Felsen und Blockhalden - Blumenamwegesrand.de
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Biotope in Ba<strong>de</strong>n-Württemberg 6<br />
<strong>Felsen</strong> <strong>und</strong> <strong>Blockhal<strong>de</strong>n</strong><br />
von Michael Lüth<br />
Die <strong>Felsen</strong> gehören zu <strong>de</strong>n wenigen Naturoasen in unserer Kulturlandschaft, die<br />
einer landwirtschaftlichen Nutzung nicht zugänglich sind. Sie haben <strong>de</strong>shalb ihre<br />
Ursprünglichkeit bewahrt <strong>und</strong> beherbergen eine Vielzahl seltener Pflanzen <strong>und</strong><br />
Tiere. Felsspalten <strong>und</strong> -bän<strong>de</strong>r auf einem Kalkfelsen im oberen Donautal mit<br />
rotblühen<strong>de</strong>m Hei<strong>de</strong>röschen (Daphne cneorum), Brillenschote (Biscutella<br />
laevigata) <strong>und</strong> Blaugras (Sesleria varia). Foto M. Lüth
<strong>Felsen</strong> <strong>und</strong> <strong>Blockhal<strong>de</strong>n</strong><br />
Impressum<br />
Herausgeber<br />
Umweltministerium Ba<strong>de</strong>n-Württemberg<br />
Postfach 1034 39<br />
70029 Stuttgart<br />
Bearbeitung<br />
Lan<strong>de</strong>sanstalt für Umweltschutz<br />
Ba<strong>de</strong>n-Württemberg<br />
Abteilung 2<br />
Referat 25<br />
Redaktion: Thomas Sattler<br />
Anschrift <strong>de</strong>s Autors<br />
Dipl. Biol. Michael Lüth<br />
Büro für Umweltplanung<br />
Emmendinger Straße 32<br />
79106 Freiburg<br />
Journalistische Überarbeitung<br />
Dipl. Biol. Susanne Kutter<br />
Viktor-Renner-Straße 40<br />
72074 Tübingen<br />
Bezug<br />
Lan<strong>de</strong>sanstalt für Umweltschutz<br />
Ba<strong>de</strong>n-Württemberg<br />
Griesbachstraße 1<br />
76185 Karlsruhe<br />
Bildnachweis<br />
C. Fritz 24; W. Hener 30 li. <strong>und</strong> re., 32;<br />
0. Jäger 22; D. Köppler 4, 13 li., 16;<br />
M. Witschel l, 14,15,22 re., 27, Zoller 25;<br />
alle übrige Abbildungen vom Autor<br />
Gestaltungsentwurf <strong>und</strong> Titelseitengestaltung<br />
merz grafik<br />
umweltorientierte <strong>de</strong>signagentur<br />
hei<strong>de</strong>lberg<br />
Satz <strong>und</strong> Druck<br />
GREISERDRUCK, Rastatt<br />
Nachdruck — auch auszugsweise — nur unter Quellenangabe <strong>und</strong> Überlassung von<br />
Belegexemplaren gestattet.<br />
ISSN 0945-2583<br />
2
<strong>Felsen</strong> <strong>und</strong> <strong>Blockhal<strong>de</strong>n</strong><br />
Einleitung<br />
<strong>Felsen</strong> <strong>und</strong> <strong>Blockhal<strong>de</strong>n</strong><br />
Inmitten einer vom Menschen durch <strong>und</strong> durch gestalteten <strong>und</strong> geformten Kulturlandschaft<br />
sind <strong>Felsen</strong>, Block- <strong>und</strong> Geröllhal<strong>de</strong>n beson<strong>de</strong>rs kostbare<br />
Kleino<strong>de</strong>, <strong>de</strong>nn sie stellen Reste einer Urlandschaft dar, die mit <strong>de</strong>m<br />
Abschmelzen <strong>de</strong>r eiszeitlichen Gletscher ohne menschlichen Einfluss, also<br />
ganz natürlich, entstand. Diese „urigen" Relikte haben mit ihren schroffen<br />
Wän<strong>de</strong>n <strong>und</strong> steilen Klüften nicht nur die Phantasie <strong>de</strong>r Menschen beflügelt was<br />
sich in Sagen, Märchen <strong>und</strong> Gedichten nie<strong>de</strong>rschlägt — sie geben als Zeugen<br />
<strong>de</strong>r Erdgeschichte auch Aufschluss darüber, wie sich die Landschaft entwickelt<br />
hat.<br />
<strong>Felsen</strong>, Block- <strong>und</strong> Geröllhal<strong>de</strong>n stellen als natürlich waldfreie Biotope einen Lebensraum<br />
mit einer ganz eigenen Pflanzen- <strong>und</strong> Tierwelt dar. Viele <strong>de</strong>r heute in<br />
<strong>de</strong>r offenen Kulturlandschaft anzutreffen<strong>de</strong>n Pflanzen <strong>und</strong> Tiere stammen ursprünglich<br />
von solchen waldfreien „Inseln".<br />
3<br />
<strong>Felsen</strong> sind ein natürlicher Standort <strong>de</strong>s Wachol<strong>de</strong>rs. In <strong>de</strong>r Urlandschaft blieb<br />
sein Vorkommen weitgehend auf diese Standorte beschränkt.
<strong>Felsen</strong> <strong>und</strong> <strong>Blockhal<strong>de</strong>n</strong><br />
Als nach <strong>de</strong>r letzten Eiszeit <strong>de</strong>r Wald unser Land zurückerobert hatte, gab es<br />
nur wenige Bereiche, die nicht von seinem dichten Kleid be<strong>de</strong>ckt wur<strong>de</strong>n. Dazu<br />
gehörten Seen <strong>und</strong> Flüsse, Hoch- <strong>und</strong> Nie<strong>de</strong>rmoore, <strong>Felsen</strong>, Block- <strong>und</strong><br />
Geröllhal<strong>de</strong>n. Auf Trockenstandorten <strong>de</strong>r Schwäbischen Alb zum Beispiel - vor<br />
allem in <strong>de</strong>r Umgebung von <strong>Felsen</strong> - traf <strong>de</strong>r jungsteinzeitliche Mensch noch<br />
Stellen mit sehr lückiger Bewaldung an, die er durch seine Nutzung weiterhin<br />
waldfrei hielt.<br />
Diese wenigen <strong>und</strong> vielfach isolierten Flächen wur<strong>de</strong>n zu Refugien für Pflanzen-<br />
<strong>und</strong> Tierarten, die nicht an das Waldbinnenklima angepasst sind.<br />
Viele dieser Arten sind bis heute auf die speziellen Standorte angewiesen, die<br />
sie nach <strong>de</strong>r letzten Eiszeit (Wurm-Glazial) o<strong>de</strong>r während einer Warmzeit<br />
besie<strong>de</strong>lten. Man bezeichnet sie <strong>de</strong>shalb als Glazial o<strong>de</strong>r Warmzeitrelikte. Sind<br />
die Lebensräume dieser bei uns sehr seltenen Arten erst einmal zerstört, dann<br />
sind sie unweigerlich zum Aussterben verurteilt: sie haben keinerlei<br />
Ausweichmöglichkeiten.<br />
Zahlreiche Son<strong>de</strong>rstandorte wur<strong>de</strong>n mitsamt <strong>de</strong>n seltenen Pflanzen <strong>und</strong> Tieren<br />
vom Menschen bereits vernichtet: Flüsse wur<strong>de</strong>n begradigt <strong>und</strong> ihre Ufer<br />
befestigt, Hochmoore wur<strong>de</strong>n abgetorft, Nie<strong>de</strong>rmoore entwässert <strong>und</strong> urbar<br />
gemacht.<br />
<strong>Felsen</strong>, Block- <strong>und</strong> Geröllhal<strong>de</strong>n waren bislang nicht o<strong>de</strong>r nur in geringem Maße<br />
einer Nutzung unterworfen. Sie stellen in unserer mehr o<strong>de</strong>r weniger intensiv<br />
genutzten Kulturlandschaft noch einen Teil <strong>de</strong>s Ursprünglichen dar; es sind<br />
Lebensräume, die sich über Tausen<strong>de</strong> von Jahren ungestört entwickeln<br />
konnten. Solche Biotope, die uns — wie ein Fenster — <strong>de</strong>n Blick in die<br />
Landschaft vor <strong>de</strong>r menschlichen Besie<strong>de</strong>lung erlauben, nennt man<br />
Primärbiotope.<br />
Viele Pflanzen <strong>und</strong> Tiere, die in <strong>de</strong>r offenen Kulturlandschaft Sek<strong>und</strong>ärlebensräume<br />
gef<strong>und</strong>en haben, stammen von schon immer offenen Primärstandorten<br />
wie <strong>Felsen</strong>, Block- <strong>und</strong> Geröllhal<strong>de</strong>n.<br />
Ein Vogel wie <strong>de</strong>r Hausrotschwanz, <strong>de</strong>r heute in Städten häufig anzutreffen ist, kam in<br />
<strong>de</strong>r Urlandschaft überwiegend an <strong>Felsen</strong> <strong>und</strong> ihrer Umgebung vor — ebenso wie <strong>de</strong>r<br />
lichtlieben<strong>de</strong> Wachol<strong>de</strong>r. Von ihren ursprünglichen Lebensräumen konnten sie sich in<br />
<strong>de</strong>r vom Menschen aufgelichteten Landschaft ausbreiten.<br />
Immer häufiger wer<strong>de</strong>n jedoch auch die letzten Zeugen dieser Urlandschaft zerstört<br />
- weniger aus Mutwillen, son<strong>de</strong>rn eher aus Unkenntnis. Deshalb will das<br />
vorliegen<strong>de</strong> Heft über diese beson<strong>de</strong>ren Lebensräume informieren. Es soll die<br />
drohen<strong>de</strong>n Gefährdungen aufzeigen <strong>und</strong> alle zum Schutz dieser kostbaren<br />
Fleckchen Restnatur aufrufen.<br />
4
Biotopschutzgesetz<br />
<strong>Felsen</strong> <strong>und</strong> <strong>Blockhal<strong>de</strong>n</strong><br />
Offene Felsbildungen, offene natürliche Block- <strong>und</strong> Geröllhal<strong>de</strong>n sind seit <strong>de</strong>m l.<br />
Januar 1992 nach § 24 a <strong>de</strong>s Biotopschutzgesetzes geschützt. Ein Auszug aus<br />
<strong>de</strong>m Gesetz, das zur Erhaltung <strong>de</strong>r Vielfalt von Fauna <strong>und</strong> Flora beitragen soll,<br />
fin<strong>de</strong>t sich im Anhang dieses Heftes.<br />
Offene Felsbildungen:<br />
<strong>Felsen</strong> sind Stellen, an <strong>de</strong>nen das harte Gestein <strong>de</strong>s Untergr<strong>und</strong>es offen zutage<br />
tritt. Diese Flächen sind also nicht vollständig von Bo<strong>de</strong>n, Gras- <strong>und</strong><br />
Krautvegetation be<strong>de</strong>ckt, son<strong>de</strong>rn <strong>de</strong>r Bewuchs beschränkt sich auf solche<br />
Teilbereiche, wo Bo<strong>de</strong>nbildung möglich ist. Das können Felsköpfe, Felsbän<strong>de</strong>r<br />
o<strong>de</strong>r Felsspalten sein. Offene <strong>Felsen</strong> können im Wald liegen, sie können auch<br />
einen lichten Baumbestand tragen.<br />
Ebenfalls unter <strong>de</strong>n Schutz <strong>de</strong>s Gesetzes fallen Felswän<strong>de</strong> in stillgelegten<br />
Steinbrüchen.<br />
Offene natürliche <strong>Blockhal<strong>de</strong>n</strong>:<br />
Wo <strong>Felsen</strong> zu Trümmern zerfallen, entstehen <strong>Blockhal<strong>de</strong>n</strong>. Diese<br />
Ansammlungen von Gesteinstrümmern besitzen große Hohlräume <strong>und</strong> nur<br />
einen sehr geringen Teil an Feiner<strong>de</strong>. Die überwiegen<strong>de</strong> Anzahl <strong>de</strong>r Blöcke ist<br />
min<strong>de</strong>stens kopfgroß. Auch hier ist das Gestein nicht völlig von Bo<strong>de</strong>n<br />
über<strong>de</strong>ckt, <strong>und</strong> die Gras- <strong>und</strong> Krautvegetation beschränkt sich auf Teilbereiche.<br />
Offene <strong>Blockhal<strong>de</strong>n</strong> sind in <strong>de</strong>r Regel waldfrei, jedoch kann ein lichter<br />
Gehölzbestand vorhan<strong>de</strong>n sein.<br />
Unter <strong>de</strong>n Begriff <strong>de</strong>r <strong>Blockhal<strong>de</strong>n</strong> fallen sowohl Trümmeransammlungen an<br />
steilen Hängen mit einem Böschungswinkel über 25 Grad, als auch die<br />
schwach geneigten Block- o<strong>de</strong>r <strong>Felsen</strong>meere.<br />
Nicht durch das Gesetz geschützt sind künstlich geschaffene<br />
Blockanhäufungen aus neuerer Zeit, wie sie beispielsweise beim Bergbau o<strong>de</strong>r<br />
beim Aufschütten von Bahndämmen entstehen.<br />
Offene natürliche Geröllhal<strong>de</strong>n:<br />
Eine Geröllhal<strong>de</strong> (genauer Schutthal<strong>de</strong>) unterschei<strong>de</strong>t sich von einer<br />
Blockhal<strong>de</strong> in erster Linie dadurch, dass die Bruchstücke kleiner sind: scherbige<br />
Gesteinstrümmer <strong>und</strong> Feinmaterial überwiegen. Im Gegensatz zur Blockhal<strong>de</strong>,<br />
5
<strong>Felsen</strong> <strong>und</strong> <strong>Blockhal<strong>de</strong>n</strong><br />
bei <strong>de</strong>r die Gesteinstrümmer größtenteils ruhen, befin<strong>de</strong>n sich die<br />
Gesteinsstückchen <strong>de</strong>r Schutthal<strong>de</strong>n häufig noch in Bewegung. Bei einer<br />
offenen Geröllhal<strong>de</strong> wird das Gestein nur teilweise von Gras- <strong>und</strong><br />
Krautvegetation über<strong>de</strong>ckt.<br />
Eine Son<strong>de</strong>rform <strong>de</strong>r Geröllhal<strong>de</strong>n sind die Mergelfeinschutthal<strong>de</strong>n (sie wer<strong>de</strong>n<br />
in Zusammenhang mit <strong>de</strong>r Pflanzenwelt auf Seite 21 näher erläutert).<br />
Unter <strong>de</strong>n Schutz <strong>de</strong>s Gesetzes fallen nur solche Geröllhal<strong>de</strong>n, die weitgehend<br />
natürlich entstan<strong>de</strong>n sind.<br />
Entstehung, Gestalt <strong>und</strong> Verbreitung<br />
Die meisten unserer <strong>Felsen</strong>, Block- <strong>und</strong> Geröllhal<strong>de</strong>n sind während <strong>de</strong>r<br />
Eiszeiten entstan<strong>de</strong>n, als harte Witterungseinflüsse die Oberfläche einer<br />
nahezu vegetationsfreien Landschaft formten: häufiger Frostwechsel sprengte<br />
nicht nur das Gestein, er brachte bei gleichzeitiger Sonnenbestrahlung auch die<br />
Bö<strong>de</strong>n regelrecht zum Fließen. Wind <strong>und</strong> reißen<strong>de</strong> Flüsse trugen. das ihre zur<br />
Gestaltung bei. Zwar dauert die Verwitterung auch unter heutigen Klimabedingungen<br />
noch an, allerdings mit <strong>de</strong>utlich gedrosseltem Tempo.<br />
Trotz aller Gemeinsamkeiten ist je<strong>de</strong>r Fels, je<strong>de</strong> Block- <strong>und</strong> auch je<strong>de</strong> Geröllhal<strong>de</strong><br />
ganz individuell in Gestalt <strong>und</strong> Arteninventar. Die Kombination <strong>de</strong>r vielen<br />
einzelnen Faktoren — Ausgangsmaterial, Entstehung, Lage <strong>und</strong> Besiedlung —<br />
ist immer einzigartig.<br />
<strong>Felsen</strong><br />
Nicht alle Gesteine bil<strong>de</strong>n <strong>Felsen</strong> aus; so verwittern etwa die Paragneise in <strong>de</strong>r<br />
Regel direkt zu Lehm, die feinkörnigen <strong>und</strong> mit Schlieren durchsetzten Granite<br />
häufig zu sandigem Grus. Zur Felsbildung neigen dagegen Gesteine wie<br />
Orthogneis, grobkörniger Granit, verkieselter Sandstein, Platten- o<strong>de</strong>r Riffkalk.<br />
Auf massigen, verwitterungsresistenten Gesteinen kann sich nur eine sehr<br />
dünne Bo<strong>de</strong>nschicht bil<strong>de</strong>n, die an steilen Hängen allerdings leicht abgetragen<br />
wird. Dort treten die festen Felspartien zutage. Wo das kompakte Gestein durch<br />
Gletscher o<strong>de</strong>r Fließgewässer angeschnitten wur<strong>de</strong>, sind große Felswän<strong>de</strong><br />
freigelegt.<br />
Die Gestalt eines <strong>Felsen</strong>s hängt neben <strong>de</strong>r Gesteinsart auch von <strong>de</strong>r Klüftung<br />
ab. Durch die Verwitterung entstehen Felsspalten <strong>und</strong> Felsbän<strong>de</strong>r<br />
verschie<strong>de</strong>ner Breite <strong>und</strong> Länge, die das Bild eines <strong>Felsen</strong>s prägen.<br />
Verschie<strong>de</strong>ntlich sind <strong>Felsen</strong> mit Höhlen <strong>und</strong> Felsnischen durchsetzt. Die<br />
Fläche, mit <strong>de</strong>r <strong>de</strong>r Fels nach oben abschließt, wird als Felskopf bezeichnet.<br />
6
<strong>Felsen</strong> <strong>und</strong> <strong>Blockhal<strong>de</strong>n</strong><br />
Der Felsruß stellt <strong>de</strong>n Übergang <strong>de</strong>s <strong>Felsen</strong>s nach unten in <strong>de</strong>n Hang dar. Dort<br />
sind häufig Felsüberhänge ausgebil<strong>de</strong>t, sogenannte Balmen.<br />
In Ba<strong>de</strong>n-Württemberg sind <strong>Felsen</strong> in vielen Landschaften anzutreffen, gehäuft<br />
auf <strong>de</strong>r Schwäbischen Alb, im Schwarzwald, O<strong>de</strong>nwald <strong>und</strong> Hegau.<br />
Die höchste Zahl an ba<strong>de</strong>n-württembergischen <strong>Felsen</strong> fin<strong>de</strong>t man auf <strong>de</strong>r<br />
Schwäbischen Alb. Sie sind dort überwiegend aus <strong>de</strong>n Schwammkalken <strong>de</strong>s<br />
Malm gebil<strong>de</strong>t: mächtige Stöcke von Kieselschwämmen, die im Jurameer lebten<br />
<strong>und</strong> später in die weicheren Ablagerungen <strong>de</strong>s Meeresbo<strong>de</strong>ns eingebettet<br />
wur<strong>de</strong>n. Die harten Schwammkalke wittern nun am Albtrauf <strong>und</strong> im Donautal als<br />
steile <strong>Felsen</strong> heraus.<br />
Rabenfels im Oberen Donautal. Durch die Erosionskräfte <strong>de</strong>s Flusses wur<strong>de</strong>n<br />
eine Vielzahl von harten Schwammbänken <strong>de</strong>s Jurameeres freigelegt.<br />
Nach <strong>de</strong>r Schwäbischen Alb ist <strong>de</strong>r Schwarzwald das felsenreichste Gebiet. Die<br />
<strong>Felsen</strong> liegen vor allem am Rand ehemaliger Gletscher <strong>und</strong> in <strong>de</strong>n Tälern <strong>de</strong>r<br />
Rheinzuflüsse, <strong>de</strong>ren steile Hänge durch die starke Erosion geprägt sind. Das<br />
felsbil<strong>de</strong>n<strong>de</strong> Gestein ist hier überwiegend grobkörniger Granit, Orthogneis <strong>und</strong><br />
verkieselter Sandstein. Eine beson<strong>de</strong>re Form <strong>de</strong>r <strong>Felsen</strong> liefert <strong>de</strong>r Granit.<br />
Durch chemische Verwitterung entlang <strong>de</strong>r Kanten <strong>und</strong> Klüfte kann es zu stark<br />
abger<strong>und</strong>eten <strong>Felsen</strong>, <strong>de</strong>n sogenannten „Wollsäcken" kommen.<br />
Durchaus vergleichbar mit <strong>de</strong>m Schwarzwald ist <strong>de</strong>r O<strong>de</strong>nwald - sowohl was<br />
die Gesteinsart als auch die Entstehung <strong>de</strong>r <strong>Felsen</strong> angeht.<br />
7
<strong>Felsen</strong> <strong>und</strong> <strong>Blockhal<strong>de</strong>n</strong><br />
Felsvorkommen aus Muschelkalk fin<strong>de</strong>n sich beispielsweise in <strong>de</strong>r<br />
Wutachschlucht <strong>und</strong> entlang <strong>de</strong>s Neckars. Am Bo<strong>de</strong>nsee <strong>und</strong> im südlichen<br />
Oberschwaben kommen <strong>Felsen</strong> vor, die aus Molassegestein aufgebaut sind.<br />
Die <strong>Felsen</strong> im Hegau stellen die Füllungen <strong>de</strong>r ehemaligen Vulkanschlote dar:<br />
während das harte Füllmaterial noch <strong>de</strong>r Abtragung trotzt, ist <strong>de</strong>r weichere<br />
umgeben<strong>de</strong> Mantel <strong>de</strong>s Vulkankegels schon längst verwittert.<br />
<strong>Blockhal<strong>de</strong>n</strong><br />
Die Entstehung unserer heutigen <strong>Blockhal<strong>de</strong>n</strong> geht auf die letzte Eiszeit (Wurm)<br />
zurück, als Gletscher <strong>und</strong> reißen<strong>de</strong> Flüsse steile <strong>Felsen</strong> geschaffen haben.<br />
Durch <strong>de</strong>n häufigen Wechsel zwischen Plus- <strong>und</strong> Minusgra<strong>de</strong>n im eiszeitlichen<br />
Klima wur<strong>de</strong>n entlang <strong>de</strong>r Klüfte Blöcke aus <strong>de</strong>n <strong>Felsen</strong> gesprengt, die zu Tal<br />
rollten <strong>und</strong> am Fuß <strong>de</strong>r <strong>Felsen</strong> mächtige Hal<strong>de</strong>n bil<strong>de</strong>ten. Dabei kam es zu<br />
einer Sortierung <strong>de</strong>r Blöcke: große Blöcke rollten mit enormer Wucht weiter als<br />
kleine Gesteinstrümmer, die schon in unmittelbarer Nähe <strong>de</strong>r <strong>Felsen</strong> liegen<br />
blieben. Während also <strong>de</strong>r Hal<strong>de</strong>nfuß aus großen, übereinan<strong>de</strong>rgestapelten<br />
Blöcken aufgebaut ist, fin<strong>de</strong>t sich am Hal<strong>de</strong>nkopf überwiegend Feinmaterial.<br />
Die Größe <strong>und</strong> Form <strong>de</strong>r Blöcke hängt vom Kluftsystem <strong>de</strong>s als „Nährfeld"<br />
dienen<strong>de</strong>n <strong>Felsen</strong>s ab. In Hangmul<strong>de</strong>n konnten die Blöcke sich zu mehrere<br />
Meter mächtigen, hohlraumreichen Hal<strong>de</strong>n türmen.<br />
8
<strong>Felsen</strong> <strong>und</strong> <strong>Blockhal<strong>de</strong>n</strong><br />
Die „Wollsackverwitterung“ ist eine Eigentümlichkeit <strong>de</strong>s Granits. Durch<br />
chemische Verwitterung unter <strong>de</strong>r Er<strong>de</strong>, wie sie im warmen Klima <strong>de</strong>s Tertiär<br />
stattfand, wur<strong>de</strong>n die Kanten <strong>de</strong>s Gesteins ger<strong>und</strong>et. Während <strong>de</strong>n Kaltzeiten<br />
legte dann die verstärkte physikalische Verwitterung die Blöcke frei. Granitfels im<br />
Oberprechttal/Schwarzwald<br />
Heute ruhen die <strong>Blockhal<strong>de</strong>n</strong>, sie haben einen festen Stand. Nur gelegentlich lösen sich<br />
noch einzelne Blöcke aus <strong>de</strong>m Fels. So zeigten im Höllental im Schwarzwald selbst die<br />
schweren Erdbeben von 1911 <strong>und</strong> 1912 kaum Wirkung. Schon während <strong>de</strong>r Eiszeiten<br />
schürzten die dicken Blockpackungen <strong>de</strong>n darunter liegen<strong>de</strong>n Bo<strong>de</strong>n vor <strong>de</strong>m Auftauen<br />
<strong>und</strong> verhin<strong>de</strong>rten damit ein Bo<strong>de</strong>nfließen <strong>und</strong> Absacken <strong>de</strong>r Hal<strong>de</strong>n.<br />
Block- o<strong>de</strong>r <strong>Felsen</strong>meere unterschei<strong>de</strong>n sich in ihrer Entstehung ganz<br />
wesentlich von <strong>Blockhal<strong>de</strong>n</strong>: ursprünglich bestan<strong>de</strong>n sie aus einzeln<br />
herausgewitterten, verstreut liegen<strong>de</strong>n Gesteinsblöcken. Erst im Laufe <strong>de</strong>r<br />
weiteren Umformung ihrer Umgebung wur<strong>de</strong>n sie durch Bo<strong>de</strong>nfließen in<br />
Gelän<strong>de</strong>mul<strong>de</strong>n „zusammengespült".<br />
9
<strong>Felsen</strong> <strong>und</strong> <strong>Blockhal<strong>de</strong>n</strong><br />
Hal<strong>de</strong>nfuß einer Blockhal<strong>de</strong> im Oberrie<strong>de</strong>r Tal (Südschwarzwald). Hier lagern in<br />
einer Gelän<strong>de</strong>rinne unterhalb eines <strong>Felsen</strong> riesige Blöcke mehrere Meter<br />
übereinan<strong>de</strong>r.<br />
Geröllhal<strong>de</strong>n<br />
Dort wo an steilen Hängen Gesteine mit einer engmaschigen Klüftung anstehen,<br />
bil<strong>de</strong>n sich Geröllhal<strong>de</strong>n. Die Hal<strong>de</strong>n bestehen meist aus Meinen<br />
Gesteinsbruchstücken <strong>und</strong> scherbigen Trümmern. Das Ganze ist vermischt mit<br />
reichlich Feinmaterial. Die heutigen Geröllhal<strong>de</strong>n sind, wie die <strong>Blockhal<strong>de</strong>n</strong>,<br />
überwiegend während <strong>de</strong>r letzten Eiszeit (Wurm) entstan<strong>de</strong>n. Geröllhal<strong>de</strong>n (wie<br />
auch <strong>Blockhal<strong>de</strong>n</strong>) aus vorangegangenen Eiszeiten wur<strong>de</strong>n während <strong>de</strong>r<br />
Wurm-Eiszeit abgetragen <strong>und</strong> nur selten können sie in Resten noch<br />
nachgewiesen wer<strong>de</strong>n. Im Gegensatz zu <strong>de</strong>n <strong>Blockhal<strong>de</strong>n</strong> wachsen<br />
Geröllhal<strong>de</strong>n aber unter heutigen Klimabedingungen weiter. Auf Geröllhal<strong>de</strong>n<br />
fin<strong>de</strong>n zu<strong>de</strong>m häufig Rutschungen statt, weil das feine Material weniger fest<br />
liegt als große Blöcke.<br />
Einer <strong>de</strong>utlichen Dynamik unterliegen noch heute die Mergelfeinschutthal<strong>de</strong>n.<br />
Man trifft sie vor allem an <strong>de</strong>n stark geneigten Hängen <strong>de</strong>s Steilanstiegs <strong>de</strong>r<br />
Schwäbischen Alb - <strong>de</strong>m Albtrauf. Ihre Bildung geht jedoch, wie die <strong>de</strong>r Block-<br />
<strong>und</strong> Geröllhal<strong>de</strong>n, auf die Kaltzeiten zurück.<br />
10
Die Pflanzenwelt<br />
<strong>Felsen</strong> <strong>und</strong> <strong>Blockhal<strong>de</strong>n</strong><br />
Die Lebensräume am Fels, auf <strong>de</strong>n Block- <strong>und</strong> <strong>de</strong>n Geröllhal<strong>de</strong>n unterschei<strong>de</strong>n<br />
sich zwar voneinan<strong>de</strong>r, haben aber auch <strong>de</strong>utliche Gemeinsamkeiten:<br />
• die Standorte wer<strong>de</strong>n durch Gestein geprägt<br />
• sie lassen keinen geschlossenen Wald aufkommen<br />
• die Flächen wer<strong>de</strong>n überwiegend von Spezialisten mit Anpassungen<br />
an die extremen ökologischen Bedingungen besie<strong>de</strong>lt.<br />
Für Pflanzen in diesen Lebensräumen spielt die Gesteinsart eine große Rolle,<br />
<strong>de</strong>nn sie haben in <strong>de</strong>r Regel direkten Kontakt zum Gestein. Größte Be<strong>de</strong>utung<br />
kommt <strong>de</strong>m Kalkgehalt <strong>de</strong>s Gesteins zu. Man unterschei<strong>de</strong>t zwischen<br />
Kalkgestein (Kalk = Calciumkarbonat), das zugleich basenreich ist <strong>und</strong> <strong>de</strong>n<br />
kalkarmen, silikatischen Gesteinen. Die Flora <strong>de</strong>r Kalkfelsen <strong>de</strong>r<br />
Schwäbischen Alb unterschei<strong>de</strong>t sich <strong>de</strong>shalb sehr <strong>de</strong>utlich von <strong>de</strong>r <strong>de</strong>r Silikatfelsen<br />
<strong>de</strong>s Schwarzwal<strong>de</strong>s <strong>und</strong> <strong>de</strong>s O<strong>de</strong>nwal<strong>de</strong>s.<br />
Die gelbgrüne Landkartenflechte (Rhizocarpon geographicum) ist ein <strong>de</strong>r<br />
häufigsten <strong>und</strong> gut zu erkennen<strong>de</strong>n Flechten auf Silikatgestein; sie wächst sehr<br />
langsam – einzelne Exemplare sind schon viele h<strong>und</strong>ert Jahre alt.<br />
Keine Regel ohne Ausnahme; Gneis, ein silikatisches Gestein, enthält oft<br />
Spuren von Calcium, das sich bei <strong>de</strong>r Verwitterung unter günstigen<br />
Bedingungen in Felsspalten anreichert. Deshalb können kalklieben<strong>de</strong> höhere<br />
Pflanzen, Moose <strong>und</strong> Flechten an manchen Stellen <strong>de</strong>s Schwarzwal<strong>de</strong>s (z.B.<br />
Höllental, Feldberg <strong>und</strong> Belchen) <strong>de</strong>nnoch silikatische <strong>Felsen</strong> <strong>und</strong> die<br />
darrunterliegen<strong>de</strong>n Block- <strong>und</strong> Geröllhal<strong>de</strong>n besie<strong>de</strong>ln. An<strong>de</strong>rerseits fin<strong>de</strong>t man<br />
auf oberflächig entkalktem Kalkgestein auch kalkmei<strong>de</strong>n<strong>de</strong> Pflanzenarten.<br />
11
<strong>Felsen</strong> <strong>und</strong> <strong>Blockhal<strong>de</strong>n</strong><br />
Weil nicht nur <strong>de</strong>r Kalk-, son<strong>de</strong>rn auch <strong>de</strong>r Basengehalt eines Gesteins über<br />
das Vorkommen von Arten entschei<strong>de</strong>t, kommen auf Phonolith, einem<br />
kalkarmen aber basenreichen Gestein, sogenannte „Kalkpflanzen" vor.<br />
Unter regengeschützten Überhängen wächst auf Silikatgestein die staubförmige<br />
Schwefelflechte (Chrysothrix chlorina). Ihr Vorkommen ist auf luftfeuchte<br />
Standorte beschränkt, da sie ihren Wasserbedarf allein aus <strong>de</strong>r umgeben<strong>de</strong>n<br />
Luftfeuchtigkeit <strong>de</strong>ckt.<br />
Die Zusammensetzung <strong>de</strong>r Gesteinsflora in <strong>de</strong>n silikatischen Mittelgebirgen <strong>und</strong><br />
<strong>de</strong>n. Kalkgebieten hängt allerdings nicht nur von <strong>de</strong>r chemischen<br />
Zusammensetzung <strong>de</strong>r Gesteine ab: auch die Verbreitungsgeschichte spielt<br />
eine wesentliche Rolle — <strong>und</strong> da waren die kalklieben<strong>de</strong>n Pflanzen ein<strong>de</strong>utig im<br />
Vorteil. Denn während <strong>de</strong>r Eiszeiten bestand für Felspflanzenarten ein direkter<br />
Kontakt zwischen unseren Mittelgebirgen <strong>und</strong> <strong>de</strong>n Alpen, da die Tallagen<br />
waldfrei waren <strong>und</strong> lichtlieben<strong>de</strong> Pflanzen bis zu uns gelangen konnten.<br />
Allerdings bestehen die uns am nächsten liegen<strong>de</strong>n Alpenketten allesamt aus<br />
Kalkgestein <strong>und</strong> das Alpenvorland sowie die Oberrheinebene aus <strong>de</strong>ren<br />
Ablagerungen. Silikatgesteine fin<strong>de</strong>t man erst wie<strong>de</strong>r in <strong>de</strong>n Zentralalpen. So<br />
bestand zwar für kalkverträgliche Pflanzen eine Verbindung zwischen Alpen<br />
<strong>und</strong> Mittelgebirgen, kalkmei<strong>de</strong>n<strong>de</strong> Arten waren jedoch fast vollständig auf<br />
Ferntransport, etwa mit <strong>de</strong>m Wind, angewiesen, um von <strong>de</strong>n Alpen zum<br />
Schwarzwald o<strong>de</strong>r O<strong>de</strong>nwald zu gelangen. Die Folge ist, dass die Gesteinsflora<br />
auf Kalk bei uns sehr reich an höheren Pflanzenarten ist, auf Silikat dagegen<br />
artenarm.<br />
Die heutigen <strong>Felsen</strong>, Block- <strong>und</strong> Geröllhal<strong>de</strong>n wur<strong>de</strong>n gegen En<strong>de</strong> <strong>de</strong>r letzten<br />
Eiszeit besie<strong>de</strong>lt, als offene steinige Bö<strong>de</strong>n <strong>und</strong> die typischen Pflanzen dieser<br />
Standorte in großer Zahl vorhan<strong>de</strong>n waren. Im Anschluss an die Kaltzeit folgten<br />
Warmzeiten, <strong>de</strong>ren Durchschnittstemperatur vermutlich um ein paar Grad<br />
höher lag als heute: lichtlieben<strong>de</strong>, mediterrane Arten konnten bei uns<br />
einwan<strong>de</strong>rn. Diese Arten wur<strong>de</strong>n isoliert, als <strong>de</strong>r Wald aus seinen Refugien auf<br />
<strong>de</strong>m Balkan <strong>und</strong> im Mittelmeerraum sich wie<strong>de</strong>r in unseren Bereich ausbreitete<br />
<strong>und</strong> sämtliche Flächen bis auf wenige Son<strong>de</strong>rstandorte einnahm. Wie auf<br />
12
<strong>Felsen</strong> <strong>und</strong> <strong>Blockhal<strong>de</strong>n</strong><br />
kleinen Inseln leben die heutigen Glacial- o<strong>de</strong>r Warmzeitrelikte auf <strong>de</strong>nselben<br />
<strong>Felsen</strong>, Block- <strong>und</strong> Geröllhal<strong>de</strong>n, die sie direkt nach <strong>de</strong>r Eiszeit o<strong>de</strong>r wahrend<br />
<strong>de</strong>r Warmzeit besie<strong>de</strong>lt haben.<br />
<strong>Felsen</strong><br />
Die Flora <strong>de</strong>r <strong>Felsen</strong> ist überaus schützenswert, sie beherbergt viele seltene<br />
Pflanzenarten. In <strong>de</strong>r Roten Liste von Ba<strong>de</strong>n-Württemberg sind etliche Arten als<br />
gefähr<strong>de</strong>t, o<strong>de</strong>r stark gefähr<strong>de</strong>t eingestuft. Allerdings hatte man vor knapp zehn<br />
Jahren, als die Rote Liste erstellt wur<strong>de</strong>, die Bedrohung <strong>de</strong>r Felspflanzen<br />
allgemein noch als recht gering eingeschätzt.' Wegen <strong>de</strong>r zunehmen<strong>de</strong>n<br />
Belastung durch <strong>de</strong>n Klettersport sind mittlerweile jedoch die Mehrzahl <strong>de</strong>r spezialisierten<br />
Felsarten gefähr<strong>de</strong>t.<br />
Die Lebensbedingungen an <strong>Felsen</strong> sind in je<strong>de</strong>r Hinsicht extrem — sie unterschei<strong>de</strong>n<br />
sich sehr <strong>de</strong>utlich von <strong>de</strong>nen ihrer Umgebung, was unschwer am<br />
völlig an<strong>de</strong>ren Pflanzenbewuchs zu erkennen ist. <strong>Felsen</strong> können sich unter<br />
Sonneneinstrahlung stark erwärmen <strong>und</strong> diese Wärme auch lange speichern.<br />
Standorte auf exponierten <strong>Felsen</strong>, die <strong>de</strong>m Wind stark ausgesetzt sind,<br />
trocknen zu<strong>de</strong>m rasch aus, weil die wasserspeichern<strong>de</strong> Bo<strong>de</strong>n<strong>de</strong>cke dünn ist<br />
o<strong>de</strong>r ganz fehlt. An<strong>de</strong>rerseits müssen die Pflanzen auch überaus frostresistent<br />
sein, da <strong>Felsen</strong> im Winter meist ohne Schneeschutz sind. Der Schnee bleibt auf<br />
<strong>de</strong>n steilen Flächen nicht liegen, flachere Partien wer<strong>de</strong>n durch <strong>de</strong>n Wind<br />
freigeblasen.<br />
Die extremen Temperaturschwankungen <strong>und</strong> die Trockenheit ermöglichen es<br />
nur ganz bestimmten, an diese Bedingungen angepassten Pflanzen, zu<br />
überleben. Zwar gelingt es Arten <strong>de</strong>r Umgebung hin <strong>und</strong> wie<strong>de</strong>r auf <strong>de</strong>n <strong>Felsen</strong><br />
Fuß zu fassen, jedoch halten sie sich meist nicht lange.<br />
13
<strong>Felsen</strong> <strong>und</strong> <strong>Blockhal<strong>de</strong>n</strong><br />
Exponierte Stellen an <strong>Felsen</strong> sind beliebte Vogelsitzplätze. Der düngen<strong>de</strong><br />
Vogelkot begünstigt das Wachstum ganz bestimmter Flechtenarten, wie hier<br />
Can<strong>de</strong>llaria coralliza.<br />
Angepasst an diese extremen Lebensbedingungen sind verschie<strong>de</strong>ne nie<strong>de</strong>re<br />
Pflanzen: Einige Algen, vor allem aber Flechten <strong>und</strong> Moose besitzen die Fähigkeit zur<br />
„plasmatischen Dürreresistenz". Das heißt, sie können Trockenperio<strong>de</strong>n in einem<br />
nahezu leblosen Zustand überdauern, in <strong>de</strong>m ihnen auch große Kälte kaum etwas<br />
anhaben kann. Sobald die Pflanzen befeuchtet wer<strong>de</strong>n, normalisieren sich die<br />
Lebensfunktionen wie<strong>de</strong>r.<br />
Pflanzengruppen<br />
Direkt auf <strong>de</strong>m Gestein können nur Algen <strong>und</strong> Flechten leben, höhere Pflanzen<br />
sind auf diese Wegbereiter angewiesen.<br />
Algen<br />
Von <strong>de</strong>n Algen sind es vor allem die Blaualgen, die an <strong>Felsen</strong> vorkommen.<br />
Überall dort, wo <strong>de</strong>r Fels zumin<strong>de</strong>st für eine bestimmte Zeit, etwa während <strong>de</strong>r<br />
Schneeschmelze, befeuchtet wird, trifft:<br />
man auf Blaualgen (Cyanophyceen). Im Gegensatz zu Pflanzen können einige<br />
Blaualgen (die eher mit <strong>de</strong>n Bakterien als mit <strong>de</strong>n Pflanzen verwandt sind) Luftstickstoff<br />
bin<strong>de</strong>n <strong>und</strong> sind so von Stickstoffzufuhr über <strong>de</strong>n Untergr<strong>und</strong> unabhängig.<br />
An senkrechten Kalkfelsen bil<strong>de</strong>n sie die sogenannten „Tintenstriche"<br />
— schwärzliche Verfärbungen am <strong>Felsen</strong>.<br />
Flechten<br />
Flechten sind Organismen, die aus Algen <strong>und</strong> Pilzen bestehen — sie bil<strong>de</strong>n<br />
eine Symbiose. Flechten sitzen <strong>de</strong>m Gestein direkt auf, bil<strong>de</strong>n dünne Krusten,<br />
blatt- o<strong>de</strong>r kleine strauchartige Gebil<strong>de</strong>. Durch spezielle Säuren, die die<br />
14
<strong>Felsen</strong> <strong>und</strong> <strong>Blockhal<strong>de</strong>n</strong><br />
Flechten produzieren, können sie die Gesteinsoberfläche anlösen. Auf <strong>de</strong>r so<br />
entstan<strong>de</strong>nen porösen Oberfläche fin<strong>de</strong>n sie dann festen Halt. Im Kalkgestein<br />
leben einige Arten sogar unter <strong>de</strong>r Gesteinsoberfläche; sie fressen sich mit<br />
ihrem gesamten Flechtenlager in das Gestein hinein - nur ihre Sporenträger<br />
ragen über die Gesteinsoberfläche hinaus.<br />
Weil Flechten extrem langsam wachsen, ist ihre Artenzahl auf kristallinem Gestein wie<br />
Gneis o<strong>de</strong>r Granit um vieles höher als auf Kalk - für viele Flechtenarten verwittert <strong>de</strong>r<br />
Kalk zu schnell. Die Landkartenflechte (Rhizocarpon geographicum) zum Beispiel, die<br />
häufig Silikatfelsen mit ihren flachen, krustigen Lagern überzieht, zeigt einen<br />
Radialzuwachs von weniger als einem halben Millimeter pro Jahr. Ein nur<br />
handtellergroßes Lager dieser Flechte ist mehrere h<strong>und</strong>ert Jahre alt. Viele Arten <strong>de</strong>r<br />
Gesteinsflechten konnten sogar die Eiszeiten bei uns überdauern, da sie extremen<br />
Witterungseinflüssen durchaus gewachsen sind <strong>und</strong> selbst in stark vergletscherten<br />
Gebieten wie <strong>de</strong>m Schwarzwald einige <strong>Felsen</strong> immer eisfrei blieben.<br />
Vogelsitzplätze auf Felskuppen <strong>und</strong> -vorsprüngen sind oft dicht mit<br />
Laubflechten bewachsen. Bestimmte Flechtenarten wer<strong>de</strong>n durch die<br />
Düngung über <strong>de</strong>n Vogelkot in ihrem Wachstum stark geför<strong>de</strong>rt, wie zum<br />
Beispiel die häufige Art Chrysothrix chlorina. Durch ihre auffällig orange-gelbe<br />
Farbe macht sie solche Stellen schon von weitem sichtbar.<br />
Bei <strong>de</strong>n Flechten gibt es eine überaus große Zahl seltener Arten, die auf <strong>Felsen</strong><br />
- <strong>und</strong> nur dort - ihren Lebensraum haben. Das heißt, für sie gibt es keinerlei<br />
Ersatzstandorte.<br />
Moose<br />
Moose sind zwar nicht in <strong>de</strong>r Lage, <strong>de</strong>n kahlen, glatten Fels zu besie<strong>de</strong>ln, doch<br />
kleinste Ritzen genügen ihnen zum Wachstum. Sie bil<strong>de</strong>n kugelige Polster,<br />
flache Überzüge, Decken o<strong>de</strong>r Rasen. Manche Arten haften mit speziellen Fasern<br />
fest am Gestein, an<strong>de</strong>re liegen nur locker auf. Weil Moose<br />
abgeschwemmte Humuspartikel <strong>und</strong> Staub aus <strong>de</strong>r Luft festhalten <strong>und</strong> so ein<br />
Substrat ansammeln können, tragen sie viel zur Besie<strong>de</strong>lbarkeit von<br />
Felsstandorten bei: höhere Pflanzen fin<strong>de</strong>n in <strong>de</strong>n wasserspeichern<strong>de</strong>n Moospolstern<br />
<strong>und</strong> -<strong>de</strong>cken i<strong>de</strong>ale Keimbedingungen vor.<br />
15
<strong>Felsen</strong> <strong>und</strong> <strong>Blockhal<strong>de</strong>n</strong><br />
Feuchte Felsspalten am Fuß eines Granitfelsens mit <strong>de</strong>m Moos Cynodontium<br />
polycarpum <strong>und</strong> <strong>de</strong>m Tüpfelfarn (Polypodium vulgare).<br />
An sonnigen, exponierten Felsstandorten kann man beobachten, dass viele Moose eine<br />
Graufärbung aufweisen, die von sogenannten „Glashaaren" herrührt. Diese<br />
hauchdünnen, farblosen, lang ausgezogenen Blattspitzen schützen vor Austrocknung<br />
<strong>und</strong> zu starkem Lichteinfall. Ganz an<strong>de</strong>rs sehen Moose an schattigen Felsstandorten<br />
aus, etwa die reingrünen, schwellen<strong>de</strong>n Polster von Cynodontium polycarpum. Diese<br />
Art wächst unter Felsüberhängen, entlang . feuchter Felsspalten <strong>und</strong> -ritzen <strong>und</strong> quillt<br />
dort regelrecht aus <strong>de</strong>n Spalten hervor.<br />
Höhere Pflanzen<br />
Höhere Pflanzen nutzen am Fels solche Standorte, an <strong>de</strong>nen sich etwas<br />
Humus ansammeln konnte, wie Felsspalten, Felsbän<strong>de</strong>r <strong>und</strong> -köpfe. Oft ist die<br />
Menge an humosem Feinmaterial nur gering <strong>und</strong> die Pflanzen machen sich im<br />
Wurzelraum große Konkurrenz, während an <strong>de</strong>r Oberfläche noch viel Platz für<br />
weitere Pflanzen zu sein scheint.<br />
16
17<br />
Lebensräume an einem i<strong>de</strong>alisierten Kalkfelsen.<br />
<strong>Felsen</strong> <strong>und</strong> <strong>Blockhal<strong>de</strong>n</strong><br />
1. Felsband mit Pfingstnelke (Dianthus gratianopolitanus), Erdsegge (Carex<br />
humilis), Blassem Schwingel (Fesluca pallens) <strong>und</strong> Berglauch (Allium<br />
senescens).<br />
2. Felsspalten mit <strong>Felsen</strong>blümchen (Draba aizoi<strong>de</strong>s) <strong>und</strong> Trauben-Steinbrech<br />
(Saxifraga paniculata). Vogelsitzwarte auf exponierter Felskuppe (kenntlich durch<br />
orange-gelbe Flechten).<br />
3. Sehr flachgründiger Felsgrus-Standort auf Felskopf mit Mauerpfeffer-Arten<br />
(Sedum spec.).<br />
4. Steppenhei<strong>de</strong> auf Felskopf (sämtliche hellgrün dargestellten Bereiche zählen zur<br />
Steppenhei<strong>de</strong>). Dargestellt ist ein Übergang vom Fels, über Felsgrus,<br />
Magerrasen, sonnigem Stau<strong>de</strong>nsaum, bis hin zu Trockengebüsch <strong>und</strong><br />
Trockenwald.<br />
5. Bruthöhle eines Wan<strong>de</strong>rfalken mit Nestlingen.<br />
6. Versteckt in senkrechten Felsspalten überwintern Fle<strong>de</strong>rmäuse wie <strong>de</strong>r große<br />
Abendsegler (Nyctalus noctula) o<strong>de</strong>r die Zwergfle<strong>de</strong>rmaus (Pipistrellus<br />
pipistrellus).<br />
7. Wildlägerflur unter Felsbalme.
<strong>Felsen</strong> <strong>und</strong> <strong>Blockhal<strong>de</strong>n</strong><br />
Felsspalten<br />
Der Lebensraum<br />
In <strong>de</strong>n Felsspalten ist die Feiner<strong>de</strong> vor Abtragung durch Wind <strong>und</strong> Wasser geschützt.<br />
Zum Teil sind es nicht unerhebliche Mengen, die sich in <strong>de</strong>n<br />
tiefreichen<strong>de</strong>n Spalten ansammeln, so dass sich vereinzelt sogar Gehölze wie<br />
<strong>Felsen</strong>birne (Amelanchier ovalis) o<strong>de</strong>r Zwergmispel (Cotoneaster integerrimus)<br />
ansie<strong>de</strong>ln können. In <strong>de</strong>r Regel sind es jedoch eher kleine Pflanzen mit<br />
rosetten- o<strong>de</strong>r polsterförmigem Wuchs, die in <strong>de</strong>n teils nur millimeterbreiten<br />
Spalten wachsen. Der Wasserhaushalt dieser Standorte ist gar nicht so<br />
schlecht wie es auf <strong>de</strong>n ersten Blick scheinen mag, <strong>de</strong>nn in <strong>de</strong>n tiefen Spalten<br />
ist das Wasser, das hier zusammenläuft, vor Verdunstung geschützt, <strong>und</strong> selbst<br />
in Trockenzeiten können die Spaltenbewohner noch lange darüber verfügen.<br />
Sie besitzen meist lange Senkwurzeln, mit <strong>de</strong>nen sie die Wasserreserven tief in<br />
<strong>de</strong>n Spalten erreichen. Während <strong>de</strong>r oberirdische Spross oft nur wenige Zentimeter<br />
groß ist, erzielen die Wurzeln Längen bis über einen Meter. Auch auf<br />
Temperaturschwankungen wirkt die Felsspalte ausgleichend. Während an <strong>de</strong>r<br />
Felsoberfläche im Sommer Bo<strong>de</strong>ntemperaturen von über 70 Grad erreicht<br />
wer<strong>de</strong>n, bleibt es in <strong>de</strong>n Spalten in 50 Zentimeter Tiefe mit konstant 12-15 Grad<br />
recht kühl. Im Winter sinkt die Temperatur dagegen kaum unter 7 Grad ab.<br />
Wichtige Bewohner von Kalkfelsspalten sind Trauben-Steinbrech (Saxifraga<br />
paniculata), Mauerraute (Asplenium ruta-muraria), <strong>Felsen</strong>blümchen (Draba<br />
aizoi<strong>de</strong>s), Kugelschötchen (Kernnera saxalitis), Brillenschote (Biscutella<br />
laevigata, Niedriges Habichtskraut (Hieracium humile), Hasenohr-Habichtskraut<br />
(Hieracium bupleuroi<strong>de</strong>s) <strong>und</strong> Augenwurz (Athamanta cretensis). An schattigen<br />
<strong>und</strong> feuchten Stellen wächst Grünstieliger Streifenfarn (Asplenium virile),<br />
Zerbrechlicher Blasenfarn (Cystopteris fragilis), Zwerg-Glockenblume<br />
(Campanula cochleariifolia) <strong>und</strong> Sandkresse (Cardaminopsis arenosa).<br />
18
<strong>Felsen</strong> <strong>und</strong> <strong>Blockhal<strong>de</strong>n</strong><br />
Kalkfelsspalte mit gelbblühen<strong>de</strong>m Hasenohr-Habichtskraut (Hieracum<br />
bupleuroi<strong>de</strong>s) <strong>und</strong> Rosetten <strong>de</strong>s Trauben-Steinbrechs (Saxifraga paniculata). Von<br />
<strong>de</strong>m oben angrenzen<strong>de</strong>n Felsband aus, zieht sich Blaugras (Sesleria varia) über<br />
<strong>de</strong>n Fels.<br />
In kalkfreien Felsspalten fin<strong>de</strong>t sich Nordischer Streifenfarn (Asplenium<br />
septentrionale) Deutscher Streifenfarn (Asplenium x alternifolium) <strong>Felsen</strong>-<br />
Ehrenpreis (Veronica fruticans), Hügel-Wei<strong>de</strong>nröschen (Epilobium collinum)<br />
<strong>und</strong> Blasses Habichtskraut (Hieracium pallidum).<br />
19
<strong>Felsen</strong> <strong>und</strong> <strong>Blockhal<strong>de</strong>n</strong><br />
Silikatfelsspalte mit Nordischem Streifenfarn (Asplenium septentrionale). Auf<br />
<strong>de</strong>m Felsband oberhalb blüht Flügelginster (Genista sagittalis). Das <strong>Felsen</strong>-<br />
Leimkraut (Silene rupestris) überwächst vom Felsband aus <strong>de</strong>n Fels mit seinem<br />
lockeren Gespinst <strong>und</strong> direkt auf <strong>de</strong>m Gestein hat sich die Nabelflechte Lasallia<br />
pustulata ausgebreitet.<br />
Felsgrus-Standorte<br />
Die sonnigen Felsgrus-Standorte auf Felsköpfen, -bän<strong>de</strong>rn <strong>und</strong> -simsen stellen<br />
für Pflanzen weitaus extremere Standorte dar als die Spalten. Denn an diesen<br />
Stellen ist die Bo<strong>de</strong>nauflage sehr dünn <strong>und</strong> trocknet <strong>de</strong>shalb leicht aus.<br />
Felsgrus entsteht dort, wo Sonne, Wind <strong>und</strong> Frost <strong>de</strong>n Fels oberflächig stark<br />
verwittert haben. Der spärliche Bo<strong>de</strong>n zwischen <strong>de</strong>n Gesteinsstückchen besteht<br />
fast vollständig aus nur wenig zersetztem Humus, <strong>de</strong>r in ausgetrocknetem<br />
Zustand zu<strong>de</strong>m sehr leicht vom Wind Verblasen wird. Nur die locker<br />
aufliegen<strong>de</strong>n Steinchen <strong>und</strong> die dünne Pflanzen<strong>de</strong>cke bieten einen gewissen<br />
Schutz.<br />
20
<strong>Felsen</strong> <strong>und</strong> <strong>Blockhal<strong>de</strong>n</strong><br />
Ein typischer Bewohner <strong>de</strong>r Felsgrus-Standorte auf Kalkfels ist die Pfingstnelke<br />
(Dianthus gratianopolitanus). Die trittempfindlichen Pflanze ist ein<br />
zentraleuropäischer En<strong>de</strong>mit (Vorkommen nur in zentraleuropa). Sie kommt fast<br />
ausschließlich an Kalkfelsen vor <strong>und</strong> ist durch Wan<strong>de</strong>rer <strong>und</strong> Kletterer in<br />
höchstem Maße gefähr<strong>de</strong>t.<br />
Solche Standorte wer<strong>de</strong>n fast ausschließlich von Spezialisten besie<strong>de</strong>lt mit beson<strong>de</strong>ren<br />
Anpassungen, um die Trockenheit zu überdauern. Überwiegend sind es Mauerpfeffer-<br />
Arten (Sedum spec.), die in ihren verdickten Blättern Wasser speichern können <strong>und</strong><br />
sogenannte „Winter-Annuelle" wie Hungerblümchen (Erophila verna), Büschel-Miere<br />
(Minuartia fastigiata), Kelch-Steinkraut (Alyssum alyssoi<strong>de</strong>s) <strong>und</strong> Zwerg-Schneckenklee<br />
(Medicago minima). Diese einjährigen Pflanzen entwickeln sich während <strong>de</strong>s Winters -<br />
die Standorte sind dann meist schneefrei <strong>und</strong> erwärmen sich schon bei nur geringer<br />
Sonneneinstrahlung. Sehr früh im Jahr - oft schon im Februar - blühen sie <strong>und</strong><br />
überdauern <strong>de</strong>n trockenen Sommer als Samen. Viele dieser Pflanzen stammen aus<br />
<strong>de</strong>m submediterranen Raum <strong>und</strong> sind daher an diesen Entwicklungsrhythmus<br />
angepasst. An<strong>de</strong>re Arten dieser Standorte besitzen Anpassungen, die die Verdunstung<br />
<strong>und</strong> damit <strong>de</strong>n Wasserverlust herabsetzen, wie verdickte Außenhaut, Behaarung,<br />
gerollte <strong>und</strong> gefaltete Blätter, Blätter mit Wachsüberzug o<strong>de</strong>r schlicht winzige Blätter. Zu<br />
ihnen gehören auf Kalk die Pfingstnelke (Dianthus gratianopolitanus), Niedriges<br />
Hornkraut (Cerastium pumilum), Berg-Steinkraut (Alyssum montanum), Berg-Lauch<br />
(Allium senescens), Weißer Mauerpfeffer (Sedum album, Mil<strong>de</strong>r Mauerpfeffer (Sedum<br />
sexangulare), Frühblühen<strong>de</strong>r Thymian (Thymus praecox), Steinquen<strong>de</strong>l (Calamintha<br />
acinos), Blasser Schwingel (Festuca pallens), Wimper-Perlgras (Melica ciliata).<br />
Blaugras (Sesleria varia) <strong>und</strong> Erdsegge (Carex humilis). Auf kalkfreiem Gestein<br />
wachsen Ausdauern<strong>de</strong>r Knäuel (Scleranthus perennis), Einjährige Fetthenne (Sedum<br />
annuum), <strong>Felsen</strong>-Fetthenne (Sedum reflexum), Silber-Fingerkraut (Potentilla argentea),<br />
Frühlings-Ehrenpreis (Veronica verna) <strong>und</strong> <strong>Felsen</strong>-Leimkraut (Stiem rupestris).<br />
21
<strong>Felsen</strong> <strong>und</strong> <strong>Blockhal<strong>de</strong>n</strong><br />
Steppenhei<strong>de</strong><br />
Dort, wo sich auf <strong>de</strong>n Felsköpfen, -bän<strong>de</strong>rn <strong>und</strong> -simsen etwas mehr Feiner<strong>de</strong><br />
angesammelt hat, können sich Trockenrasen, wärmelieben<strong>de</strong> Stau<strong>de</strong>nsäume,<br />
Gebüsche o<strong>de</strong>r Trockenwäl<strong>de</strong>r entwickeln je nach Mächtigkeit <strong>de</strong>r<br />
Bo<strong>de</strong>nschicht. Die einzelnen Aspekte sind jedoch meist nur bruchstückhaft<br />
entwickelt, gehen ineinan<strong>de</strong>r über o<strong>de</strong>r sind miteinan<strong>de</strong>r verzahnt. Es kommt zu<br />
einem lückigen Komplex aus Flechten, Moosen, niedrigen Kräutern <strong>und</strong><br />
Hochstau<strong>de</strong>n mit einzeln eingestreuten Sträuchern <strong>und</strong> oft krüppel-wüchsigen<br />
Bäumen. Solch ein Vegetationskomplex wur<strong>de</strong> von <strong>de</strong>m bekannten<br />
Pflanzengeograph Robert GRADMANN als Steppenhei<strong>de</strong> bezeichnet.<br />
Da die Rasen-, Saum- <strong>und</strong> Gehölzbestän<strong>de</strong> in an<strong>de</strong>ren Heften dieser Reihe<br />
ausführlich behan<strong>de</strong>lt wer<strong>de</strong>n, sei hier nur kurz darauf eingegangen.<br />
Die Trockenrasen <strong>de</strong>r Felsköpfe <strong>und</strong> -bän<strong>de</strong>r sind reich an seltenen <strong>und</strong> gefähr<strong>de</strong>ten<br />
Pflanzenarten. Sie bieten ein großes Blütenangebot <strong>und</strong> wer<strong>de</strong>n von<br />
vielen nektarsuchen<strong>de</strong>n Insekten wie Schmetterlingen <strong>und</strong> Wildbienen aufgesucht.<br />
Obwohl die Bo<strong>de</strong>nmächtigkeit <strong>de</strong>r Trockenrasen höher ist als die <strong>de</strong>r<br />
Felsgrus-Standorte, ist sie doch so gering, dass die knappen Wasserreserven<br />
<strong>de</strong>s flachgründigen Bo<strong>de</strong>ns nur einen lückigen Gras- <strong>und</strong> Krautbestand<br />
aufkommen lassen.<br />
Die Trockenrasen sind eine natürliche Pflanzengesellschaft, das heißt, sie sind<br />
ohne menschliches Zutun entstan<strong>de</strong>n. Im Unterschied dazu sind<br />
Halbtrockenrasen gemähte Magerrasen auf Standorten, die potentiell auch<br />
Wald tragen könnten. Im Bereich <strong>de</strong>r Felsköpfe kann sich aber an einen<br />
natürlichen Trockenrasen ein Halbtrockenrasen anschließen.<br />
Auf <strong>de</strong>n Trockenrasen <strong>de</strong>r Felsköpfe <strong>und</strong> -bän<strong>de</strong>r haben einige beson<strong>de</strong>rs<br />
seltene Arten überlebt: Die Gewöhnliche Küchenschelle (Pulsatilla vulgaris),<br />
das Graue Sonnenröschen (Helianthemum canum) <strong>und</strong> das Fe<strong>de</strong>rgras (Stipa<br />
spec.). Auf <strong>de</strong>n offenen Bo<strong>de</strong>n-flachen wächst eine Gemeinschaft bunter<br />
Erdflechten: Fulgensia fulgens (gelb), Squamarina lentigera (hellgrün), Toninia<br />
coeruleo-nigricans (blau) <strong>und</strong> Psora <strong>de</strong>cipiens (rot) sind hier vertreten.<br />
22
<strong>Felsen</strong> <strong>und</strong> <strong>Blockhal<strong>de</strong>n</strong><br />
Trockenrasen mit Fe<strong>de</strong>rgras auf einem ungestörten Felskopf. Wegen <strong>de</strong>r langen<br />
Grannen nennt man das Fe<strong>de</strong>rgras im Volksm<strong>und</strong> Steinfe<strong>de</strong>r, Engelshaar o<strong>de</strong>r<br />
Sei<strong>de</strong>ngras.<br />
An <strong>de</strong>r Grenze zwischen Wald <strong>und</strong> Fels verän<strong>de</strong>rn sich die ökologischen<br />
Faktoren: gegen <strong>de</strong>n Fels zu wird die Bo<strong>de</strong>nschicht dünner, es wird windiger<br />
<strong>und</strong> trockener. Der Übergangsbereich ist oft sehr schmal. Theoretisch folgt auf<br />
<strong>de</strong>n dichten Wald ein lichter Trockenwald, dann ein Strauchmantel, ein<br />
Stau<strong>de</strong>nsaum <strong>und</strong> zum Abschluss ein Trockenrasen. Da <strong>de</strong>r Untergr<strong>und</strong> aber<br />
meist sehr uneinheitlich ist, treten die einzelnen Sträucher <strong>und</strong> Bäume eher<br />
inselartig in kleinen Gruppen o<strong>de</strong>r einzeln auf, <strong>und</strong> die Stau<strong>de</strong>n <strong>de</strong>r Säume<br />
wachsen dazwischen.<br />
Der Blutrote Storchschnabel (Geranium sanguineum) ist typisch für die sonnigen<br />
Stau<strong>de</strong>nsäume. Dort wachsen zahlreiche seltene <strong>und</strong> kostbare Pflanzen wie Heilwurz<br />
(Seseli libanotis), Diptam (Dictamnus albus) <strong>und</strong> Berg-Kronwicke (Coronilla coronata).<br />
Berg-Laserkraut (Laserpitium siler) <strong>und</strong> Österreicher Ehrenpreis (Veronica austriaca)<br />
sind außer<strong>de</strong>m speziell auf die Stau<strong>de</strong>nsäume <strong>de</strong>r <strong>Felsen</strong> angewiesen.<br />
Die Strauchmäntel beherbergen eine große Zahl nektarspen<strong>de</strong>n<strong>de</strong>r Blütensträucher:<br />
neben häufigeren Arten wie Weißdorn (Crataegus spec.) <strong>und</strong> Schlehe (Prunus spinosa)<br />
sind dort auch Raritäten wie <strong>Felsen</strong>-Kreuzdorn (Rhamnus saxatilis), <strong>Felsen</strong>kirsche<br />
(Prunus mahaleb), Le<strong>de</strong>r-Rose (Rosa caesia), Apfel-Rose (Rosa villosa) <strong>und</strong><br />
Kleinblütige Rose (Rosa micrantha) vertreten.<br />
23
<strong>Felsen</strong> <strong>und</strong> <strong>Blockhal<strong>de</strong>n</strong><br />
Ausschnitt aus einer Steppenhei<strong>de</strong> am Rauhen Stein/oberes Donautal. Unter<br />
Steppenhei<strong>de</strong> Versteht man einen lückigen Komplex aus Flechten, Moosen<br />
niedrigen Kräutern <strong>und</strong> Hochstau<strong>de</strong>n – hier mit Blutrotem Storchschnabel<br />
(Geranium sanguineum), Schwalbwurz (Vincetoxium hir<strong>und</strong>inaria) <strong>und</strong><br />
Aufrechtem Ziest (Stachys recta) mit einzeln gesträuten Sträuchern <strong>und</strong> Bäumen,<br />
heir Felsbirne (Amelanchier ovalis), Mehlbeere (Sorbus aria) <strong>und</strong> Stieleiche.<br />
So wie die lichten Trockenwäl<strong>de</strong>r an <strong>Felsen</strong> heute aussehen, könnten die<br />
Wäl<strong>de</strong>r . in einer (schon etwas fortgeschrittenen) Phase <strong>de</strong>r Wie<strong>de</strong>rbewaldung<br />
nach <strong>de</strong>r Eiszeit ausgesehen haben. Man nennt sie daher Reliktwal<strong>de</strong>r. Zwei<br />
Waldtypen sind bei <strong>de</strong>n Trockenwäl<strong>de</strong>rn häufig: <strong>de</strong>r submediterrane Eichen-<br />
<strong>und</strong> <strong>de</strong>r <strong>de</strong>alpine Föhren-Steppenhei<strong>de</strong>wald. Die Bäume — Stiel- <strong>und</strong><br />
Traubeneiche, Waldkiefer, Buche, Sommerlin<strong>de</strong> — wer<strong>de</strong>n meist nicht groß <strong>und</strong><br />
stehen sehr lückig. Damit gewähren sie <strong>de</strong>n lichtlieben<strong>de</strong>n Sträuchern <strong>und</strong><br />
Stau<strong>de</strong>n <strong>de</strong>r oben beschriebenen Strauchmäntel <strong>und</strong> Stau<strong>de</strong>nsäume Raum.<br />
Die Bestän<strong>de</strong> sind sehr artenreich <strong>und</strong> beherbergen eine große Zahl seltener Pflanzen,<br />
wie Strauchwicke (Coronilla emerus), Kronwicke (Coronilla vaginalis), Färber-Meister<br />
(Asperula tinctoria), Zwergbuchs (Polygala chamaebuxus) Schwarzwer<strong>de</strong>n<strong>de</strong>r Geißklee<br />
(Cytisus nigricans) o<strong>de</strong>r Niedrige Segge (Caroc humilis).<br />
24
Felsbalmen<br />
<strong>Felsen</strong> <strong>und</strong> <strong>Blockhal<strong>de</strong>n</strong><br />
Eine ganz spezielle Balmenvegetation fin<strong>de</strong>t sich am Fuß von <strong>Felsen</strong> zuweilen<br />
unter <strong>de</strong>n Felsüberhängen, <strong>de</strong>n sogenannten Balmen. Österreichische Rauke<br />
(Sisymbrium austriacum) <strong>und</strong> Scharfkraut (Asperugo procumbens) gehören zu<br />
<strong>de</strong>n typischen Vertretern. Die Stellen sind i<strong>de</strong>ale Ruheplätze für Wild, das mit<br />
seinen Exkrementen für Düngung sorgt.<br />
<strong>Blockhal<strong>de</strong>n</strong><br />
Die Lebensbedingungen für Pflanzen auf <strong>Blockhal<strong>de</strong>n</strong> unterschei<strong>de</strong>n sich von<br />
<strong>de</strong>nen an <strong>Felsen</strong> erheblich, <strong>de</strong>nn es existieren keine Felsspalten o<strong>de</strong>r<br />
Felsbän<strong>de</strong>r, wo sich Feiner<strong>de</strong> ansammeln könnte. Das Feinmaterial wird mit<br />
<strong>de</strong>m Regen durch die zahlreichen Hohlräume bis an <strong>de</strong>n oft mehrere Meter tief<br />
gelegenen Hal<strong>de</strong>ngr<strong>und</strong> geschwemmt. Keimlinge, die sich dort entwickeln,<br />
gelangen nie bis ans Tageslicht <strong>und</strong> gehen zugr<strong>und</strong>e. Die <strong>Blockhal<strong>de</strong>n</strong> sind<br />
<strong>de</strong>shalb überwiegend von Algen, Flechten <strong>und</strong> Moosen bewohnt, zum Teil von<br />
völlig an<strong>de</strong>ren Arten als die <strong>Felsen</strong>. Verantwortlich dafür ist das eigenartige<br />
Kleinklima, das in <strong>de</strong>m Hohlraumsystem einer -Blockhal<strong>de</strong> herrscht:<br />
während <strong>de</strong>r warmen Jahreszeit ist das Innere <strong>de</strong>r Blockhal<strong>de</strong> kälter als die<br />
Umgebung. Kalte Luft ist schwerer als warme, sie sinkt in <strong>de</strong>r Blockhal<strong>de</strong> ab.<br />
Der Hal<strong>de</strong>ngr<strong>und</strong> ist daher kühl <strong>und</strong> feucht. Am Fuß <strong>de</strong>r Blockhal<strong>de</strong> strömt die<br />
feuchte Kaltluft aus <strong>und</strong> sorgt so für einen ständig kühlen Standort. Dieser kalte<br />
Luftstrom ist beson<strong>de</strong>rs im Frühsommer <strong>de</strong>utlich zu spüren, wenn einem bei<br />
bereits sommerlichen Temperaturen die eiskalte Luft entgegenbläst. Die Blöcke<br />
in <strong>de</strong>n Höhlen am Hal<strong>de</strong>nfuß sind selbst dann zum Teil mit einem dicken<br />
Eispanzer überzogen. Im Schwarzwald hat man bei Straßenbauarbeiten am<br />
Gr<strong>und</strong> einer Blockhal<strong>de</strong> sogar noch im August Eis gef<strong>und</strong>en.<br />
In <strong>de</strong>n Südalpen ist dieses Phänomen gut bekannt, man nennt dort <strong>Blockhal<strong>de</strong>n</strong><br />
Eislöcher o<strong>de</strong>r Eiskeller: vielerorts hat man an <strong>de</strong>n Fuß von <strong>Blockhal<strong>de</strong>n</strong> Milchhäuschen<br />
o<strong>de</strong>r Bierkeller gebaut, die selbst im Hochsommer mit vier Grad kalter Luft gekühlt wer-<br />
<strong>de</strong>n.<br />
Der obere Teil einer Blockhal<strong>de</strong> erwärmt sich dagegen stark. Während unten<br />
die Kaltluft ausströmt, wird warme Luft nachgesaugt <strong>und</strong> so <strong>de</strong>r Hal<strong>de</strong>nkörper<br />
bis in größere Tiefen aufgeheizt. Da das Gestein die Wärme gut speichern<br />
kann, sind diese Standorte auch in kalten Nächten wärmer als ihre Umgebung.<br />
Im Winter kommt es zu einer Umkehr <strong>de</strong>s Luftstromes, weil das Innere <strong>de</strong>r<br />
Hal<strong>de</strong> wärmer ist als die Umgebung: Kaltluft strömt dann am Hal<strong>de</strong>nfuß ein,<br />
während erwärmte Luft oben austritt. Man fin<strong>de</strong>t in kalten Wintern Stellen im<br />
oberen Bereich von <strong>Blockhal<strong>de</strong>n</strong>, an <strong>de</strong>nen <strong>de</strong>r Schnee ständig schmilzt.<br />
25
<strong>Felsen</strong> <strong>und</strong> <strong>Blockhal<strong>de</strong>n</strong><br />
Im Gegensatz zu <strong>Felsen</strong> sind <strong>Blockhal<strong>de</strong>n</strong> (bis auf die Warmluftaustritte) eher<br />
schneebe<strong>de</strong>ckt, da sie weniger <strong>de</strong>m Wind ausgesetzt sind <strong>und</strong> <strong>de</strong>r Schnee in<br />
<strong>de</strong>n Höhlungen lange liegen bleibt.<br />
Höhere Pflanzen kommen auf <strong>Blockhal<strong>de</strong>n</strong>. nur dort vor, wo sich unter dicken<br />
Moos<strong>de</strong>cken etwas Humus angesammelt hat. Das ist vor allem am Hal<strong>de</strong>nfuß<br />
<strong>de</strong>r Fall, <strong>de</strong>nn im oberen trockenen Hal<strong>de</strong>nteil existieren nur vereinzelte kleine<br />
Moospolster von wenigen Zentimetern Durchmesser: sie können nur ganz<br />
geringe Mengen an Feinmaterial festhalten. Zum Hal<strong>de</strong>nfuß hin, wo infolge <strong>de</strong>r<br />
kühlen Temperaturen auch eine höhere Luftfeuchtigkeit herrscht, wer<strong>de</strong>n die<br />
Moos<strong>de</strong>cken immer dicker <strong>und</strong> die Polster immer größer.<br />
<strong>Blockhal<strong>de</strong>n</strong> wer<strong>de</strong>n überwiegend von Flechten <strong>und</strong> Moosen besie<strong>de</strong>lt. Bei <strong>de</strong>n<br />
überhängen<strong>de</strong>n, etwas grau aussehen<strong>de</strong>n Moos<strong>de</strong>cken auf <strong>de</strong>r Abbildung,<br />
han<strong>de</strong>lt es sich um ein ganz typisches Moos <strong>de</strong>r Silikatblockhal<strong>de</strong>n,<br />
Rhacomitrium lanuginosum. Nur wenige höhere Pflanzen besie<strong>de</strong>ln die offenen<br />
<strong>Blockhal<strong>de</strong>n</strong>. Die häufigsten Arten <strong>de</strong>r Silikatblockhal<strong>de</strong>n sind auf <strong>de</strong>r Abbildung<br />
zu sehen, nämlich die Draht-Schmiele (Deschampsia flexuosa) <strong>und</strong> das Wald-<br />
Reitgras (Calamagrostis ar<strong>und</strong>inacea)<br />
26
<strong>Felsen</strong> <strong>und</strong> <strong>Blockhal<strong>de</strong>n</strong><br />
Fast ausschließlich auf <strong>Blockhal<strong>de</strong>n</strong> aus kalkfreiem Gestein kommt das<br />
auffällige Zackenmützenmoos (Rhacomitrium lanuginosum) vor. In<br />
schwellen<strong>de</strong>n Decken überzieht es die Blöcke oft quadratmeterweise. Wenn<br />
sich unter diesen Decken etwas Humus angesammelt hat, kommen zuerst<br />
Waldbo<strong>de</strong>nmoose wie das Haarmützenmoos (Polytrichum formosum) o<strong>de</strong>r das<br />
Hainmoos (Hyclocomium splen<strong>de</strong>ns) dazu <strong>und</strong> dann vereinzelt auch höhere<br />
Pflanzen <strong>de</strong>r schattigen Stau<strong>de</strong>nsäume. Bezeichnend für die <strong>Blockhal<strong>de</strong>n</strong> sind<br />
aber vor allem einige Farne: auf Kalkblockhal<strong>de</strong>n ist <strong>de</strong>r Ruprechtsfarn<br />
(Gymnocarpium robertianum) häufig, seltener kommt auch <strong>de</strong>r<br />
Hirschzungenfarn (Phyllitis scolopendrium) vor. Silikatblockhal<strong>de</strong>n sind oft vom<br />
Schuppigen Wurmfarn (Dryopteris affinis) bewachsen, <strong>de</strong>r für <strong>Blockhal<strong>de</strong>n</strong><br />
äußerst typische Krause Rollfarn (Cryptogramma crispa) ist dagegen sehr<br />
selten. Farne wachsen in Blocknischen auf Humusansammlungen dicker<br />
Moospolster. Der Rollfarn ist in <strong>Blockhal<strong>de</strong>n</strong> <strong>und</strong> meeren <strong>de</strong>r Alpen <strong>und</strong> <strong>de</strong>s<br />
ganzen arktischen Raumes weit verbreitet. Bei uns ist er ein Eiszeitrelikt <strong>und</strong><br />
hat nur in einzelnen <strong>Blockhal<strong>de</strong>n</strong> <strong>de</strong>s Schwarzwal<strong>de</strong>s überdauert. Ebenfalls<br />
Reliktcharakter hat die selten in <strong>Blockhal<strong>de</strong>n</strong> anzutreffen<strong>de</strong> Windflechte<br />
(Ophioparma ventosa) <strong>und</strong> das Moos Gymnomitrium concinnatum.<br />
In Ba<strong>de</strong>n-Württemberg kommen bei<strong>de</strong> Arten sonst nur an exponierten <strong>und</strong><br />
windumtosten <strong>Felsen</strong> vor. Solche Reliktarten geben Hinweis darauf, dass<br />
<strong>Blockhal<strong>de</strong>n</strong> seit <strong>de</strong>r Eiszeit unverän<strong>de</strong>rt bestan<strong>de</strong>n haben müssen <strong>und</strong> immer<br />
waldfrei waren.<br />
Am kaltluftführen<strong>de</strong>n Fuß einiger <strong>Blockhal<strong>de</strong>n</strong> fin<strong>de</strong>t man <strong>de</strong>n Peitschenmoos-<br />
Fichtenwald, <strong>de</strong>r bei uns an solchen Son<strong>de</strong>rstandorten als ein weit<br />
abgesprengtes Areal <strong>de</strong>s borealen Na<strong>de</strong>lwaldgürtels überdauert hat. Dagegen<br />
trägt <strong>de</strong>r Hal<strong>de</strong>nkopf oft einen wärmelieben<strong>de</strong>n Spitzahorn-Lin<strong>de</strong>nwald: ein<br />
lichter, strauchreicher Wald, <strong>de</strong>r wie die Trockenwäl<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r <strong>Felsen</strong> als<br />
Reliktwald <strong>de</strong>r nacheiszeitlichen Warmzeit angesehen wird. Im Gegensatz zum<br />
felstypischen Trockenwald sind die Standorte am Felsfuß aber sehr reich an<br />
Feiner<strong>de</strong> <strong>und</strong> Nährstoffen, da sich hier die vom <strong>Felsen</strong> abgeschwemmten Stoffe<br />
ansammeln. Zur Blockhal<strong>de</strong> hin wird dieser Wald immer lückiger. Dort wo sich<br />
auf Gelän<strong>de</strong>rippen nur eine dünne Blockauflage ansammeln konnte, reicht er<br />
streifenartig bis weit in die Hal<strong>de</strong> hinein.<br />
27
<strong>Felsen</strong> <strong>und</strong> <strong>Blockhal<strong>de</strong>n</strong><br />
Auf Gelän<strong>de</strong>rippen dringt <strong>de</strong>r wärmelieben<strong>de</strong> Spitzahorn-Lin<strong>de</strong>nwald <strong>de</strong>s<br />
Hal<strong>de</strong>nkopfs bis weit in die <strong>Blockhal<strong>de</strong>n</strong> ein, da hier die Blockauflage nicht so<br />
mächtig ist.<br />
Geröllhal<strong>de</strong>n<br />
Ganz im Gegensatz zu <strong>de</strong>n <strong>Felsen</strong> <strong>und</strong> <strong>Blockhal<strong>de</strong>n</strong> ist in <strong>de</strong>n Geröllhal<strong>de</strong>n viel<br />
Feinmaterial vorhan<strong>de</strong>n. Allerdings bewegt sich das Substrat, weshalb sich hier<br />
kein Wald ansie<strong>de</strong>ln kann. Auf Geröllhal<strong>de</strong>n sind die Wurzeln <strong>de</strong>r Pflanzen<br />
starken Zug- <strong>und</strong> Scherkräften ausgesetzt: das Geröll reißt sie ein Stück mit<br />
nach unten, o<strong>de</strong>r die gesamte Pflanze wird einfach vom Schutt über<strong>de</strong>ckt. Nur<br />
Arten mit beson<strong>de</strong>rs zähen <strong>und</strong> biegsamen Wurzeln <strong>und</strong> Stängeln können<br />
Geröllhal<strong>de</strong>n auf Dauer besie<strong>de</strong>ln. Viele Pflanzen dieser Standorte besitzen<br />
außer<strong>de</strong>m die Fähigkeit, Ausläufer zu bil<strong>de</strong>n, die <strong>de</strong>n Schutt durchsetzen <strong>und</strong><br />
ihn so festigen. Eine weitere Schwierigkeit für die Besie<strong>de</strong>lung ist <strong>de</strong>r geringe<br />
Humusgehalt <strong>de</strong>s Bo<strong>de</strong>ns, hier können nur Pflanzen mit Pioniercharakter Fuß<br />
fassen.<br />
Diese Lebensbedingungen meistern nur wenige Pflanzen. Einige sind aber so<br />
sehr an diesen Standort angepasst, dass sie ausschließlich auf Geröllhal<strong>de</strong>n<br />
vorkommen. Auf Kalk ist das <strong>de</strong>r Schild-Ampfer (Rumex scutatus), auf Silikat<br />
sind es Gelber Hohlzahn (Galeopsis segetuni) <strong>und</strong> Lanzettblättriges Wei<strong>de</strong>nröschen<br />
(Epilobium lanceolatum).<br />
28
<strong>Felsen</strong> <strong>und</strong> <strong>Blockhal<strong>de</strong>n</strong><br />
Schild-Ampfer (Rumex scutatus) in einer Kalk-Geröllhal<strong>de</strong>. Die langen,<br />
verzweigten Wurzeln <strong>und</strong> die Ausläufer <strong>de</strong>s Ampfers durchziehen die Hal<strong>de</strong> <strong>und</strong><br />
festigen so das lockere Gestein.<br />
Eine beson<strong>de</strong>re Form <strong>de</strong>r Geröllhal<strong>de</strong>n fin<strong>de</strong>t man am Albtrauf — die Mergelfeinschutthal<strong>de</strong>n.<br />
Da Mergel eine hohe Plastizität <strong>und</strong> Quellbarkeit aufweist,<br />
kommt es in nassen Jahreszeiten zu Gleitbewegungen <strong>de</strong>s Hanges. Die<br />
Vegetations<strong>de</strong>cke wird durch das bewegte Material immer wie<strong>de</strong>r aufgerissen,<br />
weshalb sich hier kein Wald ansie<strong>de</strong>ln kann. Die großen Mergelhal<strong>de</strong>n sind<br />
schon unter eiszeitlichen Bedingungen entstan<strong>de</strong>n <strong>und</strong> seither waldfrei<br />
geblieben. Auch hier kommen Reliktarten vor.<br />
An sonnenexponierten Hängen trocknet <strong>de</strong>r Mergel im Sommer stark aus.<br />
Hier sie<strong>de</strong>lt eine konkurrenzarme Pioniervegetation mit Hainlattichblättrigem<br />
Löwenzahn (Leontodon hispidus ssp. hyoseroi<strong>de</strong>s), Alpen-W<strong>und</strong>klee (Anthyllis<br />
vulneraria ssp. alpestris). Blaugras (Sesleria varia), Frühblühen<strong>de</strong>m Thymian<br />
(Thymus praecox) <strong>und</strong> Berg-Gaman<strong>de</strong>r (Teucrium montanum). Die Flächen<br />
sind oft nur zu 20-30 Prozent von Vegetation be<strong>de</strong>ckt.<br />
Dichter bewachsen sind die nor<strong>de</strong>xponierten Mergelhänge, wo sich natürliche<br />
Wildgrasfluren mit Arten <strong>de</strong>r alpinen Rasen aufbauen. Auf steileren Hängen, die<br />
noch stark zu Rutschungen neigen, wird die Grasnarbe überwiegend von<br />
29
<strong>Felsen</strong> <strong>und</strong> <strong>Blockhal<strong>de</strong>n</strong><br />
Buntem Reitgras (Calamagrostis varia) gebil<strong>de</strong>t, das mit seinen kräftigen<br />
Ausläufern frisch entblößte Flächen besie<strong>de</strong>lt <strong>und</strong> festigt. Auf weniger steilen<br />
o<strong>de</strong>r schon etwas gefestigten Hal<strong>de</strong>n kommt es zu Rasen mit <strong>de</strong>n Reliktarten<br />
Horst-Segge (Carex sempervirens) <strong>und</strong> Amethyst-Schwingel (Festuca<br />
amethystina). Weitere Reliktarten dieser Bestän<strong>de</strong> sind Berghähnlein<br />
(Anemone narcissiflora) <strong>und</strong> Rippensame (Pleurospermum austriacum). Bei<strong>de</strong>,<br />
wie auch die Horst-Segge, haben ihre Hauptverbreitung in <strong>de</strong>n Alpen <strong>und</strong><br />
stellen Eiszeitrelikte dar. Der Amethyst-Schwinge!, eine Pflanze <strong>de</strong>r<br />
südmitteleuropäischen Gebirge, gelangte erst in <strong>de</strong>r nacheiszeitlichen Kiefernzeit<br />
an seine heutigen Wuchsorte. Weitere Arten dieser Bestän<strong>de</strong>, die<br />
wegen ihrer Schutzwürdigkeit auf <strong>de</strong>r Roten Liste stehen, sind unter an<strong>de</strong>rem<br />
<strong>de</strong>r Deutsche <strong>und</strong> Gelbe Enzian (Gentiana germanica u. G. lutea), die Mücken-<br />
Handwurz (Gymna<strong>de</strong>nia conopsea) o<strong>de</strong>r die Simsenlilie (Tofieldia calyculata).<br />
Die Tierwelt<br />
<strong>Felsen</strong><br />
<strong>Felsen</strong> wer<strong>de</strong>n von unterschiedlichsten Tiergruppen besie<strong>de</strong>lt - die Felslebensräume<br />
dienen als Brut- o<strong>de</strong>r Schlafplatz, Jagdrevier o<strong>de</strong>r Winterquartier. Viele<br />
Tierarten sind auf spezielle Futterpflanzen angewiesen, die an <strong>de</strong>n <strong>Felsen</strong><br />
wachsen. Für die meisten Tierarten, die sich auf <strong>Felsen</strong> spezialisiert haben, gibt<br />
es keine Ersatzlebensräume.<br />
Weichtiere<br />
Unter <strong>de</strong>n Schnecken gibt es viele Arten, die an <strong>Felsen</strong>, insbeson<strong>de</strong>re<br />
Kalkfelsen, vorkommen. Recht häufig <strong>und</strong> eine <strong>de</strong>r größten Gehäuse-<br />
Schnecken <strong>de</strong>r <strong>Felsen</strong> ist <strong>de</strong>r Steinpicker (Helicigona lapicida), <strong>de</strong>r allerdings<br />
auch in Wäl<strong>de</strong>rn an <strong>de</strong>n Stämmen lebt. Eine Art, die fast ausschließlich an<br />
Kalkfelsen vorkommt <strong>und</strong> ihren Speisezettel ganz auf die endolithischen, d.h. in<br />
das Gestein hineingewachsenen Flechten abgestimmt hat, ist die Haferkornschnecke<br />
(Chondrina avenacea). Häufig sind ihre Gehäuse mit Gesteinsstaub<br />
überzogen — eine perfekte Tarnung. Die winzige <strong>Felsen</strong>-<br />
Pyrami<strong>de</strong>nschnecke (Pyramidula rupestris) ist sogar streng an Kalkfelsen <strong>de</strong>r<br />
Schwäbischen Alb geb<strong>und</strong>en, wo sie oft her<strong>de</strong>nweise in Felsspalten vorkommt.<br />
Ebenso wie die Haferkornschnecke ist sie speziell daran angepasst,<br />
endolithische Flechten mit ihrer beson<strong>de</strong>rs ausgebil<strong>de</strong>ten Raspelzunge von <strong>de</strong>n<br />
<strong>Felsen</strong> abzuwei<strong>de</strong>n.<br />
30
<strong>Felsen</strong> <strong>und</strong> <strong>Blockhal<strong>de</strong>n</strong><br />
Der Steinpicker (Helicigona lapicida) ist eine Schneckenart, die häufig an <strong>Felsen</strong><br />
vorkommt <strong>und</strong> sich dort von Flechten ernährt.<br />
Insekten<br />
Nicht nur die <strong>Felsen</strong> selbst sind „uralt", einige <strong>de</strong>r auf ihnen leben<strong>de</strong>n Insekten<br />
sind noch viel älter: zu <strong>de</strong>n Urinsekten gehören etwa die <strong>Felsen</strong>springer (z.B.<br />
Machilis germanica). Die r<strong>und</strong> zwölf Millimeter großen Tiere sind durch ihre Körperfärbung<br />
so gut im Fels getarnt, dass sie erst sichtbar wer<strong>de</strong>n, wenn sie sich<br />
bewegen. Die <strong>Felsen</strong>springer ernähren sich von Flechten, die auf <strong>de</strong>n <strong>Felsen</strong><br />
wachsen.<br />
Ebenfalls zu <strong>de</strong>n Urinsekten zählen die Springschwänze. Sie ernähren sich<br />
von abgestorbenen Pflanzenteilen <strong>und</strong> tragen damit unter Moospolstern <strong>und</strong> in<br />
Felsspalten zur Bo<strong>de</strong>nbildung bei.<br />
Eine Tiergruppe, die nahezu alle Lebensräume besie<strong>de</strong>lt hat, sind die<br />
Ameisen. Auch an <strong>Felsen</strong> leben einige spezialisierte Arten — zum Beispiel<br />
Lasius emarginatus <strong>und</strong> Formica. rufibarbis. Für die Lebensgemeinschaft am<br />
<strong>Felsen</strong> sind Ameisen auch <strong>de</strong>shalb von großer Be<strong>de</strong>utung, weil sie die Samen<br />
vieler Felspflanzen verbreiten.<br />
Bei <strong>de</strong>n Schmetterlingen fallen vor allem die farbenprächtigen Tagfalter ins<br />
Auge. Das Blütenangebot <strong>de</strong>r <strong>Felsen</strong> lockt zwar viele von ihnen an, jedoch sind<br />
sie nicht speziell an <strong>Felsen</strong>regionen geb<strong>und</strong>en. Eine Ausnahme stellt <strong>de</strong>r bei<br />
uns nahezu ausgestorbene Apollo-Falter (Parnassius apollo) dar, <strong>de</strong>ssen<br />
Raupe sich von Kümmerformen <strong>de</strong>s Weißen Mauerpfeffers (Sedum album)<br />
ernährt, die auf <strong>Felsen</strong> <strong>und</strong> Geröllhal<strong>de</strong>n wachsen. Weit unscheinbarer sind die<br />
Nachtfalter, von <strong>de</strong>nen es allerdings etliche Arten gibt, die ausschließlich an<br />
<strong>Felsen</strong> vorkommen. So legt die geschützte Platin-Eule (.Apamea platinea) ihre<br />
Eier in die Blattschei<strong>de</strong>n <strong>de</strong>s Blassen Schwingels (Festuca pallens), aber nur<br />
dort, wo dieses Gras kümmerliche Polster bil<strong>de</strong>t. Die Kleine Flechteneule<br />
(Cryphia domestica) kommt auf <strong>de</strong>m glatten Fels vor. Ihre Raupe ernährt sich<br />
31
<strong>Felsen</strong> <strong>und</strong> <strong>Blockhal<strong>de</strong>n</strong><br />
von Flechten <strong>und</strong> lebt in einem aus Flechtenteilen gefertigten Gehäuse, das sie<br />
nachts zur Nahrungsaufnahme verlässt.<br />
Ein Netzflügler, <strong>de</strong>r vom Schmetterlings-Reichtum sonniger <strong>Felsen</strong> <strong>und</strong> <strong>de</strong>r<br />
angrenzen<strong>de</strong>n Steppenhei<strong>de</strong> profitiert, ist <strong>de</strong>r herrlich anzusehen<strong>de</strong>, vom<br />
Aussterben bedrohte Libellen-Schmetterlingshaft (Ascalaphus libelluloi<strong>de</strong>s).<br />
Er ernährt sich unter an<strong>de</strong>rem von Schmetterlingen, die er im Fluge erbeutet.<br />
Ebenfalls zu <strong>de</strong>n Netzflüglern gehört <strong>de</strong>r Ameisenlöwe (Myrmeleon<br />
formicarius), <strong>de</strong>ssen Larve sich an trockenen Stellen unter überhängen<strong>de</strong>n<br />
<strong>Felsen</strong> einen Sandtrichter baut, in <strong>de</strong>m sie vorwiegend Ameisen fängt. Aus <strong>de</strong>r<br />
Larve entwickelt sich die Ameisen-Jungfer — ein libellenähnliches Insekt mit<br />
einer Flügelspannweite von sechs bis acht Zentimetern.<br />
Ein typischer Bewohner <strong>de</strong>r Steppenhei<strong>de</strong> ist <strong>de</strong>r vom Aussterben bedrohte<br />
Libellen-Schmetterlingshaft (Ascalaphus libelluloi<strong>de</strong>s). Er ernährt sich von <strong>de</strong>n an<br />
<strong>Felsen</strong> zahlreich vorkommen<strong>de</strong>n Schmetterlingen.<br />
Spinnen<br />
Felsbewohnen<strong>de</strong> Spinnen nutzen je nach Art unterschiedliche Bereiche <strong>de</strong>s<br />
Biotops. An sonnigen Felspartien ohne Farne <strong>und</strong> Blütenpflanzen leben<br />
mehrere Springspinnenarten, die ihre Insektennahrung durch Anschleichen <strong>und</strong><br />
Zuspringen erbeuten. Arten wie die Zebra-Springspinne (Salticus scenicus)<br />
haben an Hauswän<strong>de</strong>n einen Sek<strong>und</strong>ärlebensraum gef<strong>und</strong>en.<br />
Manche Springspinnenarten sind an <strong>de</strong>n Lebensraum Fels geb<strong>und</strong>en, während<br />
die folgen<strong>de</strong>n Arten auch auf Trockenrasen <strong>und</strong> solchen Stellen vorkommen,<br />
die vor allem ihrer Wärmebedürftigkeit entsprechen.<br />
Zwischen Felsvorsprüngen spannen Netzspinnen wie Zygiella montana ihre<br />
Fangnetze. Den Kleinspinnen aus <strong>de</strong>n Familien <strong>de</strong>r Kugelspinnen<br />
32
<strong>Felsen</strong> <strong>und</strong> <strong>Blockhal<strong>de</strong>n</strong><br />
(Theridiidae) <strong>und</strong> Baldachinspinnen (Linyphiidae) genügen dagegen einzelne<br />
Grashorste an <strong>Felsen</strong> für ihre winzigen Netze.<br />
Nachtaktive Arten aus <strong>de</strong>r Familie <strong>de</strong>r Plattbauchspinnen (Gnaphosidae) verbringen<br />
in Grashorsten, Pflanzenpolstern <strong>und</strong> Felsritzen <strong>de</strong>n Tag, um in <strong>de</strong>r<br />
Dunkelheit nach Beute zu jagen — zum Beispiel einige Zelotes-Arten.<br />
Reptilien<br />
Bei <strong>de</strong>n Reptilien sind es vor allem die Ei<strong>de</strong>chsen, die sich an <strong>Felsen</strong> wohl<br />
fühlen:<br />
neben <strong>de</strong>r Zaunei<strong>de</strong>chse (Lacerta agilis) ist das in nie<strong>de</strong>ren Lagen auch die<br />
Mauerei<strong>de</strong>chse (Lacerta muralis). Ein Reptil, das sich hauptsächlich von<br />
Ei<strong>de</strong>chsen ernährt, ist die Schlingnatter (Coronella austriaca). Sie klettert<br />
hervorragend zwischen <strong>de</strong>n <strong>Felsen</strong> <strong>und</strong> war früher ziemlich häufig, heute ist sie<br />
allerdings stark gefähr<strong>de</strong>t. Oftmals wer<strong>de</strong>n die völlig ungefährlichen <strong>und</strong><br />
menschenscheuen Schlingnattern erschlagen, weil sie für giftige Kreuzottern<br />
gehalten wer<strong>de</strong>n o<strong>de</strong>r ohnehin als Ekeltier panische Angst beim Menschen<br />
auslösen. Die Schlingnatter ist jedoch — genauso wie die Kreuzotter —<br />
geschützt.<br />
Die Schlingnatter (Coronella austriaca) ist in <strong>Felsen</strong> <strong>und</strong> <strong>Blockhal<strong>de</strong>n</strong> ein wahrer<br />
Kletterkünstler. Sie bevorzugt diese Lebensräume, weil sie hier reichlich<br />
Ei<strong>de</strong>chsen fin<strong>de</strong>t, die sie mit Vorliebe verspeist.<br />
33
<strong>Felsen</strong> <strong>und</strong> <strong>Blockhal<strong>de</strong>n</strong><br />
Vögel<br />
Der Wan<strong>de</strong>rfalke ist in Süd<strong>de</strong>utschland ein typischer Felsbewohner:<br />
Höhlungen in hohen freistehen<strong>de</strong>n <strong>Felsen</strong> nutzt er als Brutnische, Felsköpfe als<br />
Jagdwarte, Kröpf- <strong>und</strong> Ruheplatz. Felsnischen dienen als Schlafplatz. Als<br />
Ergebnis eines über 25jährigen, aufwendigen Artenschutzes ist die<br />
Wan<strong>de</strong>rfalken-Population in Ba<strong>de</strong>n-Württemberg wie<strong>de</strong>r stabil. Das darf aber<br />
nicht darüber hinwegtäuschen, dass dieser Falke europa- <strong>und</strong> weltweit immer<br />
noch stark gefähr<strong>de</strong>t ist. Neben <strong>de</strong>r Bejagung sämtlicher Greifvögel <strong>und</strong> <strong>de</strong>m<br />
rücksichtslosen Nestraub für die Greifvogelhaltung, ist vor allem die<br />
Biozidbelastung unserer Umwelt dafür verantwortlich, dass die Falken, als<br />
Endglied <strong>de</strong>r Nahrungskette, aus vielen Gebieten <strong>de</strong>r Er<strong>de</strong> bereits<br />
verschw<strong>und</strong>en sind.<br />
Wan<strong>de</strong>rfalke auf seiner Sitzwarte. Die weltweit gefähr<strong>de</strong>ten Wan<strong>de</strong>rfalken brüten<br />
bei uns überwiegend in Höhlungen an hohen, freistehen<strong>de</strong>n <strong>und</strong> schwer<br />
zugänglichen <strong>Felsen</strong>. Der Brutfelsen wird auch als Jagdwarte, Ruhe- <strong>und</strong><br />
Schlafplatz genutzt.<br />
Weitere seltene spezialisierte Felsbrüter sind Uhu <strong>und</strong> Kolkrabe. Bei<strong>de</strong> Arten<br />
waren zu Anfang <strong>de</strong>s 20. Jahrh<strong>und</strong>erts in Ba<strong>de</strong>n-Württemberg ausgestorben<br />
<strong>und</strong> sind erst in <strong>de</strong>n letzten Jahrzehnten wie<strong>de</strong>r als Brutvögel aufgetaucht.<br />
Dohlen waren noch vor 15 Jahren an vielen <strong>Felsen</strong> in großen Kolonien anzutreffen.<br />
Heute gibt es nur noch wenige Vorkommen: viele <strong>de</strong>r früheren<br />
Brutfelsen sind verwaist. Den Dohlen haben vor allem die Sportkletterer<br />
zugesetzt. Wo an <strong>de</strong>n Brutfelsen geklettert wird, sinkt <strong>de</strong>r Bruterfolg durch die<br />
Störungen teilweise auf Null.<br />
34
Säugetiere<br />
<strong>Felsen</strong> <strong>und</strong> <strong>Blockhal<strong>de</strong>n</strong><br />
Von Fle<strong>de</strong>rmäusen ist bekannt, dass sie Höhlen in <strong>Felsen</strong> als Winterquartier benutzen.<br />
Weniger bekannt ist jedoch, dass einige vom Aussterben bedrohte<br />
Arten wie <strong>de</strong>r Große Abendsegler (Nyctalus noctula) o<strong>de</strong>r die Zwergfle<strong>de</strong>rmaus<br />
(Pipistrellus pipistrellus) auch in Felsspalten <strong>und</strong> -nischen überwintern. Hier sind<br />
sie extrem gefähr<strong>de</strong>t, da Störungen während Frostperio<strong>de</strong>n ihre<br />
Energiereserven <strong>de</strong>rart aufzehren, dass sie unter Umstän<strong>de</strong>n <strong>de</strong>n Winter nicht<br />
überleben.<br />
<strong>Blockhal<strong>de</strong>n</strong><br />
Die Lebensbedingungen, die eine Blockhal<strong>de</strong> ihren tierischen Bewohnern<br />
bietet, reicht vom warmen, trockenen Bereich im oberen Teil <strong>de</strong>r Hal<strong>de</strong> bis zum<br />
kühlen, feuchten Hal<strong>de</strong>nfuß. Die Lebensräume sind zu<strong>de</strong>m zoniert — von <strong>de</strong>n<br />
exponierten Flächen <strong>de</strong>r oben aufliegen<strong>de</strong>n Blöcke bis hin zum Hal<strong>de</strong>ngr<strong>und</strong>,<br />
wo die Lebensbedingungen ähnlich wie in einer Höhle sind.<br />
Der warme obere Hal<strong>de</strong>nbereich ist für viele Tiere ein i<strong>de</strong>aler Überwinterungsort:<br />
zeitig im Frühjahr krabbeln große Mengen von Marienkäfern<br />
(Coccinella septempunctata) aus <strong>de</strong>n trockenen Höhlen.<br />
Im Fuß einer 600 Meter über <strong>de</strong>m Meeresspiegel gelegenen Blockhal<strong>de</strong> im<br />
Schwarzwald wur<strong>de</strong> dagegen <strong>de</strong>r Laufkäfer Nebria castanea gef<strong>und</strong>en - an<br />
sich ein typischer Bewohner von Schneetälchen <strong>de</strong>r alpinen Lagen (Mul<strong>de</strong>n mit<br />
extrem langer Schneebe<strong>de</strong>ckung). Von <strong>de</strong>n hohen Schwarzwaldgipfeln wie<br />
Feldberg <strong>und</strong> Belchen war er bereits bekannt. Sein Vorkommen in <strong>de</strong>r relativ<br />
niedrigen Höhenlage weist auf die extremen Kleinklimabedingungen im Fuß von<br />
<strong>Blockhal<strong>de</strong>n</strong> hin. Der auf kaltes Klima <strong>und</strong> lange Schneebe<strong>de</strong>ckung<br />
spezialisierte Käfer ist - ebenso wie unter <strong>de</strong>n Pflanzen <strong>de</strong>r Krause Rollfarn<br />
(Cryptogramma crispa) — ein Eiszeitrelikt.<br />
In Block- <strong>und</strong> Geröllhal<strong>de</strong>n fin<strong>de</strong>n sich aufgr<strong>und</strong> <strong>de</strong>r guten<br />
Versteckmöglichkeiten zahlreiche Spinnenarten, die speziell an diesen<br />
Lebensraum angepasst sind. Die <strong>Blockhal<strong>de</strong>n</strong> bieten ihnen vielfältige<br />
Lebensmöglichkeiten. Hier jagt die für die <strong>Blockhal<strong>de</strong>n</strong> <strong>de</strong>s Schwarzwal<strong>de</strong>s typische<br />
Wolfspinne Acantholycosa norvegica, die sich bei Gefahr blitzschnell<br />
unter Blöcken verbirgt. Ebenso typisch sind die Baldachinspinnen<br />
Bathyphantes eumenis <strong>und</strong> Lepthyphantes notabilis, die erst kürzlich auf einer<br />
Schwarzwaldblockhal<strong>de</strong> neu für Ba<strong>de</strong>n-Württemberg nachgewiesen wur<strong>de</strong>n. In<br />
Hohlräumen zwischen <strong>de</strong>n Blöcken mit ganzjährig relativ konstanten<br />
Temperaturen fin<strong>de</strong>t man die Höhlenspinne Nesticus cellulanus <strong>und</strong> die<br />
Höhlenkreuzspinne Meta menardi.<br />
Unter Blöcken im feuchten <strong>und</strong> kühlen Bereich <strong>de</strong>s <strong>Blockhal<strong>de</strong>n</strong>fußes fin<strong>de</strong>t<br />
man <strong>de</strong>n Feuersalaman<strong>de</strong>r (Salamandra salamandra). Dieser tiefschwarze,<br />
35
<strong>Felsen</strong> <strong>und</strong> <strong>Blockhal<strong>de</strong>n</strong><br />
leuchtendgelb gefleckte Lurch wird bis zu 30 Zentimeter lang <strong>und</strong> gehört in<br />
Ba<strong>de</strong>n-Württemberg zu <strong>de</strong>n gefähr<strong>de</strong>ten Tierarten. Zur Larvenentwicklung<br />
benötigten Feuersalaman<strong>de</strong>r klare <strong>und</strong> kalte Bergbäche. Nach starken<br />
Regengüssen kommen die nachtaktiven Tiere auch tagsüber aus ihren<br />
Verstecken heraus.<br />
Der Berglaubsänger ist eine südliche Art <strong>und</strong> hält sich gern an warmen <strong>und</strong><br />
sonnigen Plätzen auf. Er baut sein Nest in <strong>de</strong>r bo<strong>de</strong>nnahen Krautschicht am<br />
Hal<strong>de</strong>nkopf. Hier sind die Nester durch die Einstiege von Kletterern beson<strong>de</strong>rs<br />
gefähr<strong>de</strong>t, die unbeabsichtigt <strong>und</strong> unbemerkt <strong>de</strong>n Bruterfolg einer ganzen<br />
Population zunichte machen können: in <strong>de</strong>r Nestbauphase reagieren die Vögel<br />
auf Störungen äußerst empfindlich.<br />
Geröllhal<strong>de</strong>n<br />
Geröllhal<strong>de</strong>n, beson<strong>de</strong>rs die sonnenexponierten, stellen für Wildbienen unersetzliche<br />
Lebensräume dar. Viele <strong>de</strong>r hier vorkommen<strong>de</strong>n Arten sind<br />
hochgradige Spezialisten, die kaum auf Sek<strong>und</strong>ärlebensräume ausweichen<br />
können. Die Mauerbiene (Osmia andrenoi<strong>de</strong>s) nistet in <strong>de</strong>n leeren Gehäusen<br />
<strong>de</strong>r Großen Turmschnecke (Zebrina <strong>de</strong>trita), einer Art <strong>de</strong>r Kalkfelsen <strong>und</strong><br />
Abwitterungshal<strong>de</strong>n. Aufgr<strong>und</strong> ihrer hohen ökologischen Ansprüche (Bindung<br />
an Trockenbiotope, spezielle Pollenquellen <strong>und</strong> bestimmte Schneckenhäuser<br />
zur Nestanlage) kommen für diese stark gefähr<strong>de</strong>te Bienenart nur wenige,<br />
ausgewählte Lebensräume in Betracht, wobei <strong>de</strong>r Schwerpunkt bei <strong>de</strong>n<br />
Abwitterungshal<strong>de</strong>n liegt.<br />
Besonnte Geröllhal<strong>de</strong>n sind auch <strong>de</strong>r Lebensraum <strong>de</strong>r Springspinne<br />
Heliophanus aeneus. Ihre Gespinste fin<strong>de</strong>t man in großer Zahl unter<br />
Steinplatten. Im Innern solcher Hal<strong>de</strong>n wartet die langbeinige Zitterspinne<br />
Pholcus opilionoi<strong>de</strong>s auf Beute.<br />
Schutzwürdigkeit<br />
Natürlich waldfreie Biotope wie <strong>Felsen</strong>, Block- <strong>und</strong> Geröllhal<strong>de</strong>n, sind heute<br />
sehr selten. Neben <strong>de</strong>r Be<strong>de</strong>utung als Dokumente <strong>de</strong>r Landschaftsgeschichte,<br />
haben sie vor allem für <strong>de</strong>n Natur- <strong>und</strong> Artenschutz einen hohen Wert, da sie<br />
empfindliche <strong>und</strong> seltene Pflanzen- <strong>und</strong> Tiergemeinschaften mit einer großen<br />
Zahl von bedrohten Arten beherbergen. <strong>Felsen</strong>, Block- <strong>und</strong> Geröllhal<strong>de</strong>n sind<br />
Primärbiotope — sie stellen Reste einer Urlandschaft dar, in <strong>de</strong>r Pflanzen <strong>und</strong><br />
Tiere noch unter natürlichen Bedingungen vorkommen.<br />
36
<strong>Felsen</strong> <strong>und</strong> <strong>Blockhal<strong>de</strong>n</strong><br />
Einen beson<strong>de</strong>rs hohen Wert besitzen größere Komplexe mit einer Vielfalt an<br />
Standorten <strong>und</strong> Strukturen. Aber auch kleine Biotope beherbergen seltene, gefähr<strong>de</strong>te<br />
o<strong>de</strong>r nur noch als Relikt vorkommen<strong>de</strong> Pflanzen- o<strong>de</strong>r Tierarten.<br />
Große Felskomplexe haben einen beson<strong>de</strong>rs hohen Wert, da sie eine Vielfalt von<br />
Standorten <strong>und</strong> Strukturen bietet.<br />
Diese Lebensräume mit ungestörter natürlicher Entwicklung sind nicht wie<strong>de</strong>r<br />
herzustellen. Wer<strong>de</strong>n sie einmal zerstört, sind sie für immer verloren.<br />
Steinige Biotope, die vom Menschen waldfrei gehalten wer<strong>de</strong>n (z.B. kleinere<br />
Felspartien in Wei<strong>de</strong>flächen), sind für <strong>de</strong>n Naturschutz höchst wertvoll. Viele<br />
dieser Flächen wer<strong>de</strong>n seit H<strong>und</strong>erten, wenn nicht seit Tausen<strong>de</strong>n von Jahren<br />
extensiv bewirtschaftet, wodurch sich seltene Tier- <strong>und</strong><br />
Pflanzengemeinschaften sogar auf <strong>de</strong>n kleinsten Felsbuckeln halten konnten.<br />
Felswän<strong>de</strong> in stillgelegten Steinbrüchen besitzen insofern einen hohen Wert,<br />
als sie in unserer intensiv genutzten Kulturlandschart kleine Freiräume darstellen,<br />
in <strong>de</strong>nen sich die Natur ohne menschliche Lenkung entwickeln kann. Für<br />
manche <strong>Felsen</strong>bewohner stellen diese Standorte einen geeigneten<br />
Lebensraum dar, vor allem für zahlreiche felsbrüten<strong>de</strong> Vögel. So können in<br />
felsarmen Regionen Steinbrüche eine überragen<strong>de</strong> Be<strong>de</strong>utung als<br />
Wan<strong>de</strong>rfalken-Brutplatz haben.<br />
37
<strong>Felsen</strong> <strong>und</strong> <strong>Blockhal<strong>de</strong>n</strong><br />
Gefährdung<br />
Auf <strong>Felsen</strong>, Block- <strong>und</strong> Geröllhal<strong>de</strong>n leben hochspezialisierte Pflanzen <strong>und</strong><br />
Tiere, die auf diese Lebensräume angewiesen sind <strong>und</strong> nicht auf Ersatzlebens-.<br />
räume ausweichen können. Die Abhängigkeit <strong>de</strong>r einzelnen Organismen untereinan<strong>de</strong>r<br />
ist hier sehr hoch; wenn eine Pflanzenart verschwin<strong>de</strong>t, kann dies<br />
gleichzeitig das Verschwin<strong>de</strong>n vieler Tierarten be<strong>de</strong>uten.<br />
Da die <strong>Felsen</strong>, Block- <strong>und</strong> Geröllhal<strong>de</strong>n keiner landwirtschaftlichen <strong>und</strong> forstlichen<br />
Nutzung unterlagen, konnten sie sich seit Jahrtausen<strong>de</strong>n weitgehend<br />
ungestört entwickeln.<br />
Heute sind diese Lebensräume jedoch stark gefähr<strong>de</strong>t. Folgenschwere<br />
Beeinträchtigungen geschehen meist unbeabsichtigt <strong>und</strong> aus Unkenntnis.<br />
Deshalb ist es wichtig, auf mögliche Gefahren <strong>und</strong> ihre Auswirkungen<br />
hinzuweisen.<br />
Der Einfluss <strong>de</strong>s Menschen auf die Lebensräume an <strong>Felsen</strong>, Block- <strong>und</strong><br />
Geröllhal<strong>de</strong>n erfolgt sowohl direkt als auch indirekt. Die indirekten Einflüsse<br />
sind meist so komplex, dass <strong>de</strong>r Einzelne nur wenig daran än<strong>de</strong>rn kann. Bei<br />
<strong>de</strong>n direkten Auswirkungen hat es allerdings je<strong>de</strong>r selbst in <strong>de</strong>r Hand, ob er die<br />
Natur weiterhin erhalten will o<strong>de</strong>r nicht.<br />
Direkte Einflüsse <strong>de</strong>s Menschen<br />
1. Der Klettersport ist in neuster Zeit zu einer Gefahr für Flora <strong>und</strong> Fauna <strong>de</strong>r<br />
<strong>Felsen</strong> gewor<strong>de</strong>n. Zwar wur<strong>de</strong> auch früher gelegentlich an <strong>de</strong>n <strong>Felsen</strong><br />
geklettert, doch erst in <strong>de</strong>n letzten Jahren ist das Klettern zu einem Mo<strong>de</strong>sport<br />
gewor<strong>de</strong>n. Kletterfelsen wer<strong>de</strong>n heute während <strong>de</strong>r Saison je<strong>de</strong>s Wochenen<strong>de</strong><br />
— <strong>und</strong> oft auch während <strong>de</strong>r Woche — von vielen Kletterern besucht, so dass<br />
eine ständige Störung insbeson<strong>de</strong>re für Vögel wie Wan<strong>de</strong>rfalke, Kolkrabe <strong>und</strong><br />
Dohle vorhan<strong>de</strong>n ist. Die regelmäßige Belastung durch Tritt <strong>und</strong> Griff<br />
überstehen viele <strong>de</strong>r hochempfindlichen Pflanzenarten nicht. Zahlreiche Untersuchungen<br />
zeigen einen ein<strong>de</strong>utigen Zusammenhang zwischen Klettern <strong>und</strong><br />
<strong>de</strong>m Rückgang o<strong>de</strong>r Verschwin<strong>de</strong>n gera<strong>de</strong> <strong>de</strong>r seltenen Pflanzenarten. Zu<strong>de</strong>m<br />
wur<strong>de</strong>n bis in die jüngste Vergangenheit immer neue <strong>Felsen</strong> <strong>und</strong> Routen für<br />
diesen Sport erschlossen. Es ist bereits ein regelrechter Klettertourismus<br />
auswärtiger Besucher entstan<strong>de</strong>n. Über die sprunghafte Zunahme <strong>de</strong>r<br />
Kletterrouten einiger beispielhafter <strong>Felsen</strong> <strong>de</strong>r Schwäbischen Alb, gibt die<br />
obenstehen<strong>de</strong> Grafik Aufschluss.<br />
38
Entwicklung <strong>de</strong>r Kletterrouten an ausgewählten <strong>Felsen</strong><br />
<strong>Felsen</strong> <strong>und</strong> <strong>Blockhal<strong>de</strong>n</strong><br />
Je<strong>de</strong>r Kletterer sollte sich darüber im klaren sein, dass selbst das sanfteste<br />
Klettern eine Störung <strong>de</strong>s Lebensraumes „Fels" darstellt. Nur das Hallenklettern<br />
o<strong>de</strong>r das Klettern an Kunstfelsen ist völlig naturverträglich. Die Schä<strong>de</strong>n, die<br />
durch die Freizeitaktivitäten am Fels entstehen, sollten je<strong>de</strong>m bewusst sein, <strong>de</strong>r<br />
sich zur Klettertour aufmacht.<br />
Es treten folgen<strong>de</strong> beson<strong>de</strong>rs gravieren<strong>de</strong> Schä<strong>de</strong>n auf:<br />
39<br />
• Es kommt große Unruhe in einen sonst eher abgeschie<strong>de</strong>nen<br />
Lebensraum, was viele Tiere zum Ausweichen o<strong>de</strong>r gar zum<br />
Abwan<strong>de</strong>rn veranlasst: für hochgradig spezialisierte Arten, die diese<br />
Möglichkeit nicht haben, kommt das <strong>de</strong>r Vernichtung gleich. Brutvögel<br />
wie Wan<strong>de</strong>rfalke, Uhu, Kolkrabe, Dohle o<strong>de</strong>r Berglaubsänger wer<strong>de</strong>n<br />
in ihrem Brutgeschäft gestört. Bei wie<strong>de</strong>rholter Störung verhungern die<br />
Jungvögel in <strong>de</strong>n Nestern, o<strong>de</strong>r eine Brut kommt erst gar nicht<br />
zustan<strong>de</strong>. Gera<strong>de</strong> Vögel, aber auch an<strong>de</strong>re unscheinbarere Arten, mei<strong>de</strong>n<br />
geeignete Biotope vollständig, wenn zu viele Störungen auftreten.<br />
Die Tatsache, dass gar keine „beson<strong>de</strong>ren Arten" vorkommen, ist dann<br />
schon eine Folge <strong>de</strong>r Zerstörung.
<strong>Felsen</strong> <strong>und</strong> <strong>Blockhal<strong>de</strong>n</strong><br />
• Trittschä<strong>de</strong>n am Ein- <strong>und</strong> Ausstieg, auf Felsköpfen <strong>und</strong> -simsen <strong>und</strong> im<br />
ganzen Umfeld <strong>de</strong>r <strong>Felsen</strong> zerstören die empfindliche<br />
Felsgrusvegetation <strong>und</strong> die Trockenrasen auf <strong>de</strong>n Felsköpfen.<br />
• Trittschä<strong>de</strong>n an Flechten, die Jahrzehnte <strong>und</strong> länger für ihr Wachstum<br />
benötigten, lassen diese Organismen zu Staub zerfallen.<br />
Gesteinsmoose sind ebenfalls sehr empfindlich, die Polster wer<strong>de</strong>n<br />
zertrampelt o<strong>de</strong>r vom Gestein abgetreten. Wenn auf <strong>de</strong>n Kletterrouten<br />
keine Moose <strong>und</strong> Flechten vorkommen, liegt dies oftmals daran, dass<br />
sie bereits entfernt wur<strong>de</strong>n: mit einer „Felsputzete" wur<strong>de</strong>n <strong>Felsen</strong> zum<br />
sicheren Klettern hergerichtet.<br />
Felszinne am Schaufels/oberes Donautal. Hier führt eine Kletteroute direkt an <strong>de</strong>n<br />
Bruthöhlen von Dohlen vorbei. Dohlen reagieren äußerst empfindlich auf<br />
Störungen bei <strong>de</strong>r Brut.<br />
2. Viele Trittschä<strong>de</strong>n auf Felsköpfen stammen von Wan<strong>de</strong>rern <strong>und</strong> Drachenfliegern.<br />
Felsköpfe sind bei Wan<strong>de</strong>rern beliebte Aussichts- <strong>und</strong> Lagerplätze.<br />
Die seltene <strong>und</strong> wertvolle Vegetation <strong>de</strong>r Felsköpfe ist so trittempfindlich, die<br />
Bo<strong>de</strong>nkrume so dünn, dass allein wie<strong>de</strong>rholtes Lagern <strong>de</strong>n Standort<br />
40
<strong>Felsen</strong> <strong>und</strong> <strong>Blockhal<strong>de</strong>n</strong><br />
vernichtet. Drachenflieger starten bevorzugt von Felsköpfen. Es ist für viele ein<br />
faszinieren<strong>de</strong>s Schauspiel, <strong>de</strong>shalb fehlt es auch meistens nicht an<br />
Zuschauern, die - zusammen mit <strong>de</strong>n Fliegern - die Vegetation <strong>de</strong>r Felsköpfe<br />
zerstören.<br />
Beim Betreten von Block- <strong>und</strong> Geröllhal<strong>de</strong>n wird die Moos- <strong>und</strong> Flechtenvegetation<br />
mit ihren Bewohnern zerstört. Oft dauert es Jahrzehnte, bis Moos<strong>de</strong>cken<br />
wie<strong>de</strong>r nachgewachsen sind.<br />
Felsköpfe <strong>und</strong> Felsbän<strong>de</strong>r beherbergen eine ausgesprochen reichhaltige, aber<br />
auch empfindliche Flora, die durch das Betreten dieser Lebensräume zerstört<br />
wird. Links ein intakter Felskopf, rechts ein Felskopf, <strong>de</strong>r von Kletterern häufig<br />
bestiegen wird <strong>und</strong> daher weitgehend vegetationsfrei ist.<br />
3. Eine (im wahrsten Sinne <strong>de</strong>s Wortes) einschnei<strong>de</strong>n<strong>de</strong> Auswirkung auf<br />
<strong>Felsen</strong>, Block- <strong>und</strong> Geröllhal<strong>de</strong>n haben Steinbruchbetrieb <strong>und</strong><br />
Straßenbau. Die überregional be<strong>de</strong>utsamen <strong>Felsen</strong> <strong>de</strong>s Isteiner Klotzes sind<br />
zum Beispiel bis auf einen kleinen Restbestand einem Kalkwerk zum Opfer<br />
gefallen. Material von <strong>Blockhal<strong>de</strong>n</strong> wird gerne benutzt um Dämme zu bauen<br />
o<strong>de</strong>r steile Böschungen zu befestigen. So ist <strong>de</strong>r Damm <strong>de</strong>r Höllentalbahn im<br />
Südschwarzwald ganz aus <strong>Blockhal<strong>de</strong>n</strong>material gebaut. Beim Straßenbau<br />
wer<strong>de</strong>n <strong>Felsen</strong> abgesprengt <strong>und</strong> <strong>Blockhal<strong>de</strong>n</strong> aufgefüllt. Ein Hauptvorkommen<br />
vom Krausen Rollfarn (Cryptogramma crispa) in Deutschland wur<strong>de</strong> erst vor<br />
wenigen Jahren beim Bau einer Forststraße quer über eine Blockhal<strong>de</strong> nahezu<br />
vernichtet.<br />
41
<strong>Felsen</strong> <strong>und</strong> <strong>Blockhal<strong>de</strong>n</strong><br />
Die Schä<strong>de</strong>n durch Klettern erscheinen auf <strong>de</strong>n ersten Blick weniger<br />
bedrohlich als etwa die <strong>de</strong>s Steinbruchbetriebes. Die Einzelstörung eines<br />
Kletterers ist tatsächlich weniger gravierend, die große Gefahr liegt in <strong>de</strong>r<br />
zunehmen<strong>de</strong>n Popularität dieses Sportes, <strong>de</strong>nn eine Vielzahl von<br />
Kletterern führt zu anhalten<strong>de</strong>n Störungen. Wahrend die <strong>Felsen</strong> für die<br />
Kletterer einen sportlichen Reiz darstellen, sind sie für zahlreiche Tier-<br />
<strong>und</strong> Pflanzenarten einziger Lebensraum; damit ist ihr Aussterben zu befürchten.<br />
4. Eine weitere Gefahr für <strong>Felsen</strong>, Block- <strong>und</strong> Geröllhal<strong>de</strong>n besteht in einer<br />
Nutzungsän<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>s Umlan<strong>de</strong>s. Auf vielen kleineren <strong>Felsen</strong> konnten sich<br />
Reliktarten halten, weil sie durch Beweidung <strong>de</strong>s Umlan<strong>de</strong>s seit Jahrtausen<strong>de</strong>n<br />
waldfrei gehalten wur<strong>de</strong>n. Wenn jetzt die Wei<strong>de</strong> aufgeforstet wird,<br />
verschwin<strong>de</strong>n die seltenen, lichtlieben<strong>de</strong>n Arten unwi<strong>de</strong>rruflich. Das gleiche gilt<br />
für Mergelhal<strong>de</strong>n, die zwar natürlicherweise waldfrei sind, aber teilweise mit<br />
Na<strong>de</strong>lbäumen bepflanzt wer<strong>de</strong>n können. Selbst wenn die Anpflanzung letzten<br />
En<strong>de</strong>s scheitert, ist <strong>de</strong>r Lebensraum mit seiner ursprünglichen Vegetation<br />
<strong>und</strong> Fauna zerstört. Es liegt auf <strong>de</strong>r Hand, dass auch die Umwandlung eines<br />
lichten Steppenhei<strong>de</strong>wal<strong>de</strong>s in einen dunklen Na<strong>de</strong>lwald zum Verschwin<strong>de</strong>n<br />
vieler Pflanzen- <strong>und</strong> Tierarten führt, da sie dort nicht mehr existieren können.<br />
Auch in <strong>de</strong>r Umgebung von <strong>Felsen</strong>, Block- <strong>und</strong> Geröllhal<strong>de</strong>n kann die Umwandlung<br />
eines naturnahen lichteren Wal<strong>de</strong>s in einen dichten Na<strong>de</strong>lwald<br />
schädlich für diese Lebensräume sein, weil dadurch das Mikroklima <strong>de</strong>utlich<br />
verän<strong>de</strong>rt wird.<br />
Ebene Flächen, die sich an Felsköpfe größerer <strong>Felsen</strong> anschließen, wer<strong>de</strong>n oft<br />
landwirtschaftlich genutzt, zumeist als magere Scharwei<strong>de</strong>n. Der Bereich <strong>de</strong>r<br />
Trockenrasen auf Felsköpfen konnte sich dadurch aus<strong>de</strong>hnen. Überdies wur<strong>de</strong><br />
zum Schutz <strong>de</strong>r Tiere ein Sicherheitsabstand eingehalten. Viele seltene<br />
Pflanzenarten haben gera<strong>de</strong> in diesen extensiv genutzten Flächen einen<br />
Verbreitungsschwerpunkt. In neuerer Zeit wer<strong>de</strong>n aber immer mehr dieser<br />
Wei<strong>de</strong>n umgebrochen <strong>und</strong> in intensiv genutzte Ackerflächen umgewan<strong>de</strong>lt.<br />
Dabei kommt die Bewirtschaftung näher an die Felsbereiche heran. Neben <strong>de</strong>r<br />
direkten Zerstörung wertvoller Standorte wirkt sich dabei <strong>de</strong>r Dünger- <strong>und</strong><br />
Pestizi<strong>de</strong>intrag auf die Felsstandorte äußerst nachteilig aus.<br />
Indirekte Einflüsse <strong>de</strong>s Menschen<br />
Die indirekten Einflüsse sind oft sehr komplex, da sie nicht nur einen Standort,<br />
son<strong>de</strong>rn ganze Ökosysteme bedrohen.<br />
Die Schä<strong>de</strong>n an Flechten <strong>und</strong> Moosen durch Luftverschmutzung bleiben nicht<br />
nur auf kleine Räume beschränkt — sie sind überall festzustellen. An <strong>Felsen</strong>,<br />
42
<strong>Felsen</strong> <strong>und</strong> <strong>Blockhal<strong>de</strong>n</strong><br />
die <strong>de</strong>n emissionsbela<strong>de</strong>nen Nebeln ausgesetzt sind, treten die Schädigungen<br />
beängstigend <strong>de</strong>utlich hervor: viele Flechten <strong>und</strong> Moose reagieren empfindlich<br />
auf verunreinigte Luft <strong>und</strong> sind aus diesem Gr<strong>und</strong> in ihrem Bestand gefähr<strong>de</strong>t.<br />
Biozi<strong>de</strong> sind Umweltgifte <strong>und</strong> für <strong>de</strong>n Rückgang vieler Tierarten verantwortlich.<br />
Da sie sich in <strong>de</strong>r Nahrungskette anreichern, sind Tiere, die an <strong>de</strong>ren En<strong>de</strong> stehen,<br />
am stärksten betroffen. So ist <strong>de</strong>r weltweite Rückgang vieler Greifvögel<br />
auch auf die Anwendung von DDT <strong>und</strong> an<strong>de</strong>ren Pestizi<strong>de</strong>n zurückzuführen.<br />
Im Schwarzwald hat man in <strong>de</strong>n 30iger Jahren 21 Gemsen (Rupicapra<br />
rupicapra) ausgesetzt, um Jagdreviere aufzuwerten (auf <strong>de</strong>r Schwäbischen Alb<br />
wur<strong>de</strong>n Mitte <strong>de</strong>r 60iger Jahre ebenfalls Gemsen ausgesetzt, zu<strong>de</strong>m sind Tiere<br />
aus <strong>de</strong>m Schwarzwald zugewan<strong>de</strong>rt). Die Gemsen haben sich bei uns stark<br />
vermehrt (1978 waren es im Südschwarzwald 1627 Stück) <strong>und</strong> sind mittlerweile<br />
zu einem Problem gewor<strong>de</strong>n. Da die Tiere auf <strong>de</strong>n alpinen Steinrasen zuhause<br />
sind, halten sie sich bei uns gerne im Bereich von <strong>Felsen</strong> <strong>und</strong> <strong>Blockhal<strong>de</strong>n</strong> auf.<br />
An<strong>de</strong>rs als in <strong>de</strong>n Alpen, sind das bei uns jedoch nur kleine Inseln, auf die sich<br />
Gamsru<strong>de</strong>l mit bis zu 50 Tieren <strong>und</strong> mehr konzentrieren. Die Folge sind starke<br />
Tritt- <strong>und</strong> Erosionsschä<strong>de</strong>n. Es kommt außer<strong>de</strong>m zum Verbis <strong>de</strong>r empfindlichen<br />
Felsvegetation. So ist im Schwarzwald die seltene Pflanzenart Brauns<br />
Schildfarn (Polystichum braunii) an ihrem wichtigsten Wuchsorten durch<br />
Gamsverbiß nahezu vernichtet.<br />
43<br />
Fraßschä<strong>de</strong>n durch Gemsen (Rupicapra rupicapra) an einer Mehlbeere. Der<br />
Strauch ist bis auf wenige Bo<strong>de</strong>nnahe Zweige fast völlig kahl gefressen.
<strong>Felsen</strong> <strong>und</strong> <strong>Blockhal<strong>de</strong>n</strong><br />
Es ist sicher ein Erlebnis bei Wan<strong>de</strong>rungen auf Gemsen zu treffen <strong>und</strong> die<br />
Jungen bei ihrem ausgelassenen Spiel zu beobachten. Die Gemsen sind bei<br />
uns jedoch nicht in <strong>de</strong>n Naturhaushalt eingeglie<strong>de</strong>rt <strong>und</strong> richten großen<br />
Scha<strong>de</strong>n an, zumal natürliche Fein<strong>de</strong> weitgehend fehlen. Zwar hat es auch vor<br />
<strong>de</strong>r Auswil<strong>de</strong>rung immer wie<strong>de</strong>r Einwan<strong>de</strong>rungen von Einzeltieren aus <strong>de</strong>n<br />
Alpen gegeben, jedoch sind auf natürliche Weise nie größere Populationen<br />
entstan<strong>de</strong>n.<br />
Ähnliche Probleme machen die auf <strong>de</strong>r Schwäbischen Alb ausgewil<strong>de</strong>rten<br />
Mufflons.<br />
Einzelne Gefährdungsursachen<br />
Klettern:<br />
Zerstört die Vegetation <strong>und</strong> führt zu Störungen <strong>de</strong>r Tierwelt; starke Trittschä<strong>de</strong>n<br />
an Ein- <strong>und</strong> Ausstiegsbereichen<br />
Trittschä<strong>de</strong>n durch Wan<strong>de</strong>rer Drachenflieger, Paragleiter <strong>und</strong> an<strong>de</strong>re:<br />
Schon ein mäßiger Tritteinfluss führt zur Vernichtung <strong>de</strong>r typischen Flora <strong>de</strong>r<br />
Felsköpfe<br />
Abbau <strong>und</strong> Aufschüttung bei Steinbruchbetrieb <strong>und</strong> Straßenbau:<br />
Hierdurch wer<strong>de</strong>n die Biotope voll ständig vernichtet<br />
Na<strong>de</strong>lholzaufforstungen auf <strong>de</strong>r Biotopfläche <strong>und</strong> in <strong>de</strong>r Umgebung:<br />
Es ergeben sich Verän<strong>de</strong>rungen <strong>de</strong>s Kleinklimas, die licht- <strong>und</strong><br />
wärmebedürftige Arten aussterben lassen.<br />
Biozid <strong>und</strong> Düngereintrag:<br />
Führt zu Beeinträchtigungen <strong>de</strong>r typischen Felsarten.<br />
Verbiss <strong>und</strong> Trittschä<strong>de</strong>n durch Gemsen <strong>und</strong> Mufflons:<br />
Die Felsflora unserer Mittelgebirge ist an diese Einflüsse nicht angepasst.<br />
Schutz <strong>und</strong> Erhaltung<br />
Die meisten <strong>Felsen</strong>, Block- <strong>und</strong> Geröllhal<strong>de</strong>n bedürfen keiner Pflege, da es sich<br />
um natürliche Standorte han<strong>de</strong>lt, die sich ohne Zutun <strong>de</strong>s Menschen entwickelt<br />
haben <strong>und</strong> ohne ihn auch bestehen bleiben. Kleinere <strong>Felsen</strong>, die traditionell<br />
durch <strong>de</strong>n Menschen waldfrei gehalten wur<strong>de</strong>n, sollen auch weiterhin so<br />
bleiben, in<strong>de</strong>m die bisherige Nutzung aufrechterhalten o<strong>de</strong>r durch geeignete<br />
Pflegemaßnahmen ersetzt wird.<br />
44
<strong>Felsen</strong> <strong>und</strong> <strong>Blockhal<strong>de</strong>n</strong><br />
Wenn allerdings Störungen auftreten, müssen geeignete Schutzmaßnahmen<br />
ergriffen wer<strong>de</strong>n, wollen wir die Felsbiotope als Reste <strong>de</strong>r Urlandschaft mit ihren<br />
spezialisierten Arten — auch späteren Generationen erhalten. Erfor<strong>de</strong>rlich sind<br />
insbeson<strong>de</strong>re folgen<strong>de</strong> Maßnahmen:<br />
• Lenkung von Freizeitaktivitäten <strong>und</strong> Exkursionsveranstaltungen<br />
• kein Abbau <strong>de</strong>r wertvollen Felsbiotope<br />
• keine Nutzungsintensivierung von Land- <strong>und</strong> Forstwirtschaft in <strong>de</strong>r<br />
Umgebung <strong>und</strong> in <strong>de</strong>n Biotopen<br />
• Zurücknahme <strong>de</strong>r Gemsenbestän<strong>de</strong><br />
Klettern an offenen Felsbildungen ist nach <strong>de</strong>m Biotopschutzgesetz gr<strong>und</strong>sätzlich<br />
verboten, da es zu einer Beeinträchtigung <strong>de</strong>r Lebensräume führt <strong>und</strong> sogar<br />
die Felsbiotope zerstören kann. Ist das Klettern in Verordnungen zu Naturschutzgebieten<br />
o<strong>de</strong>r Natur<strong>de</strong>nkmalen ausdrücklich geregelt, so gehen diese<br />
Regelungen vor. Für die übrigen <strong>Felsen</strong> kann nach § 24 a Abs. 4 <strong>de</strong>s Naturschutzgesetzes<br />
die Naturschutzbehör<strong>de</strong> Ausnahmen erteilen. Diese müssen<br />
auf gesicherten Erkenntnissen beruhen. Eine Konzeption, die eine in praktisch<br />
allen Klettergebieten <strong>de</strong>n Schutz <strong>de</strong>r Natur <strong>und</strong> in beschränktem Umfange<br />
Klettermöglichkeiten gewährleisten soll, wird in Zusammenarbeit zwischen<br />
Naturschutzverwaltung, Naturschutz- <strong>und</strong> Kletterverbän<strong>de</strong>n entwickelt.<br />
Allgemeine Verhaltensregeln<br />
Die wertvolle Vegetation ist so trittempfindlich <strong>und</strong><br />
die Tierwelt so störanfällig, dass das Betreten <strong>de</strong>r<br />
Biotope möglichst zu vermei<strong>de</strong>n ist.<br />
• Betreten nur auf befestigten <strong>und</strong> <strong>de</strong>utlich<br />
ausgeschil<strong>de</strong>rten Wegen, diese dürfen jedoch<br />
nicht verlassen wer<strong>de</strong>n<br />
• Klettern nur auf speziell dafür ausgewiesenen<br />
<strong>Felsen</strong><br />
• Drachenfliegen o<strong>de</strong>r Paragleiten nicht von offenen<br />
<strong>Felsen</strong>, Block- <strong>und</strong> Geröllhal<strong>de</strong>n aus<br />
• keine Pflanzen o<strong>de</strong>r Tiere entnehmen o<strong>de</strong>r<br />
einbringen.<br />
Künftig darf nur noch in dafür zugelassenen Felsbereichen geklettert wer<strong>de</strong>n.<br />
Durch Hinweistafeln wird auch für auswärtige Kletterer erkennbar sein, wo sie<br />
klettern dürfen <strong>und</strong> wo nicht. Kletterrouten, die nicht mehr genutzt wer<strong>de</strong>n dürfen,<br />
müssen durch Entfernen <strong>de</strong>r Kletterhaken unbenutzbar gemacht wer<strong>de</strong>n.<br />
45
<strong>Felsen</strong> <strong>und</strong> <strong>Blockhal<strong>de</strong>n</strong><br />
Teilweise sind zeitliche Beschränkungen insbeson<strong>de</strong>re zum Schutz von<br />
Felsbrütern wie Wan<strong>de</strong>rfalke, Kolkrabe <strong>und</strong> Dohle erfor<strong>de</strong>rlich. Die Sperrzeiten<br />
sind unbedingt zu beachten.<br />
Wan<strong>de</strong>rer sollen die empfindlichen Bereiche <strong>de</strong>r Felsköpfe mei<strong>de</strong>n. Hierzu<br />
müssen Wan<strong>de</strong>rwege gesperrt o<strong>de</strong>r neu geführt <strong>und</strong> <strong>de</strong>utlich beschil<strong>de</strong>rt<br />
wer<strong>de</strong>n. Stellenweise wird es notwendig sein, durch Abschrankungen das<br />
Betreten bestimmter Felsbereiche zu verhin<strong>de</strong>rn.<br />
Drachenflieger <strong>und</strong> Paragleiter sind für ihren Sport nicht auf Felsköpfe angewiesen.<br />
Der Start kann ebenso gut von einer Rampe an einem abschüssigen<br />
Hang erfolgen.<br />
Exkursionsveranstaltungen von Schulen <strong>und</strong> Universitäten sind wichtig <strong>und</strong><br />
sinnvoll, damit Schüler <strong>und</strong> Stu<strong>de</strong>nten die Natur kennen lernen <strong>und</strong> auch<br />
lernen, was es überhaupt zu schützen <strong>und</strong> zu erhalten gilt. Allerdings ist es<br />
nicht sinnvoll, wenn die betrachteten Biotope dabei zerstört wer<strong>de</strong>n. Es muss<br />
daher vor <strong>de</strong>m Besuch solcher geschützter Biotope eine Genehmigung <strong>de</strong>r<br />
zuständigen Naturschutzbehör<strong>de</strong> eingeholt wer<strong>de</strong>n. Wer<strong>de</strong>n bestimmte<br />
Verhaltensregeln zur Auflage gemacht, müssen sie eingehalten wer<strong>de</strong>n.<br />
Gesteinsabbau (auch einmalige Entnahme von Gestein), Straßenbau <strong>und</strong><br />
ähnliches sind im Bereich <strong>de</strong>r Biotope unzulässig. Eventuell notwendige<br />
Ausnahmen von <strong>de</strong>n Verboten können unter engen Voraussetzungen<br />
zugelassen wer<strong>de</strong>n.<br />
Sofern Nutzungsän<strong>de</strong>rung <strong>und</strong> Intensivierung <strong>de</strong>r Land- <strong>und</strong> Forstwirtschaft<br />
in <strong>de</strong>r engeren Umgebung zu Schädigungen <strong>de</strong>r Biotope führen, kann die<br />
Naturschutzbehör<strong>de</strong> im Einvernehmen mit <strong>de</strong>n zuständigen Fachbehör<strong>de</strong>n<br />
diese untersagen.<br />
Wenn die Erhaltung <strong>de</strong>r fels- <strong>und</strong> steingeprägten Lebensräume Erfolg haben<br />
soll, muss auch <strong>de</strong>r Gefährdung bestimmter Pflanzen durch die Gemsen<br />
Einhalt geboten wer<strong>de</strong>n.<br />
46
Hinweise für Kletterer<br />
<strong>Felsen</strong> <strong>und</strong> <strong>Blockhal<strong>de</strong>n</strong><br />
• Nur dort klettern, wo dies zweifelsfrei zulässig <strong>und</strong> gekennzeichnet ist*<br />
• Zonen- <strong>und</strong> Routenregelungen beachten<br />
• Nur dort klettern, wo Sicherungshaken vorhan<strong>de</strong>n sind*<br />
• An Brutfelsen zeitliche Kletterverbote zum Schutz <strong>de</strong>r Brutvögel<br />
einhalten:<br />
ganzjährig: Uhu <strong>und</strong> isolierte Brutfelsen von Wan<strong>de</strong>rfalke <strong>und</strong> Kolkrabe<br />
Januar bis 31. Juli: Wan<strong>de</strong>rfalke <strong>und</strong> Kolkrabe<br />
Für Dohlen gelten Son<strong>de</strong>rregelungen<br />
• Zugangsregelungen zu <strong>de</strong>n Kletterfelsen einhalten<br />
• Umlenkhaken benützen, Ausstiegsverbote zum Schutz <strong>de</strong>r Felsköpfe<br />
beachten<br />
• Rucksack<strong>de</strong>pots, soweit vorhan<strong>de</strong>n, benutzen<br />
• Markierungssymbole <strong>und</strong> Infotafeln beachten<br />
Schwarzer Pfeil:<br />
Zustiege <strong>und</strong> Zugänge bzw. bekletterbare Felsbereiche<br />
Schwarzes Kreuz:<br />
Durchgangsverbot bzw. gesperrte Felsbereiche<br />
• Hakensanierungen, Ausbau von Zuwegungen, Pflegemaßnahmen <strong>und</strong><br />
so weiter nur nach Abstimmung mit Eigentümer, Naturschutz <strong>und</strong><br />
Forstverwaltung.<br />
Immer<br />
Sanft Klettern!<br />
* nach einer Übergangszeit sollen alle zum Klettern freigegebenen <strong>Felsen</strong><br />
gekennzeichnet <strong>und</strong> alle Haken an gesperrten Felsbereichen entfernt sein<br />
47
<strong>Felsen</strong> <strong>und</strong> <strong>Blockhal<strong>de</strong>n</strong><br />
Weiterführen<strong>de</strong> Literatur<br />
/1/ GRADMANN, R. (1950):<br />
Das Pflanzenleben <strong>de</strong>r Schwäbischen Alb.- 4. Aufl., l.Bd., 449 S.; Stuttgart.<br />
GAUCKLER, K. (1938): Steppenhei<strong>de</strong> <strong>und</strong> Steppenhei<strong>de</strong>wald <strong>de</strong>r Fränkischen<br />
Alb in pflanzensoziologischer, ökologischer <strong>und</strong> geographischer<br />
Betrachtung.— Ber. bayer. bot. Ges., 23: 6-134.<br />
/2/ LüTH, M. (1990):<br />
Moosgesellschaften <strong>und</strong> Gesellschaftskomplexe auf <strong>Blockhal<strong>de</strong>n</strong> im<br />
Südschwarzwald.— Beih. Veröff. Naturschutz Landschaftspflege Bad.-<br />
Würrt., 58, 85 S.<br />
/3/ OBERDORFER, E. (1934):<br />
Die Felsspaltenflora <strong>de</strong>s südlichen Schwarzwal<strong>de</strong>s.— Mitt. bad.<br />
Lan<strong>de</strong>svereins Naturk. u. Naturschutz Freiburg i. Br., NF, 3 (1/2): 1-14.<br />
Oberdorfer, E. (Hrsg.) (1977): Süd<strong>de</strong>utsche Pflanzengesellschaften.— 2.Aufl.,<br />
Teil - 1,331 S.<br />
/4/ PHILIPPI, G. (1989):<br />
Die Pflanzengesellschaften <strong>de</strong>s Belchen-Gebietes im Schwarzwald.- In:<br />
Der Beleben - Geschichtlich-naturk<strong>und</strong>liche Monographie <strong>de</strong>s schönsten<br />
Schwarzwaldberges.- Natur- <strong>und</strong> Landschaftsschutzgebiete Bad.-Württ., 13:<br />
747-890.<br />
/5/ SCHILLING, F. & D. ROCKENBAUCH, (1985):<br />
Der Wan<strong>de</strong>rfalke in Ba<strong>de</strong>n-Württemberg - gerettet!- Beih. Veröff. Naturschutz<br />
Landschaftspflege Bad.-Württ., 46 (Festschr. AGW), 78 S.<br />
/6/ WILMANNS, 0. & S. RUPP, (1966):<br />
Welche Faktoren bestimmen die Verbreitung alpiner Felsspaltenpflanzen auf<br />
<strong>de</strong>r Schwäbischen Alb- Veröff. Lan<strong>de</strong>sst. Naturschutz Landschafispfl. Bad.-<br />
Württ., 34: 62-86.<br />
/7/ WIRTH, V. (I987):<br />
Die Flechten Ba<strong>de</strong>n-Württembergs: Verbreitungsatlas, 528 S., Stuttgart.<br />
/8/ WITSCHEL, M. (1980):<br />
Xerothermvegetation <strong>und</strong> <strong>de</strong>alpine Vegetationskomplexe in Südba<strong>de</strong>n.- Beih.<br />
Veröff. Naturschutz Landschaftspflege Bad.-Wüm., 17,212 S.<br />
48
Auszug aus <strong>de</strong>m Naturschutzgesetz * :<br />
Anhang<br />
§ 24 a<br />
Beson<strong>de</strong>rs geschützte Biotope<br />
<strong>Felsen</strong> <strong>und</strong> <strong>Blockhal<strong>de</strong>n</strong><br />
(1) Die folgen<strong>de</strong>n Biotope in <strong>de</strong>r in <strong>de</strong>r Anlage zu diesem Gesetz beschriebenen<br />
Ausprägung sind beson<strong>de</strong>rs geschützt:<br />
1. Moore, Sümpfe, naturnahe Bruch-, Sumpf- <strong>und</strong> Auwäl<strong>de</strong>r, Streuwiesen,<br />
Röhrichtbestän<strong>de</strong> <strong>und</strong> Rie<strong>de</strong>, seggen- <strong>und</strong> binsenreiche Nasswiesen;<br />
2. naturnahe <strong>und</strong> unverbaute Bach- <strong>und</strong> Flussabschnitte, Altarme fließen<strong>de</strong>r<br />
Gewässer, Hülen <strong>und</strong> Tümpel, jeweils einschließlich <strong>de</strong>r Ufervegetation,<br />
Quellbereiche, Verlandungsbereiche stehen<strong>de</strong>r Gewässer sowie naturnahe<br />
Uferbereiche <strong>und</strong> naturnahe Bereiche <strong>de</strong>r Flachwasserzone <strong>de</strong>s Bo<strong>de</strong>nsees;<br />
,<br />
3. offene Binnendünen, Zwergstrauch- <strong>und</strong> Wachol<strong>de</strong>rhei<strong>de</strong>n, Trocken- <strong>und</strong><br />
Magerrasen, Gebüsche <strong>und</strong> naturnahe Wäl<strong>de</strong>r trockenwarmer Standorte<br />
einschließlich ihrer Stau<strong>de</strong>nsäume;<br />
4. offene Felsbildungen, offen natürliche Block- <strong>und</strong> Geröllhal<strong>de</strong>n;<br />
5. Höhlen <strong>und</strong> Dolinen;<br />
6. Feldhecken, Feldgehölze, Hohlwege, Trockenmauern <strong>und</strong> Steinriegel,<br />
jeweils in <strong>de</strong>r freien Landschaft.<br />
(2) Alle Handlungen, die zu einer Zerstörung o<strong>de</strong>r erheblichen o<strong>de</strong>r nachhaltigen Beein-<br />
trächtigung <strong>de</strong>r beson<strong>de</strong>rs geschützten Biotope rühren können, sind verboten.<br />
Weitergehen<strong>de</strong> Verbote in Rechtsverordnungen <strong>und</strong> Satzungen über geschützte<br />
Gebiete <strong>und</strong> Gegenstän<strong>de</strong> bleiben unberührt. (...)<br />
(3) Abweichend von Absatz 2 Satz l ist es zulässig, (...)<br />
4. Nutzungen fortzusetzen o<strong>de</strong>r aufzunehmen, die am 31. Dezember 1991 auf Gr<strong>und</strong><br />
einer behördlichen Gestattung o<strong>de</strong>r einer ausdrücklichen Regelung in einer<br />
Rechtsverordnung nach §§21 o<strong>de</strong>r 24 ausgeübt wer<strong>de</strong>n durften; (...)<br />
(4) Die Naturschutzbehör<strong>de</strong> kann Ausnahmen von <strong>de</strong>n Verboten <strong>de</strong>s Absatzes 2 Satz 1<br />
zulassen, wenn<br />
• 1. überwiegen<strong>de</strong> Grün<strong>de</strong> <strong>de</strong>s Gemeinwohls diese erfor<strong>de</strong>rn o<strong>de</strong>r<br />
• 2. .keine erheblichen o<strong>de</strong>r nachhaltigen Beeinträchtigungen <strong>de</strong>s Biotops <strong>und</strong><br />
<strong>de</strong>r Lebensstätten gefähr<strong>de</strong>ter Tier- <strong>und</strong> Pflanzenarten zu erwarten sind o<strong>de</strong>r<br />
wenn durch Ausgleichsmaßnahmen ein gleichartiger Biotop geschaffen wird.<br />
(...)<br />
* Gesetz zur Än<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>s Naturschutzgesetzes (Biotopschutzgesetz) vom 19.<br />
November 1991 ~ Gesetzblatt für Ba<strong>de</strong>n-Württemberg (GB1) Nr. 29 vom 30. November<br />
1991, S. 701-713.<br />
49
<strong>Felsen</strong> <strong>und</strong> <strong>Blockhal<strong>de</strong>n</strong><br />
4.1 Offene Felsbildungen<br />
Anlage zu § 24 a Abs.<br />
Definitionen <strong>de</strong>r beson<strong>de</strong>rs geschützten Biotoptypen (...)<br />
Offene Felsbildungen umfassen innerhalb <strong>und</strong> außerhalb <strong>de</strong>s Wal<strong>de</strong>s fast<br />
vegetationsfreie, oft nur von Moosen <strong>und</strong> Flechten bewachsene <strong>Felsen</strong>, spärlich<br />
bewachsene Felsköpfe, Felsspalten <strong>und</strong> Felsbän<strong>de</strong>r mit zum Teil geringem<br />
Gehölzanteil sowie Felsüberhänge (Balmen) mit einer speziellen Balmenvegetation.<br />
Beson<strong>de</strong>re typische Arten <strong>de</strong>r offenen Felsbildungen sind:<br />
Streifenfarn-Arten (Asplenium viri<strong>de</strong>, Asplenium septentrionale, Asplenium adiantum-<br />
nigrum, Asplenium rutamuraria), Trauben-Steinbrech (Saxifraga paniculata),<br />
Habichtskräuter (Hieracium humile, Hieracium pallidum), Gewöhnlicher Tüpfelfarn<br />
(Polypodium vulgäre). Weißer Mauerpfeffer (Sedum album, Einjährige Fetthenne<br />
(Sedum annuum, <strong>Felsen</strong>-Leimkraut (Silene rupestris). Niedriges Hornkraut (Cerastium<br />
pumilum), Kelch-Steinkraut (Alyssum alyssoi<strong>de</strong>s), Pfingst-Nelke (Dianthus<br />
gratianopolitanus^), Blasser Schwingel (Festuca pallens, Perlgras-Arten (Melica<br />
ciliata, Melica transsilvanica), Blaugras (Sesleria varia), Stein-Baldrian (Valeriana<br />
tripteris). Österreichische Rauke (Sisymbrium austriacum), Scharfkraut (Asperugo<br />
procumbens) <strong>und</strong> zahlreiche spezielle Moos- <strong>und</strong> Flechten-Arten.<br />
4.2 Offene natürliche Block- <strong>und</strong> Geröllhal<strong>de</strong>n<br />
Offene natürliche Block- <strong>und</strong> Geröllhal<strong>de</strong>n sind unbewal<strong>de</strong>te Anhäufungen von<br />
Gesteinsblöcken <strong>und</strong> Geröllen, die weitgehend auf natürliche Weise entstan<strong>de</strong>n sind.<br />
Erfasst sind auch durch häufige Rutschungen charakterisierte natürliche Mergelhal<strong>de</strong>n<br />
<strong>und</strong> Schutthal<strong>de</strong>n mit einem hohen Anteil an Feinmaterial sowie naturnahe Block- <strong>und</strong><br />
Geröllhal<strong>de</strong>n mit geringem Gehölzanteil.<br />
Beson<strong>de</strong>rs typische Arten <strong>de</strong>r offenen Blocklind Geröllhal<strong>de</strong>n sind:<br />
Rollfarn (Cryptogramma crispa), Gelber Hohlzahn (Galeopsis segetum),<br />
Lanzettblättriges Wei<strong>de</strong>nröschen (Epilobium lanceolatum), Ruprechtsfarn<br />
(Gymnocarpium robertianum), Schild-Ampfer (Rumex scutatus), Schwalbenwurz<br />
(Vincetoxicum hir<strong>und</strong>inaria). Hainlattichblättriger Löwenzahn (Leontodon hispidus<br />
ssp.. hyseroi<strong>de</strong>s), Alpen-W<strong>und</strong>klee (Anthyllis vulneraria ssp. alpestris), Weiße Pestwurz<br />
(Petasites albus), Blaugras (Sesleria varia). Buntes Reitgras (Calamagrostis varia),<br />
Amethyst-Schwingel (Festuca amethystina), Horst-Segge (Carex sempervirens), Alpen-<br />
Distel (Carduus <strong>de</strong>floratus), Mauerbiene (Osmia andrenoi<strong>de</strong>s). Kegelbiene (Coelioxys<br />
afra). (...)<br />
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51<br />
<strong>Felsen</strong> <strong>und</strong> <strong>Blockhal<strong>de</strong>n</strong><br />
Das Stuttgarter Umweltministerium hat die umfangreiche Broschüre<br />
Leben - überleben<br />
Warum Biotopschutz so wichtig ist<br />
herausgegeben.<br />
In diesem Heft wer<strong>de</strong>n alle Biotoptypen, die 1992 durch das Biotopschutzgesetz<br />
unter Naturschutz gestellt wur<strong>de</strong>n, beschrieben.<br />
Das Heft ist kostenlos <strong>und</strong> kann bestellt wer<strong>de</strong>n beim<br />
Umweltministerium Ba<strong>de</strong>n-Württemberg Kennwort: Biotopschutz Postfach 10<br />
34 39, 70029 Stuttgart<br />
Der Krause Rollfarn (Cryptogramma crispa) kommt in Deutschland nur in<br />
wenigen <strong>Blockhal<strong>de</strong>n</strong> (hauptsächlich im Schwarzwald) vor, die er als Relikt seit<br />
<strong>de</strong>r ausgehen<strong>de</strong>n Eiszeit besie<strong>de</strong>lt. Foto M. Lüth