schnelle Rettung Es geschah auf der A9 W
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Schwerer Busunfall – <strong>schnelle</strong> <strong>Rettung</strong><br />
<strong>Es</strong> <strong>Es</strong> <strong>geschah</strong> <strong>auf</strong> <strong>auf</strong> <strong>der</strong> <strong>der</strong> <strong>A9</strong> <strong>A9</strong><br />
„Unser Maßnahmeplan ‚Sofortreaktion’ hat seine<br />
Bewährungsprobe am 18. Juni bestanden“, schätzt<br />
Kreisgeschäftsführer Wolfgang Reitsch ein, was<br />
wir in den folgenden Zeilen etwas ausführlicher<br />
beschreiben wollen. Genau um 13.33 Uhr an diesem<br />
18. Juni wurde die ehrenamtliche Sanitätsformation<br />
des DRK-Kreisverbandes Brandenburg<br />
Großalarm: 50 <strong>Rettung</strong>swagen und sieben <strong>Rettung</strong>shubschrauber im Einsatz an <strong>der</strong> <strong>A9</strong><br />
WW<br />
as<br />
war geschehen? Ein Stau<br />
hatte sich gebildet <strong>auf</strong> <strong>der</strong> Autobahn<br />
A 9 Richtung Berlin – Ursache:<br />
Vollsperrung des Berliner Autobahnrings<br />
wegen eines Gefahrguttransportes.<br />
Nichts ungewöhnliches also. Am Stauende –<br />
gerade hat ein Reisebus hinter seinem Truck<br />
gestoppt – bemerkt <strong>der</strong> kroatische Fahrer einen<br />
Mercedes-Laster, <strong>der</strong> mit seiner hohen<br />
Geschwindigkeit keine Chance mehr hat,<br />
einen Aufprall zu vermeiden. Zwischen<br />
seinem Gedanken „<strong>der</strong> ist viel zu schnell,<br />
<strong>der</strong> kann nicht mehr rechtzeitig bremsen“<br />
und dem gewaltigen Knall, dem metallischen<br />
Krachen, dem Bersten von Scheiben,<br />
vergehen nur Bruchteile von Sekunden.<br />
Der 40-Tonner aus Österreich war in<br />
an <strong>der</strong> Havel alarmiert: Der Maßnahmeplan „Sofortreaktion“<br />
ist auszulösen, wenn es <strong>auf</strong> Grund<br />
eines Schadensfalles zu einem Missverhältnis zwischen<br />
<strong>der</strong> Anzahl <strong>der</strong> Verletzten und Erkrankten<br />
und den Kapazitäten des <strong>Rettung</strong>sdienstes kommt.<br />
<strong>Es</strong> wurde die höchste Alarmstufe, Alarmstufe IV,<br />
ausgelöst: „... ab 20 Schwerverletzte.“<br />
das Heck des Busses gefahren und hatte ihn<br />
mit unbeschreiblicher Gewalt in den davor<br />
stehenden kroatischen Laster geschoben.<br />
Für die Businsassen, 47 Senioren aus<br />
Mecklenburg-Vorpommern, war dies das<br />
vorzeitige, das katastrophale Ende einer bis<br />
dahin erholsamen Urlaubsreise. Der vollbesetzte<br />
Bus war zwischen beiden Lastern<br />
eingekeilt. Die hilflosen Menschen waren<br />
aus ihren Sitzen geschleu<strong>der</strong>t worden, hatten<br />
Schnittwunden durch umherfliegende<br />
Metallteile und Glassplitter erlitten. Den<br />
Fahrer aus Österreich kostete vermutlich<br />
ein kurzer Moment <strong>der</strong> Un<strong>auf</strong>merksamkeit<br />
das Leben. Seine Leiche konnte erst nach<br />
Stunden geborgen werden.<br />
Mathias Behnke Katharina Hollmann Andreas Griebel Martin Meinke<br />
4 Brandenburger Rotkreuz-Magazin 3/2003<br />
Bereits nach wenigen Minuten rasten die<br />
ersten <strong>Rettung</strong>swagen des Deutschen Roten<br />
Kreuzes und <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en Hilfsorganisationen<br />
heran. „Wir setzten in kürzester<br />
Zeit alle verfügbaren <strong>Rettung</strong>swagen,<br />
Notärztewagen und Krankenwagen ein“,<br />
erinnert sich Wolfgang Klamt, Geschäftsführer<br />
<strong>der</strong> DRK <strong>Rettung</strong>sdienst Potsdam-<br />
Mittelmark gGmbH. Den Ärzten und Sanitätern<br />
bot sich ein Bild des Schreckens.<br />
Sie mussten die alten, zum Teil lebensgefährlich<br />
verletzten Menschen aus den<br />
Trümmern des Busses retten. Viele schon<br />
ohne Bewusstsein, an<strong>der</strong>e geschockt, weinend,<br />
gezeichnet von Schmerzen. Hildegard<br />
Isenberg aus Ludwigslust ist mit<br />
schweren Prellungen, Schürf- und Schnittwunden<br />
„davongekommen“, wie sie sagt.<br />
Ihr Mann Bruno (71) erleidet schwere<br />
Beinverletzungen, muss später im Potsdamer<br />
Bergmann-Klinikum operiert werden,<br />
was wegen seines Diabetes nicht unkompliziert<br />
ist. Aber auch er „kommt ganz gut<br />
durch“. Die 73jährige erinnern sich nur<br />
Stunden nach dem Erlebten und gezeichnet<br />
von den erlittenen Verletzungen: „<strong>Es</strong><br />
brach Panik aus, plötzlich herrschte ein unbeschreibliches<br />
Chaos. Wer noch konnte,<br />
versuchte rauszukommen. Geschrei, Stöhnen,<br />
überall Blut. Ich spürte zuerst überhaupt<br />
nichts, versuchte nur, mit einfachsten<br />
Hilfsmitteln die Verletzungen meines<br />
Mannes zu behandeln, die schreckliche<br />
Blutung an Brunos Bein zu stillen. Ich war<br />
wie im Schockzustand ...“. Nur zwölf <strong>der</strong><br />
35 Insassen bleiben relativ unversehrt. <strong>Es</strong><br />
muss Großalarm ausgelöst werden. 13 Krankenhäuser<br />
in den umliegenden vier Bundeslän<strong>der</strong>n<br />
werden <strong>auf</strong> die Aufnahme <strong>der</strong><br />
Verletzten vorbereitet, 50 <strong>Rettung</strong>swagen<br />
und sieben <strong>Rettung</strong>shubschrauber werden<br />
an die Unfallstelle gerufen.<br />
„Mich erreichte <strong>der</strong> Alarm, während ich in<br />
<strong>der</strong> Badewanne saß“, erinnert sich Katharina<br />
Hallmann. Die 23jährige will sich gerade<br />
ein wenig vom anstrengenden Frühdienst<br />
erholen, als ihr Freund Marco Baum ruft,<br />
dass ihre Sanitätseinheit alarmiert sei. Katharina<br />
springt in ihre Einsatzkleidung – sie<br />
weiß, dass es jetzt um Minuten gehen<br />
kann. Seit zehn Jahren ist sie beim Roten<br />
Kreuz ehrenamtlich aktiv, erst beim Brandenburger<br />
Jugendrotkreuz, dann im Sanitätszug.<br />
Seit 2002 hat sie ihr Helfer-Hobby<br />
auch zum Beruf gemacht und arbeitet als<br />
<strong>Rettung</strong>ssanitäterin im Kreisverband. Jetzt<br />
aber ist ihr ehrenamtlicher Einsatz gefragt ...
Durch die koordinierte <strong>Rettung</strong>saktion wird das Leben vieler Verletzter gerettet<br />
Mathias Behnke (18) hat seine letzte Prüfung<br />
erfolgreich hinter sich gebracht. Er<br />
freut sich und ist auch ein bisschen stolz<br />
über den gerade geschafften Abschluss als<br />
Sozialpflegeassistent, als ihn die Leitstelle<br />
über seinen „Pieper“ alarmiert. Er ist<br />
seit fünf Jahren „dabei“, seit 1999 als Sanitäter<br />
in <strong>der</strong> Sanitätseinheit. Mathias<br />
springt ins nächste Taxi und <strong>auf</strong> <strong>der</strong> Fahrt<br />
in den Kreisverband schießt ihm, wie er<br />
sich schmunzelnd erinnert, durch den<br />
Kopf: „Nur gut, dass wir die zwei Einsatzfahrzeuge<br />
in Vorbereitung des ‚Havelfestes’<br />
am nächsten Wochenende noch einmal<br />
beson<strong>der</strong>s gründlich durchgecheckt<br />
haben“.<br />
Katharina Hallmann und Mathias Behnke<br />
wissen, wor<strong>auf</strong> es ankommt, als sie Andreas<br />
Griebel (19), Martin Meinke (20) und<br />
die an<strong>der</strong>en Freunde vom Sanitätszug treffen.<br />
Bereits vor zwei Jahren hatten sie erste<br />
Erfahrungen beim Unfall eines polnischen<br />
Reisebusses <strong>auf</strong> <strong>der</strong> Autobahn A 2<br />
sammeln können. Was würde sie jetzt erwarten?<br />
Mit Blaulicht geht es los, die Leitstelle<br />
empfiehlt, bei <strong>der</strong> Anfahrt zur Unfallstelle<br />
die verstopften Zubringer-Autobahnen<br />
zu meiden. Der Weg über die<br />
Landstraßen erweist sich jedoch als keine<br />
günstige Alternative. Mühsam kämpfen<br />
sie sich mit ihren KTWs bis zur A 9 durch,<br />
dort geht es bis zur Unfallstelle endlich<br />
schnell voran. Die im Stau stehenden<br />
Fahrzeuge hatten eine <strong>Rettung</strong>sgasse gebildet.<br />
„Als wir am Unfallort ankamen,<br />
stockte uns zuerst doch ein wenig <strong>der</strong><br />
Ministerpräsident Matthias Platzek im Kreise des Medical-<br />
Center-Teams (v.l.): Sandro Ton<strong>der</strong>, Oberarzt Mustafa El-Din,<br />
André Winkler<br />
Atem“, erinnert sich Andreas Griebel:<br />
„Überall Blaulicht und Sirenengeheul,<br />
Verletzte schrieen o<strong>der</strong> stöhnten, das Geknatter<br />
<strong>der</strong> <strong>Rettung</strong>shubschrauber, <strong>der</strong><br />
chaotische Anblick <strong>der</strong> Unfallfahrzeuge,<br />
überall Trümmerteile, die Leiche des eingeklemmten<br />
LKW-Fahrers ...“.<br />
Aber ihnen blieb keine Zeit, dies alles lange<br />
<strong>auf</strong> sich wirken zu lassen.<br />
Die Zusammenarbeit mit den professionellen<br />
<strong>Rettung</strong>skräften vor Ort klappte<br />
hervorragend. Die Helfer <strong>der</strong> Sanitätseinheit<br />
Brandenburg fügten sich nahtlos ein in<br />
die komplexe <strong>Rettung</strong>saktion: Wunden<br />
versorgen, <strong>auf</strong> die Verletzten beruhigend<br />
einwirken, sie zur Verletztensammelstelle<br />
bringen, die verstreuten, oft blutverschmierten<br />
Sachen und Gepäckstücke <strong>der</strong><br />
Verletzten bergen und sichern, die Unfallstelle<br />
beräumen von herumliegenden<br />
Trümmern, um weiteren Verletzungen vorzubeugen<br />
– man tat, was getan werden<br />
musste in diesem alptraumartigen Szenario.<br />
Mathias Behnke und sein Team bekommen<br />
zwei Verletzte – Schockpatienten<br />
mit schlimmen Schnittwunden – zugeteilt,<br />
die sie ins Krankenhaus nach Berlin-Zehlendorf<br />
bringen. Der Maßnahmeplan „Sofortreaktion“<br />
... sowie Katharina Hallmann,<br />
Mathias Behnke, Andreas Griebel,<br />
Martin Meinke und ihre Kameraden von<br />
<strong>der</strong> Sanitätseinheit Brandenburg a.d.H. haben<br />
ihre Bewährungsprobe bestanden.<br />
Als am dar<strong>auf</strong>folgenden Vormittag Brandenburgs<br />
Gesundheitsminister Günter<br />
Baaske einige <strong>der</strong> Verletzten des Busun-<br />
glücks im Potsdamer Klinikum „Ernst von<br />
Bergmann“ besucht, geht es Hildegard und<br />
Bruno Isenberg schon wie<strong>der</strong> ganz gut.<br />
„Wir sind hier bestens medizinisch versorgt<br />
worden“, bedankt sich Frau Isenberg.<br />
„Nur eines bedrückt uns. Wir haben doch<br />
morgen unsere Goldene Hochzeit und<br />
wollten eigentlich im Kreise unserer Lieben<br />
...“. Der Transport wäre medizinisch<br />
vertretbar, sagt <strong>der</strong> Chefarzt, aber würde<br />
denn jemand so kurzfristig die Fahrt übernehmen?<br />
Pünktlich um 16 Uhr „verladen“<br />
Martin Meinke und Andreas Griebel das<br />
Ehepaar Isenberg in ihren Krankentransportwagen,<br />
am frühen Abend übergeben<br />
sie Hildegard und Bruno Isenberg <strong>der</strong>en<br />
Tochter in Ludwigslust. Die Feier zur Goldenen<br />
Hochzeit am<br />
nächsten Tag soll sehr<br />
schön gewesen sein.<br />
Lutz Eckardt<br />
Verletzt, erschöpft und<br />
doch glücklich: Hildegard<br />
und Bruno Isenberg<br />
verlassen das Potsdamer<br />
Klinikum. Betreut durch<br />
Andreas Griebel und<br />
Martin Meinke kommen<br />
sie rechtzeitig zur<br />
Goldenen Hochzeit<br />
nach Hause.<br />
Ministerpräsident im Medical-Center<br />
Seit <strong>der</strong> Indienststellung des EuroSpeedway<br />
Lausitz (in seiner Bauphase noch<br />
„Lausitzring“ genannt) sorgt das Brandenburgische<br />
DRK dort zuverlässig für<br />
die sanitätsdienstliche Absicherung und<br />
medizinische Betreuung.<br />
Anlässlich <strong>der</strong> Deutschen Tourenwagen<br />
Masters in Juni hatte unser Medical Center<br />
hohen Besuch. Der Schirmherr dieser<br />
Motorsportveranstaltung, Ministerpräsident<br />
Matthias Platzeck, machte sich ein<br />
Bild vom hohen Standard <strong>der</strong> medizinischen<br />
Versorgung an <strong>der</strong> Rennstrecke.<br />
Der Ministerpräsident zeigte sich beeindruckt<br />
und dankte <strong>der</strong> DRK-Besatzung<br />
des Medical Centers für die bisher geleistete<br />
Arbeit an <strong>der</strong> mo<strong>der</strong>nsten Rennstrecke<br />
Europas.<br />
Die DRK-Ärzte und -Sanitäter betonten<br />
die beispielhafte Kooperation mit dem Betreiber<br />
des EuroSpeedway Lausitz, den<br />
Veranstaltern und mit den DRK-Führungsund<br />
Einsatzkräften aus den Landesverbänden<br />
Brandenburg und Sachsen.<br />
Bernd Schlüßler<br />
Brandenburger Rotkreuz-Magazin 3/2003 5