Psychokardiologie und Achtsamkeit - Novego
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Despina Muth-Seidel <strong>und</strong> Charlotte Husen<br />
Durch diese drei Aspekte wird aus Aufmerksamkeit<br />
<strong>Achtsamkeit</strong>. Der gegenwärtige<br />
Moment entgeht uns jedoch<br />
häufig. In vielen Situationen sind wir<br />
mit unseren Gedanken ganz woanders,<br />
wir überlegen z.B., was noch zu erledigen<br />
sei, was wir heute zu essen kochen<br />
sollen oder wen wir noch anrufen müssen.<br />
In derartigen Momenten funktionieren<br />
wir im sogenannten „Autopilotenmodus“<br />
<strong>und</strong> sind nicht mehr in der Lage,<br />
wirklich flexibel <strong>und</strong> situationsabhängig<br />
zu reagieren. Unser Erleben, Verhalten<br />
<strong>und</strong> Reagieren wird durch diese automatisierte,<br />
halbbewusste Informationsverarbeitung<br />
mechanisch <strong>und</strong> starr. Um den<br />
gegenwärtigen Moment bewusst zu erleben,<br />
müssen wir mit ihm in Kontakt treten<br />
<strong>und</strong> ihn im Hier <strong>und</strong> Jetzt erfahren.<br />
Dies geschieht absichtsvoll, das bedeutet,<br />
dass man sich immer wieder darauf<br />
besinnen muss, da es für unseren Geist<br />
verlockend ist, sich in den Autopilotenmodus<br />
zu begeben <strong>und</strong> abzuschalten.<br />
Die nichtwertende Einstellung versucht<br />
auftretende Bewusstseinsinhalte nicht als<br />
gut oder schlecht einzuordnen, sondern<br />
nur als das wahrzunehmen, was sie sind.<br />
Um achtsam zu sein, muss man einen<br />
offenen Geist haben, der die Dinge weder<br />
festhält, noch sie verdrängt oder vermeiden<br />
will. Wer achtsam durchs Leben<br />
geht, kann ohne Vorbehalte auf Situationen<br />
eingehen – ohne seinen automatisierten<br />
Reaktionsmustern zu erliegen. Dies<br />
soll allerdings nie erzwungen werden,<br />
sondern aus einem mitfühlenden Umgang<br />
mit sich selbst entstehen.<br />
Seit den 1970er Jahren wurden einige<br />
psychotherapeutische Ansätze entwickelt,<br />
in welchen <strong>Achtsamkeit</strong> als heilsames<br />
Prinzip eine besondere Rolle spielt.<br />
Zu diesen Ansätzen gehören die Acceptance-<br />
and Commitment Therapie (ACT),<br />
die Dialektisch-Behaviorale Therapie<br />
(DBT), die Mindfulness-Based Stress<br />
Reduction (MBSR) sowie die Mindfulness-Based<br />
Cognitive Therapy (MBCT).<br />
110 © ZSTB — Jg. 30 (3) — Juli 2012 — (S. 109 – 115)<br />
Wechselwirkungen: Psychische<br />
<strong>und</strong> kardiologische Erkrankungen<br />
Viele Patienten sind von den Symptomen<br />
ihrer kardiologischen Erkrankung<br />
verunsichert. Daraus resultieren Sorgen,<br />
Ängste sowie viele Unsicherheiten <strong>und</strong><br />
ungeklärte Fragen. Unter Patienten mit<br />
bekannten Herzrhythmusstörungen oder<br />
überlebtem plötzlichen Herztod weisen<br />
bis zu die Hälfte der Betroffenen Symptome<br />
einer Angsterkrankung <strong>und</strong>/oder<br />
Depression auf (Agelink et al. 2004, Ladwig<br />
et al. 2008).<br />
Psychische Phänomene wie Stressreaktionen,<br />
Depressionen oder Angsterkrankungen<br />
können auf verschiedene Art <strong>und</strong><br />
Weise mit kardiologischen Erkrankungen<br />
in Verbindung stehen. Zum einen werden<br />
sie häufig als auslösende bzw. einleitende<br />
Faktoren für Herzrhythmusstörungen<br />
beschrieben (Rugulies 2002). Weitere Risikofaktoren<br />
können u.a. niedriger sozialer<br />
Status, chronischer Stress oder Konflikte,<br />
sowie eine Neigung zu Feindseligkeit<br />
<strong>und</strong> Ärger sein (Ladwig et al. 2008,<br />
Schubmann & Seekatz 2011). Die enge<br />
Verbindung von Stresserleben <strong>und</strong> Herzerkrankungen<br />
verdeutlicht auch die „Tako-Tsubo-Kardiomyopathie“,<br />
das sogenannte<br />
„Syndrom des gebrochenen Herzens“,<br />
das hauptsächlich bei Frauen über<br />
60 Jahren auftritt (Nef et al. 2006). Es<br />
beschreibt eine schwerwiegende, reversible<br />
Funktionsstörung des Herzens, dessen<br />
Symptome einem akuten Herzinfarkt<br />
gleichen. Die Ursache dieser Störung ist<br />
nicht vollständig geklärt, man konnte bei<br />
den betroffenen Personen jedoch eine<br />
deutliche Erhöhung der Stresshormone<br />
im Blut <strong>und</strong> eine zeitliche Nähe zu ungewöhnlich<br />
negativen, aber auch ungewöhnlich<br />
positiven Ereignissen in ihrem<br />
Leben feststellen.<br />
Psychische Erkrankungen können allerdings<br />
auch gleichzeitig mit Herzerkrankungen<br />
vorliegen, <strong>und</strong> vor allem können<br />
sie eine Folgeerkrankung darstellen <strong>und</strong><br />
somit die Prognose beeinflussen, sollten<br />
sie nicht behandelt werden. Herzrhythmusstörungen<br />
können durch ein verändertes<br />
Körper- <strong>und</strong> Selbstbild zu einer<br />
großen Angst vor dem Alltag <strong>und</strong> insbesondere<br />
vor jeglicher Art von Aktivitäten<br />
führen. Daraus resultiert oft ein übermäßiges<br />
Vermeidungs- <strong>und</strong> Schonverhalten,<br />
was wiederum zu vermehrtem sozialen<br />
Rückzug, Unzufriedenheit <strong>und</strong> mangelnder<br />
Bestätigung in Belastungssituationen<br />
führt. Die Betroffenen sind in ihrem Alltag<br />
sowie in ihrer Lebensqualität stark<br />
eingeschränkt <strong>und</strong> entwickeln nicht selten<br />
eine ausgeprägte Abhängigkeit zu ihren<br />
Bezugspersonen. Durch diesen negativen<br />
Teufelskreis können reaktive Depressionen<br />
<strong>und</strong> Angsterkrankungen entstehen<br />
<strong>und</strong> aufrechterhalten werden.<br />
Säulen der psychokardiologischen<br />
Therapie<br />
Eine psychokardiologisch orientierte<br />
Therapie besteht aus mehreren Säulen:<br />
y Medikamentöse Behandlung,<br />
y operative Eingriffe <strong>und</strong><br />
y psychologische Betreuung.<br />
Eine optimale Behandlung erfordert eine<br />
engmaschige Koordination von ärztlicher<br />
<strong>und</strong> psychologischer Betreuung. Die medikamentöse<br />
Behandlung erfolgt von<br />
ärztlicher Seite ebenso wie die Entscheidung<br />
über einen operativen Eingriff. Hier<br />
erfolgt dann gegebenenfalls das Einsetzen<br />
eines Herzschrittmachers oder eines<br />
Defibrillators. Obwohl das beobachtete<br />
Ausmaß an affektiven Störungen klinisch<br />
höchst bedeutsam ist, werden immer<br />
noch zu selten therapeutische Konsequenzen<br />
ergriffen. Die Indikation für<br />
eine psychotherapeutische Begleitung<br />
wird oft übersehen, da infolge der somatischen<br />
Ursache der psychischen Belastungsformen<br />
keine der gängigen psychiatrischen<br />
Diagnosen eindeutige Anwendung<br />
findet.<br />
Am besten kann nach bisherigem Forschungsstand<br />
eine Therapie wirken, die