Lehrerpackage Tonmahlerei - Tonkünstler
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Das klagende Lied – Ein Märchen<br />
Die Volksliedsammlung und Märchen aus «Des Knaben Wunderhorn», von zwei deutschen Dichtern<br />
Achim von Arnim und Clemens Brentano 1805-1808 gesammelt, haben es Gustav Mahler seit<br />
frühester Kindheit sehr angetan. Nanni, die Kindsmagd von Theodor Fischer – einem<br />
Kindheitsfreund von Gustav Mahler, welcher im Haus nebenan wohnte – erzählte oft und gern das<br />
Märchen vom Klagenden Lied aus dieser Sammlung. Mahler liebte dieses Märchen und verarbeitete<br />
es dann später (mit eigenem Text) zu einer Komposition für Sopran-, Alt- und Tenorsolo, Chor und<br />
Orchester. Es gibt viele Versionen dieses Märchens. Eine davon stammt auch von den Grimm-<br />
Brüdern und sie nennen die Geschichte «Der singende Knochen». Die Version von Ludwig Bechstein<br />
ging so:<br />
Nach dem Tod eines Königs erzieht dessen Gemahlin die hinterlassenen Kinder,<br />
eine Tochter und einen um ein Jahr jüngeren Sohn. Eines Tages streiten sich die<br />
beiden Kinder, wer König werden sollte. Die Königin, die Anfänge der<br />
Herrschsucht befürchtet, legt ihnen eine zepterförmige, in einer Lilie endende<br />
Blume vor und weissagt, dass derjenige König werden sollte, der die Blume im<br />
Wald findet. Tatsächlich findet das Mädchen die Blume und legt sich zum<br />
Schlafen nieder. Ihr machtgieriger Bruder, der sein einziges Ziel darin sieht,<br />
König zu werden, ermordet die Schlafende und verscharrt sie im Wald. Bei der<br />
Rückkehr präsentiert er die Blume und behauptet, dass seine Schwester einen<br />
anderen Weg genommen hat.<br />
Seitdem sind mehrere Jahre vergangen. Der Prinz wird nach Erreichen der<br />
Mündigkeit König, aber seine Mutter trauert nach wie vor um die verlorene<br />
Tochter. Ein Hirtenknabe, der seine Herde im Wald hütet, findet beim Stochern<br />
im Gras ein weißes «Totenbeinlein» der ermordeten Prinzessin. Er schnitzt daraus<br />
eine Flöte, indem er einige Löcher in den Knochen stanzt. Kaum, dass er die Flöte<br />
an den Mund setzt, ertönt mit Kinderstimme ein klagendes Lied:<br />
«O Hirte mein, o Hirte mein<br />
Du flötest auf meinem Totenbein…»<br />
Im Lied klagt die Ermordete ihren Bruder an und fordert den Hirtenknaben auf,<br />
das Verbrechen durch Ansetzen der Flöte kundzutun. Jedes Mal, wenn der Hirte<br />
die Flöte an den Mund setzt, ertönt dasselbe klagende Lied. Die ganze Natur,<br />
Wald, Flur und Tiere trauern mit.<br />
Ein fahrender Ritter hört das Lied im Wald, kauft dem Knaben tief bewegt die<br />
Flöte ab, kommt damit auch an den Königshof und bläst der Königinmutter das<br />
Lied vor. Diese trauert noch immer um die verlorene Tochter und glaubt, dass kein<br />
Leid größer als ihr Leid sei. Sie bittet den Ritter, ihm das Lied vorzuspielen. Das<br />
Lied hat sich gewandelt.<br />
«O Ritter mein, o Ritter mein<br />
Du flötest auf meinem Totenbein…»<br />
Die Königin fällt in Ohnmacht. Daraufhin versucht der Ritter, die Flöte<br />
abzusetzen, vermag es aber nicht, weil das Lied zu Ende gespielt werden will. Nach<br />
dem Erwachen aus der Ohnmacht bittet die Königsmutter um die Flöte, und der<br />
Ritter überlässt sie ihr.<br />
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