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Kurze Anleitung zum „Einscheinern“ von parallaktischen ...

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<strong>Kurze</strong> <strong>Anleitung</strong> <strong>zum</strong> „Einscheinern“ <strong>von</strong> <strong>parallaktischen</strong> Montierungen<br />

©2001, Dipl.-Ing Wolfgang Paech<br />

Ortsfeste und/oder transportable parallaktische Montierung müssen – wenn sie für fotografische<br />

Aufnahmen oder für die CCD-Beobachtung eingesetzt werden sollen – eine genau definierte<br />

Aufstellungsposition am Beobachtungsort haben. Dabei muß die Rektaszensionsoder<br />

Polachse der Montierung genau parallel zur Stellung der gedachten Erdrotationsachse<br />

am Beobachtungsort stehen. Das bedeutet, sie muß im Azimut (Horizontal) exakt in Nord-<br />

Südrichtung stehen und ihr Winkel zur Erdoberfläche muß exakt dem Winkel der geografischen<br />

Breite (ϕ) entsprechen. Dieser Winkel wird dabei auch als Polhöhenwinkel bezeichnet.<br />

Genau zu diesen Punkt des Himmels zeigt die gedachte Rotationsachse der Erde, dort befindet<br />

sich der wahre Himmelspol (gleiches gilt natürlich auch für den Südhimmel).<br />

Um diesen Punkt am Himmel scheinen sich alle Sterne in Kreisbögen zu bewegen (die Bewegung<br />

ist natürlich nur die Projektion der Erdrotation). Dicht am nördlichen Himmelspol<br />

steht der helle Polarstern (α Ursa Minor, am südlichen Pol gibt es leider keinen hellen Stern).<br />

Der Polarstern hat zur Zeit einen Abstand <strong>von</strong><br />

einem knappen Grad <strong>zum</strong> wahren Himmelspol<br />

und beschreibt deshalb innerhalb <strong>von</strong> 23h 56m<br />

04.1s (wahre Rotationszeit der Erde) ebenfalls<br />

einen kleinen Kreisbogen.<br />

Die Abbildung links demonstriert dies zur<br />

Erläuterung. Fällt man (gedanklich) ein Lot<br />

vom Polarstern <strong>zum</strong> Horizont so markiert der<br />

Punkt geografisch Nord. Hier ist zusätzlich<br />

noch das Sternbild Großer Wagen in vier verschiedenen<br />

Stellungen eingezeichnet.<br />

Verlängert man den Abstand der hinteren beiden<br />

Kastensternen um ihre 5fache Länge, trifft<br />

man ziemlich genau auf den Polarstern. Das<br />

Kreuz markiert die Stellung des wahren Himmelspols<br />

Viele moderne Teleskopmontierungen verfügen heute über ein sogenanntes Polsucherfernrohr,<br />

welches die Aufstellung der Montierung stark vereinfacht, bzw. zeitlich beschleunigt.<br />

Für eine exakte Aufstellung liefert aber auch das Polsucherfernrohr nur einen (allerdings<br />

schon recht genauen) Richtwert. Größere Montierungen oder <strong>zum</strong> Beispiel Eigenkonstruktionen<br />

verfügen oft über kein Polsucherfernrohr und auch die bei Amateuren beliebten<br />

Schmidt-Cassegrain Teleskope in Gabelmontierungen haben selten ein Polsucherfernrohr.<br />

Moderne parallaktische Hightech-Montierungen – wie z.B. die GTO Montierungen der Serie<br />

GTO 400, 600E, 900 und 1200 <strong>von</strong> Astro Physics haben zusätzlich <strong>zum</strong> Polsucherfernrohr in<br />

der Steuersoftware entsprechende Routinen, die es gestatten die Montierung korrekt aufzustellen.<br />

Aber auch hier bleiben Restaufstellungsfehler, die behoben werden müssen.<br />

Was aber tun, wenn man an seiner Montierung keine dieser Möglichkeiten hat? Der Astronom<br />

Scheiner hat bereits im vergangenen Jahrhundert eine Methode beschrieben, mit der<br />

man eine Montierung korrekt ausrichten kann. Man nennt sie deshalb auch die Scheiner-<br />

Methode oder einfach das "Einscheinern" einer Montierung. Es ist leider eine zeitraubende<br />

Methode aber die genaueste Methode die es gibt. Je genauer man vorab die Rektaszensionsachse<br />

auf den Himmelspol ausrichten kann, desto schneller funktioniert das Scheinern.<br />

1


Bei der Scheinerschen Methode werden sowohl Azimut (Nord-Süd Richtung) als auch die<br />

Polhöhe der Rektaszensionsachse präsize für Ihren Aufstellungsort ermittelt und eingestellt.<br />

Nach erfolgter Justierung steht die Rektaszensionsachse exakt parallel zur Erdrotationsachse<br />

und zeigt auf den wahren Himmelspol.<br />

Einige Erfahrung im Scheinern und die Kenntnis der Bildorientierung des Teleskops beschleunigt<br />

das Verfahren enorm. Wir beschreiben – zusammen mit einigen erläuternden<br />

Graphiken – nun die Methode des Einscheinerns. Dabei ist die Kenntnis der Bildorientierung,<br />

durchs Okular geschaut, <strong>von</strong> ausschlaggebender Bedeutung.<br />

Alle Graphiken (die dargestellten Fadenkreuzokularanblicke) und Texte beziehen sich auf<br />

den Anblick in einem Refrakor in einem gestrecktem Strahlengang, also ohne Zenitprisma,<br />

Zenitspiegel oder andere - die Bildorientierung verändernden - Zubehörteile. Ein Refraktor,<br />

sowie alle Spiegelteleskope mit zwei Spiegeln (Newton, Schmidt-Cassegrain, Maksutov etc.)<br />

drehen das Bild – gegenüber dem Himmelsanblick mit dem blossen Auge - um 180 Grad.<br />

Das bedeutet, durch das Okular geschaut, befindet sich Süden nun oben und Westen links<br />

(dementsprechend ist Norden unten und Osten rechts).<br />

Das Bild zeigt links die normale Bildorientierung mit dem blossen Auge und mit dem Amiciprisma,<br />

in der Mitte der Anblick im Refraktor (und allen zwei-Spiegel-Systemen) im gestreckten<br />

Strahlengang und rechts die Bildorientierung wie Mitte, jedoch mit einem zusätzlichen<br />

Zenitprisma im Strahlengang<br />

Fügt man vor dem Okular ein normales Zenitprisma/spiegel ein, so steht das Bild aufrecht<br />

(Norden oben) aber das Bild ist spiegelverkehrt (Osten rechts). Das einzige Prisma welches<br />

eine Bildorientierung wie der Anblick mit dem blossem Auge erzeugt ist das Amiciprisma<br />

(Bildmitte, Nord oben, Süd unten, Ost links und West rechts).<br />

Vermeiden Sie nach Möglichkeit die Verwendung eines Zenitspiegels/prismas beim Scheinern.<br />

Die Bildorientierung ist abhängig <strong>von</strong> der Drehung des Prismas/Spiegels in der Steckhülse.<br />

Drehen Sie das Prisma, rotiert Ihr Bildfeld in gleicher Richtung. Wollen Sie ein Prisma<br />

einsetzen, wählen Sie - wenn möglich – ein Amiciprisma!<br />

Verfahren Sie nun wie im folgenden beschrieben:<br />

• Stellen Sie Ihre Montierung auf und richten Sie vorab die Rektaszensionsachse so genau<br />

wie möglich auf den Himmelspol. Haben Sie ein Polsucherfernrohr und der Himmelspol<br />

ist <strong>von</strong> Ihrem Beobachtungsstandort sichtbar, ist das kein Problem. Für alle anderen<br />

Fällen können Sie zur Azimutausrichtung (Nord-Süd) einen Peilkompaß einsetzen (beachten<br />

Sie dabei die magnetische Mißweisung, es muß geografisch Nord und nicht magnetisch<br />

Nord eingestellt werden).<br />

• Die meisten Montierungen verfügen am Polblock der Montierung eine grobe Winkelskala<br />

zur Einstellung des Polhöhenwinkels. In Baumärkten findet man aber auch Aufsatzwin-<br />

2


kelmesser, die es gestatten auf der Rektaszensionsachse aufgesetzt und auf etwa +/- 1<br />

Grad abgelesen werden zu können.<br />

Was Sie nun noch brauchen ist ein stärker (ca. 125fach) vergrößerndes<br />

– am besten beleuchtetes – Fadenkreuzokular. Steht<br />

Ihnen ein beleuchtetes Fadenkreuzokular nicht zur Verfügung,<br />

tut es auch ein einfaches. Stellen Sie Ihren Referenzstern einfach<br />

unscharf ein, dann sehen Sie das Fadenkreuz auch deutlich.<br />

Begonnen wird das Scheinern einer Montierung immer mit der<br />

Azimuteinstellung der Rektaszensionsachse. Die im folgenden<br />

beschriebenen Himmelsrichtungen <strong>zum</strong> Scheinern sind bewusst<br />

gewählt, an diesen Positionen des Himmels sind Abweichungen<br />

am schnellsten sichtbar.<br />

Zu Beginn suchen Sie sich (aus einem<br />

Himmelsatlas oder einem der modernen<br />

PC-Planetariumsprogramme) einen hellen<br />

Stern, der zu Beginn des Scheinerns<br />

grob in Südrichtung (Meridian) steht und<br />

dabei nicht weit vom Himmelsäquator<br />

entfernt sein sollte (Deklination = 0 Grad).<br />

Bringen Sie den<br />

Stern in das Gesichtsfeld<br />

des<br />

Okulars und<br />

orientieren Sie<br />

den waagerechten Faden so, dass der Stern sich während einer<br />

Bewegung der Rektaszensionsachse auf ihm (dem waagerechten<br />

Faden) hin- und her bewegt. Ist Ihre Bildorientierung korrekt, so<br />

muß der Stern bei abgeschalteter Nachführung auf dem waagerechten<br />

Faden <strong>von</strong> rechts nach links (Ost – West) bewegen.Positionieren Sie den Stern nun<br />

in die Fadenkreuzmitte und beobachten Sie seine Bewegung auf dem senkrechten Faden.<br />

Achtung: Sie dürfen ab jetzt - bis <strong>zum</strong> Ende des Scheinerns - die Stellung des Fadenkreuzokulars<br />

im Okularauszug nicht mehr verändern!<br />

Die Position des Sternes auf dem waagerechten Faden des Fadenkreuzes dürfen Sie<br />

durch Bewegung der Rektaszensionsachse jederzeit verstellen.<br />

Weicht der Stern nun im Laufe der Zeit auf der senkrechten Achse nach<br />

oben (Süden) ab, so müssen Sie das Nordende der Rektaszensionsachse<br />

nach Westen verdrehen.<br />

Weicht der Stern im Laufe der Zeit auf der<br />

senkrechten Achse nach unten (Norden) ab,<br />

so müssen Sie das Nordende der Rektaszensionsachse<br />

im Azimut ein Stückchen nach<br />

Osten korrigieren.<br />

3


Diesen Prozeß wiederholen Sie so oft, bis sich der Stern ca. 20 Minuten auf dem senkrechten<br />

Faden nicht bewegt. Und noch einmal zur erinnerung: die Rektaszensionsachse dürfen<br />

Sie jederzeit korrigieren, nicht aber in Deklination nachstellen (die Abweichung soll ja bestimmt<br />

werden).<br />

Zur Azimuteinstellung haben die meisten Montierungen am Nordende der Rektaszensionsachse<br />

meist eine Feineinstellung, bestehend aus zwei Schrauben die auf einen Lagerbock<br />

drücken.<br />

Bei abgeschalteter Nachführung muß sich der Stern diagonal <strong>von</strong><br />

rechts oben nach links unten bewegen<br />

Nun folgt die Justierung der Polhöhe.<br />

Wählen Sie dazu einen<br />

Stern in östlicher Richtung, ca.<br />

30 Grad über dem Horizont. Zentrieren<br />

Sie ihn auf die Fadenkreuzmitte<br />

und beobachten Sie<br />

seine Abweichung auf dem senkrechten<br />

Faden, der jetzt etwa im<br />

Winkel <strong>von</strong> 45 Grad steht.<br />

Weicht der Stern nach links oben (Süden) ab, so muß die Rektaszensionsachse<br />

steiler (höher) gestellt werden.<br />

Weicht der Stern auf dem Faden nach rechts<br />

unten (Nord) ab, so ist die Polhöhe zu verringern<br />

(flacher).<br />

Auch hier ist der Prozeß so lange zu wiederholen, bis der Stern ca. 20 Minuten ohne Abweichung<br />

in Nord-Süd Richtung auf der Fadenkreuzmitte stehenbleibt. Wenn Sie jetzt wieder<br />

<strong>zum</strong> Ausgangspunkt zurückgehen und einen Stern in Südrichtung beobachten, kann es sein,<br />

dass Sie das Azimut leicht korrigieren müssen. Und dann das ganze noch einmal für die<br />

Polhöhe.<br />

Für ortsfeste Montierungen und langbrennweitige Teleskope kann das Einscheinern schon<br />

die ganze Nacht dauern. Für transportable Instrumente - mit weniger hohen Ansprüchen und<br />

einiger Erfahrung mit dem Scheinern - sollte man nach ca. 60 Minuten fertig sein.<br />

4


Für eine rein visuelle Beobachtung spielt die Aufstellung kaum eine Rolle – es sei denn man<br />

möchte die Teilkreise einer Montierung zur Einstellung <strong>von</strong> Beobachtungsobjekten nach<br />

Rektaszension und Deklination nutzen. Auch dann muß die Montierung exakt aufgestellt<br />

sein.<br />

Bei der Aufnahme mittels herkömmlichen Film oder mit<br />

CCD-Kameras muß die Montierung exakt aufgestellt<br />

sein. Ansonsten rotiert das Bildfeld um den Leitstern.<br />

Das bedeutet, der Leitstern (meist im Bildmittelpunkt)<br />

wird punktförmig, alle Sterne weiter aussen in immer<br />

längeren Kreisbögen abgebildet.<br />

Dabei spielt die Aufnahmebrennweite KEINE Rolle, sondern<br />

nur die Größe des Bildfeldes. Je größer es ist (in<br />

scheinbaren Graden), desto länger – je weiter vom Bildmittelpunkt<br />

entfernt – werden die Kreisbögen.<br />

Die größten Fehler erhält man somit – logischerweise – bei Mittelformatkameras mit Weitwinkelobjektiven.<br />

Für Weitwinkelaufnahmen muß die Montierung also genauso gut aufgestellt<br />

sein, wie für Aufnahmen durch das Teleskop im Fokus. Setzen Sie Mittelformatkameras<br />

ein muß die Aufstellung besser sein als für Aufnahmen mit Kleinbildkameras.<br />

copyright 2001 by Wolfgang Paech<br />

BAADER PLANETARIUM GmbH<br />

Zur Sternwarte 82291 Mammendorf Tel.: 08145 - 8802 Fax: 08145 - 8805<br />

email: service@baader-planetarium.de http://www.baader-planetarium.de<br />

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