Pfarrinfo - Katholische Pfarrgemeinde St. Jacobus. Hilden
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Die Spannug in mir ...<br />
…oder: Meine Kräfte reichen nicht aus<br />
„Das finde ich ziemlich spannend“ – scheint die zeitgenössische<br />
Formel für alles und jedes zu sein, was eine positive Herausforderung<br />
darstellt und was einer Antwort oder Lösung noch<br />
entgegenschaut.<br />
Spannung hält uns bei einem guten Krimi in Atem. Spannung<br />
braucht der Bogen, mit dem ich einen Pfeil abschieße. ist er zu<br />
wenig gespannt, fliegt der Pfeil nicht. ist er zu stark gespannt,<br />
kann der Bogen zerbrechen.<br />
Spannung ist die Voraussetzung für freiwerdende, nutzbare<br />
energie. Seltsam, dass wir Spannungen unter Menschen<br />
oder gar Spannungen in uns selber oft so negativ bewerten.<br />
Vielleicht, weil wir lieber entspannt als angespannt sind. Vielleicht,<br />
weil wir mit Spannungen eher <strong>St</strong>reit, nichtverstehen und<br />
Konflikte verbinden. es gibt aber auch im Positiven spannende<br />
Beziehungen, ein positives Spannungsverhältnis zwischen<br />
Menschen oder in uns selber. ohne Spannungen kann es keine<br />
entwicklung, keine Gestaltung, keine energie geben. Spannungen<br />
auszuweichen, hilft uns daher oft nicht weiter. tag für tag<br />
leben wir in solchen Spannungen. ich persönlich kenne Spannungen<br />
in mir gut.<br />
Da ist die erwartung der einen ortsgemeinde, möglichst ständig<br />
vor ort präsent zu sein. Dem steht dieselbe erwartung<br />
oder das recht der anderen ortsgemeinden gegenüber. Da<br />
wird erwartet, dass der Pastor die Pfarrei gut leitet und für reibungslose<br />
Abläufe des Gemeindelebens sorgt. Gleichzeitig soll<br />
er aber ausreichend Zeit für die persönliche Seelsorge für die<br />
einzelnen Gemeindemitglieder haben. Da erhebt eine würdige<br />
Feier der Liturgie und eine solide Glaubensverkündigung ihren<br />
Anspruch, gleichzeitig darf es für die Gemeinde aber alles nicht<br />
zu lange dauern. Da steht die erwartung der Bistumsleitung<br />
auf der einen, bisweilen eine andere erwartung der Gemein-<br />
6 <strong>St</strong>. <strong>Jacobus</strong> • <strong>Hilden</strong> 2012 • <strong>Pfarrinfo</strong> 5<br />
de und ihrer Gremien auf der anderen Seite. Da sind so viele<br />
kostbare Menschen, mit denen zu arbeiten Freude macht und<br />
wo auch ein gutes Beziehungsnetz entsteht. Zugleich erlebe<br />
ich, dass gerade die es zum teil aufgrund alter Konflikte oder<br />
anderer ressentiments gar nicht miteinander können. Da ist<br />
die total beanspruchende Aufgabe des Pastors, die mich ganz<br />
an meine Gemeinde bindet, und gleichzeitig die erfordernis von<br />
Ausgleich und Freizeit und der Wunsch nach Begegnung von<br />
Freunden und Familie. Hinzu kommt auch noch der eigene Anspruch,<br />
ein guter Seelsorger zu sein, qualitätsvoll zu arbeiten,<br />
die Menschen auf dem Weg mitzunehmen und zugleich ihren<br />
Bedürfnissen zu entsprechen.<br />
Wichtig erscheint mir dabei, die sich aus der natur der Sache<br />
ergebenden Spannungen auszuhalten statt aufzulösen; die Ansprüche<br />
in der Waage zu halten und damit beiden jeweiligen<br />
Seiten und mir selber treu zu bleiben.<br />
eine solche Spannung kann zur Zerreißprobe werden, kommt<br />
mir bisweilen vor wie ein Drahtseilakt auf gespanntem Seil –<br />
wäre da nicht Der, von dem ich mich berufen und gesandt weiß<br />
und dem ich alle Herausforderungen und vor allem die Menschen<br />
unserer Gemeinde täglich im Gebet entgegenhalten darf.<br />
ermutigend und tröstlich finde ich das Wort Papst Benedikts zu<br />
den Priestern im Freisinger Dom 2006: „So vieles müsste getan<br />
werden. Und meine Kräfte reichen einfach nicht dafür aus. So<br />
muss ich lernen, das zu tun, was ich kann, und das andere Gott<br />
und den Mitarbeitern zu überlassen und zu sagen: ‚Am ende<br />
muss du es ja machen, denn die Kirche ist deine Kirche.’ Und<br />
darauf zu vertrauen: er wird mir auch Mitarbeiter schenken, die<br />
weiter helfen und die tun, was ich nicht kann.“<br />
Das finde ich ziemlich spannend!<br />
Ulrich Hennes