I n f o r m a t i o n - Dornbach-Gruppe
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Jahrgang 2 | JUNI 2010 Non-Profit-Organisationen<br />
Wirtschaftsprüfung | Steuerberatung<br />
Rechtsberatung | Unternehmensberatung<br />
Editorial<br />
An unsere Mandanten und Geschäftsfreunde<br />
In der zweiten Ausgabe der <strong>Dornbach</strong><br />
Information des Jahres 2010 wurde der<br />
Schwerpunkt auf die Umsatzsteuer gelegt.<br />
Es ist erkennbar, dass die Finanzverwaltung<br />
in ihren Betriebsprüfungen<br />
bislang umsatzsteuerfreie bzw. nicht<br />
steuerbare Tatbestände in Frage stellt<br />
und anzweifelt. Zwei Artikel beschäftigen<br />
sich deshalb mit dem Thema Zuschusszahlungen<br />
und Umsatzsteuerpflicht.<br />
Inhalt<br />
Seite 1 Editorial<br />
Seite 1-2 Seeling-Modell bei Vereinen auf<br />
dem Prüfstand<br />
Seite 2-3 Zivildienstleistungen im Bereich<br />
der sozialen Sicherheit<br />
Seite 3 Sind kirchliche Zuschüsse umsatzsteuerpflichtig?<br />
Seite 4-5 Unfälle im Verein –<br />
Sind Ihre Ehrenamtlichen<br />
pflichtversichert?<br />
Seite 5 Wann gefährden zu hohe<br />
Verwaltungskosten die Gemeinnützigkeit?<br />
Seite 6 USt-Behandlung von Zahlungen<br />
der Kommunen an Krankenhäuser<br />
- Betrauungsakt<br />
Seite 6-7 Kerngeschäft der Betreuungsvereine<br />
ist umsatzsteuerfrei<br />
I n f o r m a t i o n<br />
Hinsichtlich der Frage der Gemeinnützigkeit<br />
behandelt ein Artikel die Fragestellung,<br />
ob bzw. wann zu hohe<br />
Verwaltungskosten schädlich sein können.<br />
Seeling-Modell bei Vereinen auf dem Prüfstand<br />
Nach dem Fall „Seeling“ (EUGH-Urteil<br />
vom 8.5.2003) kann ein Unternehmer<br />
ein teilweise unternehmerisch und teilweise<br />
außerunternehmerisch genutztes<br />
Wirtschaftsgut vollständig seinem Unternehmensvermögen<br />
zuordnen und so<br />
die Vorteile aus dem vollen Vorsteuerabzug<br />
erzielen. Dieser Vorteil wird zwar<br />
über die Besteuerung des außerunternehmerischen<br />
Nutzungsanteils in den<br />
Folgejahren wieder kompensiert, es ergibt<br />
sich allerdings ein Liquiditätsvorteil.<br />
Bei gemeinnützigen Körperschaften<br />
entsteht darüber hinaus auch noch<br />
ein Steuervorteil, wenn diese den ermäßigten<br />
Steuersatz von 7% anwenden<br />
können. Bisher wurde davon ausgegangen,<br />
dass das „Seeling-Modell“<br />
auch Körperschaften, Vereinen und Stiftungen<br />
offenstünde. Dies hat der EUGH<br />
nun in einer wichtigen Entscheidung in<br />
Ausgabe 2 / 2010<br />
Frage gestellt (EUGH-Urteil vom<br />
12.2.2009).<br />
Eine Vereinigung von auf dem Agrarsektor<br />
tätigen Unternehmen (VNLTO)<br />
organisierte in den Niederlanden deren<br />
Interessenvertretung. Neben dieser unstreitig<br />
als nichtunternehmerische Tätigkeit<br />
zu wertenden Lobbyarbeit erbrachte<br />
die VNLTO auch entgeltliche<br />
Dienstleistungen an einzelne Mitglieder<br />
und war daher auch unternehmerisch<br />
tätig. Sie machte aus bezogenen Eingangsleistungen<br />
den vollen Vorsteuerabzug<br />
geltend. Die Finanzbehörde ließ<br />
dagegen den Abzug nur zu 49% zu.<br />
Dies entsprach dem Umfang der unternehmerischen<br />
Betätigung.<br />
Weiter auf Seite 2<br />
Seite 1 / 7
Jahrgang 2 | JUNI 2010 Non-Profit-Organisationen<br />
Im Klageverfahren ging es insbesondere<br />
darum, ob sich das Vollzuordnungswahlrecht<br />
nur auf bezogene<br />
Wirtschaftsgüter oder auch auf Dienstleistungen<br />
bzw. nicht als Investitionsgüter<br />
zu beurteilende Gegenstände<br />
bezieht. Darüber hinaus gehend sollte<br />
der EUGH im Rahmen eines Vorabentscheidungsersuchens<br />
klären, wie die<br />
Regelung zur Besteuerung des außerunternehmerischen<br />
Nutzungsanteils in<br />
diesem Zusammenhang zu verstehen<br />
sei.<br />
Der EUGH verneinte den vollen Vorsteuerabzug<br />
für die VNLTO, da die<br />
Wahrnehmung der Interessen der Mitglieder<br />
nicht zu steuerbaren Leistungen<br />
führe, die zum Vorsteuerabzug berechtigen<br />
würden. Die Zuordnung zum Unternehmensbereich<br />
im Sinne der Mehrwertsteuer-Systemrichtlinie<br />
setzt außerdem<br />
die „Verwendung eines dem Unternehmen<br />
zugeordneten Gegenstands<br />
für den privaten Bedarf des Steuerpflichtigen,<br />
für den Bedarf seines Personals<br />
oder allgemein für unternehmensfremde<br />
Zwecke“ voraus. Der<br />
EUGH kam zur Auffassung, dass keine<br />
zuordnungsfähigen Leistungen im<br />
Sinne der Mehrwertsteuer-Systemrichtlinie<br />
vorliegen. Die von der VNLTO ausgeführten<br />
Leistungen sind nach Ansicht<br />
des Gerichts zwar nichtwirtschaftlich,<br />
Am 23.7.2009 hat der Bundesfinanzhof<br />
(BFH) eine Entscheidung zur umsatzsteuerlichen<br />
Behandlung der Leistung<br />
von Vereine aufgrund eines nach § 5a<br />
Abs. 2 Zivildienstgesetz (ZDG) abgeschlossenen<br />
Vertrages getroffen (AZ: V<br />
R 93/07).<br />
Zusammengefasst lässt sich die Entscheidung<br />
des BFH mit folgenden Leitsätzen<br />
beschreiben:<br />
I n f o r m a t i o n<br />
aber nicht unternehmensfremd, da die<br />
Wahrnehmung der allgemeinen Interessen<br />
der Mitglieder den Hauptzweck<br />
dieser Vereinigung darstellt.<br />
Der EUGH unterscheidet somit nicht<br />
mehr wie bisher nur zwischen unternehmerischer<br />
und nichtunternehmerischer<br />
Sphäre, sondern innerhalb der<br />
nichtunternehmerischen Sphäre zusätzlich<br />
zwischen unternehmensfremden<br />
und dem Unternehmen obliegenden<br />
Tätigkeiten.<br />
Ging man bisher davon aus, dass der<br />
Begriff „unternehmensfremd“ mit dem<br />
Begriff der „nicht im unternehmerischen<br />
Bereich“ anfallenden Leistungen<br />
gleichzusetzen war, bezieht er sich<br />
nach Auffassung des EUGH nunmehr<br />
darauf, ob die Verwendung der Gegenstände<br />
für konkrete Zwecke des Unternehmens<br />
erfolgt. Der EUGH legt den<br />
Begriff unternehmensindividuell aus.<br />
Diese Auslegung führt dazu, dass natürliche<br />
und juristische Personen unterschiedlich<br />
behandelt werden. Bei einer<br />
Privatperson kann die nichtunternehmerische<br />
Verwendung in Form der Verwendung<br />
für den privaten Bedarf dem<br />
Unternehmen zugeordnet werden. Bei<br />
einer Körperschaft ist eine Verwendung<br />
für private Zwecke ausgeschlossen, da<br />
diese keine Privatsphäre besitzen.<br />
Zivildienstleistungen im Bereich der sozialen Sicherheit<br />
1.<br />
Als eng mit der Sozialfürsorge und sozialen<br />
Sicherheit verbundene Dienstleistungen<br />
und damit nach Art. 13 Teil A<br />
Abs. 1 Buchstabe g der Mehrwertsteuer-Systemrichtlinie<br />
steuerfrei, können<br />
Leistungen sein, die ein Verein<br />
aufgrund eines nach § 5a Abs. 2 ZDG<br />
abgeschlossenen Vertrages erbringt.<br />
Die Leistungen müssen dazu dienen,<br />
dass Zivildienstleistende für amtliche<br />
Beschäftigungsstellen im sozialen Bereich<br />
tätig sind.<br />
Ausgabe 2 / 2010<br />
Gerade bei gemeinnützigen Körperschaften<br />
ist es unwahrscheinlich, dass<br />
unternehmensfremde Zwecke verfolgt<br />
werden. Der ideelle, nichtunternehmerische<br />
Bereich ist in der Regel ihr<br />
Hauptzweck. Die Regelungen des Gemeinnützigkeitsrechts<br />
stehen einer<br />
Nutzung im unternehmensfremden Bereich<br />
entgegen.<br />
Wie die Finanzverwaltung auf die<br />
Rechtsprechung des EUGH reagieren<br />
wird, muss abgewartet werden. Die Finanzverwaltung<br />
hatte das Seeling-Modell<br />
anerkannt (BMF-Schreiben vom<br />
30.3.2004, BStBl. I 2004, S. 451) und<br />
keine „rechtsform- oder betätigungsspezifischen“<br />
Einschränkungen vorgenommen.<br />
An dieser Sichtweise wird die<br />
Finanzverwaltung nach dem Urteil wohl<br />
nicht länger festhalten können. Aufgrund<br />
der bislang gegenteiligen mehrjährigen<br />
Besteuerungspraxis wird die<br />
Finanzverwaltung für bereits getätigte<br />
Investitionen wahrscheinlich Übergangsregelungen<br />
und Vertrauensschutzregelungen<br />
schaffen müssen. Bei<br />
Neufällen sollten Körperschaften aber<br />
mit einem Ende des Seeling-Modells<br />
rechnen.<br />
StB Michael Müller<br />
2.<br />
Derartige Leistungen können auch dem<br />
ermäßigten Steuersatz nach § 12 Abs.<br />
2 Nr. 8a UStG unterliegen.<br />
Es ist zu begrüßen, dass damit eine<br />
zwar noch nicht abschließende höchstrichtliche<br />
Entscheidung zu diesem seit<br />
Jahren strittigen Sachverhalt gegeben<br />
ist. Zur abschließenden Aufklärung und<br />
letztlicher Entscheidung hat der BFH<br />
seinen Entschluss an das Niedersächsische<br />
Finanzgericht zurückverwiesen.<br />
Weiter auf Seite 3<br />
Seite 2 / 7
Jahrgang 2 | JUNI 2010 Non-Profit-Organisationen<br />
Diese Zurückverweisung hat jedoch<br />
ausschließlich klarstellenden Charakter,<br />
denn in dem im Urteil zugrunde liegenden<br />
Fall ergab sich die Frage, ob die<br />
Umsatzbesteuerung unmittelbar nach<br />
Gemeinschaftsrecht (1. Leitsatz) erfolgt<br />
oder der ermäßigten Umsatzsteuersatz<br />
(2. Leitsatz) zur Anwendung gelangt.<br />
Insgesamt hat der BFH jedoch rechtlich<br />
eindeutige Feststellungen getroffen, da<br />
auf der Grundlage des Urteils nur noch<br />
diese beiden Alternativen möglich sind.<br />
Nach der Entscheidung des BFH sind<br />
die Leistungen unmittelbar nach Gemeinschaftsrecht<br />
(1. Leitsatz) steuerfrei,<br />
soweit es sich um eng mit der<br />
Sozialfürsorge und der sozialen Sicherheit<br />
verbundene Dienstleistungen handelt.<br />
Dies ist der Fall wenn die<br />
Beschäftungsstelle und Zivildienstleistenden<br />
ihrerseits Leistungen erbringen,<br />
welche die obigen sozialen<br />
Kriterien erfüllen. Mit ihren sozialen<br />
Aufgaben dürfte bei den anerkannten<br />
I n f o r m a t i o n<br />
Spitzenverbänden der freien Wohlfahrtspflege<br />
diese Voraussetzung erfüllt<br />
sein. Der für die Steuerfreiheit der Leistungen<br />
erforderliche Status der leistenden<br />
Vereine als Einrichtung mit<br />
sozialem Charakter, ergibt sich nach<br />
Ansicht des BFH schon aus der Zugehörigkeit<br />
der Vereine zu einem anerkannten<br />
Verband der freien Wohlfahrtspflege.<br />
Verbände und Beschäftigungsstellen,<br />
die in den Bereichen Landschaftspflege,<br />
Umwelt- und Naturschutz tätig<br />
sind, kommen nicht in den Genuss der<br />
Steuerbefreiung. Hier kommt der ermäßigte<br />
Steuersatz nach § 12 Abs. 2 Nr.<br />
8a UStG in Betracht. An dieser Stelle<br />
zeigt der BFH auf, dass die Anwendung<br />
des ermäßigten Steuersatzes nicht an<br />
§ 65 Nr. 2 AO scheitert, da sich dieser<br />
wirtschaftliche Geschäftsbetrieb nicht<br />
von der Verfolgung steuerbegünstigter<br />
Zwecke trennen lässt, sondern als Mittel<br />
zur Zweckerreichung fungiert<br />
Sind kirchliche Zuschüsse umsatzsteuerpflichtig?<br />
Zur Verwirklichung steuerbegünstigter<br />
Zwecke werden im Bereich der Freien<br />
Wohlfahrtspflege häufig Zuschüsse aus<br />
Kirchensteuermitteln gewährt. Diese<br />
Zuschüsse wurden zumindest bislang<br />
regelmäßig als echte und damit nicht<br />
steuerbare Umsätze gewürdigt. An der<br />
Richtigkeit dieser Würdigung können<br />
jedoch Zweifel aufkommen, betrachtet<br />
man das Urteil des Bundesfinanzhofs<br />
(BFH) vom 27.11.2008 (AZ: V R 8/07).<br />
Hier hat der BFH entschieden, dass ein<br />
steuerbarer Leistungsaustausch und<br />
damit kein Zuschuss gegeben ist, wenn<br />
ein Verein gegenüber einem Mitglied,<br />
einer Körperschaft des öffentlichen<br />
Rechts, journalistische Medienarbeit erbringt<br />
und hierfür einen als Finanzzuweisung<br />
deklarierten Jahresbeitrag<br />
erhält. Auch eine durch einen Haushaltsbeschluss<br />
gedeckte Ausgabe der<br />
öffentlichen Hand könne mit einer Gegenleistung<br />
des Empfängers unmittelbar<br />
in Zusammenhang stehen. Nach<br />
Auffassung des BFH ist für die Annahme<br />
eines steuerbaren Leistungsaustauschs<br />
nicht die haushaltsrechtliche<br />
Befugnis zur Ausgabe sondern der<br />
Grund der Zahlung maßgebend. Der<br />
BFH führt aus, dass zwischen der Leistung<br />
und einem erhaltenen Gegenwert<br />
ein unmittelbarer Zusammenhang bestehen<br />
muss. Dieser Zusammenhang<br />
muss sich weiter aus einem zwischen<br />
dem Leistenden und dem Leistungsempfänger<br />
bestehenden Rechtsverhältnis ergeben,<br />
in dessen Rahmen gegenseitige<br />
Leistungen ausgetauscht werden. Unerheblich<br />
ist, ob das Rechtsverhältnis<br />
schuldrechtlicher oder gesellschaftsrechtlicher<br />
Natur ist.<br />
Daneben muss der Leistungsempfänger<br />
identifizierbar sein und einen Vorteil<br />
erhalten, der zu einem Verbrauch<br />
im Sinne des Mehrwertsteuerrechts<br />
führt. Deshalb kann es bei Zahlungen<br />
aus öffentlichen Kassen an einem Leistungsaustausch<br />
fehlen, wenn die Zah-<br />
Ausgabe 2 / 2010<br />
(Zweckbetrieb). Ein Wettbewerb zu anderen,<br />
dem Regelsteuersatz unterliegenden<br />
Konkurrenten (§ 65 Nr. 3 AO)<br />
schließt der BFH aus, da nach der gesetzlichen<br />
Bestimmung des ZDG nur<br />
Verbände für die ihnen angeschlossenen<br />
Beschäftigungsstellen beauftragt<br />
werden können.<br />
Das Urteil des BFH ist zu begrüßen,<br />
zumal nun eine Entscheidung zu dem<br />
seit Jahren strittigen Sachverhalt vorliegt.<br />
Bei den anerkannten Spitzenverbänden<br />
der freien Wohlfahrtspflege<br />
sind die Leistungen nach § 5a Abs. 2<br />
ZDG aufgrund der von den Beschäftigungsstellen<br />
regelmäßig erbrachten<br />
eng mit der Sozialfürsorge und sozialen<br />
Sicherheit verbundenen Leistungen<br />
unmittelbar nach Gemeinschaftsrecht<br />
(1. Leitsatz) von der Umsatzsteuer befreit.<br />
WPIStB Ulrich Daute<br />
lung lediglich der Förderung der Tätigkeit<br />
des Empfängers aus strukturpolitischen,<br />
volkswirtschaftlichen oder<br />
allgemeinpolitischen Gründen dient. In<br />
diesen Fällen wird die Zahlung zur Förderung<br />
des leistenden Unternehmers<br />
und nicht im überwiegenden Interesse<br />
des Leistungsempfängers geleistet.<br />
Wenn jedoch die Zahlung zur Ausführung<br />
bestimmter Leistungen im Interesse<br />
des Zahlenden erfolgt, nimmt der<br />
BFH einen Leistungsaustausch an.<br />
Gegenwärtig ist nicht absehbar, welche<br />
Konsequenzen die Finanzverwaltung<br />
aus dem vorgenannten Urteil ableitet.<br />
Zur Vermeidung von umsatzsteuerlichen<br />
Risiken sollte neben der Umsatzsteuerbarkeit<br />
der kirchlichen Zuschüsse<br />
auch die Möglichkeit einer Steuerbefreiung<br />
auf der Ebene des Leistungserbringers<br />
geprüft werden.<br />
WPIStB Ulrich Daute<br />
Seite 3 / 7
Jahrgang 2 | JUNI 2010 Non-Profit-Organisationen<br />
I n f o r m a t i o n<br />
Unfälle im Verein – Sind Ihre Ehrenamtlichen pflichtversichert?<br />
Stellen Sie sich bitte einmal folgende<br />
Situation vor:<br />
Bei der Aufstellung eines Festzeltes anlässlich<br />
einer Veranstaltung Ihres Vereins<br />
stürzt einer Ihrer Ehrenamtler von<br />
der Leiter und bricht sich einen Lendenwirbel.<br />
Nach Betroffenheit und Leid werden die<br />
Vereinsverantwortlichen sowie die geschädigten<br />
Ehrenamtler sehr bald mit<br />
einem weiteren Aspekt konfrontiert.<br />
Wer zahlt?<br />
Wer übernimmt die Kosten für berufliche<br />
und soziale Rehabilitation? Wer die<br />
Kosten des Lebensunterhaltes während<br />
der Rehabilitation? Und wer entschädigt<br />
bei bleibender Beeinträchtigung der Erwerbsfähigkeit?<br />
Der spontane Gedanke an den Schutz<br />
durch die gesetzliche Unfallversicherung<br />
kann all zu oft nicht über den Moment<br />
hinaus beruhigen. Denn es gilt:<br />
Ehrenamtlich Tätige sind nur in bestimmten<br />
Fällen in der Berufsgenossenschaft<br />
pflichtversichert!<br />
Zu unterscheiden sind hier zwei Fallgruppen:<br />
1. Bei bestimmten Vereinstätigkeiten<br />
gemäß § 2 Abs.1 SGB VII<br />
Im Verhältnis zwischen Träger und Engagierten<br />
werden Schädigungen durch<br />
die gesetzliche Unfallversicherung (Sozialgesetzbuch<br />
Siebtes Buch [SGB VII] –<br />
Gesetzliche Unfallversicherung) für Personen<br />
abgedeckt, die insbesondere in<br />
folgenden Bereichen bürgerschaftlich<br />
engagiert sind:<br />
• im Gesundheitswesen oder in der<br />
Wohlfahrtspflege,<br />
• für Körperschaften, Anstalten oder<br />
Stiftungen des öffentlichen Rechts<br />
oder deren Verbände oder Arbeitsgemeinschaften,<br />
• für öffentlich-rechtliche Religionsgemeinschaften,<br />
• für Lehrwerkstätten, Schulungskurse<br />
und ähnliche Einrichtungen, Kindertageseinrichtungen,<br />
allgemein- oder<br />
berufsbildende Schulen sowie Hochschulen,<br />
• im Zivil- und Katastrophenschutz<br />
sowie<br />
• Unglückshelfer/Lebensretter.<br />
In der gesetzlichen Unfallversicherung<br />
sind Personen – ohne eigene Beitragszahlung<br />
– in den Unfallversicherungsschutz<br />
einbezogen.<br />
Wer sich für andere private Einrichtungen,<br />
wie z. B. Sportvereine, Arbeitgeberverbände,<br />
Gewerkschaften, ehrenamtlich<br />
engagiert, unterliegt grundsätzlich<br />
nicht dem Schutz der gesetzlichen<br />
Unfallversicherung.<br />
2. Die sog. „Wie-Beschäftigung“<br />
gemäß § 2 Abs.2 SGB VII<br />
Darunter sind Tätigkeiten zu verstehen,<br />
die wie ordentlich versicherungspflichtige<br />
Tätigkeiten in einem Beschäftigungsverhältnis<br />
ausgeübt werden, auch<br />
dann wenn diese Tätigkeiten unentgeltlich<br />
erfolgen. Voraussetzung ist jedoch,<br />
dass ein Vereinsmitglied für den Verein<br />
Arbeitsleistungen erbringt, die über die<br />
Mitgliedspflichten hinausgehen.<br />
Hier jedoch sind die Hürden hoch.<br />
Das Sozialgericht Fulda hat jüngst mit<br />
seinem Urteil vom 19.1.2010 folgendes<br />
entschieden:<br />
„Wer als Mitglied eines Vereins bei dessen<br />
Veranstaltungen Helfertätigkeiten<br />
ausführt, steht auch dann nicht unter<br />
dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung,<br />
wenn er dabei besondere<br />
Fähigkeit, die er aufgrund seiner Berufsausbildung<br />
erworben hat, zur An-<br />
Ausgabe 2 / 2010<br />
wendung bringt. Dies gilt jedenfalls<br />
dann, wenn die Helfertätigkeit der Erledigung<br />
typischerweise notwendige Arbeiten<br />
zur Durchführung der Vereinsveranstaltung<br />
dient.“<br />
In dem zu entscheidenden Fall verunglückte<br />
ein für seinen Verein ehrenamtlich<br />
Tätiger bei Installationsarbeiten, für<br />
die er als Elektromeister besonders geeignet<br />
war.<br />
Leistungsansprüche an die Berufsgenossenschaft<br />
wurden zurückgewiesen.<br />
Der Ehrenamtler klagte. Das Sozialgericht<br />
wies die Klage aus vorgenannten<br />
Gründen zurück.<br />
Als „Nadelöhr“ erweist sich die Abgrenzung<br />
von Tätigkeiten in Erfüllung typischerweise<br />
notwendiger Arbeiten im<br />
Rahmen mitgliedschaftlicher Vereinspflichten<br />
und jener die über diesen Umfang<br />
hinausgehen. Nur für Letztere<br />
besteht Versicherungsschutz.<br />
Hierzu führt das Gericht in seiner Urteilsbegründung<br />
aus:<br />
„Gegen Arbeitsunfall versichert sind<br />
Personen, die wie ein nach § 2 Abs. 1<br />
SGB VII Versicherter tätig werden (also<br />
innerhalb einem ordentlichen Beschäftigungsverhältnis<br />
tätig werden; Anm. d.<br />
Verf.). Die Anwendung der Vorschrift erfordert<br />
eine ernsthafte, dem Unternehmen<br />
zu dienen bestimmte und seinem<br />
wirklichen oder mutmaßlichen Willen<br />
entsprechende Tätigkeit, die ihrer Art<br />
nach sonst von Personen verrichtet<br />
werden könnte, die in einem dem allgemeinen<br />
Arbeitsmarkt zuzurechnenden<br />
Beschäftigungsverhältnis stehen und<br />
die unter solchen Umständen geleistet<br />
wird, dass sie einer Tätigkeit aufgrund<br />
eines Beschäftigunsverhältnisses ähnlich<br />
ist.<br />
Weiter auf Seite 5<br />
Seite 4 / 7
Jahrgang 2 | JUNI 2010 Non-Profit-Organisationen<br />
Eines persönlichen oder wirtschaftlichen<br />
Abhängigkeitsverhältnisses bedarf<br />
es bei einem Tätigwerden nach § 2 Abs.<br />
2 i.V.m. Abs. 1 Nr. 1 SGB VII nicht.“<br />
Maßgeblich ist das Überschreiten einer<br />
Geringfügigkeitsgrenze hinsichtlich Art<br />
und Umfang der Tätigkeit. Allgemein<br />
betrachtet ist die Grenze der Geringfügigkeit<br />
dort überschritten, wo sich eine<br />
Arbeitsleistung von wirtschaftlichem<br />
Wert deutlich erkennbar von dem Maß<br />
an vergleichbarer Aktivität abhebt, das<br />
die Vereinsmitglieder üblicherweise<br />
aufwenden.<br />
Die Geringfügigkeitsgrenze wird demnach<br />
nicht zuletzt von der Vereinsübung<br />
determiniert. Welche Tätigkeiten<br />
genau sind in Ihrem Verein eigentlich<br />
üblich?<br />
Zu hohe Verwaltungskosten können<br />
den Status der Gemeinnützigkeit gefährden.<br />
Mittel der Körperschaft dürfen<br />
grundsätzlich nur für satzungsmäßige<br />
Zwecke verwendet werden. Zudem verbergen<br />
sich hinter zu hohen Verwaltungskosten<br />
oft überhöhte Personalkosten.<br />
Eine Körperschaft kann nicht als gemeinnützig<br />
behandelt werden, wenn<br />
ihre Ausgaben für die allgemeine Verwaltung,<br />
einschließlich der Werbung<br />
um Spenden, einen angemessenen<br />
Rahmen übersteigen (§ 55 Abs. 1 Nr.1<br />
und 3 AO). Das Gesetz enthält jedoch<br />
keine absoluten oder prozentualen<br />
Obergrenzen für die Verwaltungskosten<br />
und die Aufwendungen für die Spendenwerbung.<br />
Entscheidendes Merkmal<br />
ist deshalb, ob bei Berücksichtigung<br />
der Umstände des Einzelfalls das Ausgabeverhalten<br />
der Körperschaft angemessen<br />
ist. Ein Ausgabeverhalten ist<br />
angemessen, wenn es ökonomisch<br />
sinnvoll ist und dazu beiträgt, dass ein<br />
möglichst hoher Anteil der Mittel unmittelbar<br />
und effektiv für den Satzungszweck<br />
eingesetzt wird. Weiterhin<br />
ist zu beachten, ob sich die Körper-<br />
I n f o r m a t i o n<br />
Längst haben wir erkannt, dass eine<br />
Abgrenzung nicht schematisch möglich<br />
und somit schwierig ist.<br />
Hier genau entscheidet sich jedoch, ob<br />
im Schädigungsfall die gesetzliche Unfallversicherung<br />
greift oder nicht. Das<br />
Problem hat also durchaus Anspruch<br />
als Problem erkannt zu werden.<br />
Fazit:<br />
Gehören Ihre Vereinsaktivitäten zur ersten<br />
der vorgenannten Fallgruppen (bestimmte<br />
Vereinstätigkeiten) und kommt<br />
es in Ausübung dieser Aktivitäten zu<br />
einer Schädigung eines Ihrer Ehrenamtlichen<br />
besteht Versicherungsschutz<br />
durch die gesetzliche Unfallversicherung.<br />
Wann gefährden zu hohe Verwaltungskosten die Gemeinnützigkeit?<br />
schaft in der Gründungs- und Aufbauphase<br />
befindet in der sie erst einmal<br />
einen sehr hohen Anteil ihrer Mittel für<br />
die Verwaltung und Spendenwerbung<br />
verwenden muss. Jedoch ist hier wieder<br />
in Bezug auf die Dauer der Gründungs-<br />
und Aufbauphase der Einzelfall<br />
zu betrachten (BFH-Beschluss vom<br />
23.9.1998).<br />
Nach dem BFH-Beschluss (s. o.) dürfen<br />
höchstens 50% der Einnahmen aus<br />
Geldspenden für die Kosten der Verwaltung<br />
und die Spendenwerbung verbraucht<br />
werden. Die Personalkosten<br />
werden entsprechend auf die verrichteten<br />
Tätigkeiten aufgeteilt. (BMF –<br />
Schreiben vom 15.5.2000, IV C 6 – S<br />
0170 – 35/00). Es ist jedoch festzuhalten,<br />
dass diese 50%-Grenze nicht generell<br />
auf jede Körperschaft anzuwenden<br />
ist. Vielmehr kommt es auf die<br />
Umstände des jeweiligen Einzelfalls an.<br />
Aufgrund dessen kann eine für die Gemeinnützigkeit<br />
schädliche Mittelverwendung<br />
auch schon bei einem<br />
deutlich geringeren prozentualen Anteil<br />
der Verwaltungsausgaben vorliegen.<br />
Ausgabe 2 / 2010<br />
Entsteht die Schädigung eines Ihrer Ehrenamtlichen<br />
jedoch bei einer darüber<br />
hinausgehenden Tätigkeit für Ihren Verein,<br />
stellt sich die Frage nach der Einordnung<br />
der Tätigkeit in die „Wie-<br />
Beschäftigung“ gemäß § 2 Abs.2 SGB<br />
VII. Mit der oben skizzierten Abgrenzungsproblematik.<br />
Für die Vereinsverantwortlichen ist zu<br />
überlegen, inwieweit eine freiwillige<br />
Versicherung zum Schutz ihrer Ehrenamtlichen<br />
geboten ist. In Betracht<br />
kommt hier die Berufsgenossenschaft<br />
(Beitragsatz 2009 der VBG pro Person<br />
und Jahr EUR 2,73) oder eine private<br />
Unfallversicherung.<br />
Betriebswirt (VWA) Markus Schmidt<br />
Es ist in der Regel nicht zu beanstanden,<br />
wenn eine Körperschaft jährlich<br />
Mittel für die Generierung neuer Mitglieder<br />
in Höhe von rund 10% der gesamten<br />
Mitgliedsbeiträge des Jahres<br />
aufwendet (BFH – Urteil vom<br />
18.12.2002 I R 60/01).<br />
Die Gemeinnützigkeit ist auch dann gefährdet,<br />
wenn zwar das Verhältnis der<br />
Verwaltungsausgaben zu den Ausgaben<br />
für die steuerbegünstigten Zwecke<br />
insgesamt nicht zu beanstanden ist,<br />
aber einzelne Verwaltungsausgaben<br />
wie das Geschäftsführergehalt oder die<br />
Aufwendungen für Mitglieder- und<br />
Spendenwerbung (§ 55 Abs. 1 Nr. 3AO)<br />
nicht angemessen sind. Die Kosten für<br />
die Geschäftsführung einschließlich<br />
Reisekosten werden grundsätzlich<br />
unter die Verwaltungskosten subsumiert.<br />
Sie können aber den Kosten für<br />
steuerbegünstigte Zwecke zugeordnet<br />
werden, wenn die Geschäftsführung<br />
unmittelbar bei gemeinnützigen Projekten<br />
mitwirkt.<br />
StBin Andrea Müsch<br />
Seite 5 / 7
Jahrgang 2 | JUNI 2010 Non-Profit-Organisationen<br />
I n f o r m a t i o n<br />
USt-Behandlung von Zahlungen der Kommunen an Krankenhäuser – Betrauungsakt<br />
Das Bundesministerium der Finanzen<br />
hat mit Datum vom 19.10.2009 ein<br />
Schreiben herausgegeben, das zur<br />
Frage der umsatzsteuerlichen Behandlung<br />
von Defizitausgleichszahlungen<br />
der Kommunen an Krankenhäuser in<br />
kommunaler Trägerschaft aufgrund<br />
eines Betrauungsaktes Stellung nimmt.<br />
Diese Frage wurde in der Sitzung USt<br />
IV/09 mit den Referatsleitern Umsatzsteuer<br />
der obersten Finanzbehörden<br />
der Länder erörtert. In dieser Sitzung<br />
haben die Referatsleiter einen Beschluss<br />
zu dieser Frage gefasst.<br />
Nach diesem Beschluss sind für die<br />
Frage, ob die Zuwendung einer Kommune<br />
an einen Dritten aufgrund eines<br />
Betrauungsaktes (Übertragung der Aufgabendurchführung)<br />
ein echter Zuschuss<br />
i.S.d. Abschn. 150 Abs. 7 UStR<br />
(Umsatzsteuerrichtlinie) 2008 ist, die<br />
Gesamtumstände des Einzelfalls maßgeblich.<br />
Die beihilferechtliche formale<br />
Voraussetzung eines Betrauungsakts<br />
ändert nichts an den Voraussetzungen<br />
einer steuerbaren Leistung.<br />
Zur Abwehr von Wettbewerbsverzerrungen<br />
durch die umsatzsteuerliche Begünstigung<br />
der Leistungen der als<br />
gemeinnützig anerkannten Organisationen,<br />
die zu einer Benachteiligung von<br />
nicht steuerbegünstigten erwerbswirtschaftlichen<br />
Marktteilnehmern führt,<br />
hat der deutsche Gesetzgeber in der<br />
entsprechenden Befreiungsvorschrift (§<br />
4 Nr. 18 Buchst. c UStG) ein sog. Entgeltabstandsgebot<br />
vorgesehen.<br />
Bezogen auf Betreuungsleistungen der<br />
Vereinsbetreuer hat dieses Abstandsgebot<br />
zum Gegenstand, dass die Entgelte<br />
für die Betreuungsleistungen der Vereinsbetreuer<br />
hinter den durchschnittlich<br />
für gleichartige Leistungen von<br />
Die Referatsleiter Umsatzsteuer erkennen<br />
an, dass bei Fehlbetragsfinanzierungen<br />
der Kommunen im Krankenhaussektor<br />
viel dafür spricht, dass<br />
echte Zuschüsse vorliegen.<br />
Sie gehen insoweit davon aus, dass<br />
sich durch das Erfordernis eines Betrauungsakts<br />
nichts an den bestehenden<br />
Voraussetzungen eines echten<br />
Zuschusses geändert hat.<br />
Nach der Auffassung der Referatsleiter<br />
ist es aber nicht möglich, im Falle eines<br />
Betrauungsakts einer Kommune im<br />
Krankenhaussektor generell anzunehmen,<br />
dass geleistete Ausgleichszahlungen<br />
echte Zuschüsse sind. Insbesondere<br />
wird es als nicht ausreichend<br />
für die Annahme eines echten Zuschusses<br />
erachtet, dass ein bestimmtes Muster<br />
für einen Betrauungsakt verwendet<br />
wird. Eine Entbindung der Steuerverwaltungen<br />
der Länder von der erforderlichen<br />
Prüfung des Einzelfalls ist nicht<br />
möglich. Daraus folgt, dass jeweils zu<br />
prüfen ist, ob die Ausgleichszahlungen<br />
Kerngeschäft der Betreuungsvereine ist umsatzsteuerfrei<br />
Erwerbsunternehmen – also Berufsbetreuern<br />
– verlangten Entgelten zurückbleiben<br />
müssen.<br />
In den Jahren bis 1998 erhielten die<br />
Vereinsbetreuer ausschließlich Stundenvergütungen,<br />
die von den zuständigen<br />
Rechtspflegern festgesetzt wurden.<br />
Berufsbetreuer hingegen erhielten<br />
darüber hinaus Erstattungen für Aufwendungen<br />
der allgemeinen Verwaltung<br />
und der Haftpflichtversicherung.<br />
Damit blieben die Entgelte für die Betreuungsleistungen<br />
der Vereinsbetreuer<br />
hinter den Entgelten für Betreuungsleistungen<br />
der erwerbswirtschaftlich handelnden<br />
Berufsbetreuern zurück – dem<br />
Ausgabe 2 / 2010<br />
der Kommune eine Gegenleistung für<br />
einzelne, im Betrauungsakt aufgeführte<br />
Dienstleistungen sind. Dabei sind die<br />
allgemeinen Grundsätze des Abschn.<br />
150 Abs. 7 UStR zu echten Zuschüssen<br />
heranzuziehen. Eine Veranlassung, für<br />
den Krankenhaussektor besondere<br />
Feststellungen zu treffen, sehen die Referatsleiter<br />
Umsatzsteuer nicht.<br />
Will man im Einzelfall Rechtssicherheit<br />
erlangen, besteht die Möglichkeit, eine<br />
verbindliche Auskunft des zuständigen<br />
Finanzamtes nach § 89 Abs. 2 AO zur<br />
umsatzsteuerlichen Behandlung der<br />
Ausgleichszahlungen der Kommune zu<br />
beantragen.<br />
StB Michael Müller<br />
geforderten Entgeltabstandsgebot war<br />
entsprochen. Bei Vorliegen der weiteren<br />
Voraussetzungen des § 4 Nr. 18<br />
UStG stand einer USt-Befreiung der Betreuungsleistungen<br />
durch Vereinsbetreuer<br />
nichts entgegen.<br />
Ausgelöst durch eine Änderung des<br />
BGB ab dem Jahr 1999 erhalten Vereins-<br />
wie auch Berufsbetreuer für die<br />
Betreuung mittelloser Leistungsempfänger<br />
ein einheitliches Entgelt. Die<br />
Möglichkeit der gesonderten Berechnung<br />
von Aufwendungen für die allgemeine<br />
Verwaltung und der Haftpflichtversicherung<br />
durch die Berufsbetreuer<br />
ist seitdem entfallen.<br />
Weiter auf Seite 7<br />
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Jahrgang 2 | JUNI 2010 Non-Profit-Organisationen<br />
Ein einheitliches Entgelt steht jedoch<br />
dem Entgeltabstandsgebot entgegen.<br />
Die Voraussetzungen für die Umsatzsteuerbefreiung<br />
nach § 4 Nr. 18 UStG<br />
waren damit nicht mehr erfüllt.<br />
Genau dieser Umstand führte zu einem<br />
Rechtsstreit zwischen einem als gemeinnützig<br />
anerkannten Betreuungsverein<br />
und dem örtlichen Finanzamt.<br />
Das Finanzamt stellte sich dabei auf<br />
den Rechtsstandpunkt, dass bei einheitlicher<br />
Vergütung das Entgeltabstandgebot<br />
nicht erfüllt sei und die<br />
erbrachten Leistungen des Vereins<br />
daher umsatzsteuerpflichtig seien.<br />
Allerdings hatte das Finanzamt im vorliegenden<br />
Fall europäisches Recht nicht<br />
beachtet. Dieses sieht zwar vor, dass<br />
Mitgliedsstaaten die Umsatzsteuerbefreiung<br />
durch das Entgeltabstandsgebot<br />
begrenzen dürfen, wie dies die<br />
Bundesrepublik Deutschland in ihrem<br />
Umsatzsteuergesetz auch getan hat.<br />
Aber das europäische Recht bestimmt<br />
auch, dass eine solche Begrenzung der<br />
Befreiung von der Umsatzsteuerpflicht<br />
nicht bei “behördlich genehmigten<br />
Preisen” zulässig ist (Art. 13 Teil A Abs.<br />
2 Buchst. a 3. Gedankenstrich der<br />
Richtlinie 77/388/EWG ersetzt mit Wirkung<br />
ab 1.1.2007 durch die diesbezüglich<br />
inhaltsgleiche Mehrwertsteuer-<br />
Systemrichtlinie – Richtlinie 2006/112/<br />
EG).<br />
Das Finanzgericht Düsseldorf hat mit<br />
seinem Urteil vom 16.08.2006 (Az. 5 K<br />
5856/02 U) festgestellt, dass die vom<br />
Vormundschaftsgericht festgesetzte<br />
Vergütung für Berufs- und Vereinsbetreuer<br />
bei mittellosen Betreuten “behördlich<br />
genehmigte Preise” im Sinne<br />
des europäischen Rechts sind, das<br />
preisliche Abstandsgebot gemäß deutschem<br />
Umsatzsteuerrecht nicht anwendbar<br />
ist und der Verein daher in<br />
dem streitigen Fall von der Umsatzsteuer<br />
befreit ist. Das europäische<br />
Recht gehe hier nationalem Recht vor,<br />
so dass das Entgeltabstandsgebot im<br />
I n f o r m a t i o n<br />
deutschen Umsatzsteuergesetz europakonform<br />
auszulegen sei.<br />
Der Bundesfinanzhof bestätigte diese<br />
Entscheidung mit seinem Urteil vom<br />
17.2.2009 (Az. XI R 67/06) in letzter Instanz<br />
und erklärte damit das Entgeltabstandsgebot<br />
des § 4 Nr. 18 Buchstabe<br />
c in der Fassung der deutschen<br />
Umsatzsteuergesetzes für gemeinschaftsrechtswidrig.<br />
Die deutsche Bestimmung differenziert<br />
nicht zwischen behördlich genehmigten<br />
bzw. kontrollierten Preisen und frei kalkulierten<br />
Preisen. Die Richtlinienbestimmung<br />
lässt dagegen ein Entgeltabstandsgebot<br />
als nationales Wahlrecht<br />
nur bei frei kalkulierten Preisen<br />
zu.<br />
Was bedeutet dies nun für die Praxis?<br />
Der als gemeinnützig anerkannte Betreuungsverein<br />
kann sich – im Falle der<br />
Betreuungsleistungen gegenüber mittellosen<br />
Leistungsempfängern und den<br />
damit einhergehenden behördlich genehmigten<br />
bzw. kontrollierten Leistungsentgelten<br />
– in punkto Umsatzsteuerbefreiung<br />
unmittelbar auf die für<br />
ihn günstigere gemeinschaftsrechtliche<br />
Regelung berufen.<br />
Für die Inanspruchnahme der Steuerbefreiung<br />
nach Art. 132 Abs.1 Buchst. G<br />
der Mehrwertsteuer-Systemrichtlinie<br />
genügt es, dass zwei Voraussetzungen<br />
erfüllt sind, und zwar<br />
• dass es sich um eng mit der Sozialfürsorge<br />
und der sozialen Sicherheit<br />
verbundene Dienstleistungen und<br />
Lieferungen von Gegenständen handelt,<br />
und<br />
• dass diese Dienstleistungen oder<br />
Lieferungen durch Einrichtungen des<br />
öffentlichen Rechts oder anderer Einrichtungen,<br />
die vom jeweiligen Mitgliedsstaat<br />
als Einrichtungen mit<br />
sozialem Charakter anerkannt sind,<br />
bewirkt werden.<br />
Ausgabe 2 / 2010<br />
Das für gemeinschaftsrechtswidrig erklärte<br />
Entgeltabstandsgebot des § 4<br />
Nr. 18 Buchst. c UStG ist – sofern überhaupt<br />
– ausschließlich bei frei kalkulierten<br />
Preisen anzuwenden. Stellt man<br />
den Vergleich mit den Entgelten gewerblicher<br />
Anbieter an, sind die „Nettopreise“<br />
heranzuziehen. Die zusätzlich<br />
berechnete Umsatzsteuer ist kein Bestandteil<br />
des Entgelts.<br />
Betrachtet man nun die o. g. Voraussetzungen<br />
für die Inanspruchnahme<br />
der Steuerbefreiung stellt sich die<br />
Frage, ob denn nicht auch Berufsbetreuer<br />
als Einrichtungen mit sozialem<br />
Charakter gelten können und ebenso<br />
den Vorzug einer Steuerbefreiung für<br />
sich reklamieren können.<br />
Hierzu führt die Oberfinanzdirektion<br />
Koblenz in ihrer Rundverfügung vom<br />
25.2.2010 (Az. S 7175 A – St 44 2) aus<br />
„Der deutsche Gesetzgeber hat die Berufsbetreuer<br />
nicht als Einrichtungen mit<br />
sozialem Charakter anerkannt. Demzufolge<br />
unterliegen deren Umsätze aus<br />
Betreuungsleistungen weiterhin der<br />
Umsatzsteuer“.<br />
Grundsätzlich gilt jedoch, dass der Begriff<br />
der „von dem Mitgliedsstaat als<br />
Einrichtungen mit sozialem Charakter<br />
anerkannte Einrichtung“ nach ständiger<br />
Rechtsprechung weit auszulegen<br />
ist. So hat der BFH mit Urteil vom<br />
18. 8.2006 eine freiberuflich tätige Legasthenie-Therapeutin<br />
als „Einrichtung<br />
mit sozialem Charakter“ anerkannt, soweit<br />
sie ihre Leistungen mit dem zuständigen<br />
öffentlich-rechtlichen Sozialleistungsträgern<br />
abrechnet. Insoweit<br />
unterlagen die Leistungen der Therapeutin<br />
der Umsatzsteuerbefreiung.<br />
Betriebswirt (VWA) Markus Schmidt<br />
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