Psychokardiologie und Achtsamkeit - Novego
Psychokardiologie und Achtsamkeit - Novego
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Despina Muth-Seidel <strong>und</strong> Charlotte Husen<br />
dings die Symptomatik überhaupt erst<br />
hervorrufen oder verstärken. <strong>Achtsamkeit</strong>sbasierte<br />
Übungen können helfen,<br />
Gefühle im Alltag wahrzunehmen <strong>und</strong><br />
wertfrei zu benennen, sowie zu erkennen,<br />
dass kein Gefühl von Dauer ist. Diese<br />
Akzeptanz von der Unkontrollierbarkeit<br />
<strong>und</strong> Vergänglichkeit von Gefühlen unterstützt,<br />
sich nicht von Gefühlen überrollt<br />
zu fühlen.<br />
<strong>Achtsamkeit</strong> ist auch Bestandteil eines<br />
guten Umgangs mit sich selbst – der sogenannten<br />
Selbstfürsorge. Dies bedeutet,<br />
sich gut um sich zu kümmern, auf sich<br />
achtzugeben <strong>und</strong> die eigenen Bedürfnisse<br />
zu erkennen <strong>und</strong> zu respektieren. Ein<br />
wichtiger weiterer Baustein ist die Selbstakzeptanz,<br />
also eine positive Einstellung<br />
zu sich selbst als Person. Hierzu gehört<br />
eine Zufriedenheit mit sich selbst, die eigenen<br />
Meinungen <strong>und</strong> Reaktionen wertzuschätzen<br />
<strong>und</strong> sich in sich selbst zuhause<br />
zu fühlen. Die Selbstakzeptanz gilt auch<br />
für eigene vermeintliche Schwächen oder<br />
Fehler. Diese beiden Aspekte – Selbstfürsorge<br />
<strong>und</strong> Selbstakzeptanz – sind vielen<br />
von kardiologischen Problemen Betroffenen<br />
kaum noch möglich. Oft spielen<br />
Selbstvorwürfe oder ein Hadern mit dem<br />
eigenen Schicksal eine große Rolle. Hier<br />
brauchen sie therapeutische Unterstützung,<br />
um sich selbst <strong>und</strong> ihrem erkrankten<br />
Körper positiv zuzuwenden <strong>und</strong> liebevoll<br />
mit sich umzugehen. <strong>Achtsamkeit</strong> schärft<br />
die eigene Sinnesaufmerksamkeit <strong>und</strong> erhöht<br />
so die Wahrnehmung; man begegnet<br />
sich selbst mit einer gr<strong>und</strong>sätzlich positiv<br />
gefärbten Aufmerksamkeit – insbesondere<br />
in Bezug auf die eigenen Bedürfnisse.<br />
Das Ziel ist es, sich selbst so liebevoll zuzuwenden,<br />
wie man es sonst nur bei einem<br />
anderen Menschen tut, der eine besondere<br />
Bedeutung für einen hat.<br />
Ein achtsamer Umgang mit sich selbst<br />
wirkt sich in der Regel auch auf die Gestaltung<br />
<strong>und</strong> Einteilung des eigenen Lebens<br />
<strong>und</strong> die Gewichtung der Lebensbereiche<br />
aus. („Wie viel Zeit nehmen<br />
112 © ZSTB — Jg. 30 (3) — Juli 2012 — (S. 109 – 115)<br />
bestimmte Lebensbereiche in Anspruch?<br />
Wie viel Zeit bleibt neben der Arbeit<br />
noch für andere Dinge? Wo bleibe ich?“)<br />
Zu diesem Themenbereich gehört auch<br />
ein ges<strong>und</strong>er Umgang mit Stress. Techniken<br />
zum Zeit- <strong>und</strong> Stressmanagement<br />
können hilfreiche Unterstützung bieten,<br />
um das Leben wieder in eine bewusste<br />
Balance zu bringen. Dies kann als unterstützender,<br />
aber auch schon als präventiver<br />
Faktor im Rahmen von kardiologischen<br />
Erkrankungen wirken.<br />
Unterstützung im Umgang mit<br />
Herzschrittmachern oder implantierten<br />
Defibrillatoren<br />
Zur Therapie kardiologischer Erkrankungen<br />
kann das Einsetzen eines Herzschrittmachers<br />
oder eines implantierbaren Defibrillators<br />
gehören. Zunächst wird das<br />
Einsetzen eines Herzschrittmachers oder<br />
eines Defibrillators von den Patienten<br />
meist als Erleichterung gesehen <strong>und</strong> das<br />
Wohlbefinden der Betroffenen verbessert<br />
sich in den folgenden Monaten. Allerdings<br />
kommt es danach häufig zu psychischen<br />
Folgen (Tavenaux et al. 2011). Das<br />
Wissen, einen Fremdkörper in sich zu<br />
tragen, der den Herzrhythmus reguliert,<br />
führt bei vielen Patienten nicht zu einem<br />
Gefühl von Sicherheit, sondern zu einem<br />
Gefühl von Kontroll- <strong>und</strong> Autonomieverlust.<br />
Speziell die Patienten mit einem<br />
Herzschrittmacher können sich „fremdgesteuert“<br />
<strong>und</strong> „ohnmächtig“ fühlen.<br />
Diese Gefühle können dazu führen, dass<br />
die Patienten den Herzschrittmacher wieder<br />
loswerden wollen – vor allem dann,<br />
wenn seine Lebensnotwendigkeit nicht<br />
erlebt wird. Bei Trägern eines implantierten<br />
Cardioverter-Defibrillators (ICD)<br />
können häufige Schocks zu schweren<br />
Ängsten, Depressionen oder auch posttraumatischen<br />
Belastungsreaktionen führen.<br />
Die Patienten haben Angst, dass jeden<br />
Moment ein erneuter Stromschock<br />
erfolgen könnte. Diese Schocks werden<br />
in Bezug auf die Schmerzwahrnehmung<br />
ganz unterschiedlich erlebt. Insbeson-<br />
dere die mangelnde Vorhersagekraft der<br />
Schocks kann zu erheblichem Stress <strong>und</strong><br />
Ängsten der Patienten führen (Stingl<br />
2011). Patienten meiden häufig Aktivitäten,<br />
um die Situation unter Kontrolle zu<br />
bringen <strong>und</strong> einen erneuten Schock zu<br />
umgehen. Systemische Fragetechniken<br />
können auch hier helfen, einen anderen<br />
Zugang zu dem gefühlten Fremdkörper<br />
zu finden – <strong>Achtsamkeit</strong> <strong>und</strong> Akzeptanz<br />
unterstützen die Betroffenen, die Situation<br />
für sich anzunehmen.<br />
Gelingt es, den Herzschrittmacher<br />
oder den Defibrillator als einen „Lebensretter“<br />
oder einen „Schutzengel“<br />
zu sehen, hat es eine positive Auswirkung<br />
auf das Wohlbefinden <strong>und</strong> den<br />
Abbau von Ängsten. Der Herzpatient<br />
kann sich wieder wohlfühlen <strong>und</strong><br />
mehr Kraft empfinden.<br />
Ein Beispiel der Anwendung: PsychokardiologischeOnline-Unterstützung<br />
Ein Beispiel der Anwendung von achtsamkeitsbasiertem<br />
Vorgehen in der <strong>Psychokardiologie</strong><br />
bietet <strong>Novego</strong> (www.<br />
novego.de) mit einem Online-Unterstützungsprogramm<br />
bei Depressionen.<br />
Seit kurzem gibt es auch ein innovatives<br />
Modul für Herzpatienten bei begleitenden<br />
depressiven Symptomen <strong>und</strong> Ängsten,<br />
welches in Zusammenarbeit mit der<br />
Elektrophysiologie Bremen entwickelt<br />
wurde. Die psychokardiologisch ausgerichteten<br />
Inhalte sind integraler Bestandteil<br />
des <strong>Novego</strong> „Depressionshelfers“.<br />
Das Programm besteht aus zwölf aufeinander<br />
folgenden Wochenmodulen, die<br />
sich inhaltlich-methodisch an den nationalen<br />
Versorgungsleitlinien orientieren,<br />
verhaltenstherapeutische <strong>und</strong> systemische<br />
Methoden beinhalten <strong>und</strong> stets an<br />
den aktuellen Stand der Wissenschaft angepasst<br />
werden. Der „Depressionshelfer“<br />
wurde um zusätzliche Inhalte für Patienten<br />
der Kardiologie oder Elektrophysio-