michel jakot 24
franziska hörner Federwelt Angespannt stehe ich vor dem niedrigen, schmiedeeisernen Tor, das sich bald öffnen wird. Neben <strong>und</strong> hinter mir stehen einige Gestalten, die ebenso in ihrer Unsicherheit gefangen sind wie ich. Was wird uns erwarten? Weshalb gerade uns? Ein Schatten zieht an mir vorbei. "<strong>Die</strong> Tiere", flüstert der Wind. "Sie können eure Angst riechen. Habt Zweifel, zeigt Erschöpfung, wenn ihr euch machtlos fühlt. But show no fear!" Fear of the dark. Geräuschlos gleiten die Flügeltüren auf. Eine unermessliche Schwüle, schlägt uns entgegen <strong>und</strong> verschlägt uns den Atem. Ich fasse instinktiv an das, was mich retten soll: Einen Füller. Hoffmann hebt zum ersten Mal den Kopf. Ich kenne ihn nur flüchtig, ein schweigsamer, intelligenter Mensch, ein höflicher noch dazu. Bescheiden in seinem Tun. Doch ein Kämpfer? Der erste Mann schreitet vorwärts, lauernd, die Waffe gezückt. <strong>Die</strong> Feder glänzt fahl <strong>und</strong> stumpf, sollte wohl einen lächerlichen Eindruck erwecken - wenn dieses Thema nur nicht so verflucht ernst wäre! Leben oder Leben, Leidenschaft steht gegen Aufgabe. Weshalb wir? Eine Hand voll erfolgloser Schriftsteller, so sehr in ihrem Tun <strong>und</strong> ihrer Welt gefangen, dass die Hoffnung auf Beachtung mit jedem Kratzen der Feder stirbt. Jeder von uns bekam dieses Angebot unabhängig unterbreitet, schöpfte Hoffnung daraus, bereitete sich mental auf einen wissenschaftlich-geistlichen Schriftwechsel vor. Und nun das! Worin besteht unsere Aufgabe? Ein Kraftfeld, unsichtbar, doch unaufheblich, saugt uns sanft in die Welt hinter der Türe. Lautlos schließt sie sich. Hoffmann neben mir atmet tief ein. Während andere gelähmt agieren, tut er ein paar Schritte, erst zögernd, dann bestimmt. Bleibt stehen, besinnt sich. Ich kann ihn nur aus den Augenwinkeln beobachten, darf ihn nicht direkt ansehen. Kein Kontakt. Kein Blick. Jeder ist auf sich gestellt. Wenn du stirbst, stirbst du allein. So lauten die Regeln, die sie uns stellten. Regeln, die mir lächerlich erschienen. Ein Schriftstück! Ein Blatt Papier, verseucht mit roter Tinte soll unser Tod sein? Nein. Unser letzter Auftrag. Tod ist so ein schmutziges Wort. Verbraucht. Unromantisch. Der letzte Gang. Hoffmann dreht sich um, mustert uns. Sucht unsere Augen, doch wir sehen fort. Ich kann mich nicht entziehen, blicke ihn in meiner Unsicherheit fest an. Ob er weiß, was er tut? Ich habe bereits verdrängt, was mir aufgetragen wurde. Gescheitert, bevor die Feder nur Papier berührte, bevor sie nur die Hand umschmeichelte. Sein Blick ist von solcher Intensität, dass ich impulsiv auf ihn zutrete. Er nickt still, lockt mit der Feder. Komm. Folg mir nicht, doch komm. Jeder Schritt zerbricht die Stille unbarmherziger, die Stille, die keine Stille mehr ist. Geräusche umgeben uns, umweben uns wie ein wollener Mantel, schlucken alles, nur die Furcht nicht. Herzrasen in der Feder. Weiße Knöchel, die sich fest an alles Wirkliche pressen. Ein Schrei. Unmenschlich. Hinter mir entflammen Bewegungen, Zuckungen. Poe windet sich, findet den Ursprung des Getöses nicht. Ein Wall aus Lärm umringt ihn, wir entfernen uns. 25