

Tragwerke, die allesamt aus Brettlamellen<br />

zusammengesetzte Bogentragwerke<br />

waren, deren mechanische<br />

Verbindungspunkte wegen ihrer Nachgiebigkeit<br />

den Schwachpunkt darstellten<br />

(»Stephan'scher Bohlenbinder«,<br />

»Melzer-Bogen«, »Tuchscherer-Bogen«).<br />

Bereits 1809 empfahl der bayerische<br />

Brückenbaumeister Carl Friedrich<br />

Wiebeking deshalb in seinen »Beyträgen<br />

zur Brückenbaukunde« das<br />

Verleimen stark gekrümmter Bauhölzer:<br />

»Solche Verbindung der kleinen Bretter<br />

zu einem ganzen Baustücke, deren<br />

Stoßfuge abwechseln müssen, kann ich<br />

nicht genug beym Bau der Bogenbrücken<br />

und bey Treppen, kurz überall,<br />

wo man stark gekrümmte Bauhölzer<br />

nöthig hat empfehlen. Die einzelnen<br />

Bretter lassen sich nämlich nach der<br />

Lehre, selbst in Windungen krümmen;<br />

folglich ist eine Zusammensetzung<br />

davon zu Bogenbrücken und Treppenträgern<br />

sehr geschickt« [1].<br />

An diesem Punkt setzte die durch <strong>Otto</strong><br />

<strong>Hetzer</strong> vorangetriebene Entwicklung<br />

ein, die das vom Tischlerhandwerk her<br />

altbekannte Verleimen von Hölzern auf<br />

große Tragwerke übertrug.<br />

1 <strong>Otto</strong> <strong>Hetzer</strong> (1846 – 1911)<br />

<strong>db</strong> 8/2000 105<br />

1


Ingenieurporträt <strong>Otto</strong> <strong>Hetzer</strong> (1846 – 1911)<br />

Vom Zimmermann zum Konstrukteur<br />

Karl Friedrich <strong>Otto</strong> <strong>Hetzer</strong> wurde 1846<br />

in Kleinobringen bei Weimar geboren.<br />

Seine Lehrzeit als Zimmermann verbrachte<br />

er von 1860 bis 1863 in<br />

Apolda. Nach dem deutsch-französischen<br />

Krieg gründete er 1872 ein<br />

Dampfsägewerk und Zimmereigeschäft<br />

in Weimar. Der wirtschaftliche Aufschwung<br />

der Stadt in der Gründerzeit<br />

führte zur raschen Expansion des<br />

Betriebs, der 1883 in »Weimarische<br />

Bau- und Parkettfußbodenfabrik«<br />

umbenannt wurde. Im Jahr 1891<br />

wurde <strong>Otto</strong> <strong>Hetzer</strong> zum Großherzoglichen<br />

Hofzimmermeister ernannt.<br />

Bis 1910 erwarb er fünf Deutsche<br />

Reichspatente. Auf Grundlage dieser<br />

Patente entwarf <strong>Hetzer</strong> Dach- und Hallentragwerke<br />

und führte so den Holzleimbau<br />

zu seinem industriellen Durchbruch.<br />

<strong>Otto</strong> <strong>Hetzer</strong> erlebte kurz vor seinem<br />

Tod (1911) noch den technischen<br />

Durchbruch dieser Bauweise auf der<br />

Weltausstellung in Brüssel (1910) mit<br />

dem Bau der Reichseisenbahnhalle, die<br />

mit einer Spannweite von 43 Metern<br />

für lange Zeit Maßstäbe setzte (Bild 2).<br />

3<br />

Vom Fußboden zum Verbundträger<br />

Entsprechend der Firmengeschichte<br />

stellte sich auch die Entwicklung der<br />

einzelnen Patente dar.<br />

<strong>Hetzer</strong>s erstes Patent (DRP No. 63018)<br />

beschreibt einen unterlüfteten Dielenfußboden<br />

(Bild 3), der bei Bedarf (wenn<br />

das Holz schwindet) in den vorhandenen<br />

Richtleisten nachträglich zusammengeschoben<br />

werden konnte [2].<br />

Schon sein zweites Patent von 1900<br />

(DRP No. 125895) stellte einen zusammengesetzten,<br />

kastenförmigen Holzträger<br />

dar, der dem Momentenverlauf<br />

parabelförmig angepasst wurde (Bild 4).<br />

Die einzelnen Querschnittsteile wie<br />

Obergurte, Untergurte und Stege wurden<br />

durch ein nicht näher benanntes<br />

Klebemittel kraftschlüssig miteinander<br />

verleimt. Die beiden grundlegenden<br />

Probleme der belastungsabhängigen<br />

Querschnittsoptimierung und der Wahl<br />

des Verbindungsmittels wurden hier<br />

erstmals gelöst. Die Verleimung mehrerer<br />

Einzelquerschnitte stellt ebenso ein<br />

Mittel gegen das Verdrehen und Reißen<br />

dünnwandiger Holzquerschnitte dar.<br />

Die rege Bautätigkeit um die Jahrhundertwende<br />

führte bei sechs Meter<br />

weit gespannten Balken für die damals<br />

üblichen Holzdecken schließlich zu<br />

106 <strong>db</strong> 8/2000<br />

2<br />

2 Die Deutsche Eisenbahnhalle für die Weltausstellung<br />

1910 in Brüssel setzte mit einer Spannweite<br />

von 43 Metern für lange Zeit Maßstäbe<br />

3 Patent No 63018, Fußboden, 1892<br />

4 Patent No 125895, 1900, zusammengesetzter<br />

Holzbalken<br />

4


einer Verknappung und Verteuerung<br />

großer Holzquerschnitte [3].<br />

So wird das Patent Nummer 163144<br />

für einen Verbundträger von 1903<br />

genau zum richtigen Zeitpunkt erteilt.<br />

<strong>Otto</strong> <strong>Hetzer</strong> beschreibt darin die<br />

Herstellung eines Trägers mit großem<br />

Querschnitt aus einem der Länge nach<br />

parabelförmig zersägten Balken, zwischen<br />

dessen Schnittflächen ein Brett<br />

unter hohem Druck eingeleimt wird<br />

(Bild 5). Die Verleimung mit dem ent-<br />

5 Patent No 163144, 1903, parabelförmig zusammengesetzter<br />

Balken<br />

6 Patent No 225687,1907, Fachwerkträger aus<br />

Holz, bei denen die Diagonalen aus einem zickzackförmigen<br />

Holzstab bestehen<br />

5<br />

6<br />

gegen der zu erwartenden Durchbiegung<br />

eingedrückten Brett verhindert<br />

eine bleibende Verformung des Trägers<br />

unter Belastung beziehungsweise<br />

Eigengewicht. Über die Verwendung<br />

von Hölzern verschiedener Festigkeiten<br />

je nach Querschnitt sagt das Patent<br />

allerdings nichts aus. Die Sägeschnittführung<br />

war trotz geringen Verschnittes<br />

relativ aufwendig in der Herstellung.<br />

Eine verbreitete Anwendung dieses Patents<br />

konnte nicht nachgewiesen werden.<br />

Der Übergang zum Brettschichtträger<br />

mit mehreren Schichten ließ den<br />

parabelförmig verleimten Träger wieder<br />

in Vergessenheit geraten.<br />

Brettschicht- und Fachwerkträger<br />

1906 erwarb <strong>Otto</strong> <strong>Hetzer</strong> das Patent<br />

DRP No. 197773 für gebogene, verleimte<br />

Brettschichtträger aus zwei und<br />

mehr Lamellen, die auch unter Feuchtigkeit<br />

unlöslich miteinander verbunden<br />

sind. Der verwendete Leim wurde in<br />

der Patentschrift nicht genau bezeichnet.<br />

In der Regel verwendete <strong>Hetzer</strong><br />

einen Kaseinleim, dessen Rezept er mit<br />

den Patentrechten weitergab. In der<br />

Patentschrift wird die Verwendung der<br />

Brettschichtträger für gebogene Sparrendächer<br />

empfohlen. Obwohl auch<br />

hier nicht ausdrücklich von Lamellen<br />

verschiedener Festigkeiten die Rede ist,<br />

ermöglicht ihre Verwendung eine<br />

weitere Querschnittsoptimierung.<br />

Abgeschlossen wird die Reihe der<br />

<strong>Hetzer</strong>'schen Patente mit dem DRP No.<br />

225687 von 1907 für »Fachwerkträger<br />

aus Holz, bei denen die Diagonalen aus<br />

einem zickzackförmigen Holzstab<br />

bestehen« (Bild 6). Besonders bei der<br />

Konstruktion von Bogentragwerken<br />

größerer Spannweite führte die geringere<br />

Steifigkeit der Vollholzquerschnitte<br />

bei wechselnden Lasten zu hoher<br />

Biegebeanspruchung und damit zur<br />

Schwingungsanfälligkeit.<br />

7 Tragwerk aus einfach gevouteten Trägern<br />

8 Gerader Dreigelenkbinder mit Zugband<br />

9 Abgewinkelter Dreigelenkbinder mit<br />

angehobenem Zugband<br />

10 Abgewinkelter Dreigelenkbinderr mit<br />

angehobenem Zugband und Satteldach<br />

11 Gebogener Zweigelenkbinder mit Zugband<br />

<strong>db</strong> 6/2000 107<br />

7<br />

8<br />

9<br />

10<br />

11


Ingenieurporträt <strong>Otto</strong> <strong>Hetzer</strong> (1846 – 1911)<br />

12<br />

13<br />

14<br />

15<br />

16<br />

<strong>Hetzer</strong>s Ziel war es daher, Teile der<br />

Stegkonstruktion in Richtung der<br />

Hauptspannungstrajektorien als Druckoder<br />

Zugstreben auszubilden. Eine<br />

hohe Schubbeanspruchung der Vollholzquerschnitte<br />

parallel zur Holzfaser<br />

und zur Leimfuge konnte dadurch umgangen<br />

werden. Bisher wurde allerdings<br />

kein von <strong>Hetzer</strong> ausgeführtes<br />

Bauwerk dieser Art gefunden.<br />

Seine Patente wurden auf der Grundlage<br />

von Lizenzen vergeben, die von<br />

verschiedenen Ingenieuren und Holzbaufirmen<br />

in ganz Europa übernommen<br />

wurden. Bereits 1909 übernahm<br />

das Ingenieurbüro Terner und Chopard<br />

in Zürich die Patentrechte und baute<br />

auf deren Grundlage eine große Anzahl<br />

bemerkenswerter Gebäude. Seit 1921<br />

stellt auch die Firma Nemaho in<br />

Doetinchem Holzleimbinder her und<br />

exportiert diese heute noch weltweit.<br />

Dach- und Hallentragwerke <strong>Otto</strong><br />

<strong>Hetzer</strong> entwickelte zur besseren Vermarktung<br />

der Holzleimbinder Dachund<br />

Hallentragwerke, die er in der<br />

Firmenschrift von 1908 veröffentlichte<br />

(Bilder 7–16). Die Tragwerke zeigen die<br />

Vielfalt der im Holzleimbau nun möglich<br />

gewordenen freien Form, die sich<br />

den statischen und gestalterischen<br />

Erfordernissen anpassen konnte.<br />

»Im Gegensatz zu den bisherigen,<br />

nur auf reinen Erfahrungsgrundsätzen<br />

12 Tragwerk mit Zweigelenkfachwerkträger<br />

mit angehobenem Zugband<br />

13 Dreigelenkrahmen<br />

14 Dreigelenkbogen mit Satteldach<br />

15 Dreigelenkbogen mit runder Dachhaut<br />

16 Dreigelenkspitzbogen<br />

17 18<br />

beruhenden Holzkonstruktionen, die<br />

unnötig viel Material erforderten und<br />

trotzdem nur geringe Tragfähigkeit aufwiesen,<br />

haben wir unser besonderes<br />

Augenmerk darauf gerichtet, klare und<br />

theoretisch richtige Tragwerke zu konstruieren,<br />

deren Berechnung sich nach<br />

den neuen Methoden der Statik einwandfrei<br />

durchführen läßt. Unsere<br />

Systeme besitzen eine ungewöhnliche<br />

erhöhte Tragfähigkeit und sind dabei<br />

unter vollständiger Ausnutzung des<br />

Materials besonders sparsam konstruiert.«<br />

Mit der gleichen Sparsamkeit, mit der<br />

Stahl im Stahlbau verwendet wurde,<br />

wurde nun auch mit Holz gearbeitet.<br />

Dies führte zu den Doppel-T-förmigen<br />

Querschnitten in Holz. Dabei bestanden<br />

in der Regel die zwanzig Zentimeter<br />

breiten Ober- und Untergurte aus vier<br />

Lamellenlagen, die ungestoßen bis zu<br />

15 Meter lang waren. Im Stegbereich<br />

war der Querschnitt auf sechs Zentimeter<br />

reduziert und die Lamellenstöße<br />

als Vollstoß ausgebildet.<br />

Sparrendächer und Zweigelenkbögen<br />

Ein schönes Beispiel einer gebogenen<br />

Sparrendachkonstruktion mit angehobenem<br />

Zugband ist der Dachstuhl im<br />

1906 erbauten Naturhistorischen Museum<br />

in Altenburg. Die Sparren haben<br />

dort einen rechteckigen Querschnitt<br />

und sind im Abstand von etwa einem<br />

17, 18 Museum für Naturkunde in Altenburg,<br />

erbaut 1906<br />

108 <strong>db</strong> 8/2000


Meter angeordnet. Mit der angehobenen<br />

hölzernen Zange konnte der Saal in<br />

einer Höhe von vier Metern frei überspannt<br />

werden, ohne die Dachkonstruktion<br />

mit ihren acht Metern Spannweite<br />

übermäßig hoch werden zu<br />

lassen. Da die Zangen nicht überall<br />

durchgängig erforderlich waren, kam<br />

das Oberlicht noch ausreichend zur<br />

Geltung. Die geringen Horizontalkräfte<br />

am Auflager, die infolge eines höher<br />

gelegten Zugbands auftreten, wurden<br />

vom Mauerwerk aufgenommen [4].<br />

Eine Sonderform der Zweigelenkbogen-<br />

Kuppel auf ovalem Grundriss entstand<br />

1909 für die Stadtgartenhalle in Hagen.<br />

Sie überspannte eine Fläche von 12,30<br />

auf 17 Metern. Drei Zweigelenkbinder<br />

mit angehobenem Zugband und vier<br />

Gratbinder ergaben mit ringförmigen<br />

Pfetten die Auflager für die gebogenen<br />

Sparren. An der Unterspannung war<br />

eine Putzdecke abgehängt. Am Ende<br />

des Zweiten Weltkrieges wurde die<br />

Kuppel durch Bran<strong>db</strong>omben zerstört.<br />

Hallen aus Rahmenbindern mit Zugband<br />

Eine der Hallen in <strong>Hetzer</strong>-Bauweise<br />

entstand 1910 als Deutsche<br />

Eisenbahnhalle für die Weltausstellung<br />

in Brüssel (Bild 2). Sie bestand zwar nur<br />

als temporäres Gebäude, hatte aber mit<br />

ihren 43 Metern Spannweite ein erst<br />

sehr viel später wieder erreichtes Ausmaß.<br />

Der Zweigelenkrahmen mit<br />

14 Metern Scheitelhöhe hatte in 8,20<br />

Metern Höhe ein eisernes Zugband.<br />

Die im Querschnitt vorhandenen<br />

Spannungen wurden mit 136 kg/cm 2<br />

(1,36 KN/cm 2 ) angegeben, die auch<br />

heute mit Brettschichtholz BS14 zulässig<br />

wären. Aufgrund der Bindergröße<br />

waren für den Transport fünf Montagestöße<br />

erforderlich, die biegesteif ausgebildet<br />

waren.<br />

Der Entwurf der Halle stammt von Peter<br />

Behrens und lässt äußerlich wenig von<br />

der Leichtigkeit der Konstruktion, geschweige<br />

denn seine außerordentliche<br />

Spannweite vermuten. Die Statik des<br />

zweifach statisch unbestimmten<br />

Systems wurde von Hermann Kügler<br />

aus München berechnet und aufgrund<br />

der erstmaligen Verwendung im Holzbau<br />

vollständig veröffentlicht [5]. Die<br />

Form der Rahmen-Binder übernahm die<br />

<strong>Otto</strong> <strong>Hetzer</strong> AG 1912 beim Bau der<br />

Flugzeughallen in Weimar.<br />

Resümee Auch wenn <strong>Otto</strong> <strong>Hetzer</strong><br />

nicht als erster auf die Idee kam, Holzlamellen<br />

zu gebogenen Tragwerken<br />

miteinander zu verleimen, so hat er<br />

doch dem Holzleimbau durch eine<br />

statisch sinnvolle und wirtschaftliche<br />

Bauweise zum Durchbruch verholfen.<br />

Mit Entwicklung der statischen Grundlagen<br />

war nun der Weg frei für bis zu<br />

100 Meter weit gespannte Bogenbinder,<br />

über 160 Meter weit gespannte<br />

Kuppeln und ebenso weit gespannte<br />

Hängerippenschalen [6]. C.M.<br />

<strong>db</strong> 8/2000 109<br />

Literatur<br />

19<br />

19 Stadtgartenhalle<br />

in Hagen in Westfalen,<br />

erbaut 1909,<br />

Längsschnitt<br />

20 Die Zweigelenkbogen-Kuppel<br />

der<br />

Stadtgartenhalle<br />

in Hagen während<br />

des Aufbaus<br />

[1] Wiebeking, Carl Friedrich, Beyträge zur Brückenbaukunde,<br />

München 1809<br />

[2] Haarmann, A., Fußböden aus Rotbuchenholz,<br />

Centralblatt der Bauverwaltung, 1894/H. 7 S. 69<br />

[3] <strong>Hetzer</strong>, <strong>Otto</strong> (Sen.), <strong>Otto</strong> <strong>Hetzer</strong>, Weimar –<br />

Neue Holzbauweisen, Weimar 1908<br />

[4] Kersten, Christian, Freitragende Holzbauten,<br />

2. Auflage, Berlin 1926<br />

[5] Mannheimer; Franz, Eisenbahnhalle, Der Industriebau,<br />

1910, H. 8, S. 206–216<br />

[6] Müller, Christian, Holzleimbau, München 2000<br />

20

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