GRAPHONEWS GRAPHONEWS Mai 2009 2009 6 Abb. 3 Abb. 4
GRAPHONEWS Mai 2009 7 2. Mittelstufe Raphael, 10 Jahre, 5. Klasse (Abb. 5, 6) Er hat zwei Klassen übersprungen. Abschrift (Abb. 5): Eine bereits sehr eigengeprägte Schrift, bei welcher Eile <strong>und</strong> Druckunterschiedlichkeit im Vordergr<strong>und</strong> stehen. Als Wechselmerkmal gelten Verb<strong>und</strong>enheit <strong>und</strong> Unver- b<strong>und</strong>enheit. Die Buchstaben sind z. T. etwas abgeschliffen; der schlaffe Bewegungsablauf korrespondiert mit der Unelastizität des Striches. Retouchen, Einrollungen sowie abgebrochene Wortenden deuten auf pubertäre Erscheinungsmerkmale hin. Spontanschrift (Abb. 6): Die unfertige Spontanschrift drückt das eigenbestimmende Verhalten <strong>aus</strong>. Die Steillage mit tendenzieller Betonung nach links verdeutlicht die- se Haltung zusätzlich. Die Schrift ist klein, eigengeprägt, unverb<strong>und</strong>en <strong>und</strong> stabiler als die Abschrift. Ein grösseres Regelmass <strong>und</strong> Einheitlichkeit im Druck sind gegeben. Für den durchschnittlich begabten Mittelstufen-Schüler gelten (vgl. Abb. 1): • die Schrift hat sich automatisiert; eine individuelle Schrift entwickelt sich • der Versteifungsgrad III entspricht dem Durchschnitt • das Überspringen von Klassen wirkt sich auf die Schreibfertigkeit kaum mehr <strong>aus</strong> 3. Oberstufe Thomas, 14 Jahre, 3. Klasse Gymnasium (Abb. 7, 8) Abschrift (Abb. 7): Ein rasches Schreibtempo in der unverb<strong>und</strong>enen <strong>und</strong> selbständig geprägten Schrift ist gegeben. Durckschwäche, Vereinfachung sowie verschiedene Bindungsformen sind sichtbar. Im Vordergr<strong>und</strong> stehen geistige Beweglichkeit, Flexibilität <strong>und</strong> Agilität, welche auf eine gute Intelligenz hinweisen. Spontanschrift (Abb. 8): Im Gegensatz zur Abschrift ist die Spontanschrift verb<strong>und</strong>en. Sie weist ein sehr hohes Schreibtempo auf. Locker <strong>und</strong> lebendig präsentiert sich das Schriftbild mit eigengeprägten, sehr kreativen Buchstabenformen. Vereinfachung <strong>und</strong> die Tendenz zur Fadenbildung unterstreichen den Gesamteindruck einer sehr persönlichen, sensiblen, mit einer gewissen Labilität verb<strong>und</strong>en, weit entwickelten Schrift. Für den durchschnittlich begabten Oberstufen-Schüler gelten: • die Schrift ist individuell geprägt, eigenständige Schrift- züge sind gegeben • der Versteifungsgrad III entspricht dem Durchschnitt Sorgen <strong>und</strong> Nöte von <strong>Kinder</strong>n mit besonderen Fähigkeiten Anhand der gemachten Schrift<strong>aus</strong>wertungen bin ich zum Schluss gekommen, dass sich bei <strong>Kinder</strong>n m.b.F. oftmals die nachfolgenden Merkmale <strong>und</strong> Unlustgefühle manifestieren. Ich gebe einen alphabethischen Überblick über die meisten Schwierigkeiten, Sorgen <strong>und</strong> Nöte, welche ich in den Schriften angetroffen habe: • Emotionale Unsicherheit • Gefühle der Resignation • Gefühle des Ungenügens • Harmoniebedürfnis • Isolation • Leistungsdruck • Perfektionismus • Pflichterfüllung • Ratlosigkeit • Rückzug • Selbstdisziplin • Selbstkontrolle • Sensibilität • Tendenz der Überbelastung Zusammenfassend: Persönliche Anlagen – Umweltbeziehung - Selbstkompetenz Die persönliche Entwicklung eines Kindes vollzieht sich in einem immerwährenden, komplexen <strong>und</strong> fort- schreitenden Prozess der Wechselwirkung zwischen der strukturellen Reifung (Altersreife), den individuell-genetischen Anlagen (körperliche Gestaltung, Intelligenz, be- sondere Fähigkeiten wie z. B. Musikalität), den Umwelteinflüssen <strong>und</strong> schliesslich der Art <strong>und</strong> Intensität der indi- viduellen Selbststeuerung. Individuelle Anlagen, Umwelteinflüsse <strong>und</strong> Selbstkompetenz führen zur individuellen Persönlichkeit. Genetische Faktoren, d. h. die Vererbung, spielen ebenso eine Rolle wie die soziokulturellen Strukturen. Das Kind wird mit seinen Erbanlagen in seinen Kulturkreis hineingeboren. Es bewegt sich in einer sozialen Schicht, welcher die Eltern angehören, <strong>und</strong> <strong>aus</strong> deren engeren Umwelt her<strong>aus</strong> es sich entwickeln <strong>und</strong> entfalten kann. Familie, Schule <strong>und</strong> Fre<strong>und</strong>eskreis spielen je nach Alter eine unterschiedliche <strong>und</strong> auf die Bedürfnisse eines jeden Kindes - nicht nur des Kindes m.b.F. - abgestimmte Rolle.