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Eine Analyse von Konflikten in vier selbstverwalteten Kommunen ...

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KONFLIKTE UND POLITISCHE KULTUR IN MOSAMBIK<br />

<strong>E<strong>in</strong>e</strong> <strong>Analyse</strong> <strong>von</strong> <strong>Konflikten</strong> <strong>in</strong> <strong>vier</strong> <strong>selbstverwalteten</strong> <strong>Kommunen</strong><br />

Inauguraldissertation<br />

zur Erlangung des akademischen Grades<br />

e<strong>in</strong>es Doktors der Sozialwissenschaft der<br />

Ruhr-Universität Bochum<br />

- Fakultät für Sozialwissenschaft –<br />

vorgelegt <strong>von</strong><br />

Nelson Penedo<br />

aus Mettmann<br />

Bochum 2004


Inhaltsverzeichnis<br />

Inhaltsverzeichnis<br />

1 E<strong>in</strong>leitung 1<br />

2 Theoretische Grundlagen der Konfliktanalyse 12<br />

2.1 Die Def<strong>in</strong>ition <strong>von</strong> Konflikt 13<br />

2.2 Konflikttheorien 23<br />

2.3 Institutionelle Dimensionen der Konfliktanalyse 32<br />

2.3.1 Kernelemente und Abgrenzung des Institutionenbegriffs 34<br />

2.3.2 Theorien sozialer und politischer Institutionen 37<br />

2.3.3 Institutionen <strong>in</strong> <strong>Konflikten</strong> 41<br />

2.3.3.1 Funktionen <strong>von</strong> sozialen und politischen Institutionen 42<br />

2.3.3.2 ‚Schwache’ Institutionen 44<br />

2.3.3.3 Der Stellenwert <strong>von</strong> Institutionen im Konflikt 50<br />

2.4 Konfliktanalyse und politische Kulturforschung 57<br />

2.4.1 Def<strong>in</strong>ition politischer Kultur 59<br />

2.4.2 Politische Kultur und Verhalten 61<br />

2.4.3 Konflikte <strong>in</strong>folge <strong>von</strong> Demokratisierungsprozessen 62<br />

2.5 Der analytische Rahmen und methodische Vorgehensweise 66<br />

2.5.1 Der analytische Rahmen 66<br />

2.5.2 Angewandte Methoden 71<br />

3 Allgeme<strong>in</strong>e Rahmenbed<strong>in</strong>gungen und Konfliktpotentiale <strong>in</strong> Mosambik 80<br />

3.1 Die politische Struktur Mosambiks 80<br />

3.1.1 Dezentralisierung 82<br />

3.1.2 Kommunalordnung 87<br />

3.1.3 Traditionelle Autoritäten 93<br />

3.1.4 Die Kommunalwahlen 1998 und 2003 98<br />

3.2 Allgeme<strong>in</strong>e Konfliktpotentiale 100<br />

3.2.1 Konfliktpotentiale im Zuge der Kommunalreform 100<br />

3.2.2 Widerspruch verschärfende Faktoren 102<br />

3.2.3 Kurzfristig Gewalt auslösende Faktoren 106<br />

4 Konfliktpotentiale und Konflikte <strong>in</strong> Pemba, Catandica, Manica und Vilankulo 108<br />

4.1 Konfliktrelevante Rahmenbed<strong>in</strong>gungen <strong>in</strong> Pemba, Catandica, Manica und<br />

Vilankulo 108<br />

4.1.1 Politische, soziale und ökonomische Bed<strong>in</strong>gungen 108<br />

4.1.2 Allgeme<strong>in</strong>e strukturelle Bed<strong>in</strong>gungen 111<br />

4.1.3 Des<strong>in</strong>tegrative Faktoren 112<br />

4.1.4 Krim<strong>in</strong>alität 114<br />

i


Inhaltsverzeichnis<br />

4.1.5 Gewaltbereitschaft 117<br />

4.1.6 Frieden 120<br />

4.2 Konfliktverständnis der Befragten 122<br />

4.3 Konfliktive Beziehungszusammenhänge 124<br />

4.3.1 Kommunalverwaltung – Zentral-, Prov<strong>in</strong>z- und Distriktverwaltung 124<br />

4.3.2 Bürgermeister – Ratsvorsitzender 129<br />

4.3.3 Beigeordnete – Geme<strong>in</strong>derat 130<br />

4.3.4 Frelimo – Renamo 133<br />

4.3.5 Kommunalverwaltung – lokale Bevölkerung 140<br />

4.3.6 Kommunalverwaltung – <strong>in</strong>formelle Autoritäten 143<br />

4.3.7 Polizei – lokale Bevölkerung 148<br />

4.3.8 Konfliktpotential <strong>von</strong> demobilisierten Soldaten 151<br />

4.3.9 Arbeitskonflikte 153<br />

4.3.10 Migranten/Flüchtl<strong>in</strong>ge – lokale Bevölkerung 155<br />

4.3.11 Generationenkonflikte 157<br />

4.3.12 Konflikte zwischen islamischen Religionsgeme<strong>in</strong>schaften 161<br />

4.3.13 Konflikte <strong>in</strong>folge der Verteilung <strong>von</strong> Land 162<br />

4.4 Zusammenfassende Interpretation der Konfliktursachen <strong>in</strong> den <strong>vier</strong> Fallstudien 164<br />

4.5 Die E<strong>in</strong>führung der kommunalen Selbstverwaltung und die Entwicklung e<strong>in</strong>er<br />

demokratischen Konfliktbearbeitungskultur 171<br />

5 Politische Kultur <strong>in</strong> Pemba, Catandica, Manica und Vilankulo 176<br />

5.1 Die allgeme<strong>in</strong>e politische Kultur <strong>in</strong> Mosambik 176<br />

5.2 <strong>Analyse</strong> konfliktrelevanter Dimensionen der lokalen politischen Kultur 183<br />

5.2.1 Akzeptanz der Institutionenstruktur 184<br />

5.2.2 Demokratieverständnis 187<br />

5.2.3 Stellenwert <strong>von</strong> Normen und Werten 191<br />

5.2.4 E<strong>in</strong>stellungen gegenüber Autorität 194<br />

5.2.5 Politische Partizipation 198<br />

5.2.6 Wahrnehmung anderer Akteure 201<br />

5.2.7 E<strong>in</strong>stellungen gegenüber politischem und sozialem Wandel 205<br />

5.2.8 Besondere Bedeutung <strong>von</strong> Wissen 207<br />

5.3 Zusammenfassende Interpretation <strong>von</strong> Geme<strong>in</strong>samkeiten und Unterschieden<br />

<strong>in</strong> der lokalen politischen Kultur 211<br />

5.4 Traditionalistische und modernistische Ordnungsvorstellungen 217<br />

6 Entwicklung <strong>von</strong> Thesen zum Zusammenhang <strong>von</strong> Konflikt und<br />

Ordnungsvorstellungen 223<br />

6.1 E<strong>in</strong>führung des Typus ‚hybride Ordnungsvorstellungen’ 223<br />

ii


Inhaltsverzeichnis<br />

6.2 These 1: Gewalt <strong>in</strong> une<strong>in</strong>deutigen <strong>in</strong>stitutionellen Kontexten 229<br />

6.3 These 2: Machtdemonstration zum Schutz der Ordnung 233<br />

6.4 These 3: Typus politischer Kultur und Konfliktbereitschaft 236<br />

7 Fazit 240<br />

8 Anhang 250<br />

9 Literaturverzeichnis 260<br />

iii


Tabellenverzeichnis<br />

Tabellenverzeichnis<br />

Tabelle 1: Die regionale Verteilung <strong>von</strong> Entwicklung, Armut und E<strong>in</strong>kommen nach Region<br />

anhand aggregierter ausgewählter Index-Werte 73<br />

Tabelle 2: Die E<strong>in</strong>ordnung der Fallstudien nach Region und Status 75<br />

Tabelle 3: Größe der Verwaltungsspitze <strong>in</strong> Abhängigkeit der E<strong>in</strong>wohnerzahl der Kommune 90<br />

Tabelle 4: Größe der Geme<strong>in</strong>deräte <strong>in</strong> Abhängigkeit der Anzahl registrierter Wähler <strong>in</strong><br />

ländlichen Siedlungen (povoações) und <strong>Kommunen</strong> (municípios) 91<br />

Tabelle 5: Vergleichende E<strong>in</strong>schätzung der Konflikte zwischen Kommunalverwaltung und<br />

Institutionen der Zentralregierung <strong>in</strong> den <strong>vier</strong> <strong>Kommunen</strong> 129<br />

Tabelle 6: Vergleichende E<strong>in</strong>schätzung der Konflikte zwischen Bürgermeistern und<br />

Ratsvorsitzenden <strong>in</strong> Pemba und Manica 130<br />

Tabelle 7: Vergleichende E<strong>in</strong>schätzung der Konflikte zwischen Beigeordneten und<br />

Geme<strong>in</strong>deräten <strong>in</strong> den <strong>vier</strong> <strong>Kommunen</strong> 133<br />

Tabelle 8: Vergleichende E<strong>in</strong>schätzung der Konflikte zwischen der Frelimo- und der<br />

Renamo-Partei <strong>in</strong> den <strong>vier</strong> <strong>Kommunen</strong> 140<br />

Tabelle 9: Vergleichende E<strong>in</strong>schätzung der Konflikte zwischen Kommunalverwaltung und<br />

lokaler Bevölkerung <strong>in</strong> den <strong>vier</strong> <strong>Kommunen</strong> 143<br />

Tabelle 10: Vergleichende E<strong>in</strong>schätzung der Konflikte zwischen der Kommunalverwaltung<br />

und <strong>in</strong>formellen Autoritäten <strong>in</strong> den <strong>vier</strong> <strong>Kommunen</strong> 148<br />

Tabelle 11: Vergleichende E<strong>in</strong>schätzung der Konflikte zwischen Polizei und lokaler<br />

Bevölkerung <strong>in</strong> Pemba, Catandica und Vilankulo 151<br />

Tabelle 12: Vergleichende E<strong>in</strong>schätzung des Konfliktpotentials, das <strong>von</strong> Demobilisierten<br />

ausgeht, <strong>in</strong> Pemba, Catandica und Vilankulo 153<br />

Tabelle 13: E<strong>in</strong>schätzung der Arbeitskonflikte <strong>in</strong> Pemba 155<br />

Tabelle 14: Vergleichende E<strong>in</strong>schätzung der Konflikte zwischen Migranten bzw. Flüchtl<strong>in</strong>gen<br />

und der lokalen Bevölkerung <strong>in</strong> Pemba, Manica und Vilankulo 157<br />

Tabelle 15: Vergleichende E<strong>in</strong>schätzung der Generationenkonflikte <strong>in</strong> den <strong>vier</strong> <strong>Kommunen</strong> 161<br />

Tabelle 16: E<strong>in</strong>schätzung der Konflikte zwischen den islamischen Religionsgeme<strong>in</strong>schaften <strong>in</strong><br />

Pemba 162<br />

Tabelle 17: Vergleichende E<strong>in</strong>schätzung der Konflikte <strong>in</strong>folge der Verteilung <strong>von</strong> Land <strong>in</strong> den<br />

<strong>vier</strong> <strong>Kommunen</strong> 164<br />

Tabelle 18: Vergleich der Konfliktkonstellationen <strong>in</strong> Pemba, Catandica, Manica und Vilankulo<br />

nach Eskalationspotential 166<br />

Tabelle 19: Assoziationen mit Demokratie 180<br />

Tabelle 20: Geglaubte Verwicklung <strong>von</strong> Autoritäten und öffentlichen Gruppen <strong>in</strong> Korruption 182<br />

Tabelle 21: Misstrauen <strong>in</strong> Institutionen 183<br />

Tabelle 22: Wesentliche Unterschiede zwischen traditionalistischen und modernistischen<br />

E<strong>in</strong>stellungsmustern 222<br />

Tabelle 23: Konfliktbereitschaft und Regelb<strong>in</strong>dung <strong>in</strong> den verschiedenen Typen politischer<br />

Kultur 239<br />

Tabelle 24: Zusammenstellung wesentlicher Merkmale der untersuchten <strong>Kommunen</strong> 251<br />

iv


Tabellenverzeichnis<br />

Tabelle 25: Übersicht über die Interviewdurchführung 252<br />

Tabelle 26: Ergebnisse der Kommunalwahlen 1998 <strong>in</strong> Pemba, Catandica, Manica und<br />

Vilankulo 258<br />

Tabelle 27: Ergebnisse der Kommunalwahlen 2003 <strong>in</strong> Pemba, Catandica, Manica und<br />

Vilankulo 259<br />

Abbildungsverzeichnis<br />

Abbildung 1: Beispiel für e<strong>in</strong>e Phasene<strong>in</strong>teilung des Konfliktverlaufs und entsprechende<br />

Interventionsmöglichkeiten nach RUPESINGHE (1998: 60) 15<br />

Abbildung 2: Die geographische Lage der untersuchten <strong>Kommunen</strong> Pemba, Catandica,<br />

Manica und Vilankulo 250<br />

Abbildung 3: Übersicht über die relevanten Akteure im kommunalen Handlungsfeld (eigene<br />

Darstellung) 257<br />

v


Verzeichnis verwendeter Siglen<br />

Siglenverzeichnis<br />

Sigle* ) Interviewpartner<br />

AC ANTIGOS COMBATENTES, Verband ehemaliger Kombattanten<br />

ACT Activista, Politaktivist<br />

ADE ADEMIMO (Associação de Deficientes Militares e Paramilitares), Kriegsversehrtenverband<br />

ADPP ADPP, Nichtregierungsorganisation<br />

AF AMERICAN FRIENDS, Nichtregierungsorganisation<br />

AMA AFRICAN MUSLIM AGENCY, islamische Organisation<br />

AMD AMODEG (Associação dos Demobilizados da Guerra), Demobilisiertenverband<br />

AND ANDA, Nichtregierungsorganisation<br />

CIU COMUNIDADE ISLÂMICA/UFUNDA, Vorsitzender der islamischen Geme<strong>in</strong>schaft<br />

und der Nichtregierungsorganisation UFUNDA<br />

COM COMISSÃO DO MERCADO, Marktkommission<br />

CSF Chefe dos Serviços F<strong>in</strong>anceiros, F<strong>in</strong>anzabteilung der Kommune<br />

DOA DPCOA (Direcção Prov<strong>in</strong>cial para a Coordenação da Acção Ambiental), Prov<strong>in</strong>zdirektion<br />

zur Koord<strong>in</strong>ation der Umweltaktion<br />

DPAC DPAC (Direcção Prov<strong>in</strong>cial de Apoio e Controle), Prov<strong>in</strong>zdirektion für Unterstützung<br />

und Kontrolle<br />

FAO FAO (Food and Agriculture Organization), <strong>in</strong>ternationale Nichtregierungsorganisation<br />

FRE FRELIMO (Frente de Libertação de Moçambique), politische Partei<br />

(<strong>in</strong> Pemba: auch VEREADOR POLÍCIA – Beigeordneter für Polizei)<br />

GAB Gab<strong>in</strong>ete do Presidente do Conselho Municipal, Sekretariat des Bürgermeisters<br />

GTZ GTZ-PROCIPP, Projekt der deutschen ‚Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit’<br />

(GTZ) zur Institutionenförderung<br />

IBR Imam – Imam<br />

INSS INSS (Instituto Nacional de Segurança Social), Sozialversicherungs<strong>in</strong>stitut<br />

KS KWAEDZA SIMUKAI, Nichtregierungsorganisation<br />

KUB KUBATSIRANA, Nichtregierungsorganisation<br />

LDH LIGA MOÇAMBICANA DOS DIREITOS HUMANOS, Menschenrechtsliga<br />

NCHS NÚCLEO PROVINCIAL DE COMBATE AO HIV/SIDA, Aidsbekämpfungse<strong>in</strong>heit<br />

auf Prov<strong>in</strong>zebene<br />

OMM OMM (Organização da Mulher Moçambicana), Frauenorganisation der Frelimo<br />

PAD Padres, katholische Priester<br />

vi


PAM Presidente da Assembleia Municipal, Ratsvorsitzender<br />

PC POLÍCIA COMUNITÁRIA, Geme<strong>in</strong>depolizei<br />

PCM Presidente do Conselho Municipal, Bürgermeister<br />

PDB Presidentes dos bairros, Viertelpräsidenten<br />

PGA Padre, katholischer Priester<br />

PRM PRM (Polícia da República de Moçambique), staatliche Polizei<br />

PSI PSI, Nichtregierungsorganisation<br />

PVAM Porta voz da Assembleia Municipal, Sprecher des Geme<strong>in</strong>derats<br />

Siglenverzeichnis<br />

RC Régulo Colónia, traditionelle Autorität <strong>in</strong> der Region Colónia (Manica)<br />

REG Régulos, traditionelle Autoritäten<br />

REN RENANO (Resistência Nacional Moçambicana), politische Partei<br />

RV Régulo Vengo, weibliche traditionelle Autorität <strong>in</strong> der Region Vengo<br />

(Manica)<br />

SAS SASOL/environmental planification, Umweltbeauftragte des Gasunternehmens<br />

SASOL<br />

SI SINCTIM, Gewerkschaft<br />

UMO UMOKAZI, Nichtregierungsorganisation<br />

VEC Vereador Educação, Cultura e Ens<strong>in</strong>o, Beigeordneter für Erziehung, Kultur<br />

VF Vereador F<strong>in</strong>anças, Beigeordneter für F<strong>in</strong>anzen<br />

VMA Vereador Meio Ambiente, Beigeordneter für Umweltschutz<br />

VT Vereador Transportes, Beigeordneter für Transportwesen<br />

VU Vereador Urbanisação, Beigeordneter für Urbanisierung<br />

* ) Die Siglen dienen dem Quellennachweis und werden mit dem Buchstaben /P (Pemba), /C (Catandica),<br />

/M (Manica) oder /V (Vilankulo) versehen, um den Erhebungskontext zu kennzeichnen.<br />

Verwendete Abkürzungen<br />

DPAC (Direcção Prov<strong>in</strong>cial de Apoio e Controle), Prov<strong>in</strong>zdirektion für Unterstützung<br />

und Kontrolle<br />

MAE (M<strong>in</strong>istério da Adm<strong>in</strong>istração Estatal), M<strong>in</strong>isterium für staatliche Verwaltung<br />

MPF (M<strong>in</strong>istério de Plano e F<strong>in</strong>anças), M<strong>in</strong>isterium für Planung und F<strong>in</strong>anzen<br />

NGO (Non-Governmental Organization), Nichtregierungsorganisation<br />

PRM (Polícia da República de Moçambique), staatliche Polizei<br />

vii


1 E<strong>in</strong>leitung<br />

E<strong>in</strong>leitung<br />

Kontext. Am 4. Oktober 2002 wurde <strong>in</strong> Mosambik das zehnjährige Bestehen des<br />

Friedens gefeiert (vgl. MAZULA 2002). Kriegerische Handlungen s<strong>in</strong>d seit der Unterzeichnung<br />

des Allgeme<strong>in</strong>en Friedensabkommens ausgeblieben. Die gewaltsamen<br />

Ause<strong>in</strong>andersetzungen anlässlich politischer Demonstrationen <strong>in</strong> Montepuez im November<br />

2000 s<strong>in</strong>d bislang e<strong>in</strong> E<strong>in</strong>zelfall mit abschreckender Wirkung geblieben. Insgesamt<br />

wird die gegenwärtige Situation des Landes als stabil beschrieben (vgl. FAST<br />

2004; s. auch FANDRYCH 2001: 4). Fraglich ist, ob das Ausbleiben e<strong>in</strong>er signifikanten<br />

Gewalteskalation e<strong>in</strong> Indiz für das Vorhandense<strong>in</strong> <strong>von</strong> Mechanismen zur konstruktiven<br />

Konfliktbearbeitung ist und somit <strong>von</strong> e<strong>in</strong>er Konsolidierung des Friedens gesprochen<br />

werden kann.<br />

Angesichts der sozialen und politischen Kontextbed<strong>in</strong>gungen ist <strong>von</strong> e<strong>in</strong>er Vielzahl<br />

an Konfliktpotentialen auszugehen. Hier sei vor allem auf die ungünstigen Kontextbed<strong>in</strong>gungen<br />

<strong>in</strong>folge des <strong>in</strong>tensiv ausgetragenen Krieges und se<strong>in</strong>er unzureichenden<br />

Aufarbeitung sowie <strong>in</strong>folge der politischen und sozialen Wandlungsprozesse h<strong>in</strong>gewiesen.<br />

In politischer H<strong>in</strong>sicht bedeutet die E<strong>in</strong>führung selbstverwalteter <strong>Kommunen</strong><br />

im Rahmen der <strong>in</strong>itiierten Dezentralisierungs- und Demokratisierungsprozesse<br />

e<strong>in</strong>en tiefen E<strong>in</strong>griff <strong>in</strong> die gesamte politische Machtstruktur (vgl. WEIMER 2002: 67).<br />

Die Schaffung e<strong>in</strong>er weiteren politischen Ebene und die Erweiterung der Akteurskonstellationen<br />

bed<strong>in</strong>gt e<strong>in</strong>e Neuordnung bisheriger Machtverhältnisse, woraus sowohl<br />

persönliche Interessengegensätze als auch Widersprüche mit bestehenden<br />

Institutionen resultieren.<br />

Auf kommunaler Ebene wirken <strong>vier</strong> Herrschaftsstrukturen nebene<strong>in</strong>ander: (a) die<br />

traditionell legitimierten <strong>in</strong>formellen Autoritäten, (b) die formalen politischen Institutionen<br />

der kommunalen Selbstverwaltung, (c) die Frelimo-Parteistrukturen sowie (d)<br />

die lokalen Vertreter der Zentralregierung. Diese s<strong>in</strong>d zum e<strong>in</strong>en Folge der Gleichsetzung<br />

<strong>von</strong> Staats-, Verwaltungs- und Parteifunktionen <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em streng zentralisierten,<br />

hierarchischen System der politischen Herrschaft und der staatlichen<br />

Verwaltung. Zum anderen können sie auf den gescheiterten Versuch der Frelimo<br />

zurückgeführt werden, die traditionellen Institutionen durch e<strong>in</strong> neues soziales und<br />

politisches Ordnungssystem zu ersetzen. Aufgrund unterschiedlicher Ausstattung mit<br />

Macht und Legitimität kommt es zu strukturellen Überlagerungen und Widersprüchen,<br />

die zu <strong>Konflikten</strong> führen können.<br />

1


E<strong>in</strong>leitung<br />

Insbesondere auf kommunaler Ebene ersche<strong>in</strong>en die Kontextbed<strong>in</strong>gungen stark konfliktanfällig.<br />

Die neuen demokratischen kommunalen Institutionen unterliegen dem<br />

doppelten Druck, e<strong>in</strong>erseits unter der Last drängender Probleme und fehlender Mittel<br />

den Bedürfnissen und Interessen der lokalen Bevölkerung nachzukommen und<br />

die kommunale Entwicklung voranzutreiben, und andererseits im politischen Kampf<br />

gegen andere Ebenen zu bestehen. Dabei konnten weder Erfahrungen mit demokratischen<br />

Mitteln und Verfahren gesammelt werden noch s<strong>in</strong>d demokratische Werte<br />

und Pr<strong>in</strong>zipien ausreichend etabliert – weder <strong>in</strong> der Bevölkerung noch unter den<br />

politischen Eliten 1 .<br />

Zugleich werden große Hoffnungen mit der kommunalen Ebene verbunden, zumal<br />

sie als ‚Schule der Demokratie’ gilt. <strong>E<strong>in</strong>e</strong> Chance für die Verankerung e<strong>in</strong>er demokratischen<br />

Kultur bieten der starke Problembezug, das unmittelbare Erleben der Problembearbeitung<br />

und die Entscheidungs- und Gestaltungsstrukturen, die sowohl e<strong>in</strong>e<br />

höhere Motivation als auch e<strong>in</strong>en erleichterten Zugang für e<strong>in</strong>e breite politische Teilhabe<br />

nahe legen (vgl. ROTH 1997: 405). Gerade für das Verhältnis zwischen den beiden<br />

ehemaligen Kriegsakteuren und heutigen zentralen politischen Partien Frelimo<br />

(Frente de Libertação de Moçambique) und Renamo 2 (Resistência Nacional de Moçambique)<br />

bietet die kommunale Ebene den Raum, e<strong>in</strong>e demokratische Praxis e<strong>in</strong>zuüben, die<br />

womöglich auch ohne e<strong>in</strong>en starken Bezug zur nationalen Parteipolitik auszukommen<br />

vermag.<br />

Nachdem die Renamo mit ihrem Versuch scheiterte, die ersten Kommunalwahlen<br />

1998 mittels Boykott zu delegitimieren, konnte die Regierungspartei Frelimo <strong>in</strong> den<br />

33 <strong>Kommunen</strong> sowohl die Bürgermeister als auch die Geme<strong>in</strong>deräte stellen. Die<br />

Entwicklung des Verhältnisses zwischen den beiden Parteien auf kommunaler Ebene<br />

zählt zu den maßgebenden Größen sowohl für das lokale Konfliktpotential als auch<br />

für das Gel<strong>in</strong>gen der Kommunalverwaltung. Während die Frelimo hierbei ihre<br />

Problemlösungs- und Gestaltungskompetenzen unter Beweis zu stellen hat, muss<br />

sich die Renamo als konstruktive Oppositionspartei präsentieren. Bislang wird der<br />

1 Unter Eliten s<strong>in</strong>d die sozialen und politischen Subjekte zu verstehen, welche die für das<br />

Sozialsystem charakteristischen sozialen Prozesse entscheidend bee<strong>in</strong>flussen und somit den<br />

Zustand e<strong>in</strong>es sozialen, wirtschaftlichen oder politischen Systems prägen. Ihre Überlegenheit<br />

gegenüber anderen Mitgliedern des Systems resultiert aus ihrer Position, Reputation und<br />

Entscheidungskompetenz. Entsprechend wirken sie handlungsorientierend und s<strong>in</strong>nstiftend<br />

auf andere Gesellschaftsmitglieder.<br />

2 Zur Geschichte und Handlungsweise der Renamo vgl. MINTER 1989; FANDRYCH 1998: 20;<br />

HALL 1990; MORGAN 1990; YOUNG 1990; VINES 1991.<br />

2


E<strong>in</strong>leitung<br />

Renamo v.a. Obstruktionismus und Destruktivität vorgeworfen, während der Führungsstil<br />

der Frelimo als ausgrenzend gilt.<br />

Insofern können die Entwicklungen auf kommunaler Ebene Auskunft sowohl über<br />

die demokratische Eignung der politischen Parteien als auch über den Prozess der<br />

Friedenskonsolidierung auf der politischen Mikroebene geben (vgl. WEIMER 2002:<br />

56). <strong>Kommunen</strong> stellen e<strong>in</strong>e räumliche Konzentration sozialer, politischer und ökonomischer<br />

Macht dar, so dass e<strong>in</strong>e höhere Problemlösungskapazität als etwa im weniger<br />

bevölkerungsdichten ländlichen Raum vorausgesetzt werden kann. Gleichzeitig<br />

kommt es <strong>in</strong>nerhalb <strong>von</strong> <strong>Kommunen</strong> zu e<strong>in</strong>er besonderen Verdichtung <strong>von</strong> Problemlagen<br />

wie etwa Arbeitslosigkeit, Krim<strong>in</strong>alität oder die Integration <strong>von</strong> Flüchtl<strong>in</strong>gen.<br />

In den <strong>Kommunen</strong> ist der soziale und politische Wandel am stärksten zu<br />

spüren. Aufgrund höherer Bevölkerungsdichten können Knappheitssituationen <strong>in</strong><br />

<strong>Kommunen</strong> zu kritischen Situationen führen, <strong>in</strong>sbesondere wenn sie durch Migrationsbewegungen<br />

verstärkt werden. H<strong>in</strong>zu kommt, dass die Kommunalverwaltungen<br />

aufgrund des <strong>in</strong>sgesamt niedrigen Entwicklungsniveaus, des Mangels an Ressourcen<br />

und qualifiziertem Personal <strong>in</strong> ihrer Leistungsfähigkeit e<strong>in</strong>geschränkt s<strong>in</strong>d. Nicht<br />

zuletzt aufgrund ihrer Eigenschaft als Kommunikationsknotenpunkte liegen <strong>in</strong><br />

<strong>Kommunen</strong> eskalationsförderliche Bed<strong>in</strong>gungen vor, im Rahmen derer sich leicht<br />

soziale Ereignisse mit hohem Symbolwert entwickeln und verbreiten können wie z.B.<br />

<strong>in</strong> Montepuez.<br />

Wie berechtigt s<strong>in</strong>d nun die Zweifel am Erfolg der Friedenskonsolidierung, wie sie<br />

etwa der Mosambikexperte WEIMER (2002: 78f) angesichts der zentralen Bedeutung<br />

der politischen Institutionen und ihrer Defizite auf der lokalen Ebene formuliert?<br />

Diese Frage <strong>in</strong>teressiert vor dem H<strong>in</strong>tergrund des gesellschaftlich wie (entwicklungs-)<br />

politisch weitgehend anerkannten Ziels der Prävention e<strong>in</strong>er gewaltsamen<br />

Konfliktbearbeitung (vgl. MATTHIES 1997b: 256; DEBIEL u.a. 1999: 2;<br />

BAUER/BIGDON/KORF 2000: 43). Zu se<strong>in</strong>er Realisierung bedarf es e<strong>in</strong>es ‚Diagnoseapparats’<br />

<strong>in</strong> Form <strong>von</strong> Indikatorensystemen, Erklärungsmodellen, Maßstäben und<br />

Handlungskatalogen (vgl. GLASL 1997: 83ff). Dabei gel<strong>in</strong>gt die Intervention <strong>in</strong> aktuellen<br />

<strong>Konflikten</strong> wie auch die Prävention zukünftig gewaltsam ausgetragener Konflikte<br />

umso besser, je besser sich die theoretischen Erklärungskonstrukte der<br />

empirischen Situation annähern. Problematisch hierbei ist nicht nur, dass sich die<br />

Konfliktdiagnosen an vollzogenen Handlungen orientieren und somit andere, schwer<br />

zugängliche Faktoren vernachlässigt werden. Auch besteht die Gefahr, dass e<strong>in</strong>e<br />

3


E<strong>in</strong>leitung<br />

Überprüfung der Angemessenheit der Indikatoren und die Auslegung ihrer Ausprägungen<br />

angesichts des dr<strong>in</strong>genden Handlungsbedarfs <strong>in</strong> der Praxis ausbleibt.<br />

Um Aussagen über langfristige Entwicklungen sowie den Institutionalisierungsgrad<br />

e<strong>in</strong>er gewaltarmen Konfliktbearbeitungskultur treffen zu können, müssen ebenso<br />

langfristige Verhaltensdeterm<strong>in</strong>anten <strong>in</strong> die Konfliktanalyse e<strong>in</strong>bezogen werden. Hier<br />

s<strong>in</strong>d <strong>in</strong>sbesondere der <strong>in</strong>stitutionelle Kontext auf der strukturellen Ebene sowie die<br />

E<strong>in</strong>stellungsmuster auf der subjektiven Ebene zu nennen. Beides s<strong>in</strong>d Faktoren, die<br />

sowohl strukturierend auf Wahrnehmungs- und Handlungsdispositionen sowie<br />

Handlungsoptionen <strong>von</strong> Akteuren wirken als auch durch diese strukturiert werden.<br />

Jedoch f<strong>in</strong>den <strong>in</strong>sbesondere subjektive Faktoren wie E<strong>in</strong>stellungsmuster wenig E<strong>in</strong>gang<br />

<strong>in</strong> Praxisfelder wie der Krisenprävention 3 , welche Faktizität beanspruchen –<br />

zumal akteurzentrierte Ansätze mit e<strong>in</strong>em hohen Datenaufwand verbunden s<strong>in</strong>d (vgl.<br />

LEVY 2001: 34).<br />

H<strong>in</strong>gegen zählen die subjektive Dimension des Politischen und ihr Zusammenhang<br />

zu Makrogrößen wie der Stabilität politischer Systeme zu zentralen Gegenständen<br />

der politischen Kulturforschung. Schwerpunkt ist v.a. die Erforschung der Bed<strong>in</strong>gungen<br />

für die Funktionsfähigkeit und Stabilität politischer Systeme <strong>in</strong>sbesondere<br />

<strong>von</strong> Demokratien unter E<strong>in</strong>beziehung des gesellschaftlichen Legitimitätse<strong>in</strong>verständnisses<br />

mit Herrschaftsordnungen, die sich <strong>in</strong> der spezifischen Zusammensetzung<br />

<strong>in</strong>dividueller und kollektiver Wissens-, Bewertungs- und Gefühlsbestände gegenüber<br />

dem politischen System und se<strong>in</strong>en Teilen manifestiert (vgl. ALMOND/VERBA 1965,<br />

1980; PYE/VERBA 1965). Die Verknüpfung <strong>von</strong> politischer Kultur und Konflikt ergibt<br />

sich über die E<strong>in</strong>beziehung <strong>von</strong> Institutionen: Erstens lässt sich die gewaltsame<br />

Austragung <strong>von</strong> <strong>Konflikten</strong> nur nachhaltig vermeiden, wenn Institutionen effektiv<br />

ordnend und orientierend wirken. Insofern stellt die gesellschaftliche Verankerung<br />

<strong>von</strong> Institutionen e<strong>in</strong>e wichtige Voraussetzung für Gewaltprävention dar. Zweitens<br />

konstituieren Institutionen die soziale und politische Ordnung und def<strong>in</strong>ieren somit<br />

die Struktur und Beziehungen zwischen den Ordnungselementen. Damit setzt die<br />

<strong>in</strong>stitutionelle Ordnung e<strong>in</strong>e spezifische Konfliktkultur voraus wie sich auch <strong>in</strong> den<br />

subjektiven Ordnungsvorstellungen e<strong>in</strong> spezifisches Konfliktverständnis niederschlägt.<br />

Damit s<strong>in</strong>d langfristige Konfliktpotentiale nicht alle<strong>in</strong> <strong>in</strong> den Strukturen<br />

(Makroebene) sondern auch <strong>in</strong> den Subjekten <strong>in</strong> Form <strong>von</strong> E<strong>in</strong>stellungen und Ord-<br />

3 „<strong>E<strong>in</strong>e</strong> Krise ist dann gegeben, wenn im Verlauf der Konfliktbearbeitung der E<strong>in</strong>satz <strong>von</strong><br />

Gewaltmitteln nicht mehr ausgeschlossen werden kann.“ (SPELTEN 2000: 70)<br />

4


E<strong>in</strong>leitung<br />

nungsvorstellungen (Mikroebene) zu f<strong>in</strong>den. Das Legitimitätse<strong>in</strong>verständnis <strong>von</strong> Institutionen<br />

und das spezifische Konfliktverständnis <strong>in</strong> subjektiven Ordnungsvorstellungen<br />

können anhand der politischen Kultur ermittelt werden.<br />

Diese Zusammenhänge s<strong>in</strong>d <strong>in</strong>sbesondere <strong>in</strong> Transformationsphasen <strong>von</strong> Bedeutung,<br />

da es sich dabei um konfliktive Prozesse der Rekonfiguration <strong>in</strong>stitutioneller<br />

Ordnungen handelt. Hier ist nicht nur ausschlaggebend, ob Akteure ihr Handeln an<br />

den neuen Institutionen ausrichten und die Normen befolgen, sondern auch, ob für<br />

die neuen Institutionen e<strong>in</strong> fruchtbarer kultureller ‚Untergrund’ vorhanden ist (vgl.<br />

ROPERS 2002: 46f). H<strong>in</strong>sichtlich der Normbefolgung stellen die E<strong>in</strong>stellungen gegenüber<br />

Autoritäten e<strong>in</strong>e entscheidende Größe dar (vgl. DIAMOND 1994: 12). Die Effektivität<br />

<strong>von</strong> Institutionen hängt im großen Maße <strong>von</strong> den Erwartungshaltungen<br />

gegenüber Autoritäten und dem Autoritätshandeln ab. Wichtige Aspekte s<strong>in</strong>d Herrschaftsstil,<br />

Kompetenzen, Vertrauen und Normbefolgung. Welche spezifischen kulturellen<br />

Bed<strong>in</strong>gungen <strong>in</strong> Institutionalisierungsprozessen vorausgesetzt werden<br />

müssen, kann weniger allgeme<strong>in</strong> als fallabhängig und vor allem anhand des Auftretens<br />

<strong>von</strong> Funktionsdefiziten und <strong>Konflikten</strong> festgestellt werden. Institutionelle Krisen<br />

s<strong>in</strong>d e<strong>in</strong> H<strong>in</strong>weis darauf, dass möglicherweise e<strong>in</strong> kultureller Kontext vorliegt, der<br />

mit der gegebenen Institutionenlogik <strong>in</strong>kompatibel ist, so dass Anpassungsprozesse<br />

erforderlich s<strong>in</strong>d. Die empirische Relevanz dieser Zusammenhänge zeigt sich etwa<br />

dar<strong>in</strong>, dass vielfach der politische und sozioökonomische Wandel <strong>in</strong> der Nachkriegszeit<br />

Mosambiks aufgrund der Missachtung <strong>von</strong> Regeln und Hierarchien sowie aufgrund<br />

der Zunahme <strong>von</strong> Unsicherheit als anarchisch und anomisch beschrieben wird<br />

(vgl. IVALA 1999: 169).<br />

Ziel der Studie und methodische Vorgehensweise. Ziel der vorliegenden Arbeit<br />

ist die empirische Erfassung <strong>von</strong> <strong>Konflikten</strong> und Konfliktpotentialen und der Bed<strong>in</strong>gungen<br />

ihrer Entstehung auf kommunaler Ebene <strong>in</strong> Mosambik sowie die Generierung<br />

<strong>von</strong> Aussagen zu den zugrunde liegenden kausalen Zusammenhängen.<br />

Hierzu werden die <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Kommune sozial und politisch E<strong>in</strong>fluss ausübenden Akteure<br />

oder Akteure, denen e<strong>in</strong>e Beobachterkompetenz zugeschrieben wird, zu <strong>Konflikten</strong><br />

befragt. Angestrebt wird e<strong>in</strong>e Bestandsanalyse der Beziehungszusammenhänge<br />

<strong>in</strong>nerhalb e<strong>in</strong>er Kommune, die als konfliktiv charakterisiert werden. Dabei<br />

<strong>in</strong>teressiert zum e<strong>in</strong>en wie die beschriebenen Konflikte bearbeitet werden und zum<br />

anderen wie diese <strong>von</strong> <strong>in</strong>vol<strong>vier</strong>ten oder betroffenen Akteuren kausal erklärt werden.<br />

Damit wird die Frage, warum bislang ke<strong>in</strong>e signifikante Eskalation <strong>von</strong> Gewalt zu<br />

5


E<strong>in</strong>leitung<br />

beobachten war, übersetzt <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e Frage nach der generellen Art, ob und wie soziale<br />

Gegensätze wahrgenommen und beurteilt und daraus Handlungsmotivationen generiert<br />

werden. Grundlage s<strong>in</strong>d Experten<strong>in</strong>terviews, wobei die relevanten politischen<br />

und zivilgesellschaftlichen Akteure h<strong>in</strong>sichtlich des Forschungsthemas <strong>in</strong> zweifacher<br />

H<strong>in</strong>sicht als Experten gelten: Sie verfügen als Beobachter ‚<strong>in</strong> der ersten Reihe’ über<br />

Kontextwissen und können somit die Entwicklungen auf der kommunalen Ebene<br />

bewerten. Oder sie weisen als <strong>in</strong>vol<strong>vier</strong>te Akteure Betriebswissen auf, d.h. sie haben<br />

E<strong>in</strong>blick <strong>in</strong> die Machtstrukturen und <strong>in</strong> den Umgang mit diesen erhalten (vgl. MEU-<br />

SER/NAGEL 1991: 445ff). Es wurde zu diesem Zweck e<strong>in</strong>e teilstandardisierte Befragungsstruktur<br />

konzipiert, da da<strong>von</strong> ausgegangen wird, dass Verständnisdifferenzen<br />

bezüglich des Konfliktbegriffes bestehen.<br />

Als wichtiges und aussagekräftiges Forschungsfeld bietet sich die Kommune an, da<br />

die lokale Konfliktbearbeitungskultur H<strong>in</strong>weise geben kann, <strong>in</strong>wieweit Gewalt geme<strong>in</strong>h<strong>in</strong><br />

als Option wahrgenommen wird. Forschungstheoretisch handelt es sich<br />

dabei <strong>in</strong> zweifacher H<strong>in</strong>sicht um e<strong>in</strong>e Mikrofundierung <strong>von</strong> Makroprozessen 4 : Zum<br />

e<strong>in</strong>en wird <strong>in</strong> Bezug auf den Forschungsbereich die Kommune als Mikroebene im<br />

nationalen Friedens- und Demokratisierungsprozess fokussiert. Hierbei <strong>in</strong>teressiert,<br />

ob <strong>von</strong> e<strong>in</strong>er eigenständigen lokalen Ebene ausgegangen werden kann und <strong>in</strong>wieweit<br />

Akteure auf der kommunalen Ebene auf Makroprozesse Bezug nehmen. Zum anderen<br />

erfolgt e<strong>in</strong>e Verknüpfung dadurch, dass soziale und politische Strukturen auf der<br />

Grundlage subjektiver E<strong>in</strong>stellungen und Interpretationen analysiert werden. Auch<br />

unter methodischen Gesichtspunkten eignet sich die kommunale Ebene als Forschungsfeld.<br />

Aufgrund der überschaubaren Anzahl <strong>von</strong> relevanten politischen Akteuren<br />

s<strong>in</strong>d die Konfliktkonstellationen und ihre <strong>in</strong>neren Zusammenhänge zu e<strong>in</strong>em<br />

zufrieden stellenden Maß überprüfbar. Zur Bearbeitung der Fragestellung werden<br />

<strong>vier</strong> kommunale Fallstudien <strong>in</strong> Mosambik bewusst ausgewählt: Pemba, Catandica,<br />

Manica und Vilankulo (vgl. Abschnitt 2.5.2). Zentrale Faktoren werden durch die<br />

Kontrastierung der Fallstudienbefunde bestimmt. Die empirische <strong>Analyse</strong> bezieht<br />

sich vorrangig auf Daten, die im Zeitraum vom 26.7. bis zum 19.11.2002 erhoben<br />

wurden. Auf die im November 2003 stattgefundenen zweiten Kommunalwahlen<br />

wird auf der Grundlage der gesichteten Literatur e<strong>in</strong>gegangen.<br />

4 Damit folgt die Forschungsperspektive dem Rahmenthema des Graduiertenkollegs III am<br />

Institut für Entwicklungsforschung und Entwicklungspolitik an der Ruhr-Universität Bochum:<br />

„Systemeffizienz und Systemdynamik <strong>in</strong> Entwicklungsländern: Zur Mikro-Fundierung<br />

<strong>von</strong> Makro-Prozessen der sozialen, politischen und ökonomischen Transformation“.<br />

6


E<strong>in</strong>leitung<br />

Insgesamt wird <strong>von</strong> e<strong>in</strong>er <strong>in</strong>terpretativen Forschungsperspektive ausgegangen, der<br />

zufolge Interaktionen als <strong>in</strong>terpretative Prozesse ausgelegt werden, so dass e<strong>in</strong>e Konfliktsituation<br />

als Ergebnis <strong>in</strong>terpretativer Prozesse verstanden wird, <strong>in</strong> denen sich die<br />

Handelnden durch s<strong>in</strong>ngebende Deutungen der Erwartungen und möglichen Verhaltensweisen<br />

der Handlungspartner aufe<strong>in</strong>ander beziehen. Insofern steht die Erfassung<br />

des subjektiv geme<strong>in</strong>ten S<strong>in</strong>ns im Vordergrund, um so soziales Konflikthandeln deutend<br />

zu verstehen und dadurch <strong>in</strong> se<strong>in</strong>em Ablauf und se<strong>in</strong>en Wirkungen ursächlich<br />

zu erklären.<br />

Der argumentative Aufbau der Arbeit. Angesichts bestehender Unterschiede im<br />

Verständnis <strong>von</strong> Konflikt werden <strong>in</strong> Kapitel 2 die theoretischen Grundlagen für die<br />

Konfliktanalyse festgelegt. Bei der Def<strong>in</strong>ition des hier verwendeten Konfliktbegriffs<br />

wird auf Modelle zurückgegriffen, die typische Entwicklungsverläufe <strong>von</strong> <strong>Konflikten</strong><br />

im S<strong>in</strong>ne zunehmender Intensität der Konfliktaustragung unterstellen. Eskalationsmodelle<br />

werden <strong>in</strong> der Regel durch die beiden Pole ‚Frieden’ und ‚Krieg’ charakterisiert,<br />

wobei der entscheidende qualitative Schwellenwert die Anwendung <strong>von</strong> Gewalt<br />

darstellt. Die Verwendung der Begriffe Frieden, Krieg und Gewalt birgt die Gefahr,<br />

dass zum e<strong>in</strong>en die Begriffe <strong>in</strong>haltlich offen bleiben und unklar <strong>von</strong>e<strong>in</strong>ander abgegrenzt<br />

werden, und zum anderen diese normativ aufgeladen werden. Dies gilt <strong>in</strong>sbesondere<br />

für den Gewaltbegriff, der <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er weiten Fassung (vgl. GALTUNG 1975)<br />

und durch e<strong>in</strong>e wertende Verwendung an <strong>in</strong>haltlicher Schärfe und theoretischem<br />

Wert e<strong>in</strong>büßt. Darum besteht der erste Schritt <strong>in</strong> der <strong>in</strong>haltlichen Bestimmung der<br />

hier verwendeten Begriffe Frieden, Krieg und Gewalt (vgl. Abschnitt 2.1). Die Unterschiede<br />

im Konfliktverständnis s<strong>in</strong>d e<strong>in</strong> Grund für das Fehlen e<strong>in</strong>er e<strong>in</strong>heitlichen<br />

Konflikttheorie. Es lassen sich verschiedene Ansätze und Ursachenmodelle bestimmen,<br />

die zur kausalen Erklärung <strong>von</strong> <strong>Konflikten</strong> herangezogen werden können (vgl.<br />

Abschnitt 2.2).<br />

Der subjektiven Dimension der Konfliktwahrnehmung wird mittels der Untersuchung<br />

der politischen Kultur Rechnung getragen. Um dies erschöpfend zu leisten,<br />

wird auf e<strong>in</strong>e <strong>in</strong>stitutionentheoretische ‚Hilfskonstruktion’ zurückgegriffen (vgl. Abschnitt<br />

2.3). Die empirische Notwendigkeit dieses Schritts gründet auf der Annahme,<br />

dass aufgrund des Transformationskontextes <strong>in</strong> Mosambik wesentliche Konfliktpotentiale<br />

auf der lokalen Ebene e<strong>in</strong>erseits auf die Verteilung <strong>von</strong> Macht und Legitimität<br />

<strong>von</strong> Akteursgruppen sowie ihrer Beziehungen untere<strong>in</strong>ander und andererseits auf<br />

7


E<strong>in</strong>leitung<br />

die fehlende Wirkkraft lokaler Institutionen zurückgeführt werden können. 5 Der Rekurs<br />

auf e<strong>in</strong>e <strong>in</strong>stitutionentheoretische Perspektive setzt die <strong>in</strong>haltliche Festlegung<br />

des hier verwendeten Institutionenbegriffs und se<strong>in</strong>e Abgrenzung zu verwandten<br />

Konzeptionen voraus (vgl. Abschnitt 2.3.1). Es bedarf zunächst e<strong>in</strong>er Darstellung der<br />

theoretischen Ansätze, die unter dem Schlagwort des Neuen Institutionalismus den<br />

aktuellen Diskurs prägen (vgl. Abschnitt 2.3.2), um den Stellenwert <strong>von</strong> Institutionen<br />

<strong>in</strong> <strong>Konflikten</strong> e<strong>in</strong>gehend zu behandeln (vgl. Abschnitt 2.3.3). Ausgangspunkt hierbei<br />

ist die Annahme, dass ‚schwache’ Institutionen zur Entstehung <strong>von</strong> <strong>Konflikten</strong> bzw.<br />

zur Verschärfung bestehender Konflikte beitragen. Schwach s<strong>in</strong>d Institutionen, wenn<br />

sie nur e<strong>in</strong>e ger<strong>in</strong>ge Institutionalisierung aufweisen und die <strong>von</strong> ihnen erwarteten<br />

Funktionsleistungen nur defizitär erbr<strong>in</strong>gen können. Argumentiert wird, dass Strukturen<br />

weder statisch noch per se vorhanden s<strong>in</strong>d. Als soziales Phänomen werden<br />

Institutionen durch soziale Praxis konstituiert und unterliegen damit der Notwendigkeit<br />

e<strong>in</strong>er beständigen Rechtfertigung, Legitimierung, S<strong>in</strong>nvermittlung und Aufrechterhaltung<br />

spezifischer Merkmale. Das Wirkpotential <strong>von</strong> Institutionen hängt da<strong>von</strong><br />

ab, <strong>in</strong>wieweit diese Bed<strong>in</strong>gungen erfüllt werden können, d.h. <strong>in</strong>wieweit die Gesellschaftsmitglieder<br />

die Leitpr<strong>in</strong>zipien e<strong>in</strong>er Institution akzeptieren und mittels Handlungsbezug<br />

legitimieren. Diese dynamischen Zusammenhänge s<strong>in</strong>d <strong>in</strong><br />

Wandlungskontexten und Nachkriegsphasen entscheidend, Situationen also, <strong>in</strong> denen<br />

die Herstellung <strong>von</strong> Sicherheit und Ordnung sowie die Vermittlung <strong>von</strong> Stabilität zur<br />

Vermeidung <strong>von</strong> Gewalt und sozialer Des<strong>in</strong>tegration absolut erforderlich s<strong>in</strong>d.<br />

Inwieweit Institutionen und ihre Leitpr<strong>in</strong>zipien gesellschaftlich akzeptiert werden<br />

und e<strong>in</strong> Handlungsbezug besteht, lässt sich über die <strong>Analyse</strong> der politischen Kultur<br />

feststellen (vgl. Abschnitt 2.4). Unter politischer Kultur werden hier die ver<strong>in</strong>nerlichten<br />

Erkenntnisse, Gefühle und Bewertungen <strong>von</strong> Erfahrungen zusammengefasst, die<br />

sich auf politische Institutionen und die sie repräsentierenden Akteure sowie auf das<br />

politische System als Ganzes beziehen (vgl. Abschnitt 2.4.1). Die politische Kultur<br />

gibt somit das subjektive Legitimitätse<strong>in</strong>verständnis mit e<strong>in</strong>er Herrschaftsordnung<br />

sowie die Ordnungsvorstellungen wieder. Inwieweit diese zur Erklärung <strong>von</strong> bestehenden<br />

Konfliktpotentialen beitragen können, soll im Verlauf dieser Arbeit festgestellt<br />

werden. Wie bei der Konfliktanalyse wird bei der Untersuchung der lokalen<br />

politischen Kultur <strong>von</strong> e<strong>in</strong>em <strong>in</strong>terpretativen Ansatz ausgegangen, wobei die subjek-<br />

5 Besonders <strong>in</strong> Umbruchperioden gilt die <strong>in</strong>stitutionelle <strong>Analyse</strong> als aufschlussreich (vgl.<br />

WASCHKUHN 1994: 192).<br />

8


E<strong>in</strong>leitung<br />

tive Konstruktion <strong>von</strong> Ordnungsvorstellungen im Mittelpunkt steht. Anhand der<br />

Wahrnehmungs- und Interpretationsleistung der befragten Akteure werden Ordnungsvorstellungen<br />

rekonstruiert und zur sozialen Praxis <strong>in</strong> Beziehung gesetzt. Hierbei<br />

spielt die Verb<strong>in</strong>dung <strong>von</strong> E<strong>in</strong>stellungen und Verhalten e<strong>in</strong>e zentrale Rolle (vgl.<br />

2.4.2). Geprüft werden soll, ob sich auf der Grundlage der Befragungen spezifische<br />

Muster politischer Kultur <strong>in</strong> den <strong>Kommunen</strong> bestimmen und zu Idealtypen verdichten<br />

lassen, die <strong>in</strong> Zusammenhang zur Entstehung und Entwicklung <strong>von</strong> <strong>Konflikten</strong><br />

gesetzt werden können. Besondere Beachtung wird den Folgewirkungen des Demokratisierungsprozesses<br />

gewidmet (vgl. Abschnitt 2.4.3). Angenommen wird, dass die<br />

Diskrepanz zwischen der strukturell für e<strong>in</strong>e effektive Institutionenperformanz vorausgesetzten<br />

politischen Kultur und der tatsächlich vorliegenden politischen Kultur<br />

<strong>in</strong> Zusammenhang mit der Entstehung und Entwicklung <strong>von</strong> <strong>Konflikten</strong> steht.<br />

In Abschnitt 2.5 werden die bis dah<strong>in</strong> geleisteten theoretischen Schritte zu e<strong>in</strong>em<br />

analytischen Rahmen für die Konfliktanalyse zusammengefasst. Auch wird die methodische<br />

Vorgehensweise expliziert, wobei <strong>in</strong>sbesondere auf die Auswahlkriterien<br />

der Fallstudien und auf die Struktur der Befragung e<strong>in</strong>gegangen wird.<br />

Für die <strong>Analyse</strong> <strong>von</strong> <strong>Konflikten</strong> auf kommunaler Ebene erachte ich es als unerlässlich,<br />

die allgeme<strong>in</strong>en Rahmenbed<strong>in</strong>gungen und Konfliktpotentiale <strong>in</strong> Mosambik zu<br />

berücksichtigen (vgl. Kapitel 3). Maßgeblichen E<strong>in</strong>fluss auf die kommunale Situation<br />

hatten der Dezentralisierungsprozess, die <strong>in</strong> der Kommunalordnung festgelegte<br />

Struktur, das Verhältnis zwischen formeller Politik und traditionellen Autoritäten<br />

sowie die politischen Machtverhältnisse <strong>in</strong>folge der Kommunalwahlen (vgl. Abschnitte<br />

3.1.1 bis 3.1.4). Insbesondere <strong>in</strong>folge der Kommunalreform werden Konfliktpotentiale<br />

erwartet, da weitere, zum Teil unerfahrene Akteure <strong>in</strong> e<strong>in</strong> Macht- und<br />

Verteilungsgefüge drängen, aus dem sich die etablierten Eliten nur ungern verdrängen<br />

lassen (vgl. Abschnitt 3.2.1). H<strong>in</strong>zu kommen widrige Umstände, die bestehende<br />

Widersprüche verschärfen können (vgl. 3.2.2). Neben dem Legitimationsverlust der<br />

Regierungspartei sowie sozialen und politischen Wandlungsprozessen s<strong>in</strong>d vor allem<br />

die direkten und <strong>in</strong>direkten Folgen des Krieges zu nennen: Erstens prägte der Krieg<br />

nachhaltig die Beziehungen der politischen Parteien; zweitens wurden die Ursachen<br />

des Krieges nicht ausreichend aufgearbeitet; drittens wird die öffentliche Sicherheit<br />

durch die starke Verbreitung <strong>von</strong> Kle<strong>in</strong>waffen gefährdet; und schließlich <strong>vier</strong>tens<br />

führte der Krieg wie auch se<strong>in</strong>e Beendigung zu starken Migrationsbewegungen. Die<br />

gewaltsamen Ause<strong>in</strong>andersetzungen <strong>in</strong> Montepuez im Zuge landesweiter politischer<br />

9


E<strong>in</strong>leitung<br />

Demonstrationen s<strong>in</strong>d e<strong>in</strong> Beispiel für kurzfristig konfliktauslösende Faktoren (vgl.<br />

Abschnitt 3.2.3).<br />

In Kapitel 4 steht die Erfassung und Deskription der Konfliktpotentiale und Konflikte<br />

<strong>in</strong> Pemba, Catandica, Manica und Vilankulo im Mittelpunkt. In e<strong>in</strong>em ersten<br />

Schritt werden die konfliktrelevanten Rahmenbed<strong>in</strong>gungen <strong>in</strong> den <strong>vier</strong> <strong>Kommunen</strong><br />

expliziert (vgl. Abschnitt 4.1). Hierzu zählen neben den politischen, sozialen und<br />

ökonomischen Bed<strong>in</strong>gungen auch allgeme<strong>in</strong>e strukturelle Bed<strong>in</strong>gungen wie die geographische<br />

Lage sowie die Umwelt- und Ressourcensituation (vgl. Abschnitte 4.1.1<br />

und 4.1.2). Des<strong>in</strong>tegrativ wirkende Faktoren wie Kriegserfahrungen, Drogen und<br />

AIDS verdienen besondere Berücksichtigung, da Integration zugleich Voraussetzung<br />

und Produkt effektiver <strong>in</strong>stitutioneller Arrangements ist (vgl. FUCHS 1999; Abschnitt<br />

4.1.3). In höchstem Maße konfliktrelevant s<strong>in</strong>d die Krim<strong>in</strong>alitätsentwicklung und die<br />

ausgedrückte Gewaltbereitschaft wie auch die Beurteilung der Friedenssituation (vgl.<br />

Abschnitte 4.1.4 bis 4.1.6). Der zweite Schritt besteht <strong>in</strong> der Darstellung des subjektiven<br />

Konfliktverständnisses der Befragten. Hier wird deutlich, dass es zu abweichenden<br />

Def<strong>in</strong>itionen <strong>von</strong> Konflikt kommt, die es bei der Erfassung und Erklärung<br />

konfliktiver Beziehungszusammenhänge zu berücksichtigen gilt (vgl. Abschnitt 4.2).<br />

Im folgenden Schritt werden die Akteurskonstellationen bestimmt, die <strong>von</strong> den Befragten<br />

als konfliktiv beschrieben werden (vgl. Abschnitt 4.3). Dabei <strong>in</strong>teressiert<br />

auch, wie die Befragten die Konfliktsituationen ursächlich erklären. Der Abschnitt ist<br />

so angelegt, dass genannte Konfliktkonstellationen auf ihre Ausprägung <strong>in</strong> den <strong>vier</strong><br />

<strong>Kommunen</strong> h<strong>in</strong> untersucht werden, um Unterschiede und Geme<strong>in</strong>samkeiten herauszuarbeiten.<br />

Unter Berücksichtigung des Organisations- und Mobilisierungspotentials<br />

der Konfliktparteien wird das Eskalationspotential der Konflikte e<strong>in</strong>geschätzt und<br />

die Faktoren bestimmt, die h<strong>in</strong>derlich bzw. förderlich für e<strong>in</strong>e Gewalteskalation wirken.<br />

In Abschnitt 4.4 werden die <strong>in</strong> den <strong>vier</strong> Fallstudien beschriebenen Konfliktkonstellationen<br />

und die <strong>von</strong> den Befragten genannten Ursachen <strong>in</strong>terpretierend<br />

zusammengefasst. Im Anschluss wird der Beitrag der kommunalen Selbstverwaltung<br />

zur Entwicklung e<strong>in</strong>er demokratischen Konfliktbearbeitungskultur anhand e<strong>in</strong>er<br />

Diskussion der im Allgeme<strong>in</strong>en für e<strong>in</strong>e kommunale Selbstverwaltung angeführten<br />

Argumente konkretisiert (vgl. Abschnitt 4.5).<br />

In Kapitel 5 werden Erklärungen für die Entstehung und Entwicklung <strong>von</strong> <strong>Konflikten</strong><br />

<strong>in</strong> der politischen Kultur der Befragten gesucht. Analog zum vorangegangenen<br />

Kapitel wird zunächst auf e<strong>in</strong>er allgeme<strong>in</strong>en Ebene und unter Berücksichtigung der<br />

10


E<strong>in</strong>leitung<br />

hierzu veröffentlichten Studien die Frage geklärt, <strong>in</strong>wieweit <strong>von</strong> e<strong>in</strong>er Kompatibilität<br />

<strong>von</strong> demokratischen Ordnungspr<strong>in</strong>zipien und dem gegebenen sozialen und politischen<br />

Kontext <strong>in</strong> Mosambik ausgegangen werden kann (vgl. Abschnitt 5.1). Anschließend<br />

werden Dimensionen politischer Kultur erfasst, die zur Generierung <strong>von</strong><br />

Aussagen zu den kausalen Zusammenhängen <strong>von</strong> <strong>Konflikten</strong> beitragen können (vgl.<br />

Abschnitt 5.2). Hierzu zählen: die Akzeptanz der Institutionenstruktur, das Demokratieverständnis,<br />

der Stellenwert <strong>von</strong> Normen und Werten, die E<strong>in</strong>stellungen gegenüber<br />

Autorität, die Bereitschaft zur politischen Partizipation, die Wahrnehmung<br />

anderer Akteure, die E<strong>in</strong>stellungen gegenüber politischem und sozialem Wandel sowie<br />

die Bedeutung <strong>von</strong> Wissen. Auf der Grundlage der <strong>Analyse</strong> <strong>von</strong> Geme<strong>in</strong>samkeiten<br />

und Unterschieden <strong>in</strong> der lokalen politischen Kultur (vgl. Abschnitt 5.3)<br />

kristallisieren sich Ordnungsmuster heraus, die idealtypisch als ‚modernistisch’ und<br />

‚traditionalistisch’ zu bezeichnen s<strong>in</strong>d (vgl. Abschnitt 5.4).<br />

In Kapitel 6 werden die zentralen Befunde der <strong>Analyse</strong> der Konfliktkonstellationen<br />

sowie der politischen Kultur <strong>in</strong> den <strong>vier</strong> untersuchten <strong>Kommunen</strong> aufgegriffen, um<br />

darauf aufbauend Thesen zum Zusammenhang <strong>von</strong> Konflikt und Ordnungsvorstellungen<br />

zur Diskussion zu stellen. Zunächst werden die im Kapitel zuvor identifizierten<br />

modernistischen und traditionalistischen Ordnungsvorstellungen um den neuen<br />

Typus ‚hybride Ordnungsvorstellungen’ erweitert (vgl. Abschnitt 6.1). Erst die E<strong>in</strong>führung<br />

der Kategorie des Hybriden ermöglicht Erklärungen für bestimmte Zusammenhänge<br />

wie auch Widersprüche <strong>in</strong> den <strong>Analyse</strong>befunden zu f<strong>in</strong>den. Die<br />

identifizierten Idealtypen dienen unter Berücksichtigung der <strong>in</strong>stitutionentheoretischen<br />

Erkenntnisse zur Entwicklung dreier Thesen, <strong>in</strong> denen die <strong>in</strong>dividuelle Konfliktbereitschaft<br />

und das Konfliktverhalten zum e<strong>in</strong>en auf bestimmte Vorstellungen<br />

<strong>von</strong> Herrschaftsordnungen und zum anderen auf spezifische Bed<strong>in</strong>gungen des <strong>in</strong>stitutionellen<br />

Kontexts zurückgeführt werden (vgl. Abschnitte 6.2 bis 6.4). Im abschließenden<br />

Fazit (vgl. Kapitel 7) werden die zentralen Ergebnisse der vorliegenden<br />

Arbeit zusammengefasst und auf Bereiche h<strong>in</strong>gewiesen, <strong>in</strong> denen weiterer Forschungsbedarf<br />

besteht.<br />

11


Theoretische Grundlagen der Konfliktanalyse<br />

2 Theoretische Grundlagen der Konfliktanalyse<br />

Allgeme<strong>in</strong>e Forschungsperspektive. Unter Bezugnahme auf WEBER (1976: 3) ist<br />

das Ziel der vorliegenden Arbeit, soziales Konflikthandeln deutend zu verstehen und<br />

dadurch <strong>in</strong> se<strong>in</strong>em Ablauf und se<strong>in</strong>en Wirkungen ursächlich zu erklären. Unter ‚erklären’<br />

wird dabei die „Erfassung des S<strong>in</strong>nzusammenhangs, <strong>in</strong> den, se<strong>in</strong>em subjektiv geme<strong>in</strong>ten<br />

S<strong>in</strong>n nach, e<strong>in</strong> aktuell verständliches Handeln h<strong>in</strong>e<strong>in</strong>gehört“ (ebd.: 7,<br />

Hervorh. im Orig.) begriffen. Diesbezüglich bietet sich e<strong>in</strong>e Auslegung <strong>von</strong> Interaktionen<br />

und damit auch <strong>von</strong> Konflikthandeln als <strong>in</strong>terpretative Prozesse an, <strong>in</strong> denen<br />

die Beteiligten unter E<strong>in</strong>satz des ihnen zur Verfügung stehenden Bedeutungspotentials<br />

die Handlungssituation immer wieder neu def<strong>in</strong>ieren müssen. So wird auch e<strong>in</strong>e<br />

Konfliktsituation als Ergebnis <strong>in</strong>terpretativer Prozesse verstanden, <strong>in</strong> denen sich die<br />

Handelnden durch s<strong>in</strong>ngebende Deutungen der Erwartungen und möglichen Verhaltensweisen<br />

der Handlungspartner aufe<strong>in</strong>ander beziehen. Insofern s<strong>in</strong>d die soziale<br />

Wirklichkeit im Allgeme<strong>in</strong>en und soziale Strukturen im Besonderen als Ergebnis<br />

gesellschaftlicher Konstruktions- und Reproduktionsleistungen durch Interaktionen<br />

und Kommunikationen aufzufassen (vgl. BERGER/LUCKMANN 1977). In dieser Perspektive<br />

zielen Erklärungen auf die Offenlegung der Bed<strong>in</strong>gungen und Prozesse der<br />

Konstruktion sozialer Wirklichkeit. Damit lassen sich objektivistische System- und<br />

Strukturanalysen mit subjektivistischen Handlungsfaktoren verb<strong>in</strong>den, so dass e<strong>in</strong><br />

Akteur-Struktur-Dualismus vermieden werden kann. 6 In der vorliegenden Arbeit<br />

wird e<strong>in</strong>e Verb<strong>in</strong>dung <strong>von</strong> Struktur- und Akteursebene dadurch geleistet, dass erstens<br />

die Konfliktstrukturen auf der Grundlage <strong>von</strong> subjektiven Interpretationen rekonstruiert<br />

werden. Zweitens werden Institutionen und die durch sie konstituierten<br />

Ordnungen zugleich als das Ergebnis und als die äußere Bed<strong>in</strong>gung sozialer Praxis<br />

verstanden. Drittens werden <strong>in</strong> der Untersuchung der politischen Kultur die subjektiven<br />

Dimensionen des politischen Systems und se<strong>in</strong>er Elemente erfasst. <strong>E<strong>in</strong>e</strong> solche<br />

Vorgehensweise sche<strong>in</strong>t deshalb besonders geeignet zu se<strong>in</strong>, da politische Umbruchprozesse<br />

sowie <strong>in</strong>dividuelle und soziale Krisensituationen wesentliche Größen im<br />

6 Bekannt ist e<strong>in</strong>e solche Vorgehensweise etwa <strong>in</strong> der neueren Soziologie. Zu nennen wären<br />

hier etwa die Strukturierungstheorie nach GIDDENS (1995) und der strukturalistische Konstruktivismus<br />

nach BOURDIEU (1983a, 1997). In Forschungsbereichen wie die Konfliktforschung<br />

haben solche Theoriekonzeptionen bislang kaum E<strong>in</strong>gang gefunden, <strong>in</strong> der<br />

Institutionenforschung etwa s<strong>in</strong>d erste Ansätze zu erkennen (vgl. MAYNTZ/SCHARPF 1985;<br />

GÖHLER/SPETH 1998; SCHARPF 2000).<br />

12


Theoretische Grundlagen der Konfliktanalyse<br />

S<strong>in</strong>ne der Fragestellung darstellen. Desgleichen ist e<strong>in</strong> solcher Zugang offen für kulturelle<br />

Unterschiede h<strong>in</strong>sichtlich der impliziten S<strong>in</strong>n- und Ordnungsvorstellungen.<br />

2.1 Die Def<strong>in</strong>ition <strong>von</strong> Konflikt<br />

Konflikt bezeichnet im Allgeme<strong>in</strong>en e<strong>in</strong>en Interessengegensatz zwischen Individuen<br />

und Gruppen und die daraus folgenden Ause<strong>in</strong>andersetzungen und Kämpfe. Die<br />

verschiedenen Def<strong>in</strong>itionen <strong>von</strong> sozialen <strong>Konflikten</strong> konvergieren zu den folgenden<br />

drei Kernelementen (vgl. GLASL 1997: 12ff; BONACKER/IMBUSCH 1999: 75):<br />

(1) M<strong>in</strong>destens zwei Akteure oder Akteursgruppen bilden e<strong>in</strong>en Beziehungszusammenhang,<br />

wo<strong>von</strong> m<strong>in</strong>destens e<strong>in</strong> Akteur e<strong>in</strong>e Tendenz oder Interessen als gegensätzlich<br />

bzw. unvere<strong>in</strong>bar wahrnimmt. Dies kann e<strong>in</strong>erseits auf widersprechende Wertoder<br />

Zielvorstellungen basieren, die m<strong>in</strong>destens e<strong>in</strong> Akteur zu verwirklichen versucht<br />

und dabei die Wert- und Zielrealisierung e<strong>in</strong>es anderen stört oder hemmt (vgl. RO-<br />

PERS 1995; s. auch COSER 1972: 8). Andererseits kann der Gegensatz aus der Anwendung<br />

unterschiedlicher, vom Ausgangspunkt her unvere<strong>in</strong>barer Macht- und<br />

E<strong>in</strong>flussmittel zur Erreichung e<strong>in</strong>es bestimmten Ziels resultieren (vgl. MEYER 1997:<br />

21). Dabei s<strong>in</strong>d die Akteure moti<strong>vier</strong>t, e<strong>in</strong>e Niederlage des Gegners herbeizuführen<br />

oder die eigene Niederlage zu verh<strong>in</strong>dern.<br />

(2) Der Gegensatz wird für die <strong>in</strong>vol<strong>vier</strong>ten Akteure handlungsbestimmend (vgl.<br />

MEYER 1997: 21). <strong>E<strong>in</strong>e</strong> kritische Situation der Konfrontation entsteht. 7 Diese mündet<br />

<strong>in</strong> Ause<strong>in</strong>andersetzungen und Kämpfen, welche mit den Mitteln der Verhandlung,<br />

der Androhung und/oder der Anwendung <strong>von</strong> Gewalt ausgetragen werden<br />

(vgl. PFETSCH 1993: 42f). Im Normalfall folgt die Konfliktaustragung geregelt ab,<br />

d.h. der Konflikt ist fast immer sozial normiert.<br />

(3) Konflikte zeigen h<strong>in</strong>sichtlich der Intensität ihrer Austragung spezifische Entwicklungsverläufe,<br />

die <strong>von</strong> e<strong>in</strong>er Vielzahl <strong>von</strong> Faktoren abhängt. Beispielsweise s<strong>in</strong>d hier<br />

der Stellenwert der Wert- und Zielvorstellungen für die <strong>in</strong>vol<strong>vier</strong>ten Akteure oder der<br />

Zugang zu Ressourcen und Kampfmitteln zu nennen. Diese s<strong>in</strong>d entscheidend dafür,<br />

welches Organisations- und Mobilisierungspotential die Konfliktparteien haben und<br />

<strong>in</strong>wieweit e<strong>in</strong> Konflikt eskalieren kann.<br />

7 Die Charakterisierung der Konfrontationssituation hängt vom Theoriebezug ab. Beispielsweise<br />

kann <strong>von</strong> e<strong>in</strong>er radikaler Polarisierung zu ‚Freund-Fe<strong>in</strong>d’ (C. SCHMITT), e<strong>in</strong>em Widerspruch<br />

(N. LUHMANN) oder e<strong>in</strong>er Positionsdifferenz <strong>von</strong> e<strong>in</strong>iger Dauer und Reichweite (E.-<br />

O. CZEMPIEL) gesprochen werden.<br />

13


Theoretische Grundlagen der Konfliktanalyse<br />

In Eskalationsmodellen werden Konflikte <strong>in</strong> mehrere Phasen e<strong>in</strong>geteilt, <strong>in</strong> denen die<br />

Produktivität und Bearbeitbarkeit mit zunehmender Intensität der Konfliktaustragung<br />

s<strong>in</strong>kt. Häufig f<strong>in</strong>det man e<strong>in</strong>e Unterscheidung zwischen latenten und manifesten<br />

Konfliktphasen. Während manifest e<strong>in</strong>e offene Austragungsweise <strong>von</strong> <strong>Konflikten</strong><br />

bezeichnet, spricht man <strong>von</strong> latenten <strong>Konflikten</strong>, wenn diese mit verdeckten, oftmals<br />

nicht zugelassenen bzw. anerkannten Mitteln ausgetragen werden. Latente Konflikte<br />

s<strong>in</strong>d demnach als solche nicht erkennbar und zum Teil fehlt den Handelnden das<br />

Bewusstse<strong>in</strong> oder die Kapazität zum konflikthaften Handeln (vgl. WOLLEH 2001:<br />

26). Mit GLASL (1997: 58) soll hier gegen e<strong>in</strong>e solche Differenzierung gesprochen<br />

werden:<br />

„Die Unterscheidung <strong>von</strong> latenten und manifesten <strong>Konflikten</strong> ist irreführend. In Fällen, die<br />

<strong>von</strong> den meisten Autoren als ‚latente Konflikte’ bezeichnet werden, müsste man genauer<br />

vom Vorhandense<strong>in</strong> <strong>von</strong> potentiellen Konflikterregern, also <strong>von</strong> Konfliktpotential sprechen. […]<br />

erst wenn die betroffenen Personen e<strong>in</strong>ander mit Formen des Konfliktverhaltens begegnen,<br />

kann <strong>von</strong> e<strong>in</strong>em Konflikt gesprochen werden. Damit ist e<strong>in</strong> sozialer Konflikt immer ‚manifest’, oder<br />

faktisch nicht gegeben.“ (Hervorh. im Orig.)<br />

Statt des Ausdrucks „latent“ für verschleierte oder unterdrückte Konflikte bevorzugt<br />

GLASL (1997: 70ff) die Bezeichnung „kalter Konflikt“ und für e<strong>in</strong> stärker ausgeprägtes<br />

Konfliktverhalten den Ausdruck „heißer Konflikt“ statt „manifest“.<br />

In der Regel werden Konfliktverläufe als e<strong>in</strong>e kont<strong>in</strong>uierliche Entwicklung zwischen<br />

Frieden und Krieg beschrieben (vgl. ). In der Regel werden bestimmte Schwellenwerte<br />

festgemacht, bei deren Übertretung der Konflikt e<strong>in</strong>e neue Qualität annimmt.<br />

Hierzu zählt v.a. die Schwelle zur Anwendung physischer Gewalt (vgl. MEYER 1997:<br />

25). Während <strong>von</strong> e<strong>in</strong>em idealisierten, kont<strong>in</strong>uierlichen Eskalationsverlauf ausgehend<br />

GLASL (1997: 183ff, 211ff) neun Phasen unterscheidet, erkennt RUPESINGHE (1998:<br />

60ff) fünf Phasen des Konflikts und entsprechende Ansatzmöglichkeiten zur Befriedung:<br />

durable peace – stable peace – unstable peace – crisis (low-<strong>in</strong>tensity conflict) – civil war<br />

(high-<strong>in</strong>tensity conflict).<br />

<strong>E<strong>in</strong>e</strong> solche Modellierung hat vorrangig e<strong>in</strong>en heuristischen Wert, denn die Darstellung<br />

legt e<strong>in</strong>en determ<strong>in</strong>ierten Verlauf des Konflikts nahe. Die Entwicklung des<br />

Konflikts ist jedoch <strong>von</strong> e<strong>in</strong>er Vielzahl <strong>von</strong> Faktoren abhängig, die gleichermaßen<br />

eskalierend wie deeskalierend wirken können. Zudem bestehen pr<strong>in</strong>zipiell <strong>in</strong> jeder<br />

Phase Optionen zur Deeskalation (vgl. GLASL 1997: 219). Die meisten Modelle geben<br />

e<strong>in</strong>e Eskalationsdynamik zwischen der (erwünschten) Situation des Friedens und<br />

der höchsten negativen Eskalationsstufe des Krieges wieder.<br />

14


Theoretische Grundlagen der Konfliktanalyse<br />

Abbildung 1: Beispiel für e<strong>in</strong>e Phasene<strong>in</strong>teilung des Konfliktverlaufs und entsprechende Interventionsmöglichkeiten<br />

nach RUPESINGHE (1998: 60)<br />

Krieg. Weder kann e<strong>in</strong>e allgeme<strong>in</strong> akzeptierte Def<strong>in</strong>ition <strong>von</strong> Krieg vorausgesetzt<br />

werden noch besteht e<strong>in</strong>e gesicherte Theorie über Kriegsursachen 8 , dies gilt nicht<br />

zuletzt aufgrund der Vielzahl <strong>von</strong> Ansätzen zur <strong>in</strong>haltlichen und methodischen Bestimmung<br />

des Kriegsbegriffs (vgl. GANTZEL 1991: 373; FANDRYCH 1998: 9):<br />

„Ob e<strong>in</strong>e gewaltsame Ause<strong>in</strong>andersetzung zwischen Kollektiven als Krieg bezeichnet wird<br />

oder nicht, bestimmen <strong>in</strong> der Praxis politische Interessen, rechtliche Interpretationen<br />

und/oder ideologische Standpunkte und <strong>in</strong> der Wissenschaft Erkenntnis<strong>in</strong>teressen, fachliche<br />

Betrachtungsweisen und Untersuchungsmethoden.“ (GANTZEL 1991: 372)<br />

GANTZEL (1991: 372) nennt drei Def<strong>in</strong>itionszugänge zur Bestimmung des Kriegsbegriffs:<br />

die empirische, die rechtstheoretische sowie die politisch-funktionale Def<strong>in</strong>ition.<br />

Während <strong>in</strong> der rechtstheoretischen Def<strong>in</strong>ition v.a. die Rechtsgleichheit zwischen<br />

den gleichermaßen Souveränität beanspruchenden Kriegsparteien im Mittelpunkt<br />

steht, wird <strong>in</strong> der politisch-funktionalen Def<strong>in</strong>ition der theoretisch relevante Aspekt<br />

des Gewaltaktes zur Durchsetzung des Willens e<strong>in</strong>er Partei hervorgehoben. Das<br />

hierzu notwendige Mittel, nämlich den Fe<strong>in</strong>d wehrlos zu machen, rückt selbst <strong>in</strong> den<br />

8 Die Ursachen <strong>von</strong> Kriegen werden auf den Ebenen des Individuums (Aggressionstheorie,<br />

Verhaltensforschung, Lerntheorie, Psychoanalyse, Anthropologie), der Gesellschaftsstruktur<br />

(Soziologie) sowie des <strong>in</strong>ternationalen Systems (Politikwissenschaft) analysiert (vgl. RUDOLF<br />

1995: 279f).<br />

15


Theoretische Grundlagen der Konfliktanalyse<br />

Vordergrund und wird zum Selbstzweck (vgl. ebd.: 373). In der empirischen Def<strong>in</strong>ition<br />

wird Krieg als e<strong>in</strong> mit Waffengewalt geführter Massenkonflikt verstanden, <strong>in</strong><br />

dem zwei oder mehr Gruppen unmittelbar beteiligt und <strong>von</strong> denen wenigstens e<strong>in</strong>e<br />

als reguläre Armee oder bewaffnete Streitkraft e<strong>in</strong>er Regierung auftritt. Die Streitkräfte<br />

müssen e<strong>in</strong> M<strong>in</strong>destmaß an Organisation und zentraler Lenkung aufweisen.<br />

Schließlich wird e<strong>in</strong>e gewisse Kont<strong>in</strong>uität der bewaffneten Operationen vorausgesetzt<br />

(vgl. GANTZEL 1991: 372; FANDRYCH 1998: 10; BONACKER/IMBUSCH 1999: 97).<br />

BONACKER/IMBUSCH (1999: 98) differenzieren drei Grundauffassungen <strong>von</strong> Krieg: (a)<br />

In e<strong>in</strong>er funktionalistischen Auffassung steht Krieg für das Versagen der Politik und<br />

für die Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln. (b) <strong>E<strong>in</strong>e</strong> rationalistische Position<br />

deutet Krieg als e<strong>in</strong>e irrationale Art menschlichen Handelns. Damit ist e<strong>in</strong>e friedliche<br />

Austragung möglich und erwünscht. (c) Schließlich hebt e<strong>in</strong> substantialistischer Ansatz<br />

die <strong>in</strong>nere Logik des Krieges hervor, welche e<strong>in</strong>mal <strong>in</strong> Gang gesetzt nie enden<br />

würde, wenn die Politik den Krieg nicht <strong>in</strong>strumentalisierte.<br />

<strong>E<strong>in</strong>e</strong> Systematisierung der unterschiedlichen Typen <strong>von</strong> Krieg erfolgt zumeist pragmatisch<br />

auf der Grundlage folgender Aspekte: Austragungsort, Ausmaß, Anzahl der<br />

beteiligten Akteure und Ursachen (vgl. FERDOWSI 1997; SCHERRER 1997). <strong>E<strong>in</strong>e</strong> weitere<br />

Möglichkeit besteht <strong>in</strong> der Quantifizierung etwa nach der Zahl der Opfer, wobei<br />

<strong>in</strong> diesem Fall exakte Bestimmungen kaum möglich s<strong>in</strong>d (vgl. RUPESINGHE 1998: 26).<br />

In diesem Zusammenhang hervorzuheben s<strong>in</strong>d <strong>in</strong>terne Kriege (oder: Bürgerkrieg),<br />

die trotz des ger<strong>in</strong>gen technischen Niveaus der Waffen e<strong>in</strong>e hochdestruktive Form<br />

moderner Konfliktaustragung darstellen. Bürgerkriege kommen häufiger vor als zwischenstaatliche<br />

Kriege, dauern länger und richten sich auch gegen die Zivilbevölkerung<br />

(vgl. MATTHIES 1997b: 256). Wesentliches Merkmal <strong>in</strong>terner Kriege ist die<br />

Asymmetrie zwischen den Konfliktbeteiligten. Diese liegt <strong>in</strong> der unterschiedlichen<br />

Ausstattung sowohl mit politischen und ökonomischen Machtressourcen als auch<br />

mit <strong>in</strong>ternationaler und nationaler Legitimität begründet. Bürgerkrieg hat als e<strong>in</strong> wesentliches<br />

Kriterium den territorialen Bezug, d.h. beide Parteien gehören zum gleichen<br />

Staat und kämpfen um diesen (vgl. WALDMANN 1998: 18).<br />

Insgesamt ist Krieg <strong>von</strong> Konflikt <strong>in</strong> erster L<strong>in</strong>ie durch e<strong>in</strong>en höheren Organisationsund<br />

Steuerungsgrad, den E<strong>in</strong>bezug der Staatsgewalt, die zeitliche Kont<strong>in</strong>uität sowie<br />

den unbed<strong>in</strong>gten Rekurs auf Waffengewalt zu unterscheiden. Zu Missverständnissen<br />

führt der synonyme Gebrauch <strong>von</strong> Krieg und Konflikt, der zum Teil auf das angel-<br />

16


Theoretische Grundlagen der Konfliktanalyse<br />

sächsische Verständnis <strong>von</strong> conflict als gewaltförmig verlaufender Konflikt zurückzuführen<br />

ist. 9<br />

Frieden. Def<strong>in</strong>itorisch dient Frieden häufig als Gegenpol zu Konflikt und Krieg. Im<br />

Alltagsverständnis wird Frieden mit der Abwesenheit <strong>von</strong> Gewalt und Krieg gleichgesetzt.<br />

E<strong>in</strong> solches vages Verständnis mit stark normativ-utopischem Gehalt ist<br />

jedoch e<strong>in</strong> ungünstiger Orientierungspunkt für die praktische Umsetzung <strong>in</strong> Friedensmaßnahmen<br />

(vgl. SENGHAAS 1974: 9).<br />

Frieden wird auf zwei Arten def<strong>in</strong>iert: Der negative Frieden bezeichnet das Fehlen <strong>von</strong><br />

kriegerischen Ause<strong>in</strong>andersetzungen und direkter personaler Gewalt, während der<br />

positive Frieden die Abwesenheit struktureller <strong>in</strong>direkter Gewalt und damit die Verwirklichung<br />

umfassender sozialer Gerechtigkeit bezeichnet (vgl. BOUTROS-GHALI<br />

1992; MATTHIES 1997a: 2; FANDRYCH 1998: 2f; BONACKER/IMBUSCH 1999: 109).<br />

Die Abwesenheit e<strong>in</strong>er gewaltsamen Konfliktaustragung kann bereits als Fortschritt<br />

gesehen werden, aber erst e<strong>in</strong> positiver Frieden kann als Voraussetzung für e<strong>in</strong>e stabile<br />

gesellschaftliche Friedensordnung verstanden werden. SENGHAAS (1997) nennt<br />

sechs Voraussetzungen, die für e<strong>in</strong>e <strong>in</strong>nergesellschaftlich stabile Friedensordnung<br />

erfüllt se<strong>in</strong> müssen. Die unerlässlichen Bed<strong>in</strong>gungen werden zu e<strong>in</strong>em Modell des<br />

„zivilisatorischen Hexagons“ organisiert, das als Erklärungs- und <strong>Analyse</strong>raster die<br />

Gleichwertigkeit <strong>von</strong> Rechtssicherheit, politischer Struktur und politischer Kultur<br />

<strong>in</strong>sbesondere <strong>in</strong> Nachkriegsgesellschaften anzeigt (vgl. auch KRUMWIEDE 1998: 38). 10<br />

Die im zivilisatorischen Hexagon konzipierten Dimensionen der Friedenskonsolidierung<br />

verdeutlichen, dass ihre gesellschaftliche Fundierung nur <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em langwierigen<br />

und empf<strong>in</strong>dlichen Prozess erfolgen kann (vgl. MATTHIES 1997b: 12). Nach Phasen<br />

gewaltsamer Konfliktaustragung muss mit Maßnahmen der Kriegsfolgenbewältigung,<br />

des Wiederaufbaus und der Erneuerung sichergestellt werden, dass Kampfhandlungen<br />

über längere Zeiträume h<strong>in</strong>weg nicht erneut ausbrechen. Erst dann kann <strong>von</strong><br />

e<strong>in</strong>er erfolgreichen Friedenskonsolidierung gesprochen werden (vgl. MATTHIES<br />

1997a: 4, 1997b: 256, SPELTEN 2000: 70). Jedoch ist Friedenskonsolidierung e<strong>in</strong> politisch<br />

hochsensibler, komplexer gesamtgesellschaftlicher Prozess der Rehabilitation,<br />

9 SPELTEN (2000: 70) versteht Krise als die Zuspitzung <strong>von</strong> <strong>Konflikten</strong> durch den E<strong>in</strong>satz <strong>von</strong><br />

Gewaltmitteln. Ähnlich argumentiert auch ZARTMAN (1991; vgl. FANDRYCH 1998: 13).<br />

10 Als Bed<strong>in</strong>gungen e<strong>in</strong>er Friedensordnung nennt SENGHAAS (1997) e<strong>in</strong> staatliches Gewaltmonopol,<br />

die Kontrolle des Gewaltmonopols durch die Pr<strong>in</strong>zipien des Rechtsstaats, die Affektkontrolle<br />

<strong>in</strong> <strong>in</strong>terdependenten Handlungsgefügen zur Entprivatisierung <strong>von</strong> Gewalt und<br />

Sozialisation der Konfliktaustragung, demokratische Beteiligung, soziale Gerechtigkeit sowie<br />

die Institutionalisierung e<strong>in</strong>er konstruktiven Konfliktkultur.<br />

17


Theoretische Grundlagen der Konfliktanalyse<br />

der Rekonstruktion und der Erneuerung (vgl. MATTHIES 1997a: 10). Das Ziel e<strong>in</strong>er<br />

friedlich geregelten Konfliktaustragung kann nur durch die Neuausrichtungen der<br />

sozialen und politischen Kräfteverhältnisse sowie der E<strong>in</strong>führung <strong>von</strong> regelnden und<br />

kontrollierenden Institutionen geleistet werden (vgl. MATTHIES 1997b: 256).<br />

Für Friedensmaßnahmen besteht e<strong>in</strong>e zentrale Schwierigkeit dar<strong>in</strong>, Indikatoren für<br />

e<strong>in</strong>en gelungenen Frieden zu identifizieren (vgl. MATTHIES 1996a: 11ff). Insbesondere<br />

beim Versuch e<strong>in</strong>er Bewertung der Maßnahmen kommt es zu Problemen der Unterscheidung<br />

zwischen objektiven Kriterien und subjektiver E<strong>in</strong>schätzungen. Da<br />

pr<strong>in</strong>zipiell e<strong>in</strong>e Bewertung nur auf der Grundlage e<strong>in</strong>er zeitlich extensiven Beobachtung<br />

möglich ist und absolute Kriterien für Erfolg oder Misserfolg nicht bestimmbar<br />

s<strong>in</strong>d, bemüht man sich bei der Deskription um e<strong>in</strong>e relative E<strong>in</strong>schätzung <strong>von</strong> Teilentwicklungen<br />

(vgl. MATTHIES 1997a: 3f).<br />

Gewalt. Der E<strong>in</strong>satz <strong>von</strong> Gewalt def<strong>in</strong>iert <strong>in</strong> der Regel den entscheidenden Schwellenwert<br />

vom Konflikt zum Krieg. Die weitgehende Abwesenheit direkter physischer<br />

Gewalt durch die staatliche Monopolisierung steht für die mehr oder weniger gelungene<br />

Pazifizierung der Konfliktaustragung (vgl. BONACKER/IMBUSCH 1999: 93) und<br />

ist e<strong>in</strong> zentraler Markste<strong>in</strong> des Zivilisationsprozesses, der als Prozess der Transformation<br />

<strong>von</strong> der physischen zur symbolischen Gewalt verstanden werden kann (vgl. ebd.:<br />

88f). Darum besteht weitgehend Übere<strong>in</strong>stimmung <strong>in</strong> Gesellschaft und Wissenschaft<br />

bezüglich des Ziels der Gewaltprävention und der Gewaltm<strong>in</strong>derung (vgl. MEYER<br />

1997: 25). Diesem normativen Konsens steht jedoch e<strong>in</strong> Dissens ob der angemessenen<br />

<strong>in</strong>haltlichen und methodischen Bestimmung des Gewaltbegriffs. NEIDHARDT<br />

(1986) weist die Abhängigkeit des Gewaltbegriffs vom historischen sozialen und politischen<br />

Kontext anhand der Entwicklung se<strong>in</strong>es semantischen Raums nach und<br />

kommt zu dem Schluss, dass es ke<strong>in</strong>en e<strong>in</strong>deutigen Begriff der Gewalt gibt (vgl. ebd.:<br />

122ff). 11 Was unter Gewalt verstanden wird, hängt <strong>von</strong> moralischen Vorstellungen,<br />

<strong>in</strong>dividuellen Interessen sowie <strong>von</strong> politisch-ideologischen Begriffsvorlieben ab. 12<br />

11 Die Entwicklung des Gewaltverständnisses ist wesentlich auf die Ambivalenz <strong>in</strong>folge der<br />

zwei late<strong>in</strong>ischen Ursprungsbegriffe potestas und violentia zurückzuführen, für die im Deutschen<br />

e<strong>in</strong>e Unterscheidungsmöglichkeit fehlt (vgl. ZIMMERMANN 1999: 556). Während potestas<br />

eher regulativ die „Fähigkeit oder Befugnis, nach Willkür mit etwas zu verfahren“<br />

(NEIDHARDT 1986: 114) und die „ordnende Amtsgewalt“ (ZIMMERMANN 1999: 558) beschreibt,<br />

verweist das Zerstörerische im Aktionsbegriff <strong>von</strong> violentia auf das Brechen <strong>von</strong> Widerstand<br />

durch Zwangse<strong>in</strong>wirkung (vgl. MEYER 1997: 26f).<br />

12 Der S<strong>in</strong>ngehalt <strong>von</strong> Gewalt wurde im Zuge des Zivilisationsprozesses zugleich erweitert und<br />

zunehmend negativ aufgeladen (vgl. FLECHTHEIM 1972: 300; PAPCKE 1991: 195). Das Gewaltverständnis<br />

erfuhr im Laufe der Zeit (<strong>in</strong> unserem Kulturkreis) e<strong>in</strong>e Entmaterialisierung<br />

und Privatisierung, so dass die Vorstellung e<strong>in</strong>er physischen, meist <strong>in</strong>dividuellen Gewaltan-<br />

18


Theoretische Grundlagen der Konfliktanalyse<br />

Maßgeblich zum heutigen Verständnis <strong>von</strong> Gewalt beigetragen haben die Arbeiten<br />

GALTUNGs. Gemäß Johann GALTUNG (1975) ist unter Gewalt all das zu verstehen,<br />

was Menschen derart bee<strong>in</strong>flusst, dass ihre aktuelle somatische und geistige Verwirklichung<br />

ger<strong>in</strong>ger ist als ihre potentielle Verwirklichung (vgl. WELLMANN 1997: 121).<br />

Dabei wird Gewalt differenziert <strong>in</strong> personale bzw. direkte Gewalt, strukturelle Gewalt<br />

und kulturelle Gewalt (vgl. BONACKER/IMBUSCH 1999: 90). Während menschenzerstörende<br />

physische Gewalt sichtbar und <strong>von</strong> e<strong>in</strong>em hohen Grad an<br />

E<strong>in</strong>deutigkeit geprägt ist (vgl. ebd.: 87), wird als psychische Gewalt der Zwang bezeichnet,<br />

der Menschen an der Verwirklichung ihrer Fähigkeiten h<strong>in</strong>dert (vgl. SENG-<br />

HAAS 1974: 115). Strukturelle Gewalt ist <strong>in</strong> der Organisation <strong>von</strong><br />

Gesellschaftsordnungen e<strong>in</strong>gebaut und äußert sich <strong>in</strong> ungleichen Macht- und Besitzverhältnissen<br />

sowie <strong>in</strong> ungleichen Lebenschancen (vgl. ebd.: 117). 13<br />

In handlungstheoretischer Perspektive liegen e<strong>in</strong>er Gewalthandlung folgende Merkmale<br />

zugrunde (vgl. VOGEL 1989: 252; ZIMMERMANN 1999: 556f): Gewalt geht <strong>von</strong><br />

Menschen gegen Menschen und Sachen aus, wobei die Gewalthandelnden auf e<strong>in</strong>e<br />

Schädigung ihrer Handlungsobjekte abzielen. Insofern besteht Gewalt <strong>in</strong> der Anwendung<br />

wie auch bereits <strong>in</strong> der Androhung <strong>von</strong> Mitteln zur Ausübung physischer<br />

Kraft und/oder psychischen Zwangs. Die gesamte Handlung ist <strong>von</strong> Zwang charakterisiert,<br />

d.h. durch Gewalt wird e<strong>in</strong>e Handlung oder die Duldung e<strong>in</strong>er solchen bei<br />

e<strong>in</strong>em Individuum erzwungen, die es freiwillig nicht durchgeführt hätte. Hierzu kann<br />

aus systemtheoretischer Perspektive angefügt werden, dass Gewalt die Kommunikation<br />

<strong>von</strong> Unvermeidbarkeit ist und damit e<strong>in</strong>e E<strong>in</strong>schränkung <strong>von</strong> Handlungsoptionen<br />

darstellt, auf die man nur auf drei Wegen reagieren kann: (1) Aufgabe –<br />

E<strong>in</strong>gestehen der Deoptionalisierung und Abbruch der Kommunikation, (2) Kampf –<br />

weitere Kommunikation über Rekursionen des Unvermeidbaren oder (3) Lösung –<br />

Wiedere<strong>in</strong>führung <strong>von</strong> Optionen auf Grundlage der <strong>in</strong> der Situation vorhandenen<br />

oder extern gewonnenen Ressourcen (vgl. BAECKER 1996: 101).<br />

VOGEL (1989: 252) erkennt <strong>in</strong> der Gewaltanwendung e<strong>in</strong> „ultimatives Mittel der<br />

Machtausübung im Rahmen e<strong>in</strong>seitiger Über- bzw. Unterordnungsverhältnisse beru-<br />

wendung um psychische, strukturelle und kulturelle Dimensionen erweitert wurde und das<br />

heutige Gewaltverständnis zum Teil auch ohne Täter auskommt (vgl. SENGHAAS 1974: 112f;<br />

NEIDHARDT 1986: 139).<br />

13 GALTUNGs Gewaltkonzeption wird als allumfassend und darum <strong>in</strong>flationär kritisiert (vgl.<br />

NEIDHARDT 1986: 130; PAPCKE 1991: 196f; BAECKER 1996), so dass sie sich eher als politischer<br />

Kampfbegriff denn zur wissenschaftlichen <strong>Analyse</strong> eigne (vgl. ZIMMERMANN 1999:<br />

558).<br />

19


Theoretische Grundlagen der Konfliktanalyse<br />

hend auf äußerlicher Überlegenheit ohne Anerkennung durch die Unterlegenen“.<br />

Vom allgeme<strong>in</strong>en Gewalthandeln unterscheidet ZIMMERMANN (1999: 557) politische<br />

Gewalt als „Akte der Zerstörung und Verletzung, deren Ziel, Wahl der Objekte und<br />

Opfer, Umstände, Ausführung und/oder (beabsichtigte) Wirkungen <strong>in</strong> der Bee<strong>in</strong>flussung<br />

des Verhaltens anderer Personen oder <strong>von</strong> Institutionen bestehen.“ Spezifisch<br />

politisch wird Gewalt durch ihren Prozesscharakter, durch die verschiedenen Kategorien<br />

<strong>von</strong> Handelnden sowie durch den E<strong>in</strong>satz <strong>von</strong> Verhandlungs-, Zwangs- und<br />

Terrorelementen (vgl. ebd.). 14 In diesem Zusammenhang s<strong>in</strong>d die Aspekte der Legalität<br />

und Legitimität <strong>von</strong> Gewalt wesentlich. Ausgehend <strong>von</strong> der klassischen Staatskonzeption,<br />

die im Staat das Monopol legitimer physischer Gewalt ansetzt (vgl.<br />

WEBER 1976: 29), können idealtypisch <strong>vier</strong> Fälle differenziert werden: (a) Die Legalität<br />

und Legitimität der ausgeübten Gewalt ist gleichermaßen gegeben. Dies wird v.a.<br />

<strong>von</strong> demokratischen Systemen beansprucht. (b) Die ausgeübte Gewalt ist weder legal<br />

noch legitim, was e<strong>in</strong>em Fall der re<strong>in</strong>en „Schreckensherrschaft“ (ZIMMERMANN<br />

1999: 559) gleichkommt. (c) Die angewendete Gewalt ist zwar legal, ihre Legitimität<br />

wird jedoch aberkannt. <strong>E<strong>in</strong>e</strong> solche Strategie können etwa soziale Gruppen anwenden,<br />

wenn sie die politische Ordnung herausfordern wollen. (d) Die Gewalt ist illegal,<br />

wird aber <strong>von</strong> den Protagonisten als legitim aufgefasst. Beispielsweise wird <strong>in</strong> vielen<br />

Fällen des politischen Protests auf die moralische Richtigkeit des Handelns im S<strong>in</strong>ne<br />

des Friedens oder der Freiheit h<strong>in</strong>gewiesen. Das Fehlen der Legitimität verweist wiederum<br />

auf die Unvere<strong>in</strong>barkeit <strong>von</strong> politischer Geme<strong>in</strong>schaft und der Anwendung<br />

<strong>von</strong> Zwang zu ihrer Konstituierung: „Je mehr sich e<strong>in</strong>e Regierung oder politische<br />

Ordnung auf Gewalt- oder Zwangsmechanismen stützen muss, desto gefährdeter<br />

wird sie.“ (ZIMMERMANN 1999: 557) Für BOUDON/BOURRICAUD (1992: 175) ist<br />

Gewalt darum der „Horizont des sozialen Lebens“: „Sie stellt die äußerste Grenze<br />

dar, die Schwelle, jenseits derer die Individuen ke<strong>in</strong>e authentische Geme<strong>in</strong>schaft<br />

mehr bilden.“<br />

Für die vorliegende Fragestellung relevant ist die Unterscheidung <strong>von</strong> strategischer<br />

und anomischer Gewalt zur Erklärung der Entstehung <strong>von</strong> Gewalt (vgl. BO-<br />

UDON/BOURRICAUD 1992: 175f). In der strategischen Auffassung wird Gewalt als<br />

Machtressource betrachtet, welche die Schwächsten der Willkür derjenigen aussetzt,<br />

die sie bedrohen. Die strategische Komponente besteht dar<strong>in</strong>, dass der Gewalthan-<br />

14 Zur Charakterisierung und Systematisierung <strong>von</strong> Gewalthandlungen vgl. VOGEL 1989: 253;<br />

ZIMMERMANN 1999: 558.<br />

20


Theoretische Grundlagen der Konfliktanalyse<br />

delnde erwartet, alle<strong>in</strong> durch das Androhen <strong>von</strong> Gewalt se<strong>in</strong> Ziel erreichen zu können.<br />

Dabei muss der Gewalthandelnde das Risiko e<strong>in</strong>gehen, dass se<strong>in</strong>e Drohung<br />

nicht ernst genommen wird und er darum zu e<strong>in</strong>em Beweis se<strong>in</strong>er Gewaltkapazität<br />

genötigt wird. Handelt es sich <strong>in</strong> der Gewaltsituation strukturell um e<strong>in</strong>en Nullsummenspiel,<br />

das gegebenenfalls für e<strong>in</strong>en hohen Gew<strong>in</strong>n die Vernichtung des Gegners<br />

voraussetzt, besteht zudem die Gefahr der Selbstvernichtung (vgl. ebd.: 181f). Im<br />

Gegensatz dazu entsteht anomische Gewalt <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Situation der Anomie, die <strong>in</strong><br />

e<strong>in</strong>em weiten S<strong>in</strong>ne als der vollständige oder partielle Verlust der Wirksamkeit des<br />

normativen Systems verstanden wird. Insofern ergibt sich anomische Gewalt aus der<br />

Ausbreitung aggressiven Verhaltens <strong>in</strong> Teilen der Gesellschaft, <strong>in</strong> welchen es zu e<strong>in</strong>em<br />

Ordnungsverlust kommt und im Zuge dessen unzureichend sozialisierte Individuen<br />

oder Gruppen ihre Selbstkontrolle bzw. die Fähigkeit, ihr Verhalten bewusst zu<br />

steuern, verlieren (vgl. ebd.: 175). Demnach wird <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Kontext moralischer<br />

Anomie die Achtung des Individuums vor Gesetz und Sitte zerstört, so dass diese<br />

e<strong>in</strong>e Haltung e<strong>in</strong>es egoistischen Überlebenskampfs e<strong>in</strong>nehmen (vgl. ebd.: 177f). Obwohl<br />

BOUDON/BOURRICAUD (1992: 177) e<strong>in</strong>räumen, dass die Zusammenhänge zwischen<br />

Gewalt und Anomie außerordentlich kompliziert s<strong>in</strong>d, wird aus diesem<br />

Zusammenhang das große Gewicht wirksamer Institutionen für die Austragung <strong>von</strong><br />

<strong>Konflikten</strong> im Allgeme<strong>in</strong>en und die Verh<strong>in</strong>derung oder M<strong>in</strong>imierung <strong>von</strong> Gewalthandeln<br />

deutlich. Die Unwirksamkeit <strong>in</strong>stitutioneller Sanktionen gegen Aggressoren<br />

kann zur allgeme<strong>in</strong>en Unsicherheit führen, die wiederum e<strong>in</strong>en weiteren Schritt zur<br />

Eskalation bedeutet, da das Gewaltmonopol <strong>in</strong> Frage gestellt wird. Mögliche Folgen<br />

s<strong>in</strong>d etwa die Privatisierung <strong>von</strong> Gewalt (z.B. Privatmilizen, Lynchjustiz) oder die<br />

Anrufung repressiver E<strong>in</strong>richtungen wie die Streitkräfte (vgl. ebd.):<br />

„Erfüllen die staatlichen Institutionen ihre Aufgaben nicht im Rahmen vorgeschriebener<br />

oder durch Gewohnheit festgelegter Regeln, kann es zu e<strong>in</strong>em Legitimitätsverlust kommen<br />

(die charismatische Herrschaft kann als Ausnahmefall gelten), der e<strong>in</strong>e Vorbed<strong>in</strong>gung für<br />

e<strong>in</strong>e <strong>in</strong>terne Krise und möglicherweise e<strong>in</strong>e spätere Revolution ist.“ (ZIMMERMANN 1999:<br />

559)<br />

Kollektiv erfahrbar wird Anomie <strong>in</strong>sbesondere im Kontext rapider sozialer und politischer<br />

Transformationsprozesse. Soziale Des<strong>in</strong>tegration, die Entstehung neuer Ungleichheiten<br />

sowie die Auflösung <strong>von</strong> Normensystemen werden <strong>in</strong> Verb<strong>in</strong>dung mit<br />

der Zunahme <strong>von</strong> Krim<strong>in</strong>alität gesetzt (vgl. MALTZAN 1998: 12; MILLNER 1998: 10).<br />

Dabei stehen die Schwäche <strong>von</strong> Institutionen, Anomie, Krim<strong>in</strong>alität und Gewalt <strong>in</strong><br />

e<strong>in</strong>em <strong>in</strong>terdependenten Zusammenhang. Nährboden für Krim<strong>in</strong>alität und Gewalt<br />

s<strong>in</strong>d Situationen schwacher Institutionalisierung <strong>in</strong>folge vorherrschender sozialer und<br />

politischer Konflikte oder <strong>in</strong> der Folgezeit gewaltsamer Ause<strong>in</strong>andersetzungen, <strong>in</strong> der<br />

21


Theoretische Grundlagen der Konfliktanalyse<br />

v.a. Kle<strong>in</strong>waffen noch stark verbreitet s<strong>in</strong>d. Vor e<strong>in</strong>em <strong>von</strong> Armut und Ungleichheit<br />

geprägten gesellschaftlichen H<strong>in</strong>tergrund gilt Mangel an Ressourcen und fehlende<br />

Zugangsmöglichkeiten zu diesen als e<strong>in</strong> Erklärungsansatz für die hohe Krim<strong>in</strong>alität<br />

(vgl. MILLNER 1998: 10). Insofern geht man da<strong>von</strong> aus, dass sozioökonomische<br />

Entwicklung Krim<strong>in</strong>alität e<strong>in</strong>dämmen kann. Jedoch ist die durch e<strong>in</strong>e hohe Krim<strong>in</strong>alitätsrate<br />

erzeugte Unsicherheit e<strong>in</strong>e massive Entwicklungsbremse. Und auch die<br />

Entwicklung selbst kann die Ursache für Krim<strong>in</strong>alität und Gewalt se<strong>in</strong> (vgl. ebd.). 15<br />

Höchstproblematisch ist es, wenn die Polizei selbst Teil des Krim<strong>in</strong>alitätsproblems<br />

ist. Im Extremfall bilden schwache Institutionen und krim<strong>in</strong>elle Gewalt e<strong>in</strong>en Teufelskreis.<br />

Sowohl aufgrund ihrer des<strong>in</strong>tegrativen und zerstörerischen Wirkung als auch aufgrund<br />

der mit Gewalt verbundenen hohen gesellschaftlichen Kosten (z.B. Schutzmaßnahmen,<br />

sozioökonomischer Stillstand) wird Gewalt abgelehnt. Doch wird das<br />

Ziel der Gewaltfreiheit kontrovers diskutiert. Während etwa FLECHTHEIM (1972:<br />

302ff) <strong>in</strong> Anlehnung an gewaltfreie Protesthandlungen im Dekolonisationskontext<br />

(z.B. M. K. GANDHI <strong>in</strong> Indien) gewaltfreie „Kampftechniken“ und Formen des politischen<br />

Protestes normativ gutheißt, argumentiert WELLMANN (1997) stellvertretend<br />

für e<strong>in</strong>e skeptische Position, dass die normative Orientierung an gewaltfreien Ordnungen<br />

schwer zu halten ist. Implizit wird die Moderne gewaltfrei gedacht und die<br />

Affektkontrolle be<strong>in</strong>ahe def<strong>in</strong>itorisch als Bestandteil der Modernisierungstheorie im<br />

S<strong>in</strong>ne des Zivilisationsprozesses nach ELIAS anerkannt (vgl. JOAS 1996: 15f). Während<br />

die Unterdrückung, Meidung und Sublimierung <strong>von</strong> Gewalt als Zeichen der<br />

Zivilisierung gilt, steht Krieg und Gewalt als Ausdruck der ‚barbarischen’ Vormoderne.<br />

Menschenrechte und Modernisierung gründen historisch auf Gewalt (vgl. LIE-<br />

NEMANN 1997: 56). Nicht nur waren Gewalt und Krieg an der Entstehung der<br />

Moderne beteiligt, sondern „[...] Krieg und Bürgerkrieg [haben] die Moderne, wie wir<br />

sie kennen, <strong>in</strong> ihrem <strong>in</strong>nersten Wesen geprägt […].“ (JOAS 1996: 24)<br />

Da die M<strong>in</strong>imierung und Kontrolle gewaltsamer Konfliktaustragungsmodi wirkungsvoller<br />

Institutionen bedarf, welche die Rechte des E<strong>in</strong>zelnen zugunsten des Allgeme<strong>in</strong>wohls<br />

e<strong>in</strong>schränken können, kommt es zu e<strong>in</strong>em Zielkonflikt zwischen<br />

15 Für die Verbreitung e<strong>in</strong>es anomischen Klimas ist nicht alle<strong>in</strong> die tatsächliche Krim<strong>in</strong>alitätsentwicklung<br />

entscheidend. <strong>E<strong>in</strong>e</strong> mediale „Übersensibilisierung“ ebenso wie zivilgesellschaftliche<br />

Eigen<strong>in</strong>itiativen zur Wiedererstellung <strong>von</strong> Sicherheit fördern die Wahrnehmung e<strong>in</strong>es<br />

rechtsfreien Raumes und der Ineffektivität der hierfür verantwortlichen staatlichen Institutionen<br />

und damit die Unterm<strong>in</strong>ierung der Vertrauensgrundlage <strong>in</strong> Polizei und Gerichte (vgl.<br />

MALTZAN 1998: 14; MILLNER 1998: 10).<br />

22


Theoretische Grundlagen der Konfliktanalyse<br />

Sicherheit und Freiheit (vgl. CZEMPIEL 1997: 35; GLAEßNER 2002). In e<strong>in</strong>er selbstreferentiellen<br />

Schleife rekurrieren politische Systeme auf die Androhung und Anwendung<br />

legaler und legitimer Gewalt, um illegale oder illegitime Gewalt zu begrenzen<br />

und zu kontrollieren (vgl. BAECKER 1996: 95). Damit nimmt das politische System<br />

das Recht zur Selbstverteidigung gegen erklärte Fe<strong>in</strong>de und zur Anwendung <strong>von</strong><br />

Zwang zur Verwirklichung der staatlichen Rechts- und Wohlfahrtszwecke wahr (vgl.<br />

BOUDON/BOURRICAUD 1992: 175): „E<strong>in</strong> totaler Verzicht auf Gewalt wäre unter<br />

diesem Aspekt unvere<strong>in</strong>bar mit der Staats- und Rechtssicherheit.“ (ZIMMERMANN<br />

1999: 558) Das Ziel der Gewaltfreiheit muss darum relati<strong>vier</strong>t werden. Hierzu schlägt<br />

PAPCKE (1991: 196) vor, dass das Ziel der Gewaltfreiheit nur dort formuliert werden<br />

kann, wo Gewalt als vermeidbar gilt. Dabei sollen die <strong>in</strong>nergesellschaftlichen Strukturen<br />

und Verfahrensweisen der Konfliktbearbeitung als Zivilisationsstandards<br />

zugrunde gelegt werden. LIENEMANN (1997: 51f) stimmt pr<strong>in</strong>zipiell dem Ziel der<br />

Gewaltfreiheit zu. Doch gäbe es Grundsätze, welche – wenn sie missachtet werden –<br />

durch Gegengewalt verteidigt werden dürfen, solange die Gegengewalt wiederum<br />

dem Recht unterworfen bleibt.<br />

2.2 Konflikttheorien<br />

Die „Allgegenwärtigkeit <strong>von</strong> <strong>Konflikten</strong>“ (BONACKER/IMBUSCH 1999: 73) begründet<br />

den zentralen Stellenwert des Konfliktbegriffs <strong>in</strong> den Sozialwissenschaften. Jedoch<br />

wurde trotz – oder auch: aufgrund – der Vielzahl theoretischer Ansätze und Forschungsperspektiven<br />

weder e<strong>in</strong>e eigenständige, allgeme<strong>in</strong> akzeptierte Konflikttheorie<br />

entwickelt noch erfolgte e<strong>in</strong>e zufrieden stellende Integration des Themas <strong>in</strong> die vorhandenen<br />

Großtheorien (vgl. IMBUSCH 1999: 117ff). Die genu<strong>in</strong> konflikttheoretischen<br />

Ansätze werden als eng und e<strong>in</strong>seitig kritisiert. Nicht nur knüpften sie nur<br />

unzureichend und unsystematisch an das Begriffssystem der modernen Soziologie an,<br />

auch verblieben sie oftmals nur auf der Ebene der Deskription (vgl. ebd.). H<strong>in</strong>derlich<br />

s<strong>in</strong>d hierbei die starken Unterschiede im Verständnis <strong>von</strong> Konflikt (vgl. IMBUSCH<br />

1999: 120ff). Zum e<strong>in</strong>en wird der Begriff normativ gebraucht, so dass sich <strong>in</strong> e<strong>in</strong>igen<br />

Fällen die Werthaltungen bzw. Interessen des Forschenden <strong>in</strong> der Def<strong>in</strong>ition niederschlagen.<br />

16 Zum anderen verschiebt sich der semantische Inhalt aufgrund se<strong>in</strong>er<br />

Verwendung <strong>in</strong> der Alltagssprache und <strong>in</strong> den unterschiedlichen Sprachräumen.<br />

16 Dies wird beispielsweise deutlich <strong>in</strong> der Konzipierung <strong>von</strong> ‚Konflikt als Negativzustand’<br />

(Abwesenheit <strong>von</strong> Harmonie) oder ‚Konflikt als sozialer Tatbestand’ (Unausweichlichkeit<br />

<strong>von</strong> Interessendifferenzen).<br />

23


Theoretische Grundlagen der Konfliktanalyse<br />

Darüber h<strong>in</strong>aus sorgt die unterschiedlich weite Konzeption des Begriffs für Inkompatibilität:<br />

<strong>E<strong>in</strong>e</strong> enge Auffassung hat die Ausblendung großer Teile des Sozialen zur<br />

Folge, während e<strong>in</strong>e weite Auslegung zu e<strong>in</strong>er stärkeren, aber nicht notwendigerweise<br />

vorteilhaften B<strong>in</strong>nendifferenzierung des Begriffs führen muss. Schließlich liegt <strong>in</strong> der<br />

Komplexität des Gegenstands e<strong>in</strong>e wesentliche Erschwernis. Bei der Entwicklung<br />

<strong>von</strong> Kausalmodellen etwa besteht e<strong>in</strong> Grundproblem dar<strong>in</strong>, dass es bislang nicht<br />

gelungen ist, die tatsächlich für e<strong>in</strong>en Konflikt notwendigen Bed<strong>in</strong>gungen zu ermitteln.<br />

Die Zahl h<strong>in</strong>reichender Bed<strong>in</strong>gungen ist zwar groß, doch lassen sich diese im E<strong>in</strong>zelnen<br />

nicht <strong>in</strong> jedem Konfliktfall wieder f<strong>in</strong>den.<br />

Im H<strong>in</strong>blick auf die theoretische Erfassung <strong>von</strong> Akteursmotivationen und Handlungsoptionen<br />

sowie des Verlaufs <strong>von</strong> <strong>Konflikten</strong> bestehen große Unterschiede und<br />

zum Teil auch noch Unklarheit. Zweifelsfreie Erklärungen können weder biologische<br />

und psychologische Konflikttheorien, welche die menschliche Konfliktneigung auf<br />

e<strong>in</strong> angeborenes Aggressionsbedürfnis zurückführen, noch die Frustrations-<br />

Aggressions-Theorien anbieten (vgl. WEEDE 1992: 315). Gegenwärtig lassen sich <strong>in</strong><br />

der Konfliktforschung grob <strong>vier</strong> Erklärungsansätze bestimmen (vgl. SMITH 2001:<br />

10f):<br />

(1) Dem Ansatz der relativen Deprivation zufolge führt die Verweigerung <strong>von</strong> Zugangsrechten<br />

zu <strong>Konflikten</strong>. Als besonders konfliktiv gilt die Deprivation ethnisch<br />

def<strong>in</strong>ierter Gruppen (vgl. RUPESINGHE 1998: 45ff). Jedoch führt ethnische Vielfalt an<br />

sich nicht zum Konflikt (vgl. WEEDE 1992: 316). ZIMMERMANN (1999: 560f) nennt<br />

<strong>vier</strong> Bed<strong>in</strong>gungen dafür, dass ethnokulturelle Faktoren e<strong>in</strong>e Relevanz für Konflikte<br />

entfalten: (a) e<strong>in</strong> zahlenmäßiges Ungleichgewicht der ethnokulturellen Bevölkerungsgruppen,<br />

(b) Separation <strong>in</strong>folge willkürlicher Grenzziehung, (c) Zunahme des Anspruchsbewusstse<strong>in</strong>s<br />

<strong>in</strong>folge <strong>von</strong> Entwicklung, Modernisierung, Aufklärung etc.<br />

sowie (d) die Überlagerung und damit Verschärfung gesellschaftlicher Spannungsl<strong>in</strong>ien.<br />

(2) Während die Friedfertigkeit zwischen demokratisch verfassten Staaten als unumstritten<br />

gilt (vgl. CZEMPIEL 1997: 36; ZIMMERMANN 1999: 570; Zu Kritik vgl. MER-<br />

RITT/ZINNES 1993), wird autokratischen Systemen e<strong>in</strong>e Neigung zur Anwendung<br />

<strong>von</strong> Gewalt – nach <strong>in</strong>nen wie nach außen – nachgesagt (vgl. MERKEL 1999: 35ff;<br />

MERKEL/CROISSANT 2000). Demokratische Systeme tolerieren e<strong>in</strong> nennenswertes<br />

Ausmaß an politischer Gewalt, da die frühzeitige Reaktion auf die durch diese „normale<br />

Pathologie“ (ZIMMERMANN 1999: 562) angezeigten Missstände e<strong>in</strong>e langfristige<br />

24


Theoretische Grundlagen der Konfliktanalyse<br />

Stabilisierung des Systems bedeuten können. Umgekehrt belegen Studien die eskalierende<br />

Wirkung starker staatlicher Repression, etwa wenn politischer Protest <strong>in</strong> den<br />

Untergrund gedrängt wird (vgl. BOUDON/BOURRICAUD 1992: 178; ZIMMERMANN<br />

1999: 561). Oftmals reagieren autokratische Systeme auf politischen Protest mit äußerster<br />

Intoleranz und Konformismus, nicht zuletzt da <strong>in</strong> totalitären Gesellschaften<br />

Gewalt e<strong>in</strong>e zentrale Ressource darstellt (vgl. BOUDON/BOURRICAUD 1992: 178).<br />

(3) E<strong>in</strong>ige Ansätze postulieren die Konflikthaftigkeit ökonomischer Unterentwicklung,<br />

wobei die starke Konkurrenz um die knappen Ressourcen im Vordergrund<br />

steht. Dabei geht man da<strong>von</strong> aus, dass: „wirtschaftlich entwickeltere Staaten mit differenzierter<br />

sozialer Infrastruktur (z.B. soziale Sicherungssysteme) und hoher Legitimität<br />

[…] <strong>in</strong> der Regel weniger gewaltsame <strong>in</strong>terne Konflikte auf[weisen]“<br />

(ZIMMERMANN 1999: 560). Zwar s<strong>in</strong>d weiterh<strong>in</strong> nennenswerte Ausmaße an politischem<br />

Protest <strong>in</strong> wirtschaftlich erfolgreichen Gesellschaften festzustellen, doch verlaufen<br />

diese <strong>in</strong> vergleichsweise schwacher Form. Ausschlaggebend s<strong>in</strong>d jedoch die<br />

sozioökonomische Ungleichheit und die daraus resultierende Dauerunzufriedenheit<br />

(vgl. WALTER 2001). ZIMMERMANN (1999: 560) führt e<strong>in</strong>e gewalt<strong>in</strong>tensive Konfliktaustragung<br />

auf e<strong>in</strong>e starke allgeme<strong>in</strong>e Unzufriedenheit, dem Zweifel an der Legitimität<br />

der bestehenden politischen Ordnung, der Verfügung über Möglichkeiten zur<br />

Organisierung <strong>von</strong> Protest und dem Fehlen gewaltloser Alternativen des Protestausdrucks<br />

zurück.<br />

(4) Schließlich werden Konflikte im Zusammenhang mit (ökologischen) Ressourcen<br />

gesehen. <strong>E<strong>in</strong>e</strong> nicht unumstrittene These geht da<strong>von</strong> aus, dass Knappheit und Degradation<br />

<strong>von</strong> Umweltressourcen aufgrund der ger<strong>in</strong>gen Adaptionskapazität <strong>von</strong><br />

Regierungen zum Konflikt führen (vgl. HOMER-DIXON 1999). Bisher gelang weder<br />

der Nachweis dafür, dass Ressourcenknappheit zu Konflikt führt noch dass ausreichende<br />

Ressourcen e<strong>in</strong>en Konflikt verh<strong>in</strong>dern. 17 In e<strong>in</strong>er weiteren These wird die Art<br />

der Ressourcen als entscheidend für die Konfliktneigung und den Konfliktverlauf<br />

gesehen: So können Ressourcen, deren Gew<strong>in</strong>nung e<strong>in</strong>en ger<strong>in</strong>gen technischen Aufwand<br />

und Standard erfordern (wie z.B. Diamanten), eher Konflikt verlängernd wirken<br />

als solche, bei denen e<strong>in</strong>e komplexe Infrastruktur zur Produktion- und<br />

17 Im ersten Fall müssen zahlreiche <strong>in</strong>tervenierende Variablen berücksichtigt werden, die konfliktverh<strong>in</strong>dernd<br />

wirken können, z.B. Adaptions- und Innovationsprozesse, Rekurs auf Erfahrungs-<br />

und Wissensbestände oder <strong>in</strong>stitutionelle Rahmenbed<strong>in</strong>gungen, die<br />

konfliktverschärfendes Verhalten negativ und <strong>in</strong>tegratives, stabilisierendes sowie produktives<br />

Verhalten positiv sanktionieren. Im zweiten Fall spielen der Zugang und die Verteilung der<br />

Ressourcen e<strong>in</strong>e zentrale Rolle.<br />

25


Theoretische Grundlagen der Konfliktanalyse<br />

Weiterverarbeitung notwendig ist wie z.B. Öl (vgl. BALLENTINE/NITZSCHKE 2003:<br />

452f).<br />

<strong>E<strong>in</strong>e</strong> wesentliche Schwierigkeit bei der Generierung <strong>von</strong> Kausalitätsmodellen für<br />

Konflikte ist, dass Ursachen oftmals als Bündel wirken und sich nicht isolieren bzw.<br />

gewichten lassen (vgl. PFETSCH 1993: 39f; DAC 1997: 10f). Nicht zuletzt aufgrund<br />

des Primats der Praxisorientierung <strong>in</strong> der Konfliktforschung werden theoretisch aufwändige<br />

Erklärungsmodelle zugunsten <strong>von</strong> empirischen Deskriptionen oder theoretischen<br />

Systematisierungen <strong>von</strong> <strong>Konflikten</strong> aufgegeben. Doch bereits der Erfassung<br />

konfliktrelevanter Fakten stehen e<strong>in</strong>ige H<strong>in</strong>dernisse im Wege (vgl. DAC 1997: 10ff).<br />

Neben dem methodischen Problem der Informationsbeschaffung (vgl. RUPESINGHE<br />

1998: 67, 76) wirkt beispielsweise die Konzentration auf stattgefundene Ereignisse<br />

verzerrend, da nicht selten relevante aber latente Spannungszustände (‚Nichtereignisse’)<br />

vernachlässigt werden (vgl. PFETSCH 1993: 41).<br />

Systematisierungen haben <strong>in</strong> erster L<strong>in</strong>ie die Funktion, die <strong>Analyse</strong> <strong>von</strong> Zusammenhängen<br />

und die Entwicklung <strong>von</strong> Modellen zu erleichtern (vgl. RUPESINGHE 1998:<br />

33). E<strong>in</strong> zentrales Differenzierungskriterium ist der Konfliktgegenstand, weil aus<br />

diesem Schlüsse über die Bearbeitbarkeit abgeleitet werden. So gilt für Interessensund<br />

Verteilungskonflikte, dass e<strong>in</strong> Kompromiss pr<strong>in</strong>zipiell möglich ist, da der Konfliktgegenstand<br />

teilbar ist. H<strong>in</strong>gegen wird e<strong>in</strong> Werte- oder Identitätskonflikt als unteilbar<br />

e<strong>in</strong>geschätzt. Jedoch können auch Konflikte mit sche<strong>in</strong>bar unteilbaren<br />

Gegenständen durch entsprechende Transformation oder Umverteilung <strong>in</strong> akzeptable<br />

Lösungen überführt werden (vgl. MEYER 1997: 32-35). Tatsächlich kommt es oftmals<br />

zu e<strong>in</strong>er Überlagerung und Vermengung <strong>von</strong> Verteilungs- und Wertekonflikten.<br />

Im H<strong>in</strong>blick auf die Konfliktwahrsche<strong>in</strong>lichkeit wird der Verteilungsstruktur <strong>von</strong><br />

Ressourcen e<strong>in</strong> großes Gewicht beigemessen, wobei die Wahrsche<strong>in</strong>lichkeit e<strong>in</strong>er<br />

Eskalation mit dem Grad der Asymmetrie der Verteilung zunimmt (vgl. MEYER<br />

1997: 42f). Während MATTHIES (1997c: 535) alle Kriege und Konflikte grundsätzlich<br />

als lösbar e<strong>in</strong>schätzt, hängt MEYER (1997: 31) zufolge die Lösbarkeit vom zugrunde<br />

gelegten Konfliktbegriff ab. Ähnlich argumentiert ZARTMAN (1991), der die Art der<br />

Bearbeitung <strong>von</strong> <strong>Konflikten</strong> mit der theoretischen Konzeption <strong>von</strong> Konflikt <strong>in</strong> Beziehung<br />

setzt:<br />

(1) Wird Konflikt als Folge unilateral orientierter Zielverfolgung verstanden – d.h.<br />

e<strong>in</strong>e souveräne Partei versucht, ohne Rücksicht auf die Interessen anderer, ihr Ziel zu<br />

erreichen – und ist <strong>von</strong> der pr<strong>in</strong>zipiellen Inkompatibilität der Interessen und Lösun-<br />

26


Theoretische Grundlagen der Konfliktanalyse<br />

gen auszugehen, kann die Lösung des Konflikts durch Befriedigung der angeführten<br />

Bedürfnisse herbeigeführt werden.<br />

(2) Wird Konflikt als Nutzenmaximierung nach e<strong>in</strong>er Abwägung <strong>von</strong> Kosten und<br />

Nutzen gedeutet, müssen für e<strong>in</strong>e Lösung des Konflikts die Kontextbed<strong>in</strong>gungen<br />

stärker berücksichtigt werden. In diesem Modell spielt Zeit e<strong>in</strong>e zentrale Rolle und<br />

der Variablenraum wird stark erweitert: Der Konfliktverlauf ist hier<strong>in</strong> genauso ausschlaggebend<br />

wie die Konfliktfolgen selbst (vgl. ebd.: 16).<br />

(3) Wird Konflikt als Ergebnis etablierter Handlungsmuster mit dem Ziel der<br />

Durchsetzung spezifischer Vorstellung <strong>von</strong> der richtigen politischen oder sozialen<br />

Ordnung aufgefasst, müssen Konfliktlösungen sehr umfangreich angesetzt werden.<br />

E<strong>in</strong> Konflikt wird <strong>in</strong> diesem Modell e<strong>in</strong>em Regimewandel gleichgesetzt. Der Konflikt<br />

und se<strong>in</strong>e Lösung s<strong>in</strong>d zwei Seiten der gleichen Medaille (vgl. ebd.: 18). Dieser<br />

Ansatz ist umfassend und bezieht die vorangegangenen Modelle mit e<strong>in</strong>.<br />

Ursachenmodelle. Die Modelle zur Erklärung der Entstehung und Entwicklung<br />

<strong>von</strong> <strong>Konflikten</strong> bauen überwiegend auf e<strong>in</strong>er Gegenüberstellung der Faktoren, die<br />

zum Konflikt führen bzw. e<strong>in</strong>en Konflikt nicht verh<strong>in</strong>dern können und jenen, die<br />

e<strong>in</strong>en Konflikt entschärfen können. Konfliktfördernde Faktoren werden im H<strong>in</strong>blick<br />

auf ihre Wirkung über die Zeit, ihre Intensität und Dynamik sowie ihre Steuerbarkeit<br />

üblicherweise <strong>in</strong> drei Faktorengruppen differenziert: (1) strukturelle Ursachen, (2)<br />

Widerspruch verschärfende Faktoren sowie (3) konfliktauslösende Faktoren. 18<br />

(1) Strukturelle Ursachen (root causes) — Unter strukturellen Ursachen e<strong>in</strong>es Konflikts<br />

s<strong>in</strong>d die Zusammenhänge zu verstehen, die als soziale und politische aber auch ökologische<br />

Bed<strong>in</strong>gungen wirkend zur Entstehung bzw. Eskalation <strong>von</strong> <strong>Konflikten</strong> beitragen.<br />

Ihre Bedeutung liegt zum e<strong>in</strong>en <strong>in</strong> der langfristigen Wirkung auf die<br />

<strong>Konflikten</strong>twicklung, zum anderen <strong>in</strong> der Schwierigkeit, sie konfliktm<strong>in</strong>dernd zu<br />

bee<strong>in</strong>flussen. Zum Teil werden jedoch strukturelle Faktoren anthropogenen Ursprungs<br />

gesondert berücksichtigt, da diese als eher steuerbar bzw. bee<strong>in</strong>flussbar gelten.<br />

19 Darüber h<strong>in</strong>aus ist ihre Wirkungsweise nur schwer zu fassen. Zu den<br />

18 Die verwendeten Bezeichnungen unterscheiden sich je nach Autor ger<strong>in</strong>gfügig. Beispielsweise<br />

differenziert RUPESINGHE (1998: 64) zwischen systemic preconditions, enabl<strong>in</strong>g Factors und Trigger<strong>in</strong>g<br />

Events. Die Schweizer Organisation FAST gliedert Konfliktursachen <strong>in</strong> root causes,<br />

proximate causes, positve <strong>in</strong>terven<strong>in</strong>g factors und negative <strong>in</strong>terven<strong>in</strong>g factors (vgl. SCHMEIDL 2001: 32).<br />

19 GLASL (1997) erweitert die verursachenden strukturellen Konfliktfaktoren um den Aspekt<br />

ihrer Veränderung und um Handlungsstrategien der Konfliktakteure. H<strong>in</strong>tergrund ist, dass<br />

27


Theoretische Grundlagen der Konfliktanalyse<br />

strukturellen Ursachen werden u.a. ethnische Diversifizierung, kultureller H<strong>in</strong>tergrund,<br />

Kolonialgeschichte und Ressourcenausstattung gerechnet.<br />

(2) Widerspruch verschärfende Faktoren (aggravat<strong>in</strong>g factors) — Widerspruch verschärfende<br />

Faktoren werden als mittelfristig wirksame Faktoren verstanden und s<strong>in</strong>d nur<br />

bed<strong>in</strong>gt bee<strong>in</strong>flussbar. Ihre Dynamik entfalten sie auf verschiedenen Ebenen des<br />

Politischen und Sozialen. Hierzu können z.B. gezählt werden: transformationsbed<strong>in</strong>gte<br />

Asymmetrien <strong>in</strong> der Ökonomie, Folgewirkungen <strong>von</strong> Strukturanpassungsmaßnahmen,<br />

Landknappheit, zunehmende Knappheit <strong>von</strong> Umweltressourcen und<br />

Umweltdegradation, des<strong>in</strong>tegrative Entwicklungen <strong>in</strong>folge der Verbreitung <strong>von</strong><br />

AIDS, Ausschluss <strong>von</strong> sozialen oder ethnischen Gruppen, regionale oder parteipolitische<br />

Ause<strong>in</strong>andersetzungen, Schwächung staatlicher Institutionen, Politisierung<br />

sozioökonomischer Disparitäten, Korruption sowie die Zunahme gewaltsamer Ause<strong>in</strong>andersetzungen<br />

und die Abnahme <strong>von</strong> Toleranz.<br />

(3) Auslösende Faktoren (trigger<strong>in</strong>g factors) — Unter auslösenden Faktoren werden die<br />

Ereignisse subsumiert, die für die im Widerspruch <strong>in</strong>vol<strong>vier</strong>ten Akteure e<strong>in</strong>en erhöhten<br />

Motivationswert haben – beispielsweise aufgrund ihres symbolischen Gehalts.<br />

Die Aktualität kurzfristiger Ereignisse wie Fehlverhalten <strong>von</strong> politischen Autoritäten<br />

oder Polizeiübergriffe bei Demonstrationen, entwickeln oftmals e<strong>in</strong>e große Dynamik<br />

und fördern die Eskalation bestehender Spannungen.<br />

Insgesamt werden den konflikteskalierenden Faktoren deeskalierende oder konfliktverh<strong>in</strong>dernde<br />

Faktoren (<strong>in</strong>hibit<strong>in</strong>g factors) gegenübergestellt. Sie sollen erklären, weshalb<br />

es trotz identifizierter struktureller Widersprüche und vorhandener<br />

konkurrierender Interessen (noch) nicht zu e<strong>in</strong>er Konflikteskalation gekommen ist.<br />

Obwohl das ‚Kraft-Gegenkraft-Modell’ pr<strong>in</strong>zipiell anerkannt wird, s<strong>in</strong>d ke<strong>in</strong>e gesicherten<br />

Erkenntnisse über die erforderliche Qualität und Quantität der konfliktverh<strong>in</strong>dernden<br />

Faktoren vorhanden. Plausibel sche<strong>in</strong>t, dass <strong>von</strong> erfolgreich<br />

<strong>in</strong>stitutionalisierten Konfliktbearbeitungsmechanismen und e<strong>in</strong>er entsprechenden<br />

politischen Kultur e<strong>in</strong>e Konflikt m<strong>in</strong>dernde Wirkung ausgeht. Aber auch die Leistung<br />

<strong>von</strong> Regierungen oder Entwicklungspolitik können deeskalierende Wirkungen<br />

haben.<br />

strukturelle Faktoren zwar e<strong>in</strong>e Schlüsselgröße zur Erklärung <strong>von</strong> <strong>Konflikten</strong> darstellen, jedoch<br />

nicht die Dynamik <strong>von</strong> Konfliktverläufen erklären können. Zur Entstehung <strong>von</strong> Gewaltpotentialen<br />

s<strong>in</strong>d weitere Impulse erforderlich, die beispielsweise aus dem<br />

Zusammentreffen verschiedener struktureller Faktoren oder ihrer Veränderung entstehen<br />

können (vgl. SPELTEN 2000: 70).<br />

28


Theoretische Grundlagen der Konfliktanalyse<br />

Aufgrund der unterschiedlichen Anzahl der <strong>in</strong>nerhalb der Faktorengruppen berücksichtigten<br />

Zusammenhänge variieren Modelle h<strong>in</strong>sichtlich ihrer Komplexität (vgl.<br />

z.B. RUPESINGHE 1998: 64; SCHMEIDL 2001: 32). Dar<strong>in</strong> spiegeln sich nicht zuletzt die<br />

unterschiedlichen Erwartungen an solche Modelle: Während e<strong>in</strong>e realitätsgetreue und<br />

darum umso komplexere Abbildung <strong>von</strong> <strong>Konflikten</strong> eher theoretischen Ansprüchen<br />

folgt, zeichnen sich praxisorientierte Modelle durch Übersichtlichkeit und Handlungsorientierung<br />

aus.<br />

Konfliktverständnis. <strong>E<strong>in</strong>e</strong> ebenso entscheidende wie schwierige Problemstellung<br />

der Konfliktforschung liegt <strong>in</strong> der Bestimmung der Natur des Konflikts, d.h. <strong>in</strong> der<br />

Frage, <strong>in</strong>wieweit Konflikte notwendig bzw. unvermeidbar s<strong>in</strong>d (vgl. SENGHAAS 1974:<br />

133). Die Diskussion lässt sich gliedern <strong>in</strong> zwei kontrovers diskutierte Fragestellungen:<br />

(1) Ist Konflikt e<strong>in</strong>er Gesellschaft <strong>in</strong>härent oder e<strong>in</strong>e kont<strong>in</strong>gente Handlungsoption<br />

und somit vermeidbar? (2) Ist das soziale Phänomen des Konflikts pathologisch<br />

oder funktional?<br />

Die erste Streitfrage formuliert die Gegenüberstellung <strong>von</strong> Kont<strong>in</strong>genzthese und Inhärenzthese:<br />

Der Kont<strong>in</strong>genzthese zufolge ist e<strong>in</strong> gewaltsam ausgetragener Konflikt e<strong>in</strong>e<br />

<strong>von</strong> mehreren Handlungsoptionen und somit nicht zw<strong>in</strong>gend zur Austragung <strong>von</strong><br />

Interessengegensätzen erforderlich. H<strong>in</strong>gegen wird <strong>in</strong> der Inhärenzthese da<strong>von</strong> ausgegangen,<br />

dass Konflikte jeglichen gesellschaftlichen Organisationsformen <strong>in</strong>härent<br />

und damit unvermeidbar s<strong>in</strong>d (vgl. GURR 1980: 242ff). Je nach Perspektive werden<br />

unterschiedliche Schwerpunkte <strong>in</strong> Forschung und Praxis gesetzt. Die der Kont<strong>in</strong>genzthese<br />

folgende Konfliktforschung analysiert v.a. die Handlungsspielräume <strong>von</strong><br />

Akteuren sowie die Ursachenkomplexe und Wahrsche<strong>in</strong>lichkeiten gewaltsamer Konfliktausbrüche.<br />

In der Praxis ist die Konfliktprävention das wichtigste Anliegen. Forschungsansätze,<br />

die Inhärenzthese vertreten, deuten Gewalt als e<strong>in</strong>e Ressource unter<br />

vielen zur Durchsetzung spezifischer Interessen. Der <strong>Analyse</strong>fokus liegt entsprechend<br />

auf den Bed<strong>in</strong>gungen für e<strong>in</strong>e erfolgreiche Interessendurchsetzung im Zusammenhang<br />

mit bestimmtem Konflikthandeln (vgl. ebd.). Die Transformation <strong>von</strong><br />

<strong>Konflikten</strong> ist das Ziel <strong>in</strong> Konflikt<strong>in</strong>terventionen.<br />

Zugespitzt besteht die zweite Streitfrage dar<strong>in</strong>, ob Konflikte pr<strong>in</strong>zipiell als funktional<br />

oder dysfunktional zu bewerten s<strong>in</strong>d. <strong>E<strong>in</strong>e</strong> Position besagt, dass gewaltsam ausgetragene<br />

Konflikte als pathologisch und damit als unerwünscht aufgefasst werden können,<br />

da sie Menschenleben, Eigentum und soziale Ordnungen zerstören,<br />

ökonomische Entwicklung bremsen und good governance <strong>in</strong> oppressive autocracy wandeln<br />

29


Theoretische Grundlagen der Konfliktanalyse<br />

können (vgl. ebd.: 239). Die gegensätzliche Position hebt die Funktionalität <strong>von</strong><br />

<strong>Konflikten</strong> für e<strong>in</strong>e Gruppe wie auch für die gesamte Gesellschaft hervor. Konflikt<br />

und Gewalt werden als essentieller Bestandteil politischer Ause<strong>in</strong>andersetzung und<br />

notwendige Voraussetzung für Wandel gesehen, woraus nicht unbed<strong>in</strong>gt e<strong>in</strong>e Erwünschtheit<br />

<strong>von</strong> Gewalt abgeleitet werden kann (vgl. ebd.: 241). Die soziale Funktionalität<br />

manifestiert sich etwa <strong>in</strong> Prozessen der Identifikation, Kohäsion und<br />

Solidarität <strong>von</strong> Gruppen (vgl. SIMMEL 1973: 73; DUBIEL 1995: 1096f). Konflikt kann<br />

e<strong>in</strong>e Quelle der Kreativität und des Wandels se<strong>in</strong>, wenn gesellschaftliche Institutionen<br />

zu ihrer Regelung und zur Verh<strong>in</strong>derung <strong>von</strong> Gewaltanwendung entwickelt wurden.<br />

Es lassen sich <strong>vier</strong> idealtypische Bewertungen <strong>von</strong> <strong>Konflikten</strong> unterscheiden: (a) vollständig<br />

pathologische Ersche<strong>in</strong>ung, (b) Dysfunktion, (c) positive sozialisatorische<br />

und system<strong>in</strong>tegrative Funktion sowie (d) re<strong>in</strong> produktive Funktion. In der gesellschaftlichen<br />

Öffentlichkeit werden Konflikte <strong>in</strong> der Regel als dysfunktional und unerwünscht<br />

aufgefasst. Wissenschaftlich vertreten v.a. konservative Gesellschaftstheorien<br />

diese Auffassung, wobei unter der Dysfunktionalität die Bee<strong>in</strong>trächtigung<br />

des Bestands oder der Leistung e<strong>in</strong>es sozialen Systems durch e<strong>in</strong>en Konflikt verstanden<br />

wird (vgl. COSER 1972: 28f). Jedoch wird <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Interpretation <strong>von</strong> Konflikt als<br />

negativ, bedrohlich oder zerstörerisch Konflikt mit se<strong>in</strong>er destruktiven bzw. gewaltsamen<br />

Austragung verwechselt (vgl. WELLMANN 1997: 117; BONACKER/IMBUSCH<br />

1999: 80). Der funktionale Beitrag <strong>von</strong> <strong>Konflikten</strong> ist unbestritten, wenngleich er<br />

unterschiedlich e<strong>in</strong>geschätzt wird. Festzuhalten ist, dass weder Konfliktlosigkeit wünschenswert,<br />

noch die bloße Existenz <strong>von</strong> <strong>Konflikten</strong> per se problematisch ist: Gesellschaftliche<br />

Stabilität zeichnet sich durch e<strong>in</strong> Mischungsverhältnis <strong>von</strong> Konsens und<br />

Dissens aus, denn re<strong>in</strong>er Konsens bedeutete Stagnation, re<strong>in</strong>er Dissens h<strong>in</strong>gegen die<br />

soziale Auflösung (vgl. DUBIEL 1995: 1095).<br />

Diese Diskussion verdeutlicht, dass nicht <strong>von</strong> e<strong>in</strong>em wertfreien Konfliktbegriff ausgegangen<br />

werden kann. Politische Interessen, ideologische Standpunkte <strong>in</strong> der Praxis<br />

und Erkenntnis<strong>in</strong>teressen, fachliche Betrachtungsweisen und Untersuchungsmethoden<br />

nehmen darauf E<strong>in</strong>fluss, ob e<strong>in</strong> Beziehungszusammenhang als Konflikt bezeichnet<br />

wird und wie dieser gegebenenfalls bewertet wird. Pr<strong>in</strong>zipiell muss da<strong>von</strong><br />

ausgegangen werden, dass kulturelle Unterschiede h<strong>in</strong>sichtlich des Verständnisses<br />

<strong>von</strong> Konflikt bestehen und dass jede Gesellschaft e<strong>in</strong> für sich angemessenes Mischungsverhältnis<br />

<strong>von</strong> Konsens und Dissens aushandelt.<br />

30


Theoretische Grundlagen der Konfliktanalyse<br />

Subjektivität der Konfliktanalyse. Ob e<strong>in</strong> Konflikt existiert und wie dieser im E<strong>in</strong>zelnen<br />

zu bewerten ist, unterliegt der subjektiven E<strong>in</strong>schätzung der Akteure wie auch<br />

der Beobachter. Es ist anzunehmen, dass Beobachter e<strong>in</strong>en Konflikt feststellen, den<br />

die <strong>in</strong>vol<strong>vier</strong>ten Akteure selbst nicht erkennen, oder – der umgekehrte Fall – dass<br />

Akteure e<strong>in</strong>e Spannung wahrnehmen, die sie nicht artikulieren können oder wollen,<br />

so dass es außen stehenden Beobachtern verborgen bleibt. E<strong>in</strong> Akteur bzw. Beobachter<br />

kann aus zwei Motiven e<strong>in</strong>e Situation nicht als Konflikt (an-) erkennen wollen:<br />

Zum e<strong>in</strong>en können dem Akteur bzw. Beobachter die Mittel zur Wahrnehmung und<br />

Bewertung e<strong>in</strong>es Interessengegensatzes fehlen. Zum anderen können mit dem E<strong>in</strong>geständnis<br />

e<strong>in</strong>es Konflikts negative Folgeeffekte verbunden se<strong>in</strong>, so dass der Akteur<br />

bzw. Beobachter bewusst/strategisch oder auch unbewusst/‚<strong>in</strong>tuitiv’ die Existenz<br />

e<strong>in</strong>es Konfliktes abstreitet. Die Charakterisierung e<strong>in</strong>er Akteursbeziehung als Konflikt<br />

bedeutet nicht nur, dass der Beobachter die Absicht e<strong>in</strong>es Akteurs wahrnimmt,<br />

die eigene Interessenslage durch die Androhung bzw. den Rückgriff auf physische,<br />

psychische oder strukturelle Gewalt auf Kosten e<strong>in</strong>es anderen durchzusetzen. Sie<br />

steht für e<strong>in</strong>e Kommunikation <strong>von</strong> Dissens, d.h. e<strong>in</strong>e abweichende Haltung, die<br />

Missachtung <strong>von</strong> Normen oder strukturelle Unvere<strong>in</strong>barkeit, und damit auch für die<br />

Festschreibung e<strong>in</strong>er ‚zerbrochenen’ sozialen E<strong>in</strong>heit. Auch <strong>in</strong> der Befürchtung e<strong>in</strong>er<br />

sich selbst erfüllenden Prophezeiung vermag e<strong>in</strong> Beobachter, tatsächlich vorhandene<br />

Spannungen nicht als Konflikt beschreiben zu wollen. Dies gilt <strong>in</strong>sbesondere für den<br />

Fall, dass die Konfliktanalyse <strong>von</strong> e<strong>in</strong>em Außenstehenden kommt. So besteht die<br />

Gefahr, dass e<strong>in</strong> Konflikt erst durch se<strong>in</strong>e Beobachtung erzeugt wird. Der ‚Sensationswert’<br />

<strong>von</strong> <strong>Konflikten</strong> ist höher als <strong>von</strong> Frieden (vgl. MATTHIES 1997a: 1), weshalb<br />

Gutachter, Forscher und Medien unter dem Druck stehen können, Konflikte zu<br />

identifizieren – zumal auch befürchtet wird, nicht rechtzeitig vor <strong>Konflikten</strong> gewarnt<br />

zu haben. In Verfolgung ihrer Signal- und Kontrollfunktion können Medien Situationen<br />

dramatisieren und die Öffentlichkeit für bestimmte soziale Konfigurationen<br />

‚übersensibilisieren’ (vgl. GLASL 1997: 12). Schließlich besteht auch die Gefahr, dass<br />

im florierenden Arbeitsbereich der <strong>in</strong>terkulturellen Konfliktbearbeitung unerfahrene<br />

‚Experten’ auf der Grundlage <strong>in</strong>adäquater Vorstellungen <strong>von</strong> Konflikt zu Fehldiagnosen<br />

gelangen.<br />

Folglich gehen die Schwierigkeiten bei der Identifizierung <strong>von</strong> <strong>Konflikten</strong> über die<br />

Probleme der Beobachtbarkeit <strong>von</strong> Konfliktmerkmalen h<strong>in</strong>aus. Konflikt ist demnach<br />

e<strong>in</strong>e subjektive Bewertung, für die es ke<strong>in</strong>e ‚absoluten’ Kriterien gibt und somit stets<br />

e<strong>in</strong>e Interpretationsleistung be<strong>in</strong>haltet. Für die <strong>Analyse</strong> <strong>von</strong> Konfliktsituationen ist es<br />

31


Theoretische Grundlagen der Konfliktanalyse<br />

darum notwendig, dass der Beobachter se<strong>in</strong> Konfliktverständnis anpasst und dabei<br />

gleichermaßen den konkreten Konfliktkonnotationen wie der politischen Kultur <strong>von</strong><br />

sozialen Beziehungen Rechnung trägt.<br />

2.3 Institutionelle Dimensionen der Konfliktanalyse<br />

„Wo Konflikte fehlen, s<strong>in</strong>d politische Institutionen nicht nötig, wo sie zu stark s<strong>in</strong>d, werden<br />

sie unmöglich. Bei schwacher Institutionalisierung überwiegt e<strong>in</strong> Hobbesianischer Kampf aller<br />

gegen alle <strong>von</strong> sozialen Gruppen, Familien, Klanen, der Ethnien. Die B<strong>in</strong>nenmoral vorrationaler<br />

Gesellschaften führt zum amoral familism, clanism, groupism oder classism.“ (BEYME<br />

1992: 73)<br />

Die herausragende Rolle <strong>von</strong> Institutionen für die Förderung <strong>von</strong> Sicherheit und<br />

Entwicklung ist weitgehend erkannt und anerkannt (vgl. DAC 1997: 15; THE WORLD<br />

BANK 2002). 20 Exemplarisch kann dies anhand <strong>von</strong> <strong>vier</strong> Studien verdeutlicht werden.<br />

ROTHCHILD (2000) weist auf die für e<strong>in</strong>e Nachkriegssituation charakteristische Problematik<br />

h<strong>in</strong>, tief sitzendes Misstrauen, räuberisches Verhalten und Unsicherheiten zu<br />

überw<strong>in</strong>den, um die Implementation e<strong>in</strong>er friedlichen Ordnung zu ermöglichen. Dies<br />

gilt <strong>in</strong>sbesondere nach <strong>in</strong>nerstaatlichen <strong>Konflikten</strong>, <strong>in</strong> denen um die fundamentalen<br />

Organisationspr<strong>in</strong>zipien der sozialen und politischen Ordnung gefochten wurde.<br />

Nach Beendigung der Kriegsphase können weiterh<strong>in</strong> diffuse Ängste und Unsicherheiten<br />

bestehen, was möglicherweise zu massiven Problemen auf verschiedenen Ebenen<br />

führt. Das Fehlen zuverlässiger Informationen über die Absichten der<br />

Konfliktparteien und die Glaubwürdigkeit ihrer Selbstverpflichtungen zum Frieden<br />

erzeugt Sicherheitsdilemmata. Insofern ist die Wiederherstellung <strong>von</strong> Vertrauen prioritär.<br />

Häufiges Problem <strong>in</strong> der Nachkriegszeit ist die Konzentration auf Aspekte der<br />

militärischen Sicherheit und der Machtbeteiligung, während die Reorganisation der<br />

<strong>in</strong>stitutionellen Ordnung häufig vernachlässigt wird. Dann auftretende Konflikte<br />

können leicht eskalieren, weil legitime und wirkungsvolle Institutionen zur Konfliktbearbeitung<br />

fehlen. Während diese Studie die Bedeutung <strong>von</strong> Institutionen zur Herstellung<br />

<strong>von</strong> (Rechts-) Sicherheit hervorhebt, betonen WALTER (2001) und<br />

HOMER-DIXON (1999) den Stellenwert <strong>von</strong> <strong>in</strong>stitutionellen Regulations- und Verteilungsfunktionen<br />

für Konflikte. WALTER (2001) schätzt e<strong>in</strong>en Wiederausbruch <strong>von</strong><br />

kriegerischen Handlungen dort für eher wahrsche<strong>in</strong>lich, wo der Staat die aktuellen<br />

Grundbedürfnisse der Bevölkerung nicht befriedigt und wo Demokratie begrenzt ist.<br />

Aus diesem Grund s<strong>in</strong>d weniger soziale Disparitäten, widersprüchliche Ziele oder<br />

20 „Susta<strong>in</strong>able development must therefore be underp<strong>in</strong>ned by <strong>in</strong>stitutions capable of manag<strong>in</strong>g<br />

socio-political tensions and avoid<strong>in</strong>g their escalation <strong>in</strong>to violence.“ (DAC 1997: 9)<br />

32


Theoretische Grundlagen der Konfliktanalyse<br />

das Erbe vorangegangener Konflikte ausschlaggebend als das Wohlbef<strong>in</strong>den und die<br />

Freiheiten der Bevölkerung <strong>in</strong> der aktuellen Situation (vgl. ebd.: 3f). Demnach geht<br />

<strong>von</strong> den Gruppen e<strong>in</strong>e höhere Wahrsche<strong>in</strong>lichkeit zum gewaltsamen Konflikt aus,<br />

die um ihr Überleben kämpfen müssen und die <strong>von</strong> zentralen Entscheidungsprozessen<br />

mehr oder weniger ausgeschlossen s<strong>in</strong>d, als <strong>von</strong> Gruppen, deren Bedürfnisse<br />

befriedigt werden oder die am Wandlungsprozess partizipieren können (vgl. ebd.:<br />

25). Obwohl Konflikte strukturelle Ursachen und Massencharakter aufweisen, s<strong>in</strong>d<br />

sie stets das Produkt <strong>von</strong> Individualentscheidungen (vgl. ebd.: 26). HOMER-DIXON<br />

geht <strong>in</strong> zahlreichen Studien <strong>von</strong> e<strong>in</strong>em engen Zusammenhang zwischen Degradation<br />

und Knappheit <strong>von</strong> Umweltressourcen, der Unfähigkeit <strong>von</strong> staatlichen Institutionen,<br />

diesen zu begegnen und der Entstehung bzw. Eskalation <strong>von</strong> <strong>Konflikten</strong> aus<br />

(vgl. HOMER-DIXON 1991; 1999; GIZEWSKI/HOMER-DIXON 1995). GI-<br />

ZEWSKI/HOMER-DIXON (1995) setzen politische Gewalt als e<strong>in</strong> Resultat der Schwächung<br />

staatlicher Kapazitäten und dem gleichzeitig angestiegenen Erwartungen an<br />

den Staat voraus. Wenngleich die Beweisführung auf e<strong>in</strong>e breite quantitative Datenbasis<br />

gestützt, e<strong>in</strong> Automatismus abgestritten und e<strong>in</strong>e Vielzahl <strong>in</strong>tervenierender Variablen<br />

berücksichtigt wird, s<strong>in</strong>d diese Annahmen nicht unumstritten. In ihrer<br />

Untersuchung zu den sozialen und politischen Ursachen ethnischer Konflikte verweist<br />

REYNAL-QUEROL (2001: 28) zum e<strong>in</strong>en auf die polarisierende Wirkung <strong>von</strong><br />

Religion und zum anderen auf die Integrationskapazität des politischen Systems für<br />

die Entstehung <strong>von</strong> <strong>Konflikten</strong>. Aufgrund der Unveränderbarkeit und der Exklusivität<br />

des Glaubens wird der Religionszugehörigkeit im ethnischen ‚Identitätshaushalt’<br />

zentrale Bedeutung beigemessen (vgl. ebd.: 5f). Die durch Religionszugehörigkeit<br />

erzeugte gesellschaftliche Polarisierung kann durch das politische System verstärkt<br />

oder konstruktiv aufgefangen werden (vgl. ebd.: 28f). Demnach ist für e<strong>in</strong>e Friedensordnung<br />

nicht alle<strong>in</strong> das Demokratisierungsniveau entscheidend sondern auch <strong>in</strong>wieweit<br />

das politische System sozial und politisch <strong>in</strong>tegrierend wirkt.<br />

In erster L<strong>in</strong>ie wird <strong>in</strong> den hier vorgestellten Studien mit der unzureichenden Erfüllung<br />

der den Institutionen zugeschriebenen Funktionen argumentiert: (a) der Herstellung<br />

<strong>von</strong> Sicherheit, <strong>in</strong>sbesondere Rechtssicherheit (vgl. ROTHCHILD 2000), (b) der<br />

Befriedigung <strong>von</strong> Grundbedürfnissen (vgl. WALTER 2001), (c) der Regelung des Zugangs<br />

zu Ressourcen und deren Verteilung (vgl. HOMER-DIXON 1999) sowie (d) der<br />

sozialen und politische Integration (vgl. REYNAL-QUEROL 2001).<br />

33


Theoretische Grundlagen der Konfliktanalyse<br />

Im Folgenden ist e<strong>in</strong>e weitergehende systematische Ausarbeitung der verschiedenen<br />

Rollen beabsichtigt, die Institutionen <strong>in</strong> <strong>Konflikten</strong> e<strong>in</strong>nehmen können. Um dies zu<br />

leisten, werden zunächst der Institutionenbegriff näher bestimmt und <strong>in</strong>stitutionentheoretische<br />

Ansätze vorgestellt, anhand derer der besondere Stellenwert <strong>von</strong><br />

Institutionen verdeutlicht wird. Ausgehend vom funktionalen Beitrag <strong>von</strong> Funktionen<br />

wird der für Konfliktzusammenhänge wichtige Problemkomplex ‚schwacher’<br />

Institutionen erörtert. Auf der Grundlage dessen kann gezeigt werden, dass Institutionen<br />

<strong>in</strong> <strong>Konflikten</strong> als Akteur, Gegenstand und Kontext e<strong>in</strong>bezogen se<strong>in</strong> können.<br />

2.3.1 Kernelemente und Abgrenzung des Institutionenbegriffs<br />

Bei der Bestimmung des Institutionenbegriffs folge ich dem Ansatz GÖHLERs (1994:<br />

22), der unter sozialen Institutionen „[…] relativ auf Dauer gestellte, durch Internalisierung<br />

verfestigte Verhaltensmuster und S<strong>in</strong>ngebilde mit regulierender und orientierender<br />

Funktion“ versteht. Von diesem umfassenden, vorrangig <strong>in</strong> soziologischen<br />

Theorien zugrunde gelegten Institutionenverständnis unterscheiden sich politische<br />

Institutionen nicht zuletzt durch e<strong>in</strong>en engeren Zusammenhang mit angebbaren<br />

handelnden Personen (vgl. ebd.) und e<strong>in</strong>e stärkere Ausrichtung auf die maßgeblichen<br />

Ordnungs- und Orientierungsleistungen e<strong>in</strong>er Gesellschaft (vgl. ebd.: 37). Politische<br />

Institutionen werden somit def<strong>in</strong>iert als „[…] Regelsysteme der Herstellung und<br />

Durchführung verb<strong>in</strong>dlicher, gesamtgesellschaftlich relevanter Entscheidungen und<br />

Instanzen der symbolischen Darstellung <strong>von</strong> Orientierungsleistungen e<strong>in</strong>er Gesellschaft“<br />

(ebd.: 39). Die Ordnungs- und Orientierungsleistungen wirken durch Steuerung<br />

und Integration (vgl. ebd.: 37ff). Der Steuerungsaspekt verweist auf die Rolle<br />

<strong>von</strong> politischen Institutionen als Rahmen, Träger und Objekte <strong>von</strong> Steuerungsprozessen.<br />

Hier<strong>in</strong> äußert sich der starke Herrschaftsbezug politischer Institutionen. Die<br />

Integrationsfunktion <strong>von</strong> politischen Institutionen stellt den entscheidenden Unterschied<br />

zu Organisationen dar. Organisation bezeichnet die Ordnung <strong>von</strong> arbeitsteilig<br />

auf e<strong>in</strong> Ziel h<strong>in</strong> arbeitenden Personen und Gruppen. Sofern nicht als ‚akteursfreie’<br />

Normensysteme ausgelegt, s<strong>in</strong>d politische Institutionen zur Erfüllung der Steuerungsfunktion<br />

auf e<strong>in</strong>e rational für e<strong>in</strong>en bestimmten Zweck begründete Planungsstruktur<br />

angewiesen. Damit s<strong>in</strong>d Institutionen auch zu ‚re<strong>in</strong>en’ Organisationen zu<br />

zählen (vgl. ebd.: 41f; CZADA 1995: 205). Aufgrund ihrer Integrationsleistung – also<br />

der „Herstellung und Sicherung e<strong>in</strong>er gesamtgesellschaftlichen Handlungse<strong>in</strong>heit,<br />

verbunden mit der Legitimationsbasis, dass die Individuen und Gruppen <strong>in</strong> dieser<br />

Heimat ‚heimisch’ s<strong>in</strong>d, <strong>in</strong>dem sie sich mit ihr identifizieren, weil sie sich selbst <strong>in</strong><br />

34


Theoretische Grundlagen der Konfliktanalyse<br />

dem <strong>von</strong> ihr dargestellten S<strong>in</strong>n ‚wiedererkennen’ können“ (GÖHLER 1994: 38, Hervh.<br />

im Orig.) – ist den politischen Institutionen e<strong>in</strong> über die Organisation h<strong>in</strong>ausgehendes,<br />

wesentliches Merkmal gegeben (vgl. LEPSIUS 1995: 395; FUCHS 1999: 19). Politische<br />

Institutionen s<strong>in</strong>d somit auch „Instanzen der symbolischen Darstellung <strong>von</strong><br />

Orientierungsleistungen e<strong>in</strong>er Gesellschaft. Sie wirken sich auf die sozialpsychologischen<br />

Mentalitätslagen aus, bee<strong>in</strong>flussen die politische Kultur <strong>von</strong> Sozietäten und die<br />

Intensität <strong>von</strong> E<strong>in</strong>stellungsmustern“ (WASCHKUHN 1994: 192f). Darüber h<strong>in</strong>aus ist<br />

im Vergleich zu Organisationen e<strong>in</strong> planender E<strong>in</strong>griff <strong>in</strong> Institutionen aufgrund<br />

ihrer Polyfunktionalität und ihrer Überdeterm<strong>in</strong>iertheit nur bed<strong>in</strong>gt möglich.<br />

Kernelemente. GÖHLERs (1994: 28ff) Gegenüberstellung <strong>von</strong> sozialen und politischen<br />

Institutionen hat e<strong>in</strong>en forschungsprogrammatischen H<strong>in</strong>tergrund. Erkenntnisse<br />

zu den umfassender verstandenen sozialen Institutionen bieten Kontext-<br />

Informationen <strong>in</strong> Forschungsfragen politischer Institutionen. Mit dem Vergleich und<br />

der Bezugsetzung zu Erkenntnissen aus der Grundlagenforschung zu sozialen Institutionen,<br />

zu der e<strong>in</strong>e Vielzahl sozialwissenschaftlicher Diszipl<strong>in</strong>en beigetragen haben,<br />

s<strong>in</strong>d E<strong>in</strong>sichten <strong>in</strong> genu<strong>in</strong> politische Grundprobleme zu erhoffen (vgl. ebd.: 31). Im<br />

Allgeme<strong>in</strong>en s<strong>in</strong>d soziale Institutionen durch <strong>vier</strong> Kernelemente gekennzeichnet, die<br />

je nach theoretischem Ansatz unterschiedlich gewichtet und <strong>in</strong> Zusammenhang gebracht<br />

werden:<br />

Leitidee. Die Verfassung und Leitpr<strong>in</strong>zipien der Institution, welche <strong>von</strong> Mitgliedern<br />

der Institution anerkannt und festgelegt werden, drücken den Existenzgrund der<br />

Institution aus und bestimmen ihre Wirkungsweise. Die Konkretisierung der Leitidee<br />

zu e<strong>in</strong>er praxisrelevanten Verhaltensorientierung bedeutet die Ausbildung <strong>von</strong> über<strong>in</strong>dividuellen,<br />

<strong>von</strong> subjektiven Interessenslagen unabhängigen Rationalitätskriterien,<br />

d.h. Verhaltensnormen, deren Befolgung als rational gilt (vgl. LEPSIUS 1995: 399).<br />

Personal. Institutionen werden durch Menschen repräsentiert. Dabei unterscheiden<br />

sich Institutionen dar<strong>in</strong>, <strong>in</strong>wieweit Rollen festgelegt und diese an bestimmte Personen<br />

gebunden s<strong>in</strong>d. E<strong>in</strong> hoher Formalisierungsgrad der Institution bedeutet e<strong>in</strong>e relativ<br />

verfestigte <strong>in</strong>terne Organisationsstruktur. Dagegen zeichnen sich <strong>in</strong>formelle Institutionen<br />

durch e<strong>in</strong>en niedrigen Organisationsgrad und e<strong>in</strong>er ger<strong>in</strong>gen B<strong>in</strong>dung an bestimmten<br />

Personen aus.<br />

Materieller Apparat. Die Geltung <strong>von</strong> Institutionen wird durch die Verwendung spezifischer<br />

Gegenstände, Räume und Symbolsysteme vermittelt. Der materielle Apparat<br />

ist sowohl für die <strong>in</strong>strumentelle als auch für die symbolische Repräsentationsleistung<br />

35


Theoretische Grundlagen der Konfliktanalyse<br />

erforderlich (vgl. GÖHLER 1994: 32ff). Durch diesen wird ‚Ordnung’ erst sichtbar<br />

gemacht, denn „jede ‚Ordnung’ [hat] e<strong>in</strong>e – mehr oder weniger ausgeprägte – <strong>in</strong>stitutionelle<br />

Form […], <strong>in</strong> der die Ordnungspr<strong>in</strong>zipien zur Darstellung kommen“ (REH-<br />

BERG 1996: 101f).<br />

Normen. Regeln und Normen s<strong>in</strong>d zentrale Elemente <strong>von</strong> Institutionen (vgl. MUM-<br />

MERT 1995: 25). Sie wirken nach <strong>in</strong>nen wie nach außen: Zum e<strong>in</strong>en unterwerfen sich<br />

Mitglieder bestimmten Regeln des Umgangs, so dass Institutionen spezifische Operationsweisen<br />

aufweisen. Zum anderen setzen Institutionen nach außen u.a. Gesetze<br />

und moralische Codes durch und sanktionieren deren Zuwiderhandlung.<br />

Unter e<strong>in</strong>er Norm wird die mehr oder weniger verb<strong>in</strong>dliche, allgeme<strong>in</strong> geltende Vorschrift<br />

für menschliches Handeln verstanden, <strong>in</strong> der sich allgeme<strong>in</strong>e soziokulturelle<br />

Wertvorstellungen widerspiegeln. Sie s<strong>in</strong>d der Bezugspunkt für die Bestimmung konformen<br />

bzw. abweichenden Verhaltens. Geltungsgrad (Ausmaß der Akzeptanz) und<br />

Wirkungsgrad (Ausmaß der Befolgung) <strong>von</strong> Normen variieren im H<strong>in</strong>blick auf den<br />

Geltungsanspruch, den Grad der Institutionalisierung und ihrer Verwirklichung, den<br />

Grad der Verb<strong>in</strong>dlichkeit bzw. Sanktionsstärke sowie auf das Ausmaß öffentlichen<br />

Bewusstse<strong>in</strong>s. Entsprechend des Geltungsanspruchs der Normen und der Spezialisierung<br />

der Sanktionsstäbe wird zwischen formellen und <strong>in</strong>formellen Normen unterschieden.<br />

Formelle Normen zeichnen sich durch e<strong>in</strong>en hohen Explizitheitsgrad,<br />

e<strong>in</strong>en hohen Verb<strong>in</strong>dlichkeitsanspruch (z.B. Gesetze) und e<strong>in</strong>e normierte Sanktionierung<br />

durch e<strong>in</strong>en eigens hierfür organisierten Apparat aus. H<strong>in</strong>gegen s<strong>in</strong>d <strong>in</strong>formelle<br />

Normen (z.B. Bräuche, Gewohnheiten) weniger explizit und verb<strong>in</strong>dlich, sowohl was<br />

das erwartete Verhalten als auch die zu erwartenden Sanktionen betrifft. Für die<br />

Sanktionierung gibt es weder klare Vorgaben noch e<strong>in</strong>en eigens dafür e<strong>in</strong>gerichteten<br />

Sanktionsapparat (vgl. MUMMERT 1995: 24; FUCHS 1999: 7f). 21 Problematisch s<strong>in</strong>d<br />

Widersprüche <strong>in</strong>nerhalb <strong>von</strong> Normensystemen bzw. zwischen verschiedenen Normenkomplexen<br />

(vgl. LEPSIUS 1996: 61ff). Im Extremfall kann es etwa <strong>in</strong>folge raschen<br />

sozialen Wandels oder des Geltungsverlusts überkommener Werte und Normen zu<br />

e<strong>in</strong>er Situation der Normlosigkeit (auch: Anomie) kommen, die durch das Fehlen<br />

verb<strong>in</strong>dlicher sozialer Regeln zur Steuerung des sozialen Handelns gekennzeichnet<br />

ist. Besonders <strong>in</strong> anomischen Situationen werden die orientierende und entlastende<br />

21 Zu Unterschieden <strong>in</strong> der Gestaltbarkeit <strong>von</strong> formellen und <strong>in</strong>formellen Normen vgl. JANSEN<br />

2000: 12f.<br />

36


Theoretische Grundlagen der Konfliktanalyse<br />

Funktion und damit der für das menschliche Zusammenleben zentrale Stellenwert<br />

<strong>von</strong> Normen und deren Sanktionierung deutlich.<br />

2.3.2 Theorien sozialer und politischer Institutionen<br />

Gegenwärtig werden unter dem Schlagwort des Neuen Institutionalismus verschiedene<br />

theoretische Ansätze <strong>in</strong> Ökonomie, Soziologie und Politikwissenschaft zusammengefasst,<br />

die unabhängig <strong>von</strong>e<strong>in</strong>ander als Reaktion auf die handlungstheoretischen<br />

Konzeptionen der 1970er und 1980er Jahre entwickelt wurden. Der Neue Institutionalismus<br />

kann aufgrund <strong>von</strong> Unterschieden h<strong>in</strong>sichtlich des theoretischen Zugangs<br />

sowie der methodischen Erfassung des komplexen Gegenstands ke<strong>in</strong>e allgeme<strong>in</strong>e<br />

oder gar kohärente Institutionentheorie vorweisen (vgl. GÖHLER 1988: 311;<br />

SCHMALZ-BRUNS 1990: 317f; BEYME 1992: 76f; GÖHLER 1994: 20ff) 22 – obwohl IM-<br />

MERGUT (1998: 5) e<strong>in</strong>en geme<strong>in</strong>samen theoretischen Kern erkennt. Wenngleich <strong>in</strong><br />

der Politikwissenschaft schon immer <strong>in</strong>stitutionelle Faktoren berücksichtigt wurden,<br />

gilt als Neuerung die explizite E<strong>in</strong>ordnung des Stellenwerts der Institutionen: für<br />

<strong>in</strong>stabile Systeme normativ, für stabile Gesellschaften auch explikativ (vgl. BEYME<br />

1992: 76; KAISER 2001: 271). Desgleichen bemüht man sich im Gegensatz zu früheren<br />

<strong>in</strong>stitutionalistischen Ansätzen, nicht alles mit Institutionen zu erklären (vgl.<br />

BEYME 1992: 76). Innerhalb des Neuen Institutionalismus wird am häufigsten zwischen<br />

den Ansätzen des Rational Choice, des soziologischen Institutionalismus sowie<br />

des historischen Institutionalismus differenziert (vgl. KOELBLE 1995; HALL/TAYLOR<br />

1996; IMMERGUT 1998: 5; JANSEN 2000; KAISER 2001). Daneben unterscheidet man<br />

die Neue <strong>in</strong>stitutionelle Ökonomik, die – trotz ihrer E<strong>in</strong>flussnahme auf den politikwissenschaftlichen<br />

und soziologischen Diskurs – <strong>in</strong> den meisten Fällen ausgespart<br />

bleibt. 23<br />

22 Als die umstrittenen Aspekte nennt KAISER (2001: 268f): „(a) methodologischer Individualismus<br />

versus methodologischer Holismus; (b) exogene versus endogene Präferenzbildung,<br />

(c) kalkulatorisch-<strong>in</strong>strumentalistisches versus kulturalistisch-<strong>in</strong>terpretatives Institutionenverständnis,<br />

(d) das Ausmaß der Beschränkung <strong>in</strong>dividueller Rationalität und (e) Generalisierbarkeit<br />

beobachteten Akteurshandelns versus historische Kontextgebundenheit<br />

beobachteten Akteurshandelns.“<br />

23 Weitere Differenzierungen des Neuen Institutionalismus s<strong>in</strong>d: (1) Policy-orientierter, modernisierungstheoretischer,<br />

etatistischer und demokratietheoretischer Neo-Institutionalismus<br />

(vgl. SCHMALZ-BRUNS 1990: 318ff); (2) Sozio-historischer Ansatz, Rational Choice-Ansatz<br />

und bounded rationality-Ansatz (vgl. KATO 1996); (3) Normative Institutionalism, Rational<br />

Choice Institutionalism, Historical Institutionalism, Empirical Institutionalism, International<br />

Institutionalism, Sociological Institutionalism und Institutions of Mediation (vgl. PETERS<br />

1998: 3).<br />

37


Theoretische Grundlagen der Konfliktanalyse<br />

Institutionalismus-Ansatz des Rational Choice. Dem Ansatz des Rational Choice<br />

liegt die Annahme zugrunde, dass Menschen sich gemäß ausgebildeter Präferenzen<br />

rational nutzenmaximierend verhalten. Ihre Handlungsmotivation ist strategisch<strong>in</strong>strumentell<br />

und folgt e<strong>in</strong>er zielorientierten Logik (logic of consequentiality). Diesem<br />

Handlungsmodell (calculus approach) zufolge nehmen Institutionen E<strong>in</strong>fluss auf die<br />

Präferenzstruktur und damit auch auf die Erwartungen und Wahrsche<strong>in</strong>lichkeiten<br />

bestimmter Handlungsergebnisse, so dass der Optionsraum <strong>in</strong>dividuellen Handelns<br />

kanalisiert wird (vgl. HALL/TAYLOR 1996: 939, 945). Demnach fokussiert der Rational<br />

Choice-Ansatz vorrangig die Funktionalität <strong>von</strong> Institutionen für die Nutzenmaximierung<br />

<strong>von</strong> Individuen. Institutionalisierung wird als Verfestigung und<br />

Verstetigung <strong>von</strong> Kooperation im Zuge wiederholter Entscheidungszwänge verstanden<br />

(vgl. KOELBLE 1995: 239). Kooperation wird mit Hilfe des methodologischen<br />

Individualismus erklärt. Somit s<strong>in</strong>d Wertesysteme und Kultur das Ergebnis <strong>von</strong> Austauschprozessen,<br />

aus denen heraus sich Kooperationsformen <strong>in</strong>stitutionalisieren (vgl.<br />

ebd.: 240). Habitualisierung und Rout<strong>in</strong>isierung s<strong>in</strong>d Formen psychischer und physischer<br />

Entlastung und führen so zur M<strong>in</strong>imierung <strong>von</strong> (Transaktions-) Kosten. Da<br />

Serien kollektiver Dilemmata das politische Handlungsfeld bestimmen, s<strong>in</strong>d die<br />

zweckrational kalkulierenden Akteure ohne e<strong>in</strong>e <strong>in</strong>stitutionelle Rahmensetzung nicht<br />

zur Kooperation fähig (vgl. KAISER 2001: 262). Erst der normative Regelungscharakter<br />

<strong>von</strong> Institutionen ermöglicht die Überw<strong>in</strong>dung <strong>von</strong> Dilemmata wie sie etwa durch<br />

das ARROWsche Unmöglichkeitstheorem, die Tragik der Allmende (tragedy of the commons)<br />

oder allgeme<strong>in</strong>e Nutzungs- und Verteilungsprobleme nach Art der common pool<br />

resources beschrieben werden (vgl. PETERS 1998: 14). Der Rational Choice-Ansatz<br />

greift zur Lösung dieser Fragestellungen auf verschiedene Theorien (z.B. Spieltheorie)<br />

und Modelle (z.B. Pr<strong>in</strong>cipal-Agent-Modell) zurück. Der Nutzen <strong>von</strong> Institutionen<br />

liegt <strong>in</strong> der M<strong>in</strong>imierung <strong>von</strong> Transaktionskosten durch Rout<strong>in</strong>en und Faustregeln,<br />

die den Akteuren e<strong>in</strong>e geme<strong>in</strong>same Handlungsorientierung ermöglichen (vgl. KAISER<br />

2001: 262). 24<br />

Soziologischer Institutionalismus. Der Ansatzpunkt des soziologischen Institutionalismus<br />

ist die Kritik an e<strong>in</strong>er formalistischen und rationalistischen Auffassung <strong>von</strong><br />

24 An der Rational Choice-Variante des Neuen Institutionalismus werden <strong>in</strong>sbesondere die<br />

konzeptionelle Realitätsferne (v.a. h<strong>in</strong>sichtlich des Menschenbilds) und die Beliebigkeit (v.a.<br />

h<strong>in</strong>sichtlich der Präferenzen und der Wertgestaltung <strong>in</strong> der Nutzenmatrix) kritisiert (vgl.<br />

KOELBLE 1995: 239; HALL/TAYLOR 1996: 950ff). Beide Vorwürfe werden auch <strong>in</strong> Bezug auf<br />

die Annahme e<strong>in</strong>er quasikontraktuell voluntaristischen Schöpfung <strong>von</strong> Institutionen gemacht.<br />

38


Theoretische Grundlagen der Konfliktanalyse<br />

Organisation und Bürokratie (vgl. MARCH/OLSEN 1984: 735ff; HALL/TAYLOR 1996:<br />

946; PETERS 1998: 8; KAISER 2001: 258) 25 . Das kulturalistische Handlungsmodell des<br />

soziologischen Institutionalismus (cultural approach; vgl. HALL/TAYLOR 1996: 946)<br />

setzt zum e<strong>in</strong>en e<strong>in</strong> erweitertes Maximierungspr<strong>in</strong>zip des Akteurs und zum anderen<br />

die Beschränkung se<strong>in</strong>er Rationalität (bounded rationality; vgl. SIMON 1985; MUMMERT<br />

1995: 42) voraus. Im Gegensatz zu utilitaristischen Menschenbildern s<strong>in</strong>d Nutzenkalküle<br />

und Zielvorstellungen nicht alle<strong>in</strong> <strong>in</strong>teressengeleitet, sondern orientieren sich<br />

stark am kulturellen, soziostrukturellen und politischen Kontext (vgl. KOELBLE 1995:<br />

233). Dabei unterstellt der Ansatz dem Akteur e<strong>in</strong> Bedürfnis nach Anpassung und<br />

Angemessenheit, das damit begründet wird, dass der Akteur sich <strong>in</strong> Entscheidungssituationen<br />

erheblichen Informationsdefiziten und Unsicherheiten über zukünftige<br />

Entwicklungen ausgesetzt sieht. Bewährte und <strong>in</strong>sbesondere rout<strong>in</strong>isierte Handlungsmuster<br />

nach dem Pr<strong>in</strong>zip der Angemessenheit (logic of appropriateness) bieten dem<br />

Ansatz zufolge dem Akteur mehr Orientierung und Entlastung als Maximierungsstrategien<br />

im S<strong>in</strong>ne e<strong>in</strong>er Logik der Instrumentalität (vgl. MARCH/OLSEN 1989: 22ff;<br />

HALL/TAYLOR 1996: 949; KAISER 2001: 259). Durch die Def<strong>in</strong>ition, Normierung<br />

und Sanktionierung <strong>von</strong> Rollen sowie die Strukturierung <strong>von</strong> Wahrnehmung, Deutung<br />

und Handlung stellen Institutionen dem Akteur normative, moralische und<br />

kognitive Vorlagen bereit (vgl. HALL/TAYLOR 1996: 948). Die Vorlagen manifestieren<br />

sich <strong>in</strong> Symbolen, Skripten sowie Rout<strong>in</strong>en, auf deren Grundlage der Akteur se<strong>in</strong>e<br />

Vorstellungen <strong>von</strong> richtigen und falschen Wahlhandlungen entwickeln kann.<br />

Institutionen generieren für Akteure <strong>in</strong>tersubjektive und übersituationale Erwartungssicherheit.<br />

Dadurch erbr<strong>in</strong>gen Institutionen nicht nur e<strong>in</strong>e Funktion der Entlastung<br />

und des Schutzes, sondern auch der S<strong>in</strong>nstiftung und Handlungsorientierung<br />

(vgl. KOELBLE 1995: 234; KAISER 2001: 258f). Institutionelle Rahmenbed<strong>in</strong>gungen<br />

bestimmen darüber, ob Akteure e<strong>in</strong>en Handlungskontext als Situation mit programmierten<br />

Handlungsrout<strong>in</strong>en, als Situation der Problemlösung und Effizienzsuche im<br />

S<strong>in</strong>ne <strong>in</strong>stitutionalisierter Leitideen oder als Verhandlung <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Ziel- und Verteilungskonflikt<br />

wahrnehmen (vgl. JANSEN 2000: 10). Zentrale Voraussetzungen für die<br />

Entfaltung <strong>in</strong>stitutioneller Wirkung s<strong>in</strong>d jedoch Vertrauen <strong>in</strong> die Institution und die<br />

25 Mit dem Ansatz s<strong>in</strong>d v.a. die Namen MARCH und OLSEN verbunden, die jedoch ke<strong>in</strong>e kohärente<br />

Theorie entwickelt haben. Der holistische Ansatz wird der strukturalistischkulturalistischen<br />

Tradition zugeordnet, wobei Anknüpfungen an den sozialen Konstruktivismus<br />

gesehen werden (vgl. KAISER 2001: 262f). Ihren analytischen Schwerpunkt legten<br />

MARCH und OLSEN auf die <strong>in</strong>nerorganisatorischen Funktionsweisen und Strukturen (vgl.<br />

PETERS 1998: 14).<br />

39


Theoretische Grundlagen der Konfliktanalyse<br />

Anerkennung ihrer legitimen Geltung. Fehlen diese, s<strong>in</strong>d wichtige Bed<strong>in</strong>gungen für<br />

<strong>in</strong>stitutionellen Wandel erfüllt. Gemäß dem soziologischen Institutionalismus ist<br />

Wandel zudem auf Widersprüche <strong>in</strong>nerhalb der Institutionen oder auf externe Ursachen<br />

zurückzuführen (vgl. KOELBLE 1995: 235). 26<br />

Historischer Institutionalismus. Die dem historischen Institutionalismus zugrunde<br />

gelegten Modelle gehen sowohl auf Gruppentheorien als auch auf strukturfunktionalistische<br />

Ansätze zurück und verb<strong>in</strong>den dabei zwei Aspekte: Erstens wird<br />

Akteurshandeln als nutzenkalkulierend (calculus approach) und zugleich als kulturell<br />

geprägt (cultural approach) konzipiert (vgl. HALL/TAYLOR 1996: 939). Zweitens strukturieren<br />

Institutionen Handeln, s<strong>in</strong>d jedoch selbst Produkt menschlichen Handelns.<br />

Zentrale Grundannahme ist, dass <strong>in</strong>dividuelle Wahlhandlungen <strong>in</strong>nerhalb e<strong>in</strong>es bestimmten<br />

historischen und raum-zeitlichen Kontexts erfolgen und dass zwischen<br />

Struktur und Handlung e<strong>in</strong>e Wechselwirkung besteht. Institutionen prägen die Akteurspräferenzen<br />

und prästrukturieren darum den Optionsraum <strong>von</strong> Handlungen<br />

(vgl. KAISER 2001: 263). Insofern s<strong>in</strong>d Wahlhandlungen <strong>in</strong> langfristig angelegte <strong>in</strong>stitutionelle<br />

‚Kanäle’ e<strong>in</strong>gebettet. Institutionen tragen maßgeblich zur Def<strong>in</strong>ition <strong>in</strong>dividueller<br />

Ziele und Strategien bei. Zugleich unterliegen Institutionen dem gestaltenden<br />

E<strong>in</strong>fluss <strong>von</strong> Präferenzen und Entscheidungen, so dass <strong>in</strong>stitutionelle Ordnungen<br />

das Ergebnis machtpolitischer Kämpfe und Ause<strong>in</strong>andersetzungen sowie bestimmter<br />

– zumeist <strong>in</strong>krementalistisch e<strong>in</strong>geschlagener – Entwicklungspfade zu verstehen s<strong>in</strong>d.<br />

Für den historischen Institutionalismus ist entscheidend, dass die Chancen zur E<strong>in</strong>flussnahme<br />

auf die Entwicklung <strong>von</strong> Institutionen asymmetrisch verteilt s<strong>in</strong>d (vgl.<br />

ebd.: 263). Daraus folgt, dass Entwicklungen <strong>von</strong> Institutionen nicht beliebig sondern<br />

<strong>von</strong> historischen Pfaden abhängig s<strong>in</strong>d (bounded <strong>in</strong>novation und path dependency; vgl.<br />

KOELBLE 1995: 237). Darüber h<strong>in</strong>aus ist dem E<strong>in</strong>zelnen e<strong>in</strong>e absichtsvolle Gestaltung<br />

<strong>von</strong> Institutionen <strong>in</strong> der Regel nicht möglich, da die Leitpr<strong>in</strong>zipien geltender<br />

Institutionen kollektiv <strong>in</strong>ternalisiert und <strong>in</strong> der sozialen Praxis verankert s<strong>in</strong>d (vgl.<br />

HALL/TAYLOR 1996: 940). Die historische Perspektive bietet folglich e<strong>in</strong>en Erklärungsansatz<br />

für die empirisch beobachtete Renitenz <strong>von</strong> Institutionen gegenüber<br />

26 Am Ansatz des soziologischen Institutionalismus wird v.a. die weite Auffassung <strong>von</strong> Institutionen<br />

bemängelt (vgl. NØRGAARD 1996: 36). Die Grenze zu Kultur verschwimmt, da sowohl<br />

formale Regeln, Prozesse und Normen aber auch Symbolsysteme, kognitive und<br />

moralische Vorlagen als <strong>in</strong>stitutionelle Bestandteile gelten (vgl. HALL/TAYLOR 1996: 947f).<br />

Weitere Kritik setzt an der Statik des Konzepts an (vgl. PETERS 1998: 10). Demnach entfalten<br />

Institutionen ke<strong>in</strong>e autonome Wirkung, weil sie selbst weitgehend e<strong>in</strong> Reflex sozialer,<br />

kultureller oder ökonomischer Verhältnisse s<strong>in</strong>d (vgl. KAISER 2001: 270).<br />

40


Theoretische Grundlagen der Konfliktanalyse<br />

Wandel und Korrektur und damit für das Fortbestehen <strong>von</strong> Machtasymmetrien und<br />

mangelhaften Institutionen (logic of persistence; vgl. PETERS 1998: 20). Der Handelnde<br />

kann zwar <strong>von</strong> der Richtigkeit se<strong>in</strong>es Handelns und Denkens ausgehen, doch s<strong>in</strong>d<br />

Widersprüche zu <strong>in</strong>stitutionellen Regeln und Zielen ke<strong>in</strong>esfalls Ausnahmen. Als Ausdruck<br />

und Ergebnis historischer Machtkämpfe sorgen <strong>in</strong>sbesondere formalisierte<br />

Institutionen über E<strong>in</strong>schlusseffekte (lock-<strong>in</strong> effects) für die Konser<strong>vier</strong>ung etablierter<br />

Machtrelationen. Aufgrund ihrer raum-zeitlichen Ausdehnung werden sie zur Selbstverständlichkeit<br />

und sozialen Tatsache erhoben, an denen sich Konsens und der<br />

Maßstab der Richtigkeit der D<strong>in</strong>ge widerspiegeln (vgl. NØRGAARD 1996: 39). Diese<br />

Objekti<strong>vier</strong>ungstendenz verstärkt den E<strong>in</strong>druck, dass sich Institutionen sowohl e<strong>in</strong>er<br />

voluntaristischen Gestaltung E<strong>in</strong>zelner entziehen als auch Zwang und strukturelle<br />

Gewalt auf Handelnde auszuüben vermögen (vgl. ebd.). 27<br />

Aufgrund der Verschiedenheit der Grundannahmen <strong>in</strong> den jeweiligen Ansätzen des<br />

Neuen Institutionalismus ist etwa für HALL/TAYLOR (1996: 955) e<strong>in</strong>e Synthese nicht<br />

möglich. H<strong>in</strong>gegen erkennen Autoren wie KAISER, OSTROM, THELEN oder SCHARPF<br />

e<strong>in</strong>e pr<strong>in</strong>zipielle Kompatibilität der e<strong>in</strong>zelnen Ansätze. 28 In der vorliegenden Arbeit<br />

wird da<strong>von</strong> ausgegangen, dass e<strong>in</strong>e alle<strong>in</strong>ige und universelle Gültigkeit für ke<strong>in</strong> Handlungsmodell<br />

(calculus vs. cultural approach) bzw. ke<strong>in</strong>e Handlungslogik (logic of consequentiality<br />

und logic of appropriateness) beansprucht werden kann. Aufgrund des sozialen und<br />

kulturellen Kontexts wird e<strong>in</strong> offener Zugang gewählt, d.h. es wird ke<strong>in</strong> Handlungsmodell<br />

bestimmt, um etwaige situations- oder kulturbed<strong>in</strong>gte Faktoren nicht <strong>von</strong><br />

vornhere<strong>in</strong> auszuschließen.<br />

2.3.3 Institutionen <strong>in</strong> <strong>Konflikten</strong><br />

Zur Bestimmung des Stellenwerts <strong>von</strong> Institutionen <strong>in</strong> <strong>Konflikten</strong> werden im Folgenden<br />

zunächst die Funktionen herausgestellt, die für soziale und politische Institutionen<br />

typisch s<strong>in</strong>d. Diese s<strong>in</strong>d <strong>in</strong>sofern konfliktrelevant, als dass <strong>in</strong> <strong>in</strong>stitutionellen<br />

Funktionsdefiziten e<strong>in</strong>e Ursache zur Entstehung <strong>von</strong> <strong>Konflikten</strong> bzw. zur Verschär-<br />

27 Am Ansatz des Historischen Institutionalismus wird die theoretische Offenheit des Ansatzes<br />

als eklektisch und konturlos kritisiert (vgl. HALL/TAYLOR 1996: 950). Auch bemängelt man<br />

die <strong>in</strong>duktionistische Methode, welche ke<strong>in</strong>e Vorhersagen über die Entwicklung <strong>von</strong> Institutionen<br />

erlaubt.<br />

28 E<strong>in</strong> Beispiel für e<strong>in</strong>en Synthese bietet der Ansatz des Akteurzentrierten Institutionalismus,<br />

der allerd<strong>in</strong>gs mehr als Forschungsheuristik denn als Erklärungsmodell zu verstehen ist. Das<br />

Besondere an diesem Ansatz ist die Konzeption des Struktur-Handlungs-Zusammenhangs,<br />

die zwar beim systemtheoretischen Paradigma ansetzt, jedoch um e<strong>in</strong>e Mikrofundierung<br />

durch handlungstheoretische Ansätze ergänzt wird (vgl. MAYNTZ/SCHARPF 1995; SCHNEI-<br />

DER/MAYNTZ 1995: 108; ZINTL 1998: 297; SCHARPF 2000: 96).<br />

41


Theoretische Grundlagen der Konfliktanalyse<br />

fung bestehender Konflikte erkannt wird. Wenn Institutionen nur e<strong>in</strong>e ger<strong>in</strong>ge Institutionalisierung<br />

aufweisen und die <strong>von</strong> ihnen erwarteten Funktionsleistungen nur<br />

defizitär erbr<strong>in</strong>gen können, soll hier <strong>von</strong> ‚schwachen’ Institutionen gesprochen werden.<br />

Dies berücksichtigend lässt sich der Stellenwert <strong>von</strong> Institutionen als Akteur,<br />

Gegenstand sowie Kontext <strong>von</strong> <strong>Konflikten</strong> bestimmen.<br />

2.3.3.1 Funktionen <strong>von</strong> sozialen und politischen Institutionen<br />

Die verschiedenen Rollen, die Institutionen <strong>in</strong> <strong>Konflikten</strong> e<strong>in</strong>nehmen können, werden<br />

besonders vor dem H<strong>in</strong>tergrund ihres funktionalen Stellenwerts deutlich. Darum<br />

werden zunächst Funktionsleistungen <strong>von</strong> sozialen und politischen Institutionen<br />

skizziert. In e<strong>in</strong>er grundlegenden Sichtweise liegt die Funktion <strong>von</strong> sozialen Institutionen<br />

<strong>in</strong> der Entlastung der Handelnden und deren sozialen Umwelt (vgl. BER-<br />

GER/LUCKMANN 1977: 57). Dies wird hauptsächlich dadurch geleistet, dass<br />

wiederkehrende Problemstellungen <strong>in</strong> gleichartiger und vorhersehbarer Weise angegangen<br />

werden. Dabei stellen sie Handlungsregeln bereit, bieten Handlungsmöglichkeiten<br />

an, zeigen Koord<strong>in</strong>ationsmöglichkeiten auf und erhöhen so die Chancen für<br />

<strong>in</strong>dividuellen und kollektiven Nutzen (vgl. SCHMALZ-BRUNS 1990: 327; JANSEN 2000:<br />

3; SCHIMANK 2004: 294f). Zugleich entziehen Institutionen durch die verb<strong>in</strong>dliche<br />

Vermittlung der Wertungs- und Normierungsstilisierungen sowie durch Sanktionierung<br />

im Falle der Zuwiderhandlung dem <strong>in</strong>dividuellen Handeln e<strong>in</strong> Stück Autonomie<br />

(vgl. LEPSIUS 1995: 394). Die Leistung <strong>von</strong> Institutionen ist <strong>in</strong>sofern <strong>in</strong> zweifacher<br />

H<strong>in</strong>sicht dualistisch: (a) Institutionelle Geltung bedarf e<strong>in</strong>er Anerkennung <strong>in</strong> Form<br />

e<strong>in</strong>er an der Institution orientierten sozialen Praxis. (b) Institutionen entlasten Handelnde<br />

dadurch, dass sie ihnen Handlungsmöglichkeiten entziehen.<br />

Zu (a): Für WEBER (1976: 16) ist weniger die faktische als die vorgestellte Existenz<br />

e<strong>in</strong>er legitimen Ordnung ausschlaggebend:<br />

„Handeln, <strong>in</strong>sbesondere soziales Handeln und wiederum <strong>in</strong>sbesondere e<strong>in</strong>e soziale Beziehung,<br />

können <strong>von</strong> seiten der Beteiligten an der Vorstellung vom Bestehen e<strong>in</strong>er legitimen Ordnung<br />

orientiert werden. Die Chance, dass dies tatsächlich geschieht, soll ‚Geltung’ der<br />

betreffenden Ordnung heißen.“ (Hervorh. im Orig.)<br />

Demnach ist Ordnung der S<strong>in</strong>ngehalt e<strong>in</strong>er sozialen Beziehung, die sich <strong>in</strong> angebbaren,<br />

handlungsorientierenden Maximen äußert und die zu e<strong>in</strong>em M<strong>in</strong>destmaß als<br />

verb<strong>in</strong>dlich oder vorbildlich angesehen werden (vgl. ebd.). Institutionelle Ordnungen<br />

s<strong>in</strong>d Voraussetzung für langfristige soziale Praxis. Jedoch werden <strong>in</strong>stitutionelle Ordnungen<br />

und die diese repräsentierenden Institutionen erst durch e<strong>in</strong>e s<strong>in</strong>nhafte an<br />

ihnen orientierte Praxis konstituiert und reproduziert:<br />

42


Theoretische Grundlagen der Konfliktanalyse<br />

„Wenn freilich Umgehung oder Verletzung des (durchschnittlich geglaubten) S<strong>in</strong>ns e<strong>in</strong>er<br />

Ordnung zur Regel geworden s<strong>in</strong>d, so ‚gilt’ die Ordnung eben nur begrenzt oder schließlich<br />

gar nicht mehr.“ (ebd.: 17, Hervorh. im Orig.)<br />

Die Macht <strong>von</strong> Institutionen bedarf damit stets e<strong>in</strong>er Legitimierung (vgl. PARSONS<br />

1968: 56f; BERGER/LUCKMANN 1977: 98ff; GÖHLER/SPETH 1998: 19). Trotz des<br />

dynamischen Charakters dieser Wechselbeziehung wird die Geltung <strong>von</strong> Institutionen<br />

über e<strong>in</strong>zelne soziale oder politische Handlungen h<strong>in</strong>aus gesichert. So toleriert<br />

jede Institution Devianz bis zu e<strong>in</strong>em bestimmten Ausmaß. Gleichwohl darf nicht<br />

<strong>von</strong> e<strong>in</strong>er Verd<strong>in</strong>glichung bzw. <strong>von</strong> e<strong>in</strong>em Objektcharakter <strong>von</strong> Institutionen ausgegangen<br />

werden (vgl. BERGER/LUCKMANN 1977: 64f). Im Gegensatz zu juristischen<br />

Auslegungen s<strong>in</strong>d die Übergänge zwischen Geltung und Nichtgeltung e<strong>in</strong>er bestimmten<br />

Ordnung flüssig. Die soziologische Perspektive akzeptiert damit auch e<strong>in</strong> Nebene<strong>in</strong>ander<br />

widersprechender Ordnungen solange, als dass für jede Ordnung „die<br />

Chance besteht, dass das Handeln tatsächlich an ihr orientiert wird“ (WEBER 1976: 17,<br />

Hervorh. im Orig.).<br />

Zu (b): Durch die E<strong>in</strong>schränkung <strong>von</strong> Handlungsalternativen reduzieren soziale Institutionen<br />

die Überfülle der Möglichkeiten auf entscheidbare Problemstellungen und<br />

machen das Individuum so erst handlungs- bzw. entscheidungsfähig. Gleich ob Akteure<br />

ihre Entscheidungen auf der Grundlage utilitaristischer Abwägung <strong>von</strong> Anreizen<br />

und Kosten treffen, sich an sozial erwünschten Verhaltensweisen orientieren<br />

oder habitualisierten Mustern folgen: Institutionen strukturieren durch normative<br />

Orientierung und Sanktionierung Handlungsweisen und verschaffen so Sicherheit<br />

h<strong>in</strong>sichtlich der Erwartungserwartungen. Sie reduzieren Umweltunsicherheit und<br />

strategische Unsicherheit dadurch, dass sie die Interpretation <strong>von</strong> sozialen Situationen<br />

und Aktivitäten steuern (vgl. MUMMERT 1995: 24). 29 Institutionen wirken durch<br />

soziale Kontrolle und Sanktionen stabilisierend gegen abweichendes Verhalten. Alle<strong>in</strong>,<br />

dass e<strong>in</strong> Bereich menschlicher Tätigkeit <strong>in</strong>stitutionalisiert ist, wirkt bereits als<br />

soziale Kontrolle (vgl. BERGER/LUCKMANN 1977: 59).<br />

PARSONS (1968: 56ff, 140ff) zufolge erfüllen Institutionen mittels dieses Grundpr<strong>in</strong>zips<br />

relationale, regulative und kulturelle Funktionen, d.h. Institutionen ordnen das<br />

Geflecht sozialer Beziehungen; sie begrenzen durch Ziel- und Mittelbegrenzung die<br />

Verteilung <strong>von</strong> sozialen Belohnungen sowie die Zuordnung gesellschaftlicher Positi-<br />

29 Pr<strong>in</strong>zipiell s<strong>in</strong>d Institutionen somit zur Herstellung der verschiedenen sozialen Dimensionen<br />

<strong>von</strong> Sicherheit (Rechtssicherheit, politische und soziale Sicherheit, physischer Schutz sowie<br />

Umweltsicherheit) erforderlich (vgl. KAUFMANN 1973, 1987).<br />

43


Theoretische Grundlagen der Konfliktanalyse<br />

onen; und sie repräsentieren den gesamtgesellschaftlichen S<strong>in</strong>nzusammenhang aufgrund<br />

ihres Werte- und Normbezugs. Bereits im Abschnitt 2.3.1 wurde auf die<br />

Integrationsleistung als Kernelement <strong>von</strong> Institutionen und wichtiges<br />

Abgrenzungskriterium zur Organisation h<strong>in</strong>gewiesen. Jedoch wirken Institutionen<br />

zugleich <strong>in</strong>tegrativ und exklusiv. Integrativ wirken Institutionen dadurch, dass sie<br />

Dauergeltung und Beachtung beanspruchen und so e<strong>in</strong>e geme<strong>in</strong>same Sicht der Welt<br />

und der Wirklichkeit ermöglichen. Zudem s<strong>in</strong>d sie wesentlicher Bestandteil <strong>von</strong> <strong>in</strong>dividuellen<br />

und sozialen Identitätskonstruktionen. Institutionen wirken exklusiv und<br />

tragen wesentlich zur Entwicklung und Aufrechterhaltung <strong>von</strong> Gruppengrenzen bei,<br />

<strong>in</strong>dem sie Wahrnehmungs-, Deutungs- und Handlungsdispositionen strukturieren<br />

und die Verteilung <strong>von</strong> Chancen sowie die Zugänge zu Ressourcen und Wissensbeständen<br />

reglementieren. Die <strong>in</strong>dividuellen Wissensbestände s<strong>in</strong>d<br />

Preselektionsmechanismen für die Anerkennung <strong>von</strong> Institutionen als s<strong>in</strong>nvolle<br />

Wirklichkeits- und Handlungszusammenhänge mit handlungsorientierendem<br />

Charakter. Zugleich s<strong>in</strong>d sie Beurteilungsmaßstab für eigenes und fremdes Verhalten.<br />

Damit drücken Institutionen die asymmetrisch verteilten Pr<strong>in</strong>zipien und Geltungsansprüche<br />

e<strong>in</strong>er sozialen und politischen Ordnung symbolisch aus (vgl. REHBERG 1994,<br />

1996). Insofern s<strong>in</strong>d Institutionen das Resultat machtpolitischer Ause<strong>in</strong>andersetzungen,<br />

sie konser<strong>vier</strong>en aber zugleich auch die herrschenden Machtverhältnisse (vgl.<br />

GÖHLER/SPETH 1998: 18ff). Zusammenfassend s<strong>in</strong>d folgende Funktionen sozialer<br />

und politischer Institutionen zu nennen:<br />

� Ordnungs- und Steuerungsfunktion durch Regulation und Verteilung;<br />

� Entlastung durch Normvermittlung und Sanktionierung bei Normverstoß;<br />

� Reduktion <strong>von</strong> Unsicherheit durch die Stabilisierung <strong>von</strong> Ordnungen und der<br />

Gewährleistung <strong>von</strong> Schutz sowie<br />

� Integration durch S<strong>in</strong>nproduktion und Vermittlung kultureller Werte.<br />

2.3.3.2 ‚Schwache’ Institutionen<br />

Institutionelle Schwäche ist die Folge fehlender gesellschaftlicher Akzeptanz und<br />

Legitimation sowie der unzureichenden Reproduktion der die Institution konstituierenden<br />

Strukturen <strong>in</strong> der gesellschaftlichen Praxis. Mögliche Ursachen <strong>in</strong>stitutioneller<br />

Schwäche können neben der signifikanten Missachtung <strong>von</strong> Normen auch <strong>in</strong>terne<br />

oder strukturelle Faktoren se<strong>in</strong>. Zu den <strong>in</strong>ternen Faktoren s<strong>in</strong>d etwa Ressourcenmangel,<br />

Personalprobleme oder Unklarheit bezüglich Ziele und Funktionsweise zu<br />

zählen. Auch die Unfähigkeit, sich an wandelnde Umweltbed<strong>in</strong>gungen – etwa im<br />

44


Theoretische Grundlagen der Konfliktanalyse<br />

Zuge <strong>von</strong> Prozessen sozialen Wandels oder politischer Transformation – anzupassen,<br />

kann dazu führen, dass Institutionen an gesellschaftlicher Relevanz e<strong>in</strong>büßen.<br />

Strukturelle Ursachen <strong>in</strong>stitutioneller Schwäche können u.a. auf den <strong>in</strong>stitutionellen<br />

Zusammenhang <strong>in</strong>sgesamt zurückgeführt werden. Demnach kommt es zwischen<br />

konkurrierenden Funktionslogiken <strong>von</strong> Institutionen <strong>in</strong> abgrenzbaren Handlungsfeldern<br />

zu Überlagerungen oder Widersprüchen. Weil e<strong>in</strong>e klare Orientierungs- und<br />

Sanktionierungskompetenz nicht mehr gegeben ist, ist die Handlungssituation <strong>von</strong><br />

Unsicherheit geprägt. In ähnlicher Weise können <strong>in</strong>stitutionell ungeregelte Handlungsbereiche<br />

entstehen. Anstatt die grundsätzliche Funktion <strong>von</strong> Institutionen zu<br />

erfüllen, nämlich durch die Reduktion situationsimmanenter Komplexität e<strong>in</strong>deutige<br />

Handlungsorientierung bereitzustellen, verstärken die genannten Zusammenhänge<br />

die Unsicherheit des Akteurs.<br />

Zur Erläuterung <strong>von</strong> ‚schwachen’ Institutionen schlage ich vor, vom H<strong>in</strong>weis WE-<br />

BERs (1976: 17) auszugehen, demzufolge e<strong>in</strong>e zur Regel gewordene Umgehung oder<br />

Verletzung des S<strong>in</strong>ns e<strong>in</strong>er Ordnung bedeutet, dass die Ordnung nur begrenzt oder<br />

schließlich gar nicht mehr gilt (vgl. Abschnitt 2.3.3). Hieraus wird zum e<strong>in</strong>en deutlich,<br />

dass nicht s<strong>in</strong>guläre Verstöße sondern die wiederkehrende – <strong>in</strong>sbesondere: nicht<br />

sanktionierte – Normverletzung die Geltung e<strong>in</strong>er Ordnung <strong>in</strong> Frage stellt und zum<br />

anderen, dass e<strong>in</strong>e Ordnung nicht unbed<strong>in</strong>gt durch Normverletzung verschw<strong>in</strong>det,<br />

sondern dass sie zunächst nur beschränkt gilt. Damit werden zwei Aspekte <strong>in</strong> den<br />

Vordergrund gerückt: Erstens ist das Ausmaß der gesellschaftlichen Verankerung<br />

<strong>von</strong> Institutionen (Institutionalisierungsgrad) an bestimmte Bed<strong>in</strong>gungen geknüpft.<br />

Zweitens spielt normverletzendes bzw. abweichendes Verhalten e<strong>in</strong>e signifikante<br />

Rolle, wobei als abweichend die Verhaltensweisen bezeichnet werden, die nicht mit<br />

den <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Gesellschaft oder e<strong>in</strong>er ihrer Teilstrukturen geltenden Normen und Werten<br />

übere<strong>in</strong>stimmen. 30<br />

Voraussetzungen hoher Institutionalisierung. Institutionen werden durch rekursive<br />

soziale Praxis konstituiert, so dass sie <strong>in</strong> ihrer raum-zeitlichen Ausbreitung relativ<br />

stabil s<strong>in</strong>d. Die Kontextualität sozialen Handelns generiert jedoch stets neue Bed<strong>in</strong>-<br />

30 Gemäß dem <strong>in</strong>teraktionistischen Ansatz des label<strong>in</strong>g approach ist Devianz das Ergebnis e<strong>in</strong>es<br />

Zuschreibungsprozesses, d.h. e<strong>in</strong> <strong>von</strong> den normativen Erwartungen e<strong>in</strong>er Gruppe als abweichend<br />

wahrgenommenes Verhalten wird persönlich diskreditiert und ruft <strong>in</strong>terpersonelle<br />

oder kollektive Reaktionen der Isolierung, Behandlung, Besserung oder Bestrafung des abweichenden<br />

Individuums hervor. Somit hängt die Bestimmung <strong>von</strong> Devianz <strong>von</strong> Interpretationen<br />

und Prozessen des Aushandelns und damit <strong>von</strong> der Def<strong>in</strong>itionsmacht der betroffenen<br />

Personen und Gruppen ab. Insgesamt geht e<strong>in</strong> solches Verständnis über e<strong>in</strong>en Devianzbegriff<br />

im S<strong>in</strong>ne <strong>von</strong> Del<strong>in</strong>quenz h<strong>in</strong>aus.<br />

45


Theoretische Grundlagen der Konfliktanalyse<br />

gungen und Anforderungen, so dass Handlungsmuster und die durch diese<br />

(re-) produzierten Institutionen pr<strong>in</strong>zipiell e<strong>in</strong>em situativ bed<strong>in</strong>gten Zwang zur Veränderung<br />

unterliegen. Da jedoch Institutionen „Funktionssynthesen“ (SCHELSKY)<br />

s<strong>in</strong>d, stellen sich Veränderungen als aufwendig und folgenreich für die <strong>in</strong>vol<strong>vier</strong>ten<br />

Akteure heraus. Gleichzeitig bedürfen Institutionen e<strong>in</strong>er permanenten Legitimation.<br />

Es wird unterschieden zwischen primärer und sekundärer Legitimation: Primär ist die<br />

implizite Legitimation durch Habitualisierung bzw. Typisierung. Im Falle <strong>von</strong> Legitimationsverlust<br />

wird e<strong>in</strong>e sekundäre, ausdrückliche Legitimation mit Bezug auf S<strong>in</strong>nund<br />

Wertesysteme erforderlich. NEDELMANN (1995: 17) geht da<strong>von</strong> aus, dass der<br />

Grad der gesellschaftlichen Verankerung e<strong>in</strong>er Institution umso größer ist, je stärker<br />

ihre primäre Legitimation ist, während häufige sekundäre Legitimationshandlungen<br />

e<strong>in</strong> Indikator für die schwache Verankerung der Institution s<strong>in</strong>d (vgl. GÖHLER<br />

1996b). Daraus entwickelt NEDELMANN (1995: 20) fünf Dimensionen, die Auskunft<br />

über den Institutionalisierungsgrad geben:<br />

Enact<strong>in</strong>g – act<strong>in</strong>g: Der rout<strong>in</strong>ierte, nicht ständig h<strong>in</strong>terfragte Vollzug (enact<strong>in</strong>g) <strong>in</strong>stitutionell<br />

vorgegebenen bzw. orientierten Verhaltens <strong>in</strong>diziert e<strong>in</strong>e große Wirkleistung<br />

der Institution, während bewusstes und/oder strategisches Handeln (act<strong>in</strong>g) <strong>von</strong> niedriger<br />

<strong>in</strong>stitutioneller Handlungsorientierung zeugt.<br />

Internalisierung – Externalisierung: Rout<strong>in</strong>iertes Handeln setzt die Internalisierung v.a. <strong>in</strong><br />

der politischen Sozialisation voraus. Die Ver<strong>in</strong>nerlichung <strong>in</strong>stitutioneller Leitpr<strong>in</strong>zipien<br />

verankert e<strong>in</strong>e Institution <strong>in</strong> sozialen Identitätskonstruktionen und somit <strong>in</strong> der<br />

politischen Kultur.<br />

Eigenwert – Instrumentalität: E<strong>in</strong> hoher Institutionalisierungsgrad zeichnet sich durch<br />

e<strong>in</strong>en ger<strong>in</strong>gen Grad an demonstrativem Handeln und e<strong>in</strong> ger<strong>in</strong>ges Maß an normativer<br />

Begründung für <strong>in</strong>stitutionelles oder <strong>in</strong>stitutionenbezogenes Handeln aus. E<strong>in</strong><br />

re<strong>in</strong> <strong>in</strong>strumenteller Bezug zur Institution ist ebenso wie Rechtfertigungsdruck e<strong>in</strong><br />

Zeichen der Schwäche der Institution.<br />

Entlastung – Belastung: Stark gesellschaftlich verankerte Institutionen entlasten die<br />

Handelnden und ermöglichen die Ausschöpfung <strong>in</strong>stitutionellen Handlungsraums.<br />

Die <strong>in</strong>dividuelle Belastung steigt h<strong>in</strong>gegen, wenn jede Situation auf ihre Bed<strong>in</strong>gungen<br />

überprüft, kalkuliert und kontrolliert werden muss.<br />

Unpersönlichkeit – „Mikro“-Abhängigkeit: Je ‚unpersönlicher’ e<strong>in</strong>e Institution ist, desto<br />

stärker ist der Grad ihrer Institutionalisierung. Umgekehrt gilt die Abhängigkeit <strong>von</strong><br />

46


Theoretische Grundlagen der Konfliktanalyse<br />

bestimmten Akteuren, um das für sie typische Handlungsmuster aufrechtzuerhalten,<br />

als Ausdruck schwacher Institutionalisierung.<br />

<strong>E<strong>in</strong>e</strong> schwache Institutionalisierung kann sowohl nicht <strong>in</strong>tendierte Folge kollektiven<br />

Handelns se<strong>in</strong>, als auch die Folge e<strong>in</strong>er strategisch moti<strong>vier</strong>ten E<strong>in</strong>flussnahme e<strong>in</strong>zelner<br />

Akteure und Gruppen. Die Beurteilung, <strong>in</strong>wieweit <strong>in</strong>stitutionelle Dynamik <strong>von</strong><br />

<strong>in</strong>dividuellen Handlungen abhängig ist und somit absichtsvoll gestaltbar oder gar<br />

steuerbar ist, hängt <strong>von</strong> der theoretischen Perspektive ab. Gemäß des Ansatzes des<br />

Rational Choice wird die Dynamik <strong>von</strong> Institutionen <strong>in</strong> Bezug zu deren Funktionalität<br />

gesetzt. Dem Handlungsmodell des calculus approach zufolge existieren Institutionen<br />

solange der Nutzen der Befolgung <strong>in</strong>stitutioneller Normen größer ist als der<br />

Nutzen der Nichtbefolgung. <strong>E<strong>in</strong>e</strong> Institution gilt als umso robuster gegenüber Wandel,<br />

je größer ihr Beitrag zur Überw<strong>in</strong>dung bestimmter Dilemmata bzw. je größer der<br />

Nutzengew<strong>in</strong>n der <strong>in</strong>stitutionellen Regelung ist (vgl. HALL/TAYLOR 1996: 940).<br />

Bleibt der Nutzen e<strong>in</strong>er Institution aus, ist e<strong>in</strong>e weitere Motivation zur Veränderung<br />

gegeben. In der soziologischen Perspektive f<strong>in</strong>den sich zugleich Erklärungsansätze<br />

für die Wandelbarkeit und für die Persistenz <strong>von</strong> Institutionen. Institutioneller Wandel<br />

wird als Folge e<strong>in</strong>es <strong>in</strong>neren und äußeren Anpassungsdrucks gedeutet. So verlieren<br />

Institutionen mit dem Verschw<strong>in</strong>den ihrer sozialen und kulturellen Ankerpunkte<br />

an Bedeutung, etwa im Zuge <strong>von</strong> allgeme<strong>in</strong>en Säkularisierungs-, Rationalisierungs-,<br />

Demokratisierungs- oder Individualisierungsvorgängen. Alte Leitideen verlieren an<br />

Anziehungs- und Integrationskraft und neue Ideen führen zur Def<strong>in</strong>ition neuer<br />

Grundprobleme und zur Bildung neuer Formen der Kooperation. Zugleich resultiert<br />

Anpassungsdruck aus dem Ungleichgewicht zwischen den Leitwerten und der tatsächlichen<br />

Performanz der Institution (vgl. HALL/TAYLOR 1996: 949; PETERS 1998:<br />

10). Schließlich ist für den soziologischen Institutionalismusansatz die <strong>in</strong>formelle<br />

Variation des Verhaltensrepertoires als „<strong>in</strong>krementaler Vorgang der tastenden Anpassung“<br />

(KAISER 2001: 260) e<strong>in</strong>e weitere Erklärung für Wandel. Ähnlich dem historischen<br />

Ansatz werden <strong>in</strong> der soziologischen Perspektive auch Gründe für die<br />

Persistenz <strong>von</strong> Institutionen gesehen. So s<strong>in</strong>d Institutionen strukturell mit ihrer Umwelt<br />

verflochten, die darüber h<strong>in</strong>aus selbst e<strong>in</strong>en hohen Institutionalisierungsgrad<br />

aufweist (vgl. PETERS 1998: 9). Institutionen s<strong>in</strong>d nicht beliebig gestaltbar, da sie e<strong>in</strong>er<br />

Vielzahl sozialer Gedächtnisleistungen und ‚Trägheitsmomenten’ begegnen müssen<br />

(vgl. ebd.: 4). Im S<strong>in</strong>ne des historischen Institutionalismus s<strong>in</strong>d <strong>in</strong>stitutionelle<br />

Strukturen als das Ergebnis <strong>von</strong> Ause<strong>in</strong>andersetzungen zwischen ungleich mit Macht<br />

ausgestatteten Akteuren zu verstehen, so dass den Herrschenden e<strong>in</strong> Interesse an der<br />

47


Theoretische Grundlagen der Konfliktanalyse<br />

Erhaltung der sie stützenden Institutionenstruktur zu unterstellen ist. Entsprechend<br />

ist zwar die Institutionenstruktur pr<strong>in</strong>zipiell gestaltbar, jedoch stehen die Mittel hierzu<br />

nicht allen Akteuren gleichermaßen zur Verfügung.<br />

Normverletzung. Nicht nur kennzeichnet e<strong>in</strong>e starke Verbreitung <strong>von</strong> normverletzendem<br />

Verhalten e<strong>in</strong>e verm<strong>in</strong>derte soziale Integration (vgl. FUCHS 1999: 8ff).<br />

Normverletzungen tragen auch entscheidend zur <strong>in</strong>stitutionellen Dynamik bei. Sie<br />

signalisieren die Notwendigkeit <strong>von</strong> Anpassungs- und Auflösungsprozessen <strong>in</strong>nerhalb<br />

<strong>von</strong> Institutionen oder <strong>in</strong>nerhalb des Institutionengefüges und kennzeichnen so<br />

das Institutionen <strong>in</strong>newohnende „Zerrütungspotential“ (SCHIMANK 2004: 296). Hier<br />

wird argumentiert, dass Normverletzung über ihre dynamisierende Wirkung e<strong>in</strong>e<br />

wesentliche Größe <strong>in</strong> der Entstehung und Entwicklung <strong>von</strong> <strong>Konflikten</strong> darstellt.<br />

<strong>E<strong>in</strong>e</strong> starke Verbreitung <strong>von</strong> normverletzendem Verhalten führt zu e<strong>in</strong>er Schwächung<br />

<strong>von</strong> Institutionen, die wiederum für die Entstehung und Eskalation <strong>von</strong> <strong>Konflikten</strong><br />

förderlich ist.<br />

Die Erklärungsansätze für Normabweichung unterscheiden sich v.a. im H<strong>in</strong>blick auf<br />

das Maß des dem Akteur beigemessenen Handlungsspielraums, denn die Kernelemente<br />

Motivation, wahrgenommene Handlungsoptionen sowie <strong>in</strong>tendierte und nicht<br />

<strong>in</strong>tendierte Konsequenzen des Handelns werden je nach Handlungsmodell verschieden<br />

zue<strong>in</strong>ander <strong>in</strong> Beziehung gesetzt. Im Rational Choice-Ansatz werden <strong>in</strong>stitutionelle<br />

Koord<strong>in</strong>ationsleistungen als kollektive Gleichgewichtslösungen verstanden (vgl.<br />

KAISER 2001: 273), so dass für regelabweichendes Verhalten folgende Erklärungsansätze<br />

angeboten werden: (a) Der Akteur kennt die Wesensmerkmale des Interaktionspartners<br />

nicht oder misstraut diesem im H<strong>in</strong>blick auf se<strong>in</strong>e<br />

Kooperationsbereitschaft. (b) Der Akteur kennt die Institution oder die Regel nicht.<br />

(c) Der Akteur sieht sich <strong>in</strong> se<strong>in</strong>em Verhalten nicht kontrolliert. (d) Der Akteur erkennt<br />

ke<strong>in</strong>e dritte, sanktionierende Partei. Somit gründet Devianz im Pr<strong>in</strong>zip auf<br />

e<strong>in</strong>er Informationsasymmetrie. In e<strong>in</strong>er Handlungssituation, <strong>in</strong> der mehr als e<strong>in</strong>e Institution<br />

Geltungsanspruch erhebt und sich die Durchsetzungsmechanismen der<br />

jeweiligen Institutionen unterscheiden, wird der Akteur nach Abwägung der Kosten<br />

und Nutzen <strong>von</strong> Befolgung und Abweichung die Regeln der Institution befolgen,<br />

deren höchstes Sanktionspotential er erkennt. Im S<strong>in</strong>ne des soziologischen Institutionalismusansatz<br />

s<strong>in</strong>d zwei weitere Erklärungsansätze für abweichendes Verhalten<br />

denkbar (vgl. LAMNEK 1979): Zum e<strong>in</strong>en kann der Akteur durch das Erleben e<strong>in</strong>er<br />

Krisensituation aus se<strong>in</strong>en gewohnten Handlungsmustern herausgerissen und zur<br />

48


Theoretische Grundlagen der Konfliktanalyse<br />

Neuorientierung se<strong>in</strong>es Handelns gezwungen werden. 31 Als Entstehungskontext für<br />

Krisensituationen s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> diesem Zusammenhang v.a. persönliche traumatische Erlebnisse<br />

und gesellschaftliche Umbruchprozesse zu nennen (vgl. Anomiekonzepte).<br />

Zum anderen kann deviantes Verhalten durch die Orientierung an alternativen<br />

Handlungsreferenzen wie z.B. Sub- bzw. Gegenkulturen oder <strong>in</strong>formellen Institutionen<br />

erklärt werden. Akteure sprechen die Geltung der Regeln e<strong>in</strong>er bestimmten Institution<br />

ab und ersetzen diese durch andere Leitcodes (vgl. Subkulturtheorien). In<br />

e<strong>in</strong>er ähnlichen, jedoch stärker auf die Asymmetrie der Machtverteilung und die<br />

pfadabhängige Entwicklung <strong>von</strong> Institutionen Bezug nehmenden Argumentation<br />

kann Normverletzung als demonstrative Oppositionshaltung gegenüber e<strong>in</strong>er <strong>in</strong>stitutionellen<br />

Ordnung verstanden werden, welcher die Absicht e<strong>in</strong>er Innovation, Reformation<br />

oder Revolution der Institution zugrunde liegt. Dabei können als Objekt der<br />

Veränderung beispielsweise die Leitidee, die durch diese erzeugte Struktur der<br />

Macht- und Ressourcenverteilung oder die die <strong>in</strong>stitutionelle Ordnung repräsentierenden<br />

Personen, E<strong>in</strong>richtungen und Symbole gelten.<br />

Allgeme<strong>in</strong> gilt, dass Institutionen reglementierend, beh<strong>in</strong>dernd oder fördernd auf die<br />

Zielverfolgung <strong>von</strong> Akteuren wirken können (vgl. SCHIMANK 2004: 295). Im Falle<br />

e<strong>in</strong>er beh<strong>in</strong>dernden Wirkung, stehen dem Akteur pr<strong>in</strong>zipiell drei Handlungsoptionen<br />

offen: (a) Verzicht auf Zielerreichung, (b) Beseitigung der <strong>in</strong>stitutionellen Hürden<br />

oder (c) Missachtung der <strong>in</strong>stitutionellen Regelungen. Für den Akteur ist die mehr<br />

oder weniger heimliche Missachtung v.a. dann e<strong>in</strong>e Nutzen br<strong>in</strong>gende Strategie,<br />

wenn ihm die Sanktionskosten als tragbar ersche<strong>in</strong>en und er gleichzeitig da<strong>von</strong> ausgehen<br />

kann, dass sich die anderen Akteure normkonform verhalten:<br />

„Solange e<strong>in</strong> Akteur als e<strong>in</strong>ziger abweicht, genießt er den doppelten Vorteil erstens der durch<br />

die konformen anderen aufrechterhaltenen Erwartungssicherheit und zweitens der eigenen<br />

Zielerreichung.“ (ebd.)<br />

Folglich ergibt sich <strong>in</strong> jeder <strong>in</strong>stitutioneller Ordnung e<strong>in</strong>e spieltheoretische Situation<br />

des Gefangenendilemmas. Dabei gilt, dass der Anreiz zur Missachtung der <strong>in</strong>stitutionellen<br />

Regelungen umso größer ist, je weniger personifiziert die Institution ist. Gefährdete<br />

jedoch die e<strong>in</strong>malige Normverletzung bereits die Existenz der Institution,<br />

hätte ke<strong>in</strong> Akteur mit Interesse an der Geltung der Institution Anreize zur Abweichung:<br />

31 Krise bezeichnet hier im soziologischen S<strong>in</strong>n die Unwirksamkeit rout<strong>in</strong>isierter und bewährter<br />

Handlungsstrategien für die Realisierung bestimmter Absichten.<br />

49


Theoretische Grundlagen der Konfliktanalyse<br />

„Insgesamt ist die Dynamik <strong>in</strong>stitutioneller Ordnungen damit e<strong>in</strong>e immer wieder aufs Neue<br />

durch <strong>in</strong>härente Antriebskräfte <strong>in</strong> Gang gebrachte Abfolge <strong>von</strong> zwei Dilemmata kollektiven<br />

Handelns: Battle [of the sexes; NP] und Prisoner’s Dilemma.“ (ebd.: 298)<br />

Die Handlungslogiken spielen dabei e<strong>in</strong>e zentrale Rolle: Verhält sich der Akteur gemäß<br />

der Logik der Angemessenheit, wirkt dies relativ stabilisierend auf die Institution.<br />

Das Handeln im S<strong>in</strong>ne der Logik der Instrumentalität hätte h<strong>in</strong>gegen<br />

‚ansteckende’ Wirkung. Akteure würden sich durch die Abweichung anderer zur<br />

Nachahmung angeregt fühlen (vgl. ebd.), was e<strong>in</strong>e Schwächung der Institutionen zur<br />

Folge hätte.<br />

2.3.3.3 Der Stellenwert <strong>von</strong> Institutionen im Konflikt<br />

Unter Berücksichtigung der Funktionsleistungen <strong>von</strong> Institutionen und der mit e<strong>in</strong>er<br />

schwachen Institutionalisierung verbundenen Zusammenhänge geht hervor, dass<br />

Institutionen <strong>in</strong> <strong>Konflikten</strong> e<strong>in</strong>e Bedeutung als Akteur, Gegenstand und Austragungskontext<br />

erlangen können.<br />

Institutionen als Konfliktakteur. Insofern politische Institutionen auch Organisationscharakter<br />

aufweisen, können Konflikte zwischen Institutionen wie auch <strong>in</strong>nerhalb<br />

<strong>von</strong> diesen ausgetragen werden (vgl. LEPSIUS 1996: 61). Darüber h<strong>in</strong>aus können<br />

Institutionen als organisierter Akteur gegenüber anderen, nicht <strong>in</strong>stitutionellen Akteuren<br />

auftreten. Hier gelten die aus Organisationstheorien bekannten Vorteile und<br />

Nachteile organisierten (Konflikt-) Handelns (vgl. SCHARPF 2000: 95ff). In Vertretung<br />

eigener Interessen bündelt e<strong>in</strong>e Institution als kollektiver Akteur <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Konflikt<br />

die Interessen und Bedürfnisse des sie repräsentierenden Personals oder ihres<br />

Funktionsadressaten und vertritt diese gegenüber anderen kollektiven oder <strong>in</strong>dividuellen<br />

Akteuren. Liegt bereits e<strong>in</strong>e formale Struktur vor und s<strong>in</strong>d entsprechend Weisungskompetenzen<br />

und Kommunikationskanäle festgelegt, verfügen organisierte<br />

Institutionen über e<strong>in</strong> vergleichsweise hohes Mobilisierungspotential und – gegenüber<br />

nicht bzw. weniger organisierten Konfliktakteuren – über Vorteile h<strong>in</strong>sichtlich<br />

ihrer Wirkungskraft. Aufgrund ihrer symbolischen Dimension, ihrer Historizität und<br />

der daraus erzeugten Faktizität haben politische Institutionen e<strong>in</strong>e andere Legitimationsgrundlage<br />

als nicht<strong>in</strong>stitutionelle Organisationen. Es ist da<strong>von</strong> auszugehen, dass<br />

Institutionen über e<strong>in</strong>e höhere gesellschaftliche Legitimation verfügen als ‚re<strong>in</strong>e’ Organisationen<br />

– sofern nicht besondere Umstände wie z.B. e<strong>in</strong> Kontext gesellschaftlicher<br />

Transformation oder schlechte Institutionenperformanz vorliegen, welche<br />

gegebenenfalls zu e<strong>in</strong>em Legitimations- und Machtverlust der Institution führen<br />

können (vgl. GÖHLER 1996: 43ff). Ebenso wie Organisationen kommt es <strong>in</strong>nerhalb<br />

50


Theoretische Grundlagen der Konfliktanalyse<br />

politischer Institutionen regelmäßig zu kle<strong>in</strong>eren oder größeren Differenzen <strong>in</strong>folge<br />

<strong>in</strong>dividueller Bedürfnisse, Interessen, Antriebe und Fähigkeiten der Institutionsmitglieder.<br />

Je nachdem, wie die <strong>in</strong>ner<strong>in</strong>stitutionellen Integrations- und Konfliktbearbeitungskapazitäten<br />

beschaffen s<strong>in</strong>d, kann es mitunter zu e<strong>in</strong>er Schwächung der<br />

<strong>in</strong>stitutionellen Wirkkraft gegenüber anderen Akteuren kommen. Das Auftreten der<br />

Institution als Akteur <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Konflikt hängt stark <strong>von</strong> ihrer kollektiven Handlungsfähigkeit<br />

ab. SCHIMANK (2004: 303) setzt die kollektive Handlungsfähigkeit e<strong>in</strong>er<br />

Institution <strong>in</strong> Beziehung zur Attribution <strong>von</strong> Handlungen und Handlungsfolgen.<br />

Große <strong>in</strong>nere Konflikte oder e<strong>in</strong> völlig unabgestimmtes ‚Nebene<strong>in</strong>anderherhandeln’<br />

der Beteiligten <strong>in</strong> der Institution führen dazu, dass Akteure Handlungen und Handlungsfolgen<br />

nicht der Institution zuschreiben, sondern e<strong>in</strong>zelnen Akteuren, was e<strong>in</strong>e<br />

Schwächung der Institution zur Folge hat. Demnach hängt die Handlungsfähigkeit<br />

<strong>von</strong> Institutionen sehr stark da<strong>von</strong> ab, ob sich die Akteure der Institution verpflichtet<br />

fühlen. Dabei s<strong>in</strong>d die Probleme e<strong>in</strong>er Leistungsverweigerung (shirk<strong>in</strong>g) im S<strong>in</strong>ne des<br />

pr<strong>in</strong>cipal-agent-Problems und e<strong>in</strong>er Oligarchisierung <strong>in</strong>nerhalb der Institutionenstruktur<br />

<strong>in</strong> der Regel kaum zu vermeiden, da erstens typischerweise viele agents vorhanden<br />

s<strong>in</strong>d, zweitens es kaum Möglichkeiten zur Kontrolle und Bewertung <strong>von</strong> Qualität<br />

spezialisierter Kompetenzen gibt und drittens es an effektiven Sanktionsmöglichkeiten<br />

mangelt (vgl. SCHIMANK 2004: 304). Auch die Spezialisierung und Hierarchisierung<br />

<strong>in</strong>folge funktionaler Erfordernisse mit dem Ergebnis der Entfremdung der<br />

Institutionenspitze <strong>von</strong> ihrer Basis ist e<strong>in</strong> kaum zu vermeidendes Problem <strong>von</strong> Institutionen,<br />

das die kollektive Handlungsfähigkeit schwächt (vgl. ebd.: 305). Nicht selten<br />

drücken <strong>in</strong>nerer Rückzug bzw. Austritt aus der Institution (exit-Strategie) oder<br />

aber die öffentliche Kommunikation abweichender Me<strong>in</strong>ungen (voice-Strategie) die<br />

Entfremdung <strong>von</strong> Institutionsmitgliedern aus.<br />

Neben den <strong>in</strong>stitutions<strong>in</strong>ternen <strong>Konflikten</strong> führen auch Konflikte zwischen Institutionen<br />

zu e<strong>in</strong>er Schwächung der kollektiven Handlungsfähigkeit <strong>von</strong> Institutionen. Für<br />

LEPSIUS (1996: 61) besteht zwischen Institutionen e<strong>in</strong> erhebliches Konfliktpotential:<br />

„Die <strong>in</strong> ihnen ausgebildeten Rationalitätskriterien stehen zue<strong>in</strong>ander <strong>in</strong> Opposition, die <strong>von</strong><br />

ihnen beanspruchten Geltungsbereiche überschneiden sich. Die Wertvorstellungen und Leitideen,<br />

auf die sie sich beziehen, s<strong>in</strong>d <strong>in</strong>kompatibel, sonst würden sie nicht differenziert se<strong>in</strong>.“<br />

Dabei geht es Institutionen <strong>in</strong> erster L<strong>in</strong>ie um die Durchsetzung <strong>in</strong>stitutioneller<br />

Handlungsmaximen gegenüber anderen Institutionen (vgl. ebd.). Nicht nur b<strong>in</strong>den<br />

<strong>in</strong>ter<strong>in</strong>stitutionelle Konflikte unnötigerweise Kapazitäten und Ressourcen, sie vermitteln<br />

damit auch die E<strong>in</strong>schränkung ihrer Geltung, was sich nachteilig auf die Vertrau-<br />

51


Theoretische Grundlagen der Konfliktanalyse<br />

ensgrundlage auswirkt. Anstatt zu entlasten, wirkt e<strong>in</strong>e <strong>in</strong> Konflikt stehende <strong>in</strong>stitutionelle<br />

Ordnung belastend.<br />

Institutionen können <strong>in</strong> Vertretung eigener Interessen als Konfliktakteur auftreten,<br />

oder aber sie werden <strong>in</strong> ihrer Ordnungsfunktion zur Reglementierung des Konflikts<br />

e<strong>in</strong>bezogen. Institutionen s<strong>in</strong>d jedoch zu e<strong>in</strong>er Reglementierung der Konfliktbearbeitung<br />

nur dann <strong>in</strong> der Lage, wenn erstens die Konfliktparteien die Institutionen anerkennen<br />

und ihnen vertrauen und zweitens die Institutionen über ausreichende<br />

Steuerungs- und Sanktionskapazitäten <strong>in</strong> Bezug auf die Akteure und den Konflikt<br />

verfügen. In e<strong>in</strong>igen Fällen versuchen Konfliktparteien, durch die Aberkennung der<br />

Institution deren Regelungskapazität zu schwächen. Auch können Akteure sich<br />

durch e<strong>in</strong>e gezielte Wahl des Bearbeitungskontexts und des Bearbeitungsmodus e<strong>in</strong>er<br />

<strong>in</strong>stitutionellen Reglementierung entziehen.<br />

Institutionen als Konfliktgegenstand. Die <strong>in</strong>stitutionellen Wirkungsebenen bestehen<br />

<strong>in</strong> (a) der Konstituierung <strong>von</strong> Akteurskonstellationen durch Def<strong>in</strong>ition der Anlässe<br />

und Arenen der Interaktion sowie der Bestimmung der Ressourcenverteilung;<br />

(b) der Orientierung <strong>in</strong>dividueller und kollektiver Akteurshandlungen sowie (c) der<br />

Prägung der Handlungssituation (vgl. MAYNTZ/SCHARPF 1995: 51ff). Im H<strong>in</strong>blick<br />

auf machtbezogene Konflikte s<strong>in</strong>d besonders die Aspekte (a) und (b) <strong>in</strong>teressant,<br />

denn die Gewalt über Institutionen kann Akteuren zur Festigung ihrer machtpolitischen<br />

Position verhelfen. Institutionen werden zu e<strong>in</strong>em Konfliktgegenstand, wenn<br />

sie als Instrument der Befriedigung oder Maximierung <strong>in</strong>dividueller oder kollektiver<br />

Interessen dienen können. Hier sollen <strong>in</strong>sbesondere die beiden Strategien der ‚Eroberung’<br />

(Akteure bemühen sich um die Eroberung der zur Realisierung ihrer Interessen<br />

dienlichen Institutionen) sowie der ‚Schwächung’ (Akteure bemühen sich, das <strong>in</strong>stitutionelle<br />

Gefüge zu schwächen, so dass sie ihre Interessen durchsetzen können) behandelt<br />

werden.<br />

Eroberung dienlicher Institutionen. Institutionen def<strong>in</strong>ieren soziale Phänomene nur gemäß<br />

der ihnen zugrunde liegenden Rationalität zu Problemen und entwickeln hierfür entsprechende<br />

Lösungen. Bemächtigen sich Akteure e<strong>in</strong>er politischen Institution können<br />

sie damit systematisch die politische Agenda zu ihren Gunsten verzerren (vgl.<br />

LEPSIUS 1995: 397). Zugleich können sie ihr Handeln gemäß der – notfalls zu ihren<br />

Gunsten angepassten – <strong>in</strong>stitutionellen Leitidee legalisieren und gegebenenfalls legitimieren.<br />

Zudem können über die verb<strong>in</strong>dliche und adressatenspezifische Festlegung<br />

und Durchsetzung der Verteilung materieller und immaterieller Güter bestehende<br />

52


Theoretische Grundlagen der Konfliktanalyse<br />

Asymmetrien gezielt erhalten oder verstärkt werden. Die kollektive Verteilung <strong>von</strong><br />

Ressourcen und damit auch <strong>von</strong> Chancen und Möglichkeiten konstituiert und konser<strong>vier</strong>t<br />

soziale und politische Gruppengrenzen. Wenn also Akteure e<strong>in</strong>e Umverteilung<br />

anstreben, bedeutet dies notwendigerweise e<strong>in</strong> Vorstoß gegen die<br />

<strong>in</strong>stitutionellen Regelungen, welche <strong>von</strong> e<strong>in</strong>er Gruppe als geltend beansprucht werden.<br />

Herauszustellen ist, dass <strong>in</strong>stitutionenbezogene Konfliktgegenstände symbolisch<br />

<strong>von</strong> hoher Bedeutung s<strong>in</strong>d, wie z.B. Werte und Normen, <strong>in</strong>stitutionelle Leitpr<strong>in</strong>zipien,<br />

Pr<strong>in</strong>zipien der <strong>in</strong>stitutionell stabilisierten sozialen und politischen Ordnung.<br />

Schließlich kann der Operationsmodus der Institution zum Gegenstand <strong>von</strong> <strong>Konflikten</strong><br />

erhoben werden, d.h. Art und Ausmaß der Bereitstellung <strong>von</strong> Informationen, der<br />

Sanktionierung sowie der zugewiesenen Handlungsspielräume. Unter Berücksichtigung<br />

der Funktionen <strong>von</strong> Institutionen s<strong>in</strong>d folglich pr<strong>in</strong>zipiell folgende <strong>in</strong>stitutionenbezogene<br />

Konfliktobjekte denkbar:<br />

� Verfahren und Ergebnis der Verteilung <strong>von</strong> Chancen, Ressourcen und Wissensbeständen<br />

� Werte und Normen sowie die Art ihrer Vermittlung<br />

� Institutionelle Leitpr<strong>in</strong>zipien bzw. Leitpr<strong>in</strong>zipien der <strong>in</strong>stitutionell stabilisierten<br />

sozialen und politischen Ordnung<br />

� Art und Ausmaß der Bereitstellung <strong>von</strong> Informationen<br />

� Art und Ausmaß der Sanktionierung<br />

� Art und Ausmaß der zugewiesenen und <strong>in</strong>stitutionell reglementierten Handlungsspielräume<br />

� Institutionell konstituierte und stabilisierte Gruppengrenzen.<br />

Schwächung <strong>von</strong> Institutionen. Durch Anzweiflung oder Entzug der Legalisierungs- bzw.<br />

Legitimierungsbefugnis <strong>von</strong> Institutionen kann die Handlungsmacht <strong>von</strong> Akteuren<br />

e<strong>in</strong>geschränkt werden und die <strong>in</strong>stitutionell gefestigte Ordnung umgestaltet werden.<br />

So ist e<strong>in</strong>e wichtige Funktionsleistung <strong>von</strong> Institutionen die Herstellung <strong>von</strong> Sicherheit.<br />

Es kann jedoch im Interesse <strong>von</strong> Akteuren se<strong>in</strong>, e<strong>in</strong>e Situation der Unsicherheit<br />

und der Instabilität zu erzeugen und zu erhalten. Akteure können unter solchen Umständen<br />

<strong>in</strong>dividuelle Strategien und asymmetrische Nutzenverteilungen realisieren<br />

und brauchen dabei, kaum Sanktionskosten zu befürchten. H<strong>in</strong>gegen müssen ihre<br />

Opponenten mit hohen Kosten der Information und Organisation rechnen. Zu e<strong>in</strong>em<br />

Vertrauensverlust und zu e<strong>in</strong>er Delegitimierung der Institution trägt <strong>in</strong>sbesondere<br />

normverletzendes Verhalten bei. Denn dadurch wird die Unwirksamkeit der<br />

53


Theoretische Grundlagen der Konfliktanalyse<br />

Institution vermittelt, d.h. die Unverb<strong>in</strong>dlichkeit des Wertebezugs und die Unfähigkeit<br />

zur Sanktion normverletzenden Verhaltens. Insgesamt könnte die Motivation zur<br />

Schwächung <strong>von</strong> Institutionen <strong>in</strong> folgenden Zielsetzungen der Konfliktakteure bestehen:<br />

� Aberkennen der Legalisierungs- bzw. Legitimierungsbefugnis <strong>von</strong> Institutionen<br />

� Aberkennen der Legitimationsgrundlage bzw. <strong>in</strong>stitutionellen Legalisierung bestimmten<br />

Handelns<br />

� Aberkennen der symbolischen Repräsentation sowie des Personalsbestands der<br />

Institution<br />

� Aberkennen der sozialen und/oder politischen Ordnung<br />

� Aberkennen der <strong>in</strong>stitutionell (re-) produzierten sozialen Relationen und der damit<br />

verbundenen Exklusionseffekte<br />

� Aneignung <strong>in</strong>stitutioneller Macht zur Sicherstellung asymmetrischer Verteilungsstrukturen<br />

� Fortbestehen <strong>von</strong> Unsicherheit zur Durchsetzung <strong>in</strong>dividueller Strategien und<br />

asymmetrischer Verteilungsstrukturen<br />

� Destabilisierung <strong>in</strong>dividueller und sozialer Identitätskonstruktionen<br />

� E<strong>in</strong>flussnahme auf die politische Agenda durch Änderung der Wahrnehmungsund<br />

Def<strong>in</strong>itionsweise <strong>von</strong> Problemen.<br />

Institutionen als Konfliktkontext. Der Kontextstellenwert <strong>von</strong> Institutionen <strong>in</strong><br />

<strong>Konflikten</strong> ist <strong>in</strong>sbesondere vor dem H<strong>in</strong>tergrund der <strong>von</strong> ihnen erbrachten Funktionsleistungen<br />

zu erkennen. Institutionen bestimmen wie <strong>in</strong> der Gesellschaft Konflikte<br />

ausgetragen werden wie auch die Konflikte zwischen Institutionen die<br />

Institutionenstruktur e<strong>in</strong>er Gesellschaft bestimmen (vgl. LEPSIUS 1995: 399, 1997:<br />

62). Auch <strong>in</strong> diesem Zusammenhang fällt die bereits im vorangegangenen Abschnitt<br />

2.3.3.2 behandelte <strong>in</strong>stitutionelle Dynamik besonders <strong>in</strong>s Gewicht. Institutionenwandel<br />

und damit e<strong>in</strong>hergehende Schwächung <strong>von</strong> Institutionen können gleichermaßen<br />

Voraussetzung und Folge <strong>von</strong> <strong>Konflikten</strong> se<strong>in</strong>.<br />

Ent<strong>in</strong>stitutionalisierungsprozesse werden h<strong>in</strong>sichtlich ihrer Dynamik <strong>in</strong> langsamer<br />

<strong>in</strong>stitutioneller Verfall und <strong>in</strong>stitutioneller Zusammenbruch unterschieden. 32 Die Dynamik<br />

hat Auswirkungen auf das Erleben und die Reaktion der Akteure. So sehen<br />

sich die <strong>in</strong> e<strong>in</strong>en <strong>in</strong>stitutionellen Zusammenbruch <strong>in</strong>vol<strong>vier</strong>ten Akteure nicht <strong>in</strong> der<br />

32 GÖHLER (1996) differenziert den Wandel <strong>in</strong> der Steuerungs- und der Integrationsdimension<br />

<strong>von</strong> Institutionen nach der Veränderungsrichtung der <strong>in</strong>stitutionellen Konfiguration.<br />

54


Theoretische Grundlagen der Konfliktanalyse<br />

Lage, steuernd auf den Prozess zu wirken und beschreiben den Prozess häufig mit<br />

Begriffen wie ‚Law<strong>in</strong>e’ oder ‚Kettenreaktion’ (vgl. NEDELMANN 1995: 28f). Den Ent<strong>in</strong>stitutionalisierungsprozessen<br />

e<strong>in</strong>erseits entsprechen andererseits Prozesse der Institutionalisierung,<br />

die je nach dem Grad der angestrebten Steuerung <strong>in</strong> schleichende<br />

Institutionalisierung und <strong>in</strong>stitutioneller Aufbau (Reform, Konstruktion oder Import)<br />

unterschieden werden (vgl. ebd.: 30). E<strong>in</strong> radikaler Wandel des <strong>in</strong>stitutionellen Gefüges<br />

macht e<strong>in</strong>e Neubewertung des bis dah<strong>in</strong> angeeigneten sozialen und politischen<br />

Kapitals – im S<strong>in</strong>ne BOURDIEUs (1983b) – erforderlich. Es kommt zu e<strong>in</strong>er Neustrukturierung<br />

sozialer und politischer Positionen mit entsprechender Umverteilung<br />

<strong>von</strong> positionsgebundenen Chancen und Ressourcen, wo<strong>von</strong> e<strong>in</strong>ige profitieren und<br />

andere verlieren. Auf zwei Besonderheiten ist im Zusammenhang mit Institutionenwandel<br />

h<strong>in</strong>zuweisen. Erstens besteht e<strong>in</strong>e besondere Herausforderung nicht nur <strong>in</strong><br />

der E<strong>in</strong>führung <strong>von</strong> neuen, sondern auch <strong>in</strong> der Loslösung <strong>von</strong> bewährten Institutionen,<br />

die den Hauptakteuren trotz offensichtlicher Nachteile e<strong>in</strong>deutige Handlungsorientierungen<br />

bieten (vgl. NEDELMANN 1995: 31). Zweitens s<strong>in</strong>d sowohl Reformals<br />

auch Konstruktions- und Importprozesse <strong>von</strong> Paradoxien gekennzeichnet, da<br />

e<strong>in</strong>e <strong>in</strong>stitutionelle Reform stets e<strong>in</strong>e Selbstreform ist und Konstruktionsprozesse<br />

nicht umh<strong>in</strong> kommen, Institutionen zu importieren, die im Ursprungskontext <strong>in</strong> Frage<br />

gestellt wurden. Beide Aspekte verweisen auf das Problem schwacher Institutionalisierung<br />

<strong>in</strong>folge des Fehlens <strong>von</strong> Legitimation, Vertrauen und Wissen sowie auf die<br />

beschränkten Kapazitäten zur Erbr<strong>in</strong>gungen <strong>in</strong>stitutioneller Funktionsleistungen. E<strong>in</strong><br />

gewichtiges Folgeproblem resultiert aus der Verflechtung mehrerer zugleich Geltung<br />

beanspruchender, möglicherweise aber e<strong>in</strong>ander widersprechender Leitideen und<br />

Handlungsrationalitäten:<br />

„Je größer die Diskrepanz zwischen den importierten politischen E<strong>in</strong>richtungen und der<br />

Entwicklung der Sozialstrukturen, desto größer die Wahrsche<strong>in</strong>lichkeit dafür, dass die transferierten<br />

Institutionen schwach ausgebildet bleiben. Je länger die Phase ihrer schwachen Institutionalisierung<br />

andauert, desto größer wird die Wahrsche<strong>in</strong>lichkeit dafür, dass sich<br />

<strong>in</strong>stitutionelle Überbleibsel aus der Vergangenheit strukturprägend durchsetzen […]. In dem<br />

Ausmaß aber, <strong>in</strong> dem die neuen Institutionen mit alten Institutionen durchsetzt werden,<br />

werden die ersteren daran geh<strong>in</strong>dert werden, ihre Eigenlogik zu entfalten und die politischen<br />

Akteure <strong>von</strong> ihrem Eigenwert zu überzeugen.“ (NEDELMANN 1995: 32)<br />

In diesem S<strong>in</strong>nzusammenhang muss auf das dialektische Begriffspaar ‚traditionellmodern’<br />

h<strong>in</strong>gewiesen werden, das häufig normativ und (noch häufiger) unklar verwendet<br />

wird, um <strong>in</strong>sbesondere <strong>in</strong> Entwicklungszusammenhängen die Spannungen <strong>in</strong><br />

gesellschaftlichen und politischen Bereichen zu beschreiben (vgl. z.B. TAIMO 1995;<br />

DIALLO 1999; WEIMER 1999; KING 2002).<br />

55


Theoretische Grundlagen der Konfliktanalyse<br />

Tradition und Moderne. Werden widersprechende Ordnungsvorstellungen mit der<br />

Gegenüberstellung <strong>von</strong> Tradition und Moderne beschrieben, müssen zwei Aspekte<br />

bedacht werden. Zum e<strong>in</strong>en ist dies die Momentaufnahme e<strong>in</strong>es dynamischen Ordnungszusammenhangs,<br />

<strong>in</strong> der e<strong>in</strong>ige Institutionen Geltung verlieren andere jedoch an<br />

Geltung gew<strong>in</strong>nen. Dabei wird der Prozess der Institutionalisierung neuer sozialer<br />

Institutionen als Modernisierung bezeichnet. Zum anderen be<strong>in</strong>haltet e<strong>in</strong>e solche<br />

Ordnungsbeschreibung auch e<strong>in</strong>e – mehr oder weniger bewusste – strategische Dimension.<br />

ZAPF (1996b: 169) versteht unter Modernisierung „erstens den säkularen Prozess seit<br />

der <strong>in</strong>dustriellen Revolution, <strong>in</strong> dem sich die kle<strong>in</strong>e Gruppe der heute modernen Gesellschaften<br />

entwickelt hat; zweitens die vielfältigen Aufholprozesse unterentwickelter<br />

Gesellschaften; drittens die Bemühungen der modernen Gesellschaften selbst, durch<br />

Innovationen und Reformen die Entwicklung <strong>in</strong> Gang zu halten und neue Herausforderungen<br />

zu bewältigen.“ Modernisierungsprozesse (im soziologischen Verständnis)<br />

können durch <strong>vier</strong> Pr<strong>in</strong>zipien gekennzeichnet werden: (1) Bruch mit<br />

Vergangenheit und Tradition, (2) funktionale Differenzierung durch die Ausbildung<br />

<strong>von</strong> Subsystemen, (3) Entwicklung relativer Autonomie der Subsysteme auf der Ebene<br />

ihrer Operationen und damit e<strong>in</strong>hergehende Durchrationalisierung sowie (4)<br />

Dynamisierung unter dem Imperativ zur Selbsterhaltung und zur immanenten Leistungssteigerung<br />

der Teilsysteme (vgl. BERGER 1988: 226f; BOUDON/BOURRICAUD<br />

1992: 343; s. auch BERGER 1996; ZAPF 1996a). FANDRYCH (2001: 109, Fußnote 17)<br />

bestimmt Tradition anhand der nicht-ökonomischen Austauschpr<strong>in</strong>zipien Reziprozität,<br />

Redistribution und Haushalt <strong>von</strong> der auf Marktmechanismen basierenden modernen<br />

Gesellschaft. Wenngleich nur implizit, wird oftmals Modernisierung als e<strong>in</strong>e<br />

‚E<strong>in</strong>bahnstrasse des Fortschritts’ gedacht (vgl. KING 2002: 65), so dass selbst Prozessbeschreibungen<br />

nicht gänzlich als wertfrei zu <strong>in</strong>terpretieren s<strong>in</strong>d. WEIMER (1999)<br />

setzt Tradition und Moderne <strong>in</strong> struktur-funktionalistischer Perspektive zue<strong>in</strong>ander<br />

<strong>in</strong> Beziehung. Dabei rekonstruiert und kontrastiert er die jeweiligen idealtypischen<br />

Merkmale, wie z.B. die kosmologische Ordnung der Tradition mit dem utilitaristischen<br />

Leitpr<strong>in</strong>zip der Modernisierung. Während Tradition hier als vertikal und horizontal<br />

<strong>in</strong>tegrativ beschrieben wird, gilt die Moderne als radikal und des<strong>in</strong>tegrativ.<br />

BOUDON/BOURRICAUD (1992: 348) weisen darauf h<strong>in</strong>, dass die Phasen der Modernisierung<br />

<strong>in</strong> Verb<strong>in</strong>dung mit der starken Mobilisierung zu e<strong>in</strong>er Demoralisierung <strong>in</strong>folge<br />

der Verschärfung des Wettbewerbs und der Konflikte führt. Modernisierungs-<br />

56


Theoretische Grundlagen der Konfliktanalyse<br />

phasen s<strong>in</strong>d darum auch oft Zeiten der Zerrissenheit und der Anomie (vgl. ROPERS<br />

2002: 28).<br />

Das Begriffspaar ‚Tradition-Moderne’ sollte gleichfalls als e<strong>in</strong> Produkt <strong>in</strong>stitutioneller<br />

Dynamik verstanden werden, <strong>in</strong> der ‚Tradition’ als antonyme Konstruktion zu ‚Moderne’<br />

<strong>in</strong> Ause<strong>in</strong>andersetzungen um Institutionenordnungen strategisch verwendet<br />

wird. 33 Erst dadurch, dass etablierte – und deshalb: nicht h<strong>in</strong>terfragte – Wertvorstellungen,<br />

soziale Praktiken und Strukturen <strong>von</strong> alternativen Wertvorstellungen, Praktiken<br />

und Strukturen h<strong>in</strong>terfragt oder kritisiert und somit <strong>in</strong> ihrem Bestand gefährdet<br />

werden, können sie zu Bestandteilen e<strong>in</strong>er Tradition deklariert werden (vgl. KING<br />

2002: 63). Das Traditionelle kennzeichnet somit all die Elemente e<strong>in</strong>er Ordnungsvorstellung,<br />

die der Kennzeichnende entweder mit Hilfe ihrer Historizität zu rechtfertigen<br />

beabsichtigt, durch Wertewandel gefährdet sieht und darum für besonders<br />

erhaltens- bzw. schützenswert bef<strong>in</strong>det (traditionalistische Position); oder aus bestimmten<br />

Gründen für unangemessen bewertet, woraus die Notwendigkeit e<strong>in</strong>er<br />

Reform, e<strong>in</strong>es Wandels oder auch e<strong>in</strong>er Umwälzung abgeleitet wird (modernistische<br />

Position). Somit markiert der Verweis auf Tradition bzw. Moderne die Positionen<br />

und die Strategien der Protagonisten <strong>in</strong> der Ause<strong>in</strong>andersetzung um die Def<strong>in</strong>ition,<br />

Legitimation und Durchsetzung soziokultureller und politischer Ordnungsvorstellungen.<br />

Der Konstruktionscharakter vermag zu der Ansicht verleiten, es handle sich<br />

dabei um e<strong>in</strong>en beliebig def<strong>in</strong>ierbaren und gestaltbaren Zusammenhang. Doch ebenso<br />

wie Institutionen unterliegen die Ordnungsvorstellungen <strong>von</strong> Tradition und Moderne<br />

der Tendenz zur „Objekti<strong>vier</strong>ung“ (BERGER/LUCKMANN 1977: 36ff): Akteure<br />

nehmen sie als äußeren, oftmals nicht <strong>von</strong> ihnen bee<strong>in</strong>flussbaren Zwang wahr.<br />

2.4 Konfliktanalyse und politische Kulturforschung<br />

Institutionen werden durch auf sie bezogenes Handeln reproduziert und stabilisiert.<br />

Denn die <strong>von</strong> e<strong>in</strong>er Institution beanspruchte Geltung wie auch deren Sanktionskapazität<br />

müssen durch normkonforme Handlungen und entsprechende Dispositionen<br />

bestätigt und gestärkt werden. Dispositionen <strong>in</strong> Form <strong>von</strong> ver<strong>in</strong>nerlichten Erkenntnissen,<br />

Gefühlen und Bewertungen <strong>von</strong> Erfahrungen, die sich e<strong>in</strong>erseits auf politische<br />

Institutionen und die sie repräsentierenden Akteure und andererseits auf das<br />

33 E<strong>in</strong> Beispiel für die strategische Verwendung gibt die Renamo, die während des Bürgerkrieges<br />

e<strong>in</strong>e traditionalistische Rhetorik nutzte, um strategische Vorteile gegenüber der sich der<br />

Modernisierung verschriebenen Frelimo zu erlangen (vgl. HALL 1990: 47; MORGAN 1990:<br />

614; YOUNG 1990: 505; ALEXANDER 1997: 8ff, 11).<br />

57


Theoretische Grundlagen der Konfliktanalyse<br />

politische System beziehen, werden im Allgeme<strong>in</strong>en als politische Kultur bezeichnet<br />

(vgl. DIAS 1971: 429). Im E<strong>in</strong>zelnen setzen verschiedene Ansätze politischer Kulturforschung<br />

eigene theoretische Schwerpunkte und unterscheiden sich entsprechend<br />

h<strong>in</strong>sichtlich der <strong>in</strong>tensionalen Bestandteile der Def<strong>in</strong>ition <strong>von</strong> politischer Kultur.<br />

Nicht zuletzt aufgrund der prägenden Erfahrungen des Nationalsozialismus <strong>in</strong><br />

Deutschland und der Dekolonialisierung <strong>in</strong> Entwicklungsländern, zählt die Erforschung<br />

der Bed<strong>in</strong>gungen für die Funktionsfähigkeit und Stabilität politischer Systeme<br />

<strong>in</strong>sbesondere <strong>von</strong> Demokratien zu den Schwerpunkten politischer Kulturforschung<br />

(vgl. ALMOND/VERBA 1965; PYE/VERBA 1965). Entsprechend wird der Fokus auf<br />

die Akzeptanz und Unterstützung des politischen Systems <strong>in</strong> der Bevölkerung im<br />

Rahmen <strong>von</strong> Institutionalisierungsprozessen, den Bed<strong>in</strong>gungen und Möglichkeiten<br />

politischen Wandels sowie die Bedeutung soziokultureller Faktoren für Unterschiede<br />

<strong>in</strong> der Funktionsweise <strong>in</strong> formell ähnlichen politischen Systemen gelegt (vgl. DIAS<br />

1971: 411; IWAND 1985: 49; GABRIEL 1986: 23f; GREIFFENHAGEN/GREIFFEN-<br />

HAGEN 2000: 494). Die <strong>in</strong>novative Leistung des Ansatzes der politischen Kultur liegt<br />

v.a. <strong>in</strong> der Neukonzeption des Verhältnisses <strong>von</strong> Bürger und politischem System und<br />

der Synthese verschiedener theoretischer und methodischer Entwicklungen zu e<strong>in</strong>em<br />

relativ kohärenten und fruchtbaren Konzept (vgl. GABRIEL 1986: 24). Infolge der<br />

Untersuchung e<strong>in</strong>er Vielzahl systemischer Transformationsprozesse erfährt die politische<br />

Kulturforschung seit Anfang der 1990er Jahre e<strong>in</strong>e Renaissance (vgl. ALMOND<br />

1994; TETZLAFF 1997b: 32). Da es sich jedoch nicht um e<strong>in</strong>e Theorie der politischen<br />

Kultur handelt, hängt die Erklärungskraft wesentlich <strong>von</strong> der jeweiligen theoretischen<br />

E<strong>in</strong>bettung ab (vgl. GABRIEL 1986: 25). Kritisiert werden konzeptionelle<br />

Schwächen <strong>in</strong>folge begrifflicher Unschärfe (‚Omnibus-Kategorie’), mangelhafter Systematisierung<br />

sowie die Behandlung <strong>von</strong> kulturellen Faktoren als ‚Residualkategorie’<br />

(vgl. KAASE 1983: 153ff; GREIFFENHAGEN/GREIFFENHAGEN 1993: 23, 1997: 176;<br />

WELCH 1993: 4; BRINT 1994; NIELINGER 1998: 55). Schließlich hat sich <strong>in</strong> der Öffentlichkeit<br />

und Wissenschaft e<strong>in</strong> normativ aufgeladenes Verständnis im S<strong>in</strong>ne <strong>von</strong><br />

politischem Stil und politischen Sitten etabliert (vgl. KAASE 1983: 146; WEHLING<br />

1985: 7; SONTHEIMER 1990: 9ff; GREIFFENHAGEN/GREIFFENHAGEN 1997: 170ff).<br />

Im Vordergrund stehen dabei etwa der politische Stil <strong>von</strong> Eliten oder die ‚Unkultur’<br />

<strong>von</strong> Korruption: „Politische Kultur wird <strong>in</strong> diesem Verständnis quasi identisch mit<br />

politischem Wohlwollen, mit guten demokratischen Sitten, mit politischem Stil [...].“<br />

(SONTHEIMER 1990: 11)<br />

58


2.4.1 Def<strong>in</strong>ition politischer Kultur<br />

Theoretische Grundlagen der Konfliktanalyse<br />

In dem hier zugrunde gelegten Verständnis grenzt die politische Kultur den Modus<br />

und den Kontext politischer Handlungen ab, da sich <strong>in</strong> ihr die generellen, mehr oder<br />

weniger ausdrücklichen Grundannahmen über die Muster politischer Interaktionen<br />

und Institutionen sowie über die Mittel und Ziele des politischen Systems widerspiegeln.<br />

Damit drückt die politische Kultur das aus, was der E<strong>in</strong>zelne im Bereich des<br />

Politischen als s<strong>in</strong>nhaft und richtig def<strong>in</strong>iert und wie er se<strong>in</strong> Verhältnis zur politischen<br />

Geme<strong>in</strong>schaft und zum politischen System begreift. Insofern beschreibt die<br />

politische Kultur das gesellschaftliche Legitimitätse<strong>in</strong>verständnis mit der Herrschaftsordnung<br />

und stellt den Bezugsrahmen für die Entwicklung <strong>von</strong> Bewertungsmaßstäben<br />

und Ansprüchen:<br />

„If ‚culture’ consists of the pictures <strong>in</strong> our heads that give mean<strong>in</strong>g to the world and orient<br />

out action <strong>in</strong> a particular direction, ‚political culture’ consists of those mental pictures that are<br />

relevant to the hold<strong>in</strong>g and contestation of power <strong>in</strong> society.“ (BRINT 1994: 3)<br />

Damit wird hier auch Bezug zu den Ansätzen politischer Kulturforschung nach PYE<br />

(1968) und PAPPI (1986) genommen. PYE (1968: 218) erkennt <strong>in</strong> der politischen Kultur<br />

die Manifestation der psychologischen und subjektiven Dimension der Politik <strong>in</strong><br />

aggregierter Form. Politische Kultur hat Orientierungscharakter, <strong>in</strong>sofern sie e<strong>in</strong>em<br />

politischen Prozess Ordnung und S<strong>in</strong>n verleiht und die zugrunde liegenden Annahmen<br />

bereitstellt, die das Verhalten <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em politischen System leiten (vgl. ebd.;<br />

IWAND 1985: 79). PAPPI (1986: 280f) versteht unter Kultur die Ideencodes, welche<br />

die Annahmen über die Geordnetheit der Welt und das Wesen der Kausalität organisieren.<br />

Zur politischen Kultur wird Kultur <strong>in</strong>soweit, als dass diese Annahmen zu e<strong>in</strong>er<br />

E<strong>in</strong>schränkung der logischen Optionen für politisches Verhalten, politische<br />

Probleme und deren Lösungen führen. Diese <strong>in</strong>tellektuelle Vorsortierung der Wahrnehmung<br />

durch Ideencodes wird im Großen und Ganzen <strong>von</strong> e<strong>in</strong>er Gruppe <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em<br />

sozial abgegrenzten Kulturkreis (e<strong>in</strong>er Nation, Region oder auch e<strong>in</strong>er Klasse)<br />

geteilt und damit zu deren Globalmerkmal. PAPPI (1986: 283) def<strong>in</strong>iert politische<br />

Kultur als das Legitimitätse<strong>in</strong>verständnis mit der Herrschaftsordnung e<strong>in</strong>es sozialen<br />

Systems, das e<strong>in</strong>erseits durch konsensuelle Normen und Loyalität zur politischen<br />

Geme<strong>in</strong>schaft abgestützt und andererseits <strong>in</strong> politischen Wertorientierungen verankert<br />

ist. Zwar wird explizit Bezug genommen auf die Herrschaftssoziologie WEBERs,<br />

doch ist <strong>in</strong> dieser strukturfunktionalistischen Auffassung politische Kultur e<strong>in</strong> Erklärungsansatz<br />

zweiter Ordnung, da sie sich nicht direkt im politischen Verhalten bemerkbar<br />

mache, sondern eher <strong>in</strong>direkt und unbewusst wirke (vgl. ebd.: 280f).<br />

59


Theoretische Grundlagen der Konfliktanalyse<br />

Interpretative Perspektive. In der vorliegenden Arbeit liegt der Schwerpunkt auf<br />

den subjektiv konstruierten Ordnungsvorstellungen, so dass e<strong>in</strong>e <strong>in</strong>terpretative statt<br />

e<strong>in</strong>er behavioristischen 34 Perspektive gewählt wird. Der Kernunterschied zwischen<br />

beiden Forschungsrichtungen besteht dar<strong>in</strong>, dass <strong>in</strong> der <strong>in</strong>terpretativen Perspektive<br />

Kultur nicht als e<strong>in</strong>e objektive Realität sondern als e<strong>in</strong>e durch Subjekte geschaffene<br />

Realität verstanden wird. Wird <strong>in</strong> den behavioristischen Ansätzen <strong>von</strong> der Subjektivitätsdimension<br />

des Politischen gesprochen, so ist dies eher im psychologischen S<strong>in</strong>ne<br />

zu verstehen, woh<strong>in</strong>gegen <strong>in</strong>terpretative Ansätze die subjektive Konstruktionsleistung<br />

me<strong>in</strong>en (vgl. WELCH 1993: 116). Die s<strong>in</strong>nhafte Welt ist damit e<strong>in</strong> Produkt e<strong>in</strong>er<br />

permanenten, zumeist unerkannt bleibenden Leistung der Konstruktion und Rekonstruktion,<br />

die darum als e<strong>in</strong>e sche<strong>in</strong>bar objektive Welt wahrgenommen wird. Diese<br />

„Selbstverständlichkeitskette“ (nach SCHÜTZ/LUCKMANN) gründet auf Wissensvorräte,<br />

der Typisierung <strong>von</strong> Natur und Sozialwelt und schließlich auf dem Vertrauen,<br />

dass Erfahrungen ihre Gültigkeit <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er als konstant erkannten lebensweltlichen<br />

Ordnung bewahren (vgl. BERGER/LUCKMANN 1977). Ziel der <strong>in</strong>terpretativ ausgerichteten<br />

politischen Kulturforschung ist die Rekonstruktion der S<strong>in</strong>n- und Ordnungskonstruktionen<br />

der Mitglieder e<strong>in</strong>er politischen Geme<strong>in</strong>schaft. Damit s<strong>in</strong>d die<br />

theoretischen Wurzeln dieser Sichtweise <strong>in</strong> der verstehenden Soziologie WEBERs und<br />

<strong>in</strong> der Phänomenologie nach SCHÜTZ und daran anknüpfenden Ansätze aus der<br />

Ethnomethodologie und des Sozialkonstruktivismus zu suchen (vgl. WELCH 1993:<br />

99). Insofern werden die Forschungsbereiche und die methodischen Vorgehensweisen<br />

der politischen Kulturforschung erweitert. Nicht nur werden die Produktionsund<br />

Reproduktionsweisen <strong>von</strong> politischer Kultur anhand symbolhafter Handlungen,<br />

Sprache, Texte, Bilder und Gesten analysiert. Auch wird deutlich, dass im Gegensatz<br />

zum dezidiert makroperspektivischen Anspruch der behavioristischen Studien die<br />

<strong>in</strong>terpretativen Ansätze eher mikrotheoretische Fragestellungen und Aussagenbereiche<br />

fokussieren. Entsprechend liegt der methodentheoretische Schwerpunkt der <strong>in</strong>terpretativen<br />

Studien auf qualitativen Methoden empirischer Sozialforschung.<br />

34 Der Behaviorismus behauptet, dass ‚harte Fakten’ für die Generierung vorläufig wahrer,<br />

empirisch gehaltvoller Theorien nur auf der Grundlage e<strong>in</strong>er strikten Operationalisierung<br />

und Quantifizierung empirisch beobachtbaren <strong>in</strong>dividuellen Verhaltens zu erhalten s<strong>in</strong>d (vgl.<br />

IWAND 1985: 31f). Als zentrale Kernelemente des Behaviorismus können damit genannt<br />

werden: (1) die Verknüpfung und Konfrontation <strong>von</strong> Theorie und Empirie; (2) das Streben<br />

nach e<strong>in</strong>er möglichst großen Genauigkeit der politikwissenschaftlichen Aussagen durch die<br />

standardisierte Erhebung quantitativer Daten sowie (3) e<strong>in</strong> <strong>in</strong>terdiszipl<strong>in</strong>ärer Ansatz zum<br />

Verständnis des Gesamtzusammenhangs e<strong>in</strong>er sozialen Handlungssituation (vgl. ALE-<br />

MANN/TÖNNESMANN 1995: 48).<br />

60


2.4.2 Politische Kultur und Verhalten<br />

Theoretische Grundlagen der Konfliktanalyse<br />

Obwohl die Bedeutung kultureller Faktoren für tatsächliches Handeln plausibel ersche<strong>in</strong>t,<br />

s<strong>in</strong>d die Beziehungen zum tatsächlichen Handeln nicht zweifelsfrei geklärt<br />

(vgl. GREIFFENHAGEN/GREIFFENHAGEN 1997: 174). BARNES (1994) zufolge determ<strong>in</strong>iert<br />

Kultur <strong>in</strong>dividuelles Verhalten nicht, da dieses vielfältige Bezugspunkte hat<br />

wie z.B. Motivation, Situationsdeutung oder Ressourcenausstattungen des Akteurs<br />

(vgl. DIAMOND 1994: 9f). Drei Thesen stehen zur Erklärung kulturspezifischer<br />

Handlungsmuster bereit (vgl. BARNES 1994: 54): (a) Kultur liefert das Skript quasi als<br />

Vore<strong>in</strong>stellung (default option), auf das der Akteur zurückgreifen kann, wenn Informations-<br />

und Opportunitätskosten <strong>in</strong> der Handlungssituation unklar s<strong>in</strong>d. (b) Kultur<br />

def<strong>in</strong>iert die Kosten der Abweichung (costs of deviation). Da abweichendes Verhalten<br />

kosten<strong>in</strong>tensiv ist, wird der Akteur zu e<strong>in</strong>em ‚Handlungskanon’ gezwungen. Hierbei<br />

muss zwischen e<strong>in</strong>er allgeme<strong>in</strong>en Anerkennung des Normsystems und e<strong>in</strong>er kurzfristigen<br />

Orientierung durch situative Anreize differenziert werden. (c) Kultur schafft<br />

e<strong>in</strong>en Wahrnehmungs-, Options- und Handlungskorridor (restriction of vision and range<br />

of choice), <strong>in</strong>nerhalb dessen S<strong>in</strong>n def<strong>in</strong>iert wird. Dies dient etwa als Erklärung für systematische,<br />

mangelhafte Berücksichtigung <strong>von</strong> Handlungsalternativen. E<strong>in</strong> wichtiges<br />

B<strong>in</strong>deglied zwischen Kultur und Verhalten stellen E<strong>in</strong>stellungen dar. Unter E<strong>in</strong>stellungen<br />

werden die <strong>in</strong> erster L<strong>in</strong>ie durch Erfahrung erworbenen, relativ stabilen Tendenzen<br />

verstanden, auf e<strong>in</strong> soziales Objekt mit bestimmten Gefühlen, Vorstellungen<br />

und Verhaltensweisen zu reagieren, wobei im Allgeme<strong>in</strong>en drei Komponenten <strong>von</strong><br />

sozialen E<strong>in</strong>stellungen unterschieden werden: die kognitive, die affektive und evaluative<br />

sowie die aktionale Komponente (vgl. HARTMANN/WAKENHUT 1995: 14f).<br />

Große Bedeutung haben soziale E<strong>in</strong>stellungen aufgrund der <strong>von</strong> ihnen erfüllten<br />

Funktionen wie z.B. Wissens- und Ökonomiefunktionen sowie die Steuerung <strong>von</strong><br />

Informationsverarbeitungsprozessen (vgl. STAHLBERG/FREY 1992: 155ff).<br />

E<strong>in</strong>stellungen. Obwohl die theoretische wie methodische Konzeptionalisierung der<br />

komplexen Beziehungen zwischen E<strong>in</strong>stellung und offenem Verhalten nicht unproblematisch<br />

ist (vgl. HARTMANN/WAKENHUT 1995: 24ff), gelten E<strong>in</strong>stellungen aufgrund<br />

ihrer Relevanz für die Kont<strong>in</strong>uität und Konsistenz des Verhaltens <strong>in</strong> der<br />

politischen Kulturforschung – <strong>in</strong>sbesondere <strong>in</strong> den behavioristisch orientierten Ansätzen<br />

– als e<strong>in</strong> unverzichtbares theoretisches sozialpsychologisches Konstrukt, das<br />

Erklärungen und Prognosen zu menschlichem Verhalten ermöglichen soll. Jedoch<br />

hängt das Ausmaß der Konsistenz zwischen E<strong>in</strong>stellungen und Verhalten <strong>von</strong> der<br />

61


Theoretische Grundlagen der Konfliktanalyse<br />

hemmenden bzw. fördernden Wirkung zusätzlicher, situativ wirksamer Faktoren ab.<br />

Insofern steigt die Validität des Verhaltens<strong>in</strong>dikators ‚E<strong>in</strong>stellung’ mit se<strong>in</strong>er Nähe zu<br />

bestimmten Verhaltenssituationen (vgl. ebd.: 77f). Umstritten ist, ob Verhalten <strong>in</strong> die<br />

politische Kultur e<strong>in</strong>bezogen werden soll. Vor allem weil Verhalten durch e<strong>in</strong>e<br />

Mehrzahl kurzfristiger Faktoren bed<strong>in</strong>gt wird, sprechen sich beispielsweise KAASE<br />

(1983: 159) und PAPPI (1986: 280) für e<strong>in</strong>e strikte Trennung zwischen politischem<br />

Handeln und politischen E<strong>in</strong>stellungen aus. H<strong>in</strong>gegen halten GREIFFENHA-<br />

GEN/GREIFFENHAGEN (1997: 176) es gerade im H<strong>in</strong>blick auf das bislang nicht e<strong>in</strong>wandfrei<br />

geklärte Verhältnis zwischen E<strong>in</strong>stellungen und Verhalten für „unerlässlich,<br />

den Blick nicht nur auf E<strong>in</strong>stellungen zu beschränken, sondern das praktische Verhalten,<br />

wo immer möglich, <strong>in</strong> Kulturdiagnosen mit e<strong>in</strong>zubeziehen“.<br />

2.4.3 Konflikte <strong>in</strong>folge <strong>von</strong> Demokratisierungsprozessen<br />

Institutionelle Wandlungsprozesse bergen Konfliktpotentiale, die aus Veränderungen<br />

der <strong>in</strong>stitutionellen Funktionsleistungen und Differenzen im Legitimitätse<strong>in</strong>verständnis<br />

gegenüber den Institutionen resultieren (vgl. Abschnitt 2.3.3.2). Entsprechend<br />

muss bei der E<strong>in</strong>führung demokratischer Strukturpr<strong>in</strong>zipien mit erheblichen Spannungen<br />

gerechnet werden, welche die Funktionsfähigkeit der neuen Institutionen<br />

e<strong>in</strong>schränken können. H<strong>in</strong>zu kommt, dass die Institutionalisierung der demokratischen<br />

Grundwerte Freiheit, (Interessen-) Pluralismus und Offenheit Auswirkungen<br />

auf die Quantität und Qualität sozialer Konflikte und die Art ihrer Bearbeitung hat.<br />

Im vorliegenden Zusammenhang sollen vor allem die Konflikte <strong>in</strong>teressieren, deren<br />

Ursachen auf die Inkongruenz <strong>von</strong> politischer Kultur und Struktur, auf das Fehlen<br />

e<strong>in</strong>er demokratischen politischen Kultur sowie auf die Inkompatibilität <strong>von</strong> neuen<br />

und alten Ordnungselementen zurückgeführt werden können.<br />

Inkongruenz <strong>von</strong> politischer Kultur und politischer Struktur. Die auf AL-<br />

MOND/VERBA (1965) zurückgeführte These, dass demokratische Stabilität die Kongruenz<br />

<strong>von</strong> politischer Kultur und politischer Struktur voraussetzt, wird für ihre<br />

tautologische Konzeption, ihre ger<strong>in</strong>ge Aussagekraft wie für ihren normativen Gehalt<br />

kritisiert (vgl. DIAS 1971: 417ff; LIJPHART 1980: 37ff, PATEMAN 1980: 67f; IWAND<br />

1985: 65; SONTHEIMER 1990: 20). Demnach liegt Kongruenz vor, wenn sich die<br />

Werte, Normen, Verfahrensregeln und <strong>in</strong>stitutionellen Arrangements des politischen<br />

Regimes <strong>in</strong> der politischen Kultur der Bevölkerung <strong>in</strong> Form e<strong>in</strong>es Legitimationse<strong>in</strong>verständnisses<br />

und der Unterstützung niederschlagen (vgl. GABRIEL 1996: 239).<br />

Gleichwohl leuchtet e<strong>in</strong>, dass e<strong>in</strong>e Inkongruenz – also das Fehlen e<strong>in</strong>es Legitimati-<br />

62


Theoretische Grundlagen der Konfliktanalyse<br />

onse<strong>in</strong>verständnisses und <strong>von</strong> Unterstützung – die Funktionsfähigkeit des politischen<br />

Systems maßgeblich bee<strong>in</strong>trächtigen und gegebenenfalls zu Systembrüchen führen<br />

kann (vgl. GABRIEL 1996: 235; MERKEL 1999: 57ff). Folglich kann das Legitimationse<strong>in</strong>verständnis<br />

mit dem politischen Regime als e<strong>in</strong>e notwendige, jedoch nicht<br />

h<strong>in</strong>reichende Bed<strong>in</strong>gung für die Funktionsfähigkeit des politischen Systems aufgefasst<br />

werden (vgl. WESTLE 1989: 27f; mit Bezug auf Mosambik: MAZULA 2002a: 18f).<br />

Hierbei stehen die beiden Dimensionen politischer Legitimität, der normative Legitimitätsanspruch<br />

e<strong>in</strong>er politischen oder gesellschaftlichen Ordnung e<strong>in</strong>erseits und der<br />

empirische Legitimitätsglauben der Herrschaftsunterworfenen andererseits, <strong>in</strong> Wechselwirkung<br />

zue<strong>in</strong>ander. Das politische System ist darauf angewiesen, die Überzeugung<br />

herzustellen und aufrechtzuerhalten, dass die existierenden politischen<br />

Institutionen, die für die Gesellschaft angemessensten s<strong>in</strong>d. Indes hat die Bevölkerung<br />

mehr oder weniger spezifische Ordnungsvorstellungen und normative und materielle<br />

Erwartungen, die sie <strong>in</strong> politische Unterstützung oder Ablehnung des<br />

politischen Systems und se<strong>in</strong>er Teile übersetzen kann.<br />

Das Fehlen e<strong>in</strong>es Legitimationse<strong>in</strong>verständnisses kann <strong>in</strong>sofern zum Konflikt führen<br />

bzw. bestehende Konflikte verstärken, als dass die Funktionsfähigkeit und damit die<br />

Konfliktbearbeitungskapazität <strong>von</strong> politischen Institutionen verr<strong>in</strong>gert s<strong>in</strong>d. Desgleichen<br />

gilt, wenn das politische System bzw. e<strong>in</strong>zelne Institutionen mit Zwang oder<br />

Gewalt reagieren.<br />

Demokratische Staatsbürgerkultur. Als e<strong>in</strong>e Voraussetzungen für die Funktionsfähigkeit<br />

und Stabilität e<strong>in</strong>er demokratischen Ordnung wird das Leitbild e<strong>in</strong>er demokratischen<br />

Staatsbürgerkultur (civic culture) herausgestellt, der e<strong>in</strong> mehr oder m<strong>in</strong>der<br />

großer Teil der Bevölkerung verpflichtet se<strong>in</strong> sollte (vgl. ALMOND/VERBA 1965;<br />

GABRIEL 1986: 78). Wegweisend waren die Ergebnisse der Civic Culture-Studie, <strong>in</strong> der<br />

drei idealtypische Muster politischer Kultur identifiziert werden: parochiale Kultur,<br />

Untertanenkultur sowie partizipative Kultur (vgl. ALMOND/VERBA 1965). Hierzu<br />

wurden die kognitiven, affektiven und evaluativen Orientierungen gegenüber politischen<br />

Objekten (politisches System, Inputstrukturen, Outputstrukturen, das Selbstbild<br />

als politischer Akteur) erhoben (vgl. KAASE 1983: 163; GABRIEL 1986: 48;<br />

DIAMOND 1994: 8). In den stabilen Demokratien der USA und Großbritanniens<br />

wurde e<strong>in</strong>e politische Kultur festgestellt, die der idealen demokratischen Staatsbürgerkultur<br />

am nächsten kam (vgl. ALMOND/VERBA 1965: 473ff; IWAND 1985: 104).<br />

Der ‚ideale’ demokratische Bürger zeigt dabei e<strong>in</strong>e ausgewogene Mischung an politi-<br />

63


Theoretische Grundlagen der Konfliktanalyse<br />

schen E<strong>in</strong>stellungen, so dass der erforderliche Handlungsspielraum der politischen<br />

Führerschaft bei e<strong>in</strong>em notwendigen M<strong>in</strong>destmaß an Legitimität und Unterstützung<br />

ermöglicht wird. Als wünschenswert gilt e<strong>in</strong>e Mischung aus (a) politisch <strong>in</strong>teressiertem,<br />

aktivem aber auch kritischem staatsbürgerlichen Engagement, (b) Untertänigkeit<br />

<strong>in</strong> Form e<strong>in</strong>er treuen, passiven Akzeptanz der politischen Führung sowie (c) parochialem<br />

Des<strong>in</strong>teresse, d.h. die Verfolgung unpolitischer Interessen etwa <strong>in</strong> der Familie<br />

oder Glaubensgeme<strong>in</strong>schaft (vgl. ALMOND/VERBA 1965: 482; DIAMOND 1994: 13f).<br />

Die Merkmale e<strong>in</strong>er ‚demokratischen Persönlichkeit’ lassen sich DIAMOND (1994: 12)<br />

zufolge am leichtesten aus der Inversion des „Syndroms der autoritären Persönlichkeit“<br />

ableiten, welche sich <strong>in</strong> Vertrauen <strong>in</strong> machtvolle Führer, Hass gegenüber Außenseitern<br />

und Abweichlern, Empf<strong>in</strong>dung <strong>von</strong> Machtlosigkeit und niedrige<br />

Selbstwirksamkeitsüberzeugung, extremer Zynismus, Argwohn und Misstrauen gegenüber<br />

anderen sowie Dogmatismus niederschlagen. Demnach sprechen für e<strong>in</strong>e<br />

demokratische politische Kultur folgende Eigenschaften: Flexibilität, Vertrauen, e<strong>in</strong>e<br />

hohe Selbstwirksamkeitsüberzeugung, Offenheit gegenüber neuen Ideen und Erfahrungen,<br />

Toleranz <strong>von</strong> Differenzen und Ambiguitäten, die Akzeptanz anderer sowie<br />

E<strong>in</strong>stellungen gegenüber Autorität, die statt <strong>von</strong> Unterwürfigkeit oder Ablehnung<br />

<strong>von</strong> Verantwortungsbewusstse<strong>in</strong> und Aufmerksamkeit zeugen. 35 Insofern s<strong>in</strong>d die<br />

E<strong>in</strong>stellungen gegenüber Autorität e<strong>in</strong>e zentrale Dimension politischer Kultur, d.h.<br />

<strong>in</strong>wieweit politische Hierarchien akzeptiert und legitimiert, Anteil an geme<strong>in</strong>samen<br />

Werte- und Wissenssystemen genommen und abweichende Haltungen erduldet werden:<br />

„Der Kernbereich der politischen Kultur ist nach dieser Def<strong>in</strong>ition das Legitimitätse<strong>in</strong>verständnis<br />

der Systemmitglieder mit der Herrschaftsordnung ganz im S<strong>in</strong>ne der WEBERschen<br />

Herrschaftssoziologie. Wenn man das politische System als Herrschaftsordnung begreift,<br />

stellt sich die Frage nach dem Gehorchenwollen der Herrschaftsunterworfenen, das dauerhaft<br />

durch die Orientierung an e<strong>in</strong>er geltenden Ordnung gesichert wird. Die Nagelprobe der<br />

politischen Kultur <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Demokratie ist der Gehorsam oder die Duldung <strong>von</strong> politischen<br />

Entscheidungen, mit denen man nicht übere<strong>in</strong>stimmt.“ (PAPPI 1986: 283)<br />

Die Aneignung bzw. Entwicklung <strong>von</strong> subjektiven Wissensbeständen, Gefühlen und<br />

Werthaltungen gegenüber dem politischen System bedarf e<strong>in</strong>er kont<strong>in</strong>uierlichen Ause<strong>in</strong>andersetzung<br />

mit dem politischen System und der Teilhabe an Prozessen der Entscheidungsf<strong>in</strong>dung<br />

und Gestaltung. Dementsprechend wird der politischen<br />

Partizipation besonderes Gewicht beigemessen, wobei hierunter sowohl die freiwillige,<br />

aktive und <strong>in</strong>strumentelle E<strong>in</strong>flussnahme auf politische Entscheidungen als auch<br />

35 „[…] an attitude toward authority that is neither ‚bl<strong>in</strong>dly submissive’ nor ‚hostilely reject<strong>in</strong>g’<br />

but rather responsible‚... even though always watchful.’” (DIAMOND 1994: 12)<br />

64


Theoretische Grundlagen der Konfliktanalyse<br />

das aktive Interesse an öffentlichen Angelegenheiten verstanden wird. DIAMOND<br />

(1994: 14) hebt <strong>in</strong> diesem Zusammenhang die Bedeutung hoher Selbstwirksamkeitsüberzeugungen<br />

hervor, d.h. die subjektive Überzeugung, dass zwar nicht gehandelt<br />

werden müsse, um etwas politisch zu bewirken, jedoch das Handeln im gegebenen<br />

Fall Wirkung hätte.<br />

Insbesondere <strong>in</strong> Gesellschaften, <strong>in</strong> denen das Solidaritätspr<strong>in</strong>zip etwa <strong>in</strong>folge <strong>von</strong><br />

Modernisierungsprozessen schw<strong>in</strong>det, gew<strong>in</strong>nen Aspekte der Sozial- bzw. System<strong>in</strong>tegration<br />

an Bedeutung. Vertrauen <strong>in</strong> die soziale Umwelt und die Bereitschaft, das<br />

politische System zu unterstützen, obwohl man <strong>in</strong> spezifischen Werthaltungen und<br />

Fragestellungen abweicht, s<strong>in</strong>d wesentliche Bestandteile e<strong>in</strong>er demokratischen Staatsbürgerkultur<br />

(civic cooperation) und <strong>in</strong> Bezug auf die Vermeidung bzw. M<strong>in</strong>derung <strong>von</strong><br />

(stark polarisierten) <strong>Konflikten</strong> <strong>von</strong> großer Bedeutung (vgl. IWAND 1985: 99f; DIA-<br />

MOND 1994: 14).<br />

Inkompatible Ordnungselemente. Wandlungsprozesse können auch dann zu<br />

<strong>Konflikten</strong> führen, wenn die Neuerung <strong>in</strong>haltlich oder <strong>in</strong> der Form ihrer E<strong>in</strong>führung<br />

nicht akzeptiert wird. Spannungen und Widerstände können etwa <strong>in</strong>folge e<strong>in</strong>er wahrgenommenen<br />

Inkompatibilität der Innovation zum bestehenden sozialen und politischen<br />

Kontext auftreten, besonders wenn die Innovation fremdbestimmt und<br />

unvermittelt e<strong>in</strong>geführt wird (vgl. ‚Institutionen als Konfliktkontext’ <strong>in</strong> Abschnitt<br />

2.3.3.3). Gerade vor den Erfahrungen defizitär <strong>in</strong>stitutionalisierter demokratischer<br />

Ordnungen 36 stellt sich die Frage nach den kulturellen Funktionsvoraussetzungen<br />

<strong>von</strong> Demokratien (vgl. DIAMOND 1994: 17; TETZLAFF 1996: 3). Diskutiert wird, ob<br />

die e<strong>in</strong>gesetzten demokratischen Ordnungen vere<strong>in</strong>bar s<strong>in</strong>d mit den vorliegenden<br />

sozialen und kulturellen Strukturpr<strong>in</strong>zipien. Fürsprecher e<strong>in</strong>er grundsätzlichen Kompatibilität<br />

demokratischer Ordnungen mit afrikanischen Gesellschaftskontexten argumentieren<br />

mit den traditionellen, pluralistisch organisierten Sozialstrukturen e<strong>in</strong>er<br />

(ehemals vorhandenen) afrikanischen ‚Ur-Demokratie’. Entsprechend wird das Versagen<br />

der politischen Systeme auf die Zerstörung <strong>von</strong> familiären Solidaritätsstrukturen,<br />

<strong>in</strong>dividuellen und kollektiven Identitätskrisen oder auf den Wandel des<br />

Herrschaftsverständnisses zurückgeführt (vgl. z.B. NNOLI 1982; TETZLAFF 1996,<br />

1997a). H<strong>in</strong>gegen stellen Zweifler ausgehend <strong>von</strong> ihren spezifischen historischen und<br />

36 GEPPERTH (1991: p) spricht <strong>in</strong> diesem Zusammenhang <strong>von</strong> „Pseudodemokratien“, <strong>in</strong> denen<br />

die zentralen Elemente der Demokratie nicht verwirklicht wurden und die politischen Systeme<br />

darum unter gesellschaftlichen Druck stehen.<br />

65


Theoretische Grundlagen der Konfliktanalyse<br />

kulturellen Entstehungsbed<strong>in</strong>gungen die Universalität <strong>von</strong> demokratischen Pr<strong>in</strong>zipien,<br />

Menschenrechten und dem Konzept der Zivilgesellschaft sowie deren Übertragbarkeit<br />

auf afrikanische Kulturen <strong>in</strong> Frage – teilweise unter Verklärung 37<br />

vorkolonialer Ordnungen (vgl. GROHS 1996: 25; zu Mosambik vgl. SILVA 1995; KU-<br />

LIPOSSA 1996). Aus Ermangelung e<strong>in</strong>er gebührenden politischen Kultur s<strong>in</strong>d zentrale<br />

demokratische Strukturpr<strong>in</strong>zipien wie e<strong>in</strong>e effektive und systemloyale Opposition,<br />

durch die Regierungskritik und e<strong>in</strong> legitimer Machtwechsel ermöglicht wird, sowie<br />

e<strong>in</strong>e politische Partizipation der Bevölkerung, die zivilgesellschaftliche Kontroll- und<br />

Regelungsaufgaben als spontan erkennt und <strong>in</strong> Engagement übersetzt, nicht umzusetzen<br />

(vgl. CLAPHAM/WISEMAN 1995: 224f; GROHS 1996: 31; NIELINGER 1998:<br />

57f). Wesentliche Voraussetzungen für die Herausbildung e<strong>in</strong>es modernen Staates im<br />

S<strong>in</strong>ne WEBERs werden nicht erfüllt und demokratische Strukturen nicht zufrieden<br />

stellend <strong>in</strong>stitutionalisiert. Zum e<strong>in</strong>en wird dies auf die ethnische Vielfalt (vgl. GEP-<br />

PERTH 1991: r) und zum anderen auf die Unfähigkeit des Staates zu e<strong>in</strong>er Emanzipation<br />

<strong>von</strong> der Gesellschaft und zur Loslösung <strong>von</strong> patrimonialen und feudalistischen<br />

Strukturen zurückgeführt (vgl. CHABAL/DALOZ 1999a: 3f). Diese Beobachtungen<br />

unterstreichen die enorme Bedeutung der Kompatibilität der Strukturpr<strong>in</strong>zipien der<br />

e<strong>in</strong>zuführenden Institutionenordnung mit dem vorliegenden kulturellen Kontext.<br />

2.5 Der analytische Rahmen und methodische<br />

Vorgehensweise<br />

2.5.1 Der analytische Rahmen<br />

Konfliktdeskription. Auf der Grundlage <strong>von</strong> Befragungen werden Beziehungszusammenhänge<br />

auf ihren Konfliktgehalt geprüft. Um dem subjektiven Konfliktverständnis<br />

Rechnung zu tragen, werden Befragte mit neutral formulierten Fragen nach<br />

etwaigen Spannungen und Problembereichen gebeten, Beziehungszusammenhänge<br />

zu beschreiben und zu bewerten. In e<strong>in</strong>em anschließenden Schritt werden die Ausführungen<br />

zu Konfliktkonstellationen verdichtet und bezüglich ihrer Intensität e<strong>in</strong>geschätzt.<br />

Da die <strong>Analyse</strong> auf den Wahrnehmungs- und Bewertungsleistungen der<br />

37 GROHS (1996: 25) weist darauf h<strong>in</strong>, dass Stammesherrschaften, Königreiche, Handelsstädte<br />

an der Küste, islamisch geordnete Gesellschaften und akephale Gesellschaften nicht demokratisch<br />

waren. Vielmehr seien diese als geschlechtlich und altersspezifisch diskrim<strong>in</strong>ierende<br />

Gerontokratien e<strong>in</strong>zuschätzen. Trotz e<strong>in</strong>er allgeme<strong>in</strong>en Achtung der Menschenwürde, könne<br />

<strong>von</strong> e<strong>in</strong>er Kenntnis und Respektierung der Menschenrechte im heutigen Verständnis nicht<br />

ausgegangen werden.<br />

66


Theoretische Grundlagen der Konfliktanalyse<br />

Befragten und des Forschenden gründet, ist sie notwendigerweise <strong>in</strong> zweifacher H<strong>in</strong>sicht<br />

subjektiv. 38<br />

Als wichtige Merkmale <strong>von</strong> <strong>Konflikten</strong> werden die Akteurskonstellation, Motivation<br />

und Interessen der Akteure, der Austragungsmodus, das Organisations- und Mobilisierungspotential<br />

sowie das daraus abgeleitete Eskalationspotential verstanden. H<strong>in</strong>sichtlich<br />

Akteurskonstellation, Motivation und Interessen sowie Austragungsmodus<br />

werden die Ausführungen der Befragten zugrunde gelegt. Die E<strong>in</strong>schätzung des Organisations-<br />

und Mobilisierungspotentials gründet auf die angegebene Zusammensetzung<br />

der Konfliktparteien sowie auf deren Kohäsion (vgl. COSER 1972: 111ff).<br />

In Bezug auf die Entstehung und Eskalation <strong>von</strong> <strong>Konflikten</strong> ist besondere Aufmerksamkeit<br />

politischen Parteien zu widmen. Sie zeichnen sich durch tendenzielle Interessenhomogenität<br />

aus und haben darum e<strong>in</strong>en Organisations- und<br />

Mobilisierungsvorsprung gegenüber solchen Organisationen, deren Interessen weniger<br />

e<strong>in</strong>deutig oder kohärent s<strong>in</strong>d. Ihre Schlagkraft steigt mit ihrer Homogenität und<br />

mit der Authentizität bei der Vertretung ihrer Partikular<strong>in</strong>teressen. Hierzu stehen<br />

ihnen zum Teil sehr viele Ressourcen zur Verfügung. Nicht nur sorgen Parteien<br />

durch Alimentation und Gratifikationen ihrer Mitglieder für b<strong>in</strong>nenstrukturelle Kohäsion,<br />

sie nehmen auch entscheidenden E<strong>in</strong>fluss auf die politische Sozialisation.<br />

Insgesamt verschafft die parteipolitische Identifizierung Akteuren Orientierung <strong>in</strong><br />

Konfliktsituationen und ermöglicht diesen e<strong>in</strong>e (Selbst-) Positionierung. <strong>E<strong>in</strong>e</strong> ähnlich<br />

entscheidende Rolle spielt die Polizei, da sie den Staat auf lokaler Ebene verkörpert<br />

und für die Aufrechterhaltung der sozialen und politischen Ordnung zu sorgen hat.<br />

Konflikt<strong>in</strong>tensität. Zur E<strong>in</strong>schätzung der lokalen Eskalationspotentiale müssen die<br />

e<strong>in</strong>er Eskalation förderlichen Faktoren den potentiell eskalationshemmenden Faktoren<br />

gegenüber gestellt werden. Im H<strong>in</strong>blick auf die eskalationsförderlichen E<strong>in</strong>flussgrößen<br />

werden die gemachten Kriegserfahrungen und die pr<strong>in</strong>zipielle<br />

Gewaltbereitschaft berücksichtigt, welche sich aus den Aussagen zu Gewalthandlungen,<br />

zu der Verteilung <strong>von</strong> (Kle<strong>in</strong>-) Waffen sowie zur Entwicklung <strong>von</strong> Krim<strong>in</strong>alität<br />

zusammensetzen. Zu den hemmenden Faktoren werden die subjektiven E<strong>in</strong>schätzungen<br />

der Friedenskonsolidierung e<strong>in</strong>bezogen. Etwaige typische Merkmale der jeweiligen<br />

Faktorengruppe werden identifiziert.<br />

38 Grundsätzlich unterliegen Annahmen über zukünftige Konfliktverläufe e<strong>in</strong>er Verzerrung, da<br />

situative Faktoren kaum antizipiert werden können und sich die E<strong>in</strong>schätzung darum verstärkt<br />

auf mittel- und langfristige Zusammenhänge stützt.<br />

67


Theoretische Grundlagen der Konfliktanalyse<br />

Für die folgenden Ausführungen möchte ich zur Beschreibung der unterschiedlichen<br />

Konfliktqualitäten die Bezeichnungen Konfliktpotential, Spannung, Konfrontation<br />

und Gewalt vorschlagen. Es gilt dabei das Intensitätsniveau des Konflikts durch das<br />

Verhalten der im Beziehungszusammenhang <strong>in</strong>vol<strong>vier</strong>ten Akteure zu beschreiben.<br />

Konfliktpotential. <strong>E<strong>in</strong>e</strong> Situation birgt e<strong>in</strong> Konfliktpotential, wenn es zwar bislang noch<br />

nicht zu e<strong>in</strong>em Interessengegensatz oder e<strong>in</strong>em strukturellen Widerspruch gekommen<br />

ist, e<strong>in</strong> solcher jedoch aus Sicht e<strong>in</strong>es Akteurs bzw. Beobachters aufgrund der<br />

gegebenen Bed<strong>in</strong>gungen <strong>in</strong> (naher) Zukunft erwartet wird.<br />

Spannung. Von Spannungen soll dann gesprochen werden, wenn <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Beziehungszusammenhang<br />

zunehmend Probleme erkennbar werden, die u.a. auf Interessengegensätze<br />

zurückgeführt werden können. Obwohl die <strong>in</strong>vol<strong>vier</strong>ten Akteure die<br />

Situation noch nicht als e<strong>in</strong>en Konflikt bezeichnen müssen, kommt es zu wiederkehrenden<br />

Spannungen, die <strong>von</strong> m<strong>in</strong>destens e<strong>in</strong>em Akteur als störend empfunden werden.<br />

Konfrontation. Als Konfrontation werden die Beziehungszusammenhänge bewertet, <strong>in</strong><br />

denen offenes Konflikthandeln beispielsweise <strong>in</strong> Form <strong>von</strong> Drohungen und Provokationen<br />

oder Sabotageakten deutlich wird. Für die <strong>in</strong>vol<strong>vier</strong>ten Akteure wird die<br />

Konfrontation handlungsbestimmend.<br />

Gewalt. Die Anwendung <strong>von</strong> Gewalt markiert die höchste Intensität der Konfliktaustragung.<br />

Die Anwendung physischer Gewalt sche<strong>in</strong>t e<strong>in</strong> leicht zu bestimmender<br />

Schwellenwert zu se<strong>in</strong>. Jedoch müssen hier auch andere Formen <strong>von</strong> Gewalt bedacht<br />

werden wie etwa strukturelle Formen <strong>von</strong> Gewalt. Diese können unter Umständen<br />

nur schwerlich identifiziert werden, dann etwa, wenn Akteure e<strong>in</strong>e Zwangssituation<br />

nicht e<strong>in</strong>deutig zuordnen können oder wenn sie die Anwendung strukturellen<br />

Zwangs als legitim empf<strong>in</strong>den und darum den Beziehungszusammenhang nicht <strong>in</strong><br />

Konfliktkategorien beschreiben wollen.<br />

Krieg als e<strong>in</strong> durch e<strong>in</strong>en hohen Organisations- und Steuerungsgrad, den E<strong>in</strong>bezug<br />

der Staatsgewalt, den Rekurs auf Waffengewalt sowie durch die zeitliche Kont<strong>in</strong>uität<br />

gekennzeichneter Konflikt würde hier unter Gewalt angeführt werden.<br />

Die Grenzen zwischen den Stufen s<strong>in</strong>d als fließend und dynamisch zu betrachten.<br />

Die E<strong>in</strong>ordnung des Beziehungszusammenhangs erfolgt <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er ‚Momentaufnahme’<br />

auf der Grundlage <strong>von</strong> subjektiven Bewertungskategorien. Somit kann zum e<strong>in</strong>en der<br />

Beziehungszusammenhang <strong>von</strong> den <strong>in</strong>vol<strong>vier</strong>ten Akteuren und den Beobachtern<br />

68


Theoretische Grundlagen der Konfliktanalyse<br />

abweichend bewertet werden, zum anderen können sich die Beziehungen ebenso wie<br />

ihre Voraussetzungen ändern, und zwar eskalierend wie deeskalierend.<br />

Institutionelle Faktoren. Es gilt die <strong>in</strong>stitutionellen Zusammenhänge zu bestimmen,<br />

welche die Entstehung <strong>von</strong> <strong>Konflikten</strong> begünstigen oder <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Konflikt<br />

eskalationsförderlich s<strong>in</strong>d. Dabei <strong>in</strong>teressiert neben der Unterstützung <strong>von</strong> Institutionen<br />

<strong>in</strong> der Gesellschaft vor allem der Zusammenhang zwischen <strong>in</strong>stitutionellem<br />

Kontext und der Entstehung und Entwicklung <strong>von</strong> <strong>Konflikten</strong>. Hierzu werden die<br />

E<strong>in</strong>stellungen gegenüber Institutionen im S<strong>in</strong>ne politischer Kulturforschung erhoben.<br />

In den untersuchten Geme<strong>in</strong>den s<strong>in</strong>d damit vorrangig die folgenden Institutionen<br />

im S<strong>in</strong>ne der Fragestellung relevant, die e<strong>in</strong>en eigenen Normkomplex ausbilden,<br />

Sanktionssubjekte aufweisen und zusammen den <strong>in</strong>stitutionellen Kontext der Kommune<br />

ausmachen:<br />

� Verwaltungen auf Prov<strong>in</strong>z-, Distrikt- und Kommunalebene<br />

� Traditionelle und <strong>in</strong>formelle Autoritäten (régulos, secretários dos bairros, presidentes dos<br />

bairros)<br />

� Polizei, Gerichte, Volksgerichte<br />

� Soziale Institutionen wie die <strong>in</strong>formelle Struktur der Viertel 39 , curandeiros, Religionsgeme<strong>in</strong>schaften,<br />

Familienverbände.<br />

Politische Kultur. Im Gegensatz zum makrotheoretischen Anspruch behavioristischer<br />

Ansätze politischer Kulturforschung steht <strong>in</strong> dieser Untersuchung die Mikroebene<br />

der Kommune im Vordergrund. Zugrunde liegt die Annahme, dass es e<strong>in</strong>e<br />

lokale politische Kultur gibt, d.h. dass es Muster politischer E<strong>in</strong>stellungen und Ordnungsvorstellungen<br />

gibt, die durch lokale Bed<strong>in</strong>gungen geprägt s<strong>in</strong>d. Ziel ist also die<br />

Bestimmung <strong>von</strong> Mustern lokaler politischer Kultur <strong>in</strong> den <strong>vier</strong> <strong>Kommunen</strong> Pemba,<br />

Catandica, Manica und Vilankulo, um anhand dieser die subjektive Verankerung <strong>von</strong><br />

Institutionen auf ihre Relevanz für die Entstehung und Entwicklung <strong>von</strong> <strong>Konflikten</strong><br />

zu prüfen. Dabei wird e<strong>in</strong>e <strong>in</strong>terpretative Perspektive politischer Kulturforschung<br />

angesetzt, die nicht alle<strong>in</strong> E<strong>in</strong>stellungen sondern auch Symbole und Verhalten e<strong>in</strong>bezieht.<br />

Diese Vorgehensweise liegt dar<strong>in</strong> begründet, dass e<strong>in</strong> offener und dynamischer<br />

Ansatz die Möglichkeit bietet, Verzerrungen durch etwaige Vore<strong>in</strong>stellungen im Forschungskonzept<br />

zu m<strong>in</strong>dern, die aus kulturellen Unterschieden oder der Sensibilität<br />

39 Die Geme<strong>in</strong>de<strong>vier</strong>tel s<strong>in</strong>d hierarchisch gegliedert zu mehreren E<strong>in</strong>heiten A, B, C, <strong>in</strong>nerhalb<br />

derer jeweils 40 Häuser zu Blöcken (Quarteirões) zusammengefasst werden. 10 Häuser erhalten<br />

e<strong>in</strong>en Vorstand (chefe). Der e<strong>in</strong>zelnen Familie (Haus) steht e<strong>in</strong> Familienchef vor.<br />

69


Theoretische Grundlagen der Konfliktanalyse<br />

des Themas resultieren können. <strong>E<strong>in</strong>e</strong> starke Standardisierung böte zwar den Vorteil<br />

e<strong>in</strong>es direkten Vergleichs, unterläge aber der Gefahr, dass wesentliche Informationen<br />

nicht erfasst werden, die erst e<strong>in</strong> komplettes Bild <strong>von</strong> der Situation ermöglichen.<br />

Die lokale politische Kultur wird auf die drei o.g. Konfliktquellen (Inkongruenz <strong>von</strong><br />

politischer Kultur und Struktur, Fehlen e<strong>in</strong>er demokratischen politischen Kultur sowie<br />

Inkompatibilität <strong>von</strong> neuen und alten Ordnungselementen) überprüft.<br />

Hier sollen die grundsätzlichen Vorstellungen zur politischen Ordnung <strong>in</strong>teressieren,<br />

d.h. die E<strong>in</strong>stellungen gegenüber den konstitutiven Pr<strong>in</strong>zipien e<strong>in</strong>er Gesellschaft, die<br />

als elementar für den gesellschaftlichen Zusammenhalt und das politische Geschehen<br />

angesehen werden. Dabei wird e<strong>in</strong>e doppelte Perspektive e<strong>in</strong>geschlagen. <strong>E<strong>in</strong>e</strong>rseits<br />

werden die grundlegenden Ordnungsvorstellungen der politischen Akteure <strong>in</strong> den<br />

<strong>Kommunen</strong> auf etwaige Muster untersucht. Andererseits werden aus e<strong>in</strong>er ‚demokratiezentrischen’<br />

Perspektive geprüft, <strong>in</strong>wieweit demokratische Pr<strong>in</strong>zipien und Verfahren<br />

<strong>von</strong> der lokalen Bevölkerung und den politischen Akteuren akzeptiert werden.<br />

Institutionelle politische Ordnungen haben e<strong>in</strong>e Steuerungs- und e<strong>in</strong>e Integrationsdimension<br />

(vgl. Abschnitt 2.3.1). Im H<strong>in</strong>blick auf die Steuerungsdimension werden<br />

die Gesprächspartner nach ihrem Demokratieverständnis und nach den grundlegenden<br />

E<strong>in</strong>stellungen zu zentralen Merkmalen e<strong>in</strong>er liberal-pluralistischen Demokratie wie<br />

Me<strong>in</strong>ungsfreiheit und Oppositionspr<strong>in</strong>zip gefragt.<br />

H<strong>in</strong>sichtlich der Integrationsdimension stehen die Normen und Wertesysteme im Vordergrund,<br />

da sie die Positionen der verschiedenen Ordnungselemente verb<strong>in</strong>dlich<br />

festlegen und ihre Beziehungen untere<strong>in</strong>ander orientieren. Somit gibt das auf Normen<br />

und Werte bezogene Verhalten H<strong>in</strong>weise über die Geltungskraft der <strong>in</strong>stitutionellen<br />

Ordnung, d.h. über die Akzeptanz der <strong>in</strong>stitutionellen Leitpr<strong>in</strong>zipien und des<br />

Sanktionsapparats.<br />

Stärker auf die Inkongruenzthese e<strong>in</strong>gehend wird die Akzeptanz der Institutionenstruktur<br />

erhoben, wobei im Mittelpunkt das Vertrauen <strong>in</strong> Institutionen sowie die Bewertung<br />

des <strong>in</strong>stitutionellen Outputs stehen.<br />

Die zentralen Merkmale der lokalen Staatsbürgerkultur manifestieren sich <strong>in</strong> den<br />

E<strong>in</strong>stellungen zu Autorität, <strong>in</strong> den E<strong>in</strong>stellungen zu politischer Partizipation sowie <strong>in</strong><br />

den Mustern der Wahrnehmung anderer Akteure im sozialen und politischen Raum.<br />

Die E<strong>in</strong>stellungen gegenüber Autorität zählen zu den entscheidenden Variablen <strong>in</strong> der<br />

politischen Kulturforschung, die Aufschluss über die Funktionsfähigkeit <strong>von</strong> Syste-<br />

70


Theoretische Grundlagen der Konfliktanalyse<br />

men geben können. Desgleichen schlagen sich <strong>in</strong> der Präferenz bestimmter Herrschaftsstile<br />

Ordnungsvorstellungen nieder.<br />

<strong>E<strong>in</strong>e</strong> starke politische Partizipation sowie die positive Wahrnehmung anderer Akteure im<br />

politischen Raum s<strong>in</strong>d entscheidende Kriterien e<strong>in</strong>er lokalen demokratischen Staatsbürgerkultur.<br />

Es <strong>in</strong>teressiert darum, <strong>in</strong>wieweit e<strong>in</strong>e Partizipationsbereitschaft und<br />

welche der Formen der Teilhabe an politischen Entscheidungs- und Gestaltungsprozessen<br />

vorhanden s<strong>in</strong>d. In diesem Zusammenhang ist die Abgrenzung der politischen<br />

Geme<strong>in</strong>schaft <strong>von</strong> Bedeutung, d.h. die Wahrnehmung des Verhältnisses zu<br />

den anderen Akteuren. Insbesondere für die Ausbildung e<strong>in</strong>er demokratischen Kultur<br />

ist das Vorhandense<strong>in</strong> politischen Vertrauens wichtig <strong>in</strong> Form <strong>von</strong> Offenheit,<br />

Kooperationsbereitschaft, Toleranz und der Überzeugung, dass andere e<strong>in</strong>em wohlwollend<br />

gegenüber e<strong>in</strong>gestellt s<strong>in</strong>d.<br />

Zur E<strong>in</strong>schätzung e<strong>in</strong>er Kompatibilität <strong>von</strong> neuen und alten Ordnungselementen<br />

werden die E<strong>in</strong>stellungen zum politischen und sozialen Wandel, d.h. die Bewertung und<br />

Erklärung der Wandlungsprozesse, ermittelt.<br />

Typen politischer Kultur. Die <strong>von</strong> ALMOND/VERBA (1965) herausgearbeiteten drei<br />

Typen politischer Kultur wurden vor allem für ihre normative Verwendung kritisiert<br />

(vgl. DIAS 1971: 421ff; PATEMAN 1980; IWAND 1985: 144ff). Im Kern bezieht sich<br />

die Kritik darauf, dass ke<strong>in</strong> kausaler Zusammenhang aus der Gleichzeitigkeit e<strong>in</strong>es<br />

spezifischen E<strong>in</strong>stellungsmusters und e<strong>in</strong>er politischen Struktur abgeleitet und damit<br />

auch ke<strong>in</strong>e zuverlässige Aussage zur Stabilität des politischen Systems getroffen werden<br />

kann. Entsprechend könne die verme<strong>in</strong>tlich für Stabilität sorgende partizipative<br />

Kultur nach dem Vorbild der USA und Großbritanniens nicht zum Sollwert sämtlicher<br />

demokratischer Ordnungen erhoben werden. Sieht man <strong>von</strong> e<strong>in</strong>em normativen<br />

Anspruch mit gesamtgesellschaftlichem Geltungsbereich ab, bietet e<strong>in</strong>e solche Typenkonstruktion<br />

<strong>in</strong> Analogie zur WEBERschen Konstruktion <strong>von</strong> Idealtypen die<br />

Möglichkeit zur begrifflichen Erfassung komplexer sozialer Sachverhalte. Darum<br />

werden Differenzen und Geme<strong>in</strong>samkeit der erhobenen E<strong>in</strong>stellungen, die sich nach<br />

etwaigen Ordnungsmustern organisieren lassen, gesucht und zu Typen verdichtet.<br />

2.5.2 Angewandte Methoden<br />

Auswahlkriterien der Fallstudien. Der Anspruch auf Repräsentativität <strong>von</strong> Fallstudien<br />

unterscheidet sich vom Repräsentativitätsanspruch quantitativer Ansätze.<br />

Fallstudien zielen auf Typenkonstruktionen ab, die beispielsweise mittels e<strong>in</strong>er ver-<br />

71


Theoretische Grundlagen der Konfliktanalyse<br />

gleichenden Perspektive Wirkungszusammenhänge und Faktorenbündel bestimmt<br />

werden und zur Gew<strong>in</strong>nung <strong>von</strong> Hypothesen und Theorieelementen herangezogen<br />

werden können. Um dies zu gewährleisten, wird e<strong>in</strong>e systematische Auswahl <strong>von</strong> <strong>vier</strong><br />

Fallstudien angestrebt. Der Bestimmung der Auswahlkriterien für die Fallstudien<br />

g<strong>in</strong>gen folgende Überlegungen voraus:<br />

Da der Frelimo-Renamo-Gegensatz die dom<strong>in</strong>ierende Konfliktkonstellation darstellt,<br />

ist dem Verteilungsmuster der Präferenz politischer Parteien besondere Rechnung zu<br />

tragen. Jedoch boykottierte die Renamo aus strategischen Gründen die Kommunalwahlen<br />

1998 (vgl. AWEPA 2001a: 2), so dass allen <strong>Kommunen</strong> Frelimo-Regierungen<br />

vorstehen und somit e<strong>in</strong>e Gegenüberstellung <strong>von</strong> Frelimo- und Renamo-<strong>Kommunen</strong><br />

nicht möglich ist. Darum ersche<strong>in</strong>t es angebracht, die regionale Verteilung <strong>von</strong> Parteipräferenzen<br />

zu berücksichtigen. Politisch gelten der Süden und große Teile des<br />

Nordens der Frelimo nahe stehend, während den Zentrumsprov<strong>in</strong>zen e<strong>in</strong>e Nähe zur<br />

Renamo zugesprochen wird. Zumeist wird die Frelimo-freundliche Haltung des Südens<br />

mit der ethnischen Zusammensetzung der Frelimo-Partei und der Herkunft des<br />

Präsidenten Joaquim Chissano (Shangana-Ethnie) erklärt. Darüber h<strong>in</strong>aus spielt sicherlich<br />

auch e<strong>in</strong>e Rolle, dass der Süden unmittelbaren Nutzen der Politik der letzten<br />

Jahre hatte. Die E<strong>in</strong>schätzungen für das Zentrum und den Norden basieren jedoch<br />

auf zwei historischen Fakten, die z.T. ideologisch überlagert werden: Die Frelimo<br />

startete ihren Befreiungskampf gegen die Kolonialmacht Portugal <strong>in</strong> der Nordprov<strong>in</strong>z<br />

Cabo Delgado, weshalb man der Bevölkerung die Solidarität mit den Frelimo-<br />

Helden des Befreiungskampfes unterstellt. Umgekehrt zählte die Zentrumsprov<strong>in</strong>z<br />

Manica zu den ersten Zielen der Destabilisierungsstrategie der Renamo, weshalb sich<br />

<strong>in</strong> der Öffentlichkeit das Bild aggressiv revoltierender Bevölkerungsgruppen <strong>in</strong> dieser<br />

Region festsetzte bzw. <strong>von</strong> der Frelimo-Regierung gefördert wurde. In den letzten<br />

Jahren – <strong>in</strong>sbesondere seit der stärkeren Akzentuierung der kommunalen Ebene – ist<br />

die Frelimo <strong>in</strong> Misskredit geraten, so dass <strong>in</strong> e<strong>in</strong>igen Fällen damit zu rechnen ist, dass<br />

<strong>in</strong> e<strong>in</strong>igen <strong>Kommunen</strong> e<strong>in</strong>e vom regionalen Muster abweichende Partei mehrheitlich<br />

präferiert wird.<br />

Die politische Dreiteilung des Landes <strong>in</strong> Norden – Zentrum – Süden korrespondiert<br />

mit kulturellen bzw. ethnol<strong>in</strong>guistischen 40 und sozioökonomischen Verteilungsmus-<br />

40 Ethnol<strong>in</strong>guistisch dom<strong>in</strong>ieren im Norden die Sprachen Emakhuwa, Ciyao und Shimankonde,<br />

im Zentrum die Sprachen Elomwe, Echuwabo, Ch<strong>in</strong>iyungwe, C<strong>in</strong>yanja, C<strong>in</strong>dau, Ciwutewe<br />

und Cisena sowie im Süden Xitshwa, Cichangana, Gitonga und Xironga (vgl. INE 2000: 26).<br />

72


Theoretische Grundlagen der Konfliktanalyse<br />

tern (vgl. FERRÃO 2002: 141). Dabei verläuft die kulturelle und geographische Dreiteilung<br />

entlang der beiden Flüsse Save und Sambesi. Der Sambesi grenzt die matril<strong>in</strong>earen<br />

und stark vom ostafrikanischen Islam geprägten Nordprov<strong>in</strong>zen Niassa, Cabo<br />

Delgado und Nampula <strong>von</strong> den patril<strong>in</strong>earen Zentrumsprov<strong>in</strong>zen Tete, Manica, Sofala<br />

und Zambézia ab. Im Zentrum dom<strong>in</strong>ieren Shona-Gruppen, die kulturell mit<br />

den Shona <strong>in</strong> Simbabwe verwandt s<strong>in</strong>d. Südlich des Save dom<strong>in</strong>ieren Thonga- und<br />

Shangana-Gruppen, die wiederum kulturell Volksgruppen aus Südafrika und Swaziland<br />

nahe stehen.<br />

Sozioökonomisch und <strong>in</strong>frastrukturell gelten die Nordprov<strong>in</strong>zen als die am stärksten<br />

benachteiligte Region, während der Süden – <strong>in</strong>sbesondere durch die Wirtschaftleistung<br />

<strong>in</strong> Maputo-Stadt – wirtschaftlich wohlhabend und <strong>in</strong>frastrukturell relativ gut<br />

ausgebaut ist. Hier bef<strong>in</strong>det sich neben dem politischen Zentrum auch das nationale<br />

Handels- und Industriezentrum. Die regionalen Entwicklungsunterschiede führt<br />

FERRÃO (2001: 141f) auf die Teilung des Landes <strong>in</strong> fünf Verwaltungse<strong>in</strong>heiten zurück.<br />

Demzufolge profitierte der Süden <strong>von</strong> den wirtschaftlich starken Nachbarländern<br />

Südafrika und dem ehemaligen Rhodesien, während die Nachbarschaft zu<br />

Rhodesien dem Zentrum nur e<strong>in</strong>geschränkt <strong>von</strong> Nutzen war. Im portugiesisch verwalteten<br />

Norden führten die widrigen Bed<strong>in</strong>gungen bei der Baumwollproduktion zu<br />

Massenfluchten und so zu e<strong>in</strong>em Schwund des Entwicklungspotentials (vgl. ebd.:<br />

142; s. auch HALL 1990: 51).<br />

Index<br />

Human Development Index<br />

HDI (2000) 1)<br />

Human Poverty Index<br />

HPI-1 (2000) 2)<br />

Beitrag zum Brutto<strong>in</strong>landsprodukt<br />

je E<strong>in</strong>wohner nach<br />

Region BIP/EW (2000) 3)<br />

Norden<br />

Niassa, Cabo Delgado,<br />

Nampula<br />

Zentrum<br />

Zambézia, Tete,<br />

Manica, Sofala<br />

0,245 0,282<br />

56,4 51,6<br />

21,3 % 27,7 %<br />

Quellen: 1) PNUD 2001: Stat. Anhang, Tabelle 8; 2) ebd.: Tabelle 15; ³ ) ebd.: Tabelle 17<br />

* In Klammern: Maputo-Stadt<br />

Süden<br />

Inhambane, Gaza,<br />

Maputo<br />

0,464<br />

(0,622)*<br />

32,3<br />

(15,8)*<br />

51,0 %<br />

(36,9 %)*<br />

Tabelle 1: Die regionale Verteilung <strong>von</strong> Entwicklung, Armut und E<strong>in</strong>kommen nach Region anhand<br />

aggregierter ausgewählter Index-Werte<br />

Die geographische Lage im Norden, Zentrum bzw. Süden Mosambiks komb<strong>in</strong>iert<br />

also politische, kulturelle und sozioökonomische Faktoren. Weiterh<strong>in</strong> spielt die geographische<br />

Lage e<strong>in</strong>e zentrale Rolle <strong>in</strong> Bezug auf die Entstehung <strong>von</strong> <strong>Konflikten</strong><br />

<strong>in</strong>folge besonderer Bed<strong>in</strong>gungen <strong>in</strong> Grenzgebieten. Die Grenzbeziehungen können<br />

73


Theoretische Grundlagen der Konfliktanalyse<br />

sowohl als Chancen zur E<strong>in</strong>kommenssteigerung und zu kultureller Selbstverwirklichung<br />

als auch als Belastung wahrgenommen werden. Anzunehmen ist, dass E<strong>in</strong>wanderung<br />

und daraus resultierende kurzfristige Verknappung <strong>von</strong><br />

E<strong>in</strong>kommenschancen und Ressourcen <strong>in</strong> der Heimatregion E<strong>in</strong>fluss auf die Wahrnehmung<br />

<strong>von</strong> Problemen und auf die Entstehung <strong>von</strong> <strong>Konflikten</strong> hat. Mosambik<br />

grenzt im Süden und Südwesten an die Republik Südafrika und Swasiland, im Westen<br />

an Simbabwe, Sambia und Malawi sowie im Norden an Tansania. Gegenwärtig führt<br />

die politische und ökonomische Situation <strong>in</strong> Simbabwe zu e<strong>in</strong>er verstärkten Flucht<br />

<strong>von</strong> Simbabwern <strong>in</strong> das Grenzgebiet zu Mosambik. Hier führte die Anwesenheit<br />

simbabwischer Händler zu e<strong>in</strong>er Anspannung <strong>in</strong> den lokalen grenzübergreifenden<br />

Wirtschaftsbeziehungen, da sie durch das niedrigere Warenpreisniveau <strong>in</strong> Simbabwe<br />

höhere Umsätze erzielen können als die e<strong>in</strong>heimischen Händler. Insofern ist auch<br />

relevant, ob sich e<strong>in</strong>e Ortschaft an e<strong>in</strong>em ökonomisch attraktiven <strong>in</strong>frastrukturellen<br />

Knotenpunkt bef<strong>in</strong>det.<br />

In der Größe der Ortschaft wird e<strong>in</strong> zweites wichtiges Kriterium gesehen, das wiederum<br />

mehrere Aspekte be<strong>in</strong>haltet. Dabei werden folgende fünf Zusammenhänge<br />

angenommen: Erstens ist da<strong>von</strong> auszugehen, dass mit der Größe der Ortschaft der<br />

Grad der <strong>in</strong>stitutionellen Differenzierung und damit der E<strong>in</strong>flussbereich lokaler Politikeliten<br />

variiert. Zweitens weist die Größe bzw. die demografische Entwicklung der<br />

Ortschaft auf ihre regionale Bedeutung h<strong>in</strong>, da da<strong>von</strong> ausgegangen wird, dass sich<br />

Migranten nach den <strong>von</strong> ihnen erwarteten sozioökonomischen Chancen orientieren.<br />

Drittens gibt die Geme<strong>in</strong>degröße bed<strong>in</strong>gt e<strong>in</strong>en H<strong>in</strong>weis auf die F<strong>in</strong>anzkraft bzw. die<br />

Ressourcenausstattung lokaler politischer Institutionen. Zwar steigt mit der Geme<strong>in</strong>degröße<br />

auch die Anzahl und Komplexität kommunaler Probleme. Doch verfügen<br />

größere <strong>Kommunen</strong> aufgrund des höheren Steuere<strong>in</strong>kommens (unter der Bed<strong>in</strong>gung<br />

konstant bleibenden relativen Wirtschaftsleistung) absolut gesehen über höhere<br />

Summen, was im H<strong>in</strong>blick auf die Entstehung <strong>von</strong> <strong>Konflikten</strong> relevant se<strong>in</strong> könnte.<br />

Viertens ist <strong>von</strong> e<strong>in</strong>er größeren Integration <strong>in</strong> kle<strong>in</strong>eren Geme<strong>in</strong>den auszugehen.<br />

Daran anschließend ist fünftens e<strong>in</strong> Zusammenhang zwischen der Geme<strong>in</strong>degröße<br />

und dem Verhältnis zwischen formellen und <strong>in</strong>formellen politischen Institutionen<br />

anzunehmen. Dieser könnte dar<strong>in</strong> bestehen, dass traditionelle Autoritätsstrukturen<br />

eher <strong>in</strong> ländlich geprägten <strong>Kommunen</strong> (niedrige E<strong>in</strong>wohnerzahl und Bevölkerungsdichte)<br />

E<strong>in</strong>fluss ausüben können als <strong>in</strong> urban geprägten <strong>Kommunen</strong>. Jedoch ließe<br />

sich auch argumentieren, dass mit zunehmender Geme<strong>in</strong>degröße auch die Anzahl<br />

<strong>in</strong>formeller Arrangements etwa <strong>in</strong> Form <strong>von</strong> Viertelverwaltungen steigen könnte.<br />

74


Theoretische Grundlagen der Konfliktanalyse<br />

Anstatt e<strong>in</strong>er willkürlichen E<strong>in</strong>teilung der <strong>Kommunen</strong> nach E<strong>in</strong>wohnerzahl dient der<br />

formale Status als cidade (‚Stadt’) und vila (etwa: ‚Kle<strong>in</strong>stadt’) als Kriterium. Der Auswahl<br />

der Fallstudien kann somit folgende Struktur zugrunde gelegt werden:<br />

Kriterium 1: Jeweils m<strong>in</strong>destens e<strong>in</strong>e Kommune aus dem Norden, dem Zentrum und<br />

dem Süden.<br />

Kriterium 2: Jeweils m<strong>in</strong>destens e<strong>in</strong>e Kommune mit dem Status cidade und m<strong>in</strong>destens<br />

e<strong>in</strong>e mit dem Status vila.<br />

Aufgrund der verme<strong>in</strong>tlichen Spannungen zwischen e<strong>in</strong>er mit der Renamo sympathisierenden<br />

Bevölkerung und der Frelimo-Regierung werden im Zentrum zwei Fallstudien<br />

durchgeführt. Da die <strong>Analyse</strong> <strong>von</strong> <strong>Konflikten</strong> e<strong>in</strong> sensibles Thema ist und<br />

<strong>in</strong>folgedessen e<strong>in</strong>em den Befragten unbekannter Forscher das Forschungsfeld verschlossen<br />

bleiben kann, wurde e<strong>in</strong>e Anb<strong>in</strong>dung an lokal bekannte und Vertrauen<br />

genießende Institutionen gesucht. Dies sollte <strong>in</strong> Form e<strong>in</strong>er Kooperation mit der<br />

Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ) gel<strong>in</strong>gen, die <strong>in</strong> mehreren<br />

<strong>Kommunen</strong> das Projekt PDDM 41 zur Förderung selbstverwalteter Kle<strong>in</strong>- und Landstädte<br />

im Dezentralisierungs- und Demokratisierungsprozess durchführt. Damit<br />

wurden als Fallstudien Pemba, Catandica, Manica und Vilankulo ausgewählt.<br />

Stadt (cidade) Kle<strong>in</strong>stadt (vila)<br />

Norden Pemba<br />

(Cabo Delgado)<br />

Zentrum Manica<br />

(Manica)<br />

Catandica<br />

(Manica)<br />

Süden Vilankulo<br />

(Inhambane)<br />

Tabelle 2: Die E<strong>in</strong>ordnung der Fallstudien nach Region und Status<br />

Die Großstadt Pemba ist zugleich Hauptstadt der vom ostafrikanischen Islam geprägten<br />

Nordprov<strong>in</strong>z Cabo Delgado. Aufgrund ihrer Halb<strong>in</strong>sellage am <strong>in</strong>dischen Ozean<br />

bef<strong>in</strong>det sich Pemba nicht <strong>in</strong>nerhalb e<strong>in</strong>es Distrikts. Die Prov<strong>in</strong>z weist aufgrund des<br />

historischen H<strong>in</strong>tergrunds e<strong>in</strong>en hohen politischen Symbolwert auf.<br />

Die Kle<strong>in</strong>stadt Catandica bef<strong>in</strong>det sich ebenso wie die Stadt Manica <strong>in</strong> der Zentralprov<strong>in</strong>z<br />

Manica <strong>in</strong> unmittelbarer Nähe zu Simbabwe. Die Prov<strong>in</strong>z gilt als stark traditionell<br />

geprägt und Renamo-freundlich. Trotz se<strong>in</strong>er ländlichen Prägung stellt Catandica<br />

41 PDDM: Projekt zur Dezentralisierung und Kommunalentwicklung <strong>in</strong> Mosambik. An dieser<br />

Stelle sei für die freundliche Unterstützung gedankt. Dank gilt auch M<strong>in</strong>oz Hassam <strong>in</strong> Pemba.<br />

75


Theoretische Grundlagen der Konfliktanalyse<br />

e<strong>in</strong> wichtiges ökonomisches Zentrum dar. Aufgrund se<strong>in</strong>er Lage am Tete-Korridor<br />

ist die E<strong>in</strong>wohnerzahl seit Ende der 1990er Jahre stark angestiegen. Die starke Frequentierung<br />

durch Simbabwer und Malawier hat zugleich positive ökonomische und<br />

negative soziale Effekte wie z.B. die starke Modernisierung und die Zunahme <strong>von</strong><br />

AIDS. Das urbane Manica liegt im Beira-Korridor42 auf der Straße zum simbabwischen<br />

Mutare. Auch hier ist deutlich e<strong>in</strong> sozialer Wandel zu spüren, nicht zuletzt<br />

aufgrund der starken Präsenz simbabwischer Händler.<br />

Der Kle<strong>in</strong>stadt-Status <strong>von</strong> Vilankulo muss aufgrund der sozioökonomischen Entwicklung<br />

<strong>in</strong> naher Zukunft überdacht werden. Das touristische Zentrum am Bazaruto-Archipel<br />

<strong>in</strong> der Frelimo-dom<strong>in</strong>ierten Südprov<strong>in</strong>z Inhambane verfügt über viele<br />

Entwicklungspotentiale, die dank des kompetenten und öffentlichkeitswirksamen<br />

Bürgermeisters auch genutzt werden. Im H<strong>in</strong>blick auf die politische wie die wirtschaftliche<br />

Entwicklung spielt Vilankulo darum <strong>in</strong> der „ersten Liga des Kommunalreformprozesses“<br />

(WEIMER 2002: 68; vgl. NOTÍCIAS vom 11.11.2002: 3).<br />

Befragungsstruktur. Auf der Grundlage <strong>von</strong> subjektiven Situationsdeutungen <strong>in</strong>vol<strong>vier</strong>ter<br />

Akteure und Beobachter werden Konfliktzusammenhänge rekonstruiert.<br />

Gegenstandsadäquat werden qualitative Forschungsmethoden angewandt (vgl.<br />

PRITTWITZ 1994: 197). Die empirische Erhebung erfolgt mittels e<strong>in</strong>er teilstandardi-<br />

sierten Befragung <strong>in</strong> Form <strong>von</strong> Leitfaden gestützten Experten<strong>in</strong>terviews (vgl. MEU-<br />

SER/NAGEL 1991, 1994). Die <strong>in</strong>terpretativ-beschreibende Vorgehensweise eignet<br />

sich für die explorative Erfassung komplexer Zusammenhänge unter der Voraussetzung<br />

kultureller ‚Fremdheit’. Da dem Pr<strong>in</strong>zip der Offenheit großes Gewicht beigemessen<br />

wird, war für die mündliche Befragung e<strong>in</strong> mittlerer Grad der Strukturierung<br />

und Standardisierung vorgesehen. 43 Als Zielgruppe der Erhebung wurden die führenden<br />

adm<strong>in</strong>istrativen und politischen Mitarbeiter bzw. Repräsentanten der Kommune<br />

def<strong>in</strong>iert, nämlich Bürgermeister, Ratsvorsitzender, Beigeordnete, Chef der<br />

Geme<strong>in</strong>depolizei, etc. Darüber h<strong>in</strong>aus sollten aber auch relevante, also auf die lokale<br />

Politik E<strong>in</strong>fluss nehmende zivilgesellschaftliche Akteure (z.B. religiöse Autoritäten,<br />

NGOs) <strong>in</strong> die Untersuchung e<strong>in</strong>bezogen werden. Sie werden entsprechend des qualitativen<br />

Ansatzes als Experte verstanden, d.h. als e<strong>in</strong>e Person, die <strong>in</strong>nerhalb e<strong>in</strong>es So-<br />

42 Der Beira-Korridor bezeichnet die zentralen Infrastrukture<strong>in</strong>richtungen zwischen der Hafenstadt<br />

Beira und Simbabwe sowie die sich hier konzentrierten Agrarbetriebe. Aufgrund <strong>von</strong><br />

Bürgerkrieg und Flüchtl<strong>in</strong>gsströmen wurde diese Konzentration verstärkt, da der Beira-<br />

Korridor und die dar<strong>in</strong> liegenden Städte als sicher galten (vgl. EFFLER 1996: 55f; FANDRYCH<br />

2001: 108).<br />

43 Das Interviewverhalten kann als weich, direkt und dialogisch beschrieben werden.<br />

76


Theoretische Grundlagen der Konfliktanalyse<br />

zialsystems e<strong>in</strong>e Funktionselite darstellt. Sie üben E<strong>in</strong>fluss auf Entscheidungen aus,<br />

<strong>von</strong> denen der Zustand e<strong>in</strong>es sozialen, wirtschaftlichen oder politischen Systems abhängt.<br />

Insofern verfügen sie über spezialisiertes Sonderwissen über Strukturen, Inhalte<br />

und Verfahrensweisen (Betriebswissen). Als Experten werden aber auch Personen<br />

bezeichnet, die <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Handlungsfeld e<strong>in</strong>e Beobachterrolle e<strong>in</strong>nehmen und somit<br />

über Kontextwissen verfügen.<br />

Die Grundstruktur des Interviewgesprächs wurde zwar durch e<strong>in</strong>en Leitfaden vorab<br />

festgelegt, blieb jedoch offen für erweiternde bzw. vertiefende Ausführungen (vgl.<br />

Anhang, S. 254ff). Die Interviews dauerten durchschnittlich 90 M<strong>in</strong>uten, e<strong>in</strong>ige sogar<br />

deutlich mehr als zwei Stunden. In allen Fallstudien konnte e<strong>in</strong> sehr hoher Anteil der<br />

anvisierten Zielgruppe e<strong>in</strong>bezogen werden.<br />

In der Regel wurden die Experten e<strong>in</strong>malig befragt, bei wenigen E<strong>in</strong>zelpersonen<br />

(Bürgermeister <strong>von</strong> Catandica, Vilankulo und <strong>in</strong> e<strong>in</strong>geschränktem Maße auch Manica)<br />

waren mehrfache Gesprächssituationen mit unterschiedlichem Formalitätsgrad<br />

möglich. Im Untersuchungszeitraum vom 26.7. bis zum 19.11.2002 wurden <strong>in</strong>sgesamt<br />

76 Interviews geführt, da<strong>von</strong> 14 Gruppen<strong>in</strong>terviews mit bis zu sechs Befragten.<br />

Die Gruppen wurden auf der Grundlage funktionaler Homologie zusammengesetzt<br />

(z.B. sechs Viertelsekretäre secretários dos bairros <strong>in</strong> Catandica, e<strong>in</strong> Priester und e<strong>in</strong><br />

Imam <strong>in</strong> Vilankulo). Die Gruppensituation wurde gewählt, um e<strong>in</strong>erseits die Bereitschaft<br />

zum Gespräch und andererseits die Informationsdichte zu steigern. Die Anwesenheit<br />

<strong>von</strong> weiteren Personen <strong>in</strong> ähnlicher Position m<strong>in</strong>derte das Misstrauen<br />

gegenüber dem Forscher und se<strong>in</strong>em Anliegen und ermunterte zum offenen Gespräch.<br />

Für die Mehrzahl der Befragten, <strong>in</strong>sbesondere für die <strong>in</strong>terviewten traditionellen<br />

Autoritäten, stellte die Interviewsituation e<strong>in</strong>e nicht alltägliche bzw. nicht<br />

selbstverständliche Situation dar. Die Kontaktherstellung über e<strong>in</strong>en Berater der<br />

GTZ wirkte ebenso wie die Vorlage e<strong>in</strong>er Akkreditierung <strong>in</strong> Catandica, Manica und<br />

Vilankulo vertrauensbildend, was die Kooperation der lokalen bzw. regionalen Autoritäten<br />

und ihrer Untergebenen erst ermöglichte.<br />

Insgesamt gab es ke<strong>in</strong>e signifikanten Verständigungsprobleme, da die Interviews <strong>in</strong><br />

Portugiesisch geführt werden konnten. In drei Interviews mit régulos (Manica und<br />

Catandica) mussten Übersetzer herangezogen werden. Pr<strong>in</strong>zipiell notwendig ist es,<br />

die fremden Denk- und Verhaltensmuster mit angemessenen Kategorien zu erfassen,<br />

zu verstehen und zu <strong>in</strong>terpretieren. Verwirrung bestand etwa bei der Verwendung<br />

des Begriffs ‚Konflikt’, sowohl im H<strong>in</strong>blick auf die Adäquanz der zugrunde gelegten<br />

77


Theoretische Grundlagen der Konfliktanalyse<br />

soziologischen Konzepte als auch h<strong>in</strong>sichtlich der funktionalen Äquivalenz der Begriffe.<br />

Es sollte sich herausstellen, dass die Mehrzahl der Befragten mit ‚Konflikt’ den<br />

bewaffneten Konflikt zwischen der Frelimo und Renamo verb<strong>in</strong>det und entsprechend<br />

negativ bewertet. Und obwohl offensichtlich Interessengegensätze bestehen,<br />

wird der Begriff zu ihrer Beschreibung gemieden. Durch die Verwendung <strong>von</strong> weniger<br />

belasteten Synonymen und Umschreibungen konnte das Problem umgangen<br />

werden. E<strong>in</strong> verzerrendes Moment ergab sich durch sozial erwünschtes Antwortverhalten.<br />

So bemühten sich e<strong>in</strong>ige Interviewpartner betont um die Darstellung demokratischer<br />

Kompetenzen oder um die Vermittlung e<strong>in</strong>er friedvollen Haltung. Dem<br />

wurde durch häufiges, teilweise auch konfrontatives Nachfragen begegnet. Jedoch<br />

kann nicht ausgeschlossen werden, dass Befragte bewusst falsche Angaben machten.<br />

Auswertung der Interviews. Die Gespräche wurden protokolliert (bei Zustimmung<br />

mit Audioaufnahme) und anschließend transkribiert. Die Transkriptionen wurden <strong>in</strong><br />

e<strong>in</strong>e Microsoft Excel-Tabelle mit folgenden Spaltenüberschriften gebracht:<br />

Kommune<br />

Funktion des Gesprächspartners<br />

Interviewtext<br />

Kommentar<br />

Stichwort1: Kommunalpolitik<br />

Stichwort2: Politische Kultur<br />

Stichwort3: Konflikt<br />

Stichwort4: Sonstiges1<br />

Stichwort5: Sonstiges2<br />

Stichwort6: Ökonomie<br />

Die Interviewtranskriptionen wurden zunächst nach Kommune, Funktion des Gesprächspartners<br />

(z.B. Bürgermeister <strong>in</strong> X, Sprecher der NGO Y) vertikal angeordnet.<br />

Dabei wurden die gemachten Aussagen nach S<strong>in</strong>nzusammenhängen <strong>in</strong> Tabellenzellen<br />

e<strong>in</strong>getragen (Interviewtext) und mit e<strong>in</strong>em Kommentar versehen, der e<strong>in</strong>e erste<br />

<strong>Analyse</strong> des Gesagten darstellt (Kommentar). Jedem Statement wurde m<strong>in</strong>destens e<strong>in</strong><br />

und maximal sechs Schlagworte zugewiesen, die Dimensionen der Themenbereiche<br />

Kommunalpolitik, politische Kultur, Konflikt und Ökonomie darstellten. Zusätzlich<br />

wurden zwei offen gehaltene Kategorien angelegt, <strong>in</strong> denen verschiedene, nicht e<strong>in</strong>deutig<br />

thematisch zuzuordnende Schlagworte angeführt wurden. Mittels e<strong>in</strong>er Filterfunktion<br />

des Programms wurden sämtliche Statements nach spezifischen<br />

78


Theoretische Grundlagen der Konfliktanalyse<br />

Schlagworten unter Erhaltung der vollständigen Informationen zu Quelle und Kontext<br />

gefiltert und <strong>in</strong> e<strong>in</strong> neues Textdokument überführt. War e<strong>in</strong>em Statement mehr<br />

als e<strong>in</strong> Schlagwort zugewiesen worden, so wurde das Statement <strong>in</strong> den verschiedenen<br />

thematischen Kontexten wiederholt, zu denen das Statement Bezug nahm. Auf diese<br />

Weise gelang e<strong>in</strong>e mehrfach thematische Strukturierung des vollständigen empirischen<br />

Datenmaterials, die durch Formatierung und Suchfunktionen des EDV-<br />

Programms navigierbar blieb. Grundsätzlich soll die Anonymität der Befragten gewahrt<br />

bleiben, so dass die Interviews kodiert wiedergegeben werden (vgl. Siglenverzeichnis<br />

und Tabelle 25).<br />

79


Allgeme<strong>in</strong>e Rahmenbed<strong>in</strong>gungen und Konfliktpotentiale<br />

3 Allgeme<strong>in</strong>e Rahmenbed<strong>in</strong>gungen und Konflikt-<br />

potentiale <strong>in</strong> Mosambik<br />

Bevor im weiteren Verlauf der Arbeit auf die lokalen Konfliktpotentiale <strong>in</strong> Pemba,<br />

Catandica, Manica und Vilankulo e<strong>in</strong>gegangen wird, werden die allgeme<strong>in</strong>en politisch-strukturellen<br />

und historischen Rahmenbed<strong>in</strong>gungen Mosambiks spezifiziert,<br />

<strong>von</strong> denen e<strong>in</strong>e konfliktverschärfende Wirkung zu erwarten ist.<br />

3.1 Die politische Struktur Mosambiks<br />

Die Kommunalreform ist e<strong>in</strong> entscheidender Schritt zur Dezentralisierung der politischen<br />

Struktur Mosambiks. Die Grundzüge der heutigen Verwaltungsstruktur gehen<br />

auf den stark zentralistischen Aufbau des kolonialen Verwaltungsapparats zurück, der<br />

zunächst <strong>von</strong> der Frelimo bekämpft, dann jedoch nach Erlangung der Unabhängigkeit<br />

<strong>von</strong> der Frelimo teilweise übernommen und an die Anforderungen des sozialistischen<br />

E<strong>in</strong>parteiensystems angepasst wurde (vgl. FANDRYCH 2001: 136). Unter dem<br />

Argument, die Ziele e<strong>in</strong>er radikalen Umwandlung der mosambikanischen Gesellschaft<br />

und die sozioökonomische Entwicklung des Landes effektiver voranzutreiben,<br />

wurden im Jahr 1978 Exekutivstrukturen geschaffen, welche die zentral <strong>in</strong> Maputo<br />

getroffenen Entscheidungen durchsetzen und überwachen sollten. So wurden<br />

Staats-, Verwaltungs- und Parteifunktionen <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em streng zentralisierten, hierarchischen<br />

System der politischen Herrschaft und der staatlichen Verwaltung gleichgesetzt.<br />

Die Folge waren jedoch politische Lethargie, Regionalismus und<br />

Lokalpatriotismus, Lähmung der Verwaltung, wirtschaftliche Unterentwicklung und<br />

Steuerflucht (vgl. WEIMER/FANDRYCH 1997: 119). Trotz des <strong>in</strong>itiierten Dezentralisierungsprozesses,<br />

der verabschiedeten Mehrparteien-Verfassung und der e<strong>in</strong>geführten<br />

<strong>selbstverwalteten</strong> <strong>Kommunen</strong> ist die zentralstaatliche Verwaltungsorganisation<br />

bis heute erhalten geblieben.<br />

Die heutige formelle politisch-adm<strong>in</strong>istrative Struktur sieht unterhalb der Ebene der<br />

Zentralregierung e<strong>in</strong>e Gliederung <strong>in</strong> zehn Prov<strong>in</strong>zen, 128 Distrikte und 387 lokale<br />

Verwaltungse<strong>in</strong>heiten (postos adm<strong>in</strong>istrativos) vor. 44 Die Prov<strong>in</strong>z- und die Distriktebene<br />

gelten strukturell <strong>in</strong>sofern als Spiegelungen der nationalen Exekutive und Verwaltung,<br />

als dass formal auf jeder Ebene dem Exekutivorgan e<strong>in</strong>e entsprechende Volks-<br />

44 Abweichende Angaben kommen zustande durch e<strong>in</strong>e Berücksichtigung der adm<strong>in</strong>istrativen<br />

Untergliederung <strong>von</strong> Maputo-Stadt, wodurch man <strong>in</strong>sgesamt 146 Distrikte und 413 lokale<br />

Verwaltungse<strong>in</strong>heiten erhält.<br />

80


Allgeme<strong>in</strong>e Rahmenbed<strong>in</strong>gungen und Konfliktpotentiale<br />

vertretung (Assembleia Prov<strong>in</strong>cial bzw. Assembleia Distrital) gegenüber steht. Jedoch s<strong>in</strong>d<br />

auf Prov<strong>in</strong>z- und Distriktebene weder die ‚Regierungen’ noch die ‚Volksvertretungen’<br />

demokratisch legitimiert.<br />

Auf Prov<strong>in</strong>zebene setzt sich die ‚Prov<strong>in</strong>zregierung’ (Governo Prov<strong>in</strong>cial) aus e<strong>in</strong>em vom<br />

Präsidenten der Republik bestimmten Prov<strong>in</strong>zgouverneur (Governador Prov<strong>in</strong>cial), den<br />

Prov<strong>in</strong>zdirektoren (Directores de Direcções Prov<strong>in</strong>ciais) und den Chefs der Prov<strong>in</strong>zabteilungen<br />

(Chefes dos Serviços Prov<strong>in</strong>ciais) zusammen. Die Prov<strong>in</strong>zdirektoren werden jedoch<br />

<strong>von</strong> Nationalm<strong>in</strong>isterien gesetzt, oftmals ohne die Zustimmung der jeweiligen<br />

Gouverneure e<strong>in</strong>zuholen. Die Prov<strong>in</strong>zregierung hat zum e<strong>in</strong>en Entscheidungs- und<br />

Kontrollfunktionen auf Prov<strong>in</strong>zebene und zum anderen die Funktion, zentralstaatliche<br />

Entscheidungen umzusetzen. Die Prov<strong>in</strong>zregierung arbeitet unter den Vorgaben<br />

der nationalen M<strong>in</strong>isterien ihre Haushaltspläne sowie Sozial- und Wirtschaftspläne<br />

(Plano Económico e Social, PES) aus, die zunächst <strong>von</strong> der Volksvertretung auf Prov<strong>in</strong>zebene<br />

und anschließend <strong>von</strong> den entsprechenden M<strong>in</strong>isterien gebilligt werden müssen.<br />

Gegenüber den Distrikten und Städten nimmt die Prov<strong>in</strong>zregierung e<strong>in</strong>e<br />

strukturierende und kontrollierende Funktion e<strong>in</strong>. Der Prov<strong>in</strong>zrat (Conselho Prov<strong>in</strong>cial)<br />

hatte ursprünglich die Funktion, die Anweisungen der Volksvertretung und <strong>in</strong>sbesondere<br />

des Prov<strong>in</strong>zkomitees der Frelimo an die Prov<strong>in</strong>zregierung zu vermitteln.<br />

Se<strong>in</strong>e Bedeutung ist heute jedoch stark gem<strong>in</strong>dert. Formell ist <strong>von</strong> der Prov<strong>in</strong>zregierung<br />

die staatliche Verwaltung auf Prov<strong>in</strong>zebene zu unterscheiden, die aus dem Büro<br />

des Prov<strong>in</strong>zgouverneurs (Gab<strong>in</strong>ete do Governador), der ‚Prov<strong>in</strong>zdirektion für Unterstützung<br />

und Kontrolle’ (Direcção Prov<strong>in</strong>cial de Apoio e Controlo, DPAC), den Prov<strong>in</strong>zdirektionen<br />

verschiedener Sektoren sowie den Prov<strong>in</strong>zkommissionen sektorübergreifender<br />

nationaler Kommissionen besteht (vgl. FANDRYCH 2001: 138). Das Büro<br />

des Prov<strong>in</strong>zgouverneurs erfüllt vor allem adm<strong>in</strong>istrative und organisatorische Funktionen<br />

für den Gouverneur. Auch die DPAC assistiert der Prov<strong>in</strong>zregierung bei der<br />

Organisation der ihr zugetragenen Aufgaben. Die Prov<strong>in</strong>zdirektoren s<strong>in</strong>d doppelt<br />

untergeordnet (dupla subord<strong>in</strong>ação): e<strong>in</strong>erseits fachlich dem Sektorm<strong>in</strong>isterium und<br />

andererseits verwaltungstechnisch der Prov<strong>in</strong>zregierung.<br />

Auf Distriktebene steht die ‚Distriktregierung’ (Governo Distrital), bestehend aus e<strong>in</strong>em<br />

vom Gouverneur e<strong>in</strong>gesetzten Distriktadm<strong>in</strong>istrator und Distriktdirektoren,<br />

e<strong>in</strong>er Volksversammlung auf Distriktebene gegenüber. Die staatliche Verwaltung<br />

umfasst das Büro des Distriktadm<strong>in</strong>istrators (bzw. des Präsidenten des Exekutivrates<br />

<strong>in</strong> Städten), die ‚Distriktdirektion für Unterstützung und Kontrolle’ sowie die Dist-<br />

81


Allgeme<strong>in</strong>e Rahmenbed<strong>in</strong>gungen und Konfliktpotentiale<br />

riktdirektionen. Die Distriktdirektionen unterliegen ebenfalls dem Pr<strong>in</strong>zip der doppelten<br />

Unterordnung, nämlich gegenüber dem Prov<strong>in</strong>zgouverneur und den fachlichen<br />

Prov<strong>in</strong>zdirektionen (vgl. ebd.: 140).<br />

Die Bezeichnung Prov<strong>in</strong>z- bzw. Distriktregierung lässt angesichts fehlender legislativer<br />

Kompetenzen und strikter Mittelkontrolle durch das Verwaltungs- und F<strong>in</strong>anzm<strong>in</strong>isterium<br />

zuviel ‚regieren’ vermuten (vgl. CONNERLEY/MARTIN/PICARD 1998: 1). Insbesondere<br />

das Pr<strong>in</strong>zip der doppelten Unterordnung steigert die komplizierte<br />

zentralistische Bürokratie, <strong>in</strong> der Verantwortlichkeiten und Zuständigkeiten nicht<br />

mehr e<strong>in</strong>deutig zuzuordnen s<strong>in</strong>d (vgl. CANAS 1998a: 74). Den Distrikten untergeordnet<br />

s<strong>in</strong>d die Verwaltungse<strong>in</strong>heiten posto adm<strong>in</strong>istrativo und localidade, denen jeweils e<strong>in</strong><br />

chefe de posto vorsteht. Auf der lokalen Ebene existiert zudem e<strong>in</strong>e traditionell legitimierte,<br />

formell aber nur teilweise anerkannte Machtstruktur. Inwieweit und <strong>in</strong> welcher<br />

Weise diese <strong>in</strong> die formelle Verwaltung e<strong>in</strong>gebunden werden soll, stellt e<strong>in</strong><br />

Politikum dar. Insgesamt wird die lokale Verwaltungsstruktur als „schwerfällig, demoralisiert,<br />

<strong>in</strong>effektiv, unlegitimiert, nicht abgestimmt und <strong>von</strong> daher nicht den Bedürfnissen<br />

der Bürger entsprechend“ (CANAS 1998a: 74) beschrieben.<br />

3.1.1 Dezentralisierung<br />

Die Regierung selbst erkannte die Ineffektivität des Staatssystems, die sich <strong>in</strong> der<br />

ger<strong>in</strong>gen Problemlösungskompetenz auf lokaler Ebene, der ablehnenden und oppositionellen<br />

Haltung der Bevölkerung gegenüber der lokalen Verwaltung, der ger<strong>in</strong>gen<br />

Kapazitäten zur Implementierung staatlicher Programme sowie der ger<strong>in</strong>gen fiskalischen<br />

E<strong>in</strong>nahmen niederschlug (vgl. MAE 1998a: 14). Im Mittelpunkt der nunmehr<br />

erforderlichen Maßnahmen zur Dezentralisierung standen zunächst die Dekonzentration<br />

staatlicher M<strong>in</strong>isterien sowie die Schaffung e<strong>in</strong>er begrenzten kommunalen<br />

politischen Ebene. Hierdurch erhoffte die Frelimo-Regierung, ihre soziale Basis im<br />

E<strong>in</strong>parteiensystem festigen zu können (vgl. CONNERLEY/MARTIN/PICARD 1998: 1).<br />

Die Unfähigkeit des Staates zu e<strong>in</strong>er effektiven Bekämpfung der Armut bed<strong>in</strong>gte<br />

jedoch e<strong>in</strong>e stärkere E<strong>in</strong>b<strong>in</strong>dung <strong>von</strong> Zivilgesellschaft, Privatsektor und NGOs. In<br />

weiteren Demokratisierungs- und Dezentralisierungsschritten sollte die Partizipation<br />

<strong>von</strong> Bürgern bei der Entwicklung und Implementation <strong>von</strong> Armutsreduktionspolitiken<br />

gefördert sowie ausreichend Autonomie und Flexibilität bei der Programmimplementation<br />

auf Prov<strong>in</strong>z- und Distriktebene gewährleistet werden. Im<br />

Folgenden werden die zentralen Schritte zur kommunalen Selbstverwaltung aufgeführt:<br />

82


Allgeme<strong>in</strong>e Rahmenbed<strong>in</strong>gungen und Konfliktpotentiale<br />

1987: Das Gesetz 2/87 eröffnet adm<strong>in</strong>istrative und f<strong>in</strong>anzielle Spielräume auf lokaler<br />

Ebene und fördert die Koord<strong>in</strong>ation zwischen der nationalen und der prov<strong>in</strong>ziellen<br />

Ebene bei der Dezentralisierung adm<strong>in</strong>istrativer und f<strong>in</strong>anzieller Kompetenzen zugunsten<br />

der Distrikte.<br />

1992: Das M<strong>in</strong>isterium für staatliche Verwaltung (M<strong>in</strong>istério da Adm<strong>in</strong>istração Estatal,<br />

MAE) verabschiedete im Mai das ‚Programm zur Reform der lokalen Organe des<br />

Staates’ (Programa de Reforma dos Órgãos Locais PROL). Das <strong>in</strong>sbesondere auf die territoriale<br />

Dekonzentration der staatlichen Verwaltungsstruktur abzielende und bis heute<br />

verfolgte Programm des MAE wurde <strong>von</strong> e<strong>in</strong>em stärker auf die kommunale Selbstverwaltung<br />

konzentrierten Projekt der Weltbank bis 1999 flankiert (vgl. FANDRYCH<br />

2001: 170). Die Reform sah die Dezentralisierung und Stärkung der F<strong>in</strong>anz- und Planungsautonomie<br />

der lokalen Organe des Staates mit dem Ziel vor, die nationale E<strong>in</strong>heit<br />

zu stärken, die Demokratie zu vertiefen, die „mosambikanische Familie“ zu<br />

versöhnen sowie die politische und ökonomische Lage zu stabilisieren (vgl. GUAMBE<br />

1998: 5f; MAZULA 1998: 59). Das Reformprogramm ist die Grundlage für das später<br />

verabschiedete Gesetz 3/94. 45<br />

1994: Im September 1994 wurde das Gesetz 3/94 beschlossen, das folgende Reformkomponenten<br />

be<strong>in</strong>haltete (vgl. WEIMER/FANDRYCH 1997: 122f):<br />

� die adm<strong>in</strong>istrative Untergliederung <strong>in</strong> 123 selbstverwaltete Flächenkommunen<br />

und 23 städtische <strong>Kommunen</strong> (autarquias) mit jeweils direkt und geheim gewählten<br />

Bürgermeistern und Geme<strong>in</strong>deräten (assembleias municipais) als Repräsentativbzw.<br />

Exekutivorganen;<br />

� klare Def<strong>in</strong>ition der Aufgaben der Selbstverwaltungsorgane sowie der Kompetenzverteilung<br />

zwischen Zentralstaat und Geme<strong>in</strong>de;<br />

� Gewährung <strong>von</strong> kommunaler Budget-, Vermögens- und Steuerautonomie sowie<br />

<strong>von</strong> Planungs- und Organisationsautonomie;<br />

� die E<strong>in</strong>beziehung der traditionellen Autoritäten (autoridades tradicionais) <strong>in</strong> den<br />

kommunalen Beratungs- und Entscheidungsprozess 46 sowie<br />

45 Parallel hierzu sollte das am 4.10.1992 unterzeichnete allgeme<strong>in</strong>e Friedensabkommen (Acordo<br />

Geral de Paz, AGP) e<strong>in</strong>e militärische und zivile Agenda zur ‚doppelten Transition’ vorgeben,<br />

an deren Ende die Abhaltung demokratischer Wahlen stand (vgl. FANDRYCH 1998: 3).<br />

46 Die Traditionellen Autoritäten wurden als die Verb<strong>in</strong>dung des Staates zur Bevölkerung verstanden.<br />

Entsprechend war unter E<strong>in</strong>b<strong>in</strong>dung e<strong>in</strong> Auftragsverhältnis konzipiert, ohne dass<br />

den traditionellen Autoritäten eigenständige adm<strong>in</strong>istrative Kompetenzen zugewiesen werden<br />

sollten.<br />

83


Allgeme<strong>in</strong>e Rahmenbed<strong>in</strong>gungen und Konfliktpotentiale<br />

� die Unterordnung der Kommune unter die Rechts- und F<strong>in</strong>anzaufsicht des MAE<br />

sowie des M<strong>in</strong>isteriums für Planung und F<strong>in</strong>anzen (M<strong>in</strong>istério de Plano e F<strong>in</strong>anças,<br />

MPF).<br />

Zwar wurde der lokalen Ebene mehr Handlungsspielraum zugewiesen, doch behielt<br />

die Zentralregierung weitestgehend das Weisungsrecht. Die Zentralregierung sollte<br />

demnach klar def<strong>in</strong>ierte Aufgaben übertragen und die zu deren Umsetzung erforderlichen<br />

F<strong>in</strong>anzmittel und Personal bereitstellen. Tatsächlich wurde mit dem Gesetz<br />

e<strong>in</strong>e politische Dezentralisierung im S<strong>in</strong>ne <strong>von</strong> devolution, d.h. die Übertragung politischer<br />

Entscheidungsmacht an die lokale Gebietskörperschaft, verbunden mit e<strong>in</strong>er<br />

Dekonzentration adm<strong>in</strong>istrativer Kompetenzen der Zentrale zugunsten der Prov<strong>in</strong>zregierungen<br />

anvisiert. Das Gesetz war Gegenstand vieler juristischer Klagen, die <strong>in</strong><br />

diesem e<strong>in</strong>en Verstoß gegen die Verfassung sahen (vgl. FANDRYCH 2001: 175ff). Vor<br />

allem Frelimo-Bürokraten im Norden und Zentrum des Landes befürchteten <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er<br />

solchen Verwaltungsordnung e<strong>in</strong>en flächenweiten Machtverlust zugunsten der Opposition<br />

(vgl. ebd.: 193f). H<strong>in</strong>zu kamen die Forderungen der Renamo nach e<strong>in</strong>er<br />

Verfassungsänderung, da sie die Verfassung <strong>von</strong> 1990 nicht zu akzeptieren bereit war<br />

(vgl. ebd.: 176).<br />

1996: Die punktuelle Veränderung der Verfassung durch das Gesetz 9/96 sah e<strong>in</strong>e<br />

Erweiterung um das wichtige Element des poder local (etwa: lokale Herrschaftsgewalt)<br />

vor. Unterschiede wurden vor allem <strong>in</strong> zwei Aspekten deutlich: Erstens sollten anders<br />

als im Gesetz 3/94 vorgesehen ke<strong>in</strong>e Landgeme<strong>in</strong>den e<strong>in</strong>gerichtet werden.<br />

Vielmehr sollte die kommunale Selbstverwaltung auf Städte und Kle<strong>in</strong>städte beschränkt<br />

bleiben. Und zweitens wurde zwar e<strong>in</strong>e lokale demokratisch legitimierte und<br />

selbstverwaltete Herrschaftsstruktur verfassungsmäßig festgeschrieben, jedoch sollten<br />

die zentralistischen <strong>in</strong>effizienten und schwach legitimierten lokalen Staatsorgane<br />

(órgãos locais do Estado) erhalten bleiben. Unter der Politik der ‚E<strong>in</strong>heit der politischen<br />

Macht‘ (unidade do poder político) wurde praktisch e<strong>in</strong>e Parallelverwaltung geschaffen.<br />

Die Beschränktheit dieses Dezentralisierungsschritts zeigt sich noch an weiteren Stellen:<br />

So obliegt es der Zentralregierung, welchen Geme<strong>in</strong>den (municípios) und Siedlungen<br />

(povoações) der Selbstverwaltungsstatus zuzuweisen ist. Maßgebend ist die<br />

Strategie des ‚Gradualismus’, welche die <strong>Kommunen</strong> entsprechend ihrer lokalen Kapazitäten<br />

e<strong>in</strong>bezieht, was e<strong>in</strong>en zeitlich und strukturell unbestimmten und politisch<br />

streitbaren Dezentralisierungsprozess zur Folge hat (vgl. AWEPA 2001b: 14f). Insofern<br />

waren anfangs nur Kommunalwahlen <strong>in</strong> 33 Städten und Kle<strong>in</strong>städten ange-<br />

84


Allgeme<strong>in</strong>e Rahmenbed<strong>in</strong>gungen und Konfliktpotentiale<br />

strebt, wodurch der gesamte ländliche Raum ausgeschlossen wurde. Darüber h<strong>in</strong>aus<br />

werden die <strong>selbstverwalteten</strong> <strong>Kommunen</strong> als juristische Personen des öffentlichen<br />

Rechts mit e<strong>in</strong>er adm<strong>in</strong>istrativen, fiskalischen, vermögens- und organisationsbezogenen<br />

(Teil-) Autonomie aufgefasst. Der demokratisch legitimierte Bürgermeister und<br />

die <strong>von</strong> ihm nom<strong>in</strong>ierten Beigeordneten machen die Exekutive aus, während der<br />

Geme<strong>in</strong>derat das politische Vertretungsorgan der Bevölkerung darstellt. Allerd<strong>in</strong>gs<br />

unterliegt die Kommunalverwaltung der nachträglichen Rechts- und Fiskalaufsicht<br />

(tutela) durch MAE und MPF, die diese an die Prov<strong>in</strong>zregierungen delegieren können<br />

(vgl. WEIMER/FANDRYCH 1997: 126).<br />

1997: Die Verfassungsänderung <strong>von</strong> 1996 bed<strong>in</strong>gte e<strong>in</strong>e Anpassung des Gesetzes<br />

3/94. Stattdessen aber wurde e<strong>in</strong> neu ausgearbeitetes, so genanntes Selbstverwaltungspaket<br />

(pacote autárquico) vorgelegt, <strong>in</strong> dem die Rahmengesetzgebung zur Umsetzung<br />

der kommunalen Selbstverwaltung vorgegeben wurde (§§ 2/97, 3/97, 6/97,<br />

7/97, 10/97, 11/97; vgl. CONNERLEY/MARTIN/PICARD 1998: 2; FANDRYCH 2001:<br />

179). Zwar gehen die im Gesetzespaket für die <strong>Kommunen</strong> formulierten Kompetenzen<br />

über den bisher def<strong>in</strong>ierten Aufgabenbereich h<strong>in</strong>aus, doch bleibt der kommunale<br />

Handlungsspielraum h<strong>in</strong>ter den Vorgaben im Gesetz 3/94. So wurde den <strong>Kommunen</strong><br />

das bereits zugesicherte Recht auf Gründung <strong>von</strong> kommunalen Verbänden wieder<br />

entzogen. Auch wird die Zusammenarbeit mit traditionellen Autoritäten auf<br />

Konsultation beschränkt. Traditionelle Autoritäten verfügen somit weder über adm<strong>in</strong>istrative<br />

noch über konfliktregulierende Kompetenzen. Weiterh<strong>in</strong> legt die Zentralregierung<br />

den Status der Kommune und damit den Handlungsspielraum fest. <strong>E<strong>in</strong>e</strong>r<br />

Kommune ist es also nicht möglich, sich um den Status der Selbstverwaltung (autarquia)<br />

zu bewerben. Auch wird die <strong>in</strong>terkommunale Kooperation – beispielsweise <strong>in</strong><br />

Form <strong>von</strong> Geme<strong>in</strong>detagen – ausgeschlossen, zum<strong>in</strong>dest aber erschwert. <strong>E<strong>in</strong>e</strong> weitere<br />

E<strong>in</strong>schränkung besteht <strong>in</strong> der Regelung der kommunalen F<strong>in</strong>anzen. Zum e<strong>in</strong>en wurde<br />

als Haupte<strong>in</strong>nahmequelle der <strong>Kommunen</strong> das lokale Aufkommen an Steuern und<br />

Gebühren konzipiert, was angesichts der Schwäche der lokalen Wirtschaft sowie der<br />

ger<strong>in</strong>gen Bereitschaft zur Steuerzahlung e<strong>in</strong>e deutliche E<strong>in</strong>schränkung bedeutet (vgl.<br />

WEIMER/FANDRYCH 1997: 137; AWEPA 2001b: 15). Zum anderen unterliegen die<br />

Kommunalverwaltungen e<strong>in</strong>er nachträglichen Verwaltungs- und F<strong>in</strong>anzaufsicht<br />

durch die Zentralregierung (tutela adm<strong>in</strong>istrativa; vgl. FANDRYCH 2001: 181). In Anbetracht<br />

<strong>von</strong> fehlendem qualifizierten Verwaltungspersonal sowie e<strong>in</strong>er defizitären Ausstattung<br />

mit Ressourcen und Infrastrukturen s<strong>in</strong>d <strong>von</strong> Anfang an dem lokalen<br />

Verwaltungshandeln enorme Hürden gesetzt. Insgesamt können Form und Ausmaß<br />

85


Allgeme<strong>in</strong>e Rahmenbed<strong>in</strong>gungen und Konfliktpotentiale<br />

der kommunalen Selbstverwaltung als das politische Wunschresultat e<strong>in</strong>er Frelimo-<br />

Fraktion verstanden werden, welche „die Wahrung der nationalen E<strong>in</strong>heit sowie der<br />

Machterhaltung der Frelimo zur obersten Priorität erklärte“ (FANDRYCH 2001: 195).<br />

So wurde zwar das Ziel der Dekonzentration zur Steigerung der Effizienz der Verwaltung<br />

verfolgt, nicht jedoch die politische Devolution. Gleichzeitig war e<strong>in</strong> Scheitern<br />

des Dezentralisierungsprozesses aufgrund externer Konditionalitäten nicht<br />

möglich (vgl. ebd.: 195f).<br />

1998: MAE und MPF publizieren e<strong>in</strong>en unverb<strong>in</strong>dlichen Katalog zur Orientierung<br />

der Dezentralisierung im S<strong>in</strong>ne e<strong>in</strong>er Dekonzentration zugunsten der Distrikte. Mit<br />

dem Planungs- und Dezentralisierungsprogramm Programa de Planificação e Descentralização<br />

soll die Transparenz und Effizienz <strong>in</strong>nerhalb der F<strong>in</strong>anzplanung u.a. <strong>in</strong> Bezug<br />

auf den Haushalt, den Umgang mit Entwicklungshilfe und Schulden gesteigert werden<br />

(vgl. SOIRI 1999: 23).<br />

2000: Nach langen Debatten verabschiedet die Regierung das Dekret 15/2000, <strong>in</strong><br />

dem die formelle Anerkennung der traditionellen Autoritäten gesetzlich formuliert<br />

wird. H<strong>in</strong>tergründe und Auswirkungen des Dekrets 15/2000 werden <strong>in</strong> Abschnitt<br />

3.1.3 behandelt.<br />

Von Beg<strong>in</strong>n der Reformdebatte an sorgte die Zahl der <strong>selbstverwalteten</strong> <strong>Kommunen</strong><br />

für Diskussion. Als wichtige Kriterien für die Eignung zur Selbstverwaltung wurden<br />

Geme<strong>in</strong>degröße und Wirtschaftskraft herangezogen. Weitere Geme<strong>in</strong>den sollten je<br />

nach Eignung später h<strong>in</strong>zukommen, wobei das MAE Zeitpunkt und Ausmaß festlegt.<br />

Für e<strong>in</strong>e Erweiterung der Zahl setzen sich e<strong>in</strong>ige Städte e<strong>in</strong>, die sich durch e<strong>in</strong>e<br />

Selbstverwaltung bessere Entwicklungschancen erhoffen wie z.B. Chiure <strong>in</strong> Cabo<br />

Delgado (vgl. AWEPA 2001b: 80). Mehr selbstverwaltete <strong>Kommunen</strong> fordert auch die<br />

Renamo. Sie kritisierte, dass die Auswahl der <strong>Kommunen</strong> zur Sicherung der Vormachtstellung<br />

der Frelimo diente. In e<strong>in</strong>er Vermehrung der <strong>selbstverwalteten</strong> <strong>Kommunen</strong><br />

erkennt die Renamo e<strong>in</strong>e Möglichkeit, ihr politisches Gewicht auszubauen.<br />

Der Frelimo diente die Strategie des Gradualismus bislang als Argument gegen e<strong>in</strong>e<br />

Erweiterung der Selbstverwaltung. Die langsame, angepasste Übertragung sollte etwaige<br />

separatistische Tendenzen und Konflikte auf der Geme<strong>in</strong>deebene vermeiden.<br />

Darüber h<strong>in</strong>aus befürchtet die Verwaltung e<strong>in</strong>e Überforderung angesichts der extrem<br />

niedrigen Humankapazitäten sowie fehlender Verwaltungs- und F<strong>in</strong>anzressourcen.<br />

Beobachter sehen dar<strong>in</strong> zum e<strong>in</strong>en die Une<strong>in</strong>igkeit <strong>in</strong>nerhalb der Regierungspartei<br />

belegt und zum anderen die Möglichkeit zum politischen Taktieren für die Regie-<br />

86


Allgeme<strong>in</strong>e Rahmenbed<strong>in</strong>gungen und Konfliktpotentiale<br />

rung. Wenngleich 22 <strong>Kommunen</strong> auf ihre Eignung für e<strong>in</strong>e Selbstverwaltung untersucht<br />

wurden, bleib die Zahl der <strong>Kommunen</strong> bis zu den Kommunalwahlen am 19.<br />

November 2003 bei 33 (vgl. NOTÍCIAS vom 11.11.2002: 3).<br />

3.1.2 Kommunalordnung<br />

Im Gesetz 2/97, Art. 2 werden zwei Arten <strong>von</strong> <strong>selbstverwalteten</strong> Körperschaften<br />

unterschieden: zum e<strong>in</strong>en die municípios, zu denen die territorial def<strong>in</strong>ierten Städte<br />

(cidade) und Kle<strong>in</strong>städte (vila) zu zählen s<strong>in</strong>d, und zum anderen die ländlichen povoações<br />

(Verwaltungsposten). In den 23 Städten waren seit dem Jahr 1978 Exekutivräte<br />

(conselhos executivos) e<strong>in</strong>gerichtet. Dabei wurden das lokale Verwaltungspersonal sowie<br />

der Bürgermeister (presidente) <strong>von</strong> der Zentralregierung bestimmt. Obwohl die<br />

Exekutivräte für grundlegende Dienstleistungen verantwortlich waren, waren ihre<br />

Funktionen und Kompetenzen nicht klar def<strong>in</strong>iert. Insgesamt wurde die stark<br />

zentralistische Struktur für die durch sie geförderte Verantwortungslosigkeit,<br />

Ineffizienz und Korruption kritisiert (vgl. AWEPA 1997). Für die Kle<strong>in</strong>städte (vilas),<br />

die bis 1998 dem Distrikt zugeordnet waren, kommt erschwerend h<strong>in</strong>zu, dass sie<br />

zugleich Hauptsitz der Distriktverwaltung s<strong>in</strong>d. So galt es im Zuge der<br />

Kommunalreform, e<strong>in</strong>e eigene Verwaltung und Infrastruktur für die Kommune zu<br />

schaffen. E<strong>in</strong>ige Funktionäre und Angestellte des Distrikts wurden der<br />

Kommunalverwaltung unterstellt. Vor allem <strong>in</strong> der Anfangsphase der Selbstverwaltung<br />

wurden Konflikte aufgrund des Nebene<strong>in</strong>anders <strong>von</strong> Kommunal- und<br />

Distriktverwaltung erwartet, zumal im Rahmen der Gradualismus-Strategie e<strong>in</strong>ige<br />

Bereiche erst zu e<strong>in</strong>em der Regierung ‚angemessen’ ersche<strong>in</strong>enden Zeitpunkt vom<br />

Distrikt an die Kommune übertragen werden.<br />

Den <strong>Kommunen</strong> wird zur Befriedigung der Interessen und Bedürfnisse der Bürger<br />

Verwaltungsautonomie zugestanden, allerd<strong>in</strong>gs unter Gewahrung nationaler Interessen.<br />

So hat die Kommunalverwaltung Pläne zur Geme<strong>in</strong>deentwicklung und zur<br />

Strukturentwicklung der Zentralregierung zur Kontrolle vorzulegen. <strong>E<strong>in</strong>e</strong> weitere<br />

Beschränkung besteht dar<strong>in</strong>, dass die <strong>Kommunen</strong> ke<strong>in</strong>e eigene legislative Kompetenz<br />

besitzen.<br />

Die Geme<strong>in</strong>deverfassung räumt den <strong>Kommunen</strong> F<strong>in</strong>anz- und Vermögensautonomie<br />

e<strong>in</strong>, e<strong>in</strong>schließlich des Rechts, Steuern zu erheben. Demnach setzen sich die kommunalen<br />

F<strong>in</strong>anzmittel aus drei E<strong>in</strong>nahmequellen zusammen. Haupte<strong>in</strong>nahmequelle der<br />

87


Allgeme<strong>in</strong>e Rahmenbed<strong>in</strong>gungen und Konfliktpotentiale<br />

<strong>Kommunen</strong> sollen Steuere<strong>in</strong>nahmen und Lizenzgebühren se<strong>in</strong>. 47 H<strong>in</strong>zu kommen<br />

Entgelte und Gebühren aus Leistungen, die <strong>von</strong> der Kommune erbracht werden. 48<br />

Schließlich s<strong>in</strong>d im Gesetz 7/97 direkte F<strong>in</strong>anzzuweisungen <strong>von</strong> der Zentralregierung<br />

<strong>in</strong> Form e<strong>in</strong>es kommunalen Ausgleichsfonds festgeschrieben. Die Zentralregierung<br />

transferiert 1,5 bis 3 % aller Staatse<strong>in</strong>nahmen gleichermaßen an die <strong>Kommunen</strong><br />

wie an die Distriktverwaltungen mit dem Ziel e<strong>in</strong>es F<strong>in</strong>anzkraftausgleichs. Der Verteilungsschlüssel<br />

soll die Geme<strong>in</strong>defläche, E<strong>in</strong>wohnerzahl, Entwicklungsstand und<br />

den Erfolg bei der E<strong>in</strong>treibung lokaler Steuern berücksichtigen, ist aber bislang noch<br />

nicht ausgearbeitet worden, weshalb zurzeit die Zuteilung direkt proportional an die<br />

e<strong>in</strong>genommenen ‚Kopfsteuern’ 49 gekoppelt ist (vgl. FANDRYCH 2001: 181f; s. auch<br />

GUAMBE 1998).<br />

Die Kommune ist <strong>in</strong> Bezug auf Struktur und Bezeichnungen der nationalen Ebene<br />

angelehnt. Laut den Geme<strong>in</strong>deverfassungen ist die Bürgervertretung und das kommunale<br />

Entscheidungsorgan der <strong>von</strong> den Bürgern gewählte Geme<strong>in</strong>derat (assembleia<br />

municipal, wörtlich: ‚Geme<strong>in</strong>deparlament’), aus deren Mitte e<strong>in</strong> Ratsvorsitzender (presidente<br />

da assembleia municipal, wörtlich: ‚Präsident des Geme<strong>in</strong>deparlaments’) bestimmt<br />

wird. Dem gegenüber gestellt wird die Exekutive bzw. Verwaltungsspitze, die vom<br />

hauptamtlichen Bürgermeister (presidente do conselho municipal) und <strong>von</strong> Beigeordneten<br />

(vereadores) gebildet wird. Während die Stellung des Bürgermeisters der des Präsidenten<br />

der Republik nachempfunden wurde, entsprechen die Beigeordneten dem Kab<strong>in</strong>ett.<br />

In der deutschsprachigen Literatur werden die Amtsbezeichnungen<br />

une<strong>in</strong>heitlich gewählt. Beispielsweise werden die Beigeordneten (vereadores bzw. vereação)<br />

oftmals als ‚Geme<strong>in</strong>derat’ und die Verwaltung mit ‚Geme<strong>in</strong>deregierung’ übersetzt.<br />

Da e<strong>in</strong>erseits auf lokaler Ebene ke<strong>in</strong> parlamentarisches System vorliegt und<br />

andererseits e<strong>in</strong>e Irreführung bezüglich der jeweiligen, konstitutiv festgelegten Kompetenzen<br />

vermieden werden soll, werden <strong>in</strong> dieser Arbeit die folgenden deutschen<br />

Ämterbezeichnungen verwendet:<br />

47 Da während der Zeit der Exekutivräte weder Steuern angehoben noch die Strukturen zu<br />

deren E<strong>in</strong>treibung ausgebaut wurden, gehörte zu den ersten und unpopulärsten Aufgaben<br />

der Kommunalverwaltungen die Erhöhung und E<strong>in</strong>treibung <strong>von</strong> Steuern (vgl. AWEPA 1997).<br />

Dadurch wurden zusätzliche Anreize geschaffen, die E<strong>in</strong>kommen und Vergütungen des<br />

Rates und der Verwaltung an die Steuere<strong>in</strong>nahmen der Kommune zu koppeln (vgl. ebd.).<br />

48 Die Kommune kann laufende E<strong>in</strong>nahmen z.B. aus Geldstrafen, Erbschaften, Schenkungen<br />

erzielen. Auch kann die Kommune Kapitalerträge aus Dienstleistungen der Kommune, Eigentum,<br />

f<strong>in</strong>anziellen Beteiligungen, Krediten u.ä. e<strong>in</strong>nehmen.<br />

49 Gemäß § 11/97 muss die Kopfsteuer (imposto pessoal autárquico) <strong>von</strong> allen Bürger<strong>in</strong>nen und<br />

Bürgern im Alter zwischen 16 und 60 Jahren entrichtet werden. Ausgenommen s<strong>in</strong>d Hausfrauen,<br />

Bäuer<strong>in</strong>nen, Studenten, Kranke und Beh<strong>in</strong>derte.<br />

88


Allgeme<strong>in</strong>e Rahmenbed<strong>in</strong>gungen und Konfliktpotentiale<br />

presidente do conselho: Bürgermeister<br />

vereador: Beigeordneter<br />

conselho municipal: Verwaltungsvorstand oder Verwaltungsspitze<br />

assembleia municipal: Geme<strong>in</strong>derat<br />

presidente da assembleia municipal: Ratsvorsitzender<br />

Exekutive. Der Bürgermeister (presidente do conselho) ist als Chef der Verwaltung der<br />

Repräsentant und Rechtsvertreter der Kommune und leitet die kommunalpolitischen<br />

Tagesgeschäfte. Der Bürgermeister wird <strong>in</strong> allgeme<strong>in</strong>en, direkten, gleichen und geheimen<br />

Wahlen nach dem Mehrheitspr<strong>in</strong>zip auf e<strong>in</strong>e Amtszeit <strong>von</strong> fünf Jahren gewählt<br />

(§ 6/97 Art. 95, 100). Als Bürgermeisterkandidat gilt, wer <strong>von</strong> e<strong>in</strong>er Partei oder<br />

Wählergeme<strong>in</strong>schaft nom<strong>in</strong>iert und <strong>von</strong> m<strong>in</strong>destens 1 % der registrierten Wähler<br />

unterstützt wird (§ 6/97 Art. 97). <strong>E<strong>in</strong>e</strong> politisch unabhängige Kandidatur ist somit<br />

möglich. Der Kandidat muss e<strong>in</strong> Programm vorweisen und erklären, wie er dieses<br />

umzusetzen beabsichtigt. 50<br />

Der Bürgermeister bildet zusammen mit den Beigeordneten (vereadores) den Verwaltungsvorstand<br />

(conselho municipal) der Geme<strong>in</strong>de, wobei der Bürgermeister den Vorsitz<br />

führt. Neben der Leitung der Verwaltung nehmen die Beigeordneten im Allgeme<strong>in</strong>en<br />

drei Funktionen wahr: die Assistenz des Bürgermeisters gegenüber dem Geme<strong>in</strong>derat,<br />

die Entwicklung <strong>von</strong> Initiativen sowie die Aufsicht über dem Bürgermeister. Die<br />

Kontrollfunktion ist allerd<strong>in</strong>gs eher theoretisch zu verstehen, nicht zuletzt aufgrund<br />

der strukturellen Dependenz vom Bürgermeister. Diese äußert sich auf verschiedene<br />

Weise: Erstens werden die Beigeordneten vom Bürgermeister unter der Bed<strong>in</strong>gung<br />

bestimmt, dass die Hälfte der Beigeordneten aus dem Geme<strong>in</strong>derat stammen muss 51<br />

(§ 2/97 Art. 51), wobei sich die Gesamtzahl der Beigeordneten nach der E<strong>in</strong>wohnerzahl<br />

der Kommune richtet.<br />

50 In e<strong>in</strong>er repräsentativen Untersuchung zur Kommunalwahl 1998 hat SERRA (1999) die Wählerschaft<br />

nach dem Wunschprofil der Bürgermeisterkandidaten gefragt. Demnach werden<br />

Kandidaten mit starkem lokalem Bezug bevorzugt. Auch sollte der Kandidat Regierungserfahrung<br />

vorweisen können sowie wohlhabend bzw. reich und gebildet se<strong>in</strong>. Die Komb<strong>in</strong>ation<br />

‚reich und ehrlich’ wird im Vergleich zu ‚arm und ehrlich’ bevorzugt. Der Kandidat soll<br />

großzügig se<strong>in</strong>, d.h. er soll e<strong>in</strong>e Geberattitüde <strong>in</strong> Bezug auf Geld und Kleidung aufweisen,<br />

woh<strong>in</strong>gegen e<strong>in</strong> großzügiger Umgang mit Lebensmitteln als problematisch beschrieben wird.<br />

51 Hier<strong>in</strong> weicht die Struktur, die sich ansonsten an der nationalen Ebene orientiert, <strong>von</strong> dieser<br />

ab. M<strong>in</strong>ister dürfen nicht gleichzeitig Mitglieder des Parlaments (Assembleia da Republica) se<strong>in</strong>.<br />

89


Allgeme<strong>in</strong>e Rahmenbed<strong>in</strong>gungen und Konfliktpotentiale<br />

E<strong>in</strong>wohnerzahl Größe der Verwaltungsspitze<br />

(Bürgermeister + Beigeordnete)<br />

Weniger als 50.000 5<br />

50.000 bis 100.000 7<br />

100.000 bis 200.000 9<br />

Mehr als 200.000 11<br />

Tabelle 3: Größe der Verwaltungsspitze <strong>in</strong> Abhängigkeit der E<strong>in</strong>wohnerzahl der Kommune<br />

Zweitens s<strong>in</strong>d die Beigeordneten im Falle e<strong>in</strong>er Entlassung des Bürgermeisters bzw.<br />

mit der E<strong>in</strong>setzung e<strong>in</strong>es neuen Bürgermeisters ihrer Funktionen entbunden (§ 2/97<br />

Art. 51). Drittens ist der Bürgermeister zuständig für die E<strong>in</strong>teilung der Geschäftsbereiche<br />

der Geme<strong>in</strong>de sowie für ihre Zuordnung unter den Beigeordneten und Verwaltungse<strong>in</strong>heiten<br />

(§ 2/97 Art. 63). Die Geschäftsbereiche s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> der Regel lokale<br />

Wirtschafts- und Sozialentwicklung, Umwelt und ‚Lebensqualität‘, kommunale<br />

Dienstleistungen, Gesundheit und Erziehung, Kultur und Freizeit, Geme<strong>in</strong>depolizei<br />

sowie Stadtplanung. Die Beigeordneten bleiben auch im Bezug auf die ihnen unterstellten<br />

Fachbereiche dem Bürgermeister untergeordnet (§ 2/97 Art. 51). Im E<strong>in</strong>zelnen<br />

besteht der Aufgabenkatalog der Beigeordneten aus dem Entwurf und der<br />

Vorlage <strong>von</strong> Plänen, der Aufstellung <strong>von</strong> Haushaltsplänen und dem Bericht gegenüber<br />

dem Geme<strong>in</strong>derat. Der Verwaltungsvorstand stellt Lizenzen aus, unterzeichnet<br />

Verträge im Namen der Kommune und kontrolliert die Ausgaben. Der Verwaltungsvorstand<br />

tagt wöchentlich. Die Beigeordneten können <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Voll- oder Teilzeitarbeitsverhältnis<br />

beschäftigt se<strong>in</strong>, was zu entscheiden dem Bürgermeister obliegt<br />

(§ 2/97 Art. 82).<br />

Der Geme<strong>in</strong>derat (assembleia municipal) ist das repräsentative Organ mit Entscheidungsgewalt,<br />

das der Exekutive übergeordnet ist (§ 2/97 Art. 34). Der Geme<strong>in</strong>derat<br />

bestellt aus se<strong>in</strong>er Mitte e<strong>in</strong>en Ratsvorsitzenden (presidente da assembleia municipal). Dieser<br />

vertritt den Bürgermeister <strong>in</strong> dessen Abwesenheit. Formell soll zwischen Rat und<br />

Verwaltungsvorstand das Pr<strong>in</strong>zip der Machtteilung und Machtkontrolle herrschen,<br />

das sich <strong>in</strong> der Gegenüberstellung <strong>von</strong> Bürgermeister und Ratsvorsitzenden äußert. 52<br />

Die Ratsmitglieder s<strong>in</strong>d allgeme<strong>in</strong>, direkt, gleich und geheim nach Verhältniswahlrecht<br />

<strong>von</strong> den Bürgern der Geme<strong>in</strong>de auf fünf Jahre gewählt. Die Kandidaten werden<br />

<strong>von</strong> Parteien oder Wählergeme<strong>in</strong>schaften vorgeschlagen, zu denen sich mehr als<br />

1 % der <strong>in</strong>sgesamt <strong>in</strong> der Kommune registrierten Wähler zusammengeschlossen ha-<br />

52 MAZULA (1998: 65) erkennt dar<strong>in</strong> e<strong>in</strong> auf Kooperation, Konsens und Transparenz angelegtes<br />

<strong>in</strong>stitutionelles Verhältnis. Jedoch führen Machtteilung und –kontrolle strukturell zu Konflikt.<br />

90


Allgeme<strong>in</strong>e Rahmenbed<strong>in</strong>gungen und Konfliktpotentiale<br />

ben müssen (§ 6/97 Art. 110). Die Größenordnung des Geme<strong>in</strong>derats <strong>in</strong> den ländlichen<br />

povoações bzw. <strong>in</strong> den städtischen municípios richtet sich nach der Anzahl <strong>in</strong> der<br />

Kommune registrierter Wähler (§ 2/97):<br />

Anzahl registrier- Größe des Geme<strong>in</strong>de- Anzahl registrierter Größe des Geme<strong>in</strong>deter<br />

Wähler rats <strong>in</strong> povoações Wähler<br />

rats <strong>in</strong> municípios<br />

≤ 3.000 11 n ≤ 20000 13<br />

3.000 < n ≤ 6.000 15 20.000 < n ≤ 30.000 17<br />

6.000 < n ≤ 12.000 19 30.000 < n ≤ 40.000 21<br />

12.000 < n 19 + 1/2000 Wähler 40.000 < n ≤ 60.000 31<br />

60.000 < n ≤ 100.000 39<br />

100.000 < n 39 + 1/2000 Wähler<br />

Tabelle 4: Größe der Geme<strong>in</strong>deräte <strong>in</strong> Abhängigkeit der Anzahl registrierter Wähler <strong>in</strong> ländlichen<br />

Siedlungen (povoações) und <strong>Kommunen</strong> (municípios)<br />

Die zentralen Kompetenzen des Geme<strong>in</strong>derats s<strong>in</strong>d gemäß § 2/97 Art. 77:<br />

� das E<strong>in</strong>br<strong>in</strong>gen <strong>von</strong> Vorschlägen und Anregungen zu grundlegenden Fragen der<br />

ökonomischen, sozialen und kulturellen Entwicklung sowie die Entscheidung<br />

über diese,<br />

� die Aufsicht und Kontrolle der kommunalen Exekutivorgane,<br />

� die Verabschiedung <strong>von</strong> Satzungen und Ordnungen,<br />

� die Verabschiedung des kommunalen Entwicklungsplans und des Haushaltsplans,<br />

� die E<strong>in</strong>richtung der Geme<strong>in</strong>depolizei und Feuerwehr sowie<br />

� die Festlegung der Tarife und Gebühren für kommunale Dienstleistungen (u.a.<br />

Wasserversorgung, Märkte, Gärten, Transportmittel, Straßen, Friedhöfe).<br />

Der Rat kann sich zur Klärung spezifischer Sachfragen zu Ausschüssen zusammensetzen<br />

und hierzu den Sachverstand der entsprechenden Beigeordneten konsultieren<br />

(vgl. AWEPA 2001b: 12). Der Rat überwacht die Durchführung se<strong>in</strong>er Beschlüsse und<br />

der Beschlüsse der Ausschüsse sowie den Ablauf der Verwaltungsangelegenheiten.<br />

Der Geme<strong>in</strong>derat f<strong>in</strong>det sich fünf Mal im Jahr zu ordentlichen Sitzungen zusammen,<br />

kann jedoch nach Bedarf weitere außerordentliche Sitzungen e<strong>in</strong>berufen. Die Sitzungen<br />

des Rates s<strong>in</strong>d öffentlich. Der Bürgermeister bzw. se<strong>in</strong> stellvertretender Beigeordneter<br />

nehmen an diesen teil, haben jedoch ke<strong>in</strong> Stimmrecht (§ 2/97 Art. 68).<br />

Während der Bürgermeister und die Beigeordneten hauptamtlich für die Geme<strong>in</strong>de<br />

tätig s<strong>in</strong>d und dafür nach dem vom Staat festgelegten Tarif vergütet werden, ist e<strong>in</strong><br />

Ratsmandat nach dem Verständnis der Geme<strong>in</strong>deordnungen e<strong>in</strong> Ehrenamt, für das<br />

die Ratsmitglieder Aufwandsentschädigungen (senhas de presença) erhalten, deren Höhe<br />

91


Allgeme<strong>in</strong>e Rahmenbed<strong>in</strong>gungen und Konfliktpotentiale<br />

sich nach der Anzahl der Sitzungen bemisst. Die Vergütungen und Aufwandsentschädigungen<br />

werden nach e<strong>in</strong>em festen Schlüssel verteilt und dürfen <strong>in</strong>sgesamt<br />

nicht mehr als 30 % der Steuere<strong>in</strong>nahmen der Kommune ausmachen. Die Verteilung<br />

des E<strong>in</strong>kommens <strong>in</strong> der Kommunalverwaltung basiert auf dem Gehalt des Bürgermeisters:<br />

Bürgermeister 100 %<br />

Beigeordneter 50 %<br />

Ratsvorsitzender 10 %<br />

Vizevorsitzende des Geme<strong>in</strong>derats 7,5 %<br />

Sekretär des Geme<strong>in</strong>derats 5 %<br />

Ratsmitglieder 3 %<br />

Darüber h<strong>in</strong>aus verfügt der Bürgermeister über e<strong>in</strong>en eigenen Etat für repräsentative<br />

Aufgaben, die weder dem Geme<strong>in</strong>derat noch dem Ratsvorsitzenden zustehen.<br />

<strong>E<strong>in</strong>e</strong> Besonderheit <strong>in</strong> der kommunalen Verwaltungsstruktur ist die Möglichkeit zur<br />

E<strong>in</strong>richtung e<strong>in</strong>er Geme<strong>in</strong>depolizei (polícia municipal), die bis auf zwei Ausnahmen –<br />

darunter Pemba – alle <strong>Kommunen</strong> wahrgenommen haben. Der Wirkungskreis der<br />

Geme<strong>in</strong>depolizei umfasst sicherheitsrelevante Aufgaben wie auch fiskalische und<br />

Aufsichtsaufgaben. Typische Aufgabenfelder s<strong>in</strong>d beispielsweise die E<strong>in</strong>treibung <strong>von</strong><br />

Steuern, die Erteilung und Kontrolle <strong>von</strong> Genehmigungen und Lizenzen sowie die<br />

Aufsicht über die E<strong>in</strong>haltung der Geme<strong>in</strong>deordnung. Zwar verfügen Geme<strong>in</strong>depolizisten<br />

über mehr Befugnisse als e<strong>in</strong> Steuere<strong>in</strong>treiber, doch ihre polizeilichen Kompetenzen<br />

bleiben weit h<strong>in</strong>ter denen der staatlichen Polizei zurück. Für die Besetzung<br />

der Geme<strong>in</strong>depolizeiposten werden häufig ehemalige Kombattanten gewählt.<br />

Neben der formellen Verwaltungsstruktur bestehen <strong>in</strong>nerhalb der <strong>Kommunen</strong> weitere<br />

<strong>in</strong>formelle Strukturen. Zum e<strong>in</strong>en werden die <strong>Kommunen</strong> räumlich <strong>in</strong> zunehmend<br />

kle<strong>in</strong>eren E<strong>in</strong>heiten untergliedert, nämlich Viertel (bairros), Blöcke (quarteirões), E<strong>in</strong>heiten<br />

<strong>von</strong> zehn Häusern (dez casas) und Zellen (células). Diesen E<strong>in</strong>heiten steht jeweils<br />

e<strong>in</strong>e lokale Autorität vor, deren Legitimationsgrundlage <strong>von</strong> Fall zu Fall<br />

unterschiedlich se<strong>in</strong> kann. Zum Teil vermengen sich hier traditionelle Autoritätsstrukturen<br />

mit parteipolitischen Funktionärsstrukturen. Beispielsweise f<strong>in</strong>den sich <strong>in</strong><br />

vielen <strong>Kommunen</strong> so genannte ‚Viertelvorsitzende’ (presidentes dos bairros) und ‚Viertelsekretäre’<br />

(secretários dos bairros), die sich um die sozialen Angelegenheiten <strong>in</strong>nerhalb<br />

ihrer Viertel kümmern. Dabei vertreten die secretários dos bairros – zum<strong>in</strong>dest <strong>in</strong> ihrer<br />

ursprünglichen Funktion – die Interessen der Frelimo-Partei, während den presidentes<br />

dos bairros eher e<strong>in</strong>e parteipolitische Unabhängigkeit nachgesagt wird, was wiederum<br />

92


Allgeme<strong>in</strong>e Rahmenbed<strong>in</strong>gungen und Konfliktpotentiale<br />

<strong>in</strong> der Regel e<strong>in</strong>e höhere Legitimation der presidentes bedeuten würde. Jedoch lässt<br />

sich e<strong>in</strong>e klare Abgrenzung zwischen den secretários und den presidentes weder <strong>in</strong> der<br />

Literatur f<strong>in</strong>den, noch haben die Betroffenen selbst e<strong>in</strong>e solche <strong>in</strong> der empirischen<br />

Untersuchung vermitteln können. Besonders <strong>in</strong> ländlichen Bereichen hat die Frelimo<br />

Parteifunktionäre importiert, die ke<strong>in</strong>en Bezug zur Geme<strong>in</strong>de aufwiesen. Sie durchquerte<br />

damit die traditionellen Hierarchien und ignorierte Autoritätspr<strong>in</strong>zipien wie<br />

z.B. das <strong>in</strong> der mosambikanischen Gesellschaft geschätzte Senioritätspr<strong>in</strong>zip (vgl.<br />

FANDRYCH 2001: 135). Die Frelimo etablierte mit ihren Funktionären sowie mit Hilfe<br />

der während des Sozialismus e<strong>in</strong>gerichteten Mobilisierungsgruppen (grupos d<strong>in</strong>amizadores)<br />

und ‚Massenorganisationen’ (organizações de massas) e<strong>in</strong>e parallele<br />

Machthierarchie auf lokaler Ebene, und zwar sowohl zur <strong>in</strong>formellen lokalen als auch<br />

zur formellen staatlichen und kommunalen Autoritätsstruktur. Die derzeitig geführte<br />

Debatte um die Def<strong>in</strong>ition <strong>von</strong> Autoritäten (autoridades) bzw. ‚Geme<strong>in</strong>schaftsvorstehern’<br />

(líderes comunitários) und ihren zivilgesellschaftlichen Stellenwert geht u.a. auf<br />

diese Verflechtung zurück.<br />

Bevor näher auf die Problematik um die traditionellen Autoritäten e<strong>in</strong>gegangen wird,<br />

gebührt besondere Erwähnung den <strong>in</strong>formellen ‚Volksgerichten’ (tribunal comunitário).<br />

E<strong>in</strong> Volksgericht besteht aus e<strong>in</strong>er lokal festgelegten Anzahl <strong>von</strong> Bürger<strong>in</strong>nen und<br />

Bürgern. In Pemba beispielsweise s<strong>in</strong>d es <strong>in</strong>sgesamt acht Bewohner e<strong>in</strong>es Viertels.<br />

Dem Gericht stehen e<strong>in</strong> Präsident und e<strong>in</strong> Vizepräsident (zumeist der presidente do<br />

bairro) vor. Die Volksgerichte s<strong>in</strong>d auf der Ebene <strong>von</strong> Vierteln organisiert und tagen<br />

regelmäßig. Behandelt werden soziale Probleme wie Ehebruch, Scheidungen, Vergewaltigungen,<br />

Delikte wie Körperverletzung jedoch übersteigen die Kompetenzen des<br />

Volksgerichtes und werden an die Polizei PRM gerichtet. Während zum Teil die<br />

formellen Gerichte als untätig und <strong>in</strong>kompetent kritisiert werden, genießen Volksgerichte<br />

hohes soziales Ansehen <strong>in</strong> der Bevölkerung.<br />

3.1.3 Traditionelle Autoritäten<br />

Die Diskussion um traditionelle Autorität <strong>in</strong> Mosambik bewegt sich zwischen romantischer<br />

Verklärung und dem Leugnen ihrer Existenz (vgl. SILIYA 1996: 63ff;<br />

WEIMER 1999: 1). WEST (1998: 142) zufolge s<strong>in</strong>d die verwandtschaftsbasierten politischen<br />

Institutionen zwar nie gänzlich verschwunden, doch s<strong>in</strong>d die heutigen traditionellen<br />

Autoritätsstrukturen e<strong>in</strong> Produkt mehrfacher Prozesse der „Wiedererf<strong>in</strong>dung“.<br />

CANAS (1998b: 103) bezweifelt beispielsweise die Existenz e<strong>in</strong>er e<strong>in</strong>heitlichen traditionellen<br />

Autoritätsstruktur, da e<strong>in</strong>e solche nicht zuletzt aufgrund der starken regiona-<br />

93


Allgeme<strong>in</strong>e Rahmenbed<strong>in</strong>gungen und Konfliktpotentiale<br />

len Unterschiede schwierig abzugrenzen ist. So gilt der E<strong>in</strong>fluss <strong>von</strong> traditionellen<br />

Autoritäten im Norden und Zentrum Mosambiks größer als im erheblich stärker<br />

<strong>in</strong>dustrialisierten Süden (vgl. FANDRYCH 2001: 145 Fußnote 108). NHANCALE (1996:<br />

6f) weist h<strong>in</strong>gegen auf die faktische Relevanz der traditionellen Autorität <strong>in</strong> ganz Mosambik<br />

h<strong>in</strong>.<br />

Geschürt wird die Kontroverse durch politische Interessen und durch Verständigungsprobleme<br />

darüber, was als traditionelle Autorität zu verstehen ist. Letztere s<strong>in</strong>d<br />

vorrangig auf historische Ursachen zurückzuführen. Am stärksten umstritten war<br />

und bleibt die Bedeutung der régulos 53 . Die régulos wurden als B<strong>in</strong>deglied zur Bevölkerung<br />

Ende des 19. Jahrhunderts <strong>von</strong> der damaligen Kolonialmacht Portugal e<strong>in</strong>geführt,<br />

um das Verwaltungs- und Machtdefizit auf der lokalen Ebene zu beheben (vgl.<br />

CUAHELA 1996: 31; WEST 1998: 157ff; SOIRI 1999: 41). Die Portugiesen bestimmten<br />

<strong>in</strong>nerhalb der Geme<strong>in</strong>schaften Individuen und statteten diese mit Machtsymbolen,<br />

Geld und e<strong>in</strong>em kle<strong>in</strong>en Polizeiapparat aus. Im Gegenzug sollten die régulos die Interessen<br />

der Kolonialverwaltung bei der Bevölkerung durchsetzen und kle<strong>in</strong>ere Dienste<br />

erfüllen (vgl. ARTUR 1999b: 124f).<br />

Entscheidend <strong>in</strong> diesem Zusammenhang ist, dass die Portugiesen die Personen zu<br />

régulos ernannten, die ihnen am gefügigsten erschienen. Teilweise griffen sie dabei auf<br />

die traditionellen Chefs (chefes tradicionais) zurück, die kraft Abstammung e<strong>in</strong>e hohe<br />

Legitimation <strong>in</strong> der lokalen Bevölkerung genossen. In vielen Fällen wurde die Auswahl<br />

willkürlich getroffen (und auch widerrufen), wodurch die lokale Machtstruktur<br />

destabilisiert wurde. Der Stellenwert der jeweiligen Autorität, d.h. ihre Machtposition,<br />

Unterstützung durch die Bevölkerung sowie ihr Rollenverständnis, ergab sich aus<br />

dem Beziehungsgeflecht Bevölkerung – chefe tradicional – régulo – Kolonialverwaltung.<br />

Für die traditionellen Chefs, die lokalen Geme<strong>in</strong>schaften und auch für die régulos<br />

selbst kam es dabei nicht selten zu Rollenkonflikten oder Dilemmasituationen, <strong>in</strong>sbesondere<br />

wenn der traditionelle Chef zugleich zum régulo bestimmt wurde. Die <strong>von</strong><br />

der Kolonialverwaltung unterstützten régulos waren zwar nicht legitimiert, verfügten<br />

oftmals aber über mehr E<strong>in</strong>flussmöglichkeiten als die legitimierten traditionellen<br />

Chefs. Wurde e<strong>in</strong> traditioneller Chef zum régulo erklärt, konnte er se<strong>in</strong>e Legitimation<br />

verlieren, weil er die Kolonial<strong>in</strong>teressen gegen die Bevölkerung durchzusetzen hatte.<br />

53 Die wörtlich als ‚kle<strong>in</strong>er König’ zu übersetzende Bezeichnung régulo ist abwertend geme<strong>in</strong>t.<br />

Die Kolonialverwaltung unterstrich so, dass die ‚wahren’ Könige <strong>in</strong> Portugal waren (vgl. CU-<br />

AHELA 1996: 30).<br />

94


Allgeme<strong>in</strong>e Rahmenbed<strong>in</strong>gungen und Konfliktpotentiale<br />

Manchenorts konnten die Geme<strong>in</strong>schaften die Zwangslage durch Arrangements zwischen<br />

régulo und chefe tradicional lösen und so die Kolonialverwaltung täuschen (vgl.<br />

CUAHELA 1996: 32). Häufig jedoch wurde e<strong>in</strong>e parallele Autoritätsstruktur etabliert.<br />

Nach der politischen Unabhängigkeit erklärte das sozialistische Frelimo-Regime das<br />

‚Traditionelle’ als rückständig und als Entwicklungsh<strong>in</strong>dernis. Es stand dem neuen<br />

aufgeklärten und emanzipierten Menschenbild diametral entgegen. Für die anvisierte<br />

radikale Umwälzung der sozialen und politischen Ordnung wurden die chefes tradicionais<br />

delegitimiert und die régulos der Kollaboration mit der Kolonialmacht bezichtigt 54<br />

und verfolgt (vgl. SILIYA 1996: 255ff; KLOECK-JENSON 2000: 3f). Allerd<strong>in</strong>gs scheiterte<br />

die Frelimo bei ihrem Versuch, die traditionellen Ordnungsvorstellungen und die<br />

sie vertretenden Autoritäten durch staatliche und parteiliche Strukturen zu ersetzen.<br />

Stattdessen kam es zu parallelen sozialen und politischen Ordnungen, die sich zum<br />

Teil ergänzten aber häufiger noch widersprachen und so für Konflikte sorgten. E<strong>in</strong><br />

Beispiel hierfür s<strong>in</strong>d konkurrierende Gerichtsbarkeiten (vgl. FANDRYCH 1995: 81f).<br />

Nicht zuletzt <strong>in</strong>folge des Vertrauensverlusts während des Krieges und dem Scheitern<br />

der staatlichen Armutspolitik musste die Frelimo anerkennen, dass die traditionellen<br />

Autoritäten v.a. im ländlichen Raum gegenüber den Staatsfunktionären e<strong>in</strong>e deutlich<br />

höhere Legitimität genossen und weiterh<strong>in</strong> genießen (vgl. WEIMER/FANDRYCH 1997:<br />

123; SOIRI 1999: 40f). Die Erfahrung <strong>von</strong> Krisen wie Krankheiten und Dürre, auf<br />

welche die formelle Politik ke<strong>in</strong>e Antwort fand, sollte die Frelimo-Regierung zur<br />

Aufgabe ihrer negativen und ausschließenden Haltung gegenüber den traditionellen<br />

Autoritäten – zum<strong>in</strong>dest im öffentlichen politischen Diskurs – verleiten (vgl. ALE-<br />

XANDER 1997: 5).<br />

Nach der Unterzeichnung des Friedensvertrages <strong>von</strong> Rom hoffte man auf e<strong>in</strong>e Neudef<strong>in</strong>ition<br />

des Verhältnisses zwischen Staat und lokalen traditionellen Autoritäten,<br />

deren hoher Stellenwert zur Lösung lokaler Problemlagen ‚entdeckt’ wurde (vgl.<br />

ALEXANDER 1997: 11). Insbesondere im Rahmen der Debatte um Zivilgesellschaft<br />

und kommunale Selbstverwaltung wurde ihre Rolle aufgewertet (vgl. WEIMER 1995:<br />

29). Während im Gesetz 3/94 den traditionellen Autoritäten vergleichsweise viele<br />

E<strong>in</strong>flussmöglichkeiten <strong>in</strong> die formelle Kommunalpolitik e<strong>in</strong>geräumt wurden, sah die<br />

Rechtsfassung <strong>in</strong> Gesetz 2/97 Art. 28 e<strong>in</strong>e eher schwache E<strong>in</strong>b<strong>in</strong>dung <strong>in</strong> Form <strong>von</strong><br />

Konsultation und Auftragsvollzug vor. Zwar signalisierte die formelle Politik Re<strong>in</strong>-<br />

54 FANDRYCH (2001: 145) zufolge ist der Kollaborationsvorwurf gegenüber den traditionellen<br />

Autoritäten jedoch umstritten.<br />

95


Allgeme<strong>in</strong>e Rahmenbed<strong>in</strong>gungen und Konfliktpotentiale<br />

tegrationsabsichten, doch blieben diese auf unverfängliche Bereiche wie den Umweltund<br />

Tierschutz beschränkt. Begrüßt wurde die Mitarbeit der traditionellen Autoritäten<br />

bei der Bearbeitung <strong>von</strong> <strong>Konflikten</strong> <strong>in</strong> lokalen Geme<strong>in</strong>schaften oder bei der Aufsicht<br />

über geme<strong>in</strong>schaftlichen Landbesitz.<br />

Als bisheriger Höhepunkt dieser Integrationspolitik gilt der Erlass 15/2000 vom<br />

25.6.2000, <strong>in</strong> dem die symbolische Anerkennung und die strukturelle E<strong>in</strong>b<strong>in</strong>dung der<br />

traditionellen Autoritäten gesetzlich verankert werden. Allerd<strong>in</strong>gs zeigt sich hier, dass<br />

die durch die koloniale Praxis geschaffene und durch die sozialistische Strategie verstärkte<br />

Verwirrung um Def<strong>in</strong>itionen <strong>von</strong> Autorität, Legitimation und E<strong>in</strong>fluss nicht<br />

aufgelöst wird. Nach dem Erlass 15/2000 sollte als geme<strong>in</strong>schaftliche Autorität (autoridade<br />

comunitária) diejenige Person staatlich anerkannt werden, welche <strong>von</strong> der lokalen<br />

Geme<strong>in</strong>schaft bzw. Geme<strong>in</strong>de zu e<strong>in</strong>er solchen legitimiert ist (vgl. MOZAMBIQUEFILE<br />

9/2000: 8). Mit ‚geme<strong>in</strong>schaftlich’ wird e<strong>in</strong>e neue Bezeichnung e<strong>in</strong>geführt, mit dessen<br />

Hilfe man den schwer zu def<strong>in</strong>ierenden Begriff des ‚traditionellen’ zu vermeiden<br />

suchte. Weil <strong>von</strong> staatlicher Seite auch ke<strong>in</strong>e spezifischen Legitimierungsverfahren<br />

vorgegeben werden, sondern die Geme<strong>in</strong>schaft eigene (Verfahrens-) Regeln bestimmen<br />

soll, können die lokalen Agenten des Staates ebenso wie die bislang als solche<br />

bezeichneten traditionellen Autoritäten zu autoridades comunitárias erklärt werden. <strong>E<strong>in</strong>e</strong>rseits<br />

trägt diese Regelung der schwierigen empirischen Situation Rechnung. Beispielsweise<br />

verwenden die <strong>in</strong> Manica befragten régulos auch traditionelle Titel wie<br />

mambo und s<strong>in</strong>d durch Abstammung legitimiert (vgl. RV/M; RC/M). Andererseits<br />

trägt der Erlass nicht zu der notwendigen Klärung der sozialen und machtpolitischen<br />

Verhältnisse bei.<br />

Der Erlass führte zu Kritik und Widerstand. So kritisierte die Renamo, dass nur Frelimo-freundliche<br />

Autoritäten staatlich anerkannt werden, um e<strong>in</strong>e zu starke lokale<br />

Macht zu verh<strong>in</strong>dern. Seitens der Frelimo wird Widerstand vorrangig <strong>von</strong> Frelimo-<br />

Bürokraten erwartet, die bislang Vorteile aus Korruption und Amtsmissbrauch ziehen<br />

konnten (vgl. MOZAMBIQUEFILE 9/2000: 9).<br />

Für die Bevölkerung erfüllen traditionelle Autoritäten auch heute noch <strong>in</strong> erster L<strong>in</strong>ie<br />

soziale und spirituelle Funktionen wie die Durchführung traditioneller Zeremonien,<br />

die organisatorische und symbolische Aufrechterhaltung der sozialen Ordnung sowie<br />

die Konsultation <strong>in</strong> sozialen Angelegenheiten und Konfliktbearbeitung. Vor dem<br />

H<strong>in</strong>tergrund, dass e<strong>in</strong>e Ursache für die verstärkte E<strong>in</strong>b<strong>in</strong>dung der traditionellen Autoritäten<br />

die Probleme des Staates bei der Steuere<strong>in</strong>treibung sowie bei der Durchset-<br />

96


Allgeme<strong>in</strong>e Rahmenbed<strong>in</strong>gungen und Konfliktpotentiale<br />

zung <strong>von</strong> Gesetzen auf lokaler Ebene s<strong>in</strong>d, verwundert es nicht, dass e<strong>in</strong>e Hauptaufgabe<br />

der traditionellen Autoritäten die Erhebung der Kapitalsteuer ist. Die Distriktverwaltung<br />

wie die Kommunalverwaltung betrauen die traditionellen Autoritäten<br />

vorrangig mit Informations-, Fiskal- und Aufsichtsfunktionen (vgl. ALEXANDER<br />

1995: 45ff; MOZAMBIQUEFILE 9/2000: 8; ROQUE/TENGLER 2001: 26). So bestehen<br />

weitere Aufgaben etwa <strong>in</strong> der Vermittlung staatlicher Gesetze; der Bestellung der<br />

öffentlichen Sicherheit durch die Informierung des Staates (der PRM) <strong>in</strong> sicherheitsrelevanten<br />

Fällen der Krim<strong>in</strong>alität, Waffen, M<strong>in</strong>en; der Mobilisierung <strong>von</strong> Arbeitskraft<br />

für öffentliche Arbeiten; der Erziehung und Beschulung sowie der nachhaltigen<br />

Ressourcennutzung. Anreize werden zum e<strong>in</strong>en durch e<strong>in</strong>e Beteiligung an den kommunalen<br />

Steuere<strong>in</strong>nahmen und zum anderen durch die Ausstattung mit Machtsymbolen<br />

wie Uniformen, Orden und Fahnen geschaffen. Eben dies er<strong>in</strong>nert an die<br />

Stellung der traditionellen Autoritäten während des Kolonialismus. Interessanterweise<br />

beziehen sich die Autoritäten noch heute <strong>in</strong> ihrem Selbstverständnis und Wahrnehmungsmuster<br />

auf die Kriegsjahre und die späte Kolonialzeit (vgl. ALEXANDER<br />

1997:11).<br />

Insgesamt mangelt es noch an Erfahrungswerten für e<strong>in</strong>e zuverlässige Bewertung des<br />

Erlasses, <strong>in</strong>sbesondere für die Zustimmung <strong>in</strong> den Renamo dom<strong>in</strong>ierten Gebieten<br />

(vgl. MOZAMBIQUEFILE 9/2000: 9). 55 KLOECK-JENSON (2000) zufolge hat die mosambikanische<br />

Regierung zwar den zentralen Stellenwert der lokalen traditionellen<br />

Autoritäten erkannt, jedoch vermag sie dies nicht <strong>in</strong> die Praxis umzusetzen. Vor allem<br />

zwei Aspekte bedürfen e<strong>in</strong>er Klärung: Erstens muss def<strong>in</strong>iert werden, wer und<br />

mit welchen Kompetenzen als líder comunitário, autoridade comunitária, chefe tradicional<br />

und régulo gelten soll. 56 Die Ungenauigkeit <strong>in</strong> der oftmals synonym verwendeten Bezeichnung<br />

bietet viel parteipolitischen Konfliktstoff um die Legitimation der jeweiligen<br />

Autorität. Zweitens s<strong>in</strong>d die Form und das Ausmaß der E<strong>in</strong>b<strong>in</strong>dung der líderes<br />

comunitários <strong>in</strong> die lokale Politik klarzulegen. In vielen Fällen weiß die Kommunalverwaltung<br />

nicht, wer als líder comunitário <strong>in</strong> der Bevölkerung gilt. Umgekehrt zeigen traditionelle<br />

Autoritäten e<strong>in</strong> überkommenes Rollenverständnis, wodurch e<strong>in</strong>e<br />

Integration erschwert wird. Untersuchungen <strong>in</strong> der Prov<strong>in</strong>z <strong>von</strong> Manica zeigen <strong>in</strong><br />

55 Zurzeit forschen die Anthropologen Lars Buur und Helene Kyed <strong>von</strong> der Universität Aarhus/Dänemark<br />

über die Folgewirkungen des Erlasses 15/2000 im Sussudenga-Distrikt/Manica.<br />

56 Zur Klärung dieser synonym verwendeten Bezeichnung für traditionelle Autorität hat das<br />

MAE eigens e<strong>in</strong>e Studie <strong>in</strong> Auftrag gegeben (vgl. MAE 1998a), die aber für ihre Vore<strong>in</strong>genommenheit<br />

kritisiert wurde (vgl. WEST 1998: 143).<br />

97


Allgeme<strong>in</strong>e Rahmenbed<strong>in</strong>gungen und Konfliktpotentiale<br />

historischer Perspektive sowie <strong>in</strong> der <strong>Analyse</strong> der aktuellen Tendenzen, dass die<br />

Übertragung <strong>von</strong> Verwaltungsaufgaben an traditionelle Autoritäten aufgrund fehlender<br />

Qualifikationen nicht ohne weiteres möglich ist (vgl. ALEXANDER 1997: 21). Das<br />

politische Gewicht der traditionellen Autoritäten ist schwer e<strong>in</strong>zuschätzen, da sich<br />

ihre Rolle und Funktion im Verlauf des sozialen und politischen Wandels stark verändert<br />

hat und viele marg<strong>in</strong>alisiert und verarmt s<strong>in</strong>d (vgl. SOIRI 1999: 41f). Ihnen<br />

wird eher e<strong>in</strong> Obstruktions- denn Steuerungspotential zugesprochen. Nichtsdestotrotz<br />

werden traditionelle Autoritäten als wichtige soziale „Säulen“ (IVALA 1999: 183)<br />

wahrgenommen, <strong>in</strong>sbesondere im Kontext sozialen Wandels, <strong>in</strong> dem es zahlreiche<br />

soziale Konflikte zu bearbeiten und e<strong>in</strong>e stark zerrüttete natürliche Ordnung wiederherzustellen<br />

gilt (vgl. ALEXANDER 1997: 11).<br />

3.1.4 Die Kommunalwahlen 1998 und 2003<br />

Die ersten Kommunalwahlen 1998 <strong>in</strong> 33 <strong>Kommunen</strong> waren <strong>von</strong> e<strong>in</strong>er extrem ger<strong>in</strong>gen<br />

Wahlbeteiligung <strong>von</strong> 14,6 % gekennzeichnet (vgl. Anhang Tabelle 26; AWEPA<br />

1998; SOIRI 1999: 20, FANDRYCH 2001: 216ff). Hierfür hat es verschiedene Erklärungsansätze<br />

gegeben: die mangelhafte Vermittlung der Bedeutung lokaler Politik;<br />

die Abstrafung der Frelimo für ihre Art der Kandidatenbestimmung; allgeme<strong>in</strong>es<br />

politisches Des<strong>in</strong>teresse, das v.a. aus dem Konkurrenzpr<strong>in</strong>zip resultieren sollte; technische<br />

Mängel bei der Vorbereitung und Durchführung der Wahlen sowie die Boykottstrategie<br />

der Renamo (vgl. FANDRYCH 2001: 223ff). Die Renamo wollte die<br />

Abst<strong>in</strong>enz <strong>von</strong> knapp 86 % der Wähler als e<strong>in</strong> Votum für die Renamo verstanden<br />

wissen. Der Boykottaufruf der Renamo diente erstens der Delegitimierung der Wahl<br />

<strong>in</strong>sgesamt. Zweitens sollte <strong>in</strong>direkt die <strong>in</strong>ternationale Geme<strong>in</strong>schaft kritisiert und zur<br />

Zahlung versprochener Mittel aufgefordert werden (vgl. FANDRYCH 2001: 230). Drittens<br />

war der Boykott Bestandteil der Wahlstrategie für die <strong>von</strong> der Parteispitze als<br />

wichtiger empfundene Präsidentschaftswahl im Folgejahr. E<strong>in</strong> e<strong>in</strong>jähriges Mandat<br />

wurde als unzureichende Grundlage für e<strong>in</strong>e kommunalpolitische Profilierung aufgefasst,<br />

zumal im Vorfeld zu hohe Ziele und Erwartungen formuliert wurden und die<br />

Abgaben angesichts der schlechten F<strong>in</strong>anzlage der <strong>Kommunen</strong> hätten erhöht werden<br />

müssen (vgl. OSTHEIMER 1999; NAIDU 2001: 14). Im Endeffekt führte der Wahlboykott<br />

zur Frustration e<strong>in</strong>iger ambitionierter Renamo-Mitglieder, die sich e<strong>in</strong>en Wahlerfolg<br />

ausgerechnet hatten, und verdeutlichte e<strong>in</strong>mal mehr die prekäre Lage <strong>in</strong>nerhalb<br />

der Renamo. Die Frelimo konnte so <strong>in</strong> allen <strong>Kommunen</strong> den Bürgermeister stellen.<br />

In 27 <strong>Kommunen</strong> stellten sie alle<strong>in</strong> den Geme<strong>in</strong>derat, <strong>in</strong> sechs haben unabhängige<br />

98


Allgeme<strong>in</strong>e Rahmenbed<strong>in</strong>gungen und Konfliktpotentiale<br />

Listen Ratssitze gew<strong>in</strong>nen können. Trotz Proteste der Renamo wurde die Wahl anerkannt.<br />

Jedoch hatten die Kommunalverwaltungen aufgrund der niedrigen Wahlbeteiligung<br />

<strong>von</strong> Beg<strong>in</strong>n ihrer Arbeit an mit e<strong>in</strong>em Legitimationsdefizit zu kämpfen. Für<br />

die zweiten Kommunalwahlen 2003 hatte die Renamo e<strong>in</strong>e stärkere Invol<strong>vier</strong>ung<br />

angekündigt – möglicherweise nach der Erkenntnis, dass die <strong>Kommunen</strong> machtpolitisch<br />

und f<strong>in</strong>anziell nicht so unbedeutend s<strong>in</strong>d wie zunächst angenommen und sich<br />

dadurch auch Patronagepotential ergibt (vgl. AWEPA 2001a: 2).<br />

Die zweiten Kommunalwahlen wurden am 19.11.2003 trotz organisatorischer Mängel<br />

ohne nennenswerte Zwischenfälle abgehalten (vgl. CARTER CENTER 2004: 6f,<br />

EU EOM 2004: 1). Während die Registrierung der 2,4 Millionen Wähler ohne Probleme<br />

verlief, kam es bei den Kandidatenbewerbungen mehrfach zu Schwierigkeiten<br />

(vgl. SERPA 2003a: 6). Für Missverständnisse und Spannungen sorgten die seit 1994<br />

mehrfach veränderten Wahlgesetze (vgl. EU EOM 2004: 6ff). Auch wurde die Unabhängigkeit<br />

der Wahlkommission Comissão Nacional de Eleições, CNE, <strong>von</strong> der Renamo<br />

angezweifelt (vgl. SERPA 2003a: 6). Bei den Auszählungen kam es zu<br />

Täuschungsversuchen, die jedoch schnell aufgeklärt werden konnten. 57 Unregelmäßigkeiten<br />

wurden v.a. auf das Verhalten der Renamo <strong>in</strong> verschiedenen Städten zurückgeführt<br />

wie z.B. Chimoio, Quelimane und Catandica (vgl. ebd.). Positiv gewertet<br />

wurde vor allem, dass sich die Parteien <strong>in</strong> allen Phasen mit Aggressionen zurückgehalten<br />

haben (vgl. CARTER CENTER 2004: 14; EU EOM 2004: 4).<br />

Insgesamt betrug die Wahlbeteiligung 24,2 % 58 , variierte jedoch stark zwischen 15 %<br />

<strong>in</strong> Nampula und 46 % Mocímboa da Praia und 47 % <strong>in</strong> Moatize (vgl. Anhang Tabelle<br />

27). 59 In <strong>vier</strong> <strong>Kommunen</strong> stellt die Renamo zugleich die Mehrheit im Geme<strong>in</strong>derat<br />

und den Bürgermeister (Nacala Porto, Ilha de Moçambique, Angoche und Beira). In<br />

Marromeu wird der Bürgermeister <strong>von</strong> der Renamo gestellt, e<strong>in</strong>e knappe Mehrheit<br />

im Geme<strong>in</strong>derat hat jedoch die Frelimo. Renamo hat Sitze im Geme<strong>in</strong>derat <strong>in</strong> <strong>in</strong>sgesamt<br />

31 Städten erhalten. In sechs Räten s<strong>in</strong>d kle<strong>in</strong>ere Parteien 60 vertreten. Von großer<br />

Bedeutung ist der Sieg der Renamo <strong>in</strong> Beira, der zweitgrößten Stadt Mosambiks,<br />

57 IRINNEWS.ORG: „Mozambique: Election Process is be<strong>in</strong>g questioned“ (14.10.2003), URL:<br />

http://www.ir<strong>in</strong>news.org/pr<strong>in</strong>t.asp?ReportID=37205; „Mozambique: Election disputes mar<br />

poll“ (26.11.2003), URL: http://www.ir<strong>in</strong>news.org/pr<strong>in</strong>t.asp?ReportID=38103<br />

58 AWEPA (2003: 12) errechnet e<strong>in</strong>e ‚bere<strong>in</strong>igte’ Wahlbeteiligung <strong>von</strong> 28 %.<br />

59 EU EOM (2004: 13) und CARTER CENTER (2004: 29) schätzen die Wahlbeteiligung ger<strong>in</strong>g<br />

e<strong>in</strong>, v.a., wenn man diese mit der Beteiligung <strong>von</strong> 75 % bei den Präsidentschaftswahlen 1999<br />

vergleicht. Jedoch ist der Wähleranteil annähernd doppelt so hoch wie bei den boykottierten<br />

Wahlen 1998 (15 %) (vgl. AWEPA 2003: 2).<br />

60 JPC, IPADE, UM, PIMO, UPI, OCINA (vgl. CARTER CENTER 2004: 26f)<br />

99


Allgeme<strong>in</strong>e Rahmenbed<strong>in</strong>gungen und Konfliktpotentiale<br />

was auch als e<strong>in</strong> Grund für das Ausbleiben <strong>von</strong> Betrugsvorwürfen und Aggressionen<br />

<strong>in</strong> der Nachwahlzeit gewertet wird (vgl. FAST 2004: 3). Zunächst drohte die Renamo,<br />

die Ergebnisse nicht anzuerkennen (vgl. IRINNEWS 61 ), lenkte jedoch e<strong>in</strong> (vgl.<br />

AIM Nr. 268 62 ). In Beira kam es bereits zu Spannungen zwischen der neuen Renamo-Kommunalverwaltung<br />

und der Frelimo-Vorgängerregierung darüber, ob bestimmte<br />

Strukturen eher der Frelimo oder der Kommune zuzuordnen s<strong>in</strong>d (vgl.<br />

FAST 2004: 4). Zurzeit ist die öffentliche Aufmerksamkeit stark auf Marromeu<br />

gerichtet. Dort wird sich aufgrund des Renamo-Bürgermeisters und der<br />

Frelimo-Mehrheit im Rat <strong>in</strong> naher Zukunft entscheiden, ob Demokratie auf lokaler<br />

Ebene <strong>in</strong> Mosambik möglich ist.<br />

Während sich <strong>in</strong> Pemba und Vilankulo die Dom<strong>in</strong>anz der Frelimo abzeichnet, die<br />

auch bereits <strong>in</strong> den Ergebnissen zu den Präsidentschaftswahlen 1994 und 1999 zu<br />

erkennen war, s<strong>in</strong>d die Ergebnisse <strong>in</strong> Catandica und Manica deutlich schlechter ausgefallen<br />

(vgl. AWEPA 1999; FANDRYCH 2001: Anhang, Tabelle 13a). Beispielsweise<br />

konnte die Renamo 1994 noch 61 % der Stimmen erzielen, bei den Kommunalwahlen<br />

2003 jedoch nur jeweils 20 % für den Bürgermeisterkandidaten und für den Geme<strong>in</strong>derat.<br />

Zu bedenken ist allerd<strong>in</strong>gs, dass die Parteien ihre Anhängerschaft bei<br />

Kommunalwahlen nicht so stark mobilisieren können wie bei Präsidentschaftswahlen.<br />

3.2 Allgeme<strong>in</strong>e Konfliktpotentiale<br />

3.2.1 Konfliktpotentiale im Zuge der Kommunalreform<br />

Obschon die Kommunalreform e<strong>in</strong>en erforderlichen Schritt darstellt, muss mit<br />

Spannungen e<strong>in</strong>erseits zwischen der Kommune und der staatlichen Verwaltung und<br />

andererseits <strong>in</strong>nerhalb der Kommunalverwaltung gerechnet werden. 63<br />

Mit zwei Ebenen lokaler Adm<strong>in</strong>istration (Distrikt und Kommune) und den weiterh<strong>in</strong><br />

bestehenden drei Ebenen vertikaler Strukturierung (Staat, Prov<strong>in</strong>z, Distrikt/Kommune)<br />

s<strong>in</strong>d nicht nur Probleme der Koord<strong>in</strong>ation und Kommunikation<br />

61 IRINNEWS.ORG: „Mozambique: Opposition boycott results“ vom 5.12.2003, URL:<br />

http://www.ir<strong>in</strong>news.org/pr<strong>in</strong>tasp?ID=38259<br />

62 URL: http://www.poptel.org.uk/mozambique-news/newsletter/aim268.html vom 10.2.2004<br />

63 WEIMER/FANDRYCH (1997: 147) weisen auf weitere Konfliktpotentiale h<strong>in</strong>, <strong>in</strong>folge e<strong>in</strong>er<br />

politischen, adm<strong>in</strong>istrativen und fiskalischen Bevorzugung städtischer Gebiete, die den bestehenden<br />

Stadt-Land-Gegensatz verstärken kann sowie <strong>in</strong>folge e<strong>in</strong>er Enttäuschung der Erwartungshaltung<br />

der Bevölkerung, die mit Dezentralisierung vorrangig sozioökonomische<br />

Vorteile verb<strong>in</strong>det.<br />

100


Allgeme<strong>in</strong>e Rahmenbed<strong>in</strong>gungen und Konfliktpotentiale<br />

abzusehen, auch wurden neue mögliche Konfliktquellen geschaffen. Von e<strong>in</strong>em<br />

Konkurrenzverhältnis zwischen staatlicher und kommunaler Verwaltung wurde <strong>in</strong>sbesondere<br />

bei der Übertragung der Kompetenzen und Mittel berichtet. Nicht nur<br />

haben sich Distriktverwaltungen und Exekutivräte geweigert, Kompetenzen und<br />

Infrastrukturen zu übertragen, auch haben sie versucht, ihre ‚Altlasten’ auf die<br />

Kommune zu übertragen. 64<br />

Innerhalb der Kommunalverwaltung werden vor allem <strong>in</strong> der Anfangsphase Konflikte<br />

um Kompetenzen und Handlungsspielräume zwischen Geme<strong>in</strong>derat und Verwaltungsvorstand<br />

erwartet. Diese s<strong>in</strong>d aufgrund rechtlicher Unstimmigkeiten und<br />

persönlichen Konkurrenzen zu erwarten. Zwischen Ratsvorsitzenden und Bürgermeister<br />

sche<strong>in</strong>en Konflikte um die Hierarchie dann nicht ausgeschlossen, wenn sich<br />

Bürgermeister entgegen der Geme<strong>in</strong>deordnung als Oberhaupt der Kommune begreifen<br />

(vgl. AWEPA 2001b: 32; FANDRYCH 2001: 249). Hierbei muss <strong>in</strong>sbesondere berücksichtigt<br />

werden, dass im zweiten Mandat verschiedene Parteimehrheiten <strong>in</strong><br />

Geme<strong>in</strong>derat und Verwaltungsvorstand vorliegen können. E<strong>in</strong> weiteres Problem liegt<br />

dar<strong>in</strong>, dass der Geme<strong>in</strong>derat Aufsichtsfunktionen über die Verwaltungsspitze hat,<br />

dieser aber gleichzeitig f<strong>in</strong>anziell und organisatorisch vom Verwaltungsvorstand abhängig<br />

ist. Auch im H<strong>in</strong>blick auf die Regelung, dass die Hälfte der Beigeordneten aus<br />

dem Rat stammen muss, s<strong>in</strong>d noch weitere Konflikte zu erwarten.<br />

<strong>E<strong>in</strong>e</strong> weitere Konfliktquelle stellt das Verhältnis zwischen den beiden politischen<br />

Hauptakteuren Frelimo und Renamo dar. Es bleibt abzuwarten, wie sich beide Parteien<br />

ihrer neuen kommunalpolitischen Rolle annehmen. Insbesondere das Auftreten<br />

der Opposition ist für die Entwicklung <strong>von</strong> <strong>Konflikten</strong> entscheidend. Im ersten<br />

Mandat können aktuelle wie auch zukünftige Entwicklungen und Akteurskonstellationen<br />

für Spannungen zwischen den Parteien sorgen.<br />

Auch s<strong>in</strong>d Spannungen zwischen der Kommunalverwaltung und traditionellen Autoritäten<br />

zu erwarten. Nicht nur die unklare Rechtsgrundlage könnte hierfür ausschlaggebend<br />

se<strong>in</strong>, sondern auch die symbolische Bedeutung der Tradition im politischen<br />

Diskurs.<br />

64 In Pemba wurde die Kommunalverwaltung aufgefordert, nicht erbrachte Rentenbeiträge für<br />

Funktionäre des Exekutivrates nachzuzahlen (vgl. AWEPA 2001b: 21).<br />

101


Allgeme<strong>in</strong>e Rahmenbed<strong>in</strong>gungen und Konfliktpotentiale<br />

Schließlich können sich Unerfahrenheit, Überforderung und politische Interessen<br />

negativ auf die Arbeit der Kommunalverwaltung auswirken, so dass mit <strong>Konflikten</strong><br />

zu rechnen ist.<br />

3.2.2 Widerspruch verschärfende Faktoren<br />

Als Widerspruch verschärfende Problemkomplexe werden häufig die Zunahme sozioökonomischer<br />

Disparitäten sowie die Verschlechterung der Lebensbed<strong>in</strong>gungen<br />

auf dem Lande angeführt (vgl. ARMON/HENDRICKSON/VINES 1998: 4f; RUPIYA<br />

1998: 9; HANLON 2000: 19ff). Insbesondere <strong>in</strong> städtischen Kontexten s<strong>in</strong>d zusätzlich<br />

drei Zusammenhänge zu berücksichtigen: direkte und <strong>in</strong>direkte Folgen des Krieges,<br />

der Legitimationsverlust der Regierungspartei sowie soziale und politische Wandlungsprozesse.<br />

Kriegsfolgen. Der 16 Jahre währende Krieg 65 wirkte sich maßgeblich auf das allgeme<strong>in</strong>e<br />

soziale und politische Klima aus, so dass weiterh<strong>in</strong> mit Gewalt gerechnet werden<br />

muss. Hier s<strong>in</strong>d vor allem die Aspekte der Akteursbeziehungen, die<br />

gesellschaftliche Aufarbeitung des Konflikts, die Situation der öffentlichen Sicherheit<br />

sowie die kriegsbed<strong>in</strong>gten Migrationsbewegungen <strong>in</strong> die Städte zu nennen.<br />

Akteursbeziehungen. Vor allem <strong>in</strong> der unmittelbaren Nachkriegszeit war unklar, wie<br />

ernst es die Hauptkontrahenten mit der E<strong>in</strong>haltung des Friedensvertrages me<strong>in</strong>ten,<br />

der nur unter Druck und f<strong>in</strong>anziellen Anreizen zustande gekommen war (vgl. VINES<br />

1998b: 9). 66 Als Belastungsprobe für den Friedensprozess galt die Transformation der<br />

Renamo <strong>von</strong> e<strong>in</strong>er <strong>in</strong>kohärenten Gruppe, die sich hauptsächlich über den bewaffneten<br />

Widerstand im ländlichen Raum gegen die Frelimo def<strong>in</strong>ierte, zu e<strong>in</strong>er kohärenten<br />

politischen Partei mit urbanem Fundament (vgl. MCCORMICK 1993: 228;<br />

MANNING 1998; RUPIYA 1998: 6). MEYNS (2000: 188) sieht im Boykott der ersten<br />

Kommunalwahlen 1998 durch die Renamo e<strong>in</strong>en Indikator dafür, dass die Trans-<br />

65 Zum Verlauf des Krieges und zu den Bed<strong>in</strong>gungen se<strong>in</strong>er Beendigung vgl. PALMBERG 1983;<br />

METZ 1986; HALL 1990; MORGAN 1990; YOUNG 1990; ALDEN/SIMPSON 1993; MCCOR-<br />

MICK 1993; WEIMER 1993, 1998; ARMON/HENDRICKSON/VINES 1998; BORGES COELHO<br />

1998; FANDRYCH 1998; GONÇALVES 1998; RUPIYA 1998; SENGULANE/GONÇALVES 1998;<br />

VENÂNCIO/CHAN 1998; VINES 1998b: 6ff.<br />

66 Zu den externen Faktoren zählt der Wandel politischer und ökonomischer Bed<strong>in</strong>gungen<br />

<strong>in</strong>folge der Beendigung des Ost-West-Konflikts und der formalen Beendigung der Apartheid<br />

<strong>in</strong> Südafrika, wodurch das Interesse der <strong>in</strong>ternationalen Geme<strong>in</strong>schaft an der politischen Stabilität<br />

<strong>in</strong> der Region stieg (vgl. FANDRYCH 1998: 16). Intern zwangen die Ausweglosigkeit der<br />

militärischen Situation, die allgeme<strong>in</strong>e Kriegsmüdigkeit sowie der durch die Dürre bed<strong>in</strong>gte<br />

politische Druck die Konfliktparteien und die Nachbarländer Mosambiks zu der Teilnahme<br />

an den Friedensverhandlungen (vgl. ARMON/HENDRICKSON/VINES 1998: 3; VINES 1998b:<br />

6).<br />

102


Allgeme<strong>in</strong>e Rahmenbed<strong>in</strong>gungen und Konfliktpotentiale<br />

formation nicht abgeschlossen war. 67 Obgleich die Renamo sich als e<strong>in</strong>e Mitte-<br />

Rechts-Partei def<strong>in</strong>iert, die sich Frieden, Demokratie und Freiheit verpflichtet sieht,<br />

hat sie trotz <strong>in</strong>ternationaler Förderung ke<strong>in</strong>e Fortschritte zu e<strong>in</strong>er konstruktiven Oppositionspartei<br />

gemacht (vgl. SERPA 2003a: 5). Unter anderem galten das Fehlen qualifizierten<br />

und <strong>in</strong>tellektuellen Personals, die starken Spannungen zwischen Spitze und<br />

Basis sowie e<strong>in</strong>e ger<strong>in</strong>ge Unterstützung im städtischen Raum als die ausschlaggebenden<br />

Probleme (vgl. OSTHEIMER 1999; EIU 2001: 12). Konflikte können dadurch<br />

leicht entstehen, dass e<strong>in</strong>erseits die Frelimo die Renamo ausschließt und andererseits<br />

die Renamo mit ihren Oppositionsstrategien sich selbst marg<strong>in</strong>alisiert (vgl. HANLON<br />

2000: 12). Die Renamo erhoffte sich durch e<strong>in</strong>e Machtbeteiligung Zugang zu sicherem<br />

E<strong>in</strong>kommen sowie die v.a. <strong>in</strong> symbolischer H<strong>in</strong>sicht wichtige Ausstattung mit<br />

Kleidung, Arbeitsmitteln und Büros (vgl. ALEXANDER 1997: 15f). Angesichts fehlender<br />

alternativer Strategien, reagierte die Renamo mit e<strong>in</strong>er obstruktionistischen „Spezialisierung<br />

auf Boykotte und walkouts“ (AFRICA CONFIDENTIAL vom 20.4.2001), was<br />

zu Blockadesituationen, Bestärkung gegenseitiger Vorurteile und Vertrauensschwund<br />

führte (vgl. SERPA 2003a: 6). 68 Zwar geben sich die ehemaligen Kriegsparteien noch<br />

heute besonders friedlich <strong>in</strong> der Öffentlichkeit, d.h. tolerant (Frelimo) und geduldig<br />

(Renamo) (vgl. MAZULA 2002b: 17ff; SERPA 2003a: 5), doch zeigen sich Beobachter<br />

angesichts e<strong>in</strong>er unzureichend bewerteten Umsetzung der Demokratie 69 und erkannter<br />

Spannungen skeptisch ob der Nachhaltigkeit des Friedens (vgl. MAZULA 2002b:<br />

31; WEIMER 2002: 78f). Für SERPA (2003a: 3) markieren die Kommunalwahlen 1998<br />

den Anfang e<strong>in</strong>er politischen Krise, die es bis heute zu lösen gilt, denn seitdem sei<br />

das Verhältnis zwischen Frelimo und Renamo aggressiver geworden. In diesen Zusammenhang<br />

wird häufig auf die negative Signalwirkung der Ereignisse <strong>von</strong> Montepuez<br />

im November 2000 verwiesen (vgl. Abschnitt 3.2.3). Dennoch sollte geprüft<br />

werden, ob dies gleichermaßen für die nationale und für die lokale Ebene gilt oder ob<br />

nicht vielmehr lokale Bed<strong>in</strong>gungen (z.B. persönliche Beziehungen, dr<strong>in</strong>gende Problemlagen<br />

oder geme<strong>in</strong>same Interessen) das Verhältnis der lokalen Parteipolitiker prägen.<br />

67 SERPA (2003: 5) zufolge hat die Renamo erst bei ihrem ersten Kongress 2001 den Wandel<br />

<strong>von</strong> e<strong>in</strong>er gegenrevolutionären Gruppe zu e<strong>in</strong>er politischen Partei offiziell anerkannt.<br />

68 So drohte beispielsweise der Renamo-Führer DHLAKAMA im Sommer 2002 mehrfach öffentlich<br />

mit der „Rückkehr [zum bewaffneten Kampf] <strong>in</strong> den Busch“.<br />

69 OSTHEIMER (2002) beschreibt Mosambiks politischen Zustand als „demokratischen M<strong>in</strong>imalismus“<br />

(ebd.: 48) oder auch als e<strong>in</strong> „Weg <strong>in</strong> die demokratische Rezession“ (ebd.: 40). Jedoch<br />

gibt es auch positive E<strong>in</strong>schätzungen der Prozesse der Demokratisierung und der Dezentralisierung<br />

(vgl. EIU 2001: 10).<br />

103


Allgeme<strong>in</strong>e Rahmenbed<strong>in</strong>gungen und Konfliktpotentiale<br />

Aufarbeitung des Krieges. Es lässt sich schwer ermessen, <strong>in</strong>wieweit der Krieg als ausreichend<br />

aufgearbeitet gelten kann. <strong>E<strong>in</strong>e</strong> öffentliche Diskussion der Konfliktursachen<br />

hat nicht stattgefunden, wie auch die Konfliktparteien für ihre politischen und humanitären<br />

Vergehen nicht zur Rechenschaft gezogen wurden (vgl. AR-<br />

MON/HENDRICKSON/VINES 1998: 4; FANDRYCH 1998: 19). In der Bevölkerung<br />

konnten mit Hilfe <strong>von</strong> traditionellen Re<strong>in</strong>igungs- und Heilungsritualen zum<strong>in</strong>dest<br />

kurzfristig traumatische Erfahrungen behandelt und demobilisierte Soldaten sowie<br />

Flüchtl<strong>in</strong>ge und Vertriebene re<strong>in</strong>tegriert werden (vgl. BORGES COELHO/VINES 1995;<br />

HONWANA 1998, 2002). Jedoch wurden u.a. aufgrund der Auflösung traditioneller<br />

Praktiken und der Zerrüttung <strong>von</strong> Familienstrukturen nicht alle Betroffenen e<strong>in</strong>bezogen<br />

(vgl. BORGES COELHO/VINES 1995: 42f).<br />

Öffentliche Sicherheit. Die starke Verbreitung <strong>von</strong> Kle<strong>in</strong>waffen und der Anstieg der<br />

Krim<strong>in</strong>alität gefährden die öffentliche Sicherheit (vgl. VINES 1998a; CHACHIUA<br />

2000). In der unmittelbaren Nachkriegszeit g<strong>in</strong>g <strong>von</strong> demobilisierten Soldaten <strong>in</strong><br />

urbanen Gebieten, die ihre Interessen nicht gewahrt sahen, e<strong>in</strong>e besondere Gefahr <strong>in</strong><br />

Form erhöhter Gewaltbereitschaft aus (vgl. WILLET 1997: Abschn. 90). 70 Aufgrund<br />

schlechter Ausstattung, ger<strong>in</strong>ger Qualifikation und massivem Fehlverhalten der Polizei<br />

ist die Gewährleistung der öffentlichen Sicherheit weiterh<strong>in</strong> e<strong>in</strong> dr<strong>in</strong>gendes Problem<br />

(vgl. SAVANA vom 10.11.2000, MEDIAFAX vom 13.11.2000).<br />

Migrationsbewegungen. Während des Krieges galten Städte als vergleichsweise sicher,<br />

weshalb viele dort Zuflucht suchten (vgl. ALEXANDER 1995: 15; EFFLER 1996: 56).<br />

Zwar kehrten viele B<strong>in</strong>nenflüchtl<strong>in</strong>ge nach 1992 <strong>in</strong> ihre ländlichen Heimatgebiete<br />

zurück, doch ist e<strong>in</strong>e verstärkte Bewegung <strong>in</strong> die Städte <strong>in</strong>folge der Armut im ländlichen<br />

Raum erkennbar (vgl. SOIRI 1999: 32; HANLON 2000: 25). Zu erwarten s<strong>in</strong>d<br />

Konkurrenz um E<strong>in</strong>kommensquellen und knapp werdende Ressourcen sowie e<strong>in</strong>e<br />

Zunahme <strong>von</strong> Unsicherheit.<br />

Legitimationsverlust der Regierungspartei. ALEXANDER (1997: 20) konstatiert<br />

e<strong>in</strong>en Verlust politischer Legitimation und e<strong>in</strong>e tiefe Autoritätskrise des politischen<br />

Systems <strong>in</strong> Mosambik, deren Hauptursachen zum Teil bereits auf die postkoloniale<br />

Regierungspolitik zurückgeführt werden. Nach der Unabhängigkeitserklärung 1975<br />

bemühte sich die Frelimo, das vorhandene ideologische und programmatische Vaku-<br />

70 Beispielsweise kam es wiederholt zu Landbesetzungen durch ehemalige Soldaten (vgl. AIM<br />

Nr. 215 vom 20.9.2001; URL: http://www.poptel.org.uk/mozambique-news/newsletter/<br />

aim215.html#story10).<br />

104


Allgeme<strong>in</strong>e Rahmenbed<strong>in</strong>gungen und Konfliktpotentiale<br />

um mit e<strong>in</strong>er Politik der sozialistischen Modernisierung zu füllen, die unter dem<br />

Schlagwort des poder popular (etwa „Herrschaft des Volkes“) auf die E<strong>in</strong>heit des mosambikanischen<br />

Volkes und die Förderung <strong>von</strong> Entwicklung durch Behebung aller<br />

Ursachen für Missstände und Des<strong>in</strong>tegration zielte (vgl. EGERO 1986; CAHEN 1996).<br />

Zu diesen rechnete die Frelimo nicht nur die kolonialistisch geprägte autoritäre politische<br />

Kultur, sondern auch die Traditionsformen, die sie als Nährboden für den<br />

Tribalismus und Regionalismus deutete (vgl. ALEXANDER 1997: 2; O’LAUGHLIN<br />

2000). Das Verbot traditioneller Praktiken und Strukturen sowie ethnisch und religiös<br />

def<strong>in</strong>ierter Gruppen wurde <strong>in</strong>sbesondere <strong>von</strong> der ländlichen Bevölkerung negativ<br />

aufgenommen. Mit dem Verlust politischer Unterstützung hatte die Regierung zunehmend<br />

Schwierigkeiten, ihre Politik auf lokaler Ebene durchzusetzen (vgl. ALE-<br />

XANDER 1997: 4f). Die Strategien der sozialistischen Kollekti<strong>vier</strong>ung und die damit<br />

verbundene Umsiedlungen <strong>in</strong> aldeiamentos 71 scheiterten und es kam vermehrt zu<br />

Landkonflikten (vgl. BORGES COELHO 1998). Auf den Legitimationsverlust und den<br />

ausbleibenden Erfolg staatlicher Entwicklungspolitik reagierte die Frelimo-Regierung<br />

mit verstärktem Zwang und vergrößerte so die bis heute bestehende Kluft zur Bevölkerung<br />

(vgl. O’LAUGHLIN 2000: 40f). Hierzu trug auch die Destabilisierungsstrategie<br />

der Renamo durch taktische E<strong>in</strong>schüchterungen und Tötungen,<br />

Sabotageaktionen, Zerstörung erfolgreicher Frelimo-Projekte sowie durch den Aufbau<br />

eigener Verwaltungsstrukturen bei. Die Renamo versuchte, die Bevölkerung gegen<br />

die Regierung zu mobilisieren, u.a. <strong>in</strong>dem sie sich e<strong>in</strong>er ‚traditionalistischen’<br />

Rhetorik gegen die modernistische Regierungspolitik bediente (vgl. ALEXANDER<br />

1997: 8ff, 11). Zwar proklamiert die Frelimo seit Ende der 1980er Jahre die Öffnung<br />

und Demokratisierung der Partei, doch e<strong>in</strong>erseits wird dies <strong>von</strong> Beobachtern als eher<br />

zögerlich bewertet und andererseits kämpft die Partei gegen den Ansehens- und Vertrauensverlust<br />

<strong>in</strong> der Bevölkerung <strong>in</strong>folge der sche<strong>in</strong>baren Dom<strong>in</strong>anz der Hardl<strong>in</strong>er-<br />

Fraktion und der Verwicklung <strong>in</strong> Korruptionsfällen (vgl. SIMPSON 1993; FANDRYCH<br />

1998: 24ff; GONÇALVES 1998: 7; EIU 2001: 11; SERPA 2003a: 5).<br />

Soziale und politische Wandlungsprozesse. Seit der Kolonisation haben mehrere<br />

tief greifende Wandlungsprozesse massiven E<strong>in</strong>fluss auf Gesellschaft und Strukturen<br />

<strong>in</strong> Mosambik genommen. Zum Teil s<strong>in</strong>d die Wirkungen als ambivalent oder gar als<br />

71 Ungefähr e<strong>in</strong> Jahr nach dem Erreichen der Unabhängigkeit versuchte die mosambikanische<br />

Regierung, durch die Konzentration der ländlichen Bevölkerung <strong>in</strong> kollektiv organisierten<br />

Dörfern (aldeiamentos) e<strong>in</strong>e bessere Versorgung und später auch e<strong>in</strong>en verbesserten Schutz der<br />

Bevölkerung zu gewährleisten. Zugleich diente diese Strategie der Mobilisierung <strong>von</strong> Arbeitskraft<br />

für die Staatsfarmen (vgl. HALL 1990: 64; FANDRYCH 1998: 24ff).<br />

105


Allgeme<strong>in</strong>e Rahmenbed<strong>in</strong>gungen und Konfliktpotentiale<br />

paradox zu bewerten, denn die Prozesse politischer Transformation und sozialen<br />

Wandels <strong>in</strong> Mosambik s<strong>in</strong>d e<strong>in</strong>erseits Anpassungs- und Öffnungsprozesse gegenüber<br />

sich ändernden Umweltbed<strong>in</strong>gungen, haben aber andererseits auch e<strong>in</strong> Unsicherheit<br />

erzeugendes bzw. steigerndes Moment und gelten <strong>in</strong>sofern als konfliktanfällig (vgl.<br />

FANDRYCH 1998: 19; s. auch FERDOWSI 1993: 253). 72 Zuletzt erfreuten sich nach der<br />

Unterzeichnung des Friedensabkommens <strong>von</strong> Rom die Menschen ihrer erlangten<br />

politischen Rechte, ihrer persönlichen Freiheit und ihrer gewonnenen Mobilität.<br />

Doch mit dem vergleichsweise stabilen Wirtschaftswachstum stiegen Arbeitslosigkeit<br />

und Krim<strong>in</strong>alität. Vor allem die rasche Ausbreitung <strong>von</strong> AIDS und allen damit verbundenen<br />

Folgeproblemen erzeugte Angst, Unsicherheit und Misstrauen (vgl.<br />

MOÇAMBIENTE 33/1999: 5-22). Für das politische Machtgefüge gilt v.a. die Kommunalreform<br />

als folgenreich (vgl. WEIMER 2002: 67). Ausgehend <strong>von</strong> der Annahme,<br />

dass Betroffene zu e<strong>in</strong>er negativen Bewertung bzw. zu e<strong>in</strong>er ger<strong>in</strong>gen Akzeptanz der<br />

Wandlungsprozesse <strong>in</strong>sgesamt kommen, wenn sie sich als unfähig zur Anpassung an<br />

die veränderten Umweltbed<strong>in</strong>gungen wahrnehmen oder sie ihre Lage als vergleichsweise<br />

verschlechtert e<strong>in</strong>schätzen, kann dies zu e<strong>in</strong>er Verstärkung der negativen Folgeeffekte<br />

der Wandlungsprozesse und somit zu <strong>Konflikten</strong> führen.<br />

3.2.3 Kurzfristig Gewalt auslösende Faktoren<br />

Die Ereignisse <strong>von</strong> Montepuez. Im Laufe der Untersuchung haben Befragte <strong>in</strong><br />

vielen Interviews Bezug auf die Ereignisse <strong>von</strong> Montepuez genommen, welche verdeutlichen,<br />

wie schnell es zu Gewalteskalationen kommen konnte. Die Bedeutung<br />

dieser Ereignisse liegt <strong>in</strong> ihrer Signalwirkung und der Gefahr begründet, dass sie e<strong>in</strong>e<br />

Art ‚Dom<strong>in</strong>oeffekt’ auslösen und andernorts zu Gewalt moti<strong>vier</strong>en können. Am<br />

9. November 2000 organisierte die Renamo landesweit Demonstrationen als Protest<br />

gegen den verme<strong>in</strong>tlichen Wahlbetrug bei den Präsidentschaftswahlen <strong>von</strong> 1999.<br />

Landesweit starben an diesem Tag 44 Menschen bei gewaltsamen Ause<strong>in</strong>andersetzungen<br />

zwischen Protestierenden und Polizei, wobei es <strong>in</strong> Montepuez zu den stärksten<br />

Ausschreitungen mit <strong>in</strong>sgesamt 25 Todesopfern kam. Renamo-Mitglieder wurden<br />

beschuldigt, die Polizeistation <strong>von</strong> Montepuez gestürmt, Inhaftierte befreit und sich<br />

der dort bef<strong>in</strong>dlichen Waffen bemächtigt zu haben (vgl. AIM Nr. 2509 vom<br />

5.6.2001). Am 12. November wurden 119 Menschen <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er 7x3 m-großen Zelle<br />

e<strong>in</strong>gesperrt, <strong>von</strong> denen e<strong>in</strong>e Woche später <strong>in</strong>sgesamt 83 Menschen an Hunger und<br />

72 Beispielsweise wird als e<strong>in</strong>e Ursache <strong>von</strong> Anomie der staatliche E<strong>in</strong>griff <strong>in</strong> die traditionelle<br />

Sozialisationspraxis und das Verbot <strong>von</strong> Initiationsriten aufgefasst (vgl. IVALA 1999: 178ff).<br />

106


Allgeme<strong>in</strong>e Rahmenbed<strong>in</strong>gungen und Konfliktpotentiale<br />

Erstickung verstorben waren (vgl. METICAL vom 29.11.2000 und 12.12.2000; NOTÍ-<br />

CIAS und MEDIAFAX vom 4.5.2001; NOTÍCIAS/MOL vom 21.07.2001). Polizei und<br />

Vollzugsbeamte werden für ihre brutale Vorgehensweise und groben Verfahrensfehler<br />

kritisiert. Aus Angst vor Repression flohen Renamo-Anhänger nach Tansania<br />

oder beg<strong>in</strong>gen Selbstmord (vgl. METICAL vom 29.11.2000). Die Ereignisse schürten<br />

Hass zwischen Anhängern der Frelimo und der Renamo, die sich gegenseitig für den<br />

Tod <strong>von</strong> Familienangehörigen verantwortlich machten. Auch zwei Jahre später s<strong>in</strong>d<br />

<strong>in</strong> der Stadt Montepuez allgeme<strong>in</strong>es Misstrauen und Unversöhnlichkeit spürbar (vgl.<br />

SAVANA vom 5.7.2002). Nicht nur führten die Ereignisse <strong>von</strong> Montepuez zu e<strong>in</strong>em<br />

massiven Vertrauensverlust <strong>in</strong> Polizei und Justiz<strong>in</strong>stitutionen, auch sensibilisierten sie<br />

die Öffentlichkeit für Sicherheitsfragen. Bislang ist ‚Montepuez’ e<strong>in</strong> E<strong>in</strong>zelfall mit<br />

größtenteils abschreckender Wirkung geblieben. Anfang April 2002 kam es jedoch<br />

nach der Veröffentlichung des Berichts der Untersuchungskommission, welche die<br />

Renamo für die Aufklärung der Vorfälle <strong>von</strong> Montepuez e<strong>in</strong>gefordert hatte, zu e<strong>in</strong>em<br />

Konflikt im Parlament (vgl. SERPA 2003a: 5). Der Bericht stellte fest, dass die Demonstrationen<br />

der Renamo, die zu den gewaltsamen Ause<strong>in</strong>andersetzungen führten,<br />

nicht nur illegal sondern auch verfassungswidrig waren und gegen das Demonstrationsrecht<br />

verstießen. Für besonderen Ärger sorgte, dass der Bericht die Verantwortung<br />

v.a. <strong>in</strong> der Renamo-Parteispitze verortete (vgl. ebd.).<br />

Die beschriebenen Ereignisse weisen auf die besondere Brisanz politisch moti<strong>vier</strong>ter<br />

Ause<strong>in</strong>andersetzungen h<strong>in</strong>. Festzuhalten ist, dass es <strong>in</strong>nerhalb kürzester Zeit zu e<strong>in</strong>er<br />

Gewalteskalation kommen konnte. Folgt man den angeführten Erklärungen, ist die<br />

Gewalt <strong>von</strong> höheren Stellen (sowohl seitens der Renamo als auch der Frelimo) angeregt<br />

worden. Dies bedeutet aber auch, dass es ausreichend Menschen gab, die sich<br />

für diese Agitation empfänglich zeigten.<br />

107


Konfliktpotentiale und Konflikte<br />

4 Konfliktpotentiale und Konflikte <strong>in</strong> Pemba,<br />

Catandica, Manica und Vilankulo<br />

Grundlage der nun folgenden Ausführungen ist e<strong>in</strong>e Auswertung der empirischen<br />

Erhebung zu Konfliktpotentialen und <strong>Konflikten</strong> <strong>in</strong> Pemba, Catandica, Manica und<br />

Vilankulo. Bevor <strong>in</strong> Abschnitt 4.3 die <strong>von</strong> Befragten als konfliktiv beschriebenen<br />

Beziehungszusammenhänge e<strong>in</strong>gehend behandelt werden, s<strong>in</strong>d zunächst die konfliktrelevanten<br />

Rahmenbed<strong>in</strong>gungen <strong>in</strong> den <strong>vier</strong> <strong>Kommunen</strong> und das zugrunde liegende<br />

subjektive Konfliktverständnis der Befragten zu explizieren. 73<br />

4.1 Konfliktrelevante Rahmenbed<strong>in</strong>gungen <strong>in</strong> Pemba,<br />

Catandica, Manica und Vilankulo<br />

Nachdem im vorigen Kapitel die allgeme<strong>in</strong>en Rahmenbed<strong>in</strong>gungen erläutert wurden,<br />

gilt es nun die politischen, sozialen und ökonomischen Bed<strong>in</strong>gungen sowie die allgeme<strong>in</strong>en<br />

strukturellen Bed<strong>in</strong>gungen <strong>in</strong> den <strong>vier</strong> untersuchten <strong>Kommunen</strong> zu spezifizieren.<br />

Anschließend wird näher auf des<strong>in</strong>tegrativ wirkende Faktoren wie<br />

Kriegserfahrungen, Drogen und AIDS e<strong>in</strong>gegangen, da diese im H<strong>in</strong>blick auf die<br />

besondere Problematik anomischer Gewalt e<strong>in</strong>e wichtige Rolle spielen. Insbesondere<br />

das Ausmaß an Krim<strong>in</strong>alität kann Aufschluss über die Effektivität des Institutionengefüges<br />

geben. Dieses wird ebenso wie die ausgedrückte Gewaltbereitschaft und die<br />

Beurteilung der Friedenssituation <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em eigenen Abschnitt gewürdigt.<br />

4.1.1 Politische, soziale und ökonomische Bed<strong>in</strong>gungen<br />

In den <strong>vier</strong> untersuchten <strong>Kommunen</strong> wird die Kommunalreform allgeme<strong>in</strong> positiv<br />

bewertet. Ausschlaggebend s<strong>in</strong>d zum e<strong>in</strong>en die erhaltenen Entscheidungs- und Gestaltungskompetenzen<br />

für die Kommunalpolitiker (vgl. VF/V) und zum anderen die<br />

kurzfristig vorzuweisenden Ergebnisse (vgl. UMO/P, REN/V). Nachdem lange Zeit<br />

die Entwicklungspotentiale nicht ausgeschöpft wurden, s<strong>in</strong>d Entwicklungsschübe seit<br />

der E<strong>in</strong>führung der Selbstverwaltung erkennbar (vgl. PCM/V). In Vilankulo empf<strong>in</strong>-<br />

73 Zum Vergleich werden die Konfliktkonstellationen jeweils <strong>in</strong> den <strong>vier</strong> Fallkommunen geprüft,<br />

die <strong>in</strong> folgender Reihenfolge angeordnet s<strong>in</strong>d: Pemba, Catandica, Manica und Vilankulo<br />

(<strong>von</strong> Nord nach Süd). Quellenangaben erfolgen unter Verwendung <strong>von</strong> Siglen, wobei die<br />

Anfangsbuchstaben der <strong>Kommunen</strong> /P, /C, /M und /V den Erhebungskontext kennzeichnen.<br />

Diese Systematik wird auch bei der Auswertung der politischen Kultur <strong>in</strong> Kapitel 5 beibehalten.<br />

108


Konfliktpotentiale und Konflikte<br />

det der Adm<strong>in</strong>istrator die Reform als e<strong>in</strong>e Arbeitserleichterung für den Distrikt (vgl.<br />

ADM/V).<br />

Der erhoffte Demokratisierungsschub durch e<strong>in</strong>e stärkere E<strong>in</strong>b<strong>in</strong>dung <strong>von</strong> Bürgern<br />

und Zivilgesellschaft (vgl. VEC/V) ist bislang <strong>in</strong> den <strong>vier</strong> <strong>Kommunen</strong> h<strong>in</strong>ter den<br />

Erwartungen geblieben. In Pemba kritisieren lokale NGOs die Kommunalpolitik als<br />

nicht partizipativ (vgl. UMO/P). Befürchtet wird, dass die politischen Prozesse nicht<br />

nur die Mehrheit der lokalen Bevölkerung sondern auch e<strong>in</strong>ige Funktionäre der<br />

Kommune kognitiv überfordern (vgl. PAM/P, DPAC/P) und ke<strong>in</strong>e Entsprechung <strong>in</strong><br />

der lokalen politischen Kultur f<strong>in</strong>den (vgl. DPAC/P). Neben der Neuartigkeit der<br />

Prozesse (vgl. VU/C), sorgen nach Ansicht e<strong>in</strong>iger Befragter v.a. Schwachpunkte <strong>in</strong><br />

der Gesetzgebung (vgl. GAB/C) bzw. die Missdeutung bestehender Gesetze (vgl.<br />

FRE/C) für Unmut. Angeblich haben Teile der Bevölkerung die Rücknahme der Reform<br />

gefordert (vgl. PVAM/C). 74 In Vilankulo schließt man Enttäuschungen <strong>in</strong> der<br />

Bevölkerung nicht aus, da zum e<strong>in</strong>en Erwartungshaltungen gestiegen s<strong>in</strong>d und zum<br />

anderen nicht jeder gleichermaßen <strong>von</strong> der Reform profitiere (vgl. FRE/V, REN/V).<br />

Mit Ausnahme <strong>von</strong> Vilankulo ist die Sicherstellung e<strong>in</strong>er nachhaltigen F<strong>in</strong>anzpolitik<br />

die Hauptsorge der <strong>Kommunen</strong>. Insbesondere <strong>in</strong> Pemba wurde zudem <strong>von</strong> Akzeptanzschwierigkeiten<br />

der Kommunalverwaltung <strong>in</strong> der Bevölkerung berichtet, die sich<br />

v.a. <strong>in</strong> der Besiedlungs- und Hygienepolitik niederschlagen.<br />

Die <strong>Kommunen</strong> s<strong>in</strong>d wichtige lokale Zentren u.a. für Handel, soziale Dienstleistungen,<br />

Bildung. Seit Ende der 1990er Jahre verzeichnen die <strong>Kommunen</strong> e<strong>in</strong>en starken<br />

Bevölkerungszugang. Dies hat negative Folgeeffekte wie unkontrollierte Besiedlung,<br />

Wasserversorgungsdefizite, steigendes Abwasser- und Müllaufkommen. Dies gilt<br />

<strong>in</strong>sbesondere für Pemba, da hier räumliche Bed<strong>in</strong>gungen für hohe Bevölkerungsdichten<br />

<strong>in</strong> bestimmten Vierteln sorgen (vgl. DOA/P). Die Kommunalverwaltung spricht<br />

<strong>von</strong> e<strong>in</strong>er Überlastung der kommunalen Infrastrukturen (vgl. VF/P, PDB/P,<br />

PCM/P). Auch <strong>in</strong> Vilankulo ist e<strong>in</strong>e ähnliche Problematik zu beobachten (vgl.<br />

FRE/V, COM/V, SDB/V). Die Entwicklung <strong>in</strong> der Kommune ist e<strong>in</strong> starker Anreiz<br />

für das arme Umland. Während des Krieges boten die (größeren) Städte Schutz, waren<br />

aber aus subsistenzwirtschaftlichen Erwägungen weniger attraktiv. Pemba hat <strong>in</strong><br />

den letzten Jahren als Ziel <strong>in</strong>ternationaler Migration aus kriegs- und krisenerschütterten<br />

Nachbarländern an Bedeutung gewonnen. In Catandica und Manica wurde zum<br />

74 „Devolvam isto à Adm<strong>in</strong>istração!“ („Gebt das der Distriktadm<strong>in</strong>istration zurück!“; vgl.<br />

PVAM/C)<br />

109


Konfliktpotentiale und Konflikte<br />

Zeitpunkt der Untersuchung e<strong>in</strong>e verstärkte Migrationsbewegung aus Simbabwe aufgrund<br />

der dortigen verschlechterten politischen und wirtschaftlichen Lage erwartet<br />

(vgl. VF/C, VT/C, ADM/M, VF/M).<br />

In Pemba und Vilankulo hat v.a. der Tourismus ambivalente Wirkungen. Der Tourismus<br />

wird als „Entwicklungsmotor“ (VF/P) und wichtige Säule der mittel- und<br />

langfristigen Stadtentwicklung wahrgenommen (vgl. ebd., PCM/V). Nicht nur schaffe<br />

die Tourismusbranche E<strong>in</strong>kommen durch e<strong>in</strong>e Steigerung der lokalen Nachfrage<br />

nach Produkten und nach Arbeitskraft, auch erhofft man sich daraus e<strong>in</strong> höheres<br />

Steueraufkommen (vgl. ADM/V). Dem gegenüber werden <strong>in</strong> Pemba wie <strong>in</strong> Vilankulo<br />

auch negative Effekte des Tourismus erkannt. Erstens haben Teile der Bevölkerung<br />

ger<strong>in</strong>gen bis ke<strong>in</strong>en Nutzen des Tourismus. In Vilankulo kritisiert man, dass Gew<strong>in</strong>ne<br />

nicht vor Ort re<strong>in</strong>vestiert und die Steuern <strong>in</strong> erster L<strong>in</strong>ie dem Staat zugute kommen<br />

(vgl. PCM/V). Die arbeitsmarktpolitischen Wirkungen bleiben aufgrund der für<br />

die lokale Bevölkerung zu hohen Qualifikationsanforderungen beschränkt. Ferner<br />

hat die lokale Bevölkerung <strong>in</strong> der Regel ke<strong>in</strong>en Zugang zu touristischen Orten – teilweise<br />

mit rassistischem H<strong>in</strong>tergrund (vgl. PCM/V, PAM/V, VU/V, SDB/V,<br />

ADM/V, VF/V). Dies wird <strong>in</strong> Verb<strong>in</strong>dung mit gestiegenen materiellen Anreizen als<br />

e<strong>in</strong>e Ursache für die Steigerung der Krim<strong>in</strong>alität und Gefährdung der öffentlichen<br />

Sicherheit aufgefasst (vgl. PRM/P, PAD/P). Zweitens führt der Tourismus zu e<strong>in</strong>er<br />

verstärkten Belastung der kommunalen Infrastrukturen und der Umwelt (vgl. VF/P,<br />

PAM/V). Damit ist nicht auszuschließen, dass der Tourismus Konflikte erzeugt oder<br />

verschärft. Drittens erwartet man negative Effekte aus dem ‚unvermittelten’ Kontakt<br />

mit Fremden. Demnach beschleunigt die Ause<strong>in</strong>andersetzung mit fremden Praktiken<br />

und Werten die Modernisierung, <strong>in</strong>folgedessen Entfremdungsersche<strong>in</strong>ungen wie<br />

Alkohol- und Drogenkonsum, K<strong>in</strong>derprostitution oder AIDS befürchtet werden<br />

(vgl. PAD/P, SAS/V, SDB/V).<br />

In Pemba, Catandica, Manica und Vilankulo wird die Situation der Jugend als „ernstes<br />

Problem“ (VEC/C) bewertet. Neben ihrem zahlenmäßigen Gewicht s<strong>in</strong>d es v.a.<br />

Jugendliche, die am stärksten den negativen Folgeeffekten der Modernisierung sowie<br />

der des<strong>in</strong>tegrativen Wirkung <strong>von</strong> Drogen und AIDS ausgesetzt und für deren Wirkungen<br />

empfänglich s<strong>in</strong>d. In den <strong>vier</strong> <strong>Kommunen</strong> werden die schlechten Zukunftsaussichten,<br />

Langeweile und Frustration <strong>in</strong>folge fehlender Ausbildungsmöglichkeiten<br />

und Arbeitslosigkeit als Ursachen für Krim<strong>in</strong>alisierung, Prostitution sowie Alkoholund<br />

Drogenkonsum gesehen. Für männliche Jungendliche s<strong>in</strong>d Verbrechen kurzfris-<br />

110


Konfliktpotentiale und Konflikte<br />

tige E<strong>in</strong>kommensmöglichkeiten. Ihre Marg<strong>in</strong>alisierung wird <strong>in</strong> Gruppenzusammenhängen<br />

selbstverstärkt (vgl. PDB/M, FAO/M). Junge Mädchen erkennen <strong>in</strong> der<br />

Prostitution kurzfristige E<strong>in</strong>kommenschancen. Demnach führt die Nachahmung der<br />

<strong>in</strong> ausländischen Videofilmen gezeigten Lebensstile und Gewaltpraktiken zur Zerstörung<br />

der lokalen Kultur und Werte und ist e<strong>in</strong>e wesentliche Ursache für Vandalismus<br />

und Krim<strong>in</strong>alität <strong>in</strong> der Geme<strong>in</strong>de (vgl. PC/C). Angesichts der Komplexität des<br />

Problems zeigt sich die Elterngeneration überfordert und kann ke<strong>in</strong>e Orientierung<br />

anbieten. Mittel- und langfristig besteht hier also e<strong>in</strong> nicht zu vernachlässigendes<br />

Gewaltpotential.<br />

4.1.2 Allgeme<strong>in</strong>e strukturelle Bed<strong>in</strong>gungen<br />

Geographische Lage. In den <strong>vier</strong> <strong>Kommunen</strong> wurde die geographische Lage ambivalent<br />

bewertet. Zum e<strong>in</strong>en ergeben sich aus der Lage wichtige Entwicklungspotentiale,<br />

zum anderen wird <strong>in</strong> dieser die Ursache vieler Probleme gesehen. In Pemba und<br />

Vilankulo bietet die Küstenlage wichtige E<strong>in</strong>kommensquellen (z.B. Fischerei, Tourismus).<br />

In Catandica und Manica s<strong>in</strong>d die Korridorlage und die Nähe zu Simbabwe<br />

beträchtlich für die lokale Wirtschaft (Handel, Hotelwirtschaft). Doch <strong>in</strong> Catandica<br />

wie <strong>in</strong> Manica nennen Befragte beide Faktoren als Erklärung für die starke Verbreitung<br />

<strong>von</strong> Krim<strong>in</strong>alität und AIDS (vgl. PC/C, PAM/M). Auch negativ bewertete Modernisierungsphänomene<br />

wie die Nichtachtung lokaler Kleidersitten werden auf den<br />

regen Personenverkehr aus Simbabwe zurückgeführt. Mehrere Befragte glauben, dass<br />

die Probleme nicht so gra<strong>vier</strong>end wären, wäre Catandica weiter vom Korridor entfernt<br />

(vgl. VEC/C, PC/C, KUB/C). In Pemba und Vilankulo verh<strong>in</strong>dern die beschränkten<br />

Zugangsmöglichkeiten zu beiden Küstenstädten e<strong>in</strong>en<br />

Durchgangsverkehr, weshalb sich Befragte vergleichsweise sicher fühlen (vgl.<br />

ADM/V, SDB/V). In Pemba spielen zwei Faktoren e<strong>in</strong>e entscheidende Rolle bei der<br />

E<strong>in</strong>schätzung der Sicherheitslage. Zum e<strong>in</strong>en führt der stetige Anstieg der Stadtbevölkerung<br />

zu e<strong>in</strong>er Überbelastung der kommunalen Infrastrukturen und zum anderen<br />

hat die verstärkte Anwesenheit <strong>von</strong> Migranten aus Tansania und Malawi<br />

Konkurrenzgefühle und Ressentiments zur Folge. In Bezug auf die F<strong>in</strong>anzkraft trifft<br />

es die Landkommune Catandica <strong>von</strong> den <strong>vier</strong> <strong>Kommunen</strong> am härtesten. Aufgrund<br />

der Armut der Bevölkerung hat Catandica Schwierigkeiten, Steuermittel zu akquirieren<br />

(vgl. VF/C), weshalb schon die Bezahlung der 53 Geme<strong>in</strong>defunktionäre und die<br />

Entschädigung der Ratsmitglieder für drei außerordentliche Tagungen gemäß den<br />

<strong>von</strong> der Zentralregierung festgelegten Tarifen e<strong>in</strong> Problem darstellt.<br />

111


Konfliktpotentiale und Konflikte<br />

Umwelt und Ressourcen. In Catandica, Manica und Vilankulo wird die Konfliktrelevanz<br />

<strong>von</strong> Umweltproblemen als ger<strong>in</strong>g aufgefasst. Allenfalls werden Probleme mit<br />

der Wasserversorgung festgestellt, die jedoch <strong>in</strong> den genannten <strong>Kommunen</strong> nicht zu<br />

Spannungen führen (vgl. ADM/C, AND/M). In Manica ist das Wasserversorgungssystem<br />

veraltet und hält der Bevölkerungszunahme nicht stand. Obwohl es während der<br />

Trockenzeit (September bis November) regelmäßig zu kle<strong>in</strong>eren Disputen an den<br />

wenigen Wasserstellen kommt, empf<strong>in</strong>det die Kommunalverwaltung die Bevölkerung<br />

gegenüber der Kommune als nachsichtig (vgl. PAM/M). Für Unzufriedenheit sorgt<br />

<strong>in</strong>des die Ungleichbehandlung bei der Wasserversorgung (vgl. AND/M, VF/M).<br />

Ähnliches gilt <strong>in</strong> Vilankulo, wo seit E<strong>in</strong>führung der Selbstverwaltung mehrere Wasserpumpen<br />

e<strong>in</strong>gerichtet wurden. Während <strong>in</strong> manchen Ortsteilen das Verteilungssystem<br />

defizitär ist und illegal Anschlüsse gelegt werden, haben Hotels und<br />

Apartmentsiedlungen ideale Bed<strong>in</strong>gungen. In Pemba bestehen Versorgungsprobleme<br />

aufgrund der hohen Bevölkerungszahl und der schlechten Wasserqualität. Insbesondere<br />

während der Regenzeit wird Tr<strong>in</strong>kwasser knapp. Aber auch die Abwasserentsorgung<br />

stellt zz. e<strong>in</strong> Problem dar. Die dichte Besiedlung Pembas führt zu<br />

Umweltdegradation <strong>in</strong> Bezug auf Holzressourcen, die als Baumaterial und als Energiequelle<br />

Verwendung f<strong>in</strong>den. Probleme <strong>in</strong>folge e<strong>in</strong>es erhöhten Müllaufkommens<br />

und fehlender Mittel zur Entsorgung konnten trotz e<strong>in</strong>er e<strong>in</strong>geführten Müll-Steuer<br />

(10.000 Mt <strong>in</strong> der Cidade de Cimento) bis zum Untersuchungszeitpunkt nicht gelöst<br />

werden. Von e<strong>in</strong>em Müllproblem wird auch <strong>in</strong> Vilankulo gesprochen.<br />

4.1.3 Des<strong>in</strong>tegrative Faktoren<br />

Kriegserfahrungen. Der Krieg hatte massiven E<strong>in</strong>fluss auf die sozialen Strukturen.<br />

Insbesondere <strong>in</strong> Catandica ist es Befragten zufolge zu starken psychosozialen Kriegsschädigungen<br />

gekommen. E<strong>in</strong> régulo beschreibt, dass nach dem Krieg der „Verfall des<br />

E<strong>in</strong>zelnen“ begonnen habe, da viele den Traditionen nicht mehr folgen können (vgl.<br />

REG/C). Die Bevölkerung <strong>in</strong> dieser Region hat drei Kriege über den Zeitraum <strong>von</strong><br />

26 Jahren erlebt. Noch heute haben traumatisierte Soldaten und Zivilisten Schwierigkeiten,<br />

sich an e<strong>in</strong> ziviles Leben anzupassen (vgl. PCM/C, ADE/C). Auch <strong>in</strong> Manica<br />

und Vilankulo wird die demoralisierende und enthemmende Wirkung des Krieges<br />

hervorgehoben. Da die demobilisierten und rückkehrenden Soldaten unzureichend<br />

<strong>in</strong>s zivile Leben begleitet wurden, s<strong>in</strong>d vermehrt Symptome der Traumatisierung und<br />

Orientierungslosigkeit sowie Situationen des Elends unter ihnen zu f<strong>in</strong>den (vgl.<br />

IBR/V). Aufgrund e<strong>in</strong>es stark vom Krieg geprägten Habitus fehlt ihnen Verantwor-<br />

112


Konfliktpotentiale und Konflikte<br />

tungsgefühl und Geme<strong>in</strong>schaftss<strong>in</strong>n (vgl. AC/V). Ehemalige Soldaten leiden stark<br />

unter Alkohol- und Drogenproblemen (vgl. AC/C). Vor allem das Scheitern <strong>von</strong><br />

Re<strong>in</strong>tegrationsbemühungen und Arbeitslosigkeit werden als Ursache für die Krim<strong>in</strong>alität<br />

unter ehemaligen Soldaten gesehen (vgl. ADE/C).<br />

Drogen und AIDS. Das Thema Drogen spielt <strong>in</strong> Pemba, Manica und Vilankulo e<strong>in</strong>e<br />

wichtige, <strong>in</strong> Catandica e<strong>in</strong>e weniger wichtige Rolle. Befrage sehen den Konsum <strong>von</strong><br />

Drogen und Alkohol <strong>in</strong> Zusammenhang mit biographischen Krisen, Traumatisierungen<br />

und sozialer Marg<strong>in</strong>alisierung. Betroffen s<strong>in</strong>d <strong>in</strong>sbesondere traumatisierte ehemalige<br />

Kombattanten, Arbeitslose, Krim<strong>in</strong>elle und frustrierte Jugendliche (vgl. PRM/P).<br />

In Catandica werden Drogenkonsum und –handel als Folge der Armut aufgefasst<br />

(vgl. VEC/C, PC/C, PSI/C, KUB/C). Für mehrere Befragte werden erst durch die<br />

enthemmende Wirkung des Drogen- und Alkoholkonsums krim<strong>in</strong>elle Handlungen<br />

möglich (vgl. PRM/P, VF/P, AND/M, PDB/M). Die Geme<strong>in</strong>depolizei <strong>von</strong> Vilankulo<br />

erkennt e<strong>in</strong>en Zusammenhang zwischen der Menge produzierter Drogen und der<br />

Häufigkeit <strong>von</strong> Gewaltdelikten (vgl. PC/V). Häufig werden durch die Herstellung<br />

e<strong>in</strong>er Beziehung zu Drogenkonsum und –handel bestimmte soziale Gruppen negativ<br />

attribuiert und krim<strong>in</strong>alisiert. In Pemba wird Migranten und Flüchtl<strong>in</strong>gen auffällig<br />

stark e<strong>in</strong> Zusammenhang zu Drogen attribuiert (vgl. PCM/P, LDH/P). In Manica<br />

wird der lokale Drogenhandel als Folge der Zunahme des Personen- und Güterverkehrs<br />

und die Vertiefung der Grenzbeziehungen zu Simbabwe verstanden.<br />

Die Prov<strong>in</strong>z Manica weist mit 21,1 % die höchste, Cabo Delgado mit 6,4 % die<br />

zweitniedrigste HIV-Infektionsrate <strong>in</strong> Mosambik auf (vgl. NCHS/P). In der Prov<strong>in</strong>z<br />

Inhambane s<strong>in</strong>d 9,6 % der Erwachsenen mit dem HI-Virus <strong>in</strong>fiziert (vgl. ebd.). In<br />

den <strong>vier</strong> <strong>Kommunen</strong> wurde AIDS als e<strong>in</strong> ‚Importprodukt’ aufgefasst. In Pemba erklärt<br />

man die Ausbreitung <strong>von</strong> AIDS mit der Anwesenheit <strong>von</strong> Händlern und<br />

Migranten aus Tansania (vgl. PCM/P, PAM/P, PAD/P, ADPP/P). In Catandica und<br />

Manica werden die Nähe zu Simbabwe sowie die Korridorlage als Erklärung für die<br />

hohen Infektionsraten angegeben (vgl. VEC/C, KUB/C, AND/M, PAM/M). In Vilankulo<br />

bewertet man AIDS v.a. als e<strong>in</strong> Problem unter Simbabwern und Südafrikanern<br />

(vgl. PAM/V). So werden v.a. LKW- und Busfahrer, fahrende Händler und<br />

Arbeiter als größte Risikogruppe aufgefasst (vgl. PAD/P, PAM/M, AND/M). Aufgrund<br />

armutsbed<strong>in</strong>gter Prostitution s<strong>in</strong>d aber auch Jugendliche und Frauen stark<br />

gefährdet (vgl. PSI/C, KUB/C, AND/M). Aufklärungsprogramme wie das Verbot<br />

bestimmter Praktiken scheitern zum e<strong>in</strong>en aufgrund des schlechten Zugangs zu den<br />

113


Konfliktpotentiale und Konflikte<br />

Zielgruppen und zum anderen <strong>in</strong>folge der kulturellen Verankerung <strong>von</strong> (Sexual-)<br />

Verhaltensweisen sowie traditioneller Heil- und Initiationspraktiken (vgl.<br />

ADPP/P, PAM/P, VEC/C, PSI/C, KUB/C, AND/M). In Catandica verlangt man<br />

darum nach e<strong>in</strong>er restriktiveren Gesetzgebung und der Durchsetzung harter Maßnahmen<br />

(vgl. PCM/P, PSI/C, KUB/C). 75 Vor allem <strong>in</strong> Pemba und Catandica spüren<br />

die Menschen des<strong>in</strong>tegrative Wirkungen <strong>von</strong> AIDS, die zu e<strong>in</strong>em allgeme<strong>in</strong>en Klima<br />

der Angst und des Misstrauens führen (vgl. PCM/P, KUB/C). Als e<strong>in</strong> Beleg für die<br />

Missachtung moralischer Grundsätze wird das absichtliche Infizieren mit HIV genannt<br />

(vgl. PSI/C). In Vilankulo zeigt man sich zum AIDS-Thema eher zuversichtlich,<br />

da man e<strong>in</strong>en leichten Rückgang der HIV-Infektionsrate konstatiert (vgl.<br />

VEC/V, PAM/V).<br />

4.1.4 Krim<strong>in</strong>alität<br />

Pemba. Die Krim<strong>in</strong>alität <strong>in</strong> Pemba ist nach E<strong>in</strong>schätzung der Mehrheit der Befragten<br />

<strong>in</strong> den letzten Jahren gestiegen, <strong>in</strong>sbesondere seit den tödlich verlaufenden Demonstrationen<br />

im November 2000 (vgl. PRM/P, VF/P), wird aber <strong>von</strong> e<strong>in</strong>igen<br />

Gesprächspartnern als normal und nicht beunruhigend beschrieben (vgl. AMD/P).<br />

Sowohl die Prov<strong>in</strong>z Cabo Delgado als auch die Stadt Pemba gelten als verhältnismäßig<br />

ruhig. 76 Insgesamt wird die Sicherheitssituation <strong>von</strong> vielen eher positiv bewertet. 77<br />

Zur Erklärung der Krim<strong>in</strong>alität werden v.a. fünf Themenkomplexe angesprochen:<br />

Sozioökonomische Entwicklung, Migration, Arbeitslosigkeit, Drogen- und Alkoholkonsum<br />

sowie die Ereignisse <strong>von</strong> Montepuez im November 2000. E<strong>in</strong>ige Befragte<br />

sehen den Anstieg der Krim<strong>in</strong>alitätsrate <strong>in</strong> Pemba als natürliche Begleitersche<strong>in</strong>ung<br />

des Wandels und des Wachstums. Die tief greifenden ökonomischen und <strong>in</strong>frastrukturellen<br />

Transformationen locken seit 1998 viele Menschen <strong>in</strong> die Stadt. In Ermangelung<br />

legaler E<strong>in</strong>kommensquellen wenden sich Menschen krim<strong>in</strong>ellen Alternativen zu<br />

(vgl. PRM/P, PAM/P, PCM/P, PDB/P). Oftmals wird der Anstieg der Krim<strong>in</strong>alitätsrate<br />

<strong>in</strong> Pemba mit der ebenso zugenommenen Migration <strong>in</strong> Verb<strong>in</strong>dung gebracht<br />

(vgl. CIU/P, LDH/P, PAD/P, UMO/P). Frustration <strong>in</strong>folge unerfüllter Erwartungen<br />

75 Dabei wurde auch Bezug genommen zu früheren Diszipl<strong>in</strong>ierungspraktiken (u.a. <strong>in</strong> Umerziehungslager),<br />

die Zügellosigkeit und Respektlosigkeit verh<strong>in</strong>derten: „No tempo de Samora<br />

Machel n<strong>in</strong>guém fazia essas porcarias.“ („Zu Samora Machels Zeiten machte niemand solche<br />

Schwe<strong>in</strong>ereien“; KUB/C)<br />

76 „Die Krim<strong>in</strong>alität ist auf niedrigem Niveau“ (FRE/P, AMA/P); „Im Nationalen Vergleich ist<br />

Pemba noch sehr kle<strong>in</strong>“ (CIU/P).<br />

77 Die Lage sei... „verbessert“ (FRE/P); „noch nicht erschreckend im Vergleich zu anderen<br />

Prov<strong>in</strong>zen“( AMO/P, PRM/P); „Die Lage habe sich beruhigt“( PDB/P).<br />

114


Konfliktpotentiale und Konflikte<br />

und hohen Bevölkerungsdrucks sowie e<strong>in</strong> entsprechendes „förderliches soziales<br />

Klima“ 78 steigert nach Auffassung <strong>von</strong> Befragten bei Migranten die Bereitschaft zu<br />

krim<strong>in</strong>ellem Verhalten (vgl. PAD/P). 79 Verbreitet ist auch die Auffassung, dass der<br />

Alkohol- und Drogenkonsum die Bereitschaft zu krim<strong>in</strong>ellen Handlungen verstärkt<br />

(vgl. PCM/P, PRM/P). Der enge Zusammenhang zwischen den Ereignissen vom<br />

November 2000 <strong>in</strong> Montepuez und dem Anstieg der lokalen Verbrechensrate gründet<br />

auf den Beobachtungen, dass die tödlichen Vorfälle die Hemmschwelle zur Gewalt<br />

gesenkt hätten und der Gebrauch <strong>von</strong> Schusswaffen seitdem signifikant<br />

zugenommen habe (vgl. PRM/P).<br />

Catandica. In Catandica wird die Bewertung der Sicherheitslage offensichtlich <strong>von</strong><br />

den Befragten <strong>in</strong> Zusammenhang mit der eigenen Arbeit gebracht, so dass teilweise<br />

<strong>von</strong> e<strong>in</strong>er Verzerrung ausgegangen werden muss. Die Frelimo gibt beispielsweise an,<br />

dass Catandica sicher sei – zumal die Partei die Bekämpfung <strong>von</strong> Krim<strong>in</strong>alität und<br />

Gewalt zur Chefsache erklärt habe (vgl. FRE/C). Vertreter des Verbandes ehemaliger<br />

Kombattanten fühlen sich <strong>in</strong> Catandica zwar sicher, berichten jedoch <strong>von</strong> e<strong>in</strong>er Diebesbande,<br />

die im Umland die Menschen belästige und für Unsicherheit sorge (vgl.<br />

AC/C). Die NGO PSI bemerkt e<strong>in</strong>e allgeme<strong>in</strong>e Unsicherheit (vgl. PSI/C) und die<br />

befragten régulos weisen auf die vielen Raubfälle <strong>in</strong> ihren Zuständigkeitsbereichen h<strong>in</strong><br />

(vgl. REG/C). Die Geme<strong>in</strong>depolizei weiß <strong>von</strong> unerlaubtem Glücksspiel, Geldhandel<br />

und Warenschmuggel aus Simbabwe (vgl. PC/C). Die Polizei ergänzt Fälle <strong>von</strong> Körperverletzung<br />

und Eigentumsdelikten (vgl. PRM/C). Der Adm<strong>in</strong>istrator <strong>von</strong> Báruè<br />

geht <strong>von</strong> e<strong>in</strong>er vergleichsweise niedrigen Rate kle<strong>in</strong>erer Delikte wie Diebstahl, e<strong>in</strong>facher<br />

Raub und Streitereien aus (vgl. ADM/C). Als häufigste Motive für Körperverletzung<br />

werden Alkoholkonsum und Eifersucht und für Eigentumsdelikte Habgier<br />

genannt (vgl. PRM/C). Laut Polizei sei die Verbrechensrate <strong>in</strong> den Jahren 1999-2002<br />

gesunken, was auf die starke Beteiligung der Bevölkerung an der Polizeiarbeit zurückgeführt<br />

wird (vgl. PRM/C). Die Bereitschaft der Bevölkerung, Verbrechen zur<br />

Anzeige zu br<strong>in</strong>gen, schätzt die Polizei als Ausdruck des Vertrauens <strong>in</strong> ihre Institution<br />

(vgl. PRM/C). Indes erklären die secretários dos bairros die gesunkene Verbrechens-<br />

78 Argumentiert wird, dass die Migration für kulturelle Heterogenität sorge, zu e<strong>in</strong>er Abnahme<br />

b<strong>in</strong>dender Wert- und Moralvorstellungen und damit zum Aufbruch <strong>von</strong> Mechanismen sozialer<br />

Kontrolle führe (vgl. PAD/P).<br />

79 Inwieweit es sich um Ressentiments gegenüber Fremden oder um e<strong>in</strong>e tatsächliche Beobachtung<br />

handelt, ist schwer e<strong>in</strong>zuschätzen. Beispielsweise kann die Renamo e<strong>in</strong> Phänomen tansanischer<br />

Krim<strong>in</strong>alität nicht erkennen. Hierfür spricht auch, dass nur <strong>in</strong> zwei Fällen<br />

Ausländer (Tansanier) e<strong>in</strong>es Verbrechens überführt werden konnten (vgl. PRM/P).<br />

115


Konfliktpotentiale und Konflikte<br />

rate mit dem starken Zusammenhalt <strong>in</strong>nerhalb der Bevölkerung: Die Bürger kennen<br />

sich sehr gut und es gibt e<strong>in</strong>e gute Koord<strong>in</strong>ation (vgl. SDB/C).<br />

Manica. Zwar wird übere<strong>in</strong>stimmend <strong>in</strong> Manica e<strong>in</strong> Anstieg der Krim<strong>in</strong>alitätsrate<br />

seit 1992 festgestellt, doch bestehen Unterschiede im H<strong>in</strong>blick auf die Erklärungen<br />

hierfür wie auch auf die E<strong>in</strong>schätzungen der Sicherheitslage. Als Begründungen werden<br />

die Zunahme materieller Interessen der Bevölkerung, die durch den Frieden<br />

ermöglichten Bewegungsströme (vgl. PRM/M) sowie die E<strong>in</strong>führung der Demokratie<br />

und der gleichzeitige Rückgang der sozialen Kontrolle (vgl. PDB/M) genannt. Die<br />

Sicherheitslage wird <strong>von</strong> e<strong>in</strong>igen als „normal“ 80 bzw. „nicht alarmierend“ (vgl.<br />

PAM/M, PCM/M, PRM/M) bezeichnet. Andere wiederum geben an, sie fühlten<br />

sich immer noch durch e<strong>in</strong>e Vielzahl <strong>von</strong> Raubüberfällen bedroht (vgl. PDB/M,<br />

PC/M). E<strong>in</strong> Gefühl der Unsicherheit erzeugen die Situation <strong>in</strong> Simbabwe und die<br />

Vorfälle an Grenzübergängen, bei denen gleichermaßen Simbabwer und Mosambikaner<br />

ums Leben gekommen s<strong>in</strong>d (vgl. AND/M). Für die weitere Entwicklung der<br />

Sicherheitssituation wird als entscheidend aufgefasst, dass Verbrechen nicht unbestraft<br />

bleiben und zum Anreiz für Straftaten anderer werden (vgl. FAO/M, PDB/M).<br />

Während die PRM angibt, dass gegenwärtig leichtere Delikte wie Diebstahl, Raub<br />

und leichte Körperverletzungen dom<strong>in</strong>ieren (vgl. PRM/M), weisen e<strong>in</strong>ige Befragte<br />

auf mehrere ungeklärte Mordfälle h<strong>in</strong> (vgl. PC/M, ACT/M, AND/M, PDB/M). Für<br />

die Verbrechen werden <strong>in</strong> erster L<strong>in</strong>ie Jugendliche zwischen 15 und 18 Jahren verantwortlich<br />

gemacht, die aufgrund <strong>von</strong> Arbeitslosigkeit, Langeweile und Perspektivlosigkeit<br />

krim<strong>in</strong>ell aktiv werden (vgl. PDB/M). Drogenkonsum und ausländische<br />

Filme werden als verstärkender Faktor, teilweise sogar als Ursache verstanden (vgl.<br />

PAM/M). Es wird jedoch vermutet, dass die Del<strong>in</strong>quenten nicht aus Manica sondern<br />

aus den benachbarten Großstädten Beira und Chimoio stammen (vgl. PDB/M). Die<br />

Geme<strong>in</strong>depolizei schätzt den E<strong>in</strong>fluss des Beira-Korridors auf die Entwicklung der<br />

Krim<strong>in</strong>alität <strong>in</strong> Manica als ger<strong>in</strong>g e<strong>in</strong> (vgl. PC/M).<br />

Vilankulo. In Vilankulo geben mehrere Befragte e<strong>in</strong>e positive E<strong>in</strong>schätzung zur<br />

Sicherheitslage an (vgl. ADM/V, FRE/V, PCM/V, PAM/V, PRM/V, REN/V). Insbesondere<br />

im Vergleich zu anderen Orten wie Mass<strong>in</strong>ga, die <strong>in</strong>frastrukturelle Knotenpunkte<br />

darstellen, ist Vilankulo ruhig (vgl. ADM/V). Das Krim<strong>in</strong>alitätsausmaß<br />

wird als normale Konsequenz der sozioökonomischen Entwicklung und der Freiheit<br />

80 „Wo Menschen leben, s<strong>in</strong>d Gewalt und Krim<strong>in</strong>alität nicht auszuschließen“ (PAM/M).<br />

116


Konfliktpotentiale und Konflikte<br />

der Bürger seit der Kommunalreform aufgefasst (vgl. PRM/V). In den meisten Fällen<br />

wurden vornehmlich kle<strong>in</strong>ere (Eigentums-) Delikte genannt (vgl. FRE/V,<br />

PAM/V, PRM/V). Befragte nennen v.a. K<strong>in</strong>der und Jugendliche sowie Marg<strong>in</strong>alisierte<br />

aus anderen Orten als Täter (vgl. AC/V, PAM/V, COM/V). Demnach entsteht<br />

Gewalt erst im Zusammenhang mit Alkoholkonsum (vgl. PAM/V). <strong>E<strong>in</strong>e</strong> andere<br />

E<strong>in</strong>schätzung geben die secretários dos bairros, die e<strong>in</strong>e deutliche Verschlechterung der<br />

Sicherheitssituation erkennen, die sie an e<strong>in</strong>er großen Zahl <strong>von</strong> Raubüberfällen und<br />

Gewaltfällen bis h<strong>in</strong> zu Tötungsdelikten <strong>in</strong> den Jahren 2001 und 2002 erkennen (vgl.<br />

SDB/V). Die Polizei sieht die Situation unter Kontrolle (vgl. PRM/V). Die Krim<strong>in</strong>alitätsentwicklung<br />

wird erklärt zum e<strong>in</strong>en als Frustrationsverhalten <strong>in</strong>folge nicht befriedigter<br />

Bedürfnisse, die v.a. nach der Kommunalreform entstanden (vgl. PRM/V),<br />

und zum anderen durch die Anreize angesichts der starken Präsenz wohlhabender<br />

Südafrikaner und Simbabwer (vgl. SAS/V).<br />

4.1.5 Gewaltbereitschaft<br />

Pemba. In der Öffentlichkeit ist das Bild weit verbreitetet, dass die Menschen <strong>in</strong><br />

Cabo Delgado im Vergleich zu anderen Prov<strong>in</strong>zen weniger gewaltsam s<strong>in</strong>d (vgl.<br />

PAD/P, PRM/P). Die Bevölkerung <strong>von</strong> Cabo Delgado wird als sehr besonnen und<br />

passiv charakterisiert (vgl. CIU/P, LDH/P). <strong>E<strong>in</strong>e</strong> Ursache hierfür wird <strong>in</strong> der Glaubenszugehörigkeit<br />

der lokalen Bevölkerung gesehen. Die islamische Geme<strong>in</strong>schaft <strong>in</strong><br />

Pemba stellt die konfessionelle Mehrheit (vgl. AMA/P), ihr Anteil wird auf etwa<br />

90 % geschätzt (vgl. CIU/P). Es wird da<strong>von</strong> ausgegangen, dass Glaubensgeme<strong>in</strong>schaft<br />

und Religionserziehung stark <strong>in</strong>tegrierend und moralisierend wirken und damit<br />

wesentlich zur gewaltfreien Konfliktbearbeitung beitragen (vgl. PDB/P, AMA/P,<br />

LDH/P).<br />

Befragte nennen die heterogene Zusammensetzung der Bevölkerung als e<strong>in</strong>e weitere<br />

Erklärung für das friedliche Zusammenleben <strong>in</strong> Pemba, so dass ke<strong>in</strong>e Gruppe alle<strong>in</strong>ige<br />

Ansprüche erheben kann (vgl. PAD/P). Ungeachtet des Rufs wird <strong>von</strong> e<strong>in</strong>er erhöhten<br />

Gewaltbereitschaft der Bevölkerung Pembas gegenüber verme<strong>in</strong>tlichen<br />

Verbrechern berichtet. Aufgrund der als <strong>in</strong>effektiv bewerteten Arbeit <strong>von</strong> Polizei und<br />

Sicherheitsdiensten wird Lynchjustiz als gerechtfertigt empfunden (vgl. LDH/P). Für<br />

e<strong>in</strong>en Fall, bei dem auf dem zentralen Markt e<strong>in</strong> mutmaßlicher Dieb zu Tode geschlagen<br />

wurde, werden allerd<strong>in</strong>gs ausländische Händler verantwortlich gemacht.<br />

117


Konfliktpotentiale und Konflikte<br />

<strong>E<strong>in</strong>e</strong> erhöhte Gewaltbereitschaft wird auch der Polizei vorgeworfen. So habe die<br />

PRM am 4.1.2002 ohne erkennbaren Anlass Bürger verprügelt. Als Motiv nannte die<br />

PRM die Notwendigkeit strikter Maßnahmen zur effektiven Verbrechensbekämpfung<br />

(vgl. LDH/P). Auch gegenüber der Renamo solle die Polizei e<strong>in</strong>e erhöhte Gewaltbereitschaft<br />

gezeigt haben (vgl. REN/P).<br />

Befragte gehen da<strong>von</strong> aus, dass bei den politischen Parteien ke<strong>in</strong>e Form organisierter<br />

Gewalt vorliegt. Wenn es zu Gewalt kommt, wird dies als selbstständiges und opportunistisches<br />

Handeln der Parteimitglieder aufgefasst. Aus diesem Grund weist man<br />

dem Fall Montepuez sehr hohe Bedeutung zu (vgl. LDH/P). Die Parteien selbst geben<br />

sich pazifistisch (vgl. REN/P, FRE/P). Demgemäß sei es <strong>in</strong>nerhalb Pembas noch<br />

nicht zu Gewalt zwischen den beiden politischen Parteien gekommen. Im Gegensatz<br />

dazu wirft die Renamo der Frelimo vor, im Umland Renamo-Mitglieder geschlagen<br />

sowie E<strong>in</strong>richtungen und Symbole der Renamo zerstört zu haben (vgl. REN/P).<br />

Demnach komme es täglich zu Bedrohungen, Prügeleien und Todesfällen (vgl. ebd.).<br />

Catandica. Die Bevölkerung der Manica-Prov<strong>in</strong>z steht im Ruf, e<strong>in</strong>e höhere Gewaltbereitschaft<br />

zu haben als die Bevölkerung <strong>in</strong> anderen Prov<strong>in</strong>zen. So beschreibt der<br />

Demobilisiertenverband die Bevölkerung zwar als passiv, sie sei jedoch im Falle widerfahrenden<br />

Unrechts zu Gewalt bereit (vgl. ADE/C). Bislang sei laut der befragten<br />

régulos ke<strong>in</strong> Fall <strong>von</strong> Lynchjustiz registriert worden (vgl. REG/C).<br />

Sämtliche Gesprächspartner distanzieren sich <strong>von</strong> e<strong>in</strong>er Androhung oder Anwendung<br />

<strong>von</strong> Gewalt. Dagegen schreibt man den Gegenparteien e<strong>in</strong>e erhöhte Bereitschaft<br />

zur Anwendung physischer Gewalt zu. E<strong>in</strong> solches Antwortmuster erschwert<br />

die E<strong>in</strong>schätzung der tatsächlichen Gewaltbereitschaft <strong>in</strong> Catandica. Es muss da<strong>von</strong><br />

ausgegangen werden, dass die Anwendung physischer Gewalt als Handlungsoption<br />

nicht ausgeschlossen werden kann – <strong>in</strong>sbesondere unter der ‚Sogwirkung’ <strong>von</strong> Ereignissen<br />

wie <strong>in</strong> Montepuez. E<strong>in</strong> Schlüsselfaktor stellt dabei der Organisationsgrad der<br />

Gewalt dar. Die beiden Parteien Frelimo und Renamo heben sich h<strong>in</strong>sichtlich Mobilisierungs-<br />

und Organisationspotential <strong>von</strong> anderen zum Konflikt fähigen Akteuren<br />

ab. Neben der wechselseitig vorgeworfenen physischen Gewalt <strong>in</strong> Form <strong>von</strong> Schlägereien<br />

werden der Renamo auch gezielte Sabotageakte unterstellt (vgl. PCM/C). Die<br />

Frelimo h<strong>in</strong>gegen nutze vermehrt strukturelle Gewaltmittel zur Marg<strong>in</strong>alisierung der<br />

Renamo-Opposition <strong>in</strong> Öffentlichkeit und Medien (vgl. REN/C).<br />

<strong>E<strong>in</strong>e</strong> weitere entscheidende Bed<strong>in</strong>gung für das erreichbare Gewaltausmaß ist die<br />

Verbreitung <strong>von</strong> Kle<strong>in</strong>waffen. Der Verbreitungsgrad wird unterschiedlich e<strong>in</strong>ge-<br />

118


Konfliktpotentiale und Konflikte<br />

schätzt. E<strong>in</strong>ige Befragte glauben, dass weiterh<strong>in</strong> Waffenverstecke der Renamo <strong>in</strong> der<br />

Region vorhanden s<strong>in</strong>d (vgl. ADM/C, ADE/C, PC/C). Sie begründen ihre E<strong>in</strong>schätzung<br />

mit der Nähe zur ehemaligen Basis der Renamo, e<strong>in</strong>er großen Unterstützung<br />

der Renamo durch die lokale Bevölkerung (vgl. ADM/C), der starken Frequentierung<br />

des Ortes durch Fremde (vgl. PC/C) sowie der Absicht, die Waffen zu späterer Gelegenheit<br />

(bei Verbrechen) nutzen zu können (vgl. ADE/C). E<strong>in</strong>ige bezweifeln h<strong>in</strong>gegen,<br />

dass seit dem Ende des Krieges Waffen <strong>in</strong> der Bevölkerung im Umlauf s<strong>in</strong>d (vgl.<br />

AC/C, SDB/C). Die Renamo vermutet, dass e<strong>in</strong>e Waffengefahr <strong>von</strong> bewaffneten<br />

Staatsfunktionären ausgehe und beruft sich auf zwei Vorfälle, bei denen u.a. e<strong>in</strong> Polizist<br />

der PRM se<strong>in</strong>e Waffe für Verbrechen genutzt haben soll (vgl. REN/C).<br />

Manica. Sämtliche Befragte bekennen sich zum Frieden und stellen ihren E<strong>in</strong>satz<br />

zur Vermeidung e<strong>in</strong>er Gewalteskalation heraus. Frelimo und Renamo greifen dabei<br />

auf e<strong>in</strong>e ähnliche Argumentationsweise zurück, d.h. die jeweils andere Partei provoziere<br />

Anlässe für gewaltsame Reaktionen, auf die sie selbst jedoch nicht e<strong>in</strong>gehen und<br />

so den Frieden sichern (vgl. FRE/M, REN/M).<br />

Dennoch werden auch <strong>in</strong> Manica-Stadt H<strong>in</strong>weise auf e<strong>in</strong>e erhöhte Gewaltbereitschaft<br />

im regionalen Vergleich gegeben. Die NGO KWAEDZA SIMUKAI referiert, es gäbe<br />

die allgeme<strong>in</strong>e Sichtweise, dass <strong>in</strong> den Regionen, <strong>in</strong> denen die Renamo stark ist, die<br />

Bevölkerung eher „aufsässiger“ sei. Die Frelimo sei <strong>in</strong> „gemäßigteren“ Regionen<br />

stärker (vgl. KS/M).<br />

Im Viertel Xilanbuzi sei es bereits zweimal zum Lynchmord gekommen, da man der<br />

verme<strong>in</strong>tlich korrupten Polizei zugetraut habe, den Verbrecher freizulassen (vgl.<br />

PDB/M). Die polizeiliche Anwendung <strong>von</strong> Gewalt gegenüber Verbrechern wird ausdrücklich<br />

begrüßt (vgl. ebd.). 81 Der Frelimo werden Gewaltausschreitungen gegenüber<br />

dem Sprecher der Renamo vorgeworfen (vgl. REN/M). Die besondere Rolle der<br />

politischen Führer bei der Entwicklung gewaltsamer Konflikte wurde mehrfach herausgestellt,<br />

da diese durch entsprechende Anreizstrukturen Gewalt provozieren (vgl.<br />

GTZ/M) oder auch vermeiden könnten (vgl. REN/M). E<strong>in</strong>geräumt wurde, dass die<br />

Wahrnehmung <strong>von</strong> Ungerechtigkeit die Gewaltwahrsche<strong>in</strong>lichkeit steigere (vgl.<br />

ACT/M).<br />

81 „A polícia não era para br<strong>in</strong>cadeiras. Dava chamo. “ („Die Polizei hat nicht gespaßt. Sie hat<br />

richtig zugeschlagen“; PDB/M)<br />

119


Konfliktpotentiale und Konflikte<br />

Vilankulo. Die Renamo <strong>in</strong> Vilankulo bezweifelt die Aussagen der Frelimo, dass es<br />

„ke<strong>in</strong>e Fälle <strong>von</strong> Gewalt“ gegeben habe (vgl. REN/V). Sie berichtet <strong>von</strong> <strong>in</strong>direkter<br />

bzw. struktureller Gewalt gegenüber der Renamo und nennt als Beispiel die unberechtigte<br />

Inhaftierung <strong>von</strong> Renamo-Mitgliedern und die Politisierung <strong>von</strong> Ereignissen<br />

zur Diffamierung der Renamo-Partei (vgl. REN/V). Der Bürgermeister glaubt,<br />

dass Gewalt zwar unvorhersehbar sei, aber es gegenwärtig ke<strong>in</strong>e Anreize zur Gewalt<br />

gäbe (vgl. PCM/V). Der katholische Priester sieht die Gefahr e<strong>in</strong>er <strong>in</strong>teressengeleiteten<br />

Anstiftung zur Gewalt durch Eliten gegeben. Jedoch sei die Bevölkerung der<br />

Gewalt überdrüssig und zeige sich darum gegenüber den Autoritäten misstrauisch<br />

(vgl. PGA/V).<br />

Im H<strong>in</strong>blick auf die Verbreitung <strong>von</strong> Waffen heißt es e<strong>in</strong>heitlich, dass ke<strong>in</strong> unerlaubter<br />

Waffenbesitz registriert sei (vgl. ADM/V, PRM/V, PC/V). Zwar wurde e<strong>in</strong>e allgeme<strong>in</strong>e<br />

Zunahme <strong>von</strong> Verbrechen mit Schusswaffen festgestellt, doch geht die<br />

Polizei da<strong>von</strong> aus, dass die Verbrecher aus anderen Regionen kommen (vgl. PRM/V,<br />

s. auch ADM/V).<br />

4.1.6 Frieden<br />

Pemba. In Pemba geht man <strong>von</strong> der Konsolidierung des Friedens aus. Als Beleg<br />

hierfür wertet man zum e<strong>in</strong>en, dass alle Parteien mit Ausnahme der Renamo den<br />

Frieden gefeiert haben (vgl. FRE/P). Trotz des Fehlens der Renamo gäbe es ke<strong>in</strong>e<br />

Fe<strong>in</strong>dschaften (vgl. ebd.). Zum anderen betont die islamische Geme<strong>in</strong>schaft ihren<br />

großen Beitrag zur Friedensarbeit, da sie <strong>in</strong> jedem Gebet den Frieden proklamiert<br />

(vgl. CIU/P).<br />

Catandica. Sämtliche Gesprächspartner s<strong>in</strong>d <strong>von</strong> der Konsolidierung des Friedens<br />

<strong>in</strong> Catandica überzeugt. Als e<strong>in</strong> Argument wird genannt, dass die Bevölkerung ke<strong>in</strong><br />

Interesse an e<strong>in</strong>em Krieg habe (vgl. ADM/C, ADE/C): „Das Volk will sich amüsieren.“<br />

(AC/C) Die Polizei sieht ke<strong>in</strong>e Bed<strong>in</strong>gungen für e<strong>in</strong>en Krieg (vgl. PC/C,<br />

PRM/C, FRE/C). Die Geme<strong>in</strong>depolizei versucht, „absolute Ruhe zu realisieren“<br />

(PC/C). Insofern müsse e<strong>in</strong>e etwaige Aggression <strong>von</strong> außen, d.h. aus dem Ausland<br />

herangetragen werden (vgl. AC/C). Der Sprecher der Renamo beschreibt die Bevölkerung<br />

als friedens- und ordnungsliebend. Sie sei passiv und möge ke<strong>in</strong>e Unordnung.<br />

Die Menschen hätten ke<strong>in</strong> Interesse an politischer Partizipation, weil die <strong>von</strong> Politikern<br />

herangetragenen Anliegen ihnen fremd seien (vgl. REN/C). Die Konsolidierung<br />

des Friedens spiegelt sich Befragten zufolge im nationalen Feiertag am 4. Oktober,<br />

120


Konfliktpotentiale und Konflikte<br />

der überparteiisch gefeiert werden müsse: „Sogar die Schlangen sollten zufrieden<br />

se<strong>in</strong>, da sie nicht mehr durch den Krieg leiden müssen.“ (SDB/C)<br />

Manica. In erster L<strong>in</strong>ie wird die erfolgreiche Friedenskonsolidierung mit der abschreckenden<br />

Wirkung des Krieges und der hohen Lebenszufriedenheit seit dem<br />

Friedensvertrag 1992 erklärt (vgl. PAM/M, ADM/M, KS/M). Obwohl e<strong>in</strong>e kriegerische<br />

Agitation nicht auszuschließen sei (vgl. PRM/M), wird das Fehlen e<strong>in</strong>er Rechtfertigung<br />

für e<strong>in</strong>en Krieg hervorgehoben (vgl. REN/M). Es gäbe ke<strong>in</strong>e Bedrohung<br />

für den Frieden (vgl. ADM/M, VF/M, KS/M), denn sonst wäre es bereits <strong>in</strong>nerhalb<br />

der ersten 10 Jahre nach dem Friedensvertrag zu Gewaltausbrüchen gekommen (vgl.<br />

FRE/M). Das Ausbleiben e<strong>in</strong>er gewaltsamen Konfliktaustragung wird vorwiegend<br />

mit der besonderen Solidarität des mosambikanischen Volkes erklärt (vgl. ADM/M).<br />

Neben der allgeme<strong>in</strong>en Kriegsmüdigkeit (vgl. ADM/M, REN/M, GTZ/M) sei e<strong>in</strong><br />

starker Friedens- und Harmoniewille für Mosambik kennzeichnend. Demzufolge sei<br />

niemand bereit, <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Krieg zu töten oder zu sterben (vgl. REN/M): Die Bevölkerung<br />

bevorzuge es, vor Hunger als im Krieg zu sterben (vgl. GTZ/M). E<strong>in</strong>zig der<br />

Sprecher der Renamo äußerte e<strong>in</strong>e erweiterte, positive Friedens-Def<strong>in</strong>ition: Demnach<br />

bedeute die Abwesenheit <strong>von</strong> gewaltsamen militärischen Ause<strong>in</strong>andersetzungen<br />

nicht Frieden. Frieden werde über E<strong>in</strong>heit und Wohlstand def<strong>in</strong>iert, so dass aufgrund<br />

der Diskrim<strong>in</strong>ierung der Renamo nicht <strong>von</strong> Frieden gesprochen werden könne (vgl.<br />

REN/M).<br />

Vilankulo. Bezüglich der Konsolidierung des Friedens f<strong>in</strong>den sich sowohl eher zuversichtliche<br />

als auch eher skeptische Haltungen. Ihre Zuversicht erklären die Sprecher<br />

des Verbandes ehemaliger Kombattanten mit der „wohlerzogenen und passiven<br />

Natur des mosambikanischen Volkes“ (AC/V). Ähnlich sieht es der Ratsvorsitzende,<br />

der die Bevölkerung als sehr geduldig <strong>in</strong> Bezug auf die Art und Weise der Problemlösung<br />

beschreibt (vgl. PAM/V). 82 Der Friedenswunsch sei <strong>in</strong> der Bevölkerung stark<br />

ausgeprägt. Der Imam glaubt, dass die Menschen sich nicht mehr <strong>in</strong> die Irre führen<br />

ließen: Sie hätten gemerkt, dass die Versprechen, die <strong>in</strong> den letzten Krieg geführt<br />

hätten, nicht e<strong>in</strong>gehalten wurden und nicht e<strong>in</strong>gehalten werden (vgl. IBR/V). Der<br />

Renamo zufolge ist der Frieden zwar konsolidiert, jedoch bedürfe es weiterer Anstrengungen<br />

zur Sensibilisierung (sensibilização) der Bevölkerung, um den Wert des<br />

Friedens sowie die hierfür erforderlichen Bed<strong>in</strong>gungen ausreichend zu vermitteln<br />

82 „Temos muita calma.“ („Wir haben viel Geduld“; PAM/V)<br />

121


Konfliktpotentiale und Konflikte<br />

(vgl. REN/V). Weiterh<strong>in</strong> seien die abgehaltenen Wahlen e<strong>in</strong> Test für die Gewaltbereitschaft<br />

gewesen (vgl. REN/V). Auch wird der Krieg normativ wegen se<strong>in</strong>er negativen<br />

Wirkung auf die Entwicklung abgelehnt, was man nun besonders zu schätzen<br />

wisse (vgl. FRE/V, AC/V).<br />

Der katholische Priester sieht gute Chancen für den Frieden, weil die Gefahr e<strong>in</strong>es<br />

Krieges nach dem Muster der 1970er und 80er Jahre nicht gegeben sei. Allerd<strong>in</strong>gs<br />

bestehe ausgehend <strong>von</strong> den heutigen Straßenk<strong>in</strong>dern e<strong>in</strong> zukünftiges Gewaltpotential<br />

durch krim<strong>in</strong>elle Banden (vgl. PGA/V). <strong>E<strong>in</strong>e</strong>r Befragten zufolge ist die Friedenskonsolidierung<br />

im Kontext <strong>von</strong> Generationen zu <strong>in</strong>terpretieren (vgl. SAS/V). Während<br />

die erste Generation im Krieg gelitten habe, habe die zweite Generation den Frieden<br />

gefördert. Die dritte Generation h<strong>in</strong>gegen werde sich nicht mehr für die Konsolidierung<br />

des Friedens verantwortlich fühlen und könnte wieder gewaltsame Strategien<br />

anwenden (vgl. SAS/V).<br />

4.2 Konfliktverständnis der Befragten<br />

In der Befragungssituation wurde deutlich, dass die Befragten große Unterschiede<br />

h<strong>in</strong>sichtlich ihres Konfliktverständnisses aufweisen. Vere<strong>in</strong>fachend lassen sich <strong>vier</strong><br />

Positionen identifizieren:<br />

Es gibt ke<strong>in</strong>e Konflikte. Die meisten Gesprächspartner geben an, <strong>von</strong> ke<strong>in</strong>em Konflikt<br />

zu wissen. Jedoch sollte sich herausstellen, dass die Gesprächspartner unter Konflikt<br />

(conflito) zuallererst e<strong>in</strong>en gewaltsam ausgetragenen Interessengegensatz verstehen.<br />

Der Begriff sche<strong>in</strong>t <strong>in</strong>sbesondere durch den Bürgerkrieg zwischen Frelimo und Renamo<br />

1976-1992 (conflito armado) besetzt zu se<strong>in</strong>. So gibt die Renamo <strong>in</strong> Vilankulo an,<br />

dass ke<strong>in</strong>e Konflikte zwischen 1992 und 2002 aufgetreten seien, und der „Krieg“ nun<br />

„am Tisch mit Worten“ geführt werde (vgl. REN/V). Alle<strong>in</strong> die PRM <strong>in</strong> Catandica<br />

zeigte sich nicht bereit, Auskunft über etwaige Konflikte zu geben, da sie derartige<br />

Informationen als politisch und darum als geheim e<strong>in</strong>stufte. In allen anderen Fällen<br />

war es durch die Verwendung s<strong>in</strong>nverwandter Ausdrücke möglich, über Interessengegensätze<br />

zu sprechen. Das Spektrum der dabei benutzen Ausdrücke variierte zwischen<br />

„Problem“, „Spannung“, „politische Ause<strong>in</strong>andersetzung“, „Unruhe“,<br />

„gewaltsame Ause<strong>in</strong>andersetzung“ und „Bürgerkrieg“. Dabei konnte nicht endgültig<br />

geklärt werden, ob es sich dabei um e<strong>in</strong>e normativ moti<strong>vier</strong>te Umdef<strong>in</strong>ierung handelt<br />

(s<strong>in</strong>ngemäß: es darf ke<strong>in</strong>e Konflikte geben, also gibt es nichts, was wir mit Konflikt<br />

122


Konfliktpotentiale und Konflikte<br />

bezeichnen), oder ob tatsächlich andere Begriffe den geme<strong>in</strong>ten S<strong>in</strong>n besser wiedergeben<br />

als der Ausdruck „Konflikt“.<br />

Konflikt als negatives Phänomen. Bis auf wenige Ausnahmen wurde Konflikt negativ<br />

attribuiert. Dass Konflikte zu vermeiden seien, wurde <strong>in</strong> verschiedenen Abstufungen<br />

formuliert: Während der Polizeichef <strong>von</strong> Pemba und der Bürgermeister <strong>von</strong> Manica<br />

kategorisch Konflikte ablehnten („Es darf ke<strong>in</strong>e Konflikte geben.“) und die Vermeidung<br />

<strong>von</strong> politischer Agitation forderten (vgl. PRM/P), geben andere die Unkenntnis<br />

und Unerfahrenheit <strong>von</strong> Akteuren als Ursache <strong>von</strong> <strong>Konflikten</strong> an. In diesem Fall<br />

werden Konflikte als immanenter Bestandteil <strong>von</strong> neuen Prozessen begriffen (vgl.<br />

FRE/C, PCM/M). Da der negative Gehalt <strong>von</strong> <strong>Konflikten</strong> e<strong>in</strong>erseits mit ihrer Störwirkung<br />

auf Verfahren und andererseits mit der B<strong>in</strong>dung <strong>von</strong> Energien erklärt wird,<br />

kann dies als Dysfunktionalität übersetzt werden (vgl. VU/P, ADM/C). Im Gegenzug<br />

wurde <strong>in</strong> allen Fallstudien gleichermaßen die starke Konsensorientierung hervorgehoben.<br />

Insbesondere <strong>in</strong> Pemba wurde die friedliche Konfliktbearbeitungskultur positiv<br />

herausgestellt (vgl. PAD/P). In Bezug auf die Lösbarkeit <strong>von</strong> <strong>Konflikten</strong> wird e<strong>in</strong><br />

weiterer Unterschied zu dem unter Abschnitt 2.2 ausgeführten Konfliktverständnis<br />

deutlich: Befragte nehmen Konflikte als endgültig lösbar wahr, wobei unter Lösung<br />

nicht die Aufarbeitung struktureller Ursachen oder de (Um-) Verteilung der Konfliktgegenstände<br />

verstanden wird, sondern vielmehr die zeremonielle Anrufung e<strong>in</strong>er<br />

höheren Instanz, deren Schiedsspruch une<strong>in</strong>geschränkt akzeptiert wird (vgl.<br />

PCM/M). 83 Als Schieds<strong>in</strong>stanz kommt dabei jede Form <strong>von</strong> anerkannter Autorität <strong>in</strong><br />

Frage.<br />

Bed<strong>in</strong>gte Berechtigung <strong>von</strong> <strong>Konflikten</strong>. In e<strong>in</strong>igen Fällen wird e<strong>in</strong>em Interessengegensatz<br />

e<strong>in</strong>e bed<strong>in</strong>gte Berechtigung zugebilligt. Zum e<strong>in</strong>en s<strong>in</strong>d Interessendivergenzen dann<br />

akzeptabel, wenn sie die E<strong>in</strong>heit zwischen den Kontrahenten nicht gefährden (vgl.<br />

ACT/M). Dabei machen die Sprecher anhand e<strong>in</strong>er Familienmetapher deutlich, dass<br />

sie die E<strong>in</strong>heit der Akteursgruppe als selbstverständlich voraussetzen, <strong>in</strong>nerhalb derer<br />

es zum Konflikt kommt. Zum anderen s<strong>in</strong>d Konflikte absehbar und damit zu rechtfertigen,<br />

wenn existentielle Interessen tangiert werden und Konflikte aus Schutzreaktionen<br />

entstehen (vgl. PAM/M).<br />

83 Beispielsweise zeigten <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Workshop zur konstruktiven Bearbeitung <strong>von</strong> <strong>Konflikten</strong> auf<br />

kommunaler Ebene die Teilnehmer e<strong>in</strong>e ger<strong>in</strong>gere Bereitschaft, den für alle besseren Lösungsvorschlag<br />

e<strong>in</strong>es gleichrangigen Mediatioren anzunehmen, als den schlechteren Vorschlag<br />

e<strong>in</strong>er anwesenden anerkannten Autorität.<br />

123


Konfliktpotentiale und Konflikte<br />

Unvermeidbarkeit <strong>von</strong> <strong>Konflikten</strong>. Nur <strong>in</strong> <strong>vier</strong> Fällen beschreiben Befragte Konflikte als<br />

ubiquitär und unvermeidbar (vgl. ACT/M, ADM/M, GTZ/M, PCM/V). Jedoch s<strong>in</strong>d<br />

zwei Sichtweisen zu unterscheiden: Zum e<strong>in</strong>en wird die Welt als komplex und konfliktbeladen<br />

wahrgenommen („mundo de dificuldades“; ADM/M). „Jeder kann das Interesse<br />

haben, etwas zu sabotieren“ (PCM/V), womit auf e<strong>in</strong>e Auslegung <strong>von</strong> Konflikt<br />

als (illegitime) Anfechtung der (legalen) Ordnung verwiesen wird. Zum anderen wird<br />

aus der Allgegenwart <strong>von</strong> <strong>Konflikten</strong> e<strong>in</strong>e starke Regelb<strong>in</strong>dung gefordert. E<strong>in</strong> Sprecher<br />

vergleicht die Konfliktaustragung <strong>in</strong> Demokratien mit dem sportlichen Wettbewerb<br />

e<strong>in</strong>es Fußballspiels h<strong>in</strong>sichtlich se<strong>in</strong>er Regelkonformität und der Sanktionierung<br />

<strong>von</strong> Regelverstößen (vgl. ACT/M). Demnach können Konflikte durch die rigorose<br />

Anwendung <strong>von</strong> Gesetzen m<strong>in</strong>imiert werden (vgl. GTZ/M).<br />

Aufgrund ihres subjektiven Charakters können die E<strong>in</strong>schätzungen der Konfliktlage<br />

<strong>von</strong> tatsächlichen oder ‚objektiven’ Interessengegensätzen abweichen. Die möglichen<br />

Folgen solcher Perzeptionsmuster s<strong>in</strong>d ambivalent: Als nicht existent wahrgenommene<br />

Interessengegensätze können durch das Fehlen e<strong>in</strong>er entsprechenden Berücksichtigung<br />

zu e<strong>in</strong>em Konflikt anschwellen. Oder sie werden schlichtweg ignoriert, so<br />

dass es zwar nicht zu e<strong>in</strong>er offenen Austragung des Konflikts kommt, jedoch die<br />

strukturellen Widersprüche erhalten bleiben.<br />

4.3 Konfliktive Beziehungszusammenhänge<br />

4.3.1 Kommunalverwaltung – Zentral-, Prov<strong>in</strong>z- und Distrikt-<br />

verwaltung<br />

Pemba. In Pemba s<strong>in</strong>d pr<strong>in</strong>zipiell Interessengegensätze zwischen der Kommunalverwaltung<br />

und der Zentralregierung e<strong>in</strong>erseits sowie zwischen Kommunalverwaltung<br />

und der Prov<strong>in</strong>zverwaltung andererseits zu erwarten. <strong>E<strong>in</strong>e</strong> exakte Zuordnung<br />

der Akteursebene ist jedoch nicht immer möglich, da etwa die Zentralregierung ihren<br />

E<strong>in</strong>fluss über Prov<strong>in</strong>z<strong>in</strong>stitutionen wie etwa über die DPAC ausübt. Vor der Kommunalreform<br />

wurden bereits e<strong>in</strong>ige Bereiche eigenverantwortlich vom Exekutivrat<br />

verwaltet, so dass die Übertragung <strong>von</strong> Kompetenzen und E<strong>in</strong>richtungen nach der<br />

Reform teilweise relativ reibungslos verlief (vgl. PAM/P). Dennoch entzündeten sich<br />

aufgrund der Neuartigkeit und der Offenheit der Wandlungsprozesse zwischen Prov<strong>in</strong>zregierung<br />

und Kommune Positionierungs- und Verteilungskämpfe um die bislang<br />

unklare Verteilung <strong>von</strong> Kompetenzen (vgl. DPAC/P, VF/P).<br />

124


Konfliktpotentiale und Konflikte<br />

Angesichts der zugewiesenen Entscheidungsautonomie bewertet die Kommune den<br />

E<strong>in</strong>fluss der Zentralregierung als zu groß (vgl. PAM/P): es sei ke<strong>in</strong>e „echte“ Dezentralisierung,<br />

da sich die Zentralregierung über die DPAC weiterh<strong>in</strong> <strong>in</strong> die Personalpolitik<br />

der Kommune e<strong>in</strong>mische. Beim Versuch, e<strong>in</strong>en Funktionär zu sanktionieren,<br />

konnte sich die Kommunalverwaltung nicht gegen die DPAC durchsetzen. Die<br />

DPAC beansprucht das Recht auf Personalentscheidungen, da die Zentralregierung<br />

für die Kommunalfunktionäre aufkommt (vgl. VF/P). H<strong>in</strong>ter dieser sichtbaren Konfliktl<strong>in</strong>ie<br />

verbirgt sich e<strong>in</strong> politischer Machtanspruch der neuen politischen kommunalen<br />

Eliten, der sich über die Verteilung <strong>von</strong> politischen Funktionen h<strong>in</strong>aus auch<br />

auf Fragen des sozialen Status erstreckt. Die Prov<strong>in</strong>zregierung reagiert hierauf mit<br />

Obstruktionsstrategien (vgl. PCM/P). Die Zusammenarbeit zwischen beiden Ebenen<br />

erfolgt auf niedrigem Niveau. Es wurde e<strong>in</strong>e Eskalationssituation befürchtet, diese<br />

hat sich jedoch bislang noch nicht ergeben (vgl. VF/P). Weitere Konflikte werden<br />

auf das Missmanagement der Distrikthaushalte zurückgeführt, das den Druck auf die<br />

Kommune erhöht (vgl. DPAC/P). Als e<strong>in</strong>en weiteren H<strong>in</strong>weis für das Autonomiebestreben<br />

der Kommune deutet die Prov<strong>in</strong>zdirektion für Umwelt DPCOA das Fehlen<br />

jeglicher Koord<strong>in</strong>ierung zwischen der Kommunalverwaltung und staatlichen<br />

Institutionen im Umweltbereich.<br />

Im Ganzen handelt es sich hierbei um Spannungen, die mit zunehmendem Institutionalisierungsgrad<br />

nachlassen werden. Die Akteure greifen auf die vorliegenden Regeln<br />

zurück und akzeptieren auch die vorgesehenen Schlichtungsorgane. Aufgrund<br />

des hohen Grades se<strong>in</strong>er Verregelung und der Asymmetrie der Akteure sowie der<br />

ihnen zur Verfügung stehenden Mittel ist dem Konflikt nur e<strong>in</strong> sehr ger<strong>in</strong>ges Eskalationspotential<br />

zuzuschreiben.<br />

Catandica. Das Verhältnis zwischen der Kommunalverwaltung Catandicas und der<br />

Distriktverwaltung ist <strong>von</strong> Spannungen gekennzeichnet, die auf den jeweiligen Ebenen<br />

unterschiedlich erklärt werden. Der Distriktadm<strong>in</strong>istrator bewertet den Dezentralisierungsprozess<br />

als gelungen und die Funktions- und Kompetenzverteilung als<br />

geklärt. Kritisiert wird jedoch, dass die Kommune zu viel Autonomie habe und dem<br />

Distrikt Möglichkeiten der Kontrolle fehlen – <strong>in</strong>sbesondere für den Fall etwaiger<br />

Fehlentwicklungen (vgl. ADM/C). Seitens der Kommune wird h<strong>in</strong>gegen mangelnde<br />

Kooperationsbereitschaft des Distrikts als Gefahr für die Kommunalreform gewertet,<br />

was v.a. auf die Beschneidung der kommunalen Autonomie abzielt (vgl.<br />

PCM/C). Die Kommune sieht sich <strong>in</strong> ihrem Gestaltungsraum missverstanden und<br />

125


Konfliktpotentiale und Konflikte<br />

wirft der Distriktverwaltung e<strong>in</strong> falsches und stark ideologisch geprägtes Prozessverständnis<br />

vor. Als Beispiel für die Schwierigkeiten zwischen den beiden Ebenen wird<br />

genannt, dass die Distriktverwaltung sich geweigert habe, Produkte an Catandica<br />

weiterzuleiten, welche für Waisenk<strong>in</strong>der im gesamten Báruè-Distrikt bestimmt waren<br />

(vgl. VF/C).<br />

<strong>E<strong>in</strong>e</strong> wesentliche Konfliktquelle resultiert daraus, dass mit der Kommunalreform die<br />

Distriktverwaltung wichtige E<strong>in</strong>nahmequellen wie die Marktsteuer verloren hat. Infolgedessen<br />

ist sie gezwungen, unter erhöhtem Mittele<strong>in</strong>satz (v.a. Personalkosten)<br />

alternative E<strong>in</strong>nahmequellen zu erarbeiten (vgl. ADM/C). Als konfliktverstärkend<br />

wird die fehlerhafte Gesetzesgrundlage genannt. Auffällig ist jedoch, dass die meisten<br />

Konflikte sich um F<strong>in</strong>anzen und weniger um Gesetzes<strong>in</strong>halte entzünden (vgl.<br />

GAB/C).<br />

Bislang fehlt e<strong>in</strong>e <strong>in</strong>stitutionelle Regelungsgrundlage für die bestehenden Spannungen.<br />

Zurzeit wird diese <strong>in</strong>sbesondere durch das gute persönliche Verhältnis zwischen<br />

Bürgermeister und Distriktadm<strong>in</strong>istrator kompensiert. Zur langfristigen Konfliktm<strong>in</strong>imierung<br />

muss das auf persönlichen Beziehungen bauende Institutionenverhältnis<br />

durch e<strong>in</strong>e allgeme<strong>in</strong>e Verregelung auf der Grundlage zunehmender Erfahrung der<br />

Akteure ersetzt werden. Im Gegensatz zu Pemba besteht hier ke<strong>in</strong>e starke Asymmetrie.<br />

Aufgrund des hohen Stellenwerts der Marktsteuer für das E<strong>in</strong>kommen der Körperschaften<br />

kann e<strong>in</strong>e Konflikteskalation nicht ausgeschlossen werden. Das<br />

Eskalationsniveau wird jedoch als relativ ger<strong>in</strong>g e<strong>in</strong>geschätzt.<br />

Manica. Die E<strong>in</strong>führung der kommunalen Selbstverwaltung erzeugte <strong>in</strong> Manica<br />

massive Spannungen zwischen der Kommunal- und der Distriktverwaltung. Sämtliche<br />

Akteure begrüßten zwar die Vorteile e<strong>in</strong>er <strong>selbstverwalteten</strong> Geme<strong>in</strong>de wie z.B.<br />

die Entlastung des Staates und die Zeitersparnis bei Entscheidungs- und Umsetzungsprozessen<br />

(vgl. u.a. ADM/M, PCM/M, PAM/M), können sich jedoch mit der<br />

Umstrukturierung der Kompetenzen und der Neuverteilung der Ressourcen nicht<br />

zufrieden zeigen.<br />

Die Kommunalreform bedeutete e<strong>in</strong>e grundlegende Veränderung der lokalen politischen<br />

und sozialen Ordnung: <strong>E<strong>in</strong>e</strong> neue politische Elite wurde geschaffen, die sich <strong>in</strong><br />

e<strong>in</strong> bereits bestehendes, räumlich und symbolisch auf Manica konzentriertes Machtgefüge<br />

drängte. Der damalige Adm<strong>in</strong>istrator nahm die Kommunalreform als Machtund<br />

Statusverlust wahr, da etwa mit der Marktsteuer die wichtigste E<strong>in</strong>nahmequelle<br />

des Distrikts an die Kommune übergeben werden sollte (vgl. VF/M). Darüber h<strong>in</strong>-<br />

126


Konfliktpotentiale und Konflikte<br />

aus wurde der Distrikt stärker <strong>von</strong> den Mitteln der Zentralregierung abhängig, da die<br />

Kommune als Haupte<strong>in</strong>nahmequelle wegfiel (vgl. GTZ/M). Der Adm<strong>in</strong>istrator reagierte<br />

mit Widerstand etwa bei der Übertragung <strong>von</strong> Gebäuden, zumal sich dies <strong>in</strong><br />

se<strong>in</strong>em Rollenverständnis als persönlicher Verlust darstellte. Unter solchen Umständen<br />

erschien es ihm nicht möglich zu se<strong>in</strong>, <strong>in</strong> der Stadt zu leben (vgl. PAM/M). In<br />

der Anfangsphase kam es sogar zu e<strong>in</strong>er doppelten Besteuerung durch Kommune<br />

und Distrikt bis das Verwaltungsm<strong>in</strong>isterium MAE gemäß ihrem Aufsichtsrecht nach<br />

zweie<strong>in</strong>halb Jahren e<strong>in</strong>wirkte (vgl. PCM/C). Erst nach e<strong>in</strong>em Wechsel des Adm<strong>in</strong>istrators<br />

habe sich das Verhältnis zwischen Distrikt und Kommune harmonisieren<br />

können (vgl. ADM/M, PAM/M). Das gegenwärtige Verhältnis sei <strong>von</strong> Koord<strong>in</strong>ation<br />

gekennzeichnet, und jeder wisse um se<strong>in</strong>e Kompetenzen (vgl. PCM/M).<br />

Für den Ratsvorsitzenden waren die Konflikte abzusehen aber unvermeidbar (vgl.<br />

PAM/M). Die Beteiligten führen dies <strong>in</strong> erster L<strong>in</strong>ie auf mangelnde Erfahrung (vgl.<br />

VF/M), e<strong>in</strong>e unklare rechtliche Grundlage (vgl. ADM/M) und e<strong>in</strong> falsches Verständnis<br />

<strong>von</strong> kommunaler Autonomie (vgl. ADM/M, PAM/M) zurück. Dem Distriktadm<strong>in</strong>istrator<br />

zufolge stehe dem Staat e<strong>in</strong>e E<strong>in</strong>flussnahme <strong>in</strong> kommunale<br />

Angelegenheiten zu, da sich die Geme<strong>in</strong>de <strong>in</strong>nerhalb des Distrikts bef<strong>in</strong>de. Demnach<br />

s<strong>in</strong>d Konflikte die Folge mangelnden Verständnisses seitens der Kommunalverwaltung,<br />

jedoch lassen sich diese <strong>von</strong> den zentralen Verwaltungs- und F<strong>in</strong>anzm<strong>in</strong>isterien<br />

schlichten. Als Beispiel für e<strong>in</strong> aktuelles Konfliktfeld wurde die Entwicklung des Flächennutzungsplanes<br />

angegeben (vgl. ADM/M).<br />

Die erfolgreiche Schlichtung der Eskalation durch das Verwaltungsm<strong>in</strong>isterium ist<br />

e<strong>in</strong> wesentlicher Beitrag zur Institutionalisierung konstruktiver Konfliktbearbeitungsweisen,<br />

denn die Qualität des Verhältnisses zwischen Distrikt und Kommune<br />

darf nicht alle<strong>in</strong> auf persönliche Sympathien bauen. Werden die gemachten Erfahrungen<br />

als erster Schritt e<strong>in</strong>er Verregelung verstanden, kann das zukünftige Eskalationspotential<br />

umso niedriger angesetzt werden. Zurzeit jedoch verbleiben die<br />

Spannungen auf niedrigem Niveau.<br />

Vilankulo. Bei der Übertragung <strong>von</strong> Macht und Kompetenzen <strong>von</strong> der Distrikt- an<br />

die Kommunalverwaltung kam es zu erheblichen Spannungen. Distrikt und Kommune<br />

r<strong>in</strong>gen noch heute um das Recht auf das Bazaruto Archipel, welches aufgrund<br />

se<strong>in</strong>er touristischen Bedeutung das größte E<strong>in</strong>kommenspotential darstellt. Während<br />

der Distrikt die daraus resultierende Geme<strong>in</strong>defläche als zu groß kritisiert (vgl.<br />

ADM/V), fordert die Kommune die Möglichkeit, steuerliche E<strong>in</strong>künfte aus dem Tou-<br />

127


Konfliktpotentiale und Konflikte<br />

rismus behalten zu können, statt diese <strong>in</strong> den kommunalen Ausgleichfond e<strong>in</strong>zuzahlen.<br />

Die Geme<strong>in</strong>de argumentiert, dass sie aufgrund ihrer relativen F<strong>in</strong>anzkraft nur<br />

e<strong>in</strong>en ger<strong>in</strong>gen Anspruch, jedoch aber die höchsten Kosten und Belastungen wie z.B.<br />

die Bereitstellung <strong>von</strong> Infrastruktur und die Umweltdegradation zu tragen hätte (vgl.<br />

PCM/V, VU/V, CSF/V). Zwar hat das MAE den Konflikt zugunsten des Distrikts<br />

geschlichtet, doch glauben viele <strong>in</strong> der Kommunalverwaltung, dass diese Entscheidung<br />

revidiert werden könne (vgl. VU/V). Die Dezentralisierung bedeutet für den<br />

Distrikt starke f<strong>in</strong>anzielle E<strong>in</strong>bußen, die auch durch e<strong>in</strong>e verstärkte Besteuerung des<br />

ländlichen Raums nur schwer zu kompensieren s<strong>in</strong>d (vgl. ADM/V). Vor allem <strong>in</strong> der<br />

Anfangsphase der Kommunalreform zeigte der Adm<strong>in</strong>istrator <strong>in</strong>folgedessen obstruktionistisches<br />

Verhalten: So waren viele Rechnungen absichtlich nicht bezahlt worden<br />

und sollten nach der Distriktverwaltung <strong>von</strong> der Kommune getragen werden (vgl.<br />

VF/V). Der Distrikt hat versucht, Flächen zurückzuhalten und noch E<strong>in</strong>flussmöglichkeiten<br />

sicherzustellen. Beispielsweise konnte so die Aufstellung e<strong>in</strong>er Sendeanlage<br />

lange Zeit verh<strong>in</strong>dert werden (vgl. VF/V). Zwar hatte die Distriktverwaltung bis zum<br />

Untersuchungszeitpunkt nicht offen <strong>in</strong> kommunalen Angelegenheiten <strong>in</strong>terveniert,<br />

doch ist es nicht selten zu Boykotthandlungen wie bei der Zuteilung <strong>von</strong> Mitteln zur<br />

Katastrophenprävention gekommen 84 (vgl. VF/V). Am deutlichsten wurde die<br />

obstruktionistische Haltung im Ausschalten der Straßenlaternen an der Hauptstraße<br />

‚Rua Marg<strong>in</strong>al/Mariamo’ (vgl. SDB/V). In e<strong>in</strong>em anderen Fall richtete die Distriktadm<strong>in</strong>istration<br />

Beschwerdebriefe an den Bürgermeister, dieser ließ sie jedoch unbeantwortet<br />

und bewies damit e<strong>in</strong>mal mehr se<strong>in</strong>e Souveränität und die Grenzen des<br />

Distrikts: die Kommune repräsentiere nur die Bürger und nicht den Staat und sei<br />

darum nur dem M<strong>in</strong>isterium verantwortlich. Obwohl der Bürgermeister den Distrikt<br />

stärker <strong>von</strong> der Kommune abhängig als umgekehrt sieht, kritisiert er, dass die politische<br />

Macht immer noch zentralisiert und nicht lokal sei (vgl. PCM/V, VU/V).<br />

Trotz der Spannungen zeigen sich Kommune und Distrikt zufrieden mit dem Verhältnis<br />

und der Zusammenarbeit – zum<strong>in</strong>dest im H<strong>in</strong>blick auf die Kommunikation<br />

(vgl. PCM/V, VU/V, VF/V, ADM/V). Die Zusammenarbeit erfolgt auf technischer<br />

Ebene und auf niedrigem Niveau. Das <strong>in</strong>sbesondere <strong>in</strong> der Anfangsphase der Kommunalreform<br />

charakteristische Problem des Mangels an Verständnis und Kooperationsbereitschaft<br />

konnte erst nach e<strong>in</strong>em Personalwechsel an der Spitze der<br />

84 Hierunter fallen Mittel für die Opfer der Flutkatastrophe wie Saatgut sowie Humanitäre Hilfe<br />

<strong>in</strong> Form <strong>von</strong> Werkzeugkits für etwa 300 Haushalte (vgl. VF/V).<br />

128


Konfliktpotentiale und Konflikte<br />

Distriktverwaltung gelöst werden (vgl. VF/V, VEC/V). Aus Sicht des Adm<strong>in</strong>istrators<br />

ist das Verhältnis zufrieden stellend, da Planungen <strong>in</strong> Absprache mite<strong>in</strong>ander<br />

verliefen und die Kommune helfe, wenn der Distrikt darum bitte. Auch habe der<br />

Adm<strong>in</strong>istrator weiterh<strong>in</strong> die Möglichkeit, über den Geme<strong>in</strong>derat <strong>in</strong> die Kommunalpolitik<br />

E<strong>in</strong>fluss zu nehmen, was im Falle <strong>von</strong> Fehlentwicklungen erforderlich sei (vgl.<br />

ADM/V). Schließlich gehören beide Autoritäten der gleichen Partei an: E<strong>in</strong> gutes<br />

Verhältnis sei bei unterschiedlichen Parteizugehörigkeiten nicht zu erwarten (vgl.<br />

ADM/V). <strong>E<strong>in</strong>e</strong> solche Konstellation sei aber <strong>in</strong> der Prov<strong>in</strong>z Inhambane unwahrsche<strong>in</strong>lich<br />

(vgl. ebd.).<br />

Der Konflikt zwischen Kommune und Distrikt wird maßgeblich <strong>von</strong> der Person des<br />

Bürgermeisters geprägt, der viel Wert auf e<strong>in</strong>e offene aber zugleich verregelte Austragung<br />

setzt. Trotz der Asymmetrie – <strong>in</strong> diesem Fall: e<strong>in</strong>er dem Distrikt überlegenen<br />

Kommune – und des vergleichsweise hohen Wertes des Konfliktgegenstandes (Bazaruto<br />

Archipel), kann e<strong>in</strong>e Eskalation des Konflikts verh<strong>in</strong>dert werden. Hierbei spielt<br />

sicherlich auch die Zugehörigkeit zur gleichen politischen Partei e<strong>in</strong>e vertrauensbildende<br />

Maßnahme.<br />

Kommunalverwaltung – Zentralregierung<br />

Aktueller Status Potentieller Mobilisierungsoder<br />

Organisationsgrad<br />

Schätzung des mittelfristigen<br />

Eskalationspotentials<br />

Pemba Spannung + +<br />

Catandica Spannung – –<br />

Manica Spannung – (–)<br />

Vilankulo Konfliktpotential + –<br />

Zeichenerklärung: – ger<strong>in</strong>g, + mittel, ++ hoch, (…) Verweis auf besondere Bed<strong>in</strong>gungen<br />

Tabelle 5: Vergleichende E<strong>in</strong>schätzung der Konflikte zwischen Kommunalverwaltung und<br />

Institutionen der Zentralregierung <strong>in</strong> den <strong>vier</strong> <strong>Kommunen</strong><br />

4.3.2 Bürgermeister – Ratsvorsitzender<br />

Pemba. Zwischen Bürgermeister und Ratsvorsitzenden besteht e<strong>in</strong> persönliches<br />

Konkurrenzverhältnis, das sich <strong>in</strong> M<strong>in</strong>imalkooperation und gegenseitiger Begrenzung<br />

der Mittel ausdrückt. Dies habe e<strong>in</strong>e „schlechte Qualität der Debatte und der Programme“<br />

(VF/P) zur Folge. Es ist jedoch da<strong>von</strong> auszugehen, dass dieser Konflikt<br />

auf der persönlichen Ebene verbleibt und ke<strong>in</strong>e nennenswerte Eskalationswirkung<br />

entwickelt.<br />

Catandica. Der Ratsvorsitzende hat e<strong>in</strong>e Beteiligung an der Untersuchung ausdrücklich<br />

gemieden, weshalb e<strong>in</strong>e Spezifikation des Verhältnisses zwischen Bürgermeister<br />

129


Konfliktpotentiale und Konflikte<br />

und Ratsvorsitzender nicht möglich ist. Berichtet wird <strong>von</strong> e<strong>in</strong>er schlechten Kooperation,<br />

da der aktuelle Ratsvorsitzende für das Bürgermeisteramt kandidiert und verloren<br />

habe.<br />

Manica. Bürgermeister und Ratsvorsitzende bemühen sich um e<strong>in</strong> harmonisches<br />

Außenbild, u.a. auch weil sie als große Parteifreunde gelten. E<strong>in</strong> Funktionskonflikt<br />

wurde vor Außenstehenden <strong>in</strong>szeniert, um die Wirksamkeit der Struktur zu präsentieren<br />

(vgl. PAM/M). Es zeigte sich jedoch, dass der Ratsvorsitzende die Verteilung<br />

<strong>von</strong> Rechten und Vergünstigungen als ungerecht bewertet (PAM/M): so stünden<br />

bestimmte Mittel nur dem Bürgermeister zu, wie z.B. Geld für Repräsentationszwecke.<br />

Auch hier ist der Konflikt aufgrund der persönlichen Beziehungen als ‚Spannung’<br />

zu bezeichnen und das Eskalationspotential ger<strong>in</strong>g. Gleichzeitig bleiben die<br />

funktions- und rollenbed<strong>in</strong>gten Konflikte wegen der wohlwollenden Haltung der<br />

Akteure unbearbeitet. E<strong>in</strong> wesentlicher Beitrag zu e<strong>in</strong>er langfristigen M<strong>in</strong>derung des<br />

Eskalationspotentials bleibt damit aus.<br />

Vilankulo. In Vilankulo wurden ke<strong>in</strong>e H<strong>in</strong>weise auf e<strong>in</strong>en Konflikt zwischen Bürgermeister<br />

und Ratsvorsitzenden gegeben.<br />

Bürgermeister – Ratsvorsitzender<br />

Aktueller Status Potentieller Mobilisierungsoder<br />

Organisationsgrad<br />

Schätzung des mittelfristigen<br />

Eskalationspotentials<br />

Pemba Spannung + +<br />

Manica Spannung – –<br />

Zeichenerklärung: – ger<strong>in</strong>g, + mittel, ++ hoch, (…) Verweis auf besondere Bed<strong>in</strong>gungen<br />

Tabelle 6: Vergleichende E<strong>in</strong>schätzung der Konflikte zwischen Bürgermeistern und Ratsvorsitzenden<br />

<strong>in</strong> Pemba und Manica<br />

4.3.3 Beigeordnete – Geme<strong>in</strong>derat<br />

Pemba. Der Geme<strong>in</strong>derat sieht sich gegenüber den Beigeordneten h<strong>in</strong>sichtlich der<br />

materiellen Versorgung se<strong>in</strong>er Mitglieder benachteiligt. Es wird der Vorwurf gegenüber<br />

den unterqualifizierten Ratsmitgliedern erhoben, ihre Amtsführung diene ausschließlich<br />

der Sicherung eigener Interessen und E<strong>in</strong>kommen (vgl. PCM/P, VU/P).<br />

<strong>E<strong>in</strong>e</strong> Rollen- und Funktionsverschiebung wird damit erklärt, dass zwar die Geme<strong>in</strong>deordnung<br />

die Ehrenamtlichkeit des Geme<strong>in</strong>derats vorsieht, die Ratsmitglieder dar<strong>in</strong><br />

jedoch ihre zentrale – oder: e<strong>in</strong>zige – E<strong>in</strong>kommensquelle sehen (vgl. VF/P). Da der<br />

Geme<strong>in</strong>derat sich maßgeblich für das Funktionieren der Kommune verantwortlich<br />

sieht, kritisiert er se<strong>in</strong>e ger<strong>in</strong>ge Vergütung sowie das schlechte Anreizsystem. Dabei<br />

vergleichen die Ratsmitglieder ihr E<strong>in</strong>kommen mit dem der Beigeordneten, das auf-<br />

130


Konfliktpotentiale und Konflikte<br />

grund ihrer Vollzeitbeschäftigung und ihrer gleichzeitigen Ratsmitgliedschaft deutlich<br />

höher liegt. Die Beigeordneten selbst sehen ke<strong>in</strong>e Bedenken, zugleich Ratsmitglied zu<br />

se<strong>in</strong>, da ihrer Me<strong>in</strong>ung nach dadurch e<strong>in</strong> guter Informationsaustausch gewährleistet<br />

wird (vgl. FRE/P). Für den Beigeordneten für Polizei s<strong>in</strong>d die bisherigen Konflikte<br />

die Folge <strong>von</strong> Missverständnissen. Für die Konfliktbearbeitung sei es <strong>von</strong> großem<br />

Vorteil, dass beide Organe der gleichen Partei angehören und so e<strong>in</strong>e starke Konsensorientierung<br />

herrsche. Der Ratsvorsitzende h<strong>in</strong>gegen begründet die Konflikte<br />

eher strukturell, d.h. als Folge mangelhafter Kompetenzverteilung und daraus resultierender<br />

schlechter Verständigung. Er erwartet jederzeit e<strong>in</strong>e Eskalation des Konflikts,<br />

bezeichnet jedoch die aktuelle Situation dank der Geduld der Ratsmitglieder als<br />

stabil (vgl. PAM/P).<br />

Insgesamt werden diesen Spannungen nicht zuletzt aufgrund der starken Konsensorientierung<br />

nur e<strong>in</strong> ger<strong>in</strong>ges Eskalationspotential zugestanden.<br />

Catandica. Das Verhältnis zwischen den Beigeordneten und Geme<strong>in</strong>derat wird <strong>von</strong><br />

den Beteiligten unterschiedlich im H<strong>in</strong>blick auf die Wertung der gleichzeitigen Ratsmitgliedschaft<br />

e<strong>in</strong>iger Beigeordneten, der Kompetenzen der jeweiligen Organe und<br />

der Bewertung der Leistungserbr<strong>in</strong>gung der Kommune dargestellt.<br />

Die Beigeordnete für F<strong>in</strong>anzen und der Geme<strong>in</strong>desekretär äußern sich sehr kritisch<br />

zu der Ratsmitgliedschaft <strong>von</strong> Beigeordneten. Den betroffenen Funktionären ergehe<br />

es aufgrund <strong>von</strong> Misstrauen und Missgunst der Kollegen <strong>in</strong> beiden Organen schlecht<br />

(vgl. GAB/C). Der Beigeordneten für F<strong>in</strong>anzen wurde deshalb bereits Spionage vor-<br />

geworfen (vgl. VF/C). Beide vermuten, dass die Konkurrenzsituation auf f<strong>in</strong>anzielle<br />

Motive gründe (vgl. VF/C, GAB/C). H<strong>in</strong>gegen schätzt etwa der Beigeordnete für<br />

Stadtentwicklung die Situation als kooperativ e<strong>in</strong> (vgl. VU/C). Pr<strong>in</strong>zipiell unproblematisch<br />

sieht es auch der Sprecher des Geme<strong>in</strong>derats, wobei e<strong>in</strong>e strikte Trennung<br />

e<strong>in</strong>ige Konflikte vermeiden ließe (vgl. PVAM/C). Kritisiert wird h<strong>in</strong>gegen die ger<strong>in</strong>ge<br />

Machtausstattung des Rats. Demnach setze sich die Verwaltungsspitze über die vom<br />

Rat getroffenen Entscheidungen h<strong>in</strong>weg (vgl. PVAM/C). Letztlich deutet die starke<br />

Abhängigkeit des Verhältnisses <strong>von</strong> persönlichen Beziehungen auf e<strong>in</strong>e schwache<br />

Institutionalisierung h<strong>in</strong> (vgl. VF/C).<br />

Obwohl es zu Anschuldigungen gekommen ist, bleibt der Konflikt <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er Tragweite<br />

und Austragungsweise und damit auch <strong>in</strong> se<strong>in</strong>em Eskalationspotential begrenzt.<br />

Da es sich hier um die Anerkennung und Befolgung bestehender Normen sowie um<br />

131


Konfliktpotentiale und Konflikte<br />

die Verteilung <strong>von</strong> E<strong>in</strong>kommen geht, ließen sich die Spannungen im Pr<strong>in</strong>zip durch<br />

e<strong>in</strong>en kompetenten Bürgermeister leicht schlichten.<br />

Manica. Verwaltungsspitze und Rat bemühen sich um den Ausdruck <strong>von</strong> Unanimität.<br />

Der Ratsvorsitzende bewertet das Verhältnis zwischen Rat und Verwaltungsvorstand<br />

als exzellent, d.h. als kooperativ und produktiv (vgl. PAM/M). Schwierigkeiten<br />

werden auf die gesetzlichen Grundlagen und widrigen (materiellen) Umstände zurückgeführt.<br />

Die irreführende Gesetzesgrundlage habe Differenzen provoziert. Der<br />

Ratsvorsitzende beschreibt als wesentliches Problem, dass der Rat kraft se<strong>in</strong>er Kontrollfunktion<br />

der Verwaltungsspitze übergeordnet sei, jedoch nicht über ausreichend<br />

Macht und Mittel verfüge, um diese Kontrollfunktion zu erfüllen. Die Ratsmitgliedschaft<br />

<strong>von</strong> Beigeordneten hat bei anderen Beigeordneten anfangs Misstrauen geweckt<br />

und zu Spionageverdächtigungen geführt, resultierende Spannungen konnten<br />

<strong>in</strong>des durch persönliche Gespräche geklärt werden (vgl. VF/M). E<strong>in</strong> Problem fehlender<br />

Kontrolle wird nicht wahrgenommen. Von Vorteil sei h<strong>in</strong>gegen der verbesserte<br />

Informationsfluss. Insgesamt hängt die Qualität des Verhältnisses zwischen Rat<br />

und Beigeordneten sehr stark vom Verständnis der Mitarbeiter ab (vgl. VF/M). Verärgert<br />

über die Verwaltungsspitze ist der Rat, weil diese im Verzug mit den Zahlungen<br />

<strong>von</strong> Aufwandsentschädigungen an Ratsmitgliedern sei (vgl. PAM/M). Dies<br />

unterstreicht die besondere Bedeutung des E<strong>in</strong>kommens.<br />

Im Kern gehen die Spannungen auf die unterschiedlichen E<strong>in</strong>kommensniveaus zurück<br />

und s<strong>in</strong>d damit vergleichsweise leicht zu bearbeiten. Infolge der starken Konsensorientierung<br />

der Akteure verbleibt der Konflikt <strong>in</strong> se<strong>in</strong>en Ausmaßen begrenzt.<br />

Vilankulo. Laut Gesetz 2/97 hat der Bürgermeister die Hälfte der Beigeordneten<br />

aus dem Geme<strong>in</strong>derat zu wählen. Im Falle Vilankulos hat der Bürgermeister alle <strong>vier</strong><br />

Beigeordneten aus dem Rat bestimmt und gab der Verwaltungsspitze so e<strong>in</strong> ungleich<br />

größeres Gewicht. Damit hat der Bürgermeister beweisen wollen, wie dysfunktional<br />

die Gesetzgebung formuliert sei. Er könne so jeden Ratsbeschluss im Rat durchsetzen<br />

(vgl. PCM/V). Die Kontrollfunktion sei aufgrund der Aufrichtigkeit der Beigeordneten<br />

dennoch gewährleistet (vgl. VEC/V). Insofern wird das Verhältnis<br />

zwischen Rat und Verwaltungsspitze mehrheitlich positiv bewertet (vgl. PCM/V,<br />

PAM/V, VEC/V). Es herrsche Verständnis und Zusammengehörigkeitsgefühl (vgl.<br />

PAM/V). Kritik übt der Ratsvorsitzende an den Ratsmitgliedern, deren Interesse und<br />

Motivation <strong>in</strong> erster L<strong>in</strong>ie der E<strong>in</strong>kommenssicherung gelte (vgl. PAM/V). Begründet<br />

132


Konfliktpotentiale und Konflikte<br />

sei dies im niedrigen Bildungsniveau der Ratsmitglieder. <strong>E<strong>in</strong>e</strong> E<strong>in</strong>stellungsänderung<br />

könne erst mit mehr Bildung geleistet werden.<br />

Auch auf diese Akteurskonstellation wirkt der Bürgermeister stark ordnend und<br />

Konflikt m<strong>in</strong>imierend e<strong>in</strong>, so dass e<strong>in</strong>e Eskalation nicht zu erwarten ist.<br />

Beigeordnete – Geme<strong>in</strong>derat<br />

Aktueller Status Potentieller Mobilisierungsoder<br />

Organisationsgrad<br />

Schätzung des mittelfristigen<br />

Eskalationspotentials<br />

Pemba Spannung – –<br />

Catandica Spannung – –<br />

Manica Spannung – –<br />

Vilankulo Konfliktpotential – –<br />

Zeichenerklärung: – ger<strong>in</strong>g, + mittel, ++ hoch, (…) Verweis auf besondere Bed<strong>in</strong>gungen<br />

Tabelle 7: Vergleichende E<strong>in</strong>schätzung der Konflikte zwischen Beigeordneten und Geme<strong>in</strong>deräten <strong>in</strong><br />

den <strong>vier</strong> <strong>Kommunen</strong><br />

4.3.4 Frelimo – Renamo<br />

Pemba. Die Bewertung des Verhältnisses zwischen der Kommunalverwaltung bzw.<br />

der Frelimo und der Renamo fällt je nach Interessenslage der Gesprächspartner unterschiedlich<br />

aus. Während e<strong>in</strong>ige Befragte die Existenz e<strong>in</strong>er politischen Opposition<br />

abstreiten (vgl. LDH/P), sprechen andere <strong>von</strong> e<strong>in</strong>er starken Beteiligung der Opposition,<br />

zu der neben der Renamo auch die PIMO gezählt wird (vgl. FRE/P).<br />

Die Beschreibung des Verhältnisses zur Renamo fällt bei der Frelimo widersprüchlich<br />

aus. Demzufolge bestehe ke<strong>in</strong>e Fe<strong>in</strong>dschaft, die Frelimo gebe der Opposition <strong>in</strong><br />

den Sitzungen des Geme<strong>in</strong>derats die Möglichkeit, ihre Anliegen zu präsentieren.<br />

Auch respektiere die Opposition die Rolle der Frelimo, so dass auch sie respektiert<br />

werden könne (vgl. FRE/P). Der Bürgermeister habe der Renamo Räumlichkeiten für<br />

ihre Öffentlichkeitsarbeit zur Verfügung gestellt, doch fänden Werbe- und Mobilisierungskampagnen<br />

nicht <strong>in</strong> der Öffentlichkeit statt (vgl. PCM/P). Andererseits bewertet<br />

die Frelimo die Arbeit der Renamo als ungebildet, obstruktionistisch und<br />

destruktiv, u.a. weil sie die Bevölkerung an e<strong>in</strong>er politischen Beteiligung zu h<strong>in</strong>dern<br />

versuche. Die fehlende Kooperation zwischen Frelimo und Renamo wird mit der<br />

ablehnenden Haltung der Renamo begründet (vgl. ebd.).<br />

H<strong>in</strong>gegen beschreibt die Renamo das Verhältnis zur Frelimo als Konflikt, da sie <strong>von</strong><br />

der politischen Teilhabe ausgeschlossen wird (vgl. REN/P). Die Renamo beansprucht<br />

ihre politische Beteiligung auf der Grundlage der fehlenden Legitimität der Kommunalverwaltung:<br />

Aufgrund des Wahlboykotts der Opposition sei die Frelimo nicht<br />

133


Konfliktpotentiale und Konflikte<br />

durch e<strong>in</strong>e rechtmäßige Wahl legitimiert (vgl. REN/P). Wegen der Ähnlichkeit ihrer<br />

Ziele fordert die Renamo e<strong>in</strong>e stärkere Koord<strong>in</strong>ierung der Arbeit <strong>von</strong> Verwaltung<br />

und Opposition. Dabei versteht sie unter Partizipation v.a. Konsultation und beklagt,<br />

weder bislang zu ke<strong>in</strong>er Sitzung des Geme<strong>in</strong>derats e<strong>in</strong>geladen worden zu se<strong>in</strong> noch<br />

über die Agenda <strong>in</strong>formiert zu werden (vgl. REN/P).<br />

In Pemba kann die Renamo nach eigenen Angaben gewaltfrei arbeiten und Versammlungen<br />

organisieren, woh<strong>in</strong>gegen sie im ländlichen Distrikt täglich mit Drohungen,<br />

Schlägereien oder Ermordungen rechnen müsse. Jedoch sei die Renamo <strong>in</strong><br />

Pemba struktureller Benachteiligung <strong>in</strong> Politik und Gesellschaft ausgesetzt. Die Positionen<br />

der Renamo seien <strong>in</strong> der Öffentlichkeit nicht bekannt, weil Radio und Fernsehen<br />

<strong>von</strong> der dom<strong>in</strong>ierenden Frelimo kontrolliert und so politische Botschaften<br />

systematisch verzerrt werden. Jedoch habe die Präsenz der Opposition <strong>in</strong> der Öffentlichkeit<br />

und <strong>in</strong> den Medien nach den Ereignissen im November 2000 stark zugenommen<br />

(vgl. REN/P, LDH/P). Der Renamo werde ke<strong>in</strong> öffentlicher Raum<br />

zugestanden (vgl. REN/P). Aufgrund ihrer Renamo-Mitgliedschaft seien Mitarbeiter<br />

der Eisenbahngesellschaft entlassen worden (vgl. REN/P). Darüber h<strong>in</strong>aus sei die<br />

Renamo im Krieg mit der sie diskrim<strong>in</strong>ierenden Polizei. Die Renamo könne ihr politisches<br />

Potential <strong>in</strong> Form <strong>von</strong> Demonstrationen nicht ausspielen, weil sie die Polizeigewalt<br />

fürchtet. Dies führe zu Unzufriedenheit <strong>in</strong> der Gesellschaft (vgl. REN/P). Die<br />

Menschenrechtsliga schätzt, dass die Gewalt zwischen den Parteien <strong>in</strong>dividuell und<br />

situationsabhängig, also nicht systematisch verläuft. Belegt wird dies mit dem opportunistischen<br />

Verhalten der Frelimo-Partei während der Demonstrationen <strong>von</strong> Montepuez.<br />

Es gab <strong>in</strong> Pemba ke<strong>in</strong>e Toten wie beispielsweise <strong>in</strong> Montepuez.<br />

Frelimo und Renamo geben den Rückhalt ihrer Parteien <strong>in</strong> der Bevölkerung als groß<br />

an. Die Frelimo beziffert ihre Mitgliederzahl auf 16.000. Cabo Delgado sei die Wiege<br />

der Frelimo, weshalb die Opposition kaum Unterstützung <strong>in</strong> der Bevölkerung habe<br />

(vgl. FANDRYCH 2001: 109, Fußnote 16). Die Renamo nennt dies e<strong>in</strong>e ideologische<br />

Strategie der Frelimo (vgl. REN/P, LDH/P), weigert sich jedoch, Angaben zur Mitgliederzahl<br />

zu machen, da sie befürchtet, dass Informationen über Mitgliederstruktur<br />

oder Parteiprogramm gegen sie genutzt werden könnten. Stattdessen verweist die<br />

Renamo darauf, dass sie <strong>in</strong> Cabo Delgado die landesweit größte Demonstration habe<br />

organisieren können, was für die starke B<strong>in</strong>dung der Partei <strong>in</strong> der Bevölkerung spreche.<br />

Die Akzeptanz der Frelimo schw<strong>in</strong>de jedoch, weil sie nichts für den Bürger ma-<br />

134


Konfliktpotentiale und Konflikte<br />

che (vgl. REN/P). Der Menschrechtsliga zufolge hat die Renamo e<strong>in</strong>e solide Basis <strong>in</strong><br />

der Gesellschaft (vgl. LDH/P).<br />

In Pemba geht <strong>von</strong> dieser Konfliktkonstellation das höchste Eskalationspotential<br />

aus. Dieses geht nicht alle<strong>in</strong> auf die sehr leichte Mobilisierung der Parteimitglieder<br />

und –sympathisanten zurück, sondern auch auf den Vorbildcharakter des historischen<br />

Konfliktmusters auf nationaler Ebene. Dadurch bewegen sich die Akteure<br />

<strong>in</strong>nerhalb e<strong>in</strong>er ‚objekti<strong>vier</strong>ten’ Konfliktkonstellation, <strong>in</strong> denen Konfliktgegenstände<br />

be<strong>in</strong>ahe beliebig wählbar s<strong>in</strong>d. Das der Konfrontation <strong>in</strong>newohnende Gewaltpotential<br />

wird e<strong>in</strong>erseits durch se<strong>in</strong>e Multidimensionalität und andererseits durch die Weigerung<br />

e<strong>in</strong>er geregelten Bearbeitungsweise verstärkt.<br />

Catandica. Der Renamo wird e<strong>in</strong>e starke Verankerung <strong>in</strong> der Manica-Prov<strong>in</strong>z zugeschrieben.<br />

Die Renamo gibt ihre Mitgliederzahl mit etwa 15.000 an, was im Vergleich<br />

zu der Mitgliederzahl <strong>in</strong> Chimoio oder Gondola niedrig sei (vgl. REN/C). <strong>E<strong>in</strong>e</strong> starke<br />

gesellschaftliche Unterstützung leitet die Renamo daraus ab, dass bei der 1998 boykottierten<br />

Kommunalwahl 4.900 Stimmberechtigte ferngeblieben s<strong>in</strong>d (vgl. REN/C).<br />

Darum s<strong>in</strong>d Konflikte um die Legitimität der Kommunalverwaltung zu erwarten. Als<br />

Indikator für den Konfliktcharakter des Verhältnisses <strong>von</strong> Frelimo und Renamo auf<br />

kommunaler Ebene soll e<strong>in</strong>e Liste der jeweils attribuierten Eigenschaften dienen. So<br />

bedient sich die Frelimo der folgenden Eigenschaften zur Charakterisierung der Renamo:<br />

� Gewaltsam und zerstörerisch: Die Renamo wird beschuldigt, Gewalt zu provozieren<br />

und Menschen zu schlagen (vgl. FRE/C): „Die Renamo will Catandica zerstören.“<br />

(OMM/C) Auch wird e<strong>in</strong> Zusammenhang zwischen Renamo und der Verbreitung<br />

<strong>von</strong> Kle<strong>in</strong>waffen hergestellt (vgl. ADM/C, PRM/C, ADE/C).<br />

� Unvernünftig: Politisch moti<strong>vier</strong>te Sabotageakte der Renamo fügen ihr selbst Schaden<br />

zu (vgl. PCM/C).<br />

� Unfair: Die Renamo beleidige, verunglimpfe das Bild der Regierung und sei verantwortlich<br />

für den Vertrauensverlust der Bevölkerung <strong>in</strong> die staatlichen E<strong>in</strong>richtungen.<br />

� Undemokratisch: Die Renamo rufe zum Boykott der Wahlen auf (vgl. FRE/C).<br />

Umgekehrt beschreibt die Renamo die Frelimo wie folgt:<br />

� Gewaltsam: Die Frelimo wende physische (Schlägereien, Inhaftierung) und strukturelle<br />

Gewalt (Marg<strong>in</strong>alisierung der Renamo <strong>in</strong> Öffentlichkeit und Medien) an<br />

(vgl. REN/C). Laut Renamo habe die Frelimo e<strong>in</strong>e erhöhte Gewaltbereitschaft<br />

135


Konfliktpotentiale und Konflikte<br />

während der Vorfälle <strong>in</strong> Montepuez gezeigt. Jedoch gäbe es ke<strong>in</strong>e organisierte<br />

Form der Gewalt.<br />

� Obstruktiv: Die Frelimo erschwere die Arbeit der Renamo auf verschiedenste Weise<br />

<strong>in</strong>sbesondere <strong>in</strong> Wahlkampfphasen wie z.B. durch E<strong>in</strong>schüchterung (vgl.<br />

REN/C).<br />

� Ungerecht: Gerichtsverfahren seien parteiisch (vgl. REN/C).<br />

Trotz dieser perpetuierten Zuschreibungen sehen die politischen Kontrahenten ke<strong>in</strong>e<br />

Bedrohung des Friedens (vgl. AC/C). Die Renamo möchte ihre demokratische Eignung<br />

signalisieren und stellt heraus, dass sie im S<strong>in</strong>ne der Geme<strong>in</strong>de sogar e<strong>in</strong>en<br />

Kandidaten der Frelimo unterstützen würde, sofern er über die richtigen Kompetenzen<br />

verfüge und nicht korrupt sei (vgl. REN/C).<br />

Die Untersuchung zeigt, dass das Verhältnis zwischen Frelimo und Renamo h<strong>in</strong>sichtlich<br />

der politischen Ebene differenziert werden muss. Während die Kommunalverwaltung<br />

als vergleichsweise demokratisch, geme<strong>in</strong>wohlorientiert und <strong>in</strong>tegrativ<br />

beschrieben wird, wird die Distriktadm<strong>in</strong>istration für ihre fehlende Kooperationsund<br />

Kommunikationsbereitschaft kritisiert (vgl. REN/C). Das schlechte Verhältnis<br />

zum Distrikt habe sich erst mit dem aktuellen Adm<strong>in</strong>istrator ergeben, dem die systematische<br />

E<strong>in</strong>schüchterung <strong>von</strong> Staatsfunktionären vorgehalten wird, die mit der Renamo<br />

sympathisieren bzw. für die Renamo 1998 kandidierten. Infolgedessen habe<br />

die Renamo nur m<strong>in</strong>der qualifizierte Renamo-Kandidaten aufstellen können (vgl.<br />

REN/C). Auch führe der Adm<strong>in</strong>istrator e<strong>in</strong>e persönliche Propagandakampagne gegen<br />

die Renamo. Die Bevölkerung werde so polarisiert und für die politischen Partizipation<br />

demoti<strong>vier</strong>t. Schließlich wird der Adm<strong>in</strong>istrator der Bereicherung an öffentlichen<br />

Mitteln beschuldigt (vgl. REN/C). Entsprechend wird im Falle e<strong>in</strong>es Machtwechsels<br />

auf kommunaler Ebene mit der Zunahme <strong>von</strong> Beh<strong>in</strong>derungen gegenüber der Renamo<br />

durch höhere politische Ebenen gerechnet (vgl. REN/C, GAB/C). Zudem wird<br />

vermutet, dass die Renamo nachholend die eigene Klientel kompensieren werde etwa<br />

<strong>in</strong> Form e<strong>in</strong>er Abf<strong>in</strong>dung für die eigenen ehemaligen Soldaten (vgl. ADE/C).<br />

Das positive Verhältnis zur Kommune und das schlechte – zum Teil auch persönlich<br />

geprägte – Verhältnis zum Distrikt zeugen <strong>von</strong> der Loslösung <strong>von</strong> nationalen Konfliktmustern<br />

und damit <strong>von</strong> e<strong>in</strong>em M<strong>in</strong>destmaß an Eigenständigkeit der lokalen parteipolitischen<br />

Ause<strong>in</strong>andersetzungen. Als Arena habe die Renamo die Kommunalebene<br />

erst entdeckt, nachdem mit den Spannungen zwischen der Distrikt-<br />

136


Konfliktpotentiale und Konflikte<br />

adm<strong>in</strong>istration und der Kommunalverwaltung die Größenordnung des kommunalen<br />

Haushalts deutlich wurde (vgl. PCM/C).<br />

In dieser Konfrontation weisen die <strong>in</strong>vol<strong>vier</strong>ten Parteien hohe Organisations- und<br />

Mobilisierungskapazitäten auf. Zur E<strong>in</strong>schätzung des Eskalationspotentials muss<br />

berücksichtigt werden, <strong>in</strong>wieweit die Unabhängigkeit der lokalen Konfliktmuster<br />

gegenüber nationalen Entwicklungen erhalten bleibt. Diese hängt <strong>von</strong> der Sogwirkung<br />

<strong>von</strong> etwaigen symbolträchtigen Schlüsselkonflikten auf der nationalen Ebene<br />

sowie <strong>von</strong> der Verantwortung der lokalen politischen Führer ab. Hier ist der Integrationsfähigkeit<br />

des Bürgermeisters besonderes Gewicht zuzuweisen. Pr<strong>in</strong>zipiell muss<br />

jedoch <strong>von</strong> e<strong>in</strong>em hohen Eskalationspotential ausgegangen werden. Konfliktm<strong>in</strong>dernd<br />

wirkt die signalisierte Bereitschaft der Renamo zu e<strong>in</strong>er regelkonformen Bearbeitung<br />

der Gegensätze.<br />

Manica. Das Verhältnis zwischen der <strong>von</strong> Frelimo gestellten Kommunalverwaltung<br />

und der Oppositionspartei Renamo ist <strong>von</strong> Distanz und Konkurrenz geprägt. Es gibt<br />

kaum Kontakt und damit ke<strong>in</strong>e Form der Kooperation. Die Frelimo versucht die<br />

politische Arena „unter Kontrolle“ (VF/M) zu halten und verteidigt ihre Machtposition<br />

auf verschiedene Art und Weise. Charakteristisch für die politische Rhetorik der<br />

Frelimo ist e<strong>in</strong>e positive Selbstdarstellung bei e<strong>in</strong>er gleichzeitigen Abwertung der<br />

Opposition.<br />

In ihrer positiven Selbstdarstellung stellt die Frelimo ihren E<strong>in</strong>satz für die Demokratie<br />

heraus und beschreibt das Verhältnis zur Renamo als kooperativ im S<strong>in</strong>ne des<br />

Pluralismus (vgl. FRE/M). Demnach verliefen Interessendivergenzen und Konflikte<br />

<strong>in</strong>nerhalb demokratischer Grenzen und würden trotz Provokationen durch die Renamo<br />

gewaltlos bearbeitet (vgl. FRE/M). Die Frelimo gibt an, niemals brutal gewesen<br />

zu se<strong>in</strong>: sie sei demokratisch, gerecht und versöhnlich (vgl. FRE/M). <strong>E<strong>in</strong>e</strong> Exklusion<br />

der Oppositionsparteien sei nicht beabsichtigt (vgl. ADM/M). Allerd<strong>in</strong>gs s<strong>in</strong>d diese<br />

Angaben nicht frei <strong>von</strong> Widersprüchen: Um die Opposition abzuwerten, stellt der<br />

Bürgermeister das Verhältnis deutlich negativer dar als die Frelimo-Partei und der<br />

Adm<strong>in</strong>istrator. Ihm zufolge lehne die Renamo die <strong>von</strong> der Frelimo signalisierten Partizipations-<br />

und Kooperationsangebote ab (vgl. PCM/M). Der Renamo wird e<strong>in</strong>e<br />

grundsätzliche Blockadehaltung und e<strong>in</strong>e fehlende Bereitschaft zum Konsens zuge-<br />

137


Konfliktpotentiale und Konflikte<br />

schrieben (vgl. ADM/M). 85 Auch habe die Opposition gewaltsame Ause<strong>in</strong>andersetzungen<br />

provoziert. In dieser Argumentationsweise wird der Opposition e<strong>in</strong>e demokratisch-parlamentarische<br />

Kompetenz abgesprochen. Die Renamo sei nicht zu e<strong>in</strong>er<br />

konstruktiven Mitarbeit bereit bzw. fähig, sondern bemühe sich, mit destruktiven<br />

Strategien die Macht zu ergreifen und die Entwicklungsbemühungen der Frelimo zu<br />

bremsen (vgl. FRE/M). Zudem sei auch die Renamo für den Vertrauensmangel der<br />

Bevölkerung <strong>in</strong> staatliche E<strong>in</strong>richtungen wie etwa Polizei und Gerichte verantwortlich<br />

(vgl. FRE/M).<br />

Die Renamo gibt e<strong>in</strong>e zu den Ausführungen der Frelimo konträre Sicht zu Protokoll.<br />

Sie wirft der Frelimo e<strong>in</strong> diffuses Freund-Fe<strong>in</strong>d-Verständnis vor, demzufolge e<strong>in</strong>e<br />

E<strong>in</strong>b<strong>in</strong>dung <strong>in</strong> die Politikgestaltung und die Berücksichtigung konstruktiver Vorschläge<br />

der Renamo unmöglich ist (vgl. REN/M). Die sich selbst als stärkste Partei <strong>in</strong><br />

der Prov<strong>in</strong>z verstehende Renamo werde als M<strong>in</strong>derheit behandelt und systematisch<br />

<strong>in</strong> den unterschiedlichsten sozialen, wirtschaftlichen und politischen Bereichen diskrim<strong>in</strong>iert<br />

(vgl. REN/M). Die Frelimo sabotiere über die Verweigerung <strong>von</strong> Genehmigungen<br />

die politische Arbeit der Renamo. Weil die Frelimo die Präsenz <strong>in</strong><br />

Öffentlichkeit und Medien zu verh<strong>in</strong>dern suche, spricht die Renamo <strong>von</strong> e<strong>in</strong>er „limitierten<br />

Demokratie“ (REN/M). Durch gezielte Falsch<strong>in</strong>formation und die Verzerrung<br />

historischer Fakten 86 würden Renamo-Mitglieder diskreditiert und demoralisiert (vgl.<br />

REN/M). Auch <strong>in</strong> Bezug auf traditionelle politische Struktur habe die Frelimo durch<br />

die Schaffung eigener, stark an die Partei gebundener Strukturen Verwirrung gestiftet.<br />

Bereits seit dem Kolonialismus gäbe es traditionelle und <strong>in</strong>formelle Autoritäten,<br />

deren Kompetenzbereiche allen bekannt seien (vgl. REN/M). Sich selbst <strong>in</strong>szeniert<br />

die Renamo als gewaltlos und ihren Parteiführer Dhlakama aufgrund se<strong>in</strong>er Zurückhaltung<br />

als Garant des Friedens (vgl. REN/M). Die kolportierten Gewaltdrohungen<br />

seien Bestandteil der Propaganda der Frelimo (vgl. REN/M).<br />

Übere<strong>in</strong>stimmung besteht h<strong>in</strong>gegen <strong>in</strong> Bezug auf die E<strong>in</strong>schätzung, dass im Falle<br />

unterschiedlicher parteipolitischer Mehrheiten auf Distrikt- und Kommunalebene<br />

sich das Verhältnis zwischen Frelimo und Renamo verschlechtern und die Wahrsche<strong>in</strong>lichkeit<br />

e<strong>in</strong>es Konflikts steigen würde (vgl. ADM/M, FRE/M, REN/M). Wäh-<br />

85 „Digo que é verde e eles dizem que é vermelho.” („Ich sage es sei grün. Sie [Renamo; NP]<br />

sagen, es sei rot.“ (ADM/M)<br />

86 Historischen Ereignissen wird e<strong>in</strong>e wichtige Rolle beigemessen, da sie wesentlich zur mythologischen<br />

Fundierung und der bewertenden bzw. moralischen Kodierung <strong>von</strong> politisch-sozialen<br />

Identitätskonstruktionen beitragen (vgl. SILIYA 1996; FERRÃO 2002: 30ff).<br />

138


Konfliktpotentiale und Konflikte<br />

rend sich die Frelimo-Partei unbedroht und vorbereitet wähnt, schätzt der Adm<strong>in</strong>istrator<br />

<strong>von</strong> Manica, dass das Verhältnis zur Renamo umso konfliktlastiger werde, desto<br />

mehr die Renamo ihre Macht demonstrieren wolle (vgl. ADM/M). Wenn e<strong>in</strong>e Partei<br />

die Mehrheit auf beiden Ebenen hätte, sei e<strong>in</strong> konstruktives Verhältnis <strong>von</strong> Distrikt<br />

und Kommune eher gewährleistet. Nichtsdestotrotz seien die rechtliche Grundlage<br />

sowie deren Beachtung <strong>von</strong> ausschlaggebender Bedeutung (vgl. ebd.). Die Renamo<br />

geht da<strong>von</strong> aus, dass ungeachtet ihrer gesetzestreuen Haltung die Frelimo konfliktschürend<br />

agiere (vgl. REN/M).<br />

Legt man die Ausführungen der Renamo zugrunde, wird der Konflikt bereits mit<br />

e<strong>in</strong>er hohen Intensität und unter Anwendung <strong>von</strong> Gewalt ausgetragen. Aufgrund des<br />

hohen Organisations- und Mobilisierungspotentials der Akteursgruppen sowie der<br />

starken Bezugnahme der lokalen Ebene auf nationale Konfliktmuster muss das Eskalationspotential<br />

als sehr hoch e<strong>in</strong>geschätzt werden.<br />

Vilankulo. Bürgermeister und Adm<strong>in</strong>istrator geben an, dass es nom<strong>in</strong>ell e<strong>in</strong>e politische<br />

Opposition gäbe, diese allerd<strong>in</strong>gs <strong>in</strong>effektiv sei (vgl. PCM/V, ADM/V). Die<br />

Renamo verfüge über ke<strong>in</strong>e Kapazitäten, um e<strong>in</strong>e konstruktive Gegenposition e<strong>in</strong>zunehmen,<br />

weshalb ihnen alle<strong>in</strong> Des<strong>in</strong>formationsstrategien möglich seien. Aufgrund<br />

der guten Leistungen der Kommunalverwaltung sei der Erfolg e<strong>in</strong>er solchen Strategie<br />

sehr beschränkt. Die Opposition mache sich darum nur bemerkbar, wenn ihre Interessen<br />

e<strong>in</strong>deutig tangiert werden (vgl. PCM/V).<br />

Die Frelimo charakterisiert die Strategien der ungebildeten Renamo als obstruktionistisch<br />

und zerstörerisch (vgl. FRE/V). Der Aufruf zum Boykott der Kommunalwahlen<br />

wird als destruktiv und undemokratisch beschrieben. Auch sei das Abstreiten<br />

der Wahrheit für die Opposition typisch. Zu e<strong>in</strong>er „Zusammenarbeit“ zwischen Frelimo<br />

und Renamo komme es deshalb nicht, weil die Renamo die <strong>von</strong> der Frelimo<br />

gemachten Kooperationsangebote ablehne. Umgekehrt kritisiert die Renamo die<br />

mangelhafte Koord<strong>in</strong>ation zwischen Kommunalverwaltung und Opposition: Obgleich<br />

beide Parteien ähnliche Ziele wie etwa die Armutsbekämpfung verfolgten,<br />

f<strong>in</strong>den Programmvorschläge der Renamo ke<strong>in</strong>en Zugang <strong>in</strong> politische Entscheidungs-<br />

und Gestaltungsprozesse (vgl. REN/V). Pr<strong>in</strong>zipiell sei e<strong>in</strong>e Beteiligung an<br />

Versammlungen der Kommunalverwaltung möglich, doch bewertet die Renamo e<strong>in</strong>e<br />

Partizipation als sehr schwierig, da sie mitunter nicht e<strong>in</strong>geladen oder über die Agenda<br />

<strong>in</strong>formiert werden (vgl. ebd.). Obwohl der Renamo die E<strong>in</strong>richtung ihres Haupt-<br />

139


Konfliktpotentiale und Konflikte<br />

sitzes im Zentrum verwehrt blieb, sieht die Renamo ke<strong>in</strong>e signifikante Form der Exklusion<br />

(vgl. REN/V).<br />

Die Frelimo schätzt, dass im Fall e<strong>in</strong>es Machtwechsels auf lokaler Ebene bei den<br />

Kommunalwahlen 2003 die Renamo ihre Macht demonstrieren und vieles zerstören<br />

werde, da es ihr an Ehrlichkeit und Gesetzestreue fehle (vgl. FRE/V). Die Renamo<br />

zeigt sich zu e<strong>in</strong>er Kandidatur bei den nächsten Kommunalwahlen bereit und erhofft<br />

sich unter ihren 3.150 Mitgliedern im Distrikt Chancen (vgl. REN/V). H<strong>in</strong>gegen<br />

schätzt der Bürgermeister aufgrund der starken Unterstützung der Frelimo <strong>in</strong> der<br />

Prov<strong>in</strong>z Inhambane e<strong>in</strong> Machtwechsel als unwahrsche<strong>in</strong>lich e<strong>in</strong> (vgl. PCM/V).<br />

Im Ganzen ist das Konfliktverhältnis im Vergleich zu der Situation <strong>in</strong> anderen Geme<strong>in</strong>den<br />

schwieriger e<strong>in</strong>zuschätzen. Die Situation ist eher als Konfrontation zu beschreiben.<br />

Möglicherweise ist das auf e<strong>in</strong>e stillschweigende Anerkennung der<br />

erfolgreichen Leistung des Bürgermeisters durch die Renamo zurückzuführen. Auch<br />

ist denkbar, dass sich die Renamo angesichts der festen Machtposition des Bürgermeisters<br />

ke<strong>in</strong>e Chancen e<strong>in</strong>es Sieges bei der nächsten Kommunalwahl ausrechnet.<br />

Solange der Konflikt <strong>von</strong> e<strong>in</strong>em überzeugend regierenden Bürgermeister beherrscht<br />

wird und die lokale Frelimo diesen stützt, kann das Eskalationspotential m<strong>in</strong>imiert<br />

werden. Langfristig bieten die vorhandenen ökonomischen Potentiale der Kommune<br />

e<strong>in</strong>en großen Anreiz für politische Parteien zum Konflikt.<br />

Frelimo - Renamo<br />

Aktueller Status Potentieller Mobilisierungsoder<br />

Organisationsgrad<br />

Schätzung des mittelfristigen<br />

Eskalationspotentials<br />

Pemba Konfrontation ++ ++<br />

Catandica Konfrontation ++ ++<br />

Manica Gewalt ++ ++<br />

Vilankulo Konfrontation ++ (++)<br />

Zeichenerklärung: – ger<strong>in</strong>g, + mittel, ++ hoch, (…) Verweis auf besondere Bed<strong>in</strong>gungen<br />

Tabelle 8: Vergleichende E<strong>in</strong>schätzung der Konflikte zwischen der Frelimo- und der Renamo-Partei<br />

<strong>in</strong> den <strong>vier</strong> <strong>Kommunen</strong><br />

4.3.5 Kommunalverwaltung – lokale Bevölkerung<br />

Pemba. Die Bürger der Kommune s<strong>in</strong>d mit der Arbeit ihrer Verwaltung <strong>in</strong>sgesamt<br />

zufrieden. Dennoch kommt es <strong>in</strong> drei Bereichen zu Spannungen zwischen Kommune<br />

und Bürger. Erstens kritisieren die Bürger die Versorgung kommunaler Dienstleistungen,<br />

<strong>in</strong>sbesondere die Müllabfuhr und Wasserversorgung (vgl. PM/P) und werfen<br />

der Kommunalverwaltung Konzeptlosigkeit und die Begünstigung <strong>von</strong> Ausländern<br />

140


Konfliktpotentiale und Konflikte<br />

vor (vgl. AMD/P, LDH/P). Die Berechtigung der Vorwürfe lässt sich nicht prüfen.<br />

Feststellbar ist jedoch, dass die kommunalen Infrastrukturen <strong>in</strong>folge der Überbevölkerung<br />

<strong>in</strong> bestimmten Vierteln (v.a. Paquitequete) überfordert s<strong>in</strong>d (vgl. VF/P).<br />

Zweitens zeigen sich die Bürger mit der lokalen Arbeitsmarktpolitik unzufrieden, da<br />

zu wenige Arbeitsplätze geschaffen werden (vgl. AMD/P). Aus Sicht der Geme<strong>in</strong>defunktionäre<br />

s<strong>in</strong>d diese Erwartungshaltungen v.a. seit der Kommunalreform und den<br />

wenigen touristischen Investitionen gestiegen. Drittens hat die Zahl der Konflikte<br />

um Land <strong>in</strong>folge der verstärkten Mobilität der Bevölkerung nach Beendigung des<br />

Krieges sowie der Kommunalreform zugenommen. Solange die Positionen der Bevölkerung<br />

nicht parteipolitisch gebündelt werden, ist e<strong>in</strong> organisiertes Vorgehen gegen<br />

die Kommunalverwaltung nicht zu erwarten. Darum ist derzeitig nur <strong>von</strong> e<strong>in</strong>em<br />

ger<strong>in</strong>gen Eskalationspotential auszugehen.<br />

Catandica. Die Beziehung zwischen Kommune und Bevölkerung wird als gut beschrieben<br />

(vgl. PVAM/C, PCM/C). Anfangs habe die Kommunalverwaltung parteipolitisch<br />

diskrim<strong>in</strong>iert. Seit etwa 2000 zeige sie sich allen Bürgern gleichermaßen<br />

verpflichtet (vgl. PCM/C). Jedoch zog die Kommunalverwaltung aufgrund des<br />

Missmanagements bei der Landverteilung (u.a. Mehrfachzuteilung <strong>von</strong> Parzellen,<br />

Falschbegrenzung <strong>von</strong> Grundstücken) den Unmut der lokalen Bevölkerung auf sich.<br />

Die konzeptlose und fehlerhafte Vorgehensweise der Verwaltungsangestellten habe<br />

Konflikte zwischen verunsicherten Nachbarn erzeugt, die sich zur Klärung an die<br />

secretários dos bairros wendeten. Beanstandet wurde, dass die Bürger nach e<strong>in</strong>em<br />

Zwangsabriss <strong>von</strong> der Kommune nicht angemessen entschädigt wurden (vgl.<br />

PVAM/C). Die Ursachen wurden e<strong>in</strong>erseits <strong>in</strong> der Mittellosigkeit der Kommunalverwaltung<br />

und andererseits <strong>in</strong> der Inkompetenz der Techniker gesucht, wobei persönliche<br />

Bereicherungsabsichten nicht auszuschließen seien. Jedoch hat die<br />

Bevölkerung selbst zu diesem Problem beigetragen, da sie im Zuge der Reform der<br />

Landgesetzgebung mit Überrumpelungstaktiken unkontrolliert baute, um im Anschluss<br />

<strong>von</strong> der Kommune zu e<strong>in</strong>em entschädigten Abriss gedrängt werden zu müssen<br />

(vgl. VU/C). Aufgrund der ger<strong>in</strong>gen Organisationskapazitäten der Bevölkerung<br />

wird dieser Konfrontation jedoch nur e<strong>in</strong> ger<strong>in</strong>ges Eskalationspotential zugewiesen.<br />

Manica. Das Außenbild der Kommune wird besonders durch ihre Steuerpolitik<br />

vermittelt, die wiederum durch die Arbeit der Geme<strong>in</strong>depolizei geprägt wird (s. Abschnitt<br />

4.3.7). Aufgrund ihrer F<strong>in</strong>anzschwäche hat die Kommune e<strong>in</strong> starkes Interesse,<br />

ihr Steueraufkommen zu maximieren, was jedoch <strong>in</strong> der Bevölkerung und im<br />

141


Konfliktpotentiale und Konflikte<br />

lokalen Unternehmertum auf großen Widerstand stößt. Die Bevölkerung ist nicht<br />

bereit, die <strong>von</strong> ihr geforderten Steuern zu zahlen, weil zum e<strong>in</strong>en sie sichtbare Gegenleistungen<br />

erwartet und zum anderen die Steuerforderungen <strong>in</strong> den ersten zwei<br />

Jahren nach der Kommunalreform zugleich <strong>von</strong> Distrikt und Kommune erhoben<br />

wurden (vgl. VF/M). Für die konstatierte allgeme<strong>in</strong>e ablehnende Haltung der Bevölkerung<br />

gegenüber der lokalen Politik gibt es verschiedene Erklärungsansätze: Die<br />

zunehmende Unzufriedenheit und die s<strong>in</strong>kende Bereitschaft, e<strong>in</strong>en unangenehmen<br />

Zustand als gegeben h<strong>in</strong>zunehmen, ließen sich etwa auf e<strong>in</strong> steigendes Bildungsniveau<br />

und e<strong>in</strong>en verbesserten Informationszugang der Bevölkerung zurückführen<br />

(vgl. FAO/M). Weiterh<strong>in</strong> hätten die politischen Eliten zu hohe Erwartungen geschaffen,<br />

die sie nicht haben erfüllen können und so zu Frustration führten (vgl.<br />

GTZ/M). Die Renamo geht <strong>von</strong> e<strong>in</strong>er zu starken Hierarchieb<strong>in</strong>dung der Verantwortlichen<br />

aus, die darum zu wenig auf die lokalen Bedürfnisse e<strong>in</strong>gehen könnten (vgl.<br />

REN/M). Schließlich zeigen sich die Funktionäre durch die Missachtung der selbst<br />

geschaffenen Normen und Gesetze nicht vorbildlich (vgl. KS/M). So sei die lokale<br />

Bevölkerung bei der Vergabe <strong>von</strong> Landnutzungsrechten an das Forstunternehmen<br />

INFLOMA nicht konsultiert worden, woraufh<strong>in</strong> die lokale Bevölkerung mit Brandstiftung<br />

reagierte (vgl. ebd.).<br />

Die Spannungen zwischen Kommune und Distrikt nehmen negativ E<strong>in</strong>fluss auf das<br />

Verhältnis der Kommune zu den Bürgern Manicas. Zum Teil haben die Konflikte<br />

e<strong>in</strong>e konfrontative Form angenommen. Das bereits durch die allgeme<strong>in</strong> herausgestellte<br />

höhere Konfliktbereitschaft der Bevölkerung bestehende Eskalationspotential<br />

kann mittels e<strong>in</strong>er zusätzlichen Bündelung durch politische Parteien verstärkt werden.<br />

Vilankulo. Die Kommunalreform gilt <strong>in</strong> Vilankulo als weit gehend akzeptiert. Jedoch<br />

haben sich seitdem Konflikte entzündet bzw. verschärft. So fühlt sich die Bevölkerung<br />

zunehmend durch die Kommunalpolitik benachteiligt („marg<strong>in</strong>alizada e<br />

desfavorecida“) wie z.B. die Gruppe der Fischer, die sich an ihrer Arbeit beh<strong>in</strong>dert sieht<br />

(vgl. VU/V). Die Konflikte werden <strong>in</strong> erster L<strong>in</strong>ie darauf zurückgeführt, dass das<br />

Kommunalpr<strong>in</strong>zip der Bevölkerung unbekannt sei und diese sich nicht bereit zeige,<br />

auch unpopuläre Maßnahmen zu akzeptieren (vgl. VEC/V). Die Bevölkerung kritisiert<br />

die <strong>in</strong>direkte Bevorzugung <strong>von</strong> Ausländern bei kommunalen Dienstleistungen.<br />

Müllentsorgung und Krankenwagen seien nur dort möglich, wo die Fahrzeuge aufgrund<br />

besserer Straßen Zugang hätten, nämlich bei den <strong>von</strong> ausländischen Investo-<br />

142


Konfliktpotentiale und Konflikte<br />

ren mitf<strong>in</strong>anzierten Straßen. Ähnliches gelte für die Energieversorgung (vgl. SDB/V).<br />

Negativ verstärkt wird die Wahrnehmung der Bevölkerung zudem dadurch, dass die<br />

ausländischen Investoren mehr negative Effekte im S<strong>in</strong>ne <strong>von</strong> Umweltbelastung<br />

produzierten (vgl. VMA/V).<br />

Die 1996 gegründete und aus fünf Vertretern bestehende Marktkommission tritt für<br />

die Interessen der Marktverkäufer im Konflikt mit der Kommune e<strong>in</strong>. Der geplante<br />

Bau e<strong>in</strong>er neuen Markthalle erzeugte Konflikte. Gegenstand s<strong>in</strong>d Ausschluss der<br />

Marktverkäufer bei der Entscheidungsf<strong>in</strong>dung und Gestaltung der Halle sowie die<br />

Höhe der Entschädigungen für den Abriss der alten Stände (vgl. COM/V). Es kam<br />

zu e<strong>in</strong>er spontanen Protestdemonstration, bei der e<strong>in</strong> gewaltsamer Polizeie<strong>in</strong>griff<br />

verh<strong>in</strong>dert werden konnte. Pikanterweise war der Bürgermeister an diesem Tag nicht<br />

vor Ort.<br />

Vor allem an dem be<strong>in</strong>ahe gewaltsam eskalierten Konflikt zwischen Kommune und<br />

Marktkommission zeigt sich das vorhandene Eskalationspotential. Ausschlaggebend<br />

ist, dass das Konfliktverständnis vom Bürgermeister nicht <strong>in</strong> der gesamten Kommunalverwaltung<br />

verbreitet ist und diese auch nicht über die Autorität des Bürgermeisters<br />

verfügt. Im Falle e<strong>in</strong>er weiteren Zuspitzung muss damit gerechnet werden, dass<br />

aus Sicht der meisten Funktionäre die Situation nur durch polizeiliche Gewalt unter<br />

Kontrolle zu br<strong>in</strong>gen ist. Insofern wird das Eskalationspotential kurzfristig zwar ger<strong>in</strong>g,<br />

langfristig aber als hoch e<strong>in</strong>geschätzt.<br />

Kommunalverwaltung – lokale Bevölkerung<br />

Aktueller Status Potentieller Mobilisierungsoder<br />

Organisationsgrad<br />

Schätzung des mittelfristigen<br />

Eskalationspotentials<br />

Pemba Spannung + +<br />

Catandica Konfrontation – –<br />

Manica Spannung/<br />

Konfrontation<br />

+ ++<br />

Vilankulo Konfrontation + (+)<br />

Zeichenerklärung: – ger<strong>in</strong>g, + mittel, ++ hoch, (…) Verweis auf besondere Bed<strong>in</strong>gungen<br />

Tabelle 9: Vergleichende E<strong>in</strong>schätzung der Konflikte zwischen Kommunalverwaltung und lokaler<br />

Bevölkerung <strong>in</strong> den <strong>vier</strong> <strong>Kommunen</strong><br />

4.3.6 Kommunalverwaltung – <strong>in</strong>formelle Autoritäten<br />

Pemba. Entscheidend für das Verhältnis zwischen formellen und <strong>in</strong>formellen Institutionen<br />

ist zum e<strong>in</strong>en die Frage der offiziellen Legitimation und zum anderen die<br />

E<strong>in</strong>b<strong>in</strong>dung der <strong>in</strong>formellen Autoritäten <strong>in</strong> das politische Tagesgeschäft. Im Stadtbereich<br />

s<strong>in</strong>d zwar sieben régulos bekannt (vgl. PDB/P), allerd<strong>in</strong>gs werden v.a. die presiden-<br />

143


Konfliktpotentiale und Konflikte<br />

tes dos bairros als für die Kommunalverwaltung relevante <strong>in</strong>formelle Autoritäten verstanden.<br />

Sie werden als Extension der Kommunalverwaltung verstanden, während<br />

etwa die secretários dos bairros <strong>in</strong>formell die Interessen der Frelimo-Partei vertreten (vgl.<br />

FRE/P). Die presidentes dos bairros nennen sich traditionell legitimiert. Ursprünglich<br />

wurden sie offen bestimmt, heute werden sie gewählt. Die régulos werden h<strong>in</strong>gegen<br />

weiterh<strong>in</strong> nach tradierten Regeln bestimmt.<br />

Angesichts der Halb<strong>in</strong>sellage wird Pemba <strong>in</strong> Bezug auf traditionelle Autoritäten als<br />

e<strong>in</strong>e „Insel“ (PCM/P) beschrieben. Im hier fehlenden ländlichen Raum sagt man<br />

traditionellen Autoritäten e<strong>in</strong>en stärkeren E<strong>in</strong>fluss nach als <strong>in</strong> Städten. Dies sei dem<br />

Bürgermeister zufolge der Grund dafür, dass <strong>von</strong> der Kommune noch ke<strong>in</strong>e Anstrengungen<br />

der offiziellen Anerkennung der régulos unternommen worden seien (vgl.<br />

ebd.). Gleichwohl werden die régulos aufgrund ihres hohen Stellenwerts <strong>in</strong> der Bevölkerung<br />

bei Zeremonien e<strong>in</strong>geladen oder mit Uniformen ausgestattet (vgl. FRE/P).<br />

Die E<strong>in</strong>b<strong>in</strong>dung der <strong>in</strong>formellen Autoritäten, d.h. der presidentes dos bairros <strong>in</strong> das politische<br />

Tagessgeschehen f<strong>in</strong>det Kritik. Die Zuweisung zentraler Kompetenzen wie der<br />

Besiedlungspolitik an die unqualifizierten presidentes dos bairros führe demnach zu e<strong>in</strong>er<br />

<strong>in</strong>kohärenten Strukturentwicklung und sei damit kontraproduktiv (vgl. CIU/P). So<br />

sei aufgrund der Eigennutzorientierung der presidentes dos bairros das Fünf-Sterne Hotel<br />

‚Pemba Beach Hotel’ <strong>von</strong> Holzhütten umgeben (vgl. CIU/P, VU/P). Schwerwiegender<br />

ist jedoch der Vorwurf des Amtsmissbrauchs und der Mittelveruntreuung<br />

(vgl. VU/P). Bei Genehmigungsverfahren für die Zuteilung <strong>von</strong> Land seien Konflikte<br />

aufgetreten, weil die presidentes dos bairros sich nicht an die Bestimmungen gehalten<br />

hätten und zum eigenen Nutzen verhandelt hätten. <strong>E<strong>in</strong>e</strong> Rückerstattung bezahlter<br />

Beträge sei nicht möglich, so dass die Kommunalverwaltung gezwungen werde, dieses<br />

zeitaufwändige Problem zu bearbeiten.<br />

Von dieser Konfliktkonstellation s<strong>in</strong>d lediglich e<strong>in</strong> ger<strong>in</strong>ger Organisationsgrad der<br />

Akteure und e<strong>in</strong> niedriges Eskalationspotential zu erwarten, welche u.a. <strong>in</strong> der autoritätshörigen<br />

Haltung der <strong>in</strong>formellen Autoritäten gegenüber den formellen Institutionen<br />

begründet liegen.<br />

Catandica. In besonderer Weise vom politischen Wandel betroffen s<strong>in</strong>d die régulos <strong>in</strong><br />

den Vierteln Sabão und Sanhatunze. Sie nehmen Funktionen wahr wie Landmanagement,<br />

Informationsvermittlung, Durchführung <strong>von</strong> Zeremonien etwa <strong>in</strong> Dürresituationen<br />

(vgl. GAB/C, REG/C). Für die Kommune erheben sie Steuern, wofür sie<br />

jedoch nicht bezahlt werden (vgl. REG/C). Der Stellenwert der régulos <strong>in</strong> der Bevölke-<br />

144


Konfliktpotentiale und Konflikte<br />

rung ist nicht e<strong>in</strong>deutig. Sie selbst beklagen e<strong>in</strong>e vermehrte Respektlosigkeit gegenüber<br />

den Traditionen <strong>in</strong> Form <strong>von</strong> Tabubrüchen, die sie als Unordnung (desordem)<br />

beschreiben (vgl. REG/C).<br />

Während den neun Stadt<strong>vier</strong>teln auf <strong>in</strong>formeller Ebene jeweils e<strong>in</strong> zwar gewählter,<br />

aber v.a. für parteipolitische Verwaltungsaufgaben abgestellter Sekretär vorsteht, gibt<br />

es <strong>in</strong>nerhalb der Kommune nur zwei régulos (<strong>in</strong> den Vierteln Sabão und Sanhatunze),<br />

die v.a. <strong>in</strong> der Verteilung <strong>von</strong> Land tätig s<strong>in</strong>d. Nur e<strong>in</strong>er <strong>von</strong> beiden wurde bislang<br />

formell anerkannt (vgl. GAB/C). Da die régulos ihr E<strong>in</strong>flussgebiet außerhalb Catandi-<br />

cas sehen, können sie zur Kommunalreform nicht fundiert Stellung beziehen. Von<br />

der Kommune werden die régulos mit Aufgaben wie beispielsweise der Erhebung <strong>von</strong><br />

Steuern oder Forstwirtschaft betraut. Sie s<strong>in</strong>d mit dem derzeitigen Verhältnis unzufrieden,<br />

da sie <strong>von</strong> der Kommune weder Geld, Uniformen noch Machtsymbole bekommen<br />

wie es zum Zeitpunkt des Kolonialismus üblich war und wie es <strong>von</strong> der<br />

Zentralregierung zugesagt wurde. Auch zeigen sie sich darüber enttäuscht, dass mittlerweile<br />

die soziale und materielle Anerkennung seitens der Bevölkerung ausbleibt<br />

(vgl. REG/C).<br />

Der Distriktadm<strong>in</strong>istrator ist mit der E<strong>in</strong>b<strong>in</strong>dung der traditionellen Autoritäten zufrieden,<br />

wobei die Beteiligung auf Informierung und Konsultation beschränkt bleibt<br />

(vgl. ADM/C). Es wird deutlich, dass die Kritik der <strong>in</strong>formellen Autoritäten weniger<br />

auf die Machtstruktur als auf e<strong>in</strong>e Vergütung abzielt. So beschweren sich die régulos<br />

über die Ungleichbehandlung im Vergleich zu den Sekretären auf lokaler Ebene, die<br />

zwar weniger Akzeptanz <strong>in</strong> Bevölkerung genießen würden, aber z.B. bei Zeremonien<br />

mehr Bonifikationen bekämen oder zu Sem<strong>in</strong>aren e<strong>in</strong>geladen werden, bei denen es<br />

was zu essen gibt (vgl. REG/C).<br />

In Catandica gibt es den régulos zufolge ke<strong>in</strong> Bürgergericht. Im Falle e<strong>in</strong>es Verbrechens<br />

habe man sich an die Polizei zu richten (vgl. REG/C). Im Falle <strong>von</strong> Landkonflikten<br />

sei der Ansprechpartner die Landwirtschaftsdirektion des Distrikts. Soziale<br />

Konflikte würden <strong>in</strong> Versammlungen für „soziale Angelegenheiten“ (assuntos sociais)<br />

bearbeitet. Dem widersprechen die Viertelsekretäre: Die <strong>von</strong> den régulos genannten<br />

Versammlungen seien bereits vor sechs Jahren aufgrund ihres politischen E<strong>in</strong>schlags<br />

durch Volksgerichte ersetzt worden (vgl. SDB/C). Die Volksgerichte seien anerkannte<br />

und akzeptierte Instanzen der Justiz, die Fälle nach dem Konsenspr<strong>in</strong>zip behandelten.<br />

Sie nehmen e<strong>in</strong>e wichtige Rolle e<strong>in</strong>, da sie teilweise mehr Akzeptanz und<br />

Vertrauen der Bevölkerung genießen als die formellen Gerichte (vgl. FRE/C).<br />

145


Konfliktpotentiale und Konflikte<br />

Die Konfliktkonstellation zwischen formellen und <strong>in</strong>formellen Autoritäten muss<br />

h<strong>in</strong>sichtlich der <strong>in</strong>formellen Akteure differenziert werden <strong>in</strong> régulos, secretários dos bairros<br />

und presidentes dos bairros. Die régulos s<strong>in</strong>d h<strong>in</strong>sichtlich ihrer Verhandlungsposition<br />

gegenüber der Kommune am schwächsten, und ihr E<strong>in</strong>fluss wird zunehmend ger<strong>in</strong>ger.<br />

Aber auch das Konfliktvermögen der beiden anderen Gruppen bleibt ger<strong>in</strong>g,<br />

nicht zuletzt aufgrund ihrer Abhängigkeit <strong>von</strong> Partei und Kommune. Die Spannungen<br />

zwischen den <strong>in</strong>formellen Autoritäten bleiben auf niedrigem Niveau zumal es<br />

sich um s<strong>in</strong>guläre Interessen handelt.<br />

Manica. Prägend für den politischen und sozialen Kontext <strong>in</strong> Manica ist die Verflechtung<br />

traditioneller und moderner Strukturen und Praktiken. Insbesondere seitdem<br />

die traditionellen Autoritäten mit dem Erlass 15/2000 e<strong>in</strong>e Rehabilitierung<br />

erfahren, lassen sich Beziehungen der Koexistenz, Kooperation und wechselseitigem<br />

Verweis bis h<strong>in</strong> zur Konkurrenz wiederf<strong>in</strong>den. Teilweise f<strong>in</strong>den traditionelle Zeremonien<br />

unter Beteiligung <strong>von</strong> formellen Autoritäten wie dem Adm<strong>in</strong>istrator statt<br />

(vgl. RV/M). Umgekehrt wurde die régulo <strong>von</strong> Vengo zur Konfliktschlichtung <strong>in</strong> die<br />

Geme<strong>in</strong>de e<strong>in</strong>geladen (vgl. RV/M). Dabei gibt es ebenso viele Belege für die Relevanz<br />

des Traditionellen – wie z.B. die Geschlechterhierarchie oder die zahlreichen<br />

Anklagen wegen Hexerei (feitiçaria) – wie für ihre zunehmende Irrelevanz, die sich<br />

etwa im Konflikt um die richtige Bekleidungsweise, <strong>in</strong> den zahlreichen Tabubrüchen<br />

und <strong>in</strong> der schw<strong>in</strong>denden Autorität <strong>von</strong> régulos widerspiegelt (vgl. RV/M, RC/M,<br />

PDB/M, KS/M).<br />

Entsprechend ist das Verhältnis zwischen formellen und <strong>in</strong>formellen Strukturen unübersichtlich.<br />

Insbesondere nach E<strong>in</strong>führung der Kommunalreform führte die Vielzahl<br />

der Verlautbarungen und Regelungen zu allgeme<strong>in</strong>er Verwirrung (vgl. VF/M),<br />

was sich etwa <strong>in</strong> der unterschiedlichen Def<strong>in</strong>ition <strong>von</strong> <strong>in</strong>formeller Autorität (líderes<br />

comunitários) niederschlägt: Während der Distriktadm<strong>in</strong>istrator <strong>von</strong> e<strong>in</strong>er politischen<br />

Legitimation aller <strong>in</strong>formellen Autoritäten bis auf die régulos ausgeht, schließt der<br />

Bürgermeister Priester als <strong>in</strong>formelle Autorität aus (vgl. PCM/M). Die Renamo h<strong>in</strong>gegen<br />

def<strong>in</strong>iert <strong>in</strong>formelle Autoritäten als Respektspersonen, die nicht notwendigerweise<br />

politisch–rechtliche Handlungsbefugnis besitzen (vgl. REN/M).<br />

Das Verhältnis zu den zehn régulos im Distrikt bewertet die Frelimo-Partei positiv,<br />

wobei die Zusammenarbeit v.a. <strong>in</strong> der Steuere<strong>in</strong>treibung liege (vgl. ADM/M). E<strong>in</strong>ige<br />

Parteifunktionäre nutzten die strukturellen Verb<strong>in</strong>dungen zu den <strong>in</strong>formellen Autoritäten,<br />

um ihre Partei<strong>in</strong>teressen durchzusetzen (vgl. FRE/M). Der régulo <strong>von</strong> Colónia<br />

146


Konfliktpotentiale und Konflikte<br />

ist mit der Zusammenarbeit mit der kommunalen Verwaltung zufrieden, wobei er<br />

darunter v.a. se<strong>in</strong>e Bereitschaft zur Befolgung gegebener Anweisungen aus Manica<br />

versteht (vgl. RC/M). Trotz e<strong>in</strong>er wahrgenommenen Akzeptanz se<strong>in</strong>er Person und<br />

Funktion erhalte der régulo weder <strong>von</strong> der Kommune noch <strong>von</strong> der Bevölkerung Präsente<br />

als Zeichen der Anerkennung (vgl. RC/M). Auch bekomme er im Gegensatz zu<br />

früher – d.h. zur Zeit des Kolonialismus – für se<strong>in</strong>e Dienste wie Steuere<strong>in</strong>treibung<br />

ke<strong>in</strong> Geld oder materielle Vergünstigungen wie Uniformen. Die symbolische Repräsentation<br />

der politischen Anerkennung ihrer Autorität durch Fahne und Uniform ist<br />

auch für die régulo <strong>von</strong> Vengo <strong>von</strong> zentraler Bedeutung (vgl. RV/M). Ihr sozialer Stellenwert<br />

habe sich anlässlich e<strong>in</strong>es Konflikts <strong>in</strong> Manica gezeigt, zu dem sie konsultiert<br />

wurde: Weil die Tochter des Distriktadm<strong>in</strong>istrators gegen die Kleiderordnung verstoßen<br />

habe, wurde ihr Rat e<strong>in</strong>geholt (vgl. RV/M).<br />

Ihren hohen (symbolischen) Stellenwert können <strong>in</strong>formelle Autoritäten nicht <strong>in</strong> das<br />

als Spannung zu bezeichnende Konfliktverhältnis e<strong>in</strong>br<strong>in</strong>gen. Das Eskalationspotential<br />

bleibt nicht zuletzt aufgrund der untertänigen Haltung der régulos stark begrenzt.<br />

Vilankulo. Laut Geme<strong>in</strong>depolizei sowie secretários de bairros gibt es lediglich e<strong>in</strong>en<br />

régulo <strong>in</strong>nerhalb der Geme<strong>in</strong>de (Viertel 5º Congresso). Dies sei e<strong>in</strong>er der Gründe warum<br />

<strong>in</strong> Vilankulo die Kooperation zwischen Geme<strong>in</strong>deverwaltung und traditionellen<br />

Autoritäten sehr ger<strong>in</strong>g ausfalle (vgl. PCM/V). Die Kommunalverwaltung habe den<br />

régulo nicht zur E<strong>in</strong>treibung <strong>von</strong> Steuern e<strong>in</strong>beziehen wollen, da er hierzu nicht qualifiziert<br />

sei (vgl. PCM/V). Der régulo werde jedoch <strong>in</strong> Landfragen konsultiert.<br />

Die secretários dos bairros bewerten ihr Verhältnis zur Geme<strong>in</strong>deverwaltung als gut,<br />

obwohl sie für ihre Arbeit ke<strong>in</strong>e Vergütung erhielten. Dies sei ungerecht, da die presidentes<br />

dos bairros für ihre Arbeit entlohnt würden (vgl. SDB/V). Die Renamo kritisiert<br />

die defizitäre Anerkennung traditioneller Autoritäten, da nur die traditionellen Autoritäten<br />

anerkannt werden, die zugleich Parteisekretäre seien (vgl. REN/V).<br />

Die Spannungen zwischen Kommune und <strong>in</strong>formellen Autoritäten werden zwar<br />

artikuliert, doch geht weder vom régulo noch <strong>von</strong> den presidentes dos bairros oder den<br />

secretários e<strong>in</strong> nennenswertes Eskalationspotential aus.<br />

147


Kommunalverwaltung – <strong>in</strong>formelle Autoritäten<br />

Aktueller Status Potentieller Mobilisierungs-<br />

oder Organisationsgrad<br />

Konfliktpotentiale und Konflikte<br />

Schätzung des mittelfristigen<br />

Eskalationspotentials<br />

Pemba Spannung – –<br />

Catandica Spannung – –<br />

Manica Spannung – –<br />

Vilankulo Spannung – –<br />

Zeichenerklärung: – ger<strong>in</strong>g, + mittel, ++ hoch, (…) Verweis auf besondere Bed<strong>in</strong>gungen<br />

Tabelle 10: Vergleichende E<strong>in</strong>schätzung der Konflikte zwischen der Kommunalverwaltung und<br />

<strong>in</strong>formellen Autoritäten <strong>in</strong> den <strong>vier</strong> <strong>Kommunen</strong><br />

4.3.7 Polizei – lokale Bevölkerung<br />

Pemba. Pemba weist e<strong>in</strong>e Besonderheit auf, die zugleich e<strong>in</strong> Politikum darstellt: Im<br />

Gegensatz zu anderen <strong>Kommunen</strong> hat Pemba ke<strong>in</strong>e Geme<strong>in</strong>depolizei. Begründet<br />

wird dies mit dem Fehlen qualifizierten Personals und mit den hohen Personal- und<br />

Materialkosten (vgl. PCM/P) – <strong>in</strong>sbesondere im Vergleich zu ihrer Produktivität (vgl.<br />

FRE/P). Die Aufgaben sollen durch andere Funktionäre (Steuere<strong>in</strong>treibung) oder <strong>von</strong><br />

der Polizei (E<strong>in</strong>haltung der Geme<strong>in</strong>deordnung) erledigt werden. Zudem könne so die<br />

häufig vorherrschende Konkurrenzsituation zwischen den beiden Polizeikörperschaften<br />

vermieden werden (vgl. FRE/P). Das Verhältnis zwischen der staatlichen<br />

Polizei PRM und der Kommunalverwaltung sei darum zufrieden stellend (vgl.<br />

PRM/P, FRE/P). Vor dem H<strong>in</strong>tergrund, dass <strong>in</strong> vielen Geme<strong>in</strong>den die E<strong>in</strong>richtung<br />

e<strong>in</strong>er Geme<strong>in</strong>depolizei der Bedienung klientelistischer Strukturen dient – es werden<br />

v.a. Demobilisierte rekrutiert – ist es nicht verwunderlich, dass <strong>in</strong> Pemba die Verbände<br />

ehemaliger Soldaten am stärksten das Fehlen der Geme<strong>in</strong>depolizei bemängeln.<br />

Um sich mehr Gewicht zu verschaffen, schaffen sie darum Unsicherheitsszenarien<br />

(vgl. PAM/P). Auch wird argumentiert, Pemba solle „das haben, was andere auch<br />

haben“ (ebd.). In vielen Antwortmustern ist die Präferenz <strong>von</strong> Stärke und Macht zu<br />

erkennen. So soll etwa e<strong>in</strong>er gestiegenen Krim<strong>in</strong>alitätsrate mit e<strong>in</strong>er gesteigerten Polizeipräsenz<br />

begegnet werden.<br />

Die PRM reagierte <strong>in</strong> den Jahren 2001/2002 auf e<strong>in</strong> bislang unbekanntes Ausmaß<br />

der Krim<strong>in</strong>alität mit Maßnahmen, die allgeme<strong>in</strong> als sehr hart bewertet werden, wie<br />

z.B. die Verordnung <strong>von</strong> Ausgangssperren (vgl. LDH/P). Laut der Menschenrechtsliga<br />

kam es am 4.1.2002 ohne erkennbaren Anlass zu Polizeiübergriffen v.a. auf<br />

Frauen. Die Brutalität der Polizei habe nach der Ermordung e<strong>in</strong>es Taxifahrers<br />

nochmals drastisch zugenommen. So wird die Verantwortung der Polizei für den<br />

Tod e<strong>in</strong>es Jugendlichen im September 2002 kolportiert (vgl. LDH/P). Die PRM ver-<br />

148


Konfliktpotentiale und Konflikte<br />

teidigt ihre Vorgehensweise als schnell und erfolgreich. E<strong>in</strong> Erklärungsansatz für die<br />

Vorfälle geht <strong>von</strong> der Überforderung der lokalen Polizei aus, weshalb man die für<br />

ihre harte Vorgehensweise berüchtigte Polizei <strong>in</strong> Nampula um Unterstützung gebeten<br />

habe. Die starke Präsenz e<strong>in</strong>es Polizeiaufgebots habe zu Amtsmissbrauch und<br />

Übergriffen geführt (vgl. CIU/P), so dass die PRM mehrfach gegenüber der Zivilgesellschaft<br />

<strong>in</strong> Pemba Rechenschaft ablegen musste (vgl. LDH/P). Auch die Renamo<br />

fürchtet Übergriffe der PRM <strong>in</strong> Pemba, da diese bei Demonstrationen Unruhen provoziere<br />

und zur Tötung <strong>von</strong> Demonstranten bereit sei (vgl. REN/P). Dabei nimmt<br />

der Sprecher der Renamo Bezug auf die Ereignisse <strong>von</strong> Montepuez.<br />

Die PRM gibt vor, Konflikte und Unordnung vermeiden zu wollen. Ihre harten<br />

Maßnahmen stehen jedoch im Widerspruch zu e<strong>in</strong>er <strong>in</strong>konsequenten und defizitären<br />

Praxis. Dadurch, dass Krim<strong>in</strong>alfälle nicht verfolgt oder gerichtlich abgeschlossen<br />

werden, kommt es zu Selbstjustiz mit tödlichem Ausgang. Neben Machtmissbrauch<br />

führt auch e<strong>in</strong>e Vielzahl an Korruptionsfällen zu e<strong>in</strong>em Vertrauensverlust der Bevölkerung<br />

<strong>in</strong> Gerichte und Polizei. Das negative Bild der Polizei <strong>in</strong> der Öffentlichkeit<br />

könne trotz öffentlicher Abstrafung korrupter Polizisten nicht beseitigt werden (vgl.<br />

LDH/P). Jedoch f<strong>in</strong>det die harte Vorgehensweise der Polizei <strong>in</strong> der Öffentlichkeit<br />

nicht nur negative Kritik (vgl. LDH/P). Beispielsweise begrüßen Frelimo und die<br />

presidentes dos bairros e<strong>in</strong>e solche Vorgehensweise, da damit das Problem fehlender<br />

öffentlicher Sicherheit gelöst worden sei. Trotz fehlender Mittel gewährleiste die Polizei<br />

den Schutz der Bevölkerung, so dass „wieder Ruhe und Respekt herrscht“: „Mit<br />

der Polizei ist halt nicht zu spaßen.“ (PDB/P)<br />

Die Polizei sieht ihre Arbeit <strong>von</strong> der Bevölkerung akzeptiert, v.a. weil man um die<br />

schlechte Mittelausstattung wisse (vgl. PRM/P). Konflikte mit der Bevölkerung werden<br />

ihrer Ansicht nach durch Informationsaustausch <strong>in</strong> hierfür e<strong>in</strong>gerichteten Versammlungen<br />

vermieden. Als Indiz für bestehende Kooperation und E<strong>in</strong>stimmigkeit<br />

wird die Bürger-Patrouille im Viertel Paquitequete genannt (vgl. ebd.). Die Polizei<br />

gesteht, dass <strong>in</strong>nerhalb der Körperschaft e<strong>in</strong> „Ethikproblem“ bestehe. Das falsche<br />

Rollenverständnis der Polizisten wird auf die mangelnde Bildung zurückgeführt (vgl.<br />

PRM/P, VU/P). In Cabo Delgado s<strong>in</strong>d bereits elf Polizeibeamte wegen Amtsvergehen<br />

entlassen worden (vgl. PRM/P).<br />

Insgesamt ist das Gewaltpotential aufgrund der Asymmetrie der Konfliktkonstellation<br />

eher seitens der Polizei zu erwarten. Seitens der Bevölkerung muss dann mit Ge-<br />

149


Konfliktpotentiale und Konflikte<br />

walt gegen Autoritäten gerechnet werden, wenn diese etwa durch Parteien organisiert<br />

wird.<br />

Catandica. In Bezug auf die Polizei s<strong>in</strong>d drei Konfliktl<strong>in</strong>ien zu differenzieren: (a)<br />

Geme<strong>in</strong>depolizei – Bürger, (b) PRM – Bürger sowie (c) Geme<strong>in</strong>depolizei – PRM.<br />

Zu a): Die Geme<strong>in</strong>depolizei hat v.a. Ordnungs- und Fiskalfunktionen zu erfüllen.<br />

Gerade die E<strong>in</strong>treibung <strong>von</strong> Steuern erweist sich jedoch als schwierig. Die ohneh<strong>in</strong><br />

arme Bevölkerung zeigt sich unwillig Steuern zu zahlen, für die sie <strong>von</strong> der Kommune<br />

gewisse Gegenleistungen erwartet. H<strong>in</strong>zu kommt, dass gerade <strong>in</strong> der Prov<strong>in</strong>z Manica<br />

die Renamo breite Akzeptanz f<strong>in</strong>det und so erfolgreich die Bevölkerung zu e<strong>in</strong>er<br />

Verweigerung der Steuerzahlung mobilisieren konnte.<br />

Zu b): Die PRM hat das Vertrauen der Bevölkerung e<strong>in</strong>gebüßt, welche der Polizei<br />

Bestechlichkeit und Ungerechtigkeit vorwirft. Die PRM erklärt dies als Missdeutung<br />

e<strong>in</strong>er unwissenden Bevölkerung, kann aber aufgrund ihrer als schlecht bewerteten<br />

Leistung ke<strong>in</strong>e Vertrauensgew<strong>in</strong>ne erzielen. Die PRM lobt zwar die Kooperation der<br />

Bevölkerung, diese kritisiert jedoch die Untätigkeit im Falle e<strong>in</strong>er Anzeige (vgl.<br />

AC/C).<br />

Zu c): Die E<strong>in</strong>führung der Geme<strong>in</strong>depolizei führte anfangs zu Ause<strong>in</strong>andersetzungen<br />

mit der PRM um Macht und Kompetenzen. Die Geme<strong>in</strong>depolizei, die <strong>in</strong> erster L<strong>in</strong>ie<br />

aus demobilisierten Soldaten rekrutiert, bemüht sich um e<strong>in</strong>e autoritäre Wirkung.<br />

Gegenüber der PRM musste sie e<strong>in</strong>sehen, dass sie aufgrund ihres e<strong>in</strong>geschränkten<br />

Aufgabenfeldes und der ger<strong>in</strong>gen Ausstattung auf die Kooperation mit der PRM<br />

angewiesen ist.<br />

Während die Spannungen zwischen den beiden Polizeikörperschaften auf niedrigem<br />

Intensitätsniveau bleiben, nehmen sie <strong>in</strong> den Fällen (a) und (b) zum Teil konfrontativen<br />

Charakter an. Hier geht das Eskalationspotential <strong>von</strong> beiden Polizeikörperschaften<br />

aus, das im Falle der Geme<strong>in</strong>depolizei auf fehlende Qualifikation und bei der<br />

PRM auf e<strong>in</strong> machtfokussiertes Rollenverständnis zurückgeht.<br />

Manica. In Manica wurden ke<strong>in</strong>e Angaben zum Verhältnis zwischen Polizei und<br />

Bevölkerung gemacht.<br />

Vilankulo. Während die Geme<strong>in</strong>depolizei aus der Sicht der Bevölkerung als etwas<br />

Fremdes, zur Ausbeutung der Bürger Geschaffenes gesehen wird (vgl. PC/V), wird<br />

die Arbeit der PRM <strong>in</strong>sgesamt als gut bezeichnet (vgl. REN/V, PRM/V, PC/V). Die<br />

Polizei sieht sich <strong>von</strong> der Bevölkerung unterstützt, die sich zur Denunziation und<br />

150


Konfliktpotentiale und Konflikte<br />

Anzeige bereit zeigt (vgl. PRM/V). Jedoch mangelt es der Bevölkerung an Vertrauen<br />

<strong>in</strong> die Polizei, was zum e<strong>in</strong>en darauf zurückgeführt wird, dass die Polizei aufgrund<br />

fehlender Mittel nicht sofort reagieren könne und zum anderen, dass es der Bevölkerung<br />

an Wissen über Kautionsverfahren fehle (vgl. PRM/V, REN/V). Es komme <strong>in</strong><br />

der Bevölkerung oftmals zur falschen Interpretation <strong>von</strong> Freilassungen, so dass der<br />

Polizei dann Korruption und Willkür unterstellt wird. Laut e<strong>in</strong>es GTZ-Mitarbeiters<br />

war die Polizei bereit, bei e<strong>in</strong>er spontanen aber nicht auf Gewalt ausgelegten Demonstrationsveranstaltung<br />

der Marktkommission am 5.5.2002 mit Masch<strong>in</strong>engewehren<br />

vorzugehen, was jedoch verh<strong>in</strong>dert werden konnte. Hier<strong>in</strong> zeigt sich das<br />

Eskalationspotential, das <strong>von</strong> der Polizei ausgeht. Sie sche<strong>in</strong>t, der Kontrolle willen zu<br />

Gewalt bereit zu se<strong>in</strong>.<br />

Das Verhältnis zwischen den beiden Polizeikörperschaften h<strong>in</strong>gegen sei kooperativ<br />

(vgl. PC/V, PRM/V). Laut der Geme<strong>in</strong>depolizei gäbe es e<strong>in</strong>e klare Trennung der<br />

Kompetenzen und Aufgaben zwischen der Geme<strong>in</strong>depolizei und der PRM.<br />

Polizei – lokale Bevölkerung<br />

Aktueller Status Potentieller Mobilisierungsoder<br />

Organisationsgrad<br />

Schätzung des mittelfristigen<br />

Eskalationspotentials<br />

Pemba Gewalt – ++<br />

Catandica Spannung/<br />

Konfrontation<br />

+ +/++<br />

Vilankulo (Gewalt) + ++<br />

Zeichenerklärung: – ger<strong>in</strong>g, + mittel, ++ hoch, (…) Verweis auf besondere Bed<strong>in</strong>gungen<br />

Tabelle 11: Vergleichende E<strong>in</strong>schätzung der Konflikte zwischen Polizei und lokaler Bevölkerung <strong>in</strong><br />

Pemba, Catandica und Vilankulo<br />

4.3.8 Konfliktpotential <strong>von</strong> demobilisierten Soldaten<br />

Pemba. Der Verband der demobilisierten Soldaten AMODEG 87 erhebt Ansprüche<br />

gegenüber der Kommune, d.h. die E<strong>in</strong>lösung der <strong>von</strong> der Zentralregierung versprochenen<br />

Privilegstellung der Demobilisierten <strong>in</strong>sbesondere <strong>in</strong> Form e<strong>in</strong>er Bereitstellung<br />

<strong>von</strong> Arbeitsplätzen. Da üblicherweise die neu geschaffenen<br />

Geme<strong>in</strong>depolizeikörperschaften Demobilisierte rekrutieren, wird <strong>in</strong> Pemba die E<strong>in</strong>richtung<br />

e<strong>in</strong>er Geme<strong>in</strong>depolizei gefordert und mit e<strong>in</strong>er schlechten Sicherheitslage<br />

gerechtfertigt (vgl. AMD/P). Darüber h<strong>in</strong>aus bemängelt der Verband die Schwierigkeiten<br />

bei der Beschulung der K<strong>in</strong>der <strong>von</strong> Demobilisierten sowie bei der Inanspruchnahme<br />

<strong>von</strong> Gesundheitsdienstleistungen. Der Verband AMODEG kann sich<br />

87 Vgl. auch SCHAFER 1998.<br />

151


Konfliktpotentiale und Konflikte<br />

nicht für diejenigen e<strong>in</strong>setzen, die zum Zeitpunkt der Demobilisierung ‚K<strong>in</strong>dersoldaten’<br />

88 , also jünger als 17 Jahre alt, waren oder nur weniger als 10 Jahre Militärdienst<br />

nachweisen können. Dies sei dem Verband zufolge e<strong>in</strong>e mögliche Quelle <strong>von</strong> Unzufriedenheit<br />

und damit auch Konflikt schürend (vgl. AMD/P). Der Verband pflegt<br />

den E<strong>in</strong>druck e<strong>in</strong>es signifikanten Gewaltpotentials, das aufgrund e<strong>in</strong>es kriegsbed<strong>in</strong>gten<br />

Gewalthabitus, des vere<strong>in</strong>fachten Zugangs zu (Kle<strong>in</strong>-) Waffen, e<strong>in</strong>er verme<strong>in</strong>tlich<br />

niedrigen Frustrationstoleranz sowie und bestehender Mobilisierungsvorteile aufgrund<br />

der bereits bestehenden Organisation <strong>von</strong> Interessen auch tatsächlich vorhanden<br />

zu se<strong>in</strong> sche<strong>in</strong>t.<br />

Catandica. Die Verbände der Demobilisierten, ADEMIMO und ASSOCIAÇÃO AN-<br />

TIGOS COMBATENTES, fordern mehr Anerkennung und Privilegien als Gegenleistung<br />

für das Engagement der Soldaten für die Heimat. Sie fordern Arbeit für sich und<br />

ihren Familien sowie steuerliche Entlastungen. Sie fühlen sich ungerecht behandelt,<br />

da nur Soldaten mit mehr als 10 Jahren Militärdienst Anspruch auf e<strong>in</strong>e Pension haben,<br />

und drohen damit, dass ihre Passivität <strong>in</strong> Gewalt umschlagen könne. Der Verband<br />

selbst fordert für sich Fahrzeuge (vgl. ADE/C, AC/C).<br />

Die bislang auf niedrigem Niveau verbleibenden Spannungen bergen aufgrund des<br />

spezifischen H<strong>in</strong>tergrunds der Akteure e<strong>in</strong> hohes Drohpotential, das vermutlich höher<br />

liegt als das tatsächliche lokale Eskalationspotential. Falls die Konfliktmotivation<br />

E<strong>in</strong>kommen ist, werden die Demobilisierten dies eher <strong>in</strong> den benachbarten Geme<strong>in</strong>den<br />

Manica und Chimoio suchen.<br />

Manica. In Manica wurden ke<strong>in</strong>e Angaben zu e<strong>in</strong>er Konfliktbeteiligung <strong>von</strong> demobilisierten<br />

Soldaten gemacht.<br />

Vilankulo. Der Verband zählt 1.204 demobilisierte Soldaten der Frelimo-Streitkräfte<br />

im Alter zwischen 35 und 50 Jahren (vgl. AC/V). Die Demobilisierten leben v.a. im<br />

ländlichen Raum. Die meisten <strong>von</strong> ihnen s<strong>in</strong>d arbeitslos und arm, was als e<strong>in</strong>e Folge<br />

der unvollständigen Re<strong>in</strong>tegration erklärt wird (vgl. AC/V, PGA/V, IBR/V). Aus<br />

diesem Grund beklagt der Verband v.a. die fehlende Unterstützung bzw. die ihnen<br />

<strong>von</strong> der Zentralregierung zugesicherten Privilegien wie Arbeitsplätze und Rente.<br />

Stattdessen wurden mit dem Dekret 43/94 die Ansprüche <strong>von</strong> ehemaligen ‚K<strong>in</strong>dersoldaten’<br />

und Soldaten, die nur weniger als 10 Jahre Militärdienst nachweisen kön-<br />

88 Darunter fallen die Soldaten, die zum Zeitpunkt ihrer Demobilisierung 17 Jahre und jünger<br />

waren. Die Regierung negiert die Existenz <strong>von</strong> K<strong>in</strong>dersoldaten <strong>in</strong> ihren Streitkräften, so dass<br />

diese Gruppe sich ungerecht behandelt fühlt.<br />

152


Konfliktpotentiale und Konflikte<br />

nen, gestrichen. Der Verband argumentiert v.a. mit der Gefahr, die im Falle <strong>von</strong> Unzufriedenheit<br />

<strong>von</strong> der Gruppe der Demobilisierten ausgehe (vgl. IBR/V). Es sei bereits<br />

e<strong>in</strong> Fall gewaltsamer Manifestation <strong>von</strong> Unzufriedenheit e<strong>in</strong>es Demobilisierten<br />

bekannt (vgl. AC/V). Der Verband erhofft, se<strong>in</strong>e Klientel <strong>in</strong>sbesondere <strong>in</strong> Sicherheitsdiensten<br />

oder bei der Geme<strong>in</strong>depolizei unterzubr<strong>in</strong>gen. In e<strong>in</strong>em Fall wurden<br />

jedoch drei Demobilisierte aufgrund ihres krim<strong>in</strong>ellen H<strong>in</strong>tergrunds entlassen (vgl.<br />

AC/V), was auch der Grund für das Misstrauen <strong>von</strong> Ausländern gegenüber Demobilisierten<br />

ist (vgl. SAS/V).<br />

Obwohl der Verband der ehemaligen Kombattanten ihren Statuten zufolge auch die<br />

Interessen der Renamo-Streitkräfte vertreten, hätten sich die ehemaligen Streitkräfte<br />

der Renamo aus ‚Gier’ nicht an AMODEG oder ADEMIMO gerichtet. Im Falle<br />

e<strong>in</strong>es Machtwechsels rechnet der Verband damit, dass die Renamo die eigenen<br />

Kämpfer gesondert belohnen werde (vgl. AC/V).<br />

Der Verband bemüht sich, durch die Vermittlung e<strong>in</strong>es signifikanten Gewaltpotentials<br />

se<strong>in</strong>er Forderung nach Arbeitsplätzen für se<strong>in</strong>e Klientel mehr Gewicht zu verleihen.<br />

Jedoch wirkt der gewaltsame H<strong>in</strong>tergrund auf die potentiellen Arbeitgeber eher<br />

abschreckend. Geht man da<strong>von</strong> aus, dass sich Demobilisierte auf ihrer Suche nach<br />

Arbeit <strong>in</strong> wohlhabendere Städte orientieren, ist nicht auszuschließen, dass es <strong>in</strong> Vilankulo<br />

mittel- und langfristig zu e<strong>in</strong>er erhöhten krim<strong>in</strong>eller Gewaltbereitschaft<br />

kommt. Der Organisationsgrad dieser Gewalt ist für das dann erreichbare Eskalationspotential<br />

entscheidend.<br />

Konfliktpotential <strong>von</strong> Demobilisierten<br />

Aktueller Status Potentieller Mobilisierungsoder<br />

Organisationsgrad<br />

Schätzung des mittelfristigen<br />

Eskalationspotentials<br />

Pemba Spannung ++ ++<br />

Catandica Spannung ++ +<br />

Vilankulo Konfrontation ++ (+)<br />

Zeichenerklärung: – ger<strong>in</strong>g, + mittel, ++ hoch, (…) Verweis auf besondere Bed<strong>in</strong>gungen<br />

Tabelle 12: Vergleichende E<strong>in</strong>schätzung des Konfliktpotentials, das <strong>von</strong> Demobilisierten ausgeht, <strong>in</strong><br />

Pemba, Catandica und Vilankulo<br />

4.3.9 Arbeitskonflikte<br />

Pemba. In Pemba wird <strong>von</strong> e<strong>in</strong>er Zuspitzung des Verhältnisses zwischen Arbeitgebern<br />

und Arbeitnehmern berichtet (vgl. SI/P). Arbeitnehmer sehen sich massiver<br />

Unterdrückung <strong>in</strong> Form <strong>von</strong> Lohne<strong>in</strong>behaltungen und willkürlichen Entlassungen<br />

ausgesetzt. Auf soziale und persönliche Bedürfnisse der Arbeitnehmerschaft werde<br />

153


Konfliktpotentiale und Konflikte<br />

ke<strong>in</strong>e Rücksicht genommen. Arbeitsverträge werden nicht <strong>von</strong> den Arbeitgebern<br />

e<strong>in</strong>gehalten. Diesen wird angelastet, ganze Monatslöhne und Überstunden nicht auszuzahlen,<br />

ungerechtfertigt Arbeitnehmer zu kündigen sowie vertraglich festgelegtes<br />

Arbeitsmaterial nicht bereitzustellen. Aufgrund e<strong>in</strong>er Überkapazität an unqualifizierter<br />

Arbeitskraft können die Löhne unter das gesetzlich vorgeschriebene Niveau <strong>von</strong><br />

812.000 MT 89 gedrückt werden. Viele Arbeitnehmer verdienten nicht mehr als<br />

350.000 MT, was die Gewerkschaft als Ausbeutung charakterisiert (vgl. SI/P). Die<br />

vor dem Arbeitsgericht verhandelten Arbeitskämpfe werden als große Ungerechtigkeit<br />

empfunden, da die zuständigen Arbeitsgerichte diese nicht angemessen bearbeiteten<br />

(vgl. SI/P). Auch dauern die Verfahren so lange, dass nicht selten die<br />

angeklagten Arbeitgeber ungestraft <strong>in</strong>s Ausland haben flüchten können. Das E<strong>in</strong>behalten<br />

<strong>von</strong> Lohn hätte die Marg<strong>in</strong>alisierung vieler Familien zur Folge und berge entsprechend<br />

die Gefahr der Zunahme <strong>von</strong> Krim<strong>in</strong>alität und Gewalt. Dass bislang<br />

Protestveranstaltungen und Streiks eher selten s<strong>in</strong>d, wird mit der Friedfertigkeit der<br />

lokalen Arbeitnehmer aber auch mit deren E<strong>in</strong>schüchterung durch angedrohte Entlassungen<br />

erklärt. Bislang zeigen die Arbeitnehmer nicht zuletzt wegen der starken<br />

Asymmetrie e<strong>in</strong>e passive Haltung. Aufgrund der existentiellen Bedeutung für die<br />

Arbeitnehmer kann jedoch <strong>von</strong> e<strong>in</strong>em mittleren Mobilisierungs- und Protestpotential<br />

ausgegangen werden.<br />

In diesem Zusammenhang ist auf die Wahrnehmung <strong>von</strong> Arbeitslosen als diffuses<br />

Krim<strong>in</strong>alitäts- und Gewaltpotential h<strong>in</strong>zuweisen. Demnach gehe vor allem <strong>von</strong> Drogen<br />

und Alkohol konsumierenden jugendlichen Arbeitslosen e<strong>in</strong> ernstzunehmendes<br />

Gewalt- und Krim<strong>in</strong>alitätspotential aus (vgl. PRM/P), das v.a. auf zwei Ursachendimensionen<br />

zurückgeführt wird: auf den Ausschluss armer Bevölkerungsschichten<br />

<strong>von</strong> Bildung e<strong>in</strong>erseits (vgl. AMA/P) und auf die ger<strong>in</strong>ge Kapazität des Arbeitsmarktes<br />

andererseits (vgl. PAD/P). Demnach handelt es sich um e<strong>in</strong> anomisches und krim<strong>in</strong>elles<br />

Gewaltpotential, das sich explizit e<strong>in</strong>er Regelung entzieht und darum e<strong>in</strong><br />

hohes Eskalationspotential aufweist.<br />

In Catandica, Manica und Vilankulo wurden ke<strong>in</strong>e Angaben zu Arbeitskonflikten<br />

gemacht.<br />

89 Ca. 33 € zum Zeitpunkt der Untersuchung 11/2002.<br />

154


Arbeitskonflikte<br />

Aktueller Status Potentieller Mobilisierungs-<br />

oder Organisationsgrad<br />

Konfliktpotentiale und Konflikte<br />

Schätzung des mittelfristigen<br />

Eskalationspotentials<br />

Pemba Konfrontation ++ ++<br />

Zeichenerklärung: – ger<strong>in</strong>g, + mittel, ++ hoch, (…) Verweis auf besondere Bed<strong>in</strong>gungen<br />

Tabelle 13: E<strong>in</strong>schätzung der Arbeitskonflikte <strong>in</strong> Pemba<br />

4.3.10 Migranten/Flüchtl<strong>in</strong>ge – lokale Bevölkerung<br />

Pemba. Die Anwesenheit <strong>von</strong> Migranten verstärkt die empfundene Knappheit <strong>von</strong><br />

Raum und Arbeit bzw. E<strong>in</strong>kommensquellen. <strong>E<strong>in</strong>e</strong> räumliche Konzentration auf den<br />

Marktbereich und im Viertel Paquitequete führt dazu, dass Migranten, Flüchtl<strong>in</strong>ge<br />

und ausländische Händler aus Tansania und Malawi bei Teilen der Bevölkerung als<br />

Unruhestifter und Bedrohung für die soziale Ordnung gelten (vgl. PCM/P). Hierfür<br />

gängige Erklärungsmuster beziehen sich auf Konfliktsituationen auf dem Markt:<br />

‚Migranten haben andere Sitten und Gebräuche als die E<strong>in</strong>heimischen’; ‚Migranten<br />

s<strong>in</strong>d <strong>in</strong>formelle Händler und zahlen ke<strong>in</strong>e Steuern’; oder ‚Migranten s<strong>in</strong>d krim<strong>in</strong>ell<br />

und handeln mit Drogen auf dem Markt’ (vgl. FRE/P). Insofern besteht e<strong>in</strong> erhebliches,<br />

bisher aber unterdrücktes Gewaltpotential. Dabei geht es weniger um das<br />

nachweisbare Ausmaß der <strong>von</strong> dieser Gruppe ausgehenden Bedrohung. Vielmehr<br />

dienen Migranten und Flüchtl<strong>in</strong>ge als Projektionsfläche für negative und bedrohlich<br />

empfundene Phänomene. Der <strong>von</strong> hoher Bevölkerungsdichte und starker kultureller<br />

Mischung geprägte soziale Kontext ist für Befragte Anknüpfungspunkt für Attributionen<br />

wie Unordnung, Krim<strong>in</strong>alität, Sucht und Laster sowie Verweigerung <strong>von</strong> Steuerzahlungen<br />

(vgl. PAD/P, FRE/P, LDH/P). Insbesondere ausländischen Händlern<br />

wird die Schuld an der stark zunehmenden Verbreitung <strong>von</strong> AIDS gegeben worauf<br />

mit harten Gesetzen reagiert werden solle (vgl. PAM/P). Begriffe wie „Tansanische<br />

Invasion“ (REN/P) oder die Kritik an der Informalität des Handels der Migranten<br />

(vgl. FRE/P, AMD/P, LDH/P) spiegeln sowohl die Emotionalität als auch die Irrationalität<br />

<strong>in</strong> der Behandlung des Themas wider. <strong>E<strong>in</strong>e</strong> Ursache hierfür ist die als unkontrollierbar<br />

wahrgenommene Situation <strong>in</strong>folge der großen Zahl der Migranten<br />

sowie deren Wohnsituation (vgl. LDH/P, UMO/P). So erklärt die Menschenrechtsliga,<br />

dass die lokale Bevölkerung überfordert sei und nicht mehr gastfreundlich bleiben<br />

könne (vgl. LDH/P). Aufgrund der starken Verbreitung der Ressentiments wird e<strong>in</strong><br />

hoher Mobilisierungsgrad unterstellt, der zu kollektiven Ause<strong>in</strong>andersetzungen mit<br />

hohem Gewaltpotential führen kann.<br />

155


Konfliktpotentiale und Konflikte<br />

Catandica. In Catandica wurden ke<strong>in</strong>e Angaben zu e<strong>in</strong>em etwaigen Konfliktpotential<br />

zwischen der e<strong>in</strong>heimischen Bevölkerung und Migranten gemacht.<br />

Manica. Aufgrund der unsicheren politischen Situation und der schlechten Verfassung<br />

der Ökonomie im Nachbarland Simbabwe ist da<strong>von</strong> auszugehen, dass <strong>in</strong> naher<br />

Zukunft verstärkt Migranten und Flüchtl<strong>in</strong>ge Zuflucht im Grenzgebiet suchen. Erfahrungsgemäß<br />

konzentrieren sich die Migrationsbewegungen auf bedeutende Städte,<br />

so dass auch Manica da<strong>von</strong> betroffen se<strong>in</strong> könnte. Bereits jetzt spricht man <strong>von</strong> e<strong>in</strong>em<br />

Klima der Angst, da vermutet wird, dass den Mosambikanern die Schuld an<br />

dem Fall der simbabwischen Wirtschaft gegeben werde und dies gerächt werde (vgl.<br />

KS/M). Zwar sei es vere<strong>in</strong>zelt zu Gewalt gekommen, doch hätten Simbabwer und<br />

Mosambikaner im Allgeme<strong>in</strong>en e<strong>in</strong> friedliches Verhältnis, es gäbe ke<strong>in</strong>e „offizielle<br />

Gewalt“ (REN/M). Es wurde <strong>von</strong> Tötungen <strong>von</strong> verme<strong>in</strong>tlichen Schmugglern im<br />

Grenzgebiet berichtet, die jedoch zum Zeitpunkt der Untersuchung nachgelassen<br />

hätten. Obwohl es bislang nur vere<strong>in</strong>zelt zu konfrontativen Ause<strong>in</strong>andersetzungen<br />

gekommen ist, birgt die Konkurrenzsituation im Grenzgebiet nicht zuletzt aufgrund<br />

der leichten Mobilisierbarkeit der Bevölkerung e<strong>in</strong> hohes Eskalationspotential.<br />

Vilankulo. Zu Gewalt zwischen E<strong>in</strong>heimischen und Ausländern ist es <strong>in</strong> Vilankulo<br />

nicht gekommen. Jedoch s<strong>in</strong>d zurzeit deutlich Ressentiments gegenüber den ausländischen<br />

Investoren vorhanden, denen vorgehalten wird, dass sie Gew<strong>in</strong>ne aus dem<br />

Tourismusgeschäft <strong>in</strong> ihr Heimatland abführen. Die lokale Bevölkerung profitiere<br />

nicht <strong>von</strong> diesen Investitionen (vgl. PCM/V, PAM/V). Zugleich werden damit die<br />

bereits vorhandenen sozioökonomischen Disparitäten verstärkt (vgl. SAS/V). Ferner<br />

wird der wohlhabenden ausländischen Schicht aus überwiegend Südafrikanern und<br />

Simbabwern die rassistische Behandlung der e<strong>in</strong>heimischen Bevölkerung vorgehalten<br />

(vgl. ebd.). Es besteht die Gefahr, dass die Wahrnehmung e<strong>in</strong>er Ungleichbehandlung<br />

<strong>von</strong> E<strong>in</strong>heimischen und Ausländern durch die Behörden politisch <strong>in</strong>strumentalisiert<br />

wird (vgl. PCM/V). Weitere Aspekte s<strong>in</strong>d die ger<strong>in</strong>ge Kommunikation zwischen<br />

E<strong>in</strong>heimischen und Ausländern (vgl. PAM/V) und e<strong>in</strong>e wahrgenommene Konkurrenz<br />

zwischen lokaler und ausländischer Arbeitskraft (vgl. FRE/V, SAS/V).<br />

Oberflächlich können die Spannungen durch die als ungerecht wahrgenommene<br />

Verteilung der Kosten und des Nutzens erklärt werden. Jedoch s<strong>in</strong>d die Ressentiments<br />

gegenüber Fremden auch Bestandteil des Vielschichtigen Wertekonflikts um<br />

Modernität und Tradition, da die ‚Fremden’ aus e<strong>in</strong>er diffusen Überzeugung heraus<br />

als Träger der negativ geladenen Modernisierung gesehen und entsprechend abge-<br />

156


Konfliktpotentiale und Konflikte<br />

lehnt werden. Von daher s<strong>in</strong>d die Konfliktstrukturen schwer zu bearbeiten. Auch<br />

hier hängt das Eskalationspotential im Wesentlichen <strong>von</strong> e<strong>in</strong>er etwaigen parteipolitischen<br />

Instrumentalisierung ab.<br />

Migranten, Flüchtl<strong>in</strong>ge – lokale Bevölkerung<br />

Aktueller Status Potentieller Mobilisierungs-<br />

oder Organisationsgrad<br />

Schätzung des mittelfristigen<br />

Eskalationspotentials<br />

Pemba Konfrontation ++ ++<br />

Manica Konfrontation + ++<br />

Vilankulo Spannung (+) (+)<br />

Zeichenerklärung: – ger<strong>in</strong>g, + mittel, ++ hoch, (…) Verweis auf besondere Bed<strong>in</strong>gungen<br />

Tabelle 14: Vergleichende E<strong>in</strong>schätzung der Konflikte zwischen Migranten bzw. Flüchtl<strong>in</strong>gen und<br />

der lokalen Bevölkerung <strong>in</strong> Pemba, Manica und Vilankulo<br />

4.3.11 Generationenkonflikte<br />

Pemba. Auf sozialer Ebene zeichnet sich e<strong>in</strong> Wertekonflikt zwischen ‚Traditionalisten’<br />

und Modernisierungsbefürwortern, der <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er Zuspitzung e<strong>in</strong>er Polarisierung<br />

zwischen Jung und Alt gleichkommt. Wegen se<strong>in</strong>es privaten Charakters ist der Konflikt<br />

bislang diffus geblieben bzw. unterdrückt worden. Ursächlich geht der Konflikt<br />

auf die widersprüchlichen Haltungen gegenüber der Modernisierung, d.h. <strong>in</strong>wieweit<br />

die für e<strong>in</strong>en modernen Lebensstil stehenden Handlungsmuster und (Konsum-)<br />

Güter angenommen werden und dabei die entsprechende traditionelle Lebensweise<br />

verdrängen dürfen. Ausdruck f<strong>in</strong>det der Konflikt im respektlosen<br />

Verhalten gegenüber Eltern sowie <strong>in</strong> <strong>in</strong>nerfamiliären Kämpfen (vgl. VU/P). Beklagt<br />

wird der Verlust <strong>von</strong> Traditionen sowie <strong>von</strong> familiären und kulturellen Werten (vgl.<br />

VU/P). E<strong>in</strong> Erklärungsansatz stellt e<strong>in</strong>e Verb<strong>in</strong>dung zu generationsspezifischen Erfahrungen<br />

und den politischen und moralischen Kontext der politischen Eliten <strong>in</strong><br />

ihrem biografischen Verlauf her (vgl. PAD/P). Demnach ist der gegenwärtige Generationenkonflikt<br />

e<strong>in</strong>e langfristige Folge der sozialistischen Modernisierung nach Erreichen<br />

der Unabhängigkeit, bei der die traditionellen Wertestrukturen zerstört<br />

wurden. H<strong>in</strong>zu kommen die destruktive Wirkung des Krieges und die soziokulturelle<br />

Permeabilität nach se<strong>in</strong>er Beendigung.<br />

Der Organisationsgrad der <strong>in</strong>vol<strong>vier</strong>ten Akteure wird als niedrig e<strong>in</strong>gestuft. Aus den<br />

s<strong>in</strong>gulären Ause<strong>in</strong>andersetzungen resultiert nur e<strong>in</strong> begrenztes direktes Gewaltpotential.<br />

Dennoch ist der Konflikt <strong>in</strong>sofern <strong>von</strong> Bedeutung, als dass aufgrund der sozialen<br />

Des<strong>in</strong>tegration schwerwiegende Folgen <strong>in</strong> Zukunft denkbar s<strong>in</strong>d.<br />

157


Konfliktpotentiale und Konflikte<br />

Catandica. Die Jugendlichen Catandicas haben <strong>in</strong> der Geme<strong>in</strong>de den Ruf, respektlos,<br />

schlecht erzogen und dreckig zu se<strong>in</strong> (vgl. AC/C). Der Verband ehemaliger<br />

Kombattanten fordert sogar die Geme<strong>in</strong>depolizei dazu auf, Jugendliche <strong>in</strong>s Gefängnis<br />

zu br<strong>in</strong>gen (vgl. AC/C). In Catandica wird die Missachtung <strong>von</strong> allgeme<strong>in</strong>en und<br />

<strong>in</strong>sbesondere traditionellen Werten und Normen als Problem aufgefasst. Diese Problemwahrnehmung<br />

fand sich bei vielen Gesprächspartnern. Das Übertreten traditioneller<br />

Tabus ist für die régulos Ausdruck sozialer Unordnung und Unruhe <strong>in</strong>folge des<br />

Wandels. Sie lamentieren, dass sich viele nicht mehr an die traditionellen Regeln halten.<br />

90 Missachtung f<strong>in</strong>det sich v.a. unter K<strong>in</strong>dern und Jugendlichen (vgl. VEC/C,<br />

SDB/C). Die NGO KUBATSIRANA er<strong>in</strong>nert daran, dass traditionelle Erziehungsformen<br />

auf soziale Kontrolle, E<strong>in</strong>schüchterung und Tabuisierung basierten. Dies habe<br />

unter anderem den vorehelichen Geschlechtsverkehr verh<strong>in</strong>dert. E<strong>in</strong> Wandel habe<br />

sich seit 1980 abgezeichnet (vgl. KUB/C). Die Befragten erklärten das deviante Verhalten<br />

mit der Lebenssituation der Bürger, wie etwa divergierende E<strong>in</strong>stellungen <strong>in</strong>nerhalb<br />

<strong>von</strong> Familien u.a. <strong>in</strong>folge öffentlicher Förderung der Rechte für Frauen.<br />

Zudem erlebten K<strong>in</strong>der e<strong>in</strong>e neue Freiheit, so dass Eltern außerstande seien, ihre<br />

K<strong>in</strong>der zu führen. Schließlich wurde auf den negativen E<strong>in</strong>fluss ausländischer Filme<br />

verwiesen (vgl. ebd.).<br />

Obwohl die Spannungen nur im Privaten <strong>in</strong>tensiv ausgetragen werden und das Niveau<br />

der Austragung sowie der Organisation der Beteiligten ger<strong>in</strong>g bleibt, ist diesem<br />

Wertekonflikt besonderes Augemerk zu widmen, da die ihm <strong>in</strong>newohnenden des<strong>in</strong>tegrativen<br />

Kräfte zu anomischer Gewalt führen können (vgl. ‚Gewalt’ <strong>in</strong> Abschnitt<br />

2.1).<br />

Manica. Die moderne Kleidungsweise sorgt <strong>in</strong> Manica für viel Unruhe und Probleme.<br />

Die politischen Autoritäten sehen ihre Autorität und ihre Orientierungskraft <strong>in</strong><br />

Frage gestellt (vgl. PAM/M). Um e<strong>in</strong>e Situation der Regel- und Gesetzlosigkeit vorzubeugen,<br />

reagierte die Kommunalverwaltung zunächst mit Diszipl<strong>in</strong>armaßnahmen<br />

wie Bußgelder, Erzw<strong>in</strong>gung <strong>von</strong> Kleiderwechsel, Unterrichtsausschluss und E<strong>in</strong>schüchterung<br />

(vgl. PAM/M, PC/M, VEC/M). Jedoch stießen die Maßnahmen v.a.<br />

bei Jugendlichen, den progressiven Demokraten sowie bei politisch oppositionellen<br />

Gruppen auf starke Ablehnung (vgl. PC/M). Zuspruch für e<strong>in</strong>e derartige Vorge-<br />

90 Kritisiert wird z.B. nächtliches Pfeifen, das Betreten <strong>von</strong> Friedhöfen durch K<strong>in</strong>der, das Waschen<br />

<strong>von</strong> Töpfen und Liegematten im Fluss sowie das Schwimmen menstruierender Frauen<br />

(vgl. REG/C).<br />

158


Konfliktpotentiale und Konflikte<br />

hensweise f<strong>in</strong>det die Kommunalverwaltung h<strong>in</strong>gegen unter den älteren Bevölkerungsanteilen.<br />

Während bis Ende der 1980er Jahre das Soziale politisiert wurde, argumentieren<br />

die lokalen politischen Eliten heute damit, dass das Soziale – <strong>in</strong> diesem<br />

Fall der Sozialisationsauftrag – Sache der Eltern und damit unpolitisch sei. Die Geme<strong>in</strong>schaft<br />

müsse demnach mehr Verantwortung zeigen (vgl. PAM/M). 91 Um dieses<br />

Problem zu lösen, wurden auch traditionelle Autoritäten wie die régulo <strong>von</strong> Vengo<br />

konsultiert. Diese verortete die Problemursache im Verbot religiöser Praktiken (vgl.<br />

RV/M). Der moderne Lebenswandel wird als e<strong>in</strong>e Ursache für die Verbreitung <strong>von</strong><br />

AIDS genannt.<br />

Für die eher wertekonservativen <strong>in</strong>formellen Autoritäten, denen man e<strong>in</strong>e stärkere<br />

Bevölkerungsnähe nachsagt, besteht e<strong>in</strong> Loyalitätskonflikt. Die presidentes dos bairros<br />

äußern sich irritiert darüber, dass es gerade die K<strong>in</strong>der der vergleichsweise wohlhabenden<br />

politischen Eliten (z.B. die Tochter des Adm<strong>in</strong>istrators <strong>von</strong> Manica) seien,<br />

die e<strong>in</strong>e respektlose, an westlicher Ästhetik orientierte Kleidung anlegen und damit<br />

gegen die traditionellen Konventionen verstießen (vgl. PDB/M).<br />

Somit ist die Kleiderordnung der explizite Konfliktgegenstand, implizit geht es bei<br />

den Ause<strong>in</strong>andersetzungen um Autorität und Wertewandel. Die Spannungen zwischen<br />

konservativen und progressiven gesellschaftlichen und politischen Kräften<br />

spiegeln e<strong>in</strong>erseits die Angst vor Verlust der soziokulturellen Identität durch Imitation<br />

e<strong>in</strong>er als übermächtig, unmoralisch und dekadent wahrgenommenen westlichen<br />

Kultur. Andererseits zeugen sie <strong>von</strong> den Bemühungen der lokalen sozialen und politischen<br />

Eliten, Autorität und die Machtverteilung zu def<strong>in</strong>ieren. Die Situation bricht<br />

sich <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e Vielzahl weiterer Gegensätze und Probleme: Erstens teilen e<strong>in</strong>ige Eltern<br />

die neue Freizügigkeit der K<strong>in</strong>dergeneration und bezeugen so ihren Unwillen zur<br />

autoritären Korrektur. Zweitens zw<strong>in</strong>gt die Haltung zur Mode zur<br />

(Selbst-) Positionierung zwischen Modernität und kultureller Rückständigkeit (bzw.<br />

zwischen kultureller Imitation und Tradition 92 ), so dass die Situation der Betroffenen<br />

als e<strong>in</strong>e Art ‚Freiheit–Sicherheitsdilemma’ beschrieben werden könnte. Zwar s<strong>in</strong>d<br />

Freiheit und Sicherheit allgeme<strong>in</strong> anerkannte und erwünschte Ziele, doch habe die<br />

Freiheit der Nachkriegszeit viele <strong>in</strong> Unsicherheit versetzt. Mit der „Machtübernahme<br />

91 „Nossa sociedade civil está a se desleixar muito.“ („Unsere Zivilgesellschaft lässt sich sehr<br />

gehen“; PAM/M)<br />

92 <strong>E<strong>in</strong>e</strong> weitere Dimension des Widerspruchs besteht dar<strong>in</strong>, dass mit Tradition zwar Stabilität<br />

aber auch Ungerechtigkeit verbunden wird. Im Gegenzug sche<strong>in</strong>t Modernisierung zwar zu<br />

mehr Gerechtigkeit zu führen, sie vermittelt aber zugleich Unsicherheit und Instabilität.<br />

159


Konfliktpotentiale und Konflikte<br />

der Jugend“ (FAO/M) haben traditionelle Werte ihre Orientierungskraft e<strong>in</strong>gebüßt<br />

(vgl. RV/M, FAO/M). In ähnlicher Weise steht e<strong>in</strong> Freiheitsbekenntnis für die E<strong>in</strong>schränkung<br />

der formalpolitischen Steuerungshoheit (vgl. REN/M). Schließlich tragen<br />

die an der Mode festgemachten Überfremdungsängste zu e<strong>in</strong>er Verstärkung der<br />

wahrgenommenen Unterschiede zwischen „Schwarz und Weiß“ (RV/M) bei.<br />

Insbesondere <strong>in</strong> Manica wird die Vielschichtigkeit des Konflikts deutlich, der oberflächlich<br />

– und damit vere<strong>in</strong>fachend – als e<strong>in</strong> Generationenkonflikt gedeutet werden<br />

kann. Angesichts des vorwiegend privaten Charakters der Akteurskonstellation sowie<br />

der verborgenen Austragungsweise kann es leicht zu e<strong>in</strong>er Unterschätzung des langfristig<br />

hohen Eskalationspotentials kommen.<br />

Vilankulo. Es wird e<strong>in</strong>e allgeme<strong>in</strong>e Tendenz zur Respektlosigkeit gegenüber den<br />

Traditionen und Werten sowie gegenüber den Eltern festgestellt, die sich <strong>in</strong> der Kleidungsweise<br />

der Jugendlichen <strong>in</strong>sbesondere der Mädchen aber auch im zunehmenden<br />

Drogen- und Alkoholkonsum äußert (vgl. PAM/V, SDB/V). Es heißt, Eltern könnten<br />

ihre K<strong>in</strong>der nicht mehr „kontrollieren“ (SDB/V). Hierfür bieten Befragte <strong>in</strong>sgesamt<br />

drei unterschiedliche Erklärungsansätze an: (a) Aufgrund der Ressourcenknappheit<br />

der Eltern seien die Schüler zu e<strong>in</strong>em Abbruch ihrer Ausbildung<br />

gezwungen. Ihre Frustration führe zu Orientierungslosigkeit, Arbeitslosigkeit, Drogenkonsum<br />

und auch zu Motivationsverlust der Eltern. Verschärft werde das Problem<br />

durch die zunehmende Korruption an Schulen (vgl. IBR/V, PGA/V). (b) Der<br />

gegenwärtige Werteverlust <strong>in</strong> der Gesellschaft gehe auf den E<strong>in</strong>fluss der Generation<br />

<strong>von</strong> 1975 zurück, die sich während des Frelimo-Sozialismus um die Emanzipation<br />

<strong>von</strong> traditionellen Werten bemüht habe (vgl. IBR/V, PGA/V). (c) Implizit liegt mehreren<br />

Erklärungsansätzen die Ansicht zugrunde, die lokale Kultur werde durch Elemente<br />

e<strong>in</strong>er fremden (westlichen) Kultur durchdrungen. Beispielsweise wurden <strong>in</strong><br />

diesem Kontext Formulierungen wie „E<strong>in</strong>dr<strong>in</strong>gen“ (vgl. PAM/V) oder „Invasion“<br />

(vgl. AC/V) benutzt. Als Medien der Überfremdung werden <strong>in</strong> erster L<strong>in</strong>ie Videofilme<br />

und Musik genannt (vgl. SDB/V, IBR/V, PGA/V). Die Unruhe bzw. Unordnung<br />

wird zum Teil mit dem Kontakt mit Touristen erklärt (vgl. AC/V). Hieran<br />

knüpfen auch die Erklärungsansätze für das ‚Straßenk<strong>in</strong>derproblem’ an: Aufgrund<br />

der Anwesenheit <strong>von</strong> Touristen würden K<strong>in</strong>der das Betteln e<strong>in</strong>er Schulausbildung<br />

vorziehen (vgl. PAM/V). Langfristig würden sie aggressiv und krim<strong>in</strong>ell werden (vgl.<br />

PAM/V, AC/V).<br />

160


Konfliktpotentiale und Konflikte<br />

Wie <strong>in</strong> den anderen Fallstudien auch besteht <strong>in</strong> Vilankulo e<strong>in</strong> Wertegegensatz zwischen<br />

traditionalistischen und modernistischen Strömungen. Der generative Anteil ist<br />

hier ger<strong>in</strong>ger, der kulturelle h<strong>in</strong>gegen größer als <strong>in</strong> den anderen untersuchten Orten.<br />

Dies hängt sicherlich mit der starken Präsenz ausländischer Touristen und Investoren<br />

zusammen. Die vorhandenen Ressentiments bilden die Wurzeln e<strong>in</strong>es nicht zu<br />

vernachlässigenden anomischen Gewaltpotentials, wobei die Gefahr v.a. <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er<br />

politischen Instrumentalisierung liegt.<br />

Generationenkonflikte<br />

Aktueller Status Potentieller Mobilisierungsoder<br />

Organisationsgrad<br />

Schätzung des mittelfristigen<br />

Eskalationspotentials<br />

Pemba Konfliktpotential +<br />

Catandica Spannung – (+)<br />

Manica Spannung – ++<br />

Vilankulo Konfliktpotential (+) (++)<br />

Zeichenerklärung: – ger<strong>in</strong>g, + mittel, ++ hoch, (…) Verweis auf besondere Bed<strong>in</strong>gungen<br />

Tabelle 15: Vergleichende E<strong>in</strong>schätzung der Generationenkonflikte <strong>in</strong> den <strong>vier</strong> <strong>Kommunen</strong><br />

4.3.12 Konflikte zwischen islamischen Religions-<br />

geme<strong>in</strong>schaften<br />

Pemba. Es gibt zwar ke<strong>in</strong>en H<strong>in</strong>weis auf Konflikte zwischen den unterschiedlichen<br />

Glaubensgeme<strong>in</strong>schaften, wohl aber zwischen den beiden lokal wirkenden islamischen<br />

Geme<strong>in</strong>schaften: die islamische Glaubensgeme<strong>in</strong>schaft lokalen Ursprungs e<strong>in</strong>erseits<br />

und die AFRICAN MUSLIM AGENCY andererseits. Letztere ist e<strong>in</strong>e u.a. <strong>von</strong><br />

Kuwait und Libyen f<strong>in</strong>anzierte Organisation, die – so der Vorwurf – stark die Interessen<br />

ihrer F<strong>in</strong>anziers vertrete und dabei e<strong>in</strong>en progressiven Islam vertritt, während<br />

sich die islamische Geme<strong>in</strong>schaft lokalen Ursprungs konservativ und geme<strong>in</strong>schaftsorientiert<br />

gibt (vgl. CIU/P, PAD/P). Die besondere Bedeutung des Gegensatzes liegt<br />

im starken <strong>in</strong>nergeme<strong>in</strong>schaftlichen Zusammenhalt, der auf e<strong>in</strong>e leichte Mobilisierbarkeit<br />

h<strong>in</strong>weist. Ferner seien die Muslime durch das negative Ansehen ihres Glaubens<br />

auf <strong>in</strong>ternationaler Ebene für religiöse Spannungen sensibilisiert (vgl. CIU/P).<br />

In Catandica, Manica und Vilankulo wurden ke<strong>in</strong>e Angaben zu religiös moti<strong>vier</strong>ten<br />

<strong>Konflikten</strong> gemacht.<br />

161


Konflikte zwischen islamischen Religionsgeme<strong>in</strong>schaften<br />

Aktueller Status Potentieller Mobilisierungs-<br />

oder Organisationsgrad<br />

Konfliktpotentiale und Konflikte<br />

Schätzung des mittelfristigen<br />

Eskalationspotentials<br />

Pemba Konfliktpotential ++ ?<br />

Zeichenerklärung: – ger<strong>in</strong>g, + mittel, ++ hoch, ? ke<strong>in</strong>e Grundlage für e<strong>in</strong>e E<strong>in</strong>schätzung vorhanden<br />

Tabelle 16: E<strong>in</strong>schätzung der Konflikte zwischen den islamischen Religionsgeme<strong>in</strong>schaften <strong>in</strong> Pemba<br />

4.3.13 Konflikte <strong>in</strong>folge der Verteilung <strong>von</strong> Land<br />

Pemba. Da Land als Staatseigentum def<strong>in</strong>iert wird, s<strong>in</strong>d nicht Eigentumsansprüche<br />

Konfliktgegenstand, sondern das Recht, die auf dem Grundstück bef<strong>in</strong>dlichen Güter<br />

zu verkaufen und so kurzfristig E<strong>in</strong>kommen zu generieren (vgl. VU/P, PRM/P). Der<br />

Wert des Grundstücks steigt mit der Nachfrage, so dass v.a. die Grundstücke <strong>von</strong><br />

<strong>Konflikten</strong> betroffen s<strong>in</strong>d, welche für Tourismus<strong>in</strong>vestitionen attraktiv s<strong>in</strong>d oder <strong>von</strong><br />

der Kommune gebraucht werden (vgl. PCM/P, VU/P). Konfliktverschärfend ist,<br />

dass die Bürger Gewohnheits- und Nutzerrecht zugrunde legen. 93 Häufig werden<br />

Verkäufe an Ausländer ohne offizielle Dokumentation oder Legalisierung durch die<br />

Kommune abgewickelt (vgl. VU/P). Trotz dr<strong>in</strong>genden Handlungsbedarfs wird das<br />

Problem aus partei- und wahlpolitischer Taktik nicht angemessen bearbeitet (vgl.<br />

ebd.).<br />

Catandica. Die Kommunalverwaltung wird für ihre Grundstückspolitik kritisiert.<br />

Mehrfach seien Parzellen zugleich an zwei oder drei Interessierte vermittelt worden.<br />

Auch habe sich die Verwaltung bei der Begrenzung der Parzellen als <strong>in</strong>kompetent<br />

erwiesen, so dass Bewohner gezwungen worden seien, errichtete Unterkünfte wieder<br />

zu zerstören. Dies habe zu allgeme<strong>in</strong>er Verunsicherung und Verärgerung geführt.<br />

Beschwerden bei den presidentes dos bairros hätten ke<strong>in</strong>e Wirkung erzielt, weil diese<br />

ke<strong>in</strong>e Macht gegenüber der Kommunalverwaltung haben (vgl. PVAM/C). Unklar<br />

bleibt, ob diese Fehlleistungen auf Inkompetenz oder Bereicherungs<strong>in</strong>teressen der<br />

Kommunalverwaltung zurückgehen.<br />

Manica. In Manica gibt es ausreichend fruchtbaren Boden. Trotz der hohen Bedeutung<br />

des Kle<strong>in</strong>bauerntums verlassen zunehmend viele Bauern aufgrund fehlenden<br />

E<strong>in</strong>kommens ihr Land (vgl. RV/M). Die Landreform trägt zur M<strong>in</strong>derung <strong>von</strong> Landkonflikten<br />

bei, obschon weiterh<strong>in</strong> Aufklärungsbedarf besteht (vgl. KS/M). Die Klärung<br />

der Zuständigkeiten bei der Regulierung der Landnutzung und der<br />

93 „Weil die Großmutter e<strong>in</strong>st hier über das Land g<strong>in</strong>g, beanspruchen e<strong>in</strong>ige das Land als ihres.“<br />

(vgl. VU/P)<br />

162


Konfliktpotentiale und Konflikte<br />

Landverteilung unter besonderer Hervorhebung der Kompetenzen der traditionellen<br />

Autoritäten sorgen für Handlungssicherheit bei der Bevölkerung (vgl. KS/M). Obgleich<br />

Land mosambikanischen Staatsbürgern vorbehalten ist, ist aufgrund kultureller<br />

und l<strong>in</strong>guistischer Übere<strong>in</strong>stimmungen im Grenzgebiet nicht auszuschließen, dass<br />

Simbabwer Ansprüche auf Landnutzung stellen oder gar Gebiete besetzen und es<br />

<strong>in</strong>folgedessen zu Spannungen kommt. Bislang blieb das Interesse weißer Farmer aus<br />

Simbabwe h<strong>in</strong>ter dem erwarteten Ausmaß. Allgeme<strong>in</strong> werden Groß<strong>in</strong>vestitionen<br />

ambivalent betrachtet, da e<strong>in</strong>erseits Arbeitsplätze geschaffen werden, andererseits<br />

man mit der Verdrängung <strong>von</strong> Familien und der Schaffung neuer Abhängigkeiten<br />

rechnet (vgl. KS/M). Von den Investitionen weißer Farmer erwartet man <strong>in</strong> der<br />

Kommune selbst kaum direkte Auswirkungen, da sich diese auf den ländlichen Distrikt<br />

beschränken (vgl. VF/M).<br />

Vilankulo. Obwohl Land für die Bedürfnisse der lokalen Bevölkerung als ausreichend<br />

vorhanden gilt (vgl. ADM/V), kam es v.a. <strong>in</strong> der Anfangsphase der kommunalen<br />

Selbstverwaltung zu <strong>Konflikten</strong>. Diese werden zwar bislang als nicht gra<strong>vier</strong>end<br />

wahrgenommen, doch gehe <strong>von</strong> ihnen e<strong>in</strong> enormes Konfliktpotential aus (vgl.<br />

VU/V). Drei Konfliktpunkte s<strong>in</strong>d dabei zu unterscheiden: (a) Aufgrund der Überlastung<br />

der Kommune und der Unterqualifizierung der Funktionäre kam es <strong>in</strong>sbesondere<br />

<strong>in</strong> der Übergangsphase der Kommunalreform mehrfach zu Problemen bei der<br />

Demarkation und Verteilung <strong>von</strong> Grundstücken. Rückkehrende Bauern hätten ‚ihr’<br />

Land besetzt vorgefunden. Obwohl Gewohnheitsrecht herrsche, habe die Kommunalverwaltung<br />

Besetzern Konzessionen erteilt und somit viel Unruhe (confusão) und<br />

Unmut gestiftet. Darüber h<strong>in</strong>aus sei es <strong>in</strong> e<strong>in</strong>igen Fällen zu e<strong>in</strong>er Mehrfachzuteilung<br />

<strong>von</strong> Grundstücken gekommen, wobei Selbstbereicherung der Funktionäre nicht auszuschließen<br />

ist. (b) Aufgrund des Bazaruto Archipels hat die Bevölkerung schnell den<br />

Wert der Grundstücke <strong>in</strong> Vilankulo erkannt. So kam es v.a. <strong>in</strong> Küstengebieten zu<br />

Problemen, weil Bürger Landkonzessionen erwarben, um diese dann zu höheren<br />

Preisen und illegal an Ausländern zu veräußern. Darüber h<strong>in</strong>aus versuchten Bürger,<br />

bei der Durchführung kommunaler Bauprojekte Entschädigungssummen zu erzw<strong>in</strong>gen,<br />

wobei nicht selten die Landstücke kurz zuvor besetzt worden waren (vgl.<br />

VU/V). (c) Der Imam weist auf Beispiele betrügerischer Landaneignung h<strong>in</strong>. Es seien<br />

v.a. ältere, ungebildete Menschen dazu gebracht worden, ihr Land unter Wert zu<br />

verkaufen. Als Nachfahren Anspruch auf das Land erhoben, kam es zum Konflikt.<br />

Darüber h<strong>in</strong>aus s<strong>in</strong>d die Vorgänge unregistriert geblieben, so dass langfristig mit<br />

Konfliktpotential zu rechnen ist.<br />

163


Konfliktpotentiale und Konflikte<br />

Die Aussicht auf kurzfristiges E<strong>in</strong>kommen kann Ursache diffuser Konfliktkonstellationen<br />

werden. Pr<strong>in</strong>zipiell lassen sich diese durch e<strong>in</strong>e konsequente Durchsetzung<br />

der vorhandenen Gesetze leicht bearbeiten. Wenngleich der Organisationsgrad der<br />

Akteure ger<strong>in</strong>g zu se<strong>in</strong> sche<strong>in</strong>t, wird hier aufgrund des hohen Anreizwertes des Nutzens<br />

<strong>von</strong> e<strong>in</strong>em nicht zu vernachlässigendem Eskalationspotential ausgegangen.<br />

Konflikte <strong>in</strong>folge <strong>von</strong> Landverteilung<br />

Aktueller Status Potentieller Mobilisierungsoder<br />

Organisationsgrad<br />

Schätzung des mittelfristigen<br />

Eskalationspotentials<br />

Pemba Spannung + +<br />

Catandica Spannung + +<br />

Manica Spannung + +<br />

Vilankulo Konfrontation – +<br />

Zeichenerklärung: – ger<strong>in</strong>g, + mittel, ++ hoch, (…) Verweis auf besondere Bed<strong>in</strong>gungen<br />

Tabelle 17: Vergleichende E<strong>in</strong>schätzung der Konflikte <strong>in</strong>folge der Verteilung <strong>von</strong> Land <strong>in</strong> den <strong>vier</strong><br />

<strong>Kommunen</strong><br />

4.4 Zusammenfassende Interpretation der Konflikt-<br />

ursachen <strong>in</strong> den <strong>vier</strong> Fallstudien<br />

Der Vergleich der <strong>vier</strong> <strong>Kommunen</strong> verdeutlicht, dass trotz der unterschiedlichen<br />

Bed<strong>in</strong>gungen die bestehenden Konfliktkonstellationen annähernd übere<strong>in</strong>stimmen.<br />

Dafür dass e<strong>in</strong>ige, wenige Konfliktkonstellationen nicht <strong>in</strong> allen <strong>vier</strong> <strong>Kommunen</strong><br />

zugleich vorkommen, können zwei Erklärungsansätze herangezogen werden. Erstens,<br />

Konfliktkonstellationen wurden nicht genannt, weil sie nach Auffassung der<br />

Befragten <strong>in</strong> der Kommune ke<strong>in</strong>e Rolle spielen. Dieser Ansatz wird m.E. etwa auf<br />

die Arbeitskonflikte sowie die Konflikte zwischen den religiösen Geme<strong>in</strong>schaften<br />

zutreffen, die nur <strong>in</strong> Pemba genannt wurden. Zweitens, es existieren zwar bestimmte<br />

Konflikte, diese werden aber nicht gegenüber dem Forscher ausgedrückt. Dies ist<br />

möglicherweise <strong>in</strong> Manica der Fall, wo beispielsweise ke<strong>in</strong>e Konflikte mit der Polizei<br />

genannt wurden, <strong>in</strong>sbesondere wenn man berücksichtigt, wie zurückhaltend sich die<br />

Polizei gegenüber dem Forscher h<strong>in</strong>sichtlich der Informationsweitergabe zeigte. Anhand<br />

e<strong>in</strong>er Sortierung der Konfliktkonstellationen nach dem ihnen zugewiesenen<br />

Eskalationspotential (s. Tabelle 18) lassen sich lokale Unterschiede ablesen. Unter<br />

den Konfliktkonstellationen mit hohem Eskalationspotential wurden e<strong>in</strong>zig die Konflikte<br />

zwischen der Frelimo und der Renamo <strong>in</strong> den <strong>vier</strong> <strong>Kommunen</strong> genannt. Hohes<br />

Eskalationspotential <strong>in</strong> drei <strong>Kommunen</strong> (Pemba, Catandica, Vilankulo) wird den<br />

<strong>Konflikten</strong> zwischen Polizei und der Bevölkerung zugewiesen. In jeweils zwei<br />

<strong>Kommunen</strong> wurde <strong>in</strong> folgenden Konfliktkonstellationen e<strong>in</strong> hohes Eskalationspo-<br />

164


Konfliktpotentiale und Konflikte<br />

tential gesehen: Migranten (Pemba, Manica), Demobilisierte (Pemba, Catandica),<br />

Generationenkonflikt (Manica, Vilankulo). Lediglich <strong>in</strong> Pemba werden Arbeitskonflikte<br />

mit e<strong>in</strong>em hohen Eskalationspotential aufgefasst. E<strong>in</strong> hoher Eskalationsgrad<br />

des Konflikts zwischen der Kommunalverwaltung und der lokalen Bevölkerung ist<br />

nur <strong>in</strong> Manica zu erwarten.<br />

Die Auswertung der Aussagen zu Konfliktursachen zeigt, dass Konflikte am häufigsten<br />

auf die Bereiche Macht, Ressourcen, Adaption, fehlende Normb<strong>in</strong>dung sowie<br />

soziale Identität bezogen werden, 94 wobei die untersuchten <strong>vier</strong> Fallstudien unterschiedliche<br />

Schwerpunkte aufweisen. Während <strong>in</strong> Catandica und Manica Machtfragen<br />

am stärksten mit <strong>Konflikten</strong> <strong>in</strong> Verb<strong>in</strong>dung gebracht werden, werden <strong>in</strong> Pemba<br />

am häufigsten Anpassungsprobleme als Konfliktursache genannt. In Vilankulo führt<br />

man die meisten Konflikte auf Ressourcen und fehlende Normb<strong>in</strong>dung zurück.<br />

Macht. Machtkämpfe bedeuten <strong>in</strong> erster L<strong>in</strong>ie die Demonstration <strong>von</strong> Macht. Es<br />

wird versucht, e<strong>in</strong>en Autoritätsbeweis zu erbr<strong>in</strong>gen, um gegebenenfalls vorhandene<br />

Schwächen zu kaschieren. Konflikte resultieren aus Machtdemonstration, da v.a.<br />

Strategien der Kooperation und Sabotage genutzt werden. Konfliktgegenstand ist v.a.<br />

die Kompetenzverteilung. Nicht selten ist e<strong>in</strong> Kontrollanspruch das Motiv. Mit der<br />

demonstrativen Anwendung <strong>von</strong> Macht zielen Akteure zunächst auf e<strong>in</strong>en Beweis<br />

ihrer Autorität. Schwache Autoritäten werden <strong>in</strong> zweifacher H<strong>in</strong>sicht als konfliktfördernd<br />

genannt: Zum e<strong>in</strong>en berichten Befragte <strong>von</strong> der Überkompensation der Führungs<strong>in</strong>kompetenz<br />

durch übertriebene Machthandlungen bis h<strong>in</strong> zur Anwendung<br />

<strong>von</strong> Gewalt (vgl. ADPP/P). Zum anderen schafft das Fehlen <strong>von</strong> Sanktions<strong>in</strong>strumenten<br />

Anreize für deviantes Verhalten und ist damit e<strong>in</strong>e Voraussetzung für Konflikteskalationen<br />

(vgl. PC/C). Wiederholt nutzen Akteure die Strategie der<br />

Kooperationsverweigerung zur Demonstration ihrer Macht (v.a. <strong>in</strong> Catandica; vgl.<br />

PCM/C, GAB/C, VF/C) und der Sabotage (v.a. <strong>in</strong> Manica; vgl. ADM/M, REN/M).<br />

Beispielsweise war die vollständige Machtübertragung e<strong>in</strong>e zentrale Bed<strong>in</strong>gung für<br />

den Erfolg der Kommunalreform, was die Kooperation sämtlicher betroffener Akteure<br />

voraussetzte.<br />

94 Hierzu wurden die genannten 93 Konfliktursachen nach e<strong>in</strong>er Kontextanalyse paraphrasiert<br />

und geclustert. Die Interviewpassagen mit Formulierungen zu kausalen Attributionen der<br />

Konfliktzusammenhänge wurden herausgefiltert, entsprechend der zugrunde liegenden Argumentation<br />

sortiert und anschließend auf der Grundlage der vom Sprecher zugewiesenen<br />

Bedeutung sowie ihrer Nennhäufigkeit <strong>in</strong>sgesamt gewichtet.<br />

165


Eskalationspotential<br />

Pemba Catandica Manica Vilankulo<br />

� Polizei – lokale Bevölkerung<br />

� Renamo – Frelimo<br />

� Generationenkonflikte<br />

� Renamo – Frelimo<br />

� Migranten – lokale Bevölkerung<br />

� Kommunalverwaltung<br />

– lokale Bevölkerung<br />

� Generationenkonflikte<br />

� Renamo – Frelimo<br />

� Polizei – lokale Bevölkerung<br />

� Konflikte mit demobilisierten<br />

Soldaten<br />

Hoch � Renamo – Frelimo<br />

� Konflikte mit demobilisierten<br />

Soldaten<br />

� Arbeitgeber – Arbeitnehmer<br />

� Migranten – lokale Bevölkerung<br />

� Polizei – lokale Bevölkerung<br />

� Landverteilung � Konflikte mit demobilisierten<br />

Soldaten<br />

� Kommunalverwaltung<br />

– lokale Bevölkerung<br />

� Migranten – lokale Bevölkerung<br />

� Landverteilung<br />

� Landverteilung<br />

� Generationenkonflikte<br />

Mittel � Kommunalverwaltung – Zentralregierung<br />

� Bürgermeister<br />

– Ratsvorsitzender<br />

� Kommunalverwaltung<br />

– lokale Bevölkerung<br />

� Generationenkonflikte<br />

� Landverteilung<br />

� Kommunalverwaltung<br />

– Zentralregierung<br />

� Beigeordnete – Geme<strong>in</strong>derat<br />

� Kommunalverwaltung<br />

– <strong>in</strong>formelle Autoritäten<br />

� Bürgermeister – Ratsvorsitzender<br />

� Beigeordnete – Geme<strong>in</strong>derat<br />

� Kommunalverwaltung<br />

– <strong>in</strong>formelle Autoritäten<br />

� Kommunalverwaltung<br />

– Zentralregierung<br />

� Kommunalverwaltung<br />

– Distriktverwaltung<br />

� Beigeordnete – Geme<strong>in</strong>derat<br />

� Kommunalverwaltung – Bürger<br />

� Kommunalverwaltung<br />

– <strong>in</strong>formelle Autoritäten<br />

� Bürgermeister<br />

– Ratsvorsitzender<br />

Ger<strong>in</strong>g � Beigeordnete – Geme<strong>in</strong>derat<br />

� Kommunalverwaltung<br />

– <strong>in</strong>formelle Autoritäten<br />

� Islamischen Religionsgeme<strong>in</strong>schaften<br />

Tabelle 18: Vergleich der Konfliktkonstellationen <strong>in</strong> Pemba, Catandica, Manica und Vilankulo nach Eskalationspotential<br />

166


Konfliktpotentiale und Konflikte<br />

Die Untersuchung zeigt, dass Akteure gerade <strong>in</strong> dieser empf<strong>in</strong>dlichen Situation ihr<br />

Störpotential erkannten, das als Machtpotential verstanden wurde (vgl. REN/C). Blockade-<br />

und Boykottstrategien werden als effektive Möglichkeit zur E<strong>in</strong>flussnahme<br />

wahrgenommen, da sie die Bedeutung des Akteurs demonstrieren, ohne dass besondere<br />

Leistungen erbracht werden müssen. Die Befragten rechnen <strong>in</strong> Zukunft weiterh<strong>in</strong><br />

mit Blockadehaltungen und Boykottstrategien des jeweiligen politischen Gegners.<br />

Interessanterweise werden Kooperationsverweigerung und Sabotage als Konfliktursache<br />

v.a. <strong>in</strong> Catandica und Manica genannt. Im Mittelpunkt der Ause<strong>in</strong>andersetzungen<br />

steht zumeist die Verteilung <strong>von</strong> Kompetenzen. Die besondere Autorität des<br />

Bürgermeisters <strong>in</strong> Vilankulo sche<strong>in</strong>t e<strong>in</strong>e solche Konfliktursache nicht zu fördern. In<br />

Pemba und Vilankulo s<strong>in</strong>d eher <strong>in</strong>ter<strong>in</strong>stitutionelle Spannungen zu nennen, während<br />

<strong>in</strong> Catandica und Manica auch <strong>in</strong>ner<strong>in</strong>stitutionelle Interessendivergenzen h<strong>in</strong>zukommen.<br />

Inter<strong>in</strong>stitutionelle Spannungen resultieren zumeist aus dem Übertreten <strong>von</strong><br />

Zuständigkeitsgrenzen durch die Distriktverwaltung 95 , die sich um Möglichkeiten der<br />

E<strong>in</strong>flussnahme und Kontrolle <strong>in</strong> der Geme<strong>in</strong>de bemüht. Zwar haben die Geme<strong>in</strong>den<br />

im Gegenzug immer wieder ihre Autonomie hervorgehoben, doch konnten nur Vilankulo<br />

und Pemba den höheren Ebenen etwas entgegensetzen. In Vilankulo ist dies<br />

auf die Führungsstruktur und auf die Ressourcenlage, <strong>in</strong> Pemba auf die längeren Erfahrungen<br />

als quasiautonome Geme<strong>in</strong>de zurückzuführen. E<strong>in</strong> wesentlicher Faktor<br />

bei den Ause<strong>in</strong>andersetzungen um die Verteilung <strong>von</strong> Kompetenzen ist die unklare<br />

und zum Teil auch unzureichende rechtliche Grundlage, <strong>von</strong> der die Akteure e<strong>in</strong>e<br />

Orientierungsleistung erwarten. In den meisten Fällen stellen die Akteure ihr gesetzkonformes<br />

Handeln heraus. Eben dies geben sie als Grund für die Spannungen an.<br />

Bei den Machtkonflikten ist es s<strong>in</strong>nvoll h<strong>in</strong>sichtlich der Motivation zwischen Machterhaltung<br />

und Machtaneignung zu differenzieren. Die Konfliktbeschreibungen legen<br />

nahe, dass das Motiv der Machterhaltung eher konfliktförderlich ist als das der<br />

Machtaneignung. Hierbei können möglicherweise spezifische Ordnungsvorstellungen<br />

e<strong>in</strong>e Rolle spielen. Schließlich ist nicht auszuschließen, dass persönliche Interessen<br />

e<strong>in</strong>e konfliktfördernde Wirkung aufweisen, wenngleich dies <strong>von</strong> ke<strong>in</strong>em e<strong>in</strong>gestanden<br />

wird. So werden die Spannungen zwischen dem Bürgermeister und dem Ratsvorsitzenden<br />

<strong>in</strong> Catandica auf die Niederlage des letzteren bei der parte<strong>in</strong><strong>in</strong>ternen Kandidatenbestimmung<br />

zurückgeführt. Ausgehend <strong>von</strong> der Verteilung der <strong>von</strong> den<br />

Befragten genannten Konfliktursachen fällt auf, dass <strong>in</strong> Catandica und Manica<br />

95 In Pemba: die Prov<strong>in</strong>zregierung<br />

167


Konfliktpotentiale und Konflikte<br />

Machtaspekte als häufigste Ursache genannt wurden, während <strong>in</strong> Pemba und Vilankulo<br />

Macht erst an fünfter bzw. dritter Stelle fällt. Dies führe ich darauf zurück, dass<br />

<strong>in</strong> Manica die Renamo Herrschaftsansprüche erhebt und e<strong>in</strong>e starke Unterstützung <strong>in</strong><br />

der Bevölkerung wähnt. H<strong>in</strong>gegen ist <strong>in</strong> Vilankulo die Dom<strong>in</strong>anz der Frelimo augensche<strong>in</strong>lich<br />

und die Person des Bürgermeisters vermag, Machtansprüche der Opposition<br />

zu dämpfen. Indes war <strong>in</strong> Pemba die Dezentralisierung lange vorbereitet, so dass<br />

die Verteilung <strong>von</strong> Kompetenzen kaum Spannungen erzeugt. Die Kommunalverwaltungen<br />

<strong>in</strong> Pemba und Vilankulo geben sich betont offen für die Partizipation anderer.<br />

Ressourcen. Die Sicherstellung e<strong>in</strong>er ausreichenden Versorgungssituation und die<br />

Generierung <strong>von</strong> E<strong>in</strong>kommen werden wie Macht als e<strong>in</strong>e zentrale Konfliktursache<br />

empfunden. Während bei dem Machtaspekt die Konfliktkonstellationen v.a. auf Akteure<br />

<strong>in</strong>nerhalb formeller politischer Institutionen beschränkt bleiben, ist der Akteurskreis<br />

bei ressourcenbed<strong>in</strong>gten <strong>Konflikten</strong> deutlich um weite Teile der<br />

Bevölkerung sowie um die Gruppe der traditionellen Autoritäten erweitert. Dennoch<br />

– oder gerade deshalb – bleibt das Eskalationsniveau ziemlich ger<strong>in</strong>g. Es sche<strong>in</strong>t, e<strong>in</strong><br />

stilles E<strong>in</strong>vernehmen zwischen den Invol<strong>vier</strong>ten über die Legitimität der Motivation<br />

zu geben, denn zum Teil wünschen sich die Akteure e<strong>in</strong>e Konfliktlösung durch die<br />

externe Bereitstellung <strong>von</strong> ausreichenden Ressourcen für alle Beteiligten. Von f<strong>in</strong>anziellen<br />

E<strong>in</strong>nahmen als Konfliktgegenstand sprechen am deutlichsten die <strong>in</strong>formellen<br />

Autoritäten und der Gewerkschaftsfunktionär <strong>in</strong> Pemba. Sie heben hervor, dass ihnen<br />

Mittel zustehen, die jedoch nicht zugeteilt werden. Das Erheben <strong>von</strong> als rechtmäßig<br />

empfundenen Ansprüchen ist e<strong>in</strong>e generelle Vorgehensweise, wobei die<br />

Rechtmäßigkeit v.a. aus e<strong>in</strong>em Vergleich zu anderen Akteuren <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er vergleichbaren<br />

Position abgeleitet wird. Hierbei kann wiederum differenziert werden, ob die Vergleichsgröße<br />

<strong>in</strong>nerhalb der gleichen Gruppe bzw. Institution verortet wird oder es<br />

sich um e<strong>in</strong>e fremde Gruppe handelt. Beispiele für den ersten Fall f<strong>in</strong>den sich <strong>in</strong>sbesondere<br />

<strong>in</strong> Catandica und für den zweiten <strong>in</strong> Vilankulo. Im vergleichsweise armen<br />

Catandica bestehen e<strong>in</strong>kommensbed<strong>in</strong>gte Spannungen zwischen dem Bürgermeister<br />

und dem Ratsvorsitzenden, zwischen Ratsmitgliedern und Beigeordneten sowie zwischen<br />

Geme<strong>in</strong>depolizei und PRM. Vilankulo zählt zu den wenigen Geme<strong>in</strong>den, die<br />

im Geme<strong>in</strong>dehaushalt Überschüsse erzielen konnten. Hier beklagt die Bevölkerung<br />

v.a. die erlebte Ungleichheit im Vergleich zu den besser gestellten ausländischen Mitbewohnern.<br />

<strong>E<strong>in</strong>e</strong> besondere Art <strong>von</strong> Verteilungskonflikten stellen die <strong>in</strong>nerfamiliären<br />

168


Konfliktpotentiale und Konflikte<br />

Konflikte <strong>in</strong> Pemba dar, bei denen die <strong>in</strong>nerfamiliäre Verteilung <strong>von</strong> Erbschaften<br />

oder <strong>in</strong>dividuellem E<strong>in</strong>kommen Spannungen erzeugt. Schließlich sei auf die Konflikte<br />

<strong>in</strong>folge der Strategien zur kurzfristigen E<strong>in</strong>kommensgenerierung h<strong>in</strong>gewiesen: Die<br />

Bevölkerung <strong>in</strong> Pemba und Vilankulo nutzt die starke Nachfrage <strong>von</strong> Investoren<br />

nach Land und veräußert Grundstücke, ohne dass die Kommune <strong>in</strong>vol<strong>vier</strong>t wird.<br />

Aufgrund der unklaren Rechtsgrundlage und der überforderten Kommunalverwaltung<br />

hat e<strong>in</strong>e solche Praxis vielfach Spannung erzeugt.<br />

Adaption. Unter adaptionsbed<strong>in</strong>gten <strong>Konflikten</strong> werden die Konflikte zusammengefasst,<br />

die aus den Prozessen der Anpassung an die Dynamik <strong>in</strong> Politik und Gesellschaft<br />

resultieren. In den Fallstudien wird diese Dynamik <strong>in</strong>sbesondere vom<br />

Friedensprozess, vom sozialen Wandel und <strong>von</strong> der Kommunalreform erzeugt. Adaptionsbed<strong>in</strong>gte<br />

Konflikte verweisen auf drei Dimensionen:<br />

Erstens räumt die Offenheit und Instabilität der Situation Spielräume für konfliktorientiertes<br />

Handeln e<strong>in</strong>. Für die Situation kennzeichnend ist, dass <strong>in</strong>stitutionelle Verfahrensweisen<br />

unzureichend etabliert und Leitbilder nicht genügend verbreitet s<strong>in</strong>d.<br />

Akteure nehmen Machtrelationen als noch verhandelbar wahr. Die <strong>in</strong>stitutionelle<br />

Dynamik unter der Bed<strong>in</strong>gung gleichzeitig gem<strong>in</strong>derter Sanktionskapazitäten ermöglicht<br />

e<strong>in</strong>igen Akteuren höhere Durchsetzungschancen während die E<strong>in</strong>flusspotentiale<br />

anderer beschnitten werden. Insofern wird die Phase des Übergangs als e<strong>in</strong>e Phase<br />

des Missverständnisses und des Konflikts gesehen (vgl. FRE/C), <strong>in</strong> der es verstärkt<br />

zu Ause<strong>in</strong>andersetzungen um Positionen und Verteilungen kommt (vgl. DPAC/P).<br />

Ausschlaggebend ist die Umverteilung der Gew<strong>in</strong>ner- und Verliererpositionen sowohl<br />

<strong>in</strong>nerhalb der Institutionen als auch zwischen verschiedenen Institutionen und<br />

Organisationen.<br />

Zweitens s<strong>in</strong>d Fähigkeiten und Ressourcenausstattung der Akteure entscheidend für<br />

den Erfolg der Anpassung. Dabei s<strong>in</strong>d folgende Aspekte zu differenzieren: Das kognitive<br />

Unvermögen kann auf das Fehlen <strong>von</strong> Wissen und Verständnis (im S<strong>in</strong>ne <strong>von</strong>:<br />

S<strong>in</strong>nerkennung) zurückgeführt werden. Beispiele hierfür f<strong>in</strong>den sich <strong>in</strong> allen <strong>vier</strong> Fallstudien:<br />

So wird v.a. <strong>in</strong> Vilankulo die Unfähigkeit der Renamo zur konstruktiven<br />

Opposition als Konfliktursache genannt (vgl. PCM/V, FRE/V). Die Unkenntnis des<br />

Kautionssystems wird <strong>in</strong> Catandica als Grund für die Spannungen zwischen Bevölkerung<br />

und Polizei genannt (vgl. ADM/C). In Manica gilt die Missdeutung <strong>von</strong> Demokratie<br />

als Ursache verschiedener sozialer Spannungen (vgl. PAM/M, AND/M). In<br />

169


Konfliktpotentiale und Konflikte<br />

Pemba wurde vom Ausnutzen der Unwissenheit der Bevölkerung berichtet (vgl.<br />

PRM/P). Ressourcenbed<strong>in</strong>gte Anpassungsprobleme resultieren aus der ger<strong>in</strong>gen<br />

Qualität und Quantität der zur Verfügung stehenden Mittel bzw. aus der Überforderung<br />

der Strukturen. Beispielsweise hat <strong>in</strong> den besonders rasch wachsenden Geme<strong>in</strong>den,<br />

die – wie im Falle der beiden Küstenstädte Pemba und Vilankulo – zudem<br />

räumlich begrenzt s<strong>in</strong>d, die starke Zunahme der Bevölkerung zu e<strong>in</strong>er Überforderung<br />

der lokalen Strukturen geführt (vgl. VU/P, VF/V, PAM/V). Allgeme<strong>in</strong> gilt, dass e<strong>in</strong><br />

Akteur, der sich nicht <strong>in</strong> der Lage sieht, auf wahrgenommene Veränderungen angemessen<br />

zu reagieren, <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e Krise im soziologischen S<strong>in</strong>ne gerät, d.h. bewährte<br />

Handlungsmuster führen nicht notwendigerweise zu <strong>in</strong>tendierten Zielen. Der Akteur<br />

wird zu e<strong>in</strong>er Neuorientierung se<strong>in</strong>es Handelns gezwungen. Die Erfahrung der Unwirksamkeit<br />

bewährter Problemlösungsstrategien und habituellen Handelns aber<br />

auch unerfüllte Erwartungen können darum zu Frustrationen führen und damit unter<br />

Umständen zu e<strong>in</strong>er erhöhten Konflikt- oder gar Gewaltbereitschaft (vgl. IBR/V,<br />

PGA/V, AC/V).<br />

Drittens hat die Untersuchung gezeigt, dass ideologische Ausrichtung und soziale<br />

Identität mögliche Gründe für die Unfähigkeit bzw. für den Unwillen der Akteure<br />

s<strong>in</strong>d, die neuen demokratischen Leitbilder anzunehmen und ihr Handeln danach<br />

auszurichten. Die parteipolitische Prägung spielt dabei ebenso e<strong>in</strong>e wichtige Rolle wie<br />

die persönliche Zurückhaltung aufgrund der Unsicherheit der weiteren Entwicklung.<br />

So zeigen sich Akteure unsicher, wie viel ihre parteipolitische Identität <strong>in</strong> Zukunft<br />

wert se<strong>in</strong> wird (vgl. PCM/C, PAM/M). Aufgrund der sozialen und politischen Dynamik<br />

erfahren soziale Institutionen wie etwa die islamischen Geme<strong>in</strong>schaften <strong>in</strong><br />

Pemba nach <strong>in</strong>nen wie nach außen h<strong>in</strong> Spannungen. <strong>E<strong>in</strong>e</strong>rseits stehen sie <strong>in</strong> Konkurrenz<br />

zue<strong>in</strong>ander, andererseits müssen sie sich im H<strong>in</strong>blick auf die Modernisierung<br />

positionieren (vgl. PAD/P).<br />

Fehlende Normb<strong>in</strong>dung. Insbesondere <strong>in</strong> Manica und Pemba wird die ger<strong>in</strong>ge<br />

Normb<strong>in</strong>dung als Ursache für Konflikte begriffen. Dabei wird das Missachten <strong>von</strong><br />

Gesetzen und Konventionen als Schwächung der Institutionen begriffen, so dass die<br />

hieraus resultierende Unsicherheit als der wichtigste Aspekt herausgestellt wird. Dies<br />

gilt <strong>in</strong>sbesondere für Manica. In Pemba wie <strong>in</strong> Manica stellen die Befragten e<strong>in</strong>en<br />

starken Zusammenhang zwischen Devianz und Ausländern her. Jedoch wird die<br />

Devianz <strong>in</strong> Manica mit dem E<strong>in</strong>fluss aus dem Nachbarland Simbabwe erklärt – also<br />

ohne e<strong>in</strong>e direkte Kausalzuweisung. Als Norm missachtende Gruppe werden v.a. die<br />

170


Konfliktpotentiale und Konflikte<br />

Jugendlichen Manicas identifiziert. In Pemba h<strong>in</strong>gegen werden die anwesenden<br />

Migranten als die Norm missachtende Gruppe dargestellt. Hier wurde darüber h<strong>in</strong>aus<br />

die Polizei aufgrund ihres übertriebenen und teilweise auch Gesetz übertretendes<br />

Vorgehen als Konfliktquelle bezeichnet.<br />

Soziale Identität. Aspekte der sozialen Identität, d.h. Zugehörigkeit zu sozialen<br />

Gruppen und der Konstruktion <strong>von</strong> Fe<strong>in</strong>dbildern, wurden im Vergleich zu den anderen<br />

Ursachen am wenigsten genannt, haben jedoch e<strong>in</strong> besonderes Gewicht. Insbesondere<br />

die parteipolitische Zugehörigkeit ist prägend für die Ausbildung der<br />

sozialen Identität und bietet Akteuren vielfach die Möglichkeit der Konstruktion <strong>von</strong><br />

Fe<strong>in</strong>dbildern. Akteure nehmen ihre Rolle als festgelegt wahr, so dass sie die Problembearbeitung<br />

eher konfrontativ als pragmatisch wahrnehmen. Für den unflexiblen<br />

Umgang mit der Parteizugehörigkeit spielt sicherlich die Verteilung <strong>von</strong> Chancen<br />

und Ressourcen e<strong>in</strong>e zentrale Bedeutung. Insgesamt kann man <strong>in</strong> Bezug auf identitätsbezogene<br />

Konflikte <strong>in</strong> Manica und Pemba <strong>von</strong> e<strong>in</strong>er mehrdimensionalen Problemlage<br />

sprechen. Aufgrund des unmittelbaren Kontakts mit Ausländern nehmen<br />

Akteure <strong>in</strong> Manica und Pemba – <strong>in</strong> ger<strong>in</strong>gerem Maße auch <strong>in</strong> Vilankulo – e<strong>in</strong>e Konkurrenz<br />

um Chancen und Ressourcen wahr. Ausländer werden für die wahrgenommene<br />

Unordnung und für die erschwerte Adaption an die als schwierig empfundenen<br />

Bed<strong>in</strong>gungen verantwortlich gemacht. Dabei spielt nicht jede fremde Gruppe e<strong>in</strong>e<br />

relevante Rolle: Weiße, sozioökonomisch besser gestellte Gruppen werden deutlich<br />

weniger <strong>in</strong> dieses E<strong>in</strong>stellungsmuster e<strong>in</strong>bezogen als kulturell und sozioökonomisch<br />

näher stehende Gruppen (vgl. auch HUO 2000: 160f, MACARINGUE 2000: 151). Offen<br />

bleibt, warum diese Problematik <strong>in</strong> Catandica bislang ke<strong>in</strong>e Rolle gespielt hat.<br />

Möglicherweise bieten die schwache Entwicklung der Geme<strong>in</strong>de und der erschwerte<br />

direkte Zugang aus Simbabwe hierfür e<strong>in</strong>e Erklärung.<br />

4.5 Die E<strong>in</strong>führung der kommunalen Selbstverwaltung und<br />

die Entwicklung e<strong>in</strong>er demokratischen Konfliktbearbei-<br />

tungskultur<br />

Dieser Abschnitt erfüllt die Funktion e<strong>in</strong>er ersten Bilanz, bei der die kommunale<br />

Institutionenordnung auf ihre Konfliktbearbeitungskapazität untersucht wird. Ob<br />

sich <strong>in</strong> den <strong>vier</strong> <strong>Kommunen</strong> seit ihrer Selbstverwaltung e<strong>in</strong>e demokratische Konfliktbearbeitungskultur<br />

entwickelt hat, lässt sich anhand e<strong>in</strong>er Gegenüberstellung zu den<br />

im Allgeme<strong>in</strong>en angebrachten Argumenten für e<strong>in</strong>e Selbstverwaltung <strong>von</strong> Kommu-<br />

171


Konfliktpotentiale und Konflikte<br />

nen ableiten. Argumentiert wird, dass die Selbstverwaltung <strong>von</strong> <strong>Kommunen</strong> die<br />

Entwicklung gegenstandsnaher und sachgerechter Mechanismen für e<strong>in</strong>e effiziente<br />

Bearbeitung <strong>von</strong> lokalen Problemen und <strong>Konflikten</strong> erleichtert. Zum e<strong>in</strong>en wird dabei<br />

ausgegangen, dass die Größenordnung und Komplexität der lokalen Probleme<br />

relativ ger<strong>in</strong>g ausfällt, so dass Lösungen eher zu entwickeln s<strong>in</strong>d. Zum anderen werden<br />

e<strong>in</strong> stärkerer Problembezug und damit auch e<strong>in</strong> größeres Interesse an der Lösung<br />

des Problems unterstellt. Beides spricht für e<strong>in</strong>e höhere Chance auf e<strong>in</strong>e breite<br />

Bürgerbeteiligung und höhere Motivation seitens <strong>in</strong>stitutioneller Akteure. Pr<strong>in</strong>zipiell<br />

können dadurch Konflikte gemildert werden, dass Bereiche zur geregelten Austragung<br />

<strong>von</strong> Interessengegensätzen bereit stehen. Damit bietet e<strong>in</strong>e eigenständige lokale<br />

Ebene den Vorteil, verschiedene Puffer- und Filterfunktionen für höhere Ebenen zu<br />

erfüllen und somit zu e<strong>in</strong>er Entlastung zu führen. Wenn Konflikte bereits auf der<br />

lokalen Ebene erfolgreich bearbeitet werden, kann e<strong>in</strong>e Anschwellung verh<strong>in</strong>dert<br />

werden. Hierbei spielt die Förderung e<strong>in</strong>es lokalen Interessenpluralismus durch weitere<br />

(kle<strong>in</strong>ere) Parteien und Initiativen e<strong>in</strong>e gewichtige Rolle. Auch Legitimationsdefizite<br />

höherer Ebenen können etwa durch bürgernahe Politikvermittlung gem<strong>in</strong>dert<br />

werden. Schließlich stellt die Partizipation <strong>in</strong> der Kommunalpolitik e<strong>in</strong>en geeigneten<br />

Rahmen für die politische Sozialisation und ‚Sprungbrett’ für politische Laufbahnen<br />

<strong>in</strong> anderen Bereichen dar (Kommune als ‚Schule der Demokratie’). Dies ist gerade <strong>in</strong><br />

Bezug auf die Entwicklung e<strong>in</strong>er politischen Kultur wichtig, die e<strong>in</strong>e konstruktive<br />

Bearbeitung der sich <strong>in</strong> demokratischen Ordnungen ergebenden Konflikte ermöglicht.<br />

<strong>E<strong>in</strong>e</strong> effiziente Bearbeitung lokaler Probleme und Konflikte ist <strong>in</strong> den untersuchten<br />

<strong>Kommunen</strong> nur bed<strong>in</strong>gt möglich. Die lokalen Autoritäten verfügen weder über die<br />

Kapazitäten noch über die Erfahrungen, um die ihnen beigemessenen Kompetenzen<br />

auszufüllen. Die kommunalen Institutionen s<strong>in</strong>d darum als schwach zu bezeichnen.<br />

Allenfalls kann <strong>in</strong> Vilankulo aufgrund der starken Person des Bürgermeisters und der<br />

positiven sozioökonomischen Entwicklung <strong>von</strong> e<strong>in</strong>er höheren <strong>in</strong>stitutionellen Wirkkraft<br />

gesprochen werden. H<strong>in</strong>gegen verdeutlichen die Anstrengungen der Kommunalverwaltungen<br />

<strong>in</strong> Pemba, Catandica und Manica im H<strong>in</strong>blick auf<br />

Krim<strong>in</strong>alitätsbekämpfung, Siedlungspolitik und Diszipl<strong>in</strong>ierung der Jugendlichen ihre<br />

mangelnde Institutionalisierung. Gerade im H<strong>in</strong>blick auf modernisierungsbed<strong>in</strong>gte<br />

Probleme zeigt sich die ger<strong>in</strong>ge Handlungsfähigkeit der kommunalen Institutionen,<br />

die sich lieber <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Isolationssituation sehen würden.<br />

172


Konfliktpotentiale und Konflikte<br />

Die mangelnde Institutionalisierung der Kommunalverwaltung kann auf die fehlende<br />

Erfahrung und Rout<strong>in</strong>e im Verwaltungshandeln zurückgeführt werden. Zum Untersuchungszeitpunkt<br />

schienen Gesetze und Verfahrensregeln noch nicht ausreichend<br />

<strong>in</strong>ternalisiert. Auch s<strong>in</strong>d das Ansehen der Institutionen (Vilankulo) und das Institutionenverhältnis<br />

(Catandica und Manica) stark an bestimmte Personen und persönliche<br />

Beziehungen gebunden. Besonders <strong>in</strong> kle<strong>in</strong>eren <strong>Kommunen</strong> wird deutlich, dass persönliche<br />

Beziehungen katalytisch auf die Institutionenverhältnisse wirken: S<strong>in</strong>d die<br />

persönlichen Beziehungen gut, schlägt sich dies etwa <strong>in</strong> erhöhtem Vertrauen und<br />

gesteigerter Bereitschaft zur <strong>in</strong>stitutionellen Kooperation und Abstimmung nieder.<br />

Umgekehrt blockieren schlechte persönliche Beziehungen e<strong>in</strong>e effektive Institutionenleistung.<br />

Ferner konnte bei Konferenzen demonstratives Handeln <strong>in</strong> Form <strong>in</strong>szeniert<br />

wirkender Konflikte beobachtet werden (Manica). Die mangelnde<br />

Institutionalisierung bedeutet im H<strong>in</strong>blick auf daraus resultierende Situationen der<br />

Rechtsunsicherheit e<strong>in</strong>e Belastung für die Bevölkerung, <strong>in</strong>sbesondere bei der Krim<strong>in</strong>alitätsbekämpfung<br />

sowie <strong>in</strong> der kommunalen Siedlungs- und Steuerpolitik.<br />

Zu e<strong>in</strong>er höheren <strong>in</strong>stitutionellen Effektivität trägt auch weder die politische Partizipation<br />

der Bevölkerung noch e<strong>in</strong> hohe Motivation der Kommunalverwaltung bei.<br />

Den Kommunalpolitikern wird e<strong>in</strong> wirkliches Interesse an e<strong>in</strong>er effektiven Bearbeitung<br />

und Lösung <strong>von</strong> öffentlichen Problemen abgesprochen. Vielmehr hätten sie<br />

persönliche Profilierungs- oder gar Bereicherungs<strong>in</strong>teressen. Dies gilt <strong>in</strong>sbesondere <strong>in</strong><br />

der Zeit vor Wahlen, da die Chancen e<strong>in</strong>er lukrativen Wiederwahl nicht durch streitbare<br />

Lösungsmaßnahmen gefährden werden sollen. Die Bürger<strong>in</strong>nen und Bürger<br />

zeigen – trotz der verme<strong>in</strong>tlich offenen und transparenten Strukturen – ke<strong>in</strong> Interesse<br />

an e<strong>in</strong>er kommunalpolitischen Beteiligung (vgl. NHACOTA JR. 2003). Auch das<br />

Interesse <strong>von</strong> zivilgesellschaftlichen Akteuren wie Nichtregierungsorganisationen hält<br />

sich <strong>in</strong> Grenzen, wodurch das lokale Potential zur Problembearbeitung und –lösung<br />

deutlich reduziert wird. In Vilankulo und <strong>in</strong> Manica wird die Angst vor e<strong>in</strong>er zu starken<br />

parteilichen Politisierung zivilgesellschaftlichen Engagements formuliert. Es<br />

müsste geprüft werden, ob für die ger<strong>in</strong>ge öffentliche Beteiligung eher e<strong>in</strong> fehlendes<br />

Partizipationsbedürfnis oder e<strong>in</strong> bewusster Ausschluss aus kommunalen Politikprozessen<br />

ausschlaggebend ist. Im Falle e<strong>in</strong>es Ausschlusses e<strong>in</strong>er politisch <strong>in</strong>teressierten<br />

Öffentlichkeit würden Bereiche zur geregelten Austragung <strong>von</strong> Interessengegensätzen<br />

fehlen.<br />

173


Konfliktpotentiale und Konflikte<br />

Damit ist auch e<strong>in</strong>e wirkliche Entlastung höherer Ebenen nicht gegeben, zumal sich<br />

die Distrikt- bzw. Prov<strong>in</strong>zverwaltungen nicht ganz aus dem kommunalen Handlungsfeld<br />

zurückziehen wollen. Von e<strong>in</strong>er Filterfunktion kann nur dann s<strong>in</strong>nvoll gesprochen<br />

werden, wenn e<strong>in</strong>e klare Trennung der Wirkungsebenen vorhanden ist. Im<br />

H<strong>in</strong>blick auf die Bestimmung der ortsfremden Bürgermeisterkandidaten und strategisch<br />

besetzten Ratslisten der Frelimo als auch <strong>in</strong> Bezug auf den zentral ausgerufenen<br />

Boykott der Kommunalwahl durch die Renamo trägt die Kommunalpolitik deutlich<br />

die Handschrift der Zentralregierung und nationaler Partei<strong>in</strong>teressen (vgl. auch AWE-<br />

PA 2001b: 39). In Pemba und <strong>in</strong> Catandica (nur <strong>in</strong> ger<strong>in</strong>gem Maße auch <strong>in</strong> Vilankulo)<br />

hat die Verwaltungsspitze ihre Bereitschaft signalisiert, die Renamo als politische<br />

Opposition e<strong>in</strong>zub<strong>in</strong>den – zum<strong>in</strong>dest aber nicht pr<strong>in</strong>zipiell auszuschließen. 96 Da die<br />

Renamo weder <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Kommunalverwaltung noch im jeweiligen Rat formell vertreten<br />

ist, fällt e<strong>in</strong>e Unterscheidung zwischen Ausschluss und E<strong>in</strong>b<strong>in</strong>dung schwer. Jedoch<br />

wird klar, dass <strong>von</strong> e<strong>in</strong>em lokalen Interessenpluralismus – vor allem <strong>in</strong> Form<br />

weiterer Parteien – nicht die Rede se<strong>in</strong> kann. Lokale politische Interessen werden so<br />

nur <strong>von</strong> den beiden großen Parteien aufgegriffen, welche allerd<strong>in</strong>gs Schwierigkeiten<br />

bei der Vermittlung <strong>von</strong> Politik<strong>in</strong>halten haben. Generell wird Aufklärung für wichtig<br />

befunden (vgl. Abschnitt 5.2.8), doch wird ebenso e<strong>in</strong>e parteipolitische Des<strong>in</strong>formation<br />

und Agitation befürchtet.<br />

Schließlich ist der demokratische Lerneffekt eher ger<strong>in</strong>g e<strong>in</strong>zuschätzen, da e<strong>in</strong> Interesse<br />

an der Mitarbeit <strong>in</strong> der Kommunalverwaltung nicht notwendigerweise politisches<br />

Interesse oder Geme<strong>in</strong>wohl<strong>in</strong>teresse bedeutet. Der zentrale Anreiz für<br />

kommunalpolitisches Engagement ist E<strong>in</strong>kommen. Obwohl e<strong>in</strong> Ratsmandat nach<br />

dem Verständnis der Geme<strong>in</strong>deordnungen e<strong>in</strong> Ehrenamt ist, wird häufig e<strong>in</strong>e Art<br />

Gehaltzahlung gefordert und mit der großen Bedeutung des Ratsmandats untermauert.<br />

97 Nicht selten sahen sich Kommunalverwaltung zunächst ‚genötigt’, angemessene<br />

‚Arbeitsbed<strong>in</strong>gungen’ durch die Anschaffung <strong>von</strong> Computern, Autos, Wohnhäusern,<br />

Gehältern zu schaffen, bevor sie sich der Geme<strong>in</strong>dearbeit widmen konnten. Insge-<br />

96 In Catandica beobachtete ich e<strong>in</strong>e gesellige ‚Bier-Runde’, bei der u.a. der Distriktadm<strong>in</strong>istrator,<br />

der Bürgermeister und e<strong>in</strong> ranghoher Renamo-Vertreter zusammen saßen. Wenngleich<br />

das Tischgespräch nicht selten e<strong>in</strong>er Konfliktprovokation gefährlich nahe kam, zeugte dies<br />

<strong>von</strong> der Überlagerung politischer durch persönlich-soziale Beziehungen.<br />

97 Welche kuriosen Ausmaße dies annehmen kann, zeigt folgendes Beispiel: Ratsmitglieder<br />

haben aus e<strong>in</strong>em Passus im Gesetz 2/97, der das Recht auf die Nutzung e<strong>in</strong>es Geme<strong>in</strong>defahrzeugs<br />

bei der Ausübung <strong>von</strong> Ratsangelegenheiten e<strong>in</strong>räumt, e<strong>in</strong>e notwendige Voraussetzung<br />

für ihr Mandat abgeleitet, obwohl sich nur die großen <strong>Kommunen</strong> überhaupt<br />

Fahrzeuge leisten können (vgl. AWEPA 2001b: 25).<br />

174


Konfliktpotentiale und Konflikte<br />

samt hat sich e<strong>in</strong>e demokratische Konfliktbearbeitungskultur nicht wirklich entwickeln<br />

können. <strong>E<strong>in</strong>e</strong> Bearbeitung <strong>von</strong> <strong>Konflikten</strong> sche<strong>in</strong>t vor allem durch persönliche<br />

Beziehungen oder durch autoritäre Maßnahmen zu gel<strong>in</strong>gen.<br />

Die E<strong>in</strong>führung der kommunalen Selbstverwaltung hat somit vorrangig sozioökonomische<br />

Erfolge zu verzeichnen: So konnten <strong>in</strong> vielen Geme<strong>in</strong>den die Hygienebed<strong>in</strong>gungen<br />

und die Müllentsorgung verbessert werden. Die Bürger zeigen sich mit<br />

e<strong>in</strong>er besseren Wasser- und Stromversorgung zufrieden. Teilweise kann <strong>von</strong> e<strong>in</strong>er<br />

gestiegenen lokalen Identität ausgegangen werden (vgl. AWEPA 2001b: 17f). 98<br />

98 Als e<strong>in</strong> Vorteil der kommunalen Selbstverwaltung wurde die schnelle und effektive Reaktion<br />

auf die Überflutung im Jahr 2000 genannt, <strong>in</strong>sbesondere im Vergleich zum Krisenhandeln<br />

der lokalen staatlichen Verwaltung (vgl. AWEPA 2001b: 19).<br />

175


Politische Kultur <strong>in</strong> <strong>vier</strong> Fallkommunen<br />

5 Politische Kultur <strong>in</strong> Pemba, Catandica, Manica und<br />

Vilankulo<br />

Analog zum vorigen Kapitel werden zunächst allgeme<strong>in</strong>e, konfliktrelevante Aspekte der<br />

politischen Kultur <strong>in</strong> Mosambik behandelt. Im Vordergrund steht die Frage, <strong>in</strong>wieweit<br />

demokratische Ordnungspr<strong>in</strong>zipien mit dem gegebenen sozialen und politischen Kontext<br />

<strong>in</strong> Mosambik vere<strong>in</strong>bar s<strong>in</strong>d. Aufschluss geben Studien zu traditionellen Ordnungsvorstellungen,<br />

zu E<strong>in</strong>stellungen gegenüber Demokratie und politischer Autorität sowie<br />

zu Korruption und Vertrauen <strong>in</strong> Institutionen <strong>in</strong> Mosambik. Anschließend werden die<br />

E<strong>in</strong>stellungen <strong>von</strong> Befragten <strong>in</strong> den <strong>vier</strong> Fallkommunen h<strong>in</strong>sichtlich zentraler Dimensionen<br />

politischer Kultur wie dem Verständnis <strong>von</strong> Demokratie und der E<strong>in</strong>stellung gegenüber<br />

Autorität untersucht. Es werden anhand <strong>von</strong> Geme<strong>in</strong>samkeiten und<br />

Unterschieden <strong>in</strong> den E<strong>in</strong>stellungen spezifische Ordnungsvorstellungen gesucht, auf<br />

deren Grundlage Aussagen zu den kausalen Zusammenhängen <strong>von</strong> <strong>Konflikten</strong> generiert<br />

werden.<br />

5.1 Die allgeme<strong>in</strong>e politische Kultur <strong>in</strong> Mosambik<br />

Konfliktpotentiale können daraus resultieren, dass es für die e<strong>in</strong>geführte politische<br />

Struktur ke<strong>in</strong>e Entsprechung <strong>in</strong> der politischen Kultur gibt und so e<strong>in</strong>e Grundlage für<br />

stabile und funktionsfähige Institutionen fehlt. In der Literatur wird diese Frage auf<br />

e<strong>in</strong>er allgeme<strong>in</strong>en Ebene unterschiedlich beantwortet. <strong>E<strong>in</strong>e</strong> positive E<strong>in</strong>schätzung geben<br />

u.a. ISAACMAN/ISAACMAN (1983). Sie deuten die sozialistischen Volksvertretungsorgane<br />

auf lokaler Ebene (local and municipal people’s assemblies) als Ausdruck demokratischer Partizipation<br />

und e<strong>in</strong>es Volkswillens. Dabei handelt es sich um öffentliche ‚Wahlen’, bei<br />

denen sich die Beteiligung nicht selten <strong>in</strong> der Frage erschöpfte, ob jemand E<strong>in</strong>spruch<br />

gegen die Wahl erheben wolle. Doch nutzte die Bevölkerung diese Situationen auch zur<br />

Kritik an dem Herrschaftsstil politischer Führer. EGERO (1986) h<strong>in</strong>gegen weist darauf<br />

h<strong>in</strong>, dass die mosambikanische Gesellschaft ke<strong>in</strong>e Möglichkeit hatte, demokratische<br />

Erfahrungen zu sammeln (vgl. auch: BRÜNE 1993: 618; ALEXANDER 1995: 55). Demnach<br />

hat es <strong>in</strong> Mosambik <strong>in</strong> der Geschichte des portugiesischen Kolonialismus zu ke<strong>in</strong>em<br />

Zeitpunkt demokratische Verfahren gegeben. Die traditionellen lokalen Systeme<br />

der Entscheidungsf<strong>in</strong>dung wurden durch E<strong>in</strong>verleibung der régulos durch die Kolonialmacht<br />

<strong>in</strong> Frage gestellt. Im ‚modernen’ Lebenskontext haben hierarchische Autoritätsstrukturen<br />

und unsichere Arbeitsverhältnisse die Entwicklung demokratischer<br />

Kollaboration im Keim verh<strong>in</strong>dert (vgl. EGERO 1986: 120). Die Entwicklung e<strong>in</strong>er Par-<br />

176


Politische Kultur <strong>in</strong> <strong>vier</strong> Fallkommunen<br />

tizipationskultur verh<strong>in</strong>dert haben zudem Jahre des Zwangs und der Zentralisierung, die<br />

nachhaltig die Vorstellungskraft <strong>in</strong>dividueller Möglichkeiten politischen Handelns und<br />

der E<strong>in</strong>flussnahme begrenzt haben. Beispielsweise ist die E<strong>in</strong>stellung stark verbreitet,<br />

dass politischer E<strong>in</strong>fluss auf Obstruktion beschränkt bleibt (vgl. ALEXANDER 1995: 44).<br />

Auch wird e<strong>in</strong>e Ursache für die mangelhafte Ausbildung e<strong>in</strong>er (<strong>in</strong> Opposition zum Staat<br />

stehenden) Zivilgesellschaft dar<strong>in</strong> gesehen, dass die verschiedenen Herrschaftssysteme –<br />

traditionelle Herrschaft, Kolonialismus und Sozialismus – die Gesellschaft zu Konformität<br />

und Ehrfurcht sowie zu physischer und moralischer Abhängigkeit <strong>von</strong> der <strong>in</strong>stitutionalisierten<br />

Macht sozialisierte (vgl. SILVA 1995: 28; ALEXANDER 1997: 1).<br />

Traditionelle Ordnungsvorstellungen. SILVA (1995) zufolge bestehen <strong>in</strong> Mosambik<br />

traditionelle Ordnungsvorstellungen, welche die Institutionalisierung e<strong>in</strong>er modernen<br />

demokratischen Ordnung erschweren. Die traditionellen Ordnungsvorstellungen lassen<br />

sich anhand <strong>von</strong> fünf Aspekten kennzeichnen: e<strong>in</strong> zyklisches Zeitverständnis, die B<strong>in</strong>dung<br />

<strong>von</strong> Wissen an Personen, die Präferenz kollektiver Lebensstile und konformer<br />

Verhaltensweisen, e<strong>in</strong>e schwache ökonomische Differenzierung sowie e<strong>in</strong> ausgeprägtes<br />

Exklusivitätspr<strong>in</strong>zip.<br />

Zyklisches Zeitverständnis. Der zyklische Charakter <strong>von</strong> Naturprozessen prägt die Vorstellung<br />

e<strong>in</strong>er unveränderlichen Natur, der sich die menschliche Geme<strong>in</strong>schaft zu unterwerfen<br />

hat. Die menschliche Geme<strong>in</strong>schaft gilt damit selbst als unveränderlich. Das<br />

Leitpr<strong>in</strong>zip der Kont<strong>in</strong>uität schlägt sich im zyklischen Zeitverständnis sowie <strong>in</strong> animistischen<br />

Ordnungsvorstellungen mit starkem Raumbezug wider. SILVA (1995: 26) zufolge<br />

ist dies schwer <strong>in</strong> E<strong>in</strong>klang mit dem Verständnis <strong>von</strong> Zeit und Wandel <strong>in</strong> der Moderne<br />

zu br<strong>in</strong>gen, <strong>in</strong>sbesondere mit dem Pr<strong>in</strong>zip des politischen Machtwechsels.<br />

Personengebundenes Wissen. In traditioneller Perspektive ist Wissen untrennbar an Personen<br />

und damit an Prestige und soziale Positionen gebunden wie z.B. an der Person des Heilers<br />

bzw. Hexenmeisters (curandeiro). Die Verbreitung <strong>von</strong> Wissen wird daher als Form<br />

der Entwertung und Entmachtung wahrgenommen. In Demokratien ist jedoch das<br />

Pr<strong>in</strong>zip der freien Zirkulation <strong>von</strong> Informationen existentiell (vgl. ebd.).<br />

Konformität. Während die konforme Handlung und die Normbefolgung als Bekundung<br />

<strong>von</strong> Respekt und Zeichen <strong>von</strong> Reife gilt, wird der Ausdruck <strong>in</strong>dividuellen Willens – e<strong>in</strong>e<br />

abweichende Haltung, <strong>in</strong>dividuelle Interessen aber auch Formen der Kreativität und<br />

Orig<strong>in</strong>alität – negativ bewertet (vgl. ebd.). SILVA (1995: 26) zufolge fällt es traditionell<br />

denkenden Menschen schwer, das zu verändern, was die Vorfahren festgelegt haben.<br />

177


Politische Kultur <strong>in</strong> <strong>vier</strong> Fallkommunen<br />

Relative Gleichheit. Innerhalb der eigenen Geme<strong>in</strong>schaft ist man bestrebt, Besitz gleich zu<br />

verteilen. Dies geschieht etwa durch Gaben anlässlich <strong>von</strong> Hochzeiten und anderer Zeremonien.<br />

Sie stellen e<strong>in</strong>e Form gegenseitiger Hilfeleistung dar, die das soziale Prestige<br />

des Gebenden steigert. In diesem Wert sieht SILVA (1995: 27) Klientelismus- und Patronagesysteme<br />

begründet. Das Streben nach Macht ist <strong>in</strong>sofern e<strong>in</strong> Streben nach sozialem<br />

Prestige. Wie viele traditionelle afrikanische Gesellschaften auch ist Mosambik nur ger<strong>in</strong>gfügig<br />

ökonomisch jedoch stark sozial differenziert, was u.a. auf die Präferenz der<br />

Konformität und der relativen Gleichheit zurückgeführt wird (vgl. ebd.: 18f).<br />

Exklusivitätspr<strong>in</strong>zip. Die soziale Gruppe ist an bestimmte Werte und Räume gebunden<br />

und verfügt damit über def<strong>in</strong>ierte Grenzen zu anderen Gruppen. E<strong>in</strong> sozialer und politischer<br />

Raum, <strong>in</strong> dem die Gleichheit und Gleichwertigkeit aller Gruppen gelten soll, wird<br />

abgelehnt (vgl. ebd.: 27). Das moderne Staatssystem kann somit nicht als die Repräsentation<br />

e<strong>in</strong>er e<strong>in</strong>heitlichen Gesellschaft verstanden werden. Vielmehr drückt es die Dom<strong>in</strong>anz<br />

e<strong>in</strong>er Gruppe sowie das <strong>von</strong> dieser Gruppe durchgesetzte Pr<strong>in</strong>zip der Verteilung<br />

und Umverteilung staatlicher Ressourcen aus. Politik muss damit als Kampf zwischen<br />

Gruppen verstanden werden 99 . <strong>E<strong>in</strong>e</strong> Wahlniederlage bedeutet nicht selten den kompletten<br />

Ausschluss anderer Gruppen (vgl. ebd.: 28). Dies wird auch als Grund dafür angegeben,<br />

dass nach dem Friedensvertrag <strong>von</strong> 1992 e<strong>in</strong>e Machtteilung <strong>von</strong> ke<strong>in</strong>er der<br />

beteiligten Kriegsparteien erwünscht war (vgl. NAIDU 2001: 23).<br />

Die Reichweite der politischen Entscheidung und Gestaltung ist kurz und richtet sich<br />

auf e<strong>in</strong>e exklusive Geme<strong>in</strong>schaft, deren Grenzen durch Abstammung <strong>in</strong> den Kategorien<br />

Clan, Stamm und Ethnie def<strong>in</strong>iert werden (vgl. SILVA 1995: 19f). Die Geme<strong>in</strong>schaft<br />

def<strong>in</strong>iert die Identität des Individuums <strong>in</strong> Abhängigkeit <strong>von</strong> Geschlecht und Alter und<br />

damit se<strong>in</strong>e soziale und politische Position. Obwohl dem E<strong>in</strong>zelnen ‚geistige und körperliche<br />

Autonomie’ zugebilligt wird, ist Geme<strong>in</strong>schaft dem Individuum übergeordnet:<br />

außerhalb der Geme<strong>in</strong>schaft kann niemand existieren (vgl. ebd.: 22). Diese Wertigkeit<br />

hat maßgeblich Auswirkungen auf das grundlegende Verständnis <strong>von</strong> politischer Legitimität<br />

e<strong>in</strong>erseits und <strong>von</strong> Konfliktbearbeitung andererseits. Bezüglich der Konzeption<br />

politischer Legitimität s<strong>in</strong>d drei Aspekte <strong>von</strong> Bedeutung (vgl. ebd.): (a) Das traditionelle<br />

Verständnis des politischen Subjekts unterscheidet sich <strong>von</strong> der modernen Konzeption<br />

des demokratischen Staatsbürgers. Während demokratische Bürgerschaft durch allgeme<strong>in</strong>e<br />

Gleichheitspr<strong>in</strong>zipien und Grundrechte charakterisiert ist, bleibt persönliches<br />

99 Im Falle <strong>von</strong> ethnisch def<strong>in</strong>ierten Gruppen führt e<strong>in</strong>e solche Sichtweise zu e<strong>in</strong>er Ethnisierung<br />

<strong>von</strong> Politik bzw. zur Politisierung <strong>von</strong> Ethnizität.<br />

178


Politische Kultur <strong>in</strong> <strong>vier</strong> Fallkommunen<br />

Recht im traditionellen Herrschaftsverständnis an Zugehörigkeit gekoppelt. Traditionellen<br />

Herrschaftsvorstellungen zufolge hat das Individuum nur die ihm <strong>von</strong> der Geme<strong>in</strong>schaft<br />

gemäß se<strong>in</strong>er Abstammung, se<strong>in</strong>es Familienstandes, Alters und Geschlechts<br />

zugewiesenen Rechte und Pflichten. 100 (b) Das demokratische Repräsentativitätspr<strong>in</strong>zip<br />

widerspricht dem traditionellen Verständnis e<strong>in</strong>er auf L<strong>in</strong>earität basierten und damit<br />

nicht wählbaren politischen Ordnung. (c) Während <strong>in</strong> traditionellen Herrschaftsstrukturen<br />

e<strong>in</strong>e Absetzung der Autorität e<strong>in</strong>er Gefährdung der Gruppenkohäsion gleichkommt,<br />

gilt <strong>in</strong> demokratischen Strukturen die pr<strong>in</strong>zipielle Absetzbarkeit der Herrschenden als<br />

Stabilitätspr<strong>in</strong>zip.<br />

H<strong>in</strong>sichtlich des traditionellen Verständnisses <strong>von</strong> Konfliktbearbeitung s<strong>in</strong>d folgende<br />

<strong>vier</strong> Aspekte charakteristisch: (a) Das Ziel der Konfliktbearbeitung ist die Schlichtung<br />

im Konsens der Beteiligten. (b) Es gilt das Primat des Konsens bzw. der Unanimität, der<br />

Stabilität und der Gruppenkohäsion, v.a. durch Anerkennung e<strong>in</strong>es s<strong>in</strong>gulären Normund<br />

Wertekerns. (c) Konflikte gelten als Anormalität und s<strong>in</strong>d mit negativen Werten<br />

behaftet. (d) Können Konflikte nicht im Konsens gelöst werden, führt dies zum Ausschluss<br />

e<strong>in</strong>er Konfliktpartei (vgl. SILVA 1995: 23). 101<br />

Die Ausführungen legen e<strong>in</strong>e Inkompatibilität <strong>von</strong> traditionellen Werte- und E<strong>in</strong>stellungsmustern<br />

und e<strong>in</strong>er modernen demokratischen Institutionenordnung nahe. H<strong>in</strong>gegen<br />

bleibt unklar, wie stark und <strong>in</strong> welcher Form die traditionellen Werte- und<br />

E<strong>in</strong>stellungsmuster verbreitet s<strong>in</strong>d. Es ist da<strong>von</strong> auszugehen, dass die traditionellen<br />

Werte und E<strong>in</strong>stellungen E<strong>in</strong>flüssen ausgesetzt waren und sich somit zum<strong>in</strong>dest teilweise<br />

gewandelt haben. Denkbar ist, dass bestimmte Räume (z.B. Regionen, Städte) oder<br />

soziale Gruppen e<strong>in</strong>en stärkeren Wandel erfahren haben als andere. Me<strong>in</strong>es Wissens<br />

fehlt es hier an e<strong>in</strong>er wissenschaftlichen Vertiefung des Problems. Jedoch wurden <strong>in</strong> den<br />

letzten Jahren verstärkt Studien zur Akzeptanz <strong>von</strong> Demokratie sowie zu E<strong>in</strong>stellungen<br />

zu Demokratie und politischer Autorität <strong>in</strong> Mosambik durchgeführt.<br />

100 FANDRYCH (1995: 80) weist darauf h<strong>in</strong>, dass etwa der Aspekt der gleichberechtigten Partizipation<br />

e<strong>in</strong> fremdes Element für die Makhuwa-Gesellschaft im Norden Mosambiks ist. Da sie nach<br />

Alter, Geschlecht, Religion und Verwandtschaft strukturiert ist, ist das Konzept der ‚Gleichheit‘<br />

im S<strong>in</strong>ne <strong>von</strong> demokratischer Gleichberechtigung aller Staatsbürger fremd.<br />

101 Zu mosambikanischen Verfahren zur Bearbeitung <strong>von</strong> <strong>Konflikten</strong> und Konfliktfolgen vgl.<br />

HONWANA 1998 und 2002.<br />

179


Politische Kultur <strong>in</strong> <strong>vier</strong> Fallkommunen<br />

E<strong>in</strong>stellungen zu Demokratie. Laut e<strong>in</strong>er repräsentativen mündlichen Befragung 102<br />

bef<strong>in</strong>det die Mehrheit der Mosambikaner (58 %), dass Demokratie anderen Regierungsformen<br />

vorzuziehen ist (vgl. PEREIRA/DAVIDS/MATTES 2002: 4). Dagegen bevorzugen<br />

10 % der Befragten unter bestimmten Umständen e<strong>in</strong>e nicht-demokratische Regierung,<br />

10 % ist es gleich, welche Regierungsform sie haben und 22 % machten ke<strong>in</strong>e Angaben<br />

(vgl. ebd.). Doch lediglich 10 % der Befragten glauben, dass Mosambik e<strong>in</strong>e vollständige<br />

Demokratie ist, während 25 % der Me<strong>in</strong>ung s<strong>in</strong>d, Mosambik sei e<strong>in</strong>e Demokratie mit<br />

ger<strong>in</strong>gen Problemen bzw. 39 % sogar große Probleme konstatieren (vgl. ebd.: 7). Mit<br />

Demokratie verb<strong>in</strong>den die Befragten weniger sozioökonomische Entwicklungen als<br />

hauptsächlich Freiheit (26 %) und Me<strong>in</strong>ungsfreiheit (17 %), wobei auffallend viele<br />

(32 %) sich zu e<strong>in</strong>er Bestimmung der Demokratie nicht <strong>in</strong> der Lage sahen (vgl. Tabelle<br />

19).<br />

Freiheit 26 %<br />

Me<strong>in</strong>ungsfreiheit 17 %<br />

Frieden 8 %<br />

Entwicklung 6 %<br />

Toleranz 4 %<br />

Wahlrecht 1 %<br />

Gutes Regierungshandeln 1 %<br />

Schlechtes Regierungshandeln 1 %<br />

Macht des Volkes


Politische Kultur <strong>in</strong> <strong>vier</strong> Fallkommunen<br />

ebd.). Schließlich beurteilen sie die Leistungen der nationalen Regierungen vergleichsweise<br />

negativ. Während im H<strong>in</strong>blick auf die AIDS-Bekämpfungsstrategie (49 %), Erziehungspolitik<br />

(46 %) und Gesundheitspolitik (39 %) die Regierung noch weite<br />

Zustimmung erhält, zeigen sich nur 25 % der Befragten <strong>von</strong> der öffentlichen Sicherheitspolitik<br />

und nur 16 % <strong>von</strong> der Wirtschaftspolitik überzeugt. Die Autoren der Studie<br />

konstatieren e<strong>in</strong>e schwache demokratische Kultur <strong>in</strong> Mosambik, <strong>in</strong>sbesondere unter der<br />

ungebildeten Bevölkerung im ländlichen Raum (vgl. ebd.: 10). Die Unzufriedenheit der<br />

Bevölkerung mit der alltäglichen Regierungspolitik wird zum e<strong>in</strong>en auf die Erfahrungen<br />

mit e<strong>in</strong>em autoritären Regime und dem Bürgerkrieg und zum anderen auf die Regierungspolitik<br />

im Katastrophenfall zurückgeführt (vgl. ebd.: 11). Die Autoren erkennen<br />

zwar positive Voraussetzungen für die nachhaltige Etablierung e<strong>in</strong>er demokratischen<br />

Kultur, sie weisen jedoch darauf h<strong>in</strong>, dass hierfür die Vermittlung demokratischer Pr<strong>in</strong>zipien<br />

und die verstärkte Bereitschaft zu e<strong>in</strong>em politischen Engagement unabd<strong>in</strong>glich<br />

s<strong>in</strong>d (vgl. ebd.: 11f). Während die Erhebung des AFROBAROMETERs e<strong>in</strong>e eher positive<br />

Resonanz bezüglich der Demokratisierung <strong>in</strong> Mosambik vermittelt, wird <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Studie<br />

zum Verhältnis <strong>von</strong> Tradition und Moderne <strong>in</strong> der Prov<strong>in</strong>z Nampula festgestellt, dass<br />

<strong>in</strong>sbesondere Ältere (anciãos) die gegenwärtige politische Lage als anarchisch und anomisch<br />

beschreiben, da „jeder mache, was er wolle“ (IVALA 1999: 169). Befragte geben<br />

den sozialen und politischen Zustand als Unordnung wieder, <strong>in</strong> der niemand den anderen<br />

respektiere (vgl. ebd.: 182). Die Autoren konstatieren das Fehlen jeglicher Kenntnisse<br />

über demokratische Pr<strong>in</strong>zipien: Demzufolge klären politische Parteien die<br />

Bevölkerung <strong>in</strong>teressengebunden auf, so dass die Bürger mit Demokratie e<strong>in</strong>e neue anarchische<br />

Lebensweise und neue Form der Unordnung verb<strong>in</strong>den (vgl. ebd.: 183). Die<br />

E<strong>in</strong>schätzung der politischen Lage hängt besonders <strong>von</strong> den Vorstellungen <strong>von</strong> Autorität<br />

ab und <strong>in</strong>wieweit diese realisiert werden.<br />

E<strong>in</strong>stellungen zu politischer Autorität. Gemäß e<strong>in</strong>er Studie <strong>von</strong> ALEXANDER (1995)<br />

zur politischen Kultur <strong>in</strong> der Manica-Prov<strong>in</strong>z vere<strong>in</strong>igen ideale Autoritäten Eigenschaften<br />

wie Reichtum, Bildung, Gerechtigkeitss<strong>in</strong>n, Respekt und Umgänglichkeit, wobei e<strong>in</strong><br />

Übermaß e<strong>in</strong>er Eigenschaft (z.B. zu viel Reichtum) negativ bewertet wird (vgl. ebd.: 42).<br />

Wohlstand ist den Befragten zufolge e<strong>in</strong>e Voraussetzung zur Verh<strong>in</strong>derung <strong>von</strong><br />

Machtmissbrauch (vgl. ebd.: 41). Autoritäten werden pr<strong>in</strong>zipiell negativ <strong>in</strong> Bezug auf<br />

Aneignung öffentlicher Ressourcen attribuiert (vgl. ebd.: 43), wobei unterschieden wird,<br />

ob die Führungskraft bereits vorher über Mittel verfügte („E<strong>in</strong> Reicher stiehlt anders als<br />

e<strong>in</strong> Armer“, vgl. ebd.: 43). Politische Führer sollten zwar lokale Wurzeln haben, aber<br />

nicht zu stark lokalen Bezug aufweisen, da sonst die Gefahr der Patronage besteht (vgl.<br />

181


Politische Kultur <strong>in</strong> <strong>vier</strong> Fallkommunen<br />

ebd.: 42). Autoritäten müssen Stärke beweisen, die Situation kontrollieren und sich<br />

durchsetzen können (vgl. ebd.: 41). Dabei orientieren die heutigen traditionellen Autoritäten<br />

ihr Selbstverständnis an den Rollen, die den traditionellen Chefs während (der<br />

Endphase) der Kolonialzeit zugeschrieben wurden. Ferner wird politische Konkurrenz<br />

als gefährlich und destabilisierend beschrieben, so dass Herrschaft unter dem Pr<strong>in</strong>zip<br />

politischer Konkurrenz nicht möglich ersche<strong>in</strong>t (vgl. ebd.: 43). SILVA (1995: 28f) charakterisiert<br />

das Verhältnis der Bevölkerung zu politischen Autoritäten als passiv, unterwürfig<br />

und <strong>von</strong> Angst behaftet, obwohl die Bevölkerung <strong>von</strong> diesen Schutz und<br />

Dienstleistungen erwartet.<br />

Laut e<strong>in</strong>er Studie 103 <strong>von</strong> AFRISURVEY zur Wahrnehmung <strong>von</strong> Korruption besteht e<strong>in</strong><br />

massiver Vertrauensmangel <strong>in</strong> Autoritäten und politischen Institutionen, wobei sich<br />

diese durch Fehlverhalten <strong>in</strong>sbesondere durch Korruption selbst <strong>in</strong> Verruf br<strong>in</strong>gen (vgl.<br />

MOZAMBIQUEFILE 9/2001: 15).<br />

E<strong>in</strong>schätzung, ob <strong>von</strong> der angegebenen Berufsgruppe „viele oder die meisten <strong>in</strong><br />

Korruption verwickelt s<strong>in</strong>d“ oder „ke<strong>in</strong>er oder fast ke<strong>in</strong>er korrupt ist“.<br />

Akteursgruppe korrupt nicht korrupt<br />

Regierung 58, 8 % 6, 8 %<br />

Gericht 58, 1 % 7, 4 %<br />

Polizei 70, 2 % 6, 1 %<br />

Unternehmer 40, 8 % 7, 3 %<br />

Journalisten 30, 8 % 13, 8 %<br />

Klerus<br />

Quelle: MOZAMBIQUEFILE 9/2001<br />

17, 2 % 36, 4 %<br />

Tabelle 20: Geglaubte Verwicklung <strong>von</strong> Autoritäten und öffentlichen Gruppen <strong>in</strong> Korruption<br />

Auch überwiegt deutlich der Anteil der Befragten, die glauben, dass die politischen Institutionen<br />

nicht gewollt, unfähig oder ke<strong>in</strong> Interesse haben, die Korruption ernsthaft zu<br />

bekämpfen.<br />

103 Befragt wurden 1200 Personen und Vertreter <strong>von</strong> 300 Organisationen (Unternehmen, Verbände,<br />

NGOs) <strong>in</strong> Maputo-Stadt und Maputo-Prov<strong>in</strong>z, Sofala sowie Nampula (vgl. MOZAMBIQUEFILE<br />

9/2001: 15).<br />

182


Misstrauen <strong>in</strong> Institutionen<br />

Institution Anteil der Befragten,<br />

die Institutionen misstrauen<br />

Präsident 31, 6 %<br />

Prov<strong>in</strong>zgouverneur 32, 1 %<br />

Parlament 45, 3 %<br />

Polizei 61, 6 %<br />

Kommunale Autoritäten 53, 5 %<br />

Gerichte 51, 2 %<br />

Quelle: MOZAMBIQUEFILE 9/2001<br />

Tabelle 21: Misstrauen <strong>in</strong> Institutionen<br />

Politische Kultur <strong>in</strong> <strong>vier</strong> Fallkommunen<br />

Die Autoren der Studie warnen, dass e<strong>in</strong> Vertrauensverlust <strong>in</strong> Institutionen zunehmend<br />

mit der Forderung nach mehr Gewalt zur Kontrolle und E<strong>in</strong>dämmung der Krim<strong>in</strong>alität<br />

und Korruption e<strong>in</strong>hergeht. Demnach glaubt die Mehrheit der Befragten, dass erst<br />

durch drakonische Strafen wie Handabschneiden, Todesstrafe, Lebendverbrennung<br />

oder Enteignung e<strong>in</strong>e Senkung <strong>von</strong> Korruption möglich ist (vgl. MOZAMBIQUEFILE<br />

9/2001: 16). Derartige E<strong>in</strong>stellungen stehen für e<strong>in</strong> hohes Maß an Frustration und Misstrauen<br />

<strong>in</strong> der Bevölkerung: Sie s<strong>in</strong>d nicht nur e<strong>in</strong>er demokratischen Kultur abträglich,<br />

auch verweisen sie auf bestehende Gewaltpotentiale.<br />

5.2 <strong>Analyse</strong> konfliktrelevanter Dimensionen der lokalen<br />

politischen Kultur<br />

Die <strong>Analyse</strong> der politischen Kultur der Befragten gründet methodisch auf zwei Schritten.<br />

In e<strong>in</strong>em ersten Schritt wurden die Interviewpartner direkt nach ihrem Verständnis<br />

<strong>von</strong> Demokratie und Konflikt, nach ihren E<strong>in</strong>stellungen zu politischen Institutionen<br />

sowie gegenüber politischer Autorität gefragt (vgl. Anhang, S. 254ff). Ausgangspunkt ist<br />

die Annahme, dass spezifische Ausprägungen politischer Kultur mit e<strong>in</strong>er hohen Konfliktbereitschaft<br />

und gegebenenfalls auch mit e<strong>in</strong>er erhöhten Gewaltbereitschaft e<strong>in</strong>hergehen.<br />

Zu diesen werden u.a. die Nichtakzeptanz demokratischer Werte und<br />

Ordnungspr<strong>in</strong>zipien sowie e<strong>in</strong> defizitäres Legitimitätse<strong>in</strong>verständnis mit demokratischen<br />

Institutionen und Autoritäten gezählt. Darüber h<strong>in</strong>aus wurden <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em zweiten Schritt<br />

die hierauf gegebenen Antworten <strong>in</strong> Beziehung gesetzt zu den Erklärungen und Bewertungen<br />

<strong>von</strong> bestimmten sozialen Phänomenen durch die Befragten. Dabei galten <strong>in</strong>sbesondere<br />

simplifizierende Argumentationsweisen als Indikator für e<strong>in</strong>e erhöhte<br />

Konfliktbereitschaft, bei denen etwa als aversiv empfundene soziale Phänomene auf<br />

183


Politische Kultur <strong>in</strong> <strong>vier</strong> Fallkommunen<br />

bestimmte Akteursgruppen zurückgeführt werden, die es dann besonders zu sanktionieren<br />

gilt. Insofern werden hier die Bewertung politischer Prozesse und sozialen Wandels,<br />

die Wahrnehmung anderer politischer Subjekte v.a. anderer politischer Parteien und<br />

ethnisch Fremder sowie die E<strong>in</strong>stellungen zu abweichendem Verhalten (v.a. <strong>in</strong> Bezug<br />

auf Krim<strong>in</strong>alität, Lebensstil) und die hierbei zu ergreifenden Sanktionsmaßnahmen als<br />

wichtige <strong>Analyse</strong>dimensionen aufgefasst. Unter E<strong>in</strong>beziehung der <strong>in</strong> der Literatur identifizierten<br />

Merkmale modernistischer und traditionalistischer Ordnungsvorstellungen (vgl.<br />

WEBER 1976, SILVA 1995) wurde e<strong>in</strong>e erste Zuordnung der Interviewpartner versucht,<br />

welche unter der Bed<strong>in</strong>gung e<strong>in</strong>er weiteren Differenzierung e<strong>in</strong>en möglichen Zusammenhang<br />

<strong>von</strong> Ordnungsvorstellung und Konfliktbereitschaft andeutet. 104<br />

5.2.1 Akzeptanz der Institutionenstruktur<br />

Pemba. Unter den politischen Akteuren überwiegt deutlich e<strong>in</strong>e zustimmende Haltung<br />

gegenüber der Umsetzung der Kommunalreform, welche vorrangig mit dem damit verbundenen<br />

sozioökonomischen Fortschritt begründet wird. 105 Die Bevölkerung begrüßt<br />

zwar die spürbare Verbesserung der Lebensverhältnisse, nimmt aber gegenüber e<strong>in</strong>igen<br />

politischen Programmen der Kommunalverwaltung e<strong>in</strong>e ablehnende Haltung e<strong>in</strong>. Insbesondere<br />

die kommunale Siedlungspolitik hat für Unmut gesorgt. Der Kommunalverwaltung<br />

wird Missmanagement und die stärkere Berücksichtigung der Interessen<br />

wohlhabender Bevölkerungsgruppen vorgeworfen (vgl. LDH/P). Desgleichen stoßen<br />

Abwasserpolitik und Gesundheitspolitik der Kommune auf Akzeptanzprobleme <strong>in</strong> der<br />

Bevölkerung. Beispielsweise fand die mit hohen Kosten verbundene Errichtung öffentlicher<br />

Sanitäranlagen ke<strong>in</strong>e Annahme, und die Entwicklung alternativer Programme<br />

stellt sich als schwierig heraus. Der Bürgermeister selbst wird <strong>in</strong> der Öffentlichkeit als<br />

wenig engagiert kritisiert (vgl. UMO/P). Aus den Reihen der Beigeordneten selbst<br />

kommt die Kritik, dass die aktuelle Kommunalverwaltung nicht an der Lösung akuter<br />

Probleme <strong>in</strong>teressiert sei, da <strong>in</strong> der Wahlkampfphase die Behandlung sensibler Themen<br />

mögliche Wähler abschrecken könnte (vgl. VU/P, DPCOA/P).<br />

104 <strong>E<strong>in</strong>e</strong> Prüfung e<strong>in</strong>es Zusammenhangs ist aufgrund der niedrigen Zahl verschiedener Fälle statistisch<br />

nicht möglich. Für größere Fallzahlen könnte e<strong>in</strong>em Testdesign e<strong>in</strong> Chi²-<br />

Unabhängigkeitstest mit den Variablen „Beteiligung e<strong>in</strong>es speziellen Typus politischer Kultur“<br />

mit den Ausprägungen ‚modernistisch’, ‚traditionalistisch’, ‚hybrid-opportunistisch’ und ‚hybridanomisch’<br />

und der Variablen „Eskalationspotential“ mit den Ausprägungen ‚niedrig’, ‚hoch’ und<br />

‚sehr hoch’ zugrunde liegen.<br />

105 Nicht explizit genannt, jedoch als weiterer Grund für die positive Haltung <strong>in</strong> Frage kommend ist<br />

die Tatsache, dass mit der Kommunalreform Positionen geschaffen wurden, die pr<strong>in</strong>zipiell neue<br />

Möglichkeiten des Zugangs zu E<strong>in</strong>kommen und Macht bedeuten.<br />

184


Politische Kultur <strong>in</strong> <strong>vier</strong> Fallkommunen<br />

Catandica. Die Kommunalverwaltung nimmt sich als schwache Institution wahr, zumal<br />

sie mit ihrer Politik auf Widerstand <strong>in</strong> der Bevölkerung stößt. Insbesondere auf die<br />

kommunale Steuerpolitik reagiert die Bevölkerung sehr unzufrieden. Die hierfür zuständige<br />

Geme<strong>in</strong>depolizei begründet dies mit der Unerfahrenheit der Bevölkerung und dem<br />

Fehlen e<strong>in</strong>es „S<strong>in</strong>ns fürs Ganze“ (PC/C). E<strong>in</strong> wesentliches Problem liegt dar<strong>in</strong>, dass das<br />

Ansehen der lokalen Institutionen – u.a. Polizei und Schulen – aufgrund <strong>von</strong> Korruptionsfällen<br />

beschädigt ist (vgl. VEC/C). Der Stellenwert des Problems zeigt sich dar<strong>in</strong>,<br />

dass die Frelimo die Bekämpfung der Korruption zu e<strong>in</strong>er Priorität erhebt (vgl. FRE/C)<br />

und die Renamo bei den folgenden Kommunalwahlen auch e<strong>in</strong>en Bürgermeisterkandidaten<br />

der Frelimo unterstützen würde, wenn dieser über die notwendigen Kompetenzen<br />

verfüge und nicht korrupt sei (vgl. REN/C). Die vom Korruptionsvorwurf betroffenen<br />

Institutionen zeigen sich da<strong>von</strong> überzeugt, dass ihnen die Bevölkerung weiterh<strong>in</strong> vertraue<br />

(vgl. PRM/C, PC/C). Etwaiges Fehlverhalten wird auf widrige Bed<strong>in</strong>gungen zurückgeführt<br />

und das ger<strong>in</strong>ge Ansehen mit der Unkenntnis der Bevölkerung über<br />

Bürgerrechte erklärt. Beispielsweise werden Kautionsverfahren oft missverständlicherweise<br />

für Korruption gehalten (vgl. ADM/C, PRM/C). Neben Korruption wirft die Renamo<br />

der Polizei Amtsmissbrauch und Gewalttätigkeit vor (vgl. REN/C): Nicht nur<br />

werden Renamo-Mitglieder unrechtmäßig wie verme<strong>in</strong>tlich politisch moti<strong>vier</strong>t bestraft,<br />

auch seien Polizisten an Verbrechen beteiligt (vgl. REN/C). Die Renamo nennt Staatsfunktionäre<br />

– v.a. die Polizei – sogar e<strong>in</strong> ernsthaftes Sicherheitsrisiko, da diesen der<br />

Gebrauch <strong>von</strong> Waffen erlaubt sei. Jedoch ist zu beachten, dass die Diskreditierung staatlicher<br />

Institutionen e<strong>in</strong>e Strategie der Renamo darstellen kann.<br />

Übere<strong>in</strong>stimmend wird e<strong>in</strong> allgeme<strong>in</strong>er Vertrauensmangel gegenüber formellen Gerichten<br />

besche<strong>in</strong>igt (vgl. FRE/C, REN/C), während die <strong>in</strong>formellen Volksgerichte große<br />

Akzeptanz <strong>in</strong> der Bevölkerung f<strong>in</strong>den (vgl. SDB/C). Die als zufrieden stellend bewertete<br />

Sicherheitssituation wird weniger auf erfolgreiche Polizeiarbeit als auf die Eigen<strong>in</strong>itiative<br />

der Bevölkerung <strong>in</strong> Form <strong>von</strong> Wachrundgängen und Denunziation zurückgeführt (vgl.<br />

REG/C, FRE/C).<br />

Manica. Institutionen repräsentierende Befragte beschreiben das Verhältnis zur Bevölkerung<br />

überwiegend positiv. Die Polizei geht <strong>von</strong> e<strong>in</strong>er hohen Akzeptanz ihrer Arbeit<br />

aus und belegt dies mit e<strong>in</strong>er hohen Anzeigenzahl (vgl. PRM/M). Frelimo und Renamo<br />

sprechen gleichermaßen <strong>von</strong> großer Akzeptanz und Unterstützung <strong>in</strong> der Bevölkerung<br />

(vgl. FRE/M, REN/M). Möglicherweise ist dies e<strong>in</strong> positiv überzeichnetes Bild, da etwa<br />

die angezeigten Fälle <strong>von</strong> Lynchjustiz als e<strong>in</strong> Indiz für Vertrauensmangel verstanden<br />

185


Politische Kultur <strong>in</strong> <strong>vier</strong> Fallkommunen<br />

werden können (vgl. PDB/M, REN/M). Jedoch beklagen alle<strong>in</strong> die régulos e<strong>in</strong> Nachlassen<br />

des Rückhalts <strong>in</strong> der Bevölkerung (vgl. RV/M, RC/M). Im H<strong>in</strong>blick auf das Vertrauen <strong>in</strong><br />

Institutionen ist <strong>in</strong> den Aussagen der Befragten e<strong>in</strong> Muster erkennbar, demzufolge Institutionen<br />

repräsentierende Akteure pr<strong>in</strong>zipiell <strong>von</strong> e<strong>in</strong>er korrekten Arbeitsweise der Institutionen<br />

ausgehen und das Vertrauen der Bevölkerung voraussetzen. Aufgrund <strong>von</strong><br />

Personal- und Ressourcenmangel sowie widriger Kontextbed<strong>in</strong>gungen sei der Institution<br />

die Erbr<strong>in</strong>gung ‚optimaler’ Leistungen <strong>in</strong> der Praxis nicht möglich. Der aufgeklärte<br />

Bürger könne dies jedoch erkennen und se<strong>in</strong>e Bewertung entsprechend ‚korrigieren’.<br />

Somit hängt Vertrauensmangel mit der politischen Bildung des Bürgers zusammen.<br />

Daraus resultieren zwei Institutionen konser<strong>vier</strong>ende Momente: Erstens ist Missverhalten<br />

nicht der gesamten Institution sondern e<strong>in</strong>zelnen Individuen zuzuschreiben (vgl.<br />

FRE/M). In Korruptionsfällen ist darum nicht e<strong>in</strong>e Institutionenreform erforderlich,<br />

sondern das Schaffen <strong>von</strong> Anreizen zur Vermeidung dieses Fehlverhaltens (vgl.<br />

ADM/M, ACT/M). Zweitens kann der Vertrauensverlust mit Verweis auf die Kontextbed<strong>in</strong>gungen<br />

Unterentwicklung und Analphabetismus sowie störenden E<strong>in</strong>flüssen wie<br />

gezielter Des<strong>in</strong>formation durch die Opposition erklärt werden (vgl. ADM/M, FRE/M).<br />

In Bezug auf die politische Bildung argumentieren die Befragten anders, die Institutionen<br />

eher kritisch gegenüber stehen: Ihnen zufolge würde mehr politische Bildung zu<br />

mehr Machtkritik führen, während Unwissenheit Macht erhaltend wirke (vgl. AND/M,<br />

KS/M). Die NGO ANDA spricht <strong>von</strong> e<strong>in</strong>em massiven Glaubwürdigkeitsverlust der Polizei<br />

und der Gerichte <strong>in</strong> Manica. Aufgrund fehlender Alternativen müsse sich die Bevölkerung<br />

dennoch an diese richten (vgl. AND/M).<br />

Vilankulo. Die Kommunalverwaltung und ihre Leistungen werden allgeme<strong>in</strong> positiv<br />

bewertet, was zum e<strong>in</strong>en auf die raschen und sichtbaren Erfolge und zum anderen auf<br />

die Vertrauen schaffende Persönlichkeit des Bürgermeisters zurückgeht. Der <strong>in</strong>dischstämmige<br />

Bürgermeister zeigt sich offen für technische und soziale Innovationen. In der<br />

Verwaltung wird viel Wert auf Kontrolle <strong>von</strong> Prozessen gelegt, und der Bürgermeister<br />

hat mehrfach se<strong>in</strong>e Kompetenzen und se<strong>in</strong> modernes Rollenverständnis beweisen können:<br />

Er vermittelt se<strong>in</strong>e Machtkompetenzen gegenüber der Distriktadm<strong>in</strong>istration wie<br />

der ihm unterstellten Verwaltung. Da er zugleich als Supermarkt-Besitzer der größte<br />

lokale Unternehmer ist, gibt er sich gerne politisch unabhängig. 106 Zwar erklärt der Bürgermeister,<br />

se<strong>in</strong>e verschiedenen Ämter (Bürgermeister, Parteivorsitz) und Aufgaben<br />

(Unternehmer) trennen zu können, jedoch besteht der Verdacht, dass er se<strong>in</strong> Amt nut-<br />

106 Beispielsweise spendet er se<strong>in</strong> komplettes Bürgermeistergehalt der Kommune.<br />

186


Politische Kultur <strong>in</strong> <strong>vier</strong> Fallkommunen<br />

ze, um durch die Verh<strong>in</strong>derung e<strong>in</strong>es neuen Supermarktes se<strong>in</strong>e Monopolstellung im<br />

Ort zu sichern. Für e<strong>in</strong> modernes Rollenverständnis steht se<strong>in</strong>e Motivation, nicht anhand<br />

des Parteibuches sondern nach der Qualifikation se<strong>in</strong>e Mitarbeiter zu bestimmen.<br />

Anstatt wie bei anderen Bürgermeistern häufig beobachtet an se<strong>in</strong>em Amt festzuhalten,<br />

gibt der Bürgermeister <strong>von</strong> Vilankulo an, sich nur auf Drängen des Parteikomitees zu<br />

e<strong>in</strong>er weiteren Kandidatur bereit erklärt zu haben. Se<strong>in</strong>en ‚guten’ politischen Stil möchte<br />

er durch die pünktliche Steuerzahlung unter Beweis stellen. Insgesamt trägt se<strong>in</strong>e Geschäftsführung<br />

zum Vertrauen der Bevölkerung <strong>in</strong> die Kommunalverwaltung bei.<br />

5.2.2 Demokratieverständnis<br />

Pemba. Zentrale Merkmale demokratischer Ordnungen wie Mehrparteiensystem, Oppositionspr<strong>in</strong>zip<br />

sowie Wahlverfahren sche<strong>in</strong>en weitestgehend akzeptiert zu se<strong>in</strong>. Allerd<strong>in</strong>gs<br />

wird kritisiert, dass viele Bürger Demokratie mit dem Recht verwechseln, alles tun<br />

zu dürfen (vgl. LDH/P). Die presidentes dos bairros konstatieren „Demokratie ist nicht<br />

nacktes Fleisch. Demokratie ist nicht Beleidigen“ (PDB/P), denn die moderne und modische<br />

(bei Frauen: freizügige und damit unsittliche) Bekleidungsweise wird <strong>von</strong> der<br />

Bevölkerung als demokratische Lebensweise verstanden. Auch dass Jugendliche Älteren<br />

ke<strong>in</strong>en Respekt zollen, wird als e<strong>in</strong> Missverständnis <strong>von</strong> Demokratie gedeutet. Somit<br />

werden Freiheit und Toleranz zwar als wichtig aufgefasst und gefordert, jedoch nur bis<br />

zu e<strong>in</strong>em bestimmten Ausmaß akzeptiert. Als wichtigste Errungenschaft e<strong>in</strong>er demokratischen<br />

Kultur fassen die Befragten stärker das Recht auf freie Me<strong>in</strong>ungsäußerung als die<br />

Auswahl- und Legitimationspr<strong>in</strong>zipien auf. Die meisten Gesprächspartner heben die<br />

starke Relevanz e<strong>in</strong>er möglichst großen Parteienvielfalt hervor. Jedoch wird die Parteizugehörigkeit<br />

wie auch der Wahlkampf <strong>in</strong> Mosambik als stark emotional aufgeladen<br />

beschrieben (vgl. PRM/P), wobei weniger e<strong>in</strong>e Übere<strong>in</strong>stimmung mit der jeweiligen<br />

ideologischen oder programmatischen Ausrichtung der Partei als die Erwartung <strong>von</strong><br />

Gratifikationen und E<strong>in</strong>kommensmöglichkeiten im Vordergrund steht. Dies manifestiere<br />

sich etwa <strong>in</strong> der Strategie, T-Shirts, Mützen oder capulanas 107 zur letzten Wahlstunde<br />

zu verschenken, um sich hohe Gew<strong>in</strong>nchancen bei Wahlen zu sichern (vgl. VU/P). <strong>E<strong>in</strong>e</strong><br />

parteipolitische Identifizierung wäre demnach über e<strong>in</strong>e Dimension sozialer Identität<br />

h<strong>in</strong>aus auch e<strong>in</strong>e Form politischen Kapitals. So erwarten die meisten Befragten Verteilungskonflikte<br />

bei e<strong>in</strong>em etwaigen demokratisch legitimierten Machtwechsel bei den<br />

folgenden Kommunalwahlen, bei denen e<strong>in</strong>e ‚w<strong>in</strong>ner-takes-it-all’-Mentalität auf e<strong>in</strong>e an<br />

107 Capulanas s<strong>in</strong>d <strong>von</strong> Frauen für verschiedene Zwecke genutzte Tücher, die zum Teil mit politischen<br />

Botschaften bedruckt werden.<br />

187


Politische Kultur <strong>in</strong> <strong>vier</strong> Fallkommunen<br />

Besitzstandswahrung <strong>in</strong>teressierte Gruppe stößt. Die Notwendigkeit e<strong>in</strong>er funktionierenden<br />

Opposition stellen mehrere Befragte heraus (vgl. PCM/P, VF/P, VU/P,<br />

FRE/P). Das Mehrparteienmodell auf der lokalen Ebene wird als positiv und funktionsfähig<br />

bewertet (vgl. VF/P). Jedoch wird das Fehlen e<strong>in</strong>er (kompetenten) Opposition als<br />

Defizit der Kommunalpolitik bewertet. Nicht nur fehle dadurch e<strong>in</strong> wesentlicher Kontrollmechanismus,<br />

sondern auch e<strong>in</strong> wichtiges Innovationspotential <strong>in</strong> der Kommunalverwaltung.<br />

Für den Fall, dass bei den zweiten Kommunalwahlen unterschiedliche<br />

parteipolitische Mehrheiten auf Kommunal- und Distriktebene zustande kommen, werden<br />

ebenfalls Konflikte erwartet (vgl. FRE/P, REN/P). Die Frelimo begründet dies damit,<br />

dass die Opposition dann beweisen wolle, dass „nun die Opposition an der Macht<br />

sei“, d.h. sie wolle „ihre Anhängerschaft bedienen“ bzw. „alles zerstören“ (FRE/P). Die<br />

Renamo h<strong>in</strong>gegen glaubt nicht, dass es im Falle e<strong>in</strong>es Machtswechsels zu <strong>Konflikten</strong><br />

komme, sofern die Gesetze e<strong>in</strong>deutig geklärt s<strong>in</strong>d (vgl. REN/P).<br />

Seitens der Frelimo wie auch der Renamo äußern sich Politiker skeptisch zu den Wahlverfahren.<br />

Der Bürgermeister kritisiert das Fehlen e<strong>in</strong>er demokratischen Kultur <strong>in</strong> den<br />

eigenen Reihen, denn es seien weniger die erbrachten Leistungen als e<strong>in</strong> materieller<br />

Nutzen für die Bestimmung der Bürgermeisterkandidaten ausschlaggebend. Er befürchtet,<br />

dass zur nächsten Kandidatenwahl „Stimmen gekauft werden“ (PCM/P). Die Renamo<br />

zeigt sich <strong>in</strong>sofern misstrauisch, als dass weder der Name des Renamo-<br />

Kandidaten noch das Wahlprogramm im Vorfeld bekannt gegeben werden sollen, damit<br />

der Kandidat sich nicht <strong>von</strong> anderen Parteien e<strong>in</strong>nehmen lasse oder das Wahlprogramm<br />

kopiert werde (vgl. REN/P). E<strong>in</strong> häufiges Argument der Renamo ist der Zweifel an der<br />

demokratischen Legitimität der Kommunalverwaltung: Für e<strong>in</strong>e „echte“ demokratische<br />

Wahl hätten mehr Parteien und Kandidaten zur Wahl stehen müssen, weshalb die<br />

Kommunalverwaltung „nom<strong>in</strong>iert“ wurde (ebd.). Nicht nur verdeutlicht dies die Wirkkraft<br />

des Vorwurfs gegenüber dem politischen Gegner, undemokratisch zu se<strong>in</strong>, auch<br />

werden mit diesem Argument Boykottstrategien als demokratische Option gerechtfertigt.<br />

Catandica. Auch <strong>in</strong> Catandica f<strong>in</strong>den die demokratischen Ordnungspr<strong>in</strong>zipien weitgehend<br />

Anerkennung. Geschätzt wird <strong>in</strong>sbesondere die mit der Demokratisierung gewonnene<br />

Freiheit. Demokratie wird oft mit e<strong>in</strong>em Fußballspiel verglichen, bei dem e<strong>in</strong>e<br />

legitime und reglementierte Ause<strong>in</strong>andersetzung <strong>von</strong> parteilichen Gruppen die e<strong>in</strong>deutige<br />

Überlegenheit e<strong>in</strong>er Gruppe aufzeigt, ohne dass die unterlegene Gruppe vernichtet<br />

werden müsse (vgl. PCM/C). Zwei Aspekte werden dabei besonders hervorgehoben:<br />

188


Politische Kultur <strong>in</strong> <strong>vier</strong> Fallkommunen<br />

Erstens wird <strong>in</strong> dieser Sichtweise die Notwendigkeit e<strong>in</strong>es Parteiensystems betont (vgl.<br />

SDB/C). Zweitens soll der politische Gegner nicht bereits vor der eigentlichen Ause<strong>in</strong>andersetzung,<br />

d.h. <strong>in</strong> der Wahlkampfphase „zerstört“ (PCM/C) werden. Um dies zu<br />

gewährleisten, gibt die Renamo an, e<strong>in</strong>en politischen Verhaltenscodex für den Wahlkampf<br />

entwickeln zu wollen (vgl. REN/C).<br />

Probleme im Zuge des Demokratisierungsprozesses werden <strong>in</strong>sbesondere auf die für<br />

Übergangsphasen typischen Missverständnisse, auf die Neuartigkeit der Struktur sowie<br />

auf die Unerfahrenheit der Parteien mit dem Mehrparteiensystem zurückgeführt (vgl.<br />

FRE/C). Die Mehrheit der Befragten gibt an, dass man noch weit <strong>von</strong> e<strong>in</strong>em ‚echten’<br />

demokratischen System auf nationaler wie auf lokaler Ebene entfernt sei. Im Kern gehen<br />

die hierzu angebotenen Erklärungsansätze auf die Unkenntnis demokratischer Pr<strong>in</strong>zipien<br />

oder auf die Unfähigkeit bzw. den Unwillen zur Anpassung an die <strong>in</strong>stitutionelle<br />

Ordnung zurück (vgl. VU/C, REN/C). Distriktadm<strong>in</strong>istrator und Bürgermeister kritisieren<br />

die mangelnde Eignung <strong>von</strong> beiden [!] politischen Parteien für die demokratische<br />

Praxis, heben aber besonders die destruktive und obstruktionistische Arbeitsweise der<br />

Opposition hervor (vgl. ADM/C, PCM/C). Umgekehrt erwartet die Renamo auch<br />

Obstruktionismus <strong>von</strong> der Frelimo, v.a. im Falle e<strong>in</strong>es Sieges der Renamo bei den zweiten<br />

Kommunalwahlen (vgl. REN/C).<br />

E<strong>in</strong> zentraler Streitpunkt besteht dar<strong>in</strong>, <strong>in</strong>wieweit Demokratie die Auflösung <strong>von</strong> Ordnungspr<strong>in</strong>zipien<br />

verursacht. In der Diskussion, bei der die mit der Demokratie erlangte<br />

Freiheit <strong>in</strong> Zusammenhang mit dem Ordnungs- und Sicherheitsempf<strong>in</strong>den gestellt wird,<br />

lassen sich zusammenfassend drei Positionen identifizieren:<br />

(1) Das Ausmaß an Freiheit ist weder zu groß noch hat sie negative Auswirkungen auf Ordnungsstrukturen.<br />

Diese Position wird vorrangig <strong>von</strong> der Renamo vertreten, um so <strong>in</strong> Gegenposition<br />

zu e<strong>in</strong>er verme<strong>in</strong>tlich restriktiven und stark auf Kontrolle ausgelegten Politik der<br />

Frelimo zu treten (vgl. REN/C).<br />

(2) Freiheit ist gut, hat aber partiell Unordnung geschaffen. In dieser Perspektive wird Unordnung<br />

als Folge der Unfähigkeit <strong>von</strong> Individuen gedeutet, sich an das Maß der erlangten<br />

Freiheit anzupassen (vgl. PC/C, PRM/C, PCM/C). Regelmissachtungen und Unordnung<br />

werden auf Unkenntnis zurückgeführt (vgl. FRE/C). Dabei wird oft betont, dass es<br />

sich nicht um e<strong>in</strong>e große Zahl handelt, u.a. damit nicht der E<strong>in</strong>druck entsteht, die Regierung<br />

habe diese Unordnung geschaffen.<br />

189


Politische Kultur <strong>in</strong> <strong>vier</strong> Fallkommunen<br />

(3) Demokratie hat zu e<strong>in</strong>em zu großen Ausmaß an Freiheit geführt. Diese Auffassung vertreten<br />

Befragte, die e<strong>in</strong>en Verlust an Wirksamkeit und E<strong>in</strong>flussnahme erleben und dies mit<br />

dem Demokratisierungsprozess <strong>in</strong> Verb<strong>in</strong>dung br<strong>in</strong>gen (vgl. REG/C, SDB/C, KUB/C,<br />

VEC/C). Beispielsweise zählen hierzu die traditionellen Autoritäten wie die régulos, die<br />

e<strong>in</strong>e Auflösung traditioneller Werte und e<strong>in</strong>en Ansehensverlust beklagen, sowie die überforderten<br />

Mitarbeiter der zu AIDS tätigen NGO.<br />

Manica. Mit Demokratie verb<strong>in</strong>den die Befragten vorrangig e<strong>in</strong>en Freiheitsgew<strong>in</strong>n, der<br />

sich nicht alle<strong>in</strong> auf politische Aspekte bezieht. Die allgeme<strong>in</strong>e Zunahme der Handlungsoptionen<br />

wird bereits als Demokratie verstanden. In politischer H<strong>in</strong>sicht wird vorrangig<br />

das Recht auf freie Me<strong>in</strong>ungsäußerung genannt. Vielen geht diese Freiheit jedoch<br />

zu weit, da sie e<strong>in</strong>e Freisetzung aus dem vertrauten, Stabilität und Sicherheit erzeugenden<br />

Kontext bedeutet. Kritisiert wird etwa, dass demokratische Freiheit mit „völliger<br />

Unabhängigkeit“ oder „Grenzenlosigkeit“ gleichgesetzt wird und sich Menschen respektlos<br />

gegenüber dem Staat und se<strong>in</strong>en Symbolen oder der Geme<strong>in</strong>schaft verhielten<br />

(vgl. PAM/M, PDB/M). 108 In e<strong>in</strong>em Gespräch wurde e<strong>in</strong> direkter Bezug zwischen dem<br />

Anstieg der Krim<strong>in</strong>alität und der E<strong>in</strong>führung des Mehrparteiensystems hergestellt (vgl.<br />

PDB/M). H<strong>in</strong>ter der Kritik an „zu viel“ Freiheit bzw. an „Zügellosigkeit“ (libert<strong>in</strong>agem)<br />

kann sich zum e<strong>in</strong>en die Angst vor Identitätsverlust und Überfremdung (vgl. FAO/M),<br />

zum anderen die Befürchtung e<strong>in</strong>es Status- und Machtverlusts verbergen. Befragten<br />

ersche<strong>in</strong>t das Modell e<strong>in</strong>er „kontrollierten Demokratie“ s<strong>in</strong>nhaft, <strong>in</strong> der durch die Beschneidung<br />

bürgerlicher Freiheiten und politisch-rechtlicher E<strong>in</strong>flusssphären die Gesellschaft<br />

diszipl<strong>in</strong>iert werden könnte (vgl. REN/M).<br />

Demokratische Wahlfreiheit bedeutet für e<strong>in</strong>ige Befragte politischer Wettbewerb und<br />

damit die Auswahl der besten Lösung aus mehreren Alternativen (vgl. ACT/M). Zwei<br />

S<strong>in</strong>nbilder werden dabei häufig verwendet: Demokratie als Familie sowie Demokratie<br />

als Fußballspiel. In der Familienmetapher wird herausgestellt, dass mehrere K<strong>in</strong>der <strong>in</strong><br />

e<strong>in</strong>er Familie weder stets mit dem Vater noch untere<strong>in</strong>ander gleicher Me<strong>in</strong>ung se<strong>in</strong> müssen,<br />

um die E<strong>in</strong>heit der Familie zu demonstrieren. H<strong>in</strong>gegen steht <strong>in</strong> der Fußballmetapher<br />

v.a. der Regel geleitete und sanktionierte Wettbewerb um den „Besseren“ im<br />

Vordergrund (vgl. ebd.). Obschon Konkurrenzpr<strong>in</strong>zip und Wahlverfahren breite Akzeptanz<br />

f<strong>in</strong>den, äußern Befragte ihre Unzufriedenheit darüber, dass politische Parteien bei<br />

ihrer Arbeit beh<strong>in</strong>dert werden (vgl. REN/M) und dass Parteienvielfalt eher für die Ab-<br />

108 Für die presidentes dos bairros äußert sich Zügellosigkeit u.a. dar<strong>in</strong>, dass Männer wie Frauen Ohrr<strong>in</strong>ge<br />

und Kopftücher tragen (vgl. PDB/M).<br />

190


Politische Kultur <strong>in</strong> <strong>vier</strong> Fallkommunen<br />

schöpfung <strong>von</strong> Fördermitteln zum Wahlkampf als für e<strong>in</strong>e Repräsentation verschiedener<br />

gesellschaftlicher Interessen steht (vgl. PAM/M, ADM/M, ACT/M). Schließlich wird<br />

kritisiert, dass der Vorwurf der Wahlmanipulation e<strong>in</strong> wiederkehrender Konfliktanlass<br />

sei (vgl. REN/M).<br />

Vilankulo. Insgesamt geben sich die Befragten offen für e<strong>in</strong>e demokratische Ordnung.<br />

Als wesentliche Elemente <strong>von</strong> Demokratie werden Partizipation und das Recht auf freie<br />

Me<strong>in</strong>ungsäußerung verstanden (vgl. PRM/V, FRE/V). In Bezug auf die Akzeptanz der<br />

Demokratie wird die besondere Rolle des E<strong>in</strong>führungsprozesses sowie der Bildung der<br />

Bevölkerung herausgestellt. Um e<strong>in</strong>e breite Akzeptanz der Demokratisierung zu erreichen,<br />

bedarf es an verstärkten Bildungs- und Aufklärungsprogrammen (vgl. FRE/V).<br />

Zur Bewältigung der Unsicherheit, die aus der mangelnden Erfahrung mit der „plötzlichen“<br />

Mehrparteiendemokratie und der Unübersichtlichkeit <strong>in</strong> der Anfangsphase resultiere,<br />

bedürfe es der Vermittlung der „Wahrheit“ (FRE/V): „Die Akzeptanz des<br />

demokratischen Systems hat sehr viel mit Verständnis zu tun.“ (ebd.)<br />

Die Befragten bewerten den Stellenwert <strong>von</strong> Wahlen nicht, ohne dabei die parteipolitische<br />

Machtverteilung e<strong>in</strong>zubeziehen. Die Dom<strong>in</strong>anz der Frelimo <strong>in</strong> der Prov<strong>in</strong>z Inhambane<br />

wird kaum bestritten. Der Bürgermeister beziffert den Anteil der mit der Frelimo<br />

sympathisierenden Bevölkerung auf 90 % (vgl. PCM/V). Auf lokaler Ebene gilt der zum<br />

Untersuchungszeitpunkt amtierende Bürgermeister partei<strong>in</strong>tern und parteiübergreifend<br />

als alternativlos. Zwar stellt die Renamo e<strong>in</strong>en Kandidaten, doch vergleicht dieser se<strong>in</strong>e<br />

Chancen mit denen e<strong>in</strong>er Ameise, die gegen e<strong>in</strong>en Elefanten zu kämpfen habe. Es sei<br />

aber auch e<strong>in</strong>e Frage der Strategie, denn der Elefant mache manchmal Fehler (vgl.<br />

REN/V).<br />

Trotz e<strong>in</strong>iger Anfangsprobleme und e<strong>in</strong>es weiterh<strong>in</strong> bestehenden Nachbesserungsbedarfs<br />

drücken die Befragten ihr Vertrauen <strong>in</strong> die Demokratie aus (vgl. FRE/V, REN/V).<br />

Bemängelt wird, dass die Zentralregierung weiterh<strong>in</strong> starken E<strong>in</strong>fluss auf die lokale Ebene<br />

ausübe und somit nur beschränkt <strong>von</strong> e<strong>in</strong>er Dezentralisierung gesprochen werden<br />

könne (vgl. PCM/V).<br />

5.2.3 Stellenwert <strong>von</strong> Normen und Werten<br />

Pemba. Die meisten Befragten wünschen sich e<strong>in</strong>e stärkere Beachtung der Gesetze<br />

(vgl. PRM/P, FRE/P, REN/P, PCM/P). Die Bedeutung <strong>von</strong> Gesetzen spiegelt sich dar<strong>in</strong><br />

wider, dass Konflikte auf e<strong>in</strong>e une<strong>in</strong>deutige Gesetzeslage bzw. auf die unterschiedliche<br />

Auslegung <strong>von</strong> Gesetzen zurückgeführt werden. Genannt werden u.a. Konflikte um<br />

191


Politische Kultur <strong>in</strong> <strong>vier</strong> Fallkommunen<br />

die Verteilung <strong>von</strong> Land (vgl. VU/P) und um die E<strong>in</strong>richtung e<strong>in</strong>er Geme<strong>in</strong>depolizei<br />

(vgl. FRE/P). Im Falle e<strong>in</strong>es Machtwechsels lassen sich zu erwartende Konflikte nur<br />

durch e<strong>in</strong>e Überarbeitung der Gesetzesrahmen und entsprechendes normkonformes<br />

Verhalten vermeiden (vgl. REN/P).<br />

Als wichtig für normkonformes Verhalten erachten Befragte das Vorbildverhalten <strong>von</strong><br />

Führungspersonen. Pembas Bürgermeister gibt sich gesetzestreu, rechtschaffen und<br />

loyal (vgl. PCM/P, VU/P). Besonders positiv herausgestellt wird die normb<strong>in</strong>dende<br />

Wirkung der respektierten presidentes dos bairros und der islamischen Glaubensgeme<strong>in</strong>schaft<br />

(vgl. CIU/P). Befragten zufolge sorgen Koranschulen für e<strong>in</strong>en starken Zusammenhalt<br />

und engagieren sich sozial, <strong>in</strong>sbesondere für Bildungsbelange, so dass sie e<strong>in</strong>en<br />

wesentlichen Beitrag zur Verr<strong>in</strong>gerung abweichenden Verhaltens leisten (vgl. AMA/P,<br />

CIU/P).<br />

Die Nichtbeachtung <strong>von</strong> Gesetzen wird e<strong>in</strong>erseits mit der Armutssituation erklärt, die<br />

Menschen ke<strong>in</strong>e andere Überlebensalternative ließ, andererseits mit Unbildung und fehlendem<br />

Bewusstse<strong>in</strong> (vgl. AMA/P, DOA/P). Sehr häufig wird die <strong>in</strong> Verwaltung, Gericht<br />

und Polizei aber auch <strong>in</strong> Schulen und Krankenhäusern vorzuf<strong>in</strong>dende Korruption<br />

beklagt. Die Polizei muss Korruption <strong>in</strong> den eigenen Reihen e<strong>in</strong>gestehen, trotz der Bemühungen<br />

diese zu sanktionieren (vgl. PRM/P, ADPP/P, LDH/P). Erklärt wird die<br />

Anfälligkeit für Normverletzung <strong>in</strong>nerhalb der Polizei mit ihrem Bildungs- und Qualifikationsrückstand<br />

(vgl. PRM/P, VU/P).<br />

Catandica. Die politischen Akteure geben sich betont verfassungs- und gesetzestreu,<br />

allen voran die Frelimo (vgl. FRE/C). Obzwar Mängel konstatiert werden, wird zurückhaltend<br />

mit der Kritik an der Gesetzgebung umgegangen. Beispielsweise sieht der Sekretär<br />

des Bürgermeisters e<strong>in</strong>igen Korrekturbedarf <strong>in</strong> der Kommunalgesetzgebung. Er ist<br />

sich jedoch sicher, dass dem im Laufe der Zeit nachgekommen wird (vgl. GAB/C). Ähn-<br />

liches gilt für den Geme<strong>in</strong>derat. Dieser fühlt sich durch die Gesetzgebung <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er Wirkung<br />

beh<strong>in</strong>dert und wünscht sich darum mehr Handlungsspielraum bzw. Macht (vgl.<br />

PVAM/C).<br />

Befragte konstatierten die Missachtung <strong>von</strong> Werten und Normen hauptsächlich <strong>in</strong> zwei<br />

Feldern: (1) Respektlosigkeit gegenüber traditionellen und allgeme<strong>in</strong>en Regeln, was v.a.<br />

Jugendlichen vorgeworfen wird (vgl. REG/C, SDB/C, KUB/C, AC/C) und <strong>in</strong> Zusammenhang<br />

mit Filmvorführungen (vgl. PC/C, KUB/C) sowie Armut (vgl. KUB/C) gesetzt<br />

wird. (2) Verstöße gegen die kürzlich geschaffene Kommunalordnung (vgl. PCM/C),<br />

die sich etwa <strong>in</strong> der verweigerten Steuerzahlung bei Unternehmern und Empfängern<br />

192


Politische Kultur <strong>in</strong> <strong>vier</strong> Fallkommunen<br />

kommunaler Dienstleistungen äußern (vgl. VF/C) – hierzu kann auch das Übergehen<br />

<strong>von</strong> Entscheidungen des Geme<strong>in</strong>derats durch den Verwaltungsvorstand gezählt werden<br />

(vgl. PVAM/C). Während die Missachtung im ersten Fall e<strong>in</strong>erseits als die direkte und<br />

<strong>in</strong>direkte Folge des Krieges (vgl. PCM/C) und andererseits als Begleitersche<strong>in</strong>ung <strong>von</strong><br />

Entwicklung und Modernisierung (vgl. VEC/C) verstanden wird, wird im zweiten Fall<br />

die Missachtung auf die Neuartigkeit der rechtlichen Grundlagen sowie auf die Anpassungs-<br />

und Aushandlungsprozesse der Akteure zurückgeführt.<br />

Manica. Nach Auffassung der Befragten steht Ordnung für Ruhe und Sicherheit (vgl.<br />

PRM/M), Klarheit im S<strong>in</strong>ne <strong>von</strong> widerspruchsfreien Gesetzen (vgl. PAM/M) sowie<br />

räumliche und zeitliche Beständigkeit (vgl. KS/M). Demnach müssen Normen zur Aufrechterhaltung<br />

der Ordnung befolgt werden. Dies reicht <strong>von</strong> e<strong>in</strong>er ‚weichen’ Form der<br />

Achtung und Respekt <strong>von</strong> Regeln bis h<strong>in</strong> zur strikten Befolgung, die bei Zuwiderhandlung<br />

‚hart’ sanktioniert werden (vgl. PRM/M, ACT/M, REN/M, PAM/M). In dieser<br />

Perspektive diszipl<strong>in</strong>ieren sich die Menschen <strong>in</strong>nerhalb der Ordnung selbst 109 , während<br />

‚Unordnung stiftende’ Elemente <strong>von</strong> ‚außerhalb’ der Geme<strong>in</strong>schaft kommen und nur<br />

durch gesteigerte Kontrolle abgewehrt werden können (vgl. PDB/M, PAM/M, RC/M,<br />

RV/M). Hier<strong>in</strong> liegen die beklagte Vielzahl <strong>von</strong> ‚Normverstößen’ 110 sowie der häufig<br />

formulierte Wunsch nach mehr Polizeipräsenz, Bürgerwehr und sozialer Kontrolle begründet<br />

(vgl. PRM/M, PC/M, PDB/M).<br />

Vilankulo. In Vilankulo haben die Befragten zwar die rechtlichen Defizite aufgezeigt,<br />

diesen aber ke<strong>in</strong>e Kausalwirkung auf Konflikte zugewiesen. So kritisiert der Bürgermeister<br />

die Verwaltungsstruktur, d.h. die gleichzeitige Ratsmitgliedschaft <strong>von</strong> Beigeordneten<br />

sowie die Regelung der Stellvertretung des Bürgermeisters durch den Ratsvorsitzenden.<br />

<strong>E<strong>in</strong>e</strong> Verschlechterung der Beziehungen zwischen den betroffenen Akteuren wird jedoch<br />

nicht festgestellt (vgl. PCM/V). Der Bürgermeister fordert <strong>von</strong> se<strong>in</strong>er Verwaltung<br />

die genaue Kenntnis und strikte Anwendung der Gesetze und stärkt auf diese Weise<br />

sowohl se<strong>in</strong>e eigene Autorität, da er damit se<strong>in</strong>e Kompetenzen erneut herausstellt, als<br />

auch die Autorität der Kommunalverwaltung gegenüber dem Distrikt und der Bevölkerung.<br />

Im Allgeme<strong>in</strong>en wird der lokalen Bevölkerung normkonformes Verhalten zuge-<br />

109 Die régulo <strong>von</strong> Vengo er<strong>in</strong>nert daran, dass man das zu tun habe, was bereits die Vorfahren machten:<br />

„O que os antepassados faziam é o que se deve fazer!“ (RV/M)<br />

110 Genannt werden: Schmuggel (vgl. VF/M), Verstöße gegen die Geme<strong>in</strong>deordnung (öffentliches<br />

Ur<strong>in</strong>ieren, Missachtung der Schließzeiten, Lärmbelästigung und Betreten <strong>von</strong> Rasenflächen; vgl.<br />

PC/M), Respektlosigkeit gegenüber der Verfassung und den nationalen Symbolen (vgl.<br />

PAM/M), Nichtzahlen <strong>von</strong> Steuern und Bußgeldern (vgl. PC/M), sexueller Missbrauch <strong>von</strong><br />

M<strong>in</strong>derjährigen (vgl. PAM/M), die Missachtung <strong>von</strong> Konventionen bei Sozialisation und Bekleidung<br />

(vgl. PAM/M, PDB/M, RC/M, RV/M) sowie Ungehorsam gegenüber régulos (vgl. RC/M).<br />

193


Politische Kultur <strong>in</strong> <strong>vier</strong> Fallkommunen<br />

schrieben (vgl. ADM/V, FRE/V). Befragte beanstanden jedoch Fälle <strong>von</strong> Gesetzes- und<br />

Normmissachtung. Genannt werden v.a. die illegale bzw. unregistrierte Überschreibung<br />

<strong>von</strong> Land an Ausländer und Verstöße gegen die Kommunalordnung (z.B. öffentliches<br />

Ur<strong>in</strong>ieren, Lärmbelästigung, <strong>in</strong>korrekte Müllentsorgung; vgl. PC/V). Die demonstrative<br />

Verweigerung e<strong>in</strong>iger Unternehmer, Steuern zu zahlen, untergräbt die Autorität der<br />

Kommune. E<strong>in</strong> Beispiel für e<strong>in</strong>en Verstoß gegen weniger verb<strong>in</strong>dliche Regeln ist die<br />

Vorführung pornografischer und Gewalt verherrlichender Filme <strong>in</strong> den Parteiräumen<br />

der Frelimo (vgl. PGA/V, IBR/V). Für Unmut sorgt das nicht Respektieren lokaler Bekleidungskonventionen<br />

(vgl. COM/V). 111<br />

5.2.4 E<strong>in</strong>stellungen gegenüber Autorität<br />

Pemba. Von Autoritäten werden Macht und Kompetenz erwartet, welche für die Kapazität<br />

stehen, Ordnung zu schaffen und Ordnung gefährdendes Verhalten angemessen<br />

zu sanktionieren. Dies kann zum e<strong>in</strong>en durch Härte und Zwangsmaßnahmen und zum<br />

anderen durch die Vermittlung <strong>von</strong> Kontrolle über die soziale Umwelt erfolgen. Für die<br />

Bevölkerung ist es zentral, dass Autoritäten Präsenz, d.h. stärkeres und spürbares Engagement<br />

<strong>in</strong> der lokalen Geme<strong>in</strong>schaft zeigen (vgl. LDH/P). Über ihre politischadm<strong>in</strong>istrative<br />

Funktionen h<strong>in</strong>aus gelten sie als Hüter e<strong>in</strong>er ganzheitlich gedachten sozialen<br />

Ordnung. In Pemba ist die Situation der Autoritäten vertrackt, denn die genannten<br />

Erwartungen können <strong>in</strong> erster L<strong>in</strong>ie traditionelle bzw. <strong>in</strong>formelle Autoritäten<br />

erfüllen. Aufgrund ihres Engagements und ihrer Präsenz <strong>in</strong> den Stadt<strong>vier</strong>teln weisen<br />

<strong>in</strong>formelle Autoritäten e<strong>in</strong>en Vertrauensvorteil gegenüber formellen Autoritäten auf.<br />

H<strong>in</strong>gegen werden der demokratisch legitimierten Kommunalverwaltung jene Merkmale<br />

<strong>von</strong> Autorität abgesprochen. Ihre politische Position wird <strong>von</strong> außen vorrangig als Erwerbstätigkeit<br />

wahrgenommen (vgl. VF/P). Gleichzeitig kommt es angesichts der<br />

Komplexität <strong>in</strong> bestimmten Politikfeldern leicht zu e<strong>in</strong>er Überforderung der ungebildeten<br />

Autoritäten. Es sche<strong>in</strong>t, als könnten formelle Autoritäten ihr Fehlverhalten aufgrund<br />

ihrer E<strong>in</strong>gebundenheit <strong>in</strong> komplexeren Zusammenhängen zwar besser kaschieren und<br />

sich besser <strong>in</strong>szenieren, allerd<strong>in</strong>gs ist diese Distanz e<strong>in</strong> Grund für das pr<strong>in</strong>zipielle Misstrauen.<br />

Politische Akteure stehen im Ruf, ihren Bildungsvorsprung gegenüber weiten<br />

Teilen der Bevölkerung für persönliche Zwecke auszunützen (vgl. PRM/P). Dies hat<br />

zur Folge, dass das Vertrauen <strong>in</strong> Autoritäten <strong>in</strong>sgesamt nachgelassen hat. Inkompetenz,<br />

Amtsmissbrauch und Korruption f<strong>in</strong>den sich unter sämtlichen Autoritätsformen und<br />

111 E<strong>in</strong> Aushang vor der Rathaustür fordert zum Tragen angemessener Kleidung <strong>in</strong> der Öffentlichkeit<br />

auf.<br />

194


Politische Kultur <strong>in</strong> <strong>vier</strong> Fallkommunen<br />

öffentlichen Funktionsträgern, die strukturell bed<strong>in</strong>gt über e<strong>in</strong>e Machtposition verfügen<br />

wie z.B. Schullehrer oder Krankenhausmitarbeiter (vgl. ADPP/P). 112 Legimitationsdefizite<br />

werden nicht selten durch autokratische Führungsstile kompensiert.<br />

Rigidität <strong>in</strong> der Kommunalpolitik wird kontrovers diskutiert. E<strong>in</strong>ige Befragte äußern<br />

sich positiv zu Problemlösungsstrategien, die auf Zwangsmaßnahmen und Unnachgiebigkeit<br />

gründen. Dies gilt <strong>in</strong>sbesondere für die Vorgehensweise der Polizei und für lokale<br />

Autoritäten. So wird der hohe E<strong>in</strong>satz polizeilicher Gewalt zur Wiederherstellung <strong>von</strong><br />

Sicherheit und Ordnung begrüßt (vgl. PDB/P, FRE/P). Dem Ziel im Pr<strong>in</strong>zip zustimmend<br />

lehnen andere Befragte die übertriebene Vorgehensweise jedoch ab, da dies zu<br />

e<strong>in</strong>em Vertrauensverlust gegenüber den Institutionen führe (vgl. LDH/P, PRM/P,<br />

CIU/P). Der Anspruch bzw. die Erwartung, soziale und politische Zusammenhänge<br />

steuernd bee<strong>in</strong>flussen zu können, manifestiert sich <strong>in</strong> den häufig und <strong>in</strong> vielen Zusammenhängen<br />

verwendeten Ausdrücken wie „unter Kontrolle“ oder „kontrolliert“. Dabei<br />

geht es e<strong>in</strong>erseits um das Abwenden <strong>von</strong> negativen Ereignissen und Entwicklungen (u.a.<br />

Überfremdung, Krim<strong>in</strong>alität, AIDS, Verbreitung <strong>von</strong> Waffen) und andererseits um das<br />

Regulieren <strong>von</strong> Verhalten und Prozessen (u.a. Implementationskontrolle durch DPAC,<br />

Stadtentwicklung). In den meisten Fällen steht weniger die Vorstellung, selbst E<strong>in</strong>fluss<br />

nehmen zu können, im Vordergrund als vielmehr die Unterstellung, dass für die spezifischen<br />

Situationen e<strong>in</strong>e verantwortliche Autorität existiere, die Kontrolle gewährleistet.<br />

E<strong>in</strong> Kontrollanspruch wird häufig <strong>in</strong> Zusammenhang mit e<strong>in</strong>er Forderung nach der<br />

stärkeren E<strong>in</strong>haltung <strong>von</strong> Normen formuliert.<br />

Catandica. Für die lokale Bevölkerung s<strong>in</strong>d Politiker allgeme<strong>in</strong> etwas „Seltsames“ und<br />

„Fremdes“ (REN/C). Dennoch gehen Parteipolitiker da<strong>von</strong> aus, dass sie und ihre Arbeit<br />

<strong>von</strong> der Mehrheit der Bevölkerung akzeptiert werden (vgl. ebd.).<br />

Befragte zeigen e<strong>in</strong>e gewisse Aff<strong>in</strong>ität zu e<strong>in</strong>em rigiden Herrschaftsstil. Beispielsweise<br />

wünscht sich die Geme<strong>in</strong>depolizei mehr Möglichkeiten zur Ausübung <strong>von</strong> Zwang zur<br />

Durchsetzung ihrer Maßnahmen (vgl. PC/C). Zur Bekämpfung <strong>von</strong> AIDS wird unter<br />

Bezugnahme auf die AIDS-Politik Ugandas auf die Notwendigkeit e<strong>in</strong>er rigorosen<br />

Durchsetzung harter Maßnahmen und Gesetze h<strong>in</strong>gewiesen (vgl. PSI/C). Infolge der<br />

Unwirksamkeit im Kampf gegen die Ausbreitung <strong>von</strong> AIDS wünschen sich Befragte<br />

112 E<strong>in</strong> europäischer NGO-Mitarbeiter nennt viele formelle und <strong>in</strong>formelle politische Führer des<br />

Umlandes der Stadt Pemba (chefes de postos) sowie <strong>in</strong>formelle Autoritäten der Stadt Pemba (presidentes<br />

dos bairros, secretários dos bairros) „korrupt, <strong>in</strong>kompetent und stets betrunken“ (ADPP/P).<br />

195


Politische Kultur <strong>in</strong> <strong>vier</strong> Fallkommunen<br />

e<strong>in</strong>e Frelimo-Politik der sozialistischen Machel-Ära 113 : „Zu Zeiten Samoras machte niemand<br />

solche Schwe<strong>in</strong>ereien. Man schickte sie <strong>in</strong> Umerziehungslager. Die Probleme kamen,<br />

als man mit dieser Praxis aufhörte.“ (KUB/C) Die Aff<strong>in</strong>ität zu e<strong>in</strong>er rigiden<br />

Handhabung <strong>von</strong> Regeln und ihrer Durchsetzung wird sche<strong>in</strong>bar verständlich, wenn sie<br />

<strong>in</strong> Beziehung zu Anpassungsproblemen oder zum Machtverlust <strong>von</strong> Akteuren gedeutet<br />

wird. Beispielsweise wird e<strong>in</strong>e rigide Vorgehensweise <strong>von</strong> régulos gefordert, die sich über<br />

e<strong>in</strong>en Macht- und Autoritätsverlust beklagen (vgl. REG/C).<br />

Manica. Im <strong>in</strong>stitutionellen Selbstverständnis wie auch aus Sicht der Bevölkerung steht<br />

Autorität für Kontrolle und Diszipl<strong>in</strong>ierung. Autorität gründet zum Teil auf E<strong>in</strong>schüchterung<br />

der Bevölkerung, der man e<strong>in</strong>e autoritätshörige politische Kultur zuschreibt (vgl.<br />

GTZ/M). Obwohl sie als eher reaktiv (vgl. AND/M) und unwissend (vgl. GTZ/M) charakterisiert<br />

werden, nutzen Autoritäten das Fehlen <strong>von</strong> Kontroll<strong>in</strong>stanzen sowie ihren<br />

Bildungsvorsprung gegenüber der Bevölkerung aus, so dass beispielsweise Konsultationsprozesse<br />

<strong>in</strong> der Landpolitik nicht selten zu e<strong>in</strong>er Inszenierung <strong>in</strong>stitutioneller Macht<br />

verkommen (vgl. KS/M).<br />

Rigide Maßnahmen und verstärkte Kontrolle f<strong>in</strong>den bei e<strong>in</strong>er breiten Mehrheit der Befragten<br />

<strong>in</strong> Manica Zustimmung. Beispielsweise wurden folgende Maßnahmen gefordert<br />

bzw. positiv bewertet:<br />

� e<strong>in</strong> höheres Strafmaß und präventiver Strafvollzug (vgl. ACT/M, PC/M);<br />

� E<strong>in</strong>schüchterungsmaßnahmen sowie der E<strong>in</strong>satz <strong>von</strong> Polizeiknüppeln (chamocar) zur<br />

Herstellung öffentlicher Sicherheit (vgl. PDB/M);<br />

� Zwangsmaßnahmen zur Durchsetzung der kommunalen Ordnung und Steuere<strong>in</strong>treibung<br />

(vgl. PC/M);<br />

� die rigorose Durchsetzung der Gesetze zur effektiven Konfliktbearbeitung (vgl.<br />

GTZ/M) sowie<br />

� mehr Kontrolle durch Wachrundgänge und Anzeigepflicht zur E<strong>in</strong>dämmung der<br />

Krim<strong>in</strong>alität (vgl. PDB/M).<br />

Vor allem <strong>in</strong> Bezug auf Verbrechen sollen empf<strong>in</strong>dliche Sanktionen abschreckend wirken<br />

und <strong>in</strong> der Bevölkerung Vertrauen schaffen, um etwa weitere Fälle <strong>von</strong> Selbstjustiz<br />

zu verh<strong>in</strong>dern (vgl. PDB/M). Aber auch Maßnahmen wie die Sanktionierung als unsittlich<br />

bewerteter Bekleidungsweisen f<strong>in</strong>den <strong>in</strong> weiten Teilen der Bevölkerung, <strong>in</strong>sbesondere<br />

bei Älteren Zustimmung (vgl. PAM/M). Die Befragten begründen die Bevorzugung<br />

113 Samora Machel (1933–1986) regierte als erster Präsident Mosambiks <strong>in</strong> den Jahren 1975 bis<br />

1986.<br />

196


Politische Kultur <strong>in</strong> <strong>vier</strong> Fallkommunen<br />

rigider Vorgehensweisen unterschiedlich. Die Mehrheit der Befragten geht <strong>von</strong> <strong>in</strong>strumentalistischen<br />

Überlegungen wie dem Senken <strong>von</strong> Anreizen zu weiteren Normverletzungen<br />

aus. Régulos verstehen Kontrolle und Diszipl<strong>in</strong>ierung als wichtige<br />

Voraussetzungen des Zusammenlebens (vgl. RV/M). Möglicherweise seien die aktuellen<br />

politischen Eliten <strong>in</strong> ihrer Haltung zu Rigidität durch den Unabhängigkeitskampf geprägt<br />

worden (vgl. FAO/M).<br />

Politische Autoritäten büßen ihre Glaubwürdigkeit e<strong>in</strong>, da sie Normen <strong>in</strong> ihrem S<strong>in</strong>ne<br />

großzügig auslegen, regelkonformes Handeln aber e<strong>in</strong>en hohen Stellenwert <strong>in</strong> der Bevölkerung<br />

hat (vgl. PDB/M). Dies gilt besonders für den Bürgermeister, dem Gesetzesbruch<br />

und Amtsmissbrauch vorgeworfen wird (vgl. REN/M). Ferner führte der<br />

Regelverstoß der Tochter des Distriktadm<strong>in</strong>istrators die presidentes dos bairros <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e Loyalitätskrise<br />

(vgl. PDB/M, RV/M).<br />

Die Bedeutung der traditionellen Autoritäten leitet sich v.a. aus ihrer Rolle <strong>in</strong> Krisenzeiten<br />

wie Dürre oder Krieg ab. Sie erfüllen dabei wichtige Funktionen wie Vermittlung<br />

<strong>von</strong> Sicherheit durch die Anrufung der Ahnen und Geister (vgl. RC/M, RV/M). Die<br />

régulos s<strong>in</strong>d sich darum sicher, dass ihre Autoritätsposition zum<strong>in</strong>dest mittelfristig erhalten<br />

bleibt. Allerd<strong>in</strong>gs müssen sie feststellen, dass traditionelle Sitten und Regeln v.a. <strong>von</strong><br />

der jüngeren Bevölkerung nicht mehr e<strong>in</strong>gehalten und ihre Anweisungen <strong>in</strong>sbesondere<br />

<strong>in</strong> der Stadt nicht mehr befolgt werden (vgl. RC/M, RV/M).<br />

Vilankulo. Religionsvertreter konstatieren e<strong>in</strong>en allgeme<strong>in</strong>en Rückgang des Vertrauens<br />

<strong>in</strong> Autoritäten, da diese die selbst geschaffenen Regelungen missachteten. 114 Autoritäten<br />

s<strong>in</strong>d nicht imstande, Normen verb<strong>in</strong>dlich durchzusetzen (vgl. IBR/V, PGA/V). PRM<br />

und Geme<strong>in</strong>depolizei gehen <strong>von</strong> e<strong>in</strong>em guten Vertrauensverhältnis zur Bevölkerung<br />

aus, was besonders am Anzeigeverhalten festgemacht wird (vgl. PRM/V, PC/V). Die<br />

Bevölkerung zeige sich nachsichtig angesichts der Mittellosigkeit der Polizei. Etwaige<br />

Vertrauensprobleme etwa aufgrund <strong>von</strong> Kautionszahlungen erklärt sich die Polizei mit<br />

der Unkenntnis der Bevölkerung (vgl. ebd.). Der Sprecher der Renamo ergänzt, dass der<br />

Vertrauensmangel <strong>in</strong> die Polizei <strong>in</strong> der Unwissenheit der Bevölkerung e<strong>in</strong>erseits und der<br />

Polizei andererseits se<strong>in</strong>e Ursachen habe (vgl. REN/V). Während die Renamo mit der<br />

Polizei <strong>in</strong> Vilankulo ke<strong>in</strong>e Probleme gehabt habe, misstraut sie dem Gericht aufgrund<br />

negativer Erfahrungen (vgl. REN/V). Obwohl eher politischen Führern als der Bevölkerung<br />

e<strong>in</strong> Gewaltpotential zugeordnet wird, zweifeln Befragte an der Wirksamkeit e<strong>in</strong>er<br />

114 So verdammt die Frelimo ausländische Filme, kündigt aber die Vorführung verbotener pornographischer<br />

und Gewalt verherrlichender Filme <strong>in</strong> den eigenen Parteiräumlichkeiten an.<br />

197


Politische Kultur <strong>in</strong> <strong>vier</strong> Fallkommunen<br />

etwaigen Gewaltagitation <strong>von</strong> politischen Führern, da die Bevölkerung misstrauisch<br />

geworden sei (vgl. ebd.).<br />

Mehrfach wurde e<strong>in</strong> Anspruch auf Kontrolle artikuliert, wobei dem unterschiedliche<br />

Auffassungen zugrunde liegen: Während das Kontrollbedürfnis der Marktkommission<br />

übersetzt wird <strong>in</strong> den Bau e<strong>in</strong>er Mauer um den Markt, die e<strong>in</strong>en besseren Schutz vor<br />

Dieben gewähren soll (vgl. COM/V), verwenden die religiösen Autoritäten und der<br />

Distriktadm<strong>in</strong>istrator Kontrolle eher im S<strong>in</strong>ne <strong>von</strong> steuernder E<strong>in</strong>flussnahme. Die religiösen<br />

Autoritäten wünschen sich mehr Mittel, um auf das Verhalten der Jugendlichen<br />

e<strong>in</strong>wirken zu können (vgl. IBR/V, PGA/V). Der Adm<strong>in</strong>istrator sucht nach Möglichkeiten,<br />

um <strong>in</strong> die Kommunalpolitik steuernd e<strong>in</strong>greifen zu können, was er v.a. über den<br />

Geme<strong>in</strong>derat beabsichtigt (vgl. ADM/V). Dem Kontrollanspruch des Bürgermeisters<br />

liegt h<strong>in</strong>gegen e<strong>in</strong>e gänzlich andere Motivation zugrunde und vere<strong>in</strong>t mehrere Aspekte:<br />

Zum e<strong>in</strong>en soll die Autorität des Bürgermeisters vermittelt werden. Zum anderen dient<br />

die Kontrolle im S<strong>in</strong>ne <strong>von</strong> Überprüfung <strong>von</strong> Handlungen und Prozessabläufen dem<br />

Ziel der Effizienz. Dies äußert sich beispielsweise <strong>in</strong> ständigem Nachfragen, dem mehrfachen<br />

Überprüfen <strong>von</strong> Vorgängen und e<strong>in</strong>em gewissen Maß an Misstrauen gegenüber<br />

se<strong>in</strong>en Mitarbeitern, was zur Aufdeckung <strong>von</strong> Fehlverhalten e<strong>in</strong>zelner Funktionäre geführt<br />

hat.<br />

5.2.5 Politische Partizipation<br />

Pemba. Die Beteiligung der Bevölkerung sowie <strong>von</strong> zivilgesellschaftlichen Gruppen an<br />

der lokalen Politik fällt sehr ger<strong>in</strong>g aus. Der Geme<strong>in</strong>derat wird dafür kritisiert, dass er<br />

sich gegenüber der Öffentlichkeit noch nicht ausreichend geöffnet und zivilgesellschaftliche<br />

Gruppen e<strong>in</strong>bezogen habe (vgl. UMO/P). Kurz vor dem Erhebungszeitpunkt seien<br />

E<strong>in</strong>ladungen der Verwaltung ausgesprochen, doch seien die Kommunikationsangebote<br />

<strong>in</strong>sgesamt auf beiden Seiten recht dürftig. Die Renamo sieht sich ebenfalls <strong>in</strong> ke<strong>in</strong>er<br />

Weise <strong>in</strong> die Kommunalpolitik e<strong>in</strong>gebunden. Sie lamentiert, dass sich noch ke<strong>in</strong> Beigeordneter<br />

oder Ratsmitglied an die Renamo gerichtet habe, um deren Me<strong>in</strong>ung zu erfragen<br />

(vgl. REN/P). Der Renamo zufolge gibt es ke<strong>in</strong>en Kontakt zwischen<br />

Kommunalverwaltung und Renamo, woraus der Schluss gezogen wird, dass die Kommunalverwaltung<br />

ke<strong>in</strong> Interesse an e<strong>in</strong>er Partizipation der Renamo habe.<br />

Beide hier dargestellten Fälle weisen auf e<strong>in</strong> passives Partizipationsverständnis h<strong>in</strong>: Die<br />

meisten NGOs drängen nicht darauf, die kommunale Entwicklung mitzugestalten, erwarten<br />

aber, konsultativ e<strong>in</strong>bezogen zu werden. Im Falle der Renamo ist diese Erwar-<br />

198


Politische Kultur <strong>in</strong> <strong>vier</strong> Fallkommunen<br />

tungshaltung unverständlich. Die Renamo sieht sich als e<strong>in</strong> zentraler Akteur, verfügt<br />

jedoch nicht über Kapazitäten zur Entwicklung <strong>von</strong> konstruktiven Programmen.<br />

Catandica. Die Bevölkerung zeigt ke<strong>in</strong> spontanes Interesse an der Mitgestaltung <strong>von</strong><br />

sozialen und politischen Prozessen. Zwar kann man <strong>von</strong> e<strong>in</strong>em relativ hohen Organisationsgrad<br />

<strong>in</strong> verschiedenen politisch relevanten Gruppierungen (z.B. OMM) sprechen,<br />

doch sche<strong>in</strong>t die Motivation eher aus der erwarteten E<strong>in</strong>b<strong>in</strong>dung <strong>in</strong> (parteipolitischen)<br />

Verteilungsstrukturen und dem Bedürfnis zu resultieren, im politischen Feld E<strong>in</strong>kommen<br />

zu generieren. Dies legt auch die Vielzahl der Konflikte nahe, welche die Vergütung<br />

der Funktionäre zum Gegenstand haben.<br />

Partizipation wird hauptsächlich im S<strong>in</strong>ne <strong>von</strong> Me<strong>in</strong>ungsfreiheit <strong>in</strong>terpretiert (vgl.<br />

FRE/C). Das zivilgesellschaftliche Engagement hat vielmehr Dienstleistungscharakter<br />

als etwa idealistische H<strong>in</strong>tergründe. Die untersuchten Organisationen s<strong>in</strong>d lokale Ableger<br />

großer nationaler oder <strong>in</strong>ternationaler Organisationen, und die Aktiven werden für<br />

ihre Arbeit entlohnt. Ihr Engagement konzentriert sich vornehmlich auf sozialfürsorgliche<br />

Bereiche (v.a. AIDS), während politisches Engagement eher gemieden wird. Die<br />

Theatergruppe FACTOS DE BÁRUÈ, die sich der politischen Bildung und Aufklärung<br />

widmet, sucht nicht die aktive E<strong>in</strong>wirkung auf politische Entscheidungsprozesse, sondern<br />

versteht sich vielmehr als Fürsprecher der Kommunalverwaltung. Die <strong>in</strong>formellen<br />

und traditionellen Autoritäten verstehen unter Partizipation ebenfalls primär e<strong>in</strong>e passive,<br />

konsultative E<strong>in</strong>b<strong>in</strong>dung <strong>in</strong> Entscheidungsprozesse <strong>in</strong>nerhalb der hierarchischen<br />

Kompetenzverteilung, wie z.B. bei Fragen der Landnutzung. In verschiedenen Bereichen<br />

s<strong>in</strong>d Akteure mit e<strong>in</strong>er Situation konfrontiert, die <strong>von</strong> e<strong>in</strong>er nicht zu bewältigenden<br />

Komplexität oder <strong>von</strong> e<strong>in</strong>er Umwälzung <strong>von</strong> Handlungs- und Entscheidungsbefugnissen<br />

geprägt ist. Viele gew<strong>in</strong>nen darum den E<strong>in</strong>druck, die Situation entziehe sich e<strong>in</strong>er<br />

Gestaltbarkeit (vgl. KUB/C, REG/C).<br />

Insofern muss <strong>in</strong> Bezug auf die politische Partizipation gefragt werden, welche Akteure<br />

bzw. Akteursgruppen gegen ihren Willen <strong>von</strong> e<strong>in</strong>er Beteiligung ausgeschlossen werden.<br />

Ausdrücklich als ausgeschlossene Gruppen genannt werden Renamo (vgl. REN/C) sowie<br />

Frauen (vgl. VF/C). Bei den anderen Akteuren handelt es sich vielmehr um e<strong>in</strong>en<br />

Beteiligungsverzicht (vgl. REG/C). H<strong>in</strong>gegen gibt sich die <strong>in</strong> vielen Bereichen dom<strong>in</strong>ierende<br />

Frelimo-Partei <strong>in</strong>tegrativ, was <strong>in</strong> Ansätzen nur der Bürgermeister leistet und dafür<br />

aber aus den eigenen Reihen kritisiert wird (vgl. ADM/C, PCM/C, FRE/C).<br />

Manica. Insgesamt zeigen sich der Bürgermeister und die Frelimo-Partei mit der Partizipation<br />

der Bürger Manicas zufrieden (vgl. PCM/M, FRE/M). Obwohl e<strong>in</strong>e <strong>in</strong>tegrative<br />

199


Politische Kultur <strong>in</strong> <strong>vier</strong> Fallkommunen<br />

Politik vielmehr den presidentes dos bairros zuzuschreiben ist, gibt sich die Frelimo sehr<br />

<strong>in</strong>tegrativ und offen für die Partizipation anderer Akteure (vgl. PDB/M, FRE/M,<br />

ADM/M). Jedoch beschreiben Frelimo und Renamo gleichermaßen e<strong>in</strong>e Zusammenarbeit<br />

als schwierig (vgl. ADM/M, FRE/M). Die Renamo beklagt e<strong>in</strong>e massive Benachteiligung<br />

<strong>in</strong> Form <strong>von</strong> Beh<strong>in</strong>derungen ihrer Aktivitäten und dem Ausschluss aus politischen<br />

Entscheidungs- und Gestaltungsprozessen (vgl. REN/M). Nicht nur werde der Renamo<br />

ke<strong>in</strong>e Öffentlichkeit gewährt, auch würden Renamo-Mitglieder privat diskrim<strong>in</strong>iert (vgl.<br />

ADM/M, REN/M). So werfen Renamo-Unternehmer der Kommunalverwaltung Nötigung,<br />

Erpressung und Sabotage vor (vgl. REN/M).<br />

Die vorwiegend <strong>in</strong> sozialen Handlungsfeldern agierenden NGOs zeigen ger<strong>in</strong>ges Interesse<br />

an der Teilhabe an politischen Entscheidungs- und Gestaltungsprozessen (vgl.<br />

AF/M). In e<strong>in</strong>em Fall ist es jedoch zu e<strong>in</strong>er ungewollten Politisierung gekommen. Der<br />

mit e<strong>in</strong>er Aufklärungskampagne zum reformierten Landrecht aktiven NGO KWAEDZA<br />

SIMUKAI wird der Vorwurf e<strong>in</strong>er parteipolitischen Instrumentalisierung gemacht (vgl.<br />

KS/M).<br />

Die traditionellen Autoritäten äußern sich mit ihrer vorwiegend auf passive Konsultation<br />

beschränkten Teilhabe an politischen Entscheidungs- und Gestaltungsprozessen<br />

zufrieden. Den régulos ist es vor allem wichtig, dass sie vom Staat <strong>in</strong> Landverteilungsfragen<br />

e<strong>in</strong>bezogen werden (vgl. RV/M).<br />

Die lokale Bevölkerung Manicas zeigt sich zwar zunehmend kritisch gegenüber den lokalen<br />

politischen Eliten, doch verbleibt sie überwiegend politisch passiv, d.h. Partizipation<br />

an Entscheidungsprozessen wird <strong>in</strong> erster L<strong>in</strong>ie auf passive Konsultation<br />

beschränkt (vgl. KS/M). Erst wenn die Bürger ihre existentiellen Interessen unberücksichtigt<br />

sehen, kann es zu Verweigerungs- und Proteststrategien kommen wie die Beispiele<br />

verweigerter Steuerzahlung und der gewaltsame INFLOMA-Protest zeigen. Die<br />

Protest-Aktion gegen das Forstunternehmen INFLOMA sticht <strong>in</strong> Form und Ausmaß<br />

hervor. Da sich die Bevölkerung durch die staatliche Zuteilung <strong>von</strong> Land an das Forstunternehmen<br />

übergangen gefühlt hat, hat sie den Wald <strong>in</strong> Brand gesetzt. Erklärt wird<br />

diese Form des Protests damit, dass es <strong>in</strong> räumlicher H<strong>in</strong>sicht e<strong>in</strong>en positiven Zusammenhang<br />

zwischen Renamo-Sympathie und erhöhter Protestbereitschaft bzw. zwischen<br />

Frelimo-Unterstützung und Konformität gibt (vgl. KS/M).<br />

Vilankulo. Lange Zeit galt Vilankulo aufgrund se<strong>in</strong>es touristischen Reizes als attraktives<br />

Arbeitsfeld für <strong>in</strong>ternationale zivilgesellschaftliche Akteure. Zum Forschungszeitpunkt<br />

gibt es nur wenige nationale zivilgesellschaftliche Gruppen. E<strong>in</strong> Grund für das ger<strong>in</strong>ge<br />

200


Politische Kultur <strong>in</strong> <strong>vier</strong> Fallkommunen<br />

Engagement nationaler Organisationen wird dar<strong>in</strong> gesehen, dass diesen e<strong>in</strong>e starke Verbundenheit<br />

mit der Parteipolitik nachgesagt wird, so dass sie trotz Handlungsbedarfs<br />

und vorhandener Kompetenzen nur e<strong>in</strong>geschränkt handeln können (vgl. IBR/V).<br />

Partizipation wird nicht selten im S<strong>in</strong>ne <strong>von</strong> Unterstützung <strong>von</strong> bzw. Mitarbeit bei der<br />

Durchführung <strong>in</strong>stitutioneller Maßnahmen verstanden (vgl. PRM/V). Bereits die passive<br />

Konsultation wird als Form demokratischer Partizipation gedeutet (vgl. REN/V). Als<br />

e<strong>in</strong>e zentrale Errungenschaft der Kommunalreform wird bewertet, dass Bürger sich nun<br />

<strong>in</strong> Vertretung eigener Interessen <strong>in</strong> den politischen Entscheidungs- und Gestaltungsprozess<br />

e<strong>in</strong>br<strong>in</strong>gen können (vgl. VEC/V). Dies trage zu e<strong>in</strong>er positiven Entwicklung der<br />

Kommune bei (vgl. FRE/V). Doch weder bei der Festlegung der Steuertarife noch bei<br />

der Gestaltung des Marktes führte die E<strong>in</strong>b<strong>in</strong>dung der Bevölkerung zu deren Zufriedenheit.<br />

Die erhoffte „bessere Zahlungsmoral“ (PAM/V) blieb aus, und die Markthändler<br />

demonstrierten spontan gegen die Pläne der Kommune für die neue Markthalle (vgl.<br />

COM/V). E<strong>in</strong> anschauliches Beispiel für das Scheitern <strong>von</strong> Partizipationsbemühungen<br />

zeigt der Versuch der Kommune, die Gruppe der lokalen Fischer zur Gestaltung und<br />

Umsetzung umweltpolitischer Maßnahmen e<strong>in</strong>zub<strong>in</strong>den: Die Kommunalverwaltung<br />

legte e<strong>in</strong>en Term<strong>in</strong> am frühen Nachmittag fest – aber ke<strong>in</strong> Fischer erschien, denn sie<br />

waren noch alle auf See. Schließlich sieht sich auch die Renamo nicht <strong>in</strong> der Lage, das<br />

(angeblich vorhandene) Partizipationsangebot e<strong>in</strong>zulösen (vgl. REN/V). Erstaunlich ist<br />

<strong>in</strong> diesem Zusammenhang, dass <strong>in</strong> Vilankulo ke<strong>in</strong>e H<strong>in</strong>weise auf Boykott, Sabotage oder<br />

Obstruktionismus der Renamo gemacht werden.<br />

5.2.6 Wahrnehmung anderer Akteure<br />

Pemba. Infolge zunehmender Präsenz <strong>von</strong> Ausländern wächst das Misstrauen gegenüber<br />

Fremden. Insbesondere Flüchtl<strong>in</strong>gen und Migranten werden Misstrauen, Missgunst<br />

und offene Ablehnung entgegengebracht, die mitunter zu handgreiflichen Ause<strong>in</strong>andersetzungen<br />

führt. Häufig geäußerte Vorurteile s<strong>in</strong>d:<br />

� Viele Flüchtl<strong>in</strong>ge können oder wollen ke<strong>in</strong>e vollständige Dokumentation aufweisen,<br />

um daraus bestimmte Vorteile zu erzielen, wie z.B. wie Mosambikaner behandelt zu<br />

werden.<br />

� Flüchtl<strong>in</strong>ge überfordern die Kapazitäten der lokalen Märkte und des Arbeitsmarktes.<br />

� Flüchtl<strong>in</strong>ge zahlen ke<strong>in</strong>e Steuern.<br />

� Flüchtl<strong>in</strong>ge haben mehr Geld als Mosambikaner und müssen darum nicht „leiden“<br />

(LDH/P).<br />

� Flüchtl<strong>in</strong>ge s<strong>in</strong>d krim<strong>in</strong>ell (v.a. Geldhandel).<br />

201


Politische Kultur <strong>in</strong> <strong>vier</strong> Fallkommunen<br />

Ressentiments und negative Stereotypisierungen werden sowohl gegenüber Fremden im<br />

Allgeme<strong>in</strong>en als auch spezifisch gegenüber Tansaniern, Indern, Ch<strong>in</strong>esen und Südafrikanern<br />

genannt. Befragte beschreiben die Konzentration der Ausländer auf die Städte<br />

als Anlass zur Sorge und große Gefahr. Begründet wird dies zum e<strong>in</strong>en damit, dass<br />

Migranten mehrheitlich <strong>in</strong>formelle Händler seien (bzw. umgekehrt: alle <strong>in</strong>formelle<br />

Händler seien Migranten), zum anderen, dass Migranten häufig <strong>in</strong> Verbrechen, v.a. Eigentumsdelikten<br />

verwickelt seien (vgl. AMO/P). Darüber h<strong>in</strong>aus wird die Wohnsituation<br />

der Migranten als „unangenehm“ beschrieben (vgl. UMO/P, PAM/P). Die spezifischen<br />

Ressentiments wurzeln <strong>in</strong> erster L<strong>in</strong>ie <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er empfundenen Konkurrenzsituation <strong>in</strong>folge<br />

der starken Präsenz <strong>von</strong> Fremden, im wirtschaftlichen Erfolg bestimmter ethnischer<br />

Gruppen sowie <strong>in</strong> der Segregation, die zur Folge hat, dass die Gruppe Außenstehenden<br />

unbekannt bleibt.<br />

Die stärksten Ressentiments wurden gegenüber der Gruppe tansanischer Migranten<br />

geäußert (vgl. CIU/P). Beispielsweise wird <strong>von</strong> e<strong>in</strong>er „Invasion der Tansanier“ (ebd.)<br />

gesprochen. Sie okkupierten viel Platz, ohne Steuern zu zahlen (vgl. ebd.). 115 Tansanier<br />

werden für den florierenden Drogenhandel und für Korruption verantwortlich gemacht.<br />

Kontrollmöglichkeiten seien unwirksam, da Tansanier die Polizei bestechen. Die lokale<br />

Bevölkerung zeigt sich unzufrieden, da sie sich <strong>von</strong> den tansanischen Migranten übervorteilt<br />

sieht (vgl. ebd.). Zu e<strong>in</strong>em Konflikt sei es <strong>in</strong> der Prov<strong>in</strong>z alle<strong>in</strong> aufgrund der<br />

zurückhaltenden Art und der Frömmigkeit nicht gekommen, während man unter ähnlichen<br />

Bed<strong>in</strong>gungen <strong>in</strong> Nampula oder Beira mit <strong>in</strong>tensiven <strong>Konflikten</strong> zu rechnen habe.<br />

Gleichfalls zu Missgunst und Ressentiments führt der wirtschaftliche Erfolg <strong>in</strong>discher<br />

und <strong>in</strong>dischstämmiger Unternehmer. In den kolportierten Vorurteilen wird der Erfolg<br />

<strong>von</strong> unqualifizierten Unternehmern und Bänkern auf Seilschaften zurückgeführt (vgl.<br />

LDH/P). Ähnlich südafrikanischen Unternehmern werden den <strong>in</strong>dischen und <strong>in</strong>dischstämmigen<br />

Unternehmern zum Teil rassistische E<strong>in</strong>stellungen zugeschrieben. Zu der<br />

Gruppe der Ch<strong>in</strong>esen besteht e<strong>in</strong>e Konkurrenz um die wenigen Arbeitsplätze <strong>in</strong> der<br />

Bau- und Holz<strong>in</strong>dustrie (vgl. REN/P). Der Interessenkampf gründet darauf, dass e<strong>in</strong>erseits<br />

es sich bei den ch<strong>in</strong>esischen Arbeitnehmern um unqualifizierte Arbeitskraft handelt<br />

und dass andererseits E<strong>in</strong>heimischen ke<strong>in</strong>e Lizenz zur Abholzung gegeben wird, obwohl<br />

sie die gleichen Fähigkeiten und Kapazitäten haben. Nicht zuletzt aufgrund der isolierten<br />

Lebensweise dieser Gruppe verbreiten sich Vorurteile leicht.<br />

115 Der Sprecher der Renamo kommentiert dies: „Es ist ke<strong>in</strong>e Invasion. Pemba ist bereits e<strong>in</strong> tansanischer<br />

Distrikt.“ (REN/P)<br />

202


Politische Kultur <strong>in</strong> <strong>vier</strong> Fallkommunen<br />

Erstaunlicherweise werden Vorurteile <strong>von</strong> zivilgesellschaftlichen Akteuren wie der Menschenrechtsliga,<br />

der NGO UMOKAZI und dem Vorsitzenden der islamischen Geme<strong>in</strong>schaft<br />

vertreten – Akteuren, denen man zunächst e<strong>in</strong>e offene und aufgeklärte Haltung<br />

unterstellt hätte. <strong>E<strong>in</strong>e</strong> andere, migrantenfreundliche Haltung nehmen h<strong>in</strong>gegen die presidentes<br />

dos bairros e<strong>in</strong>. Sie lehnen die Vorurteile gegenüber den Tansaniern mit den Argumenten<br />

ab, dass zum e<strong>in</strong>en die e<strong>in</strong>heimische Bevölkerung dazu neige, die Tatsachen zu<br />

verdrehen und die Migranten und Flüchtl<strong>in</strong>ge für ihr wirtschaftliches Scheitern verantwortlich<br />

zu machen. Es fehle der lokalen Bevölkerung an Verständnis und Vertrauen.<br />

Zum anderen halten sie es für moralisch richtig, dass Tansaniern die Anwesenheit <strong>in</strong><br />

Mosambik gewährt werde, da die Frelimo während des Befreiungskampfes <strong>in</strong> Tansania<br />

Zuflucht f<strong>in</strong>den durfte (vgl. PDB/P).<br />

Catandica. Die Sehnsucht nach sozialer und politischer E<strong>in</strong>igkeit sowie nach harmonischer<br />

Verbundenheit ist e<strong>in</strong> wiederkehrendes Motiv, sei es <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em <strong>in</strong>strumentalistischen<br />

Kontext (als Grundbed<strong>in</strong>gung und Motor sozioökonomischer Entwicklung; vgl.<br />

ADM/C), mit normativem Eigenwert v.a. im S<strong>in</strong>ne sozialer und politischer Gerechtigkeit<br />

(vgl. GAB/C), als Bed<strong>in</strong>gung für öffentliche und soziale Sicherheit (vgl. SDB/C) oder als<br />

Ausdruck e<strong>in</strong>er ganzheitlichen (Friedens-) Ordnung (vgl. SDB/C). 116<br />

Zugleich wird das Bedürfnis zur Abgrenzung der eigenen <strong>von</strong> e<strong>in</strong>er fremden Gruppe<br />

deutlich. Abgrenzungen ersche<strong>in</strong>en erforderlich, e<strong>in</strong>erseits um e<strong>in</strong>en hohen Selbstwert<br />

der eigenen Gruppe sicher zu stellen, andererseits um die (kognitive) Kontrolle über<br />

Entwicklungsprozesse zu behalten bzw. wiederzuerlangen. E<strong>in</strong> hoher Selbstwert der<br />

Gruppe wird auf verschiedene Art gewährleistet. <strong>E<strong>in</strong>e</strong> Möglichkeit besteht im Ausschluss<br />

devianter Mitglieder aus der Gruppe, wodurch die pr<strong>in</strong>zipielle ‚Richtigkeit’ der<br />

Struktur- und Ordnungspr<strong>in</strong>zipien nach Außen symbolisiert werden kann. So bemühen<br />

sich Institutionen wie Polizei oder Verwaltung bei Korruptionsvorwürfen um den E<strong>in</strong>druck,<br />

nur wenige, e<strong>in</strong>zelne Individuen zeigten e<strong>in</strong> Fehlverhalten, während die Institution<br />

als solche weiterh<strong>in</strong> korrekt handle (vgl. PRM/C, ADM/C). <strong>E<strong>in</strong>e</strong> andere Möglichkeit<br />

besteht <strong>in</strong> der Relationierung zu e<strong>in</strong>em negativ attribuiertem ‚Anderen’: Durch e<strong>in</strong>en<br />

Vergleich mit e<strong>in</strong>er fremden Gruppe, der man negative Eigenschaften zuweist und diese<br />

damit abwertet und diskreditiert, kann der E<strong>in</strong>druck der Überlegenheit der eigenen<br />

116 „O dia 4 de Outubro é dia de festa para todos. Independente da cor da camisola. Até as cobras<br />

deviam estar satisfeitas porque já não sofrem com a guerra. Já não precisam morrer. A paz está<br />

consolidada.“ („Der 4. Oktober ist e<strong>in</strong> Feiertag für alle, unabhängig <strong>von</strong> der Parteizugehörigkeit.<br />

Selbst die Schlangen sollten zufrieden se<strong>in</strong>, weil sie nicht mehr unter dem Krieg zu leiden und zu<br />

sterben brauchen. Der Frieden ist konsolidiert“; SDB/C)<br />

203


Politische Kultur <strong>in</strong> <strong>vier</strong> Fallkommunen<br />

Gruppe vermittelt werden. Am deutlichsten zeigt sich dies <strong>in</strong> der Praxis politischer<br />

Stigmatisierung <strong>von</strong> Frelimo und Renamo (vgl. FRE/C, REN/C). Problematisch hierbei<br />

ist, dass nicht selten Akteure die Inhalte der Stigmata <strong>in</strong> ihre Identitätskonstruktionen<br />

übernehmen und so ihr Außenbild und die damit verbundenen Handlungsoptionen<br />

festigen.<br />

Manica. In Manica hört man sehr häufig den Ausdruck „Estamos juntos“, was soviel bedeutet<br />

wie „wir s<strong>in</strong>d zusammen“ oder „wir s<strong>in</strong>d uns e<strong>in</strong>ig“. Damit stellen die Befragten<br />

die Relevanz der Verbundenheit und des E<strong>in</strong>klangs der Geme<strong>in</strong>schaft heraus. Im Wesentlichen<br />

wird E<strong>in</strong>heit mit Frieden und Spaltung mit Konflikt bzw. Krieg gleichgesetzt.<br />

So sei der Erfolg der Friedenskonsolidierung auf die Harmonie des mosambikanischen<br />

Volkes zurückzuführen (vgl. ADM/M). Die „Brüderschaft“ der Mosambikaner verh<strong>in</strong>dere<br />

Unordnung (confusão) und Gewalt (vgl. PDB/M). Umgekehrt solle nur im Falle der<br />

sozialen und politischen E<strong>in</strong>heit des Volkes <strong>von</strong> Frieden gesprochen werden: Mit dem<br />

Vorwurf der Separation des Volkes und der Exklusion der Renamo wird die Frelimo<br />

zum Friedensstörer abgeurteilt (vgl. REN/M). E<strong>in</strong>igkeit wird als e<strong>in</strong>e zentrale Voraussetzung<br />

für e<strong>in</strong>e erfolgreiche Zielverwirklichung aufgefasst (vgl. PAM/M). Probleme wie<br />

z.B. Arbeitslosigkeit oder AIDS ließen sich nur geme<strong>in</strong>sam und im Konsens lösen (vgl.<br />

REN/M, RV/M). Konsensfähigkeit und -bereitschaft wird so zu e<strong>in</strong>er sozialen Kompetenz,<br />

so dass es e<strong>in</strong>igen Befragten möglich ist, ihre Gegenpartei aufgrund e<strong>in</strong>er unkooperativen<br />

Haltung und dem Fehlen e<strong>in</strong>es „S<strong>in</strong>ns zum Konsens“ zu diskreditieren (vgl.<br />

ADM/M). Interessengegensätze an sich werden als natürlich und unumgänglich aufgefasst,<br />

denn sie treten auch <strong>in</strong> Familien oder zwischen Glaubensgeme<strong>in</strong>schaften auf, allerd<strong>in</strong>gs<br />

solange sie ke<strong>in</strong>e Bedrohung der sozialen E<strong>in</strong>heit darstellen (vgl. PAM/M,<br />

ACT/M).<br />

Vilankulo. In Vilankulo werden Vorurteile und Ressentiments gegenüber Fremden<br />

geäußert. Den kausalen Erklärungen für negativ bewertete soziale Phänomene wird e<strong>in</strong>e<br />

diffuse Konstruktion <strong>von</strong> Fremdheit zugrunde gelegt. Beispielsweise wird AIDS als e<strong>in</strong><br />

‚Importprodukt’ aus Simbabwe und Südafrika gedeutet (vgl. PAM/V, VEC/V). Ähnliches<br />

gilt für die soziale Unordnung und den Wertewandel. Sie werden als Folge der Modernisierungsschübe<br />

erklärt, die wiederum auf e<strong>in</strong>en nicht spezifizierbaren E<strong>in</strong>fluss<br />

fremder Traditionen und Sitten (Tourismus) sowie auf die Filme westlichen Ursprungs<br />

zurückgeführt werden (vgl. COM/V, PGA/V, IBR/V).<br />

Konkrete Ressentiments bestehen gegenüber benennbaren Gruppen <strong>von</strong> Ausländern<br />

vor allem weißen Südafrikanern und Simbabwern. Anders als die oben genannten Kau-<br />

204


Politische Kultur <strong>in</strong> <strong>vier</strong> Fallkommunen<br />

salattributionen wird diesem Typ <strong>von</strong> Ressentiments e<strong>in</strong>e andere Form der Rechtfertigung<br />

zugrunde gelegt, d.h. persönliche Erfahrungen sowie die Generalisierung des beobachteten<br />

Verhaltens e<strong>in</strong>zelner Weißer. So zeige sich im Verhalten der Weißen<br />

gegenüber Arbeitnehmern ihr rassistischer H<strong>in</strong>tergrund. Desgleichen fördert die soziale<br />

Segregation die Konstruktion <strong>von</strong> Stereotypen und Fremdbildern. Da die Segregation<br />

mit e<strong>in</strong>er starken sozioökonomischen Disparität e<strong>in</strong>hergeht, ist damit e<strong>in</strong> weiterer Anknüpfungspunkt<br />

für Ungerechtigkeitsempf<strong>in</strong>dungen gegeben. Diese werden zusätzlich<br />

etwa dadurch verstärkt, dass die lokale Bevölkerung ke<strong>in</strong>en direkten arbeitsmarktpolitischen<br />

Nutzen aus den Investitionen ausländischer Tourismusunternehmer erfährt (vgl.<br />

SAS/V).<br />

5.2.7 E<strong>in</strong>stellungen gegenüber politischem und sozialem Wandel<br />

Pemba. Befragte erkennen e<strong>in</strong>en Wandel anhand neuer sozialer Phänomene wie zunehmender<br />

Verstädterung, zunehmender Krim<strong>in</strong>alität, Prostitution sowie Straßenk<strong>in</strong>der<br />

und berichten <strong>von</strong> Entfremdungsgefühlen und Überfremdungsängsten (vgl. CIU/P,<br />

LDH/P, PAD/P, PAM/P, PCM/P, PRM/P, PDB/P, VU/P). Respektlosigkeit gegenüber<br />

traditionellen Werten, Sitten und Regeln sowie gegenüber Alten, der Anstieg <strong>von</strong><br />

Drogen- und Alkoholkonsum, Suizidfälle aber auch e<strong>in</strong>e steigende Zahl an Menschen,<br />

die sich an Kirchen wenden, werden gedeutet als Folge der Auflösung <strong>von</strong> Ordnungsund<br />

S<strong>in</strong>nstrukturen. Befragten zufolge haben viele Menschen Schwierigkeiten, sich an<br />

die veränderten Lebensumstände anzupassen. Beklagt wird beispielsweise die rechtliche<br />

Unklarheit, die aus der Gleichzeitigkeit <strong>von</strong> traditionellem und modernem Recht resultiert<br />

(vgl. LDH/P). Die Angst vor Überfremdung wird vorrangig an den <strong>in</strong> westlichen<br />

Filmen transportierten Werten festgemacht (vgl. CIU/P, PCM/P). E<strong>in</strong> ehemaliger<br />

NGO-Mitarbeiter befand, dass die lokale Bevölkerung auf den raschen Fortschritt nicht<br />

vorbereitet sei und nun versuche, diesen zu stören oder zu bremsen, um dadurch E<strong>in</strong>kommen<br />

zu generieren. Insbesondere die Kommunalreform habe den Wandel beschleunigt<br />

(vgl. VF/P, ADPP/P). Die Bevölkerung verfüge weder über ausreichend<br />

Bildung, noch e<strong>in</strong>e entsprechende politische Kultur, um den politischen und sozialen<br />

Wandlungsprozessen folgen zu können (vgl. DPAC/P). Gleichzeitig seien aber Ansprüche<br />

der Bevölkerung gegenüber der lokalen Politik gestiegen, etwa was die Versorgung<br />

mit kommunalen Dienstleistungen oder die Arbeitsmarktpolitik angeht. Die Kommunalverwaltung<br />

sieht sich jedoch nicht <strong>in</strong> der Lage, diese e<strong>in</strong>zulösen.<br />

Catandica. Die politischen Wandlungsprozesse werden als e<strong>in</strong>e zeitlich beschränkte<br />

Übergangsphase <strong>in</strong>terpretiert, <strong>in</strong> der „richtige Lösungen“ erst gefunden werden müssen<br />

205


Politische Kultur <strong>in</strong> <strong>vier</strong> Fallkommunen<br />

und es darum zu Missverständnissen kommt (vgl. FRE/C). Mehrfach wurde die Auffassung<br />

formuliert, dass Wandel dann erfolgreich ist, wenn auch die gesellschaftlichen E<strong>in</strong>stellungen<br />

an die Strukturveränderung angepasst s<strong>in</strong>d (vgl. REN/C). Das gelte auch für<br />

Eliten, selbst wenn der Wandel durch diese ermöglicht wurde. Beispielsweise werden<br />

e<strong>in</strong>igen lokalen politischen Akteuren militante E<strong>in</strong>stellungen zugeschrieben, die als<br />

schwerlich mit den zivilen Vorstellungen der Bevölkerung vere<strong>in</strong>bar beschrieben werden<br />

(vgl. PCM/C). Der soziale Wandel wird unterschiedlich wahrgenommen, bewertet<br />

und akzeptiert: Für e<strong>in</strong>ige – v.a. Jugendliche – s<strong>in</strong>d Inhalte und Ziele des Wandels bereits<br />

aus Medien und persönlichen Kontakten bekannt, wenngleich nicht unbed<strong>in</strong>gt <strong>von</strong><br />

e<strong>in</strong>er kognitiven Durchdr<strong>in</strong>gung ausgegangen werden kann (vgl. PSI/C). H<strong>in</strong>gegen zeigen<br />

v.a. Ältere e<strong>in</strong>e gewisse Ablehnung, <strong>in</strong>sbesondere gegenüber den so genannten Begleitersche<strong>in</strong>ungen<br />

des Wandels, die sich am offensichtlichsten <strong>in</strong> neuen Lebensstilen<br />

niederschlagen (vgl. VEC/C).<br />

Manica. Der politische Wandel wird auf der Mikroebene unterschiedlich angenommen.<br />

Es zeigt sich, dass die Oppositionspartei am stärksten für e<strong>in</strong>en Wandel <strong>in</strong> Manica e<strong>in</strong>tritt,<br />

während sich die Kommunalverwaltung für e<strong>in</strong>en gemäßigten Wandel e<strong>in</strong>setzt und<br />

die ‚alte’ Elite auf Distriktebene Renitenzen gegenüber e<strong>in</strong>em weitreichenden Wandel<br />

zeigt (vgl. REN/M, FRE/M, GTZ/M). Beobachter führen Widerwille und Anpassungsschwierigkeiten<br />

zum e<strong>in</strong>en auf die mit der damit verbundenen Aufgabe <strong>von</strong> Macht und<br />

Privilegien und zum anderen mit der Hierarchiehörigkeit der Akteure zurück (vgl.<br />

GTZ/M). H<strong>in</strong>gegen werden für die Offenheit der Renamo verschiedene Motive für<br />

möglich gehalten, d.h. zum e<strong>in</strong>en das Interesse an der Teilhabe an politischer Macht,<br />

zum anderen e<strong>in</strong>e Antihaltung gegenüber der Frelimo.<br />

Für die lokale Bevölkerung bedeutet der soziale Wandel neue Freiheiten im ambivalenten<br />

S<strong>in</strong>ne. <strong>E<strong>in</strong>e</strong>rseits begrüßen sie die Zunahme <strong>von</strong> Handlungsoptionen und die Verr<strong>in</strong>gerung<br />

<strong>von</strong> Zwängen, andererseits fühlen sie sich aus ihrem vertrauten, Stabilität und<br />

Sicherheit erzeugenden sozialen Kontext freigesetzt. 117 Die Adaption des Neuen und die<br />

Bewahrung der kulturellen Identität schließen sich nach Wahrnehmung der meisten<br />

Befragten aus. Die zunehmende Übernahme westlicher Kleidungsstile gilt vielen als<br />

Indikator für die bedrohliche Aufkündigung bewährter Solidaritätsbeziehungen, auf die<br />

sie mit gesteigertem Kontrollbedürfnis reagieren. Darum werden Phänomene und Ver-<br />

117 „Antigamente havia muito mais vigilância. Uma pessoa andava à <strong>von</strong>tade. Hoje se uma pessoa<br />

sair não chega ao dest<strong>in</strong>o.“ („Früher gab es viel mehr soziale Kontrolle. Man konnte unbekümmert<br />

se<strong>in</strong>. Heutzutage kommt man nicht mehr an se<strong>in</strong> Ziel.“; PDB/M)<br />

206


Politische Kultur <strong>in</strong> <strong>vier</strong> Fallkommunen<br />

haltensweisen negativ bewertet, die <strong>in</strong> Zusammenhang mit Kontrollverlust oder -entzug<br />

gesetzt werden (z.B. Drogen- und Alkoholkonsum, sexuelle Freizügigkeit und Prostitution)<br />

und die Befragten zu e<strong>in</strong>er Diagnose e<strong>in</strong>es Zustands der Unordnung, der allgeme<strong>in</strong>en<br />

Respektlosigkeit und Orientierungslosigkeit veranlassen (vgl. PDB/M, FAO/M,<br />

RV/M). Insgesamt wird die lokale Bevölkerung gegenüber Innovationen als sehr verschlossen<br />

charakterisiert, wofür e<strong>in</strong>e mögliche Ursache ihre Frustration nach den hohen<br />

Erwartungen sei, die <strong>von</strong> den politischen Eliten geweckt aber nicht erfüllt wurden (vgl.<br />

GTZ/M).<br />

Vilankulo. Mehrfach wurde auf den Zeitbedarf zur Anpassung an den Wandel h<strong>in</strong>gewiesen,<br />

was die Ausmaße des Wandels unterstreicht. Die E<strong>in</strong>führung des Mehrparteiensystems<br />

wie auch die Kommunalreform s<strong>in</strong>d neue Prozesse, für die weder die Bürger<br />

noch die politischen Akteure Erfahrungswerte haben. Die Situation wird als e<strong>in</strong>e Phase<br />

des Lernens und der fortwährenden Anpassung <strong>in</strong>terpretiert, <strong>in</strong> der man aus unvermeidlichen<br />

Fehlern zu lernen habe (vgl. FRE/V, PRM/V, REN/V). Die Wirkung des sozialen<br />

Wandels auf die soziale Struktur wird überwiegend als Unordnung (desordem, confusão)<br />

beschrieben (vgl. FRE/V, SDB/V). Die Zivilgesellschaft wird darum zur Bewahrung des<br />

eigenen kulturellen Reichtums im Modernisierungsprozess aufgefordert (vgl. FRE/V).<br />

Insgesamt führe der soziale Wandel zu e<strong>in</strong>em Aufbruch der Solidaritätsstrukturen und<br />

zu e<strong>in</strong>er erhöhten Vulnerabilität <strong>von</strong> Älteren, Frauen und K<strong>in</strong>dern (vgl. PRM/V). Als<br />

die sichtbaren Anzeichen für die negativen Wirkungen des Wandels werden e<strong>in</strong>e „Tendenz<br />

zur Respektlosigkeit“ fest, d.h. die Ger<strong>in</strong>gschätzung traditioneller Lebensstile und<br />

Praktiken, sowie starker Alkoholkonsum genannt (vgl. PC/V, SDB/V). Auch die stark<br />

gestiegene Zahl derjenigen, die <strong>in</strong> Kirchen und Glaubensgeme<strong>in</strong>schaften nach Orientierung<br />

und moralischer Unterstützung suchen, sowie <strong>von</strong> Suizidfällen verweisen auf persönliche<br />

Probleme, sich an die tief greifenden sozialstrukturellen Umwälzungen<br />

anzupassen (vgl. PGA/V, IBR/V).<br />

5.2.8 Besondere Bedeutung <strong>von</strong> Wissen<br />

Pemba. Auffallend häufig wird <strong>in</strong> Gesprächen damit argumentiert, dass Schwierigkeiten<br />

und Konflikte auf das Fehlen <strong>von</strong> Verständnis und/oder Bildung zurückzuführen s<strong>in</strong>d.<br />

Das Argument der Unwissenheit dient gleichermaßen der Erklärung und der Rechtfertigung<br />

<strong>von</strong> sozialen Phänomenen wie der Abwertung politischer Gegner. Innerhalb der<br />

Verwaltung werden Konflikte mit der Unkenntnis der Strukturen und Verfahren begründet<br />

(vgl. PAM/P, VU/P), weshalb dem capacity build<strong>in</strong>g e<strong>in</strong>e Priorität e<strong>in</strong>geräumt<br />

wird (vgl. VF/P). In der Siedlungs- und Strukturentwicklungspolitik kommt es <strong>in</strong>folge<br />

207


Politische Kultur <strong>in</strong> <strong>vier</strong> Fallkommunen<br />

der fehlenden Qualifikation der presidentes dos bairros zu gra<strong>vier</strong>enden Problemen (vgl.<br />

CIU/P, VU/P). Die Polizei erkennt <strong>in</strong> der höheren Qualifizierung <strong>von</strong> Rekruten e<strong>in</strong><br />

Mittel zur Bekämpfung <strong>von</strong> Korruption und Polizeigewalt (vgl. PRM/P).<br />

Besonders hervorgehoben wird die Notwendigkeit der Kenntnis demokratischer Pr<strong>in</strong>zipien<br />

und Verfahrensweisen. Für e<strong>in</strong>e Durchsetzung e<strong>in</strong>er demokratischen Kultur bedarf<br />

es an Aufklärung: um Parteizugehörigkeit und Wahlkampfprozesse zu<br />

‚ent-emotionalisieren’ (vgl. PRM/P), um den Stellenwert demokratischer Wahlen richtig<br />

e<strong>in</strong>zuschätzen (vgl. DPAC/P), damit der Bürger Demokratie nicht mit der freien Wahl<br />

der Kleiderordnung verwechsle und Tradition vernachlässige und schließlich damit das<br />

soziale Vertrauen wieder zunehme (vgl. PDB/P). Vielfach wurde die „Zivilisierung des<br />

Bürgers“ als notwendig erachtet, d.h. die Vermittlung <strong>von</strong> richtigem Bürgerverhalten <strong>in</strong><br />

Städten etwa <strong>in</strong> Bezug auf Hygiene und den Umgang mit Müll (vgl. PCM/P, PAD/P,<br />

LDH/P, CIU/P). Aufgrund des hohen Stellenwerts sozialer und politischer Bildung<br />

wird die Multiplikatorfunktion der islamischen Geme<strong>in</strong>schaft als unerlässlich bewertet<br />

(vgl. CIU/P).<br />

Catandica. Das Argument mangelnden Bewusstse<strong>in</strong>s und fehlenden Wissens nimmt <strong>in</strong><br />

Catandica ebenfalls e<strong>in</strong>en auffällig hohen Stellenwert bei der Bewertung und Erklärung<br />

<strong>von</strong> sozialen und politischen Prozessen e<strong>in</strong>. Dabei wird neben der Unterentwicklung des<br />

Bildungssektors und der hohen Analphabetismusrate (vgl. VEC/C, PSI/C) v.a. die<br />

Neuartigkeit der Prozesse und die fehlende Erfahrung <strong>in</strong> Umbruchsituationen hervorgehoben<br />

(vgl. ADM/C, FRE/C). Abgesehen da<strong>von</strong>, dass mit der Zuschreibung <strong>von</strong> Unkenntnis<br />

oder fehlendem Bewusstse<strong>in</strong> die ‚Unschuld’ des eigenen Handelns oder der<br />

eigenen Institution herausgestellt werden kann (vgl. ADM/C), wird die Relevanz <strong>von</strong><br />

Wissen im H<strong>in</strong>blick auf (1) die Entstehung und Bearbeitung <strong>von</strong> <strong>Konflikten</strong>, (2) die<br />

Akzeptanz und Effektivität <strong>in</strong>stitutioneller Leistungen sowie (3) die Bewahrung <strong>von</strong><br />

Rechten thematisiert.<br />

(1) Unkenntnis, Unverständnis sowie Unterqualifizierung des Personals werden mehrfach<br />

als Konfliktgrund genannt. Obschon akzeptiert s<strong>in</strong>d Strukturen, Regeln und Verfahren<br />

e<strong>in</strong>er „echten Demokratie“ weder bei politischen Akteuren noch beim Bürger<br />

bekannt (vgl. ADM/C). Ähnliches gelte für die Verwaltungspraxis (vgl. PCM/C,<br />

PVAM/C, VF/C, VU/C, FRE/C), wobei hier zusätzlich e<strong>in</strong> Interessen geleitetes bewusstes<br />

Ignorieren <strong>von</strong> Kompetenzen und Zuständigkeitsgrenzen beobachtet werden<br />

kann (vgl. GAB/C).<br />

208


Politische Kultur <strong>in</strong> <strong>vier</strong> Fallkommunen<br />

(2) Die Wissensbestände prägen die Akzeptanz und damit die Effektivität <strong>in</strong>stitutioneller<br />

Leistungen (vgl. ADM/C). Umgekehrt erzeugen <strong>in</strong>stitutionelle Akteure kontraproduktive<br />

Effekte, wenn ihnen das nötige Wissen über Verfahrensweisen und Objekte sowie<br />

Kenntnisse über ihre Klientel fehlen – wie etwa das autoritäre Vorgehen der Geme<strong>in</strong>depolizei<br />

(vgl. PC/C) oder die der Renamo unterstellten, sich selbst benachteiligenden<br />

Sabotageakte verdeutlichen (vgl. PCM/C). Können Zusammenhänge nicht richtig <strong>in</strong>terpretiert<br />

werden, führt dies zu e<strong>in</strong>em Vertrauensverlust <strong>in</strong> Institutionen. Diese Argumentationsweise<br />

wird nicht selten mehr als Rechtfertigung denn als Erklärung der<br />

Korruptionsvorwürfe gegenüber Polizei und Gerichten genutzt (vgl. ADM/C, PRM/C).<br />

(3) Weiterh<strong>in</strong> führt Unkenntnis dazu, dass persönliche Rechte nicht <strong>in</strong> Anspruch genommen<br />

bzw. verletzt werden. So sei Aufklärung erforderlich, um den Ausschluss <strong>von</strong><br />

politischer Teilhabe sowie Menschenrechtsverletzungen wie z.B. Lynchjustiz und geschlechtsspezifische<br />

Ungleichheit zu verh<strong>in</strong>dern (vgl. FRE/C, VF/C). Darüber h<strong>in</strong>aus<br />

sei aufgrund <strong>von</strong> Unwissenheit weder e<strong>in</strong>e E<strong>in</strong>schätzung <strong>von</strong> Risiken und Gefahren, die<br />

etwa mit Fortschritt und Modernisierung verbunden s<strong>in</strong>d, noch e<strong>in</strong>e angemessene Reaktion<br />

bzw. Entwicklung <strong>von</strong> Lösungsansätzen möglich (vgl. PSI/C, OMM/C). Letzteres<br />

gilt <strong>in</strong>sbesondere <strong>in</strong> Bezug auf sämtliche mit AIDS verbundenen Probleme (vgl.<br />

VEC/C, PSI/C). Unter der Annahme, dass e<strong>in</strong> Mehr an Wissen und Bewusstse<strong>in</strong> sämtliche<br />

Probleme und Konflikte verr<strong>in</strong>gern oder gar lösen könne, leiten sämtliche Befragten<br />

Aufklärung und Bildung als besondere Aufgabenstellung für politische Eliten aber<br />

auch für Bürger untere<strong>in</strong>ander ab.<br />

Manica. Häufig haben Befragte angegeben, dass Unwissenheit zu <strong>Konflikten</strong> führt,<br />

während verständnisvolle und aufgeklärte Bürger eher Konflikt vermeidend handeln. In<br />

Phasen des Übergangs sowie der E<strong>in</strong>führung <strong>von</strong> sozialen Innovationen und Gesetzen<br />

komme es demnach aus Unkenntnis verstärkt zu Missverständnissen und Fehl<strong>in</strong>terpretationen<br />

(vgl. AND/M). Unwissenheit sei beispielsweise die Ursache für die Konflikte<br />

zwischen Kommune und Distrikt (vgl. PCM/M, ADM/M). Umgekehrt seien aufgrund<br />

der Aufgeklärtheit der Bürger noch ke<strong>in</strong>e Konflikte um das knappe Tr<strong>in</strong>kwasser aufgetreten<br />

(vgl. AND/M). In Bezug auf die politische Macht wirke e<strong>in</strong> niedriges Bildungsniveau<br />

politisch konservativ, da nicht nur e<strong>in</strong>e Kritik erschwert werde, sondern die<br />

politischen Eliten den Bildungsmangel ausnutzen könnten (vgl. KS/M). E<strong>in</strong> niedriges<br />

Bildungsniveau wirke sich nachteilig auf die Leistungsfähigkeit <strong>von</strong> Institutionen aus:<br />

zum e<strong>in</strong>en im S<strong>in</strong>ne fehlender Qualifikation des Institutionenpersonals (vgl. ADM/M)<br />

und zum anderen im S<strong>in</strong>ne mangelnden Vertrauens der Bevölkerung <strong>in</strong> die Institution<br />

209


Politische Kultur <strong>in</strong> <strong>vier</strong> Fallkommunen<br />

wie Polizei und Gericht (vgl. AND/M). So sei die Kommunalverwaltung noch nicht <strong>in</strong><br />

Gänze akzeptiert, da ihre Funktionen und Funktionsweisen dem Bürger bislang unbekannt<br />

seien (vgl. VF/M, PC/M). Für die Institutionen selbst bedeutet e<strong>in</strong> niedriges Qualifikationsniveau<br />

ger<strong>in</strong>ge Kapazitäten zur Leistungssteigerung und Selbstreform (vgl.<br />

GTZ/M). Insgesamt werden Bildung und Aufklärung als die Schlüssel zur Verbesserung<br />

der eigenen Lebenslage aufgefasst (vgl. FAO/M). So müsse der Bürger lernen, sich <strong>in</strong><br />

Bezug auf Hygiene, Müll und Kommunalordnung richtig <strong>in</strong> der Stadt zu verhalten (vgl.<br />

PC/M). Wesentlicher ist dieser Aspekt jedoch <strong>in</strong> Bezug auf AIDS- und Cholera (vgl.<br />

AND/M).<br />

Vilankulo. Wie <strong>in</strong> den anderen untersuchten <strong>Kommunen</strong> auch weisen Befragte <strong>in</strong> Vilankulo<br />

Wissen e<strong>in</strong>e hohe Bedeutung <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Vielzahl <strong>von</strong> Kontexten zu. Wissen wird<br />

<strong>in</strong> Bezug gesetzt zu: (1) Modernisierung, (2) <strong>in</strong>stitutioneller Leistungsfähigkeit, (3) persönlicher<br />

Sicherheit sowie (4) <strong>Konflikten</strong>twicklung.<br />

(1) Befragte verwiesen auf verschiedene Weise auf den Zusammenhang <strong>von</strong> Wissen und<br />

Modernisierung: <strong>E<strong>in</strong>e</strong>rseits bedarf es der Aufklärung und des Wissens, um mit unerwünschten<br />

(traditionellen) Praktiken zu brechen wie z.B. Hygieneverhalten <strong>in</strong> geschlossenen<br />

Siedlungsgebieten, Umweltverhalten, Polygamie (vgl. VMA/V, PSI/V, VEC/V).<br />

Andererseits bedürfe es mehr Bildung, um den Herausforderungen der Modernisierung<br />

zu begegnen (vgl. PRM/V). So erleichtere Bildung die Adaption und Integration nach<br />

Migrationsbewegungen und verhelfe zu e<strong>in</strong>er wirtschaftlichen Neuorientierung (vgl.<br />

SAS/V).<br />

(2) Aufklärung und Wissen werden als notwendige Bed<strong>in</strong>gung für e<strong>in</strong>e effektive und<br />

produktive Performanz verstanden (vgl. z.B. REN/V, FRE/V, PCM/V). Umgekehrt ist<br />

das Fehlen <strong>von</strong> qualifiziertem Personal e<strong>in</strong> zentrales Problem bei der Umsetzung <strong>von</strong><br />

Politikmaßnahmen wie die Implementation des Strukturentwicklungsplans sowie bei der<br />

E<strong>in</strong>b<strong>in</strong>dung der traditionellen Autoritäten (vgl. VU/V, PCM/V). 118 Wissen wird als<br />

wichtige Voraussetzung für das Vertrauen <strong>in</strong> Institutionen sowie deren Akzeptanz gesehen<br />

(vgl. PRM/V). Entsprechend gelten die Neuartigkeit des Demokratisierungs- und<br />

Dezentralisierungsprozesses und die resultierende Unerfahrenheit als e<strong>in</strong>e Erklärung für<br />

die bislang ger<strong>in</strong>ge Akzeptanz (vgl. FRE/V).<br />

118 Es verfügen nur <strong>vier</strong> <strong>von</strong> <strong>in</strong>sgesamt 77 Geme<strong>in</strong>defunktionären über e<strong>in</strong>e mittlere Schulausbildung<br />

(vgl. CSF/V).<br />

210


Politische Kultur <strong>in</strong> <strong>vier</strong> Fallkommunen<br />

(3) Bezüglich physischer Sicherheit und moralischer Orientierung wurde Bildung als<br />

relevant aufgefasst (vgl. PGA/V). Demnach kann der Bürger se<strong>in</strong>en körperlichen Schutz<br />

vor Verbrechen sicherstellen, wenn er weiß, wann er „zu Hause bleiben soll“ (PC/V).<br />

Betrugsfälle seien demnach die Folge der Unwissenheit ihrer Opfer (vgl. IBR/V).<br />

(4) Befragten zufolge ist Unwissenheit e<strong>in</strong>e häufige Konfliktursache wie z.B. im Konflikt<br />

zwischen Kommune und Distrikt (vgl. VEC/V). Umgekehrt wird e<strong>in</strong> positiver E<strong>in</strong>fluss<br />

<strong>von</strong> Bildung auf die Konfliktbearbeitung konstatiert (vgl. AC/V, FRE/V). Politische<br />

Aufklärung und Bildung (educação cívica) verh<strong>in</strong>dere gewaltsame Reaktionen auf Provokationen<br />

wie etwa beim Versuch, mit e<strong>in</strong>er „no-blacks!“ -Tafel E<strong>in</strong>heimische am Betreten<br />

der Bazaruto-Inseln zu h<strong>in</strong>dern (vgl. AC/V). Im Falle der Demobilisierten und traumatisierten<br />

Bürgerkriegsopfer könnten Schwierigkeiten bei der Integration <strong>in</strong> e<strong>in</strong> ziviles<br />

Leben durch Bildung überwunden werden (vgl. ebd.).<br />

5.3 Zusammenfassende Interpretation <strong>von</strong> Geme<strong>in</strong>samkeiten<br />

und Unterschieden <strong>in</strong> der lokalen politischen Kultur<br />

In den <strong>vier</strong> untersuchten <strong>Kommunen</strong> lassen sich jeweils Muster e<strong>in</strong>er lokalen politischen<br />

Kultur identifizieren, die zwar <strong>in</strong> ihrer Zusammensetzung den anderen ähneln, h<strong>in</strong>sichtlich<br />

ihrer Ausprägungsstärke jedoch e<strong>in</strong>ige Unterschiede aufweisen.<br />

Geme<strong>in</strong>samkeiten. Die meisten Befragten sehen die gegenwärtige lokale politische<br />

Situation weit <strong>von</strong> e<strong>in</strong>er ‚echten Demokratie’ entfernt. Als Merkmale der Demokratisierung<br />

werden Freiheitsgew<strong>in</strong>n, d.h. vorrangig das Recht auf freie Me<strong>in</strong>ungsäußerung und<br />

Mobilität angegeben. Jedoch besteht die Angst, dass das Ausmaß gewonnener Freiheit<br />

die E<strong>in</strong>heit der Geme<strong>in</strong>schaft gefährdet. Die Verwechslung <strong>von</strong> demokratischer Freiheit<br />

mit Zügellosigkeit, die zur Missachtung der E<strong>in</strong>heit stiftenden Werte und Objekte führt,<br />

wird häufig als Gefahr genannt. Allerd<strong>in</strong>gs fassen viele Befragte derartige Verwechslungen<br />

und Missverständnisse als typisch für Übergangsphasen und Ursache für viele Konflikte<br />

auf. In diesem Zusammenhang wird <strong>in</strong> den <strong>vier</strong> <strong>Kommunen</strong> die zentrale Rolle <strong>von</strong><br />

formellen und <strong>in</strong>formellen Normen hervorgehoben. Ihre E<strong>in</strong>haltung wird zur Aufrechterhaltung<br />

der E<strong>in</strong>heit und Ordnung gefordert. Die Bedeutung der Normen zeigt sich<br />

auch daran, dass Befragte Widersprüche <strong>in</strong> den Gesetzen erkennen und dies als häufige<br />

Konfliktursache nennen. Obwohl zentrale Pr<strong>in</strong>zipien demokratischer Ordnung wie<br />

Mehrparteiensystem, Oppositionspr<strong>in</strong>zip sowie Wahlverfahren zur Bestimmung legitimer<br />

Regierungen akzeptiert werden, bleibt e<strong>in</strong>e Partizipation an politischen Entschei-<br />

211


Politische Kultur <strong>in</strong> <strong>vier</strong> Fallkommunen<br />

dungs- und Gestaltungsprozessen aus. 119 Sämtliche Befragte sprechen sich zwar für e<strong>in</strong>e<br />

E<strong>in</strong>b<strong>in</strong>dung aus, jedoch wird Partizipation <strong>in</strong> erster L<strong>in</strong>ie als passive Konsultation verstanden.<br />

Zivilgesellschaftliche Akteure <strong>in</strong>terpretieren ihre Rolle eher im S<strong>in</strong>ne e<strong>in</strong>er Unterstützung<br />

<strong>in</strong>stitutioneller Maßnahmen als etwa im S<strong>in</strong>ne e<strong>in</strong>er korrigierenden oder<br />

oppositionellen Kraft <strong>in</strong> der lokalen Politik. Der Demokratiegehalt der lokalen Kommunalpolitik<br />

ist nicht zuletzt aufgrund der Unfähigkeit der Renamo zu e<strong>in</strong>er konstruktiven<br />

Opposition beschränkt. Stattdessen s<strong>in</strong>d die Parteizugehörigkeit und der<br />

Wahlkampf stark emotionalisiert und damit sehr konfliktanfällig.<br />

Die Akzeptanz der <strong>in</strong>stitutionellen Reformen hängt besonders da<strong>von</strong> ab, ob sich Befragte<br />

als ‚Gew<strong>in</strong>ner’ oder als ‚Verlierer’ des Reformprozesses begreifen und wie diese die<br />

<strong>in</strong>stitutionellen Leistungen bzw. Leistungsfähigkeit bewerten. Als ‚Verlierer’ sehen sich<br />

vor allem die Akteure, die durch die E<strong>in</strong>führung der kommunalen Selbstverwaltung an<br />

politischer Macht und sozialem Status e<strong>in</strong>gebüßt haben. Hier s<strong>in</strong>d vorrangig die Distriktadm<strong>in</strong>istratoren<br />

zu nennen. Jedoch haben die meisten Befragten die <strong>in</strong>stitutionelle<br />

Reform auf lokaler Ebene als e<strong>in</strong>e Chance zur Verbesserung der allgeme<strong>in</strong>en Lebenslage<br />

gesehen und darum auch positiv bewertet. Dies gilt sowohl <strong>in</strong> Bezug auf die Lebensumstände<br />

privater Haushalte als auch auf die Macht- und Ressourcenausstattung politischer<br />

Akteure. Die Bewertung des Prozesses <strong>in</strong>sgesamt wird stark an die Bewertung der Arbeit<br />

der Akteure gekoppelt, welche die jeweiligen Institutionen verkörpern. Leisten die<br />

verantwortlichen politischen Autoritäten e<strong>in</strong>e gute Arbeit, ist das Vertrauen <strong>in</strong> die Institutionen<br />

gesichert wie beispielsweise <strong>in</strong> Vilankulo. Die eher skeptische Bewertung des<br />

Prozesses <strong>in</strong> den anderen drei <strong>Kommunen</strong> gründet auf der Kritik gegenüber den Kommunalverwaltungen.<br />

Zivilgesellschaftliche Akteure wie auch Angestellte der Kommunalverwaltung<br />

kritisieren, dass die Funktionäre an e<strong>in</strong>er Erweiterung ihres politischen<br />

Handlungsspielraums und an e<strong>in</strong>er f<strong>in</strong>anziellen Absicherung statt an e<strong>in</strong>er geme<strong>in</strong>wohlorientierten<br />

Verwaltungsarbeit <strong>in</strong>teressiert s<strong>in</strong>d. Aufgrund ihrer positiv überzeichneten<br />

Selbstbilder sehen sich die Verwaltungsfunktionäre nicht genötigt, ihre Arbeitsweise und<br />

Arbeitse<strong>in</strong>stellung zu verändern. <strong>E<strong>in</strong>e</strong> schlechte Geme<strong>in</strong>deführung, die sich aus Sicht<br />

der Bevölkerung v.a. <strong>in</strong> der Verletzung der Interessen der Bürger und <strong>in</strong> Form <strong>von</strong> Korruption<br />

niederschlägt, führt zu e<strong>in</strong>er generellen Abwertung lokaler Institutionen wie<br />

ansatzweise <strong>in</strong> Catandica festzustellen ist.<br />

119 Zu e<strong>in</strong>em ähnlichen Ergebnis kommt man auf der Grundlage der Arbeit <strong>von</strong> NHACOTA JR.<br />

2003; vgl. auch ALEXANDER 1997: 21.<br />

212


Politische Kultur <strong>in</strong> <strong>vier</strong> Fallkommunen<br />

Die politischen Autoritäten fühlen sich allgeme<strong>in</strong> respektiert, obwohl etwa <strong>in</strong> Catandica<br />

Politiker als fremd und seltsam wahrgenommen werden. Von politischen Autoritäten<br />

werden spezifische Eigenschaften und Verhaltensweisen erwartet: Sie sollen sich kompetent<br />

und respektvoll für die Belange der Bevölkerung e<strong>in</strong>setzen. Ihre Macht sollen sie<br />

dadurch unter Beweis stellen, dass sie die Kontrolle über die soziale und politische Ordnung<br />

vermitteln und Normverstöße ahnden. Insbesondere <strong>in</strong> den traditionellen Vorstellungen<br />

gründet Autorität auf dem Pr<strong>in</strong>zip der E<strong>in</strong>schüchterung und auf e<strong>in</strong>er<br />

entsprechend unterwürfigen Haltung seitens der Bevölkerung. Während traditionelle<br />

und <strong>in</strong>formelle Autoritäten zum Teil die an sie herangetragenen Erwartungen erfüllen<br />

können, leiden die demokratisch legitimierten formellen Autoritäten unter Akzeptanzund<br />

Vertrauensmangel. Die Bevölkerung kritisiert, dass sich e<strong>in</strong>erseits die Kommunalfunktionäre<br />

nicht an die Gesetze halten und dass andererseits ihre Machtposition willkürlich<br />

und kurzfristig ist. E<strong>in</strong> generelles Problem ist, dass gleichzeitig die Kompetenzen<br />

traditioneller Autoritäten <strong>in</strong>folge der Auflösung traditioneller Werte und e<strong>in</strong>er zunehmenden<br />

komplexen sozialen Umwelt schw<strong>in</strong>den. In Bezug auf die E<strong>in</strong>stellungen gegenüber<br />

Autoritäten spielt die Polizei e<strong>in</strong>e besondere Rolle, da sie zum e<strong>in</strong>en die staatliche<br />

Gewalt repräsentiert und zum anderen Sicherheits- und Schutzfunktionen zu erfüllen<br />

hat. Allerd<strong>in</strong>gs kämpft die Polizei allerorts mit e<strong>in</strong>em dramatischen Ansehens- und Vertrauensverlust.<br />

In den <strong>vier</strong> Geme<strong>in</strong>den ist e<strong>in</strong>e Bevorzugung rigider Herrschaftsstile<br />

auffällig. Die konsequente Sanktionierung normverletzenden Verhaltens durch die verantwortlichen<br />

Autoritäten wird v.a. <strong>in</strong> Zusammenhang mit der Krim<strong>in</strong>alitätsbekämpfung<br />

und der Verh<strong>in</strong>derung e<strong>in</strong>er weiteren Ausbreitung <strong>von</strong> AIDS gefordert. Dar<strong>in</strong> drückt<br />

sich der Wunsch nach dem Schutz vor fe<strong>in</strong>dlichen E<strong>in</strong>flüssen, der Bewahrung e<strong>in</strong>er<br />

stabilen sozialen und politischen Ordnung sowie der kognitiven Kontrolle über die<br />

Umwelt aus.<br />

In den <strong>vier</strong> <strong>Kommunen</strong> zeichnet sich e<strong>in</strong>e allgeme<strong>in</strong>e Sehnsucht nach sozialer und politischer<br />

E<strong>in</strong>igkeit sowie nach harmonischer Verbundenheit ab. Zugleich wird oftmals<br />

e<strong>in</strong>e Tendenz zur positiven Abgrenzung der eigenen Gruppe deutlich. Dieses Muster –<br />

positives Selbstbild bei gleichzeitiger negativer Bewertung fremder Gruppen und E<strong>in</strong>flüsse<br />

– f<strong>in</strong>det sich gleichermaßen <strong>in</strong> der Bevölkerung wie unter den politischen Eliten.<br />

Besonders ausgeprägt ist das Muster, wenn Befragte <strong>in</strong>folge der Präsenz <strong>von</strong> Migranten<br />

e<strong>in</strong>e signifikante Konkurrenz um knappe Ressourcen wie E<strong>in</strong>kommen oder Raum<br />

wahrnehmen wie z.B. <strong>in</strong> Pemba. Jedoch f<strong>in</strong>den sich <strong>in</strong> allen <strong>vier</strong> Geme<strong>in</strong>den Ressentiments<br />

und Vorurteile wenngleich <strong>in</strong> unterschiedlicher Ausprägung.<br />

213


Politische Kultur <strong>in</strong> <strong>vier</strong> Fallkommunen<br />

Sämtliche Befragte stellen die besondere Bedeutung <strong>von</strong> Wissen und Bildung heraus.<br />

Demnach führten Unkenntnis, Une<strong>in</strong>sichtigkeit und Verklärung zum Konflikt. Durch<br />

Bildungs- und Aufklärungsarbeit <strong>von</strong> politischen Parteien und zivilgesellschaftlichen<br />

Akteuren wie NGOs oder religiösen Führern lassen sich Konflikte vermeiden. Dies gilt<br />

besonders auch <strong>in</strong> Bezug auf die Funktionserfüllung <strong>von</strong> Institutionen.<br />

Unterschiede. Obwohl folglich <strong>von</strong> e<strong>in</strong>em Grundmuster gesprochen werden kann,<br />

bestehen Unterschiede h<strong>in</strong>sichtlich der Ausprägungsstärke <strong>in</strong> den jeweiligen Aspekten.<br />

Diese möchte ich im Wesentlichen auf zwei Faktoren zurückführen, nämlich auf die<br />

Elitenstruktur e<strong>in</strong>erseits und den externen E<strong>in</strong>fluss <strong>von</strong> Modernisierung und Migration<br />

andererseits.<br />

Soziale und politische Eliten, zu denen neben den formellen und <strong>in</strong>formellen politischen<br />

Autoritäten auch zivilgesellschaftliche Akteure wie religiöse Führer und e<strong>in</strong>ige e<strong>in</strong>flussreiche<br />

Organisationen zählen, s<strong>in</strong>d <strong>von</strong> zentraler Bedeutung für die lokale politische<br />

Kultur. Hier wird vor allem die politische Kultur der Eliten als ausschlaggebend aufgefasst,<br />

d.h. e<strong>in</strong>erseits die politischen E<strong>in</strong>stellungen und Ordnungsvorstellungen der Eliten<br />

und andererseits das Verhältnis dieser <strong>in</strong>nerhalb der Gruppe der Eliten. 120 Als die wichtigsten<br />

Wirkungsgrößen werden hier (a) Erfahrungen <strong>in</strong> der unmittelbaren Ause<strong>in</strong>andersetzung<br />

mit dem politischen System, (b) Erfahrungen mit fremden Ordnungssystemen<br />

sowie (c) weitere prägende persönliche Erfahrungen verstanden. Während die unmittelbare<br />

Ause<strong>in</strong>andersetzungen mit dem politischen System – etwa im Rahmen <strong>von</strong> Parteiarbeit<br />

– e<strong>in</strong> tiefes Verständnis <strong>von</strong> den Zusammenhängen und Verfahrensweisen<br />

erlaubt, verweisen die zwei weiteren Aspekte auf Entfremdungserfahrungen. Erfahrungen<br />

mit fremden Ordnungssystemen können etwa auf Auslandsaufenthalte, die Mitarbeit<br />

<strong>in</strong> ausländischen v.a. westlichen Organisationen oder auf e<strong>in</strong>en kulturellen<br />

H<strong>in</strong>tergrund, welcher der <strong>von</strong> dem lokalen politischen Wirkungskontext abweicht, zurückgeführt<br />

werden. Diese Erfahrungen können für die Entwicklung e<strong>in</strong>er demokratischen<br />

Haltung gleichwohl förderlich und abträglich se<strong>in</strong>. Dies gilt <strong>in</strong>sbesondere <strong>in</strong><br />

Verb<strong>in</strong>dung mit persönlichen Erfahrungen, die zwar politisch relevant, jedoch nicht<br />

zw<strong>in</strong>gend mit e<strong>in</strong>em direkten politischen Bezug gemacht worden s<strong>in</strong>d. Man könnte hier<br />

vielleicht <strong>von</strong> ‚diffuser politischer Sozialisation’ sprechen. Vor allem im H<strong>in</strong>blick auf<br />

120 Im Rahmen dieser Arbeit ist es nicht möglich, die <strong>in</strong>dividuellen Faktoren, die zur Ausbildung<br />

spezifischer politischer E<strong>in</strong>stellungen und Ordnungsvorstellungen führten, systematisch im E<strong>in</strong>zelnen<br />

zu rekonstruieren. Dennoch lassen sich <strong>in</strong> E<strong>in</strong>zelfällen die prägenden E<strong>in</strong>flüsse bestimmen,<br />

die zur Ausbildung e<strong>in</strong>es spezifischen Politik- und Herrschaftsverständnisses sowie<br />

Verhältnisses zu demokratischen Ordnungspr<strong>in</strong>zipien geführt haben.<br />

214


Politische Kultur <strong>in</strong> <strong>vier</strong> Fallkommunen<br />

e<strong>in</strong>e Konfliktbearbeitungskultur s<strong>in</strong>d die Erfahrungen zu nennen, die zu generellem<br />

Misstrauen oder gar Anomie führen können wie z.B. das Erleben <strong>von</strong> sozialer Unordnung,<br />

die Beteiligung an Kriegshandlungen oder Traumatisierungserfahrungen. Der<br />

Beigeordnete für F<strong>in</strong>anzen <strong>in</strong> Pemba ist e<strong>in</strong> Beispiel dafür, dass die drei angegebenen<br />

Größen zu e<strong>in</strong>em ausgeprägten modernen Demokratieverständnis führen. Der <strong>in</strong>dischstämmige,<br />

gläubige Muslim hat beispielsweise <strong>in</strong> Portugal studiert und <strong>in</strong> deutschen und<br />

schweizerischen Demokratisierungsprojekten gearbeitet. Zurzeit ist er Programmmanager<br />

der AGA KHAN-Stiftung. 121 <strong>E<strong>in</strong>e</strong>r demokratischen Kultur abträglich h<strong>in</strong>gegen s<strong>in</strong>d<br />

die Erfahrungen <strong>von</strong> demobilisierten Soldaten gewesen, auf die mehrere Befragte h<strong>in</strong>weisen.<br />

Demnach haben Demobilisierte Schwierigkeiten, sich <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em zivilen Leben<br />

zurechtzuf<strong>in</strong>den und gesetzestreu zu bleiben. Hier wird deutlich, dass der jeweilige Qualifikations-<br />

und Bildungsh<strong>in</strong>tergrund e<strong>in</strong>e entscheidende Rolle für die Prägung der politischen<br />

E<strong>in</strong>stellungsmuster durch biographische Elemente spielt. Zum e<strong>in</strong>en steigen unter<br />

den Bed<strong>in</strong>gungen des gegenwärtigen politischen Systems die <strong>in</strong>dividuellen Chancen auf<br />

e<strong>in</strong> gesichertes E<strong>in</strong>kommen mit dem Bildungsgrad. Zum anderen erlaubt erst e<strong>in</strong> gewisses<br />

Bildungsmaß e<strong>in</strong>e umfassende bzw. realistische Situationsanalyse. So befürwortet<br />

ke<strong>in</strong>er unter den besser qualifizierten Befragten e<strong>in</strong>en autoritären Herrschaftsstil oder<br />

bewertet das Maß an Freiheit und Unordnung als nicht länger ertragbar. Es besteht<br />

Grund zur Annahme, dass E<strong>in</strong>stellungsmuster <strong>von</strong> dom<strong>in</strong>anten Persönlichkeiten <strong>in</strong>nerhalb<br />

der Kommunalverwaltung auf die E<strong>in</strong>stellungsmuster der Kommunalverwaltung<br />

<strong>in</strong>sgesamt ‚ausstrahlen’. Beispielsweise s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> Vilankulo und Pemba deutlich die E<strong>in</strong>flüsse<br />

der modernistischen E<strong>in</strong>stellungen e<strong>in</strong>iger Beigeordneter und <strong>in</strong>sbesondere des<br />

Bürgermeisters <strong>von</strong> Vilankulo erkennbar, während <strong>in</strong> den Kommunalverwaltungen Manicas<br />

und Catandicas ke<strong>in</strong> bzw. e<strong>in</strong> Beigeordneter modernistische E<strong>in</strong>stellungen aufweist.<br />

In beiden letztgenannten <strong>Kommunen</strong> dom<strong>in</strong>ieren E<strong>in</strong>stellungsmuster, die<br />

modernistische wie traditionalistische Komponenten vere<strong>in</strong>en.<br />

Modernisierung und Migration stellen zwei wesentliche externe E<strong>in</strong>flussgrößen <strong>in</strong> Bezug<br />

auf die lokale politische Kultur dar. Während unter Modernisierung verschiedene Aspekte<br />

wie der Wandel sozialer Werte und politische Umstrukturierung zusammengefasst<br />

werden, verweist der Migrationsaspekt v.a. auf die Erzeugung <strong>von</strong> Konkurrenzverhältnissen.<br />

Im H<strong>in</strong>blick auf den E<strong>in</strong>fluss <strong>von</strong> Modernisierung und Migration s<strong>in</strong>d verschie-<br />

121 Insgesamt lässt sich etwa für Pemba feststellen, dass die Befragten <strong>in</strong> der Kommunalverwaltung,<br />

die e<strong>in</strong> modernes Verständnis <strong>von</strong> Demokratie, Politik und Herrschaft haben, über e<strong>in</strong> vergleichsweise<br />

hohes Bildungsniveau verfügen (vgl. PCM/P, FRE/P, VF/P, VU/P), bereits über<br />

lange Zeit politisch aktiv waren (vgl. PCM/P, FRE/P) oder e<strong>in</strong>e <strong>von</strong> ausländischen E<strong>in</strong>flüssen<br />

geprägte Biographie aufweisen (VU/P ist britischer Abstammung).<br />

215


Politische Kultur <strong>in</strong> <strong>vier</strong> Fallkommunen<br />

dene Ebenen zu unterscheiden. Zunächst e<strong>in</strong>mal weisen die <strong>Kommunen</strong> unterschiedliche<br />

Anziehungskraft auf modernisierende Kräfte und Migrationsströme auf, die u.a. mit<br />

den vorhandenen <strong>in</strong>frastrukturellen Bed<strong>in</strong>gungen und der räumlichen Lage erklärt werden<br />

können. In Manica und Catandica haben die Nähe zur Grenze zu Simbabwe und<br />

die Korridorlage großes Gewicht. Der grenzüberschreitende Personen- und Güterverkehr<br />

gilt als e<strong>in</strong> wesentlicher Faktor im H<strong>in</strong>blick auf die Modernisierung aber auch auf<br />

die Verbreitung <strong>von</strong> Krim<strong>in</strong>alität, Drogen und AIDS. Bereits während des Krieges spielte<br />

<strong>in</strong>sbesondere die Nationalstraße 6 <strong>von</strong> Beira nach Manica e<strong>in</strong>e strategisch wichtige<br />

Rolle und wurde darum stark umkämpft. Ferner wurde die Grenzregion <strong>in</strong>sgesamt auch<br />

<strong>in</strong> Kampfhandlungen während des Befreiungskrieges Simbabwes e<strong>in</strong>bezogen. Im H<strong>in</strong>blick<br />

auf die Modernisierung ist <strong>in</strong> Pemba und besonders <strong>in</strong> Vilankulo der E<strong>in</strong>fluss des<br />

Tourismus zu nennen. Trotz ihrer unterschiedlichen Größe weisen beide Orte <strong>in</strong>frastrukturelle<br />

Ähnlichkeiten auf: Beide <strong>Kommunen</strong> s<strong>in</strong>d Küstenstädte, deren Wachstum<br />

durch natürliche Bed<strong>in</strong>gungen begrenzt wird. Der e<strong>in</strong>geschränkte Straßenzugang wird <strong>in</strong><br />

beiden Fällen allgeme<strong>in</strong> als sicherheitstechnisch <strong>von</strong> Vorteil bewertet. Sie verfügen beide<br />

über enormes touristisches Potential, was zum e<strong>in</strong>en die starke Präsenz <strong>in</strong>ternationaler<br />

Investoren und Touristen bed<strong>in</strong>gt und zum anderen E<strong>in</strong>kommenschancen für die e<strong>in</strong>heimische<br />

Bevölkerung <strong>in</strong> Aussicht stellt. Infolgedessen kommt es zu großen Zuwachsraten<br />

der E<strong>in</strong>wohnerzahl. Die lokalen Märkte stellen für das ländliche Umland e<strong>in</strong>en<br />

zentralen Ort des Austauschs <strong>von</strong> Dienstleistungen und Gütern dar. Im Gegensatz zu<br />

Vilankulo weist Pemba e<strong>in</strong>e starke Präsenz <strong>von</strong> Migranten auf, die mit der Nähe zu<br />

Tansania begründet wird. Vor allem <strong>in</strong> Pemba gilt, dass die verschiedenen Anziehungsfaktoren<br />

<strong>in</strong> Komb<strong>in</strong>ation mit der durch die Halb<strong>in</strong>sellage bed<strong>in</strong>gten Knappheit <strong>von</strong><br />

Raum und Ressourcen die Wahrnehmung e<strong>in</strong>er Konkurrenzsituation verstärkt. Jedoch<br />

ist auffällig, dass als Konkurrenten vor allem Fremde wahrgenommen werden, die sich<br />

<strong>in</strong> e<strong>in</strong>er soziostrukturell vergleichbaren Lage bef<strong>in</strong>den. Paradoxerweise ist es erst die<br />

Ähnlichkeit der Fremdgruppe etwa <strong>von</strong> tansanischen Händlern oder malawischen<br />

Migranten, die diese zur Konkurrenz für die lokale Bevölkerung werden lässt (vgl. HUO<br />

2000: 160ff). H<strong>in</strong>gegen werden gegenüber den deutlich mehr Ressourcen beanspruchenden<br />

weißen Südafrikanern zwar Ressentiments aber ke<strong>in</strong> Ausdruck <strong>von</strong> Konkurrenz<br />

formuliert. Ähnlich ist es <strong>in</strong> Vilankulo, wobei die lokale Bevölkerung hier<br />

Arbeitsmigranten aus Simbabwe als Konkurrenz betrachtet.<br />

216


Politische Kultur <strong>in</strong> <strong>vier</strong> Fallkommunen<br />

5.4 Traditionalistische und modernistische Ordnungs-<br />

vorstellungen<br />

Die <strong>Analyse</strong> der Ordnungsvorstellungen <strong>von</strong> Befragten anhand ihrer Ausführungen<br />

zeigt e<strong>in</strong>e Verteilung <strong>von</strong> Präferenzen und Ablehnungen. Es werden Muster erkennbar,<br />

die sich zwecks Verdeutlichung zunächst zu den – <strong>in</strong> der Literatur häufig dualistisch<br />

formulierten – Idealtypen ‚modernistisch’ und ‚traditionalistisch’ verdichten lassen. Dabei<br />

ergeben sich wesentliche Unterschiede zwischen den Ordnungsvorstellungen im<br />

H<strong>in</strong>blick auf die Art und Weise, wie die Stabilität der sozialen und politischen Ordnung<br />

gewährleistet werden soll und damit h<strong>in</strong>sichtlich des Ausmaßes der tolerierten Abweichung,<br />

Offenheit und Unsicherheit. Im E<strong>in</strong>zelnen lassen sich diese anhand der <strong>vier</strong> Dimensionen<br />

Soziale Integration, Konformität/Devianz, Stabilität sowie Sicherheit<br />

differenzieren.<br />

Soziale Integration. In Bezug auf die <strong>in</strong>nere Struktur der Gesellschaft lassen sich – auf<br />

e<strong>in</strong>er zunächst oberflächlichen Betrachtungsweise – modernistische und traditionalistische<br />

E<strong>in</strong>stellungsmuster klar trennen. Traditionalistische E<strong>in</strong>stellungen gehen <strong>von</strong> e<strong>in</strong>er<br />

primordialen solidarischen E<strong>in</strong>heit aus, <strong>in</strong>nerhalb derer auch Unterschiede bzw. Abweichungen<br />

möglich s<strong>in</strong>d. Hierfür steht das S<strong>in</strong>nbild der E<strong>in</strong>heit der Familie, <strong>in</strong> der die<br />

E<strong>in</strong>stellungen und das Verhalten der K<strong>in</strong>der <strong>von</strong> denen des Vaters abweichen dürfen.<br />

Die E<strong>in</strong>heit wird jedoch nicht gefährdet, da zum e<strong>in</strong>en auf e<strong>in</strong>en <strong>in</strong>tegrierenden Wertekern<br />

Bezug genommen wird und zum anderen die Abweichungen begrenzt bleiben. Als<br />

E<strong>in</strong>heit schaffende Bezugsgrößen werden v.a. Familie, Partei und Staat genannt. Während<br />

die Kommune als Bezugsgröße ke<strong>in</strong>e Relevanz zu haben sche<strong>in</strong>t, werden Region<br />

und Ethnie bzw. Rasse im öffentlichen Diskurs ausdrücklich negativ besetzt und darum<br />

gemieden. E<strong>in</strong>heit wird als wichtige Vorbed<strong>in</strong>gung für Schutz (vgl. SDB/C, PAM/M),<br />

Problembewältigung (vgl. ADM/M, RV/M, SDB/C) und als Ausdruck <strong>von</strong> Frieden und<br />

Harmonie (vgl. ADM/M, SDB/C, GAB/C) genannt. In dieser Sichtweise verh<strong>in</strong>dert Zusammenhalt<br />

und E<strong>in</strong>vernehmen Unordnung, während umgekehrt Pluralität zu Spaltung<br />

und Konflikt führt. Insbesondere <strong>in</strong> Manica haben Befragte die besondere Bedeutung<br />

<strong>von</strong> E<strong>in</strong>heit hervorgehoben (vgl. ACT/M, ADM/M, PAM/M, PDB/M, REN/M, RV/M).<br />

In Pemba heben mehrere Sprecher die <strong>in</strong>tegrative und Gewalt reduzierende Wirkung<br />

des Islams hervor, zu dem sich die Mehrheit der lokalen Bevölkerung bekenne (vgl.<br />

CIU/P, AMA/P, PDB/P, LDH/P, FRE/P). Als politisches Argument dient zum e<strong>in</strong>en<br />

die Hervorhebung des Engagements für die Erhaltung der E<strong>in</strong>heit des Volkes und zum<br />

anderen der Vorwurf, das Volk zu spalten (vgl. REN/M). In traditionalistischen E<strong>in</strong>stel-<br />

217


Politische Kultur <strong>in</strong> <strong>vier</strong> Fallkommunen<br />

lungen wird E<strong>in</strong>heit oder auch Unanimität als Bed<strong>in</strong>gung für Effektivität verstanden,<br />

während Vielfalt zum Teil kontraproduktiv, d.h. lähmend auf Entscheidungsprozesse<br />

bewertet wird. Modernistische E<strong>in</strong>stellungen setzen h<strong>in</strong>gegen die Freiheit des E<strong>in</strong>zelnen<br />

<strong>in</strong> den Vordergrund, so dass die sprachliche, kulturelle und politische Vielfalt als Voraussetzung<br />

für e<strong>in</strong>e kreative und produktive Kommunalführung sowie für e<strong>in</strong>e effektive<br />

Kontrolle des Verwaltungsapparats verstanden wird (vgl. VF/P). Bei näherer Betrachtung<br />

ist jedoch festzustellen, dass E<strong>in</strong>heit präferierende E<strong>in</strong>stellungen auch <strong>von</strong> modernistisch<br />

e<strong>in</strong>gestellten Akteuren vertreten werden. Entscheidend dabei ist weniger e<strong>in</strong><br />

‚entweder – oder’ als die Akzentuierung des Verhältnisses zwischen E<strong>in</strong>heit und Vielfalt:<br />

traditionell: E<strong>in</strong>heit trotz Vielfalt<br />

modernistisch: E<strong>in</strong>heit durch Vielfalt<br />

Häufig wurde – v.a. <strong>von</strong> politischen Eliten – darauf h<strong>in</strong>gewiesen, dass etwaige Spaltungen<br />

<strong>in</strong>nerhalb der Geme<strong>in</strong>schaft auf die unterschiedlichen Bildungs- und Bewusstse<strong>in</strong>sgrade<br />

und nicht etwa auf immanente Konflikte zurückzuführen seien. Mit dem Verweis<br />

auf strukturelle Ursachen kann der Sprecher trotz erkennbarer Divergenzen e<strong>in</strong>e Brücke<br />

zur normativ erwünschten E<strong>in</strong>heit schlagen.<br />

Konformität/Devianz. In der Haltung zu E<strong>in</strong>heit werden auch die E<strong>in</strong>stellungen zum<br />

Verhältnis <strong>von</strong> Individuum und Geme<strong>in</strong>schaft sowie zur <strong>in</strong>dividuellen Freiheit deutlich.<br />

Während <strong>in</strong> modernistischen Ordnungsvorstellungen die <strong>in</strong>dividuelle Freiheit und damit<br />

das Recht auf Abweichung als e<strong>in</strong>e zentrale Errungenschaft der Demokratisierung begrüßt<br />

werden, konvergieren traditionalistische Ordnungsvorstellungen zu e<strong>in</strong>er e<strong>in</strong>deutigen<br />

Präferenz <strong>von</strong> Konformität, die sich <strong>in</strong> verschiedener Weise äußert. Am stärksten<br />

hat dies die régulo <strong>von</strong> Vengo formuliert: Ihr zufolge dürfe man nur das machen, was<br />

bereits die Vorfahren gemacht haben (vgl. RV/M). Konformitätse<strong>in</strong>stellungen äußern<br />

sich im oftmals beklagten Nachlassen der sozialen Kontrolle sowie <strong>in</strong> der häufigen Aufforderung<br />

zur Erziehung se<strong>in</strong>es Nachbarn, wenn dieser sich nicht an die Regeln halte.<br />

Auch die positive Bewertung sozialer Ruhe <strong>in</strong> Aussagen wie etwa „Pemba ist e<strong>in</strong>e ruhige<br />

Stadt“ (vgl. FRE/P, s. auch: AMA/P, CIU/P) verdeutlichen die traditionalistische Präferenz<br />

<strong>von</strong> konformem gegenüber abweichendem Verhalten. Im Politischen äußert sich<br />

die Konformität <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er starken Konsensorientierung. Demnach gilt e<strong>in</strong>e Entscheidung<br />

nur dann als legitim, wenn sie als Konsensergebnis präsentiert werden kann (vgl.<br />

FRE/P).<br />

In traditionalistischen E<strong>in</strong>stellungsmustern geht der Wunsch nach e<strong>in</strong>er stärkeren <strong>in</strong>neren<br />

Integration mit e<strong>in</strong>em Anspruch auf Exklusivität e<strong>in</strong>her. Entscheidend für die Zu-<br />

218


Politische Kultur <strong>in</strong> <strong>vier</strong> Fallkommunen<br />

gehörigkeit sche<strong>in</strong>t dabei die Achtung der konstituierenden Regeln und Normen der<br />

Gruppe zu se<strong>in</strong>. Ausgehend da<strong>von</strong>, dass deviantes Verhalten den Ausbruch aus der<br />

Geme<strong>in</strong>schaft symbolisiert und die E<strong>in</strong>heit der Gruppe zentral ist, kann Abweichung für<br />

die Geme<strong>in</strong>schaftsmitglieder nicht akzeptiert werden. Das gilt gleichermaßen für destruktives<br />

wie auch für übermäßig produktives Verhalten. Umgekehrt gilt, dass Fremdes<br />

für Ambivalenz, Unsicherheit und somit Instabilität verantwortlich gemacht und deshalb<br />

ausgeschlossen wird. Diese Zuweisungspraxis wird sche<strong>in</strong>bar jedoch recht flexibel<br />

gehandhabt, denn werden die Bed<strong>in</strong>gungen für die Integration erfüllt, ändern sich auch<br />

die dem vormals Fremden attribuierten Eigenschaften (vgl. FRE/P). Modernistische<br />

Ordnungsvorstellungen <strong>in</strong>dessen heißen Pluralismus gut und gründen auf Offenheit und<br />

Toleranz e<strong>in</strong>es gewissen Maßes an abweichendem Verhalten.<br />

In diese Vorstellungen <strong>von</strong> sozialer Integration und Konformität spielt auch e<strong>in</strong> ganzheitliches<br />

Verständnis h<strong>in</strong>e<strong>in</strong>. Da <strong>in</strong> traditionalistischen Vorstellungen nicht strikt zwischen<br />

Privatsphäre und Öffentlichkeit bzw. Politik getrennt wird, gilt der <strong>in</strong>dividuelle<br />

Lebensstil als Bestandteil der sozialen und politischen Ordnung. Dies hat zur Konsequenz,<br />

dass e<strong>in</strong> Wandel des Lebensstils, der sich etwa <strong>in</strong> der Veränderung der Bekleidungsweise<br />

oder des Freizeitverhaltens ausdrückt, <strong>in</strong>sbesondere <strong>von</strong> Älteren und<br />

<strong>in</strong>formellen Autoritäten als die Nichtrespektierung der sittlichen Ordnung und der traditionellen<br />

Werte sowie als Imitation westlicher Lebensstile <strong>in</strong>terpretiert wird. In e<strong>in</strong>igen<br />

Fällen wurde Kritik an der „Verwechslung“ bestimmter Verhaltensweisen mit Demokratie<br />

geübt (vgl. LHD/P, PDB/P, PAM/M, PDB/M, FAO/M, PM/C, KUB/C). Derartige<br />

Kritik verweist darauf, dass der Sprecher zwar e<strong>in</strong>e demokratische Ordnung<br />

gutheißt, sich aber nicht gänzlich <strong>von</strong> der Ganzheitlichkeit traditioneller Ordnungsvorstellungen<br />

befreien kann. Auch <strong>in</strong> Bezug auf die symbolische Dimension bestehen Unterschiede<br />

zwischen modernistischen und traditionalistischen Ordnungsvorstellungen.<br />

Modernistische Ordnungsvorstellungen nehmen hauptsächlich Bezug auf die formelle<br />

Kommunalordnung (postura do município) und Staatsverfassung (constituição), während bei<br />

traditionalistischen Ordnungsvorstellungen auch nicht formalisierte, metaphysische<br />

Elemente wie Ahnen und Geisterwelt e<strong>in</strong>bezogen werden.<br />

Stabilität. Obschon die Befragten bezüglich der sozialen und politischen Ordnung divergierende<br />

Vorstellungen aufweisen, lehnen sie übere<strong>in</strong>stimmend Unordnung im S<strong>in</strong>ne<br />

e<strong>in</strong>es Ungleichgewichts bzw. e<strong>in</strong>er Abweichung <strong>von</strong> e<strong>in</strong>er gewünschten oder für richtig<br />

empfundenen Weltordnung ab. Ordnung – im S<strong>in</strong>ne <strong>von</strong> Geregeltheit – wird gleichgesetzt<br />

mit Frieden (paz) und Harmonie (harmonia). Oftmals wird der Bezug auf Ordnung<br />

219


Politische Kultur <strong>in</strong> <strong>vier</strong> Fallkommunen<br />

über die negative Verwendung oder Ablehnung des Antonyms hergestellt. Als Antonyme<br />

<strong>von</strong> Ordnung werden verwendet: Unordnung (desordem), Verwirrung/Unruhe (confusão),<br />

Agitation (agitação), Konflikt (conflito). 122 Zügellosigkeit äußert sich <strong>in</strong> Ausdrücken<br />

wie libert<strong>in</strong>agem (Zügellosigkeit), como querem (willkürlich) oder de qualquer maneira (beliebig).<br />

Häufig wird die Formulierung verwendet, alles sei „<strong>in</strong> Ordnung“ bzw. „unter Kontrolle“.<br />

Dies deutet darauf h<strong>in</strong>, dass e<strong>in</strong>e allgeme<strong>in</strong>e Befolgung der Regeln und Gesetze<br />

wahrgenommen und die Ordnung als geltend und stabil bewertet wird. Solche Äußerungen<br />

f<strong>in</strong>den sich allerd<strong>in</strong>gs selten bei Befragten, die eher modernistische E<strong>in</strong>stellungen<br />

aufweisen. H<strong>in</strong>gegen greift vor allem die Polizei, die e<strong>in</strong>erseits <strong>in</strong> ihrer Informationspolitik<br />

e<strong>in</strong>geschränkt ist und andererseits sich als effektiv präsentieren möchte, auf dieses<br />

Antwortmuster zurück und vermischt somit Deskription mit normativer Wunschhaltung<br />

nach dem Pr<strong>in</strong>zip: ‚Es ist nicht, was nicht se<strong>in</strong> darf’.<br />

Das Ordnungskriterium Stabilität nimmt <strong>in</strong> zweifacher H<strong>in</strong>sicht Bezug auf Zeit: Zum<br />

e<strong>in</strong>en bedeutet Stabilität die strukturelle Beständigkeit über die Zeit. Zum anderen setzt<br />

die Ausbildung e<strong>in</strong>er stabilen Institutionenordnung die zeitaufwändigen Prozesse der<br />

Etablierung neuer und der Ablösung bestehender Institutionen voraus. Viele Befragte<br />

nehmen die E<strong>in</strong>führung der neuen demokratischen Ordnung als sehr unvermittelt wahr.<br />

Sie sehen die lokalen Bed<strong>in</strong>gungen nicht berücksichtigt (vgl. FAO/M). Während das<br />

Erleben e<strong>in</strong>es rapiden sozialen und politischen Wandels bei e<strong>in</strong>igen Befragten zu e<strong>in</strong>em<br />

Sicherheits- und Kontrollverlust führt, werten andere dies positiv als e<strong>in</strong>e Chance für<br />

Neuerung und Verbesserung. Entsprechend bestehen Unterschiede h<strong>in</strong>sichtlich ihrer<br />

Strategien der Anpassung an den Wandel. Von e<strong>in</strong>er modernistischen Sichtweise ausgehend<br />

wird die stärkere Diffusion der Ordnungspr<strong>in</strong>zipien gefordert, um Störfaktoren zu<br />

beheben und e<strong>in</strong>e <strong>in</strong>stitutionelle Effektivität erst zu ermöglichen. Gemäß traditionalistischen<br />

E<strong>in</strong>stellungen wird <strong>in</strong>des die stärkere Berücksichtigung traditioneller Ordnungselemente<br />

verlangt. Zudem wird der Wunsch nach e<strong>in</strong>er beschränkten demokratischen<br />

Ordnung mit lokalem Bezug geäußert, welche die Anwendung stärkerer Kontroll- und<br />

Diszipl<strong>in</strong>ierungsmaßnahmen zur Stabilisierung der Ordnung (controlar, discipl<strong>in</strong>ar, fazer<br />

cumprir) ermöglicht. Bezüglich des <strong>in</strong>stitutionellen Reformprozesses wird <strong>in</strong>sbesondere<br />

die Anfangsphase, <strong>in</strong> der es die <strong>in</strong>stitutionelle Logik und Verfahrensweise zu vermitteln<br />

und e<strong>in</strong>zuüben gilt, als sehr anfällig für Konflikte und Fehlschläge beschrieben (vgl.<br />

ADM/M, PAM/M, PRM/M, VF/M, PCM/P, UMO/P). Insofern bed<strong>in</strong>gt der Erfolg der<br />

122 Zum Beispiel: „Man sollte Unruhe, d.h. Agitationen und unnötige Konflikte, vermeiden.“<br />

(PRM/P)<br />

220


Politische Kultur <strong>in</strong> <strong>vier</strong> Fallkommunen<br />

<strong>in</strong>stitutionellen Reform e<strong>in</strong>es Vertrauensvorschusses, der eher <strong>in</strong> modernistischen als <strong>in</strong><br />

traditionalistischen E<strong>in</strong>stellungsmustern zu f<strong>in</strong>den ist. Die Bewertung e<strong>in</strong>er Situation als<br />

<strong>in</strong>stabil oder unsicher führt <strong>in</strong> der modernistischen Sichtweise zu e<strong>in</strong>er Steigerung des<br />

Modernisierungsdrucks, während es unter traditionalistischen Vorzeichen nicht selten<br />

zu e<strong>in</strong>er so genannten Retraditionalisierung, d.h. e<strong>in</strong>er nativistischen Überhöhung vergangener<br />

Ordnungsvorstellungen kommt (vgl. CHABAL/DALOZ 1999a: 49ff).<br />

Sicherheit. <strong>E<strong>in</strong>e</strong> wesentliche Bed<strong>in</strong>gung für die Stabilität <strong>von</strong> Systemen ist Sicherheit.<br />

Wenngleich ‚objektive’ Kriterien für Sicherheit benannt werden können, bleiben E<strong>in</strong>schätzungen<br />

subjektiv. In der Interpretation der Sicherheitslage spiegeln sich auch die<br />

subjektiven Ordnungsvorstellungen, d.h. <strong>in</strong>wieweit sich Befragte zuversichtlich zeigen,<br />

dass das soziale und politische System aktuelle Probleme zu lösen <strong>in</strong> der Lage ist und die<br />

Geltung der zentralen Ordnungspr<strong>in</strong>zipien über die Zeit gewährleistet werden kann.<br />

Entsprechend muss berücksichtigt werden, dass Sprecher bei der Formulierung ihrer<br />

E<strong>in</strong>schätzungen e<strong>in</strong> bestimmtes Interesse verfolgen. Beispielsweise haben Befragte des<br />

Demobilisiertenverbandes die Sicherheitslage negativer dargestellt als andere Befragte <strong>in</strong><br />

Pemba, um damit u.a. für die Notwendigkeit e<strong>in</strong>er Geme<strong>in</strong>depolizei zu argumentieren,<br />

<strong>in</strong> der Demobilisierte Arbeit f<strong>in</strong>den könnten. Der gleiche Zusammenhang wurde aus der<br />

Perspektive der Polizei deutlich positiver dargestellt.<br />

In der Untersuchung werden als Bedrohung für die öffentliche Sicherheit häufig die<br />

sozialen Phänomene genannt, die sich e<strong>in</strong>er vollständigen Kontrolle entziehen. Dazu<br />

zählen weniger die kle<strong>in</strong>en Delikte als der Alkohol- und Drogenkonsum und die häufig<br />

damit im Zusammenhang gebrachte Arbeitslosigkeit, die Menschen zur Marg<strong>in</strong>alität und<br />

Krim<strong>in</strong>alität zw<strong>in</strong>gt (vgl. PRM/P, PCM/P, VF/P, PAM/P, FRE/P). Darüber h<strong>in</strong>aus<br />

sche<strong>in</strong>en Schlüsselereignisse wie die Demonstrationen <strong>in</strong> Montepuez <strong>von</strong> herausragender<br />

Bedeutung zu se<strong>in</strong>, da <strong>von</strong> diesen e<strong>in</strong>e enorme Sogwirkung im S<strong>in</strong>ne e<strong>in</strong>er Anstiftung<br />

zur Normverletzung ausgeht.<br />

Auffällig ist, dass zivilgesellschaftliche Akteure (vgl. KS/M, PSI/C) und <strong>in</strong>formelle Autoritäten<br />

(vgl. PDB/M, SDB/V) e<strong>in</strong>e Sicherheitssituation negativer e<strong>in</strong>schätzen als etwa<br />

Bürgermeister, Polizei und Mitglieder der Frelimo-Partei (vgl. PCM/M, PM/M, FRE/M,<br />

FRE/C). <strong>E<strong>in</strong>e</strong> mögliche Erklärung hierfür ist, dass Bürgermeister, Polizei und Frelimo<br />

vermitteln wollen, dass die gegenwärtige Ordnung nicht gefährdet ist und sie durch e<strong>in</strong>e<br />

gute Arbeit hierzu beitragen. H<strong>in</strong>gegen s<strong>in</strong>d zivilgesellschaftliche Akteure und <strong>in</strong>formelle<br />

Autoritäten nicht an solche Interessen gebunden. Darüber h<strong>in</strong>aus s<strong>in</strong>d sie näher an der<br />

Bevölkerung und wissen um ihre tatsächlichen Sorgen. Befragte, die zwar die Sicher-<br />

221


Politische Kultur <strong>in</strong> <strong>vier</strong> Fallkommunen<br />

heitssituation für nicht unbedenklich achten, jedoch die gegenwärtige Ordnung als stabil<br />

ansehen, sprechen <strong>von</strong> e<strong>in</strong>em natürlichen M<strong>in</strong>destmaß an Unsicherheit, das zu tolerieren<br />

sei (vgl. PAM/M, PRM/M). E<strong>in</strong>ige Befragte kritisieren die fehlende Rechtssicherheit,<br />

d.h. die une<strong>in</strong>deutige bzw. widersprüchliche Gesetzeslage sowie das Fehlen e<strong>in</strong>er<br />

konsequenten Sanktionierung <strong>von</strong> Gesetzesverstößen (vgl. SERRA u.a. 2000b: 79). Wird<br />

die Rechtsunsicherheit <strong>in</strong> Beziehung zur demokratischen Offenheit und Freiheit gesetzt,<br />

wird e<strong>in</strong>e Limitierung bzw. e<strong>in</strong>e stärkere Kontrolle der Demokratie gefordert. Zum Teil<br />

werden auch die Rechtslage während des Sozialismus und des Kolonialismus positiv<br />

hervorgehoben. In ähnlicher Weise fühlen sich e<strong>in</strong>ige Befragte unsicher, weil ihnen politische<br />

Autorität unbeständig und willkürlich ersche<strong>in</strong>t (vgl. KS/M). H<strong>in</strong>gegen begründen<br />

eher modernistisch e<strong>in</strong>gestellte Befragte, welche die Rechtsunsicherheit nicht auf die<br />

demokratische Freiheit zurückführen wollen, dies mit der Unwissenheit bzw. Überlastung<br />

der verantwortlichen Institutionen und mit der Neuartigkeit des Reformprozesses.<br />

Dass es bei der Vermittlung <strong>von</strong> Sicherheit nicht um Maßnahmen geht, welche die Sicherheit<br />

tatsächlich steigern, sondern um den E<strong>in</strong>druck bestehender Kontrolle, zeigt v.a.<br />

der régulo <strong>von</strong> Colónia, der während des Krieges die Geister um Schutz anrief. Ihm zufolge<br />

fühlte sich die Bevölkerung danach sicher (vgl. RC/M). Aufgrund der <strong>in</strong>vol<strong>vier</strong>ten<br />

Interessen ist es <strong>in</strong>sgesamt schwierig, die Vielfalt der E<strong>in</strong>stellungen zu Sicherheit e<strong>in</strong>deutig<br />

<strong>in</strong> Bezug zu traditionalistischen oder modernistischen E<strong>in</strong>stellungen zu setzen. Vorsichtig<br />

geschätzt bewerten traditionalistisch e<strong>in</strong>gestellte die Sicherheitslage tendenziell<br />

skeptisch, während modernistisch e<strong>in</strong>gestellte Befragte sich eher zuversichtlich äußern.<br />

Dimension Traditionalistische<br />

E<strong>in</strong>stellungsmuster<br />

Soziale Integration E<strong>in</strong>heit als Bed<strong>in</strong>gung für<br />

Legitimation, Effektivität, Schutz:<br />

‚E<strong>in</strong>heit trotz Vielfalt’<br />

Konformität/Devianz Ganzheitlichkeit<br />

Pflicht zur Konformität und<br />

Regelbefolgung<br />

Stabilität Stabilität durch Kontrolle und<br />

Sanktion<br />

Sicherheit Eher skeptische E<strong>in</strong>schätzung der<br />

Sicherheitslage<br />

Modernistische<br />

E<strong>in</strong>stellungsmuster<br />

Freiheit des E<strong>in</strong>zelnen und Kreativität als<br />

Bed<strong>in</strong>gung für effektives Handeln:<br />

‚E<strong>in</strong>heit durch Vielfalt’<br />

Trennung <strong>von</strong> politischer und privater<br />

Sphäre<br />

Individualität, Recht auf Abweichung<br />

Regelbefolgung aus Vernunft<br />

Stabilität durch Adaption und<br />

Innovation<br />

Eher zuversichtliche E<strong>in</strong>schätzung der<br />

Sicherheitslage<br />

Tabelle 22: Wesentliche Unterschiede zwischen traditionalistischen und modernistischen<br />

E<strong>in</strong>stellungsmustern<br />

222


Entwicklung <strong>von</strong> Thesen<br />

6 Entwicklung <strong>von</strong> Thesen zum Zusammenhang<br />

<strong>von</strong> Konflikt und Ordnungsvorstellungen<br />

Die Diskussion im vorigen Abschnitt verdeutlicht, dass <strong>in</strong> der lokalen politischen<br />

Kultur traditionalistische und modernistische Ordnungsvorstellungen vorhanden<br />

s<strong>in</strong>d. Entscheidend ist jedoch, dass <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er großen Zahl der gemachten Aussagen<br />

zugleich Merkmale modernistischer und traditionalistischer Ordnungsvorstellungen<br />

vorzuf<strong>in</strong>den s<strong>in</strong>d. Es wird darum e<strong>in</strong> neuer Idealtypus <strong>von</strong> Ordnungsvorstellungen<br />

e<strong>in</strong>geführt, der als hybrid bezeichnet wird. Auf der Grundlage e<strong>in</strong>er Spezifizierung<br />

der Ordnungsvorstellungen sowie ihrer Beziehungen zue<strong>in</strong>ander werden anschließend<br />

drei Thesen vorgestellt.<br />

6.1 E<strong>in</strong>führung des Typus ‚hybride Ordnungs-<br />

vorstellungen’<br />

An dieser Stelle ließe sich argumentieren, dass im S<strong>in</strong>ne des verstehenden Ansatzes<br />

die Konstruktion ‚bere<strong>in</strong>igter’ Typen dem hermeneutischen Zweck mit dem Nachteil<br />

dient, dass die <strong>in</strong> der Empirie vorf<strong>in</strong>dbaren ‚Mischfälle’ nicht e<strong>in</strong>deutig zuzuordnen<br />

s<strong>in</strong>d. Stattdessen spricht vor dem H<strong>in</strong>tergrund der Konfliktanalyse und der Transformationskontexts<br />

e<strong>in</strong>iges dafür, e<strong>in</strong>en neuen Typus e<strong>in</strong>zuführen. Diese ‚Hybridkategorie’<br />

soll sich vorrangig dadurch auszeichnen, dass traditionalistische und<br />

modernistische Ordnungsvorstellungen auf zwei Arten mite<strong>in</strong>ander verbunden werden.<br />

<strong>E<strong>in</strong>e</strong>rseits sollen die mehrdeutigen Fälle berücksichtigt werden, die sich als<br />

‚sowohl traditionalistisch als auch modernistisch’ kennzeichnen ließen. Andererseits<br />

sollen hier die unbestimmten Fälle e<strong>in</strong>gehen, <strong>in</strong> denen traditionalistische Ordnungsvorstellungen<br />

nicht mehr vertreten und modernistische Vorstellungen noch nicht anerkannt<br />

werden. Kulturtheoretische Vorschläge zur Beschreibung vergleichbarer<br />

Mischkategorien greifen auf Bezeichnungen wie hybrid 123 , synkretizistisch oder als<br />

<strong>in</strong>-between 124 . Ich verwende hier den Begriff hybrid (late<strong>in</strong>isch hibrida: Mischl<strong>in</strong>g), obwohl<br />

zum Teil auch e<strong>in</strong>e strategisch <strong>in</strong>strumentelle Komponente vorliegt und somit<br />

123 SERRA u.a. (2000) sprechen <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Fallstudie zur Konfliktbearbeitung e<strong>in</strong>es régulo <strong>in</strong> Beira<br />

<strong>von</strong> e<strong>in</strong>em politisch-rechtlichen Hybrid (híbrido político-judicial). E<strong>in</strong> weiteres Beispiel für<br />

die Verwendung des Begriffs ‚hybrid’ bietet der argent<strong>in</strong>ische Kulturanthropologe Néstor<br />

GARCIA CANCLINI, der <strong>von</strong> e<strong>in</strong>er hybriden Kultur <strong>in</strong> Late<strong>in</strong>amerika als Abspaltung bzw. als alternatives<br />

Modell zu westlichen Modernitätskonzepten spricht. Diesen H<strong>in</strong>weis verdanke ich<br />

Prof. J.H. Wolff.<br />

124 Der Ausdruck f<strong>in</strong>det sich u.a. <strong>in</strong> Kultur- und Migrationsstudien <strong>von</strong> Homi BHABHA oder<br />

Peter SCHUCK.<br />

223


Entwicklung <strong>von</strong> Thesen<br />

auch der Begriff eklektizistisch <strong>in</strong> Frage käme. Jedoch verweist eklektizistisch zu stark<br />

auf e<strong>in</strong>e bewusste Auswahl aus mehreren Optionen (griechisch eklege<strong>in</strong>: auswählen).<br />

Hier<strong>von</strong> kann nicht <strong>in</strong> jedem Fall ausgegangen werden, vor allem würde dies anomischen<br />

Situationen widersprechen. Schließlich spricht die verbreitete negative Ladung<br />

im S<strong>in</strong>ne <strong>von</strong> ‚unorig<strong>in</strong>ell’ und ‚unschöpferisch’ gegen die Verwendung <strong>von</strong> ‚eklektisch’<br />

und für die Verwendung des neutraleren ‚hybrid’. Unter E<strong>in</strong>beziehung der bereits<br />

ausgeführten Differenzierungen zur Legitimation <strong>von</strong> Autorität sowie zum<br />

Selbstverständnis als Mitglied e<strong>in</strong>er politischen Geme<strong>in</strong>schaft lassen sich zusammenfassend<br />

also drei Idealtypen <strong>von</strong> Ordnungsvorstellungen unterscheiden: traditionalistisch,<br />

modernistisch und hybrid. Die Charakterisierung der Ordnungstypen gründet<br />

auf der Verdichtung der beschriebenen Ordnungsvorstellungen sowie auf e<strong>in</strong>er Vielzahl<br />

<strong>von</strong> Studien. 125 Gemäß modernistischen Vorstellungen ließe sich die Herrschaftsordnung<br />

durch die folgenden <strong>vier</strong> Elemente beschreiben:<br />

Legitimationsgrundlage. Die Souveränität des E<strong>in</strong>zelnen äußert sich <strong>in</strong> der Übertragung<br />

des Herrschaftsrechts an Autoritäten, die unter e<strong>in</strong>em stetigen Legitimierungszwang<br />

stehen. Herrschaft ist an schriftlich kodifizierte Normen gebunden. Der Herrschaftszugang<br />

wird durch Wahlen reglementiert.<br />

Herrschaftsaspekte. Die politische Macht wird mittels systematischen Zweifels und des<br />

Risikos e<strong>in</strong>es potentiellen Sturzes durch e<strong>in</strong>e demokratische Abwahl kontrolliert. Die<br />

Opposition wird dabei als politische Alternative gehandelt. Der Herrschaftsanspruch<br />

der funktional differenzierten politischen Elite ist begrenzt, denn das übergeordnete<br />

Ziel ist die Neutralisierung <strong>von</strong> Herrschaft. Dementsprechend wird e<strong>in</strong>e Entkopplung<br />

<strong>von</strong> Person und Amt durch Bürokratisierung angestrebt.<br />

Ordnungspr<strong>in</strong>zipien. Grundlegende soziale und politische Pr<strong>in</strong>zipien s<strong>in</strong>d Pluralismus,<br />

Offenheit, Freiheit und Toleranz. Der Mensch als Steuerungsobjekt widerspricht<br />

dem übergeordneten Freiheitspr<strong>in</strong>zip. Wichtige und systemprägende Pr<strong>in</strong>zipien s<strong>in</strong>d<br />

Effektivität und Ressourceneffizienz, so dass e<strong>in</strong>e soziale Modernisierung und damit<br />

soziale Innovationen begrüßt werden. Entsprechend gilt die Ordnung als pr<strong>in</strong>zipiell<br />

gestaltbar, es herrschen jedoch dynamisch-komplexe Zusammenhänge vor, so dass<br />

der Steuerung Grenzen gesetzt s<strong>in</strong>d.<br />

125 Vgl. ALEXANDER 1995, SILVA 1995, BAPTISTA LUNDIN 1996, CAHEN 1996, CUAHELA 1996,<br />

FERNANDO 1996, NHANCALE 1996, CANAS 1998b, ARTUR 1999b, CAFUQUIZA 1999, DIAL-<br />

LO 1999, IVALA 1999, WEIMER 1999, O’LAUGHLIN 2000, ROQUE/TENGLER 2001.<br />

224


Entwicklung <strong>von</strong> Thesen<br />

Der Mensch als politisches Subjekt. Das politische System baut auf der umfassenden aktiven<br />

Teilhabe mündiger Bürger an Entscheidungs- und Gestaltungsprozessen. Neben<br />

Selbstverwirklichung steht politische Partizipation für die systemische Kapazität zur<br />

Problemlösung und Systemstabilisierung. Die Zivilgesellschaft wirkt als korrigierende,<br />

den formalen politischen Autoritäten mitunter oppositionell e<strong>in</strong>gestellte gestalterische<br />

und antreibende Kraft. Entsprechend s<strong>in</strong>d Interessenskonflikte und deren<br />

konstruktive Bearbeitung e<strong>in</strong> fester Bestandteil des Systems. Dennoch erträgt die<br />

Herrschaftsordnung e<strong>in</strong> gewisses Maß an Indifferenz und Misstrauen.<br />

H<strong>in</strong>gegen s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> den genannten Dimensionen die folgenden Elemente für e<strong>in</strong>e<br />

Ordnung gemäß traditionalistischen Vorstellungen kennzeichnend:<br />

Legitimationsgrundlage. Die Legitimationsgrundlage traditioneller Macht basiert auf Abstammung,<br />

mythologische Ereignisse, Besetzung <strong>von</strong> Land oder auf kriegerischer<br />

Eroberung. Autoritäten werden entweder nach dem Pr<strong>in</strong>zip der Abstammung oder<br />

durch <strong>in</strong>formelle Verfahren bestimmt. Sie werden e<strong>in</strong>malig und leistungsunabhängig<br />

legitimiert.<br />

Herrschaftsaspekte. Machtkontrolle besteht <strong>in</strong> erster L<strong>in</strong>ie durch die normative Selbstverpflichtung<br />

der Herrschenden. Im Falle e<strong>in</strong>er groben Verfehlung kann es allerd<strong>in</strong>gs<br />

zum Sturz oder zur Verweigerung des Gehorsams kommen. Politische Alternativen<br />

werden nur im Falle e<strong>in</strong>er groben Verfehlung oder im Todesfall erkannt. Die Steuerungskompetenz<br />

ist hierarchisch gegliedert und obliegt nur berechtigten Autoritäten.<br />

Person und Amt werden oftmals gleichgesetzt. E<strong>in</strong> rigider Herrschaftsstil und das<br />

Pr<strong>in</strong>zip der E<strong>in</strong>schüchterung kennzeichnen den ganzheitlichen Herrschaftsanspruch.<br />

Ordnungspr<strong>in</strong>zipien. Die Freiheit des Individuums wird zugunsten der Geme<strong>in</strong>schaft<br />

begrenzt. Individuelle Rechte hängen <strong>von</strong> der Zugehörigkeit zu bestimmten sozialen<br />

Gruppen ab. Das Solidaritätspr<strong>in</strong>zip dom<strong>in</strong>iert <strong>in</strong> sozialen und politischen Handlungsfeldern<br />

und def<strong>in</strong>iert die Kriterien verschiedener Gruppenzugehörigkeiten. Die<br />

Aufrechterhaltung der geme<strong>in</strong>schaftlichen Solidarität und der Ordnung stehen im<br />

Vordergrund. Das Pr<strong>in</strong>zip der Konformität und e<strong>in</strong>e starke Konsensorientierung<br />

nach <strong>in</strong>nen sowie die ger<strong>in</strong>ge Toleranz <strong>von</strong> Fremdartigkeit prägen die politische Geme<strong>in</strong>schaft.<br />

Der Mensch als politisches Subjekt. Der E<strong>in</strong>zelne begreift sich als Untertan, d.h. zum<br />

e<strong>in</strong>en gehorcht er aufgrund e<strong>in</strong>es Anpassungsdrucks und sozialer Sanktionen, zum<br />

anderen unterwirft er sich fatalistisch e<strong>in</strong>er sozialen Ordnung. Es gibt ke<strong>in</strong>e Herr-<br />

225


Entwicklung <strong>von</strong> Thesen<br />

schaftsbeteiligung des Volkes. Der Mensch nimmt se<strong>in</strong>e eigenen E<strong>in</strong>flussmöglichkeiten<br />

als beschränkt wahr. Entsprechend ist der Partizipationsgrad niedrig.<br />

Hybride Ordnungsvorstellungen. Das Besondere ist nun, dass e<strong>in</strong>e Vielzahl beschriebener<br />

Ordnungsvorstellungen weder e<strong>in</strong>deutig traditionalistischen noch modernistischen<br />

Ordnungsvorstellungen zuzuordnen s<strong>in</strong>d. Das heißt, es werden<br />

Ordnungsvorstellungen identifiziert, die sowohl Elemente modernistischer als auch<br />

traditionalistischer Ordnungen erkennen lassen. Sie s<strong>in</strong>d als Vorstellungen <strong>von</strong> Individuen<br />

zu verstehen, die e<strong>in</strong>e vorgestellte moderne Ordnung – zum<strong>in</strong>dest partiell –<br />

akzeptieren wollen/müssen und sich zugleich nicht <strong>von</strong> traditionellen Ordnungselementen<br />

befreien wollen/können. Die Une<strong>in</strong>deutigkeit kann dabei als e<strong>in</strong> Resultat<br />

e<strong>in</strong>er unvermittelten Ause<strong>in</strong>andersetzung mit e<strong>in</strong>em Norm- und Wertekomplex aufgefasst<br />

werden, das mit den eigenen Ordnungsvorstellungen unvere<strong>in</strong>bar ersche<strong>in</strong>t.<br />

Obwohl also <strong>in</strong>konsistent, koexistieren dist<strong>in</strong>kte Ordnungssphären, die jeweils <strong>in</strong><br />

spezifischen Kontexten handlungsorientierend wirken. Während jedoch e<strong>in</strong>e gedachte<br />

traditionelle Ordnung als unveränderbar wahrgenommen wird, gilt e<strong>in</strong>e vorgestellte<br />

moderne Ordnungsstruktur nicht alle<strong>in</strong> für politische Autoritäten sondern auch für<br />

andere Akteure, die über die entsprechenden Ressourcen verfügen, als offen und<br />

gestaltbar. Das Individuum erlangt Freiheit <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em doppelten S<strong>in</strong>n: Zum e<strong>in</strong>en<br />

bedeutet dies die Freisetzung aus dem klar strukturierten Umfeld e<strong>in</strong>er solidarischen<br />

Geme<strong>in</strong>schaft, die zwar S<strong>in</strong>n stiftend und orientierend aber ebenso e<strong>in</strong>grenzend<br />

wirkt. Damit eröffnet sich die Möglichkeit, mit den fest gefügten Rollenbildern zu<br />

brechen sowie sich dem Druck zur Konformität und zur Solidarität zu entziehen.<br />

Zum anderen steht die moderne demokratische Ordnung für den Zugew<strong>in</strong>n an<br />

Handlungsoptionen und Freiräumen. Damit werden Offenheit und Dynamik aber<br />

auch Beliebigkeit und Komplexität zu Merkmalen des sozialen und politischen Lebens.<br />

Die Befreiung aus dem engen und stützenden ‚Korsett’ der Tradition führt <strong>in</strong><br />

die Freiheit aber auch <strong>in</strong> die Belastung der Moderne. Inwieweit sich der E<strong>in</strong>zelne<br />

unter diesen Bed<strong>in</strong>gungen zurechtzuf<strong>in</strong>den vermag, hängt – <strong>in</strong> Anlehnung an das<br />

Begriffssystem BOURDIEUs (1983b) – <strong>von</strong> se<strong>in</strong>em sozialen, ökonomischen und politischen<br />

Kapital ab: E<strong>in</strong> hohes Bildungsniveau, ausreichend ökonomische Ressourcen<br />

und/oder e<strong>in</strong> ausgebautes politisches Netzwerk erweitern die Chancen auf sozialen,<br />

ökonomischen und politischen Erfolg. Umgekehrt werden sich diejenigen, die nicht<br />

über die relevanten Kapitalsorten verfügen, als die Verlierer <strong>in</strong> der sozialen und politischen<br />

Umbruchsituation wahrnehmen. Die Untersuchungsergebnisse legen e<strong>in</strong>e<br />

226


Entwicklung <strong>von</strong> Thesen<br />

Differenzierung <strong>von</strong> zwei Bewältigungsstrategien nahe, wobei der erste Fall als opportunistisch,<br />

der zweite als anomisch bezeichnet wird.<br />

‚Opportunistische’ Akteure orientieren ihre Wahrnehmung und Deutung <strong>von</strong> Situationen<br />

sowie ihr Handeln zugleich an Kriterien und Referenzpunkten unterschiedlicher<br />

sozialer und politischer Ordnungen, die beide als gleichwertig aufgefasst werden<br />

können. Sie nutzen so die Une<strong>in</strong>deutigkeit der ungefestigten Situation zum eigenen<br />

Vorteil. Anstatt e<strong>in</strong>er e<strong>in</strong>deutigen Trennung, kommt es zu e<strong>in</strong>er partiellen Überlagerung<br />

der Ordnungen, die unter Kosten-Nutzen-Kalkulationen reorganisiert werden.<br />

Entsprechend selektiv werden die Sanktionen der Institutionen anerkannt, welche die<br />

Ordnung repräsentieren. Auch die Gruppenzugehörigkeit erfolgt kontextabhängig<br />

nach solidarischen oder rational-utilitaristischen Kriterien. Obwohl Akteure <strong>in</strong>folge<br />

der wahrgenommen Gestaltbarkeit der Ordnung vergleichsweise hohe Selbstwirksamkeitsüberzeugungen<br />

entwickeln können, kann das utilitaristische Handlungspr<strong>in</strong>zip<br />

zu Krisen führen, z.B. <strong>in</strong>folge kognitiver Dissonanzen. Weil die<br />

Orientierungsfunktion der modernen Ordnung dann nicht mehr zufrieden stellend<br />

erfüllt wird, kann es zu e<strong>in</strong>er nativistischen Wiedererf<strong>in</strong>dung bzw. Wiederaufwertung<br />

des Traditionellen kommen. Gleichfalls kann es zu e<strong>in</strong>er Retraditionalisierung kommen,<br />

wenn der Akteur sich dadurch mehr Optionen bzw. größere Chancen erhofft<br />

(vgl. CRUZ E SILVA 2000: 200f). In der Praxis fallen solche Ordnungskonstruktionen<br />

v.a. durch ihre Inkonsistenz und Unbeständigkeit auf. So werden zwar politischer<br />

Pluralismus und demokratische Freiheiten begrüßt, aber nur bis zu e<strong>in</strong>em bestimmten<br />

Ausmaß. Die Mitgliedschaft <strong>in</strong> politischen Parteien hat zwar nicht den Stellenwert<br />

e<strong>in</strong>er primordialen Zugehörigkeit, wird aber dennoch so stark aufgewertet und<br />

emotionalisiert, dass der Wahlkampf extrem konfliktanfällig wird (vgl. auch TOLLE-<br />

NAERE 2002: 45). Das Mehrparteiensystem erleichtert den Zugang zu Macht. Jedoch<br />

ist es auffällig schwierig, das demokratische Pr<strong>in</strong>zip des systematischen Misstrauens<br />

und der systemloyalen Opposition, welches zu e<strong>in</strong>em fortwährenden Zwang zur<br />

Rechtfertigung und zur Legitimierung führt, zu etablieren. Stattdessen bemühen sich<br />

Eliten, den permanenten Legitimationszwang zu reduzieren, etwa <strong>in</strong>dem sie an die<br />

traditionalistischen Ordnungsvorstellungen anknüpfend Amt und Person verb<strong>in</strong>den.<br />

Politische Akteure begrüßen den erleichterten Herrschaftszugang <strong>in</strong> demokratischen<br />

Ordnungen. S<strong>in</strong>d sie aber e<strong>in</strong>mal <strong>in</strong> Machtpositionen etabliert, bemühen sie sich um<br />

e<strong>in</strong>en erschwerten ‚Abgang’. In ähnlicher Weise verhält es sich mit zivilgesellschaftlichen<br />

Akteuren, die sich weniger aus e<strong>in</strong>er ideologischen Motivation heraus engagie-<br />

ren als aus E<strong>in</strong>kommens<strong>in</strong>teressen. Insofern macht es für diese ke<strong>in</strong>en S<strong>in</strong>n, mit der<br />

227


Entwicklung <strong>von</strong> Thesen<br />

Kommunalverwaltung zu opponieren, die Aufträge und Mittel bereitstellt. Insbesondere<br />

für Verwaltungssysteme besteht dabei die Gefahr der Verselbständigung und<br />

der Funktionsverzerrung, d.h. die Verwaltung erfüllt nicht (alle<strong>in</strong>) adm<strong>in</strong>istrative und<br />

implementierende Funktionen, sondern dient der Befriedigung <strong>von</strong> Funktionärs<strong>in</strong>teressen<br />

und der Stabilisierung des lokalen Herrschaftssystems.<br />

Im Gegensatz zum Opportunismus resultiert die Anomie daraus, dass stabile Ordnungsvorstellungen<br />

ihre Orientierungsfunktion im Zuge biographischer Krisen verlieren.<br />

Zentrale Erlebnisse wie die passive oder aktive Beteiligung an<br />

Kriegshandlungen (Traumatisierung), das Erleben <strong>von</strong> Des<strong>in</strong>tegrationsprozessen<br />

<strong>in</strong>folge <strong>von</strong> AIDS oder durch Drogen- und Alkoholkonsum führen zu e<strong>in</strong>er Entwertung<br />

<strong>von</strong> Normen und Tabus. 126 Laut der Beschreibung <strong>von</strong> Befragten f<strong>in</strong>den sich<br />

die Merkmale e<strong>in</strong>er anomischen Haltung am häufigsten unter ehemaligen Soldaten,<br />

Drogenabhängigen und Straßenk<strong>in</strong>dern. Das vorhandene <strong>in</strong>stitutionelle Arrangement<br />

kann ihnen nicht ausreichend verb<strong>in</strong>dliche Handlungsorientierung anbieten, so dass<br />

angedrohte Sanktionen ke<strong>in</strong>e Wirkung erzielen. In der Folge kann es e<strong>in</strong>erseits zu<br />

passiven und <strong>in</strong>differenten Haltungen kommen und andererseits zu e<strong>in</strong>er generellen<br />

Missachtung bestehender Gesetze. Hier wird also die anomische Krim<strong>in</strong>alität und<br />

Gewalt <strong>in</strong> Beziehung gesetzt zu e<strong>in</strong>em defizitären <strong>in</strong>stitutionellem Kontext und zur<br />

Unfähigkeit <strong>von</strong> Akteuren, sich unter diesen Bed<strong>in</strong>gungen zurechtzuf<strong>in</strong>den (vgl. Abschnitt<br />

2.1). Obwohl opportunistische Haltungen die Ausschöpfung <strong>von</strong> Systempotentialen<br />

nicht erlauben, ließen sie sich als produktiv bezeichnen. H<strong>in</strong>gegen s<strong>in</strong>d<br />

anomische Haltungen v.a. <strong>in</strong> der krim<strong>in</strong>ellen Variante destruktiv. Sie verursachen<br />

hohe materielle und immaterielle Kosten und wirken destabilisierend auf die Gesellschaft.<br />

Jedoch ist da<strong>von</strong> auszugehen, dass der Anteil e<strong>in</strong>er opportunistischen Haltung<br />

im Vergleich zu e<strong>in</strong>er anomischen überwiegt. Die völlige Freisetzung aus e<strong>in</strong>em orientierenden<br />

und unterstützenden sozialen Zusammenhang ist eher als Ausnahme zu<br />

verstehen.<br />

126 So hatte die Rekrutierung <strong>von</strong> K<strong>in</strong>dersoldaten auch wesentliche Folgen auf ihre Familien und<br />

Geme<strong>in</strong>schaften, die dar<strong>in</strong> ihre Unfähigkeit erkannten, Schutz zu bieten. Aus dem gleichen<br />

Grund kam es auch zu e<strong>in</strong>em Ansehens- und Vertrauensverlust <strong>von</strong> traditionellen Autoritäten,<br />

Heilern, synkretistischen Kirchen oder Geme<strong>in</strong>deführern, mit der Folge, dass dadurch<br />

traditionelle Konfliktbearbeitungsmechanismen und –<strong>in</strong>stitutionen <strong>in</strong> Mitleidenschaft gezogen<br />

wurden. Mit der Rückkehr der K<strong>in</strong>dersoldaten waren die Familien und Geme<strong>in</strong>schaften<br />

vor neue Probleme gestellt. Sie hatten Angst vor den K<strong>in</strong>dersoldaten und vor e<strong>in</strong>er Verunre<strong>in</strong>igung<br />

durch die Geister, welche die K<strong>in</strong>dersoldaten aufgrund ihrer Taten verfolgten (vgl.<br />

STEUDTNER 2000: 16)<br />

228


Entwicklung <strong>von</strong> Thesen<br />

Unter Berücksichtigung der spezifizierten Idealtypen <strong>von</strong> Ordnungsvorstellungen<br />

werden im Folgenden drei Thesen zum Zusammenhang <strong>von</strong> <strong>in</strong>stitutioneller Ordnung,<br />

subjektiven Ordnungsvorstellungen und Konfliktbereitschaft zur Diskussion<br />

gestellt.<br />

6.2 These 1: Gewalt <strong>in</strong> une<strong>in</strong>deutigen <strong>in</strong>stitutionellen<br />

Kontexten<br />

Akteure werden <strong>in</strong> Situationen, die aufgrund des <strong>in</strong>stitutionellen Kontexts une<strong>in</strong>deutig<br />

bleiben, zu Anpassungsstrategien gedrängt. Hierbei besteht <strong>in</strong> der Anwendung<br />

<strong>von</strong> Gewalt e<strong>in</strong>e Möglichkeit, E<strong>in</strong>deutigkeit herzustellen. Inwieweit Gewalt als rationale<br />

Handlungsoption <strong>in</strong> Frage kommt, hängt <strong>von</strong> signifikanten Personen und<br />

Gruppen ab, an denen die Akteure ihr Handeln <strong>in</strong> Situationen der Unsicherheit und<br />

des Konflikts orientieren, wozu <strong>in</strong> besonderem Maße Autoritäten zu zählen s<strong>in</strong>d.<br />

Hierbei muss <strong>in</strong>sbesondere die Bedeutung psychosozialer Faktoren berücksichtigt<br />

werden.<br />

Handlungsstrategien <strong>in</strong> une<strong>in</strong>deutigen Situationen. In e<strong>in</strong>er Situation <strong>in</strong>stitutioneller<br />

Une<strong>in</strong>deutigkeit lassen sich pr<strong>in</strong>zipiell drei Handlungsstrategien unterscheiden:<br />

(a) Der Akteur erkennt die Gleichzeitigkeit mehrerer handlungsorientierender Institutionen<br />

an und bemüht sich, se<strong>in</strong> Handeln den normativen Ansprüchen im Handlungsfeld<br />

anzupassen. Dem Akteur werden dabei Anstrengungen und Kompetenzen<br />

abverlangt, wie z.B. das Wissen um die <strong>in</strong> der Situation angemessenen bzw. erwarteten<br />

Normen und die Flexibilität, diese im Handeln zu berücksichtigen; die Fähigkeit,<br />

sich für Handlungsoptionen auch unter fehlender Information über die jeweiligen<br />

Folgen zu entscheiden; oder auch Strategien zur Reduktion der kognitiven Dissonanz,<br />

welche sich notwendigerweise aus der Widersprüchlichkeit s<strong>in</strong>nproduzierender<br />

Institutionen ergibt. Denkbar ist e<strong>in</strong>e Art ‚Normeklektizismus’, <strong>in</strong> dem Normen aus<br />

unterschiedlichen Normsystemen entnommen werden und zu e<strong>in</strong>er partikularen<br />

‚S<strong>in</strong>ncollage’ <strong>in</strong>tegriert werden. Dabei kann die Situations- und Akteursangemessenheit<br />

subjektiv def<strong>in</strong>iert werden, so dass e<strong>in</strong>e Akkumulierung <strong>von</strong> vorteilhaften, d.h.<br />

das positive Selbstbild und das subjektive Wohlbef<strong>in</strong>den verstärkenden Normen<br />

möglich ist und gleichzeitig nachteilige Normen ausgespart werden.<br />

(b) Der Akteur zieht sich aus dem Handlungsfeld zurück. Rückzugsstrategien äußern<br />

sich beispielsweise <strong>in</strong> der Annahme apolitischer Haltungen oder <strong>in</strong> der Zuflucht <strong>in</strong><br />

andere, dem Akteur bekannte oder e<strong>in</strong>deutig ersche<strong>in</strong>ende Ordnungsvorstellungen<br />

229


Entwicklung <strong>von</strong> Thesen<br />

und Normsysteme. Hierunter fallen etwa Glaubenssysteme oder simplifizierende<br />

politische Ideologien. Im Extremfall kann es zu e<strong>in</strong>em ‚<strong>in</strong>stitutionellen Autismus’<br />

kommen, d.h. zur Schaffung e<strong>in</strong>er re<strong>in</strong> privaten und selbstbezogenen Normorientierung<br />

unter Außerachtlassung der Vielzahl wahrgenommener und für gleichwertig<br />

befundener <strong>in</strong>stitutioneller Optionen. Dies kann <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e Haltung der Passivität münden<br />

wie auch <strong>in</strong> anomische Gewaltbereitschaft.<br />

(c) Der Akteur versucht, e<strong>in</strong>e subjektiv legitimierte <strong>in</strong>stitutionelle Ordnung unabhängig<br />

<strong>von</strong> ihrem Legitimitätsgrad bei anderen Akteuren oder auch gegen die Interessen<br />

anderer Akteure durchzusetzen. Es ist dies der Versuch, e<strong>in</strong>e e<strong>in</strong>deutige Ordnung<br />

(wieder-) herzustellen und zwar diejenige, <strong>von</strong> welcher der Akteur überzeugt ist. E<strong>in</strong>deutigkeit,<br />

d.h. der Ausschluss <strong>von</strong> Optionen, lässt sich auf dem Weg der Verhandlung<br />

erzeugen, wobei mit e<strong>in</strong>em hohem Aufwand gerechnet werden muss, ohne dass<br />

die Übere<strong>in</strong>stimmung des Verhandlungsergebnisses mit den e<strong>in</strong>gebrachten Interessen<br />

gewährleistet werden kann. Unter Berücksichtigung der Kosten-Nutzen-Relation<br />

ersche<strong>in</strong>t darum die Androhung oder Anwendung <strong>von</strong> Gewalt vielen Akteuren als<br />

e<strong>in</strong>e wirkungsvolle Strategie zur Deoptionalisierung (vgl. ‚strategische Gewalt’ <strong>in</strong> Abschnitt<br />

2.1; BAECKER 1996; CHABAL/DALOZ 1999a: 77ff). Zu den Formen physischer,<br />

psychischer oder struktureller Gewalt können Strategien der passiven<br />

Ablehnung, des Boykotts, der Sabotage, der Obstruktion und der Destruktion gezählt<br />

werden. E<strong>in</strong> wesentlicher Aspekt liegt dar<strong>in</strong>, dass sich Akteure <strong>in</strong> ihrem Handeln<br />

legitimiert sehen können, da <strong>in</strong> ihren Augen die durchzusetzende Ordnung die<br />

‚Beste’ ist. Dies ist dann beispielsweise der Fall, wenn <strong>in</strong> <strong>Konflikten</strong> e<strong>in</strong>e Partei als<br />

‚fundamentalistisch’ charakterisiert wird.<br />

Gewalt als Handlungsoption. In e<strong>in</strong>em Kontext <strong>in</strong>stitutioneller Schwäche nehmen<br />

Akteure die Androhung und Anwendung <strong>von</strong> Gewalt als effektive Strategie zur<br />

Durchsetzung e<strong>in</strong>er Ordnung wahr, welche ihnen die Möglichkeiten zur Durchsetzung<br />

spezifischer Interessen sichert oder steigert. Neben basalen Bedürfnissen s<strong>in</strong>d<br />

auch das Bedürfnis nach Orientierung und (Wieder-) Erlangung <strong>von</strong> Kontrolle über<br />

die soziale und politische Umwelt <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Kontext der Une<strong>in</strong>deutigkeit und Orientierungslosigkeit<br />

zu zählen. Zu differenzieren ist dabei der Grad der Legitimität und<br />

Legalität der Gewalt: Zur Bekämpfung krim<strong>in</strong>eller Ordnungsvorstellungen werden<br />

legitimierte und für legal erklärte Gewaltstrategien zur Durchsetzung der staatlichen<br />

Gewalt begrüßt. Im Extremfall handeln verschiedene Parteien ohne jegliche Legitimierung<br />

oder legale Grundlage. Schließlich müssen auch situative Bed<strong>in</strong>gungen be-<br />

230


Entwicklung <strong>von</strong> Thesen<br />

rücksichtigt werden, die den Akteur zur Wahl <strong>von</strong> Gewaltstrategien veranlassen, wie<br />

z.B. e<strong>in</strong>e geschwächte Gegenpartei.<br />

Besondere Rolle <strong>von</strong> Autoritäten <strong>in</strong> Situationen der Unsicherheit und des<br />

Konflikts. Insbesondere <strong>in</strong> Phasen der Unsicherheit orientieren Akteure ihr eigenes<br />

Handeln am Handeln anderer signifikanter Akteure, welches <strong>in</strong>sbesondere dann zur<br />

Prüfung der Geltung <strong>von</strong> Institutionen herangezogen wird, wenn der <strong>in</strong>stitutionelle<br />

Kontext une<strong>in</strong>deutig ist und zugleich Konformität e<strong>in</strong>en hohen gesellschaftlichen<br />

Wert hat. Als signifikante Akteure kommen dabei nicht nur Mitglieder der eigenen<br />

Familie und sozialen Gruppe <strong>in</strong> Betracht, sondern auch Autoritäten. Formelle und<br />

<strong>in</strong>formelle soziale, politische und religiöse Autoritäten stellen <strong>in</strong> mehrfacher H<strong>in</strong>sicht<br />

e<strong>in</strong>e relevante Gruppe dar – umso mehr es sich um e<strong>in</strong>en Kontext ausgeprägter untertäniger<br />

politischer Kultur handelt: Autoritäten nehmen bestimmte Positionen <strong>in</strong>nerhalb<br />

e<strong>in</strong>er Ordnung e<strong>in</strong> und repräsentieren diese auch. Infolge ihrer<br />

Vorbildfunktion s<strong>in</strong>d sie zentrale S<strong>in</strong>nproduzenten. Und schließlich verfügen sie<br />

kraft der ihren zugewiesenen Kompetenzen über e<strong>in</strong> erhöhtes Mobilisierungspotential.<br />

Wie andere Akteure verhalten sich auch Eliten strategisch und nehmen e<strong>in</strong>e Missachtung<br />

der <strong>in</strong>stitutionellen Ordnung als rationale Handlungsoption wahr, ohne dass<br />

sie <strong>in</strong> jedem Fall die etwaigen gesellschaftlichen und politischen Folgewirkungen überblicken<br />

können. Jedoch wird die Missachtung <strong>in</strong>stitutioneller Ordnungen durch<br />

Autoritäten aufgrund ihres symbolischen Charakters e<strong>in</strong>e Sogwirkung entwickeln und<br />

ist entsprechend anders als e<strong>in</strong>e Missachtung durch ‚gewöhnliche’ Akteure zu gewichten.<br />

Vergleichbare Symbolkraft mit entsprechender Sogwirkung können auch<br />

Schlüsselereignisse oder zentrale Konfliktl<strong>in</strong>ien entwickeln, wie z.B. Konflikte zwischen<br />

Parteien, wenn sie für die Durchsetzung bestimmter Ordnungsvorstellungen<br />

e<strong>in</strong>treten. In manchen Fällen zielen politische Parteien auf e<strong>in</strong>e Veränderung der<br />

Verteilungsstruktur ab, so dass die Interessen der Parteigefolgschaft bedient werden<br />

können, die wiederum dadurch zu e<strong>in</strong>er organisierten Interessenvertretung moti<strong>vier</strong>t<br />

wird.<br />

Psychosoziale Dimensionen. In den <strong>Konflikten</strong> zwischen den politischen Parteien<br />

und <strong>in</strong> der Wahrnehmung ethnisch fremder Gruppen wird e<strong>in</strong>e fortwährende wechselseitige<br />

Zuschreibungspraxis auf der Grundlage simplifizierender Fe<strong>in</strong>dbildkonstruktionen<br />

deutlich, die auf ihre psychosozial entlastende und handlungsorientierende<br />

Wirkung zurückgeführt werden können. Die Reduktion der Umweltkomplexität<br />

mittels e<strong>in</strong>er sozialen Kategorisierung erleichtert dem Individuum, das<br />

231


Entwicklung <strong>von</strong> Thesen<br />

Verhalten anderer Akteure zu berechnen und das eigene Verhalten daran zu orientieren.<br />

Dieses Wechselspiel <strong>von</strong> Selbstidentifikation und Fremde<strong>in</strong>ordnung verhilft zu<br />

e<strong>in</strong>er stabilen sozialen Identität, die als Teil des Identitätshaushalts des Individuums<br />

die psychische Belastung reduziert und Sicherheit vermittelt. Die Kategorisierung<br />

resultiert <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Selbstidentifikation, <strong>in</strong> der nach dem Akzentuierungspr<strong>in</strong>zip die<br />

Homogenität der sozialen Gruppen überbewertet werden und die eigene Gruppe<br />

deutlich positiver attribuiert wird (<strong>in</strong>group favouritism; vgl. WIESMANN 1992: 9ff). Insbesondere<br />

Fe<strong>in</strong>dbilder erfüllen diese Funktion der Entlastung. 127<br />

Werden bei Gruppendifferenzierungen ethnische Merkmale zugrunde gelegt, kann es<br />

zu e<strong>in</strong>er Verhärtung <strong>von</strong> Konfliktkonstellationen kommen. Die herausragende Bedeutung<br />

der ethnischen Dimension <strong>in</strong> <strong>Konflikten</strong> liegt dar<strong>in</strong> begründet, dass sie e<strong>in</strong>e<br />

Mehrzahl <strong>in</strong>dividueller 128 und sozialer Funktionen erfüllt. Aufgrund der Vore<strong>in</strong>genommenheit<br />

zugunsten der eigenen Gruppe (<strong>in</strong>group bias) führt die ethnische Zugehörigkeit<br />

<strong>in</strong> der Regel zu e<strong>in</strong>er Verzerrung der Determ<strong>in</strong>ierung sozialer Kausalität<br />

(vgl. WIESMANN 1992: 11, 34ff). Zugleich lässt sich das Handeln e<strong>in</strong>er ethnischen<br />

Gruppe gegenüber e<strong>in</strong>er anderen mittels der ihr attribuierten Eigenschaften und Dispositionen<br />

rechtfertigen. Dies umso besser, je stärker die andere Gruppe als negatives<br />

Abgrenzungsobjekt stilisiert werden kann und je höher die Kohäsion der eigenen<br />

Gruppe ist (vgl. FLOHR 1991: passim). Weil die Selbsterhöhung der physisch überlegenen<br />

Eigengruppe bei spiegelbildlicher Diskrim<strong>in</strong>ierung der Fremdgruppen e<strong>in</strong>er<br />

ökonomischen Rationalität folgt (vgl. TETZLAFF 1990: 14; KREILE 1997: 16f), fassen<br />

viele Autoren Ethnizität als moderne soziale und politische Ressource auf (vgl.<br />

TETZLAFF 1990; LUDERMANN 1993; LENTZ 1995; KREILE 1997). Werden etwa Zuteilungschancen<br />

kollektiv verteilt und Ethnien <strong>von</strong> dieser Verteilung ausgeschlossen,<br />

wird dies zu e<strong>in</strong>er Instrumentalisierung der starken Kohäsion der ethnischen Gruppe<br />

zur Durchsetzung partikularer und segmentärer Interessen führen, wobei Eliten und<br />

politische Führer <strong>in</strong> der Ethnizität e<strong>in</strong>en leichten Anknüpfungspunkt für die politische<br />

Mobilisierung <strong>von</strong> Gruppen f<strong>in</strong>den (vgl. TETZLAFF 1990: 15). Nicht nur die <strong>in</strong><br />

ihrer Funktionalität begründete Bedeutung sondern auch ihre Speicherung im kollektiven<br />

Gedächtnis erschwert die Abkehr <strong>von</strong> sozial diskrim<strong>in</strong>ierenden Wahrnehmungs-<br />

und Bewertungsmustern.<br />

127 Zu der psychosozialen Bedeutung <strong>von</strong> Fe<strong>in</strong>dbildkonstruktionen vgl. FLOHR 1991, 1994.<br />

128 Hier zu nennen s<strong>in</strong>d die Aufrechterhaltung e<strong>in</strong>es positiven Selbstwertgefühls auf der Grundlage<br />

e<strong>in</strong>er ethnischen Inklusion und e<strong>in</strong>es sozialen Vergleichs mit e<strong>in</strong>er signifikanten<br />

Outgroup (vgl. TAJFEL 1978: 61ff; NASSEHI 1990: 174) und die Reduktion der umweltbed<strong>in</strong>gten<br />

Unsicherheit des Individuums (vgl. NNOLI 1982: 112ff).<br />

232


6.3 These 2: Machtdemonstration zum Schutz der<br />

Ordnung<br />

Entwicklung <strong>von</strong> Thesen<br />

Ordnung bedeutet im traditionalistischen Verständnis E<strong>in</strong>heit der Geme<strong>in</strong>schaft und<br />

schlägt sich vor allem <strong>in</strong> Konformität nieder. Folglich bedeutet e<strong>in</strong> signifikantes Maß<br />

an Normverletzungen die Ablehnung der Ordnung. Dies gilt v.a. im H<strong>in</strong>blick auf die<br />

<strong>von</strong> Institutionen geleistete Verteilung <strong>von</strong> Ressourcen und Regelung des Zugangs<br />

zu diesen. Von den Institutionen, welche die Ordnung repräsentieren, wird erwartet,<br />

dass sie ihre Macht demonstrieren und die Ordnung durch rigide Maßnahmen bewahren.<br />

E<strong>in</strong>heit und Konformität. Insbesondere <strong>in</strong> traditionalistischen E<strong>in</strong>stellungen werden<br />

E<strong>in</strong>heit und Konformität als wichtige Eigenschaften der Ordnung aufgefasst,<br />

dabei gilt E<strong>in</strong>heit als Voraussetzung und Konsequenz der geme<strong>in</strong>samen Orientierung<br />

an e<strong>in</strong>er für geltend befundenen sozialen und politischen Ordnung. Folglich wird<br />

zwischen e<strong>in</strong>em ‚Innen’ und e<strong>in</strong>em ‚Außen’ unterschieden. Innerhalb e<strong>in</strong>er sich über<br />

geme<strong>in</strong>same Ordnungsvorstellungen def<strong>in</strong>ierende Geme<strong>in</strong>schaft werden Konflikte<br />

als kont<strong>in</strong>gent und dysfunktional aufgefasst, während Konflikte zwischen Mitgliedern<br />

der Geme<strong>in</strong>schaft und Außenstehenden <strong>in</strong>sofern gerechtfertigt werden, als dass sie<br />

dem Schutz der Ordnung dient. In diesem Fall werden Konflikte als <strong>in</strong>härent und<br />

funktional bewertet. Beispielsweise werden Interessensgegensätze zwischen <strong>in</strong>formellen<br />

Autoritäten und lokalen Kommunalpolitikern aus Sicht der <strong>in</strong>formellen Autoritäten<br />

nicht als Konflikt bezeichnet, weil die formellen Politik<strong>in</strong>stitutionen <strong>in</strong> die<br />

traditionalistischen Ordnungsvorstellungen e<strong>in</strong>geschlossen werden. 129 H<strong>in</strong>gegen werden<br />

die <strong>von</strong> außen e<strong>in</strong>wirkenden E<strong>in</strong>flüsse negativ gewertet bzw. die als bedrohlich<br />

wahrgenommenen Phänomene werden als <strong>von</strong> Außen e<strong>in</strong>wirkend erklärt. Hier sei an<br />

die Angst vor e<strong>in</strong>er <strong>von</strong> Fremden verursachten Unordnung oder vor e<strong>in</strong>er kulturellen<br />

Überfremdung durch die Projektion <strong>von</strong> Videofilmen er<strong>in</strong>nert. Nach außen h<strong>in</strong> werden<br />

Konflikte dann gerechtfertigt, wenn sie der Abwehr externer Bedrohungen dienen<br />

wie z.B. die Übergriffe gegenüber Krim<strong>in</strong>ellen oder ‚bedrohlichen’ Ausländern.<br />

Normverletzung und Ordnung. Abweichung und v.a. Normverletzungen werden<br />

als (partielle) Ablehnung der Ordnungselemente gedeutet. Berücksichtigt man, dass<br />

die soziale Verteilung <strong>von</strong> Ressourcen und die Regelung des Zugangs zu diesen über<br />

129 <strong>E<strong>in</strong>e</strong> solche Situationsdeutung ist nicht notwendigerweise symmetrisch, so dass dennoch<br />

formelle Institutionen <strong>von</strong> e<strong>in</strong>em Konflikt sprechen können.<br />

233


Entwicklung <strong>von</strong> Thesen<br />

Institutionen erfolgt, dann steht e<strong>in</strong> Interessengegensatz für e<strong>in</strong>en unbewussten oder<br />

absichtlichen Widerspruch gegenüber e<strong>in</strong>er bestimmten Verteilungsstruktur <strong>von</strong> Ressourcen<br />

bzw. der Art und Weise, wie der Zugang zu diesen geregelt ist und bedeutet<br />

damit die Missbilligung e<strong>in</strong>er <strong>in</strong>stitutionellen Funktionsleistung. Der Versuch, e<strong>in</strong>e<br />

<strong>in</strong>stitutionelle Ordnung, die man <strong>in</strong> Teilen oder im Ganzen nicht mehr anerkennt<br />

und verändern will, führt zum Konflikt mit denjenigen, die aus dieser Ordnung profitieren.<br />

Umgekehrt ist da<strong>von</strong> auszugehen, dass solange e<strong>in</strong>e <strong>in</strong>stitutionelle Ordnung<br />

als geltend wahrgenommen wird, die Akteure, welche sich dieser Ordnung unterwerfen,<br />

ke<strong>in</strong>e Motivation haben, Interessen und Bedürfnisse gegenüber anderen zu artikulieren<br />

bzw. gegen deren Willen durchzusetzen.<br />

Obwohl nicht jede Normverletzung zu e<strong>in</strong>em Konflikt führen muss 130 , wird hier da<strong>von</strong><br />

ausgegangen, dass e<strong>in</strong>em sozialen Konflikt e<strong>in</strong>e unbewusste oder bewusste bzw.<br />

strategische Verletzung e<strong>in</strong>er Norm vorausgeht. Dabei ist es nicht erforderlich, dass<br />

e<strong>in</strong> objektiver Normverstoß vorliegt. Vielmehr genügt es, dass alle<strong>in</strong> e<strong>in</strong>e Partei e<strong>in</strong>e<br />

Verletzung e<strong>in</strong>er Norm entsprechend ihren Ordnungsvorstellungen wahrnimmt und<br />

daraus bei der anderen Partei e<strong>in</strong>e Ablehnung der Ordnung bzw. e<strong>in</strong>e Absicht, diese<br />

zu verändern, <strong>in</strong>terpretiert. 131 Es besteht die Gefahr <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er eskalierenden Eigendynamik,<br />

die aus dem Zusammenwirken zweier Faktoren resultiert: die Wahrnehmung<br />

<strong>von</strong> Anreizen zur Normverletzung e<strong>in</strong>erseits und die wechselseitige Zuweisung e<strong>in</strong>er<br />

Absicht zur Normverletzung andererseits. Wenn entweder e<strong>in</strong> Akteur e<strong>in</strong>e negative<br />

Sanktionierung der Normverletzung als nicht wahrsche<strong>in</strong>lich e<strong>in</strong>schätzt oder der<br />

Nutzen aus der Regelverletzung die kalkulierten resultierenden Kosten h<strong>in</strong>reichend<br />

übersteigt, bestehen für e<strong>in</strong>en Akteur Anreize zur Verletzung e<strong>in</strong>er <strong>in</strong>stitutionellen<br />

Ordnung bzw. zur E<strong>in</strong>wirkung auf diese. Überdies kann sich e<strong>in</strong> Akteur benachteiligt<br />

oder gar bedroht fühlen, wenn bei signifikanten anderen Akteuren e<strong>in</strong>e Ablehnung<br />

e<strong>in</strong>er als geltend, konsistent, angepasst und effektiv anerkannten Ordnung bzw. e<strong>in</strong>e<br />

Absicht, diese zu verändern, wahrgenommen wird. Im günstigsten Fall kommunizieren<br />

die <strong>in</strong>vol<strong>vier</strong>ten Akteure über ihre Situationsdeutungen und handeln Lösungsoptionen<br />

aus. Dies wird etwa durch Vertrauen, Solidarität, Empathie und/oder<br />

Loyalität ermöglicht – also Ausdruck hoher Integration. Im ungünstigsten Fall jedoch<br />

fühlen sich beide Parteien benachteiligt bzw. bedroht und erkennen zugleich Anreize<br />

130 Oftmals zeigen sich Akteure tolerant gegenüber e<strong>in</strong>er Normverletzung, nicht zuletzt wenn<br />

e<strong>in</strong>e Sanktionierung mit erheblichen Kosten verbunden ist.<br />

131 Wenngleich dieser Zusammenhang bereits für die Missachtung e<strong>in</strong>es gedachten common sense<br />

oder e<strong>in</strong>er situativ ausgehandelten Institution im soziologischen S<strong>in</strong>ne vorstellbar ist, steigt<br />

die Konfliktanfälligkeit mit der Relevanz der Norm für die soziale und politische Gruppe.<br />

234


Entwicklung <strong>von</strong> Thesen<br />

zur Normverletzung. Beide Parteien werden sich verstärkt um die Durchsetzung<br />

ihrer Interessen bemühen. Missachten sie dabei die <strong>in</strong>stitutionellen Regelungen und<br />

Sanktionen, kann es <strong>in</strong> der Folge zu e<strong>in</strong>er ‚Erosion’ <strong>in</strong>stitutioneller Wirkkraft kommen.<br />

In diesem Fall hängt es v.a. <strong>von</strong> den geschwächten Institutionen selbst sowie<br />

vom <strong>in</strong>stitutionellen Kontext <strong>in</strong>sgesamt ab, ob der Wirkungsverlust e<strong>in</strong>zelner Institutionen<br />

durch Reform oder Funktionsübertragung auf andere Institutionen aufgefangen<br />

wird, oder e<strong>in</strong>e Situation allgeme<strong>in</strong>er Regellosigkeit entsteht.<br />

Bewahrung der Ordnung. Die Untersuchungsergebnisse lassen auf e<strong>in</strong>en negativen<br />

Zusammenhang <strong>von</strong> rigiden Herrschaftsstil und Legitimität <strong>in</strong> Konfliktsituationen<br />

schließen, demzufolge die Neigung zur Anwendung <strong>von</strong> Zwangs- und Gewaltmaßnahmen<br />

umso größer ist, je ger<strong>in</strong>ger die Unterstützung der Autorität <strong>in</strong> der Bevölkerung<br />

ausfällt. <strong>E<strong>in</strong>e</strong> rigide Praxis <strong>von</strong> Institutionen ist damit e<strong>in</strong> H<strong>in</strong>weis auf e<strong>in</strong>e<br />

schwache Legitimationsbasis der Institution und e<strong>in</strong>e ger<strong>in</strong>ge Bereitschaft zur (freiwilligen)<br />

Normbefolgung. Wenn also politische Akteure auf e<strong>in</strong>en wahrgenommenen<br />

Kontrollverlust mit E<strong>in</strong>schüchterungsstrategien oder gar Gewaltmaßnahmen reagieren,<br />

kann dies als e<strong>in</strong>e Form der Kompensation e<strong>in</strong>er ger<strong>in</strong>gen <strong>in</strong>stitutionellen Effektivität<br />

verstanden werden. Möglicherweise kann mit umso mehr Gewalt gerechnet<br />

werden, je schwächer die Legitimationsgrundlage der Institution ist.<br />

Ausgehend <strong>von</strong> den Faktoren, die <strong>von</strong> den Befragten als Ursache für Konflikte genannt<br />

werden (vgl. Abschnitt 4.4), lassen sich die Konflikt- und Eskalationspotentiale<br />

<strong>in</strong> Zusammenhang mit der Interpretation der <strong>in</strong>stitutionellen Dynamik sehen. Entscheidend<br />

ist die Frage, wie Akteure gesellschaftliche und politische Umbruchsituationen<br />

deuten. Konflikte s<strong>in</strong>d dann eher unwahrsche<strong>in</strong>lich, wenn die <strong>in</strong>stitutionelle<br />

Dynamik als Fortentwicklung wahrgenommen oder sogar als notwendige Reform<br />

begrüßt wird. Konflikte s<strong>in</strong>d nicht auszuschließen, wenn die Umbruchsituation als<br />

Chance verstanden wird: Durch die Erweiterung des Handlungsspielraums und die<br />

subjektiv höher e<strong>in</strong>geschätzten Realisierungschancen können Akteure sich moti<strong>vier</strong>t<br />

sehen, ihre Interessen gegenüber anderen durchzusetzen, wodurch es dann zu e<strong>in</strong>em<br />

Konflikt kommt. Das höchste Konfliktpotential entsteht, wenn e<strong>in</strong>e Umbruchsituation<br />

als Krise ausgelegt wird. Die Umbruchsituation provoziert Unsicherheiten, weshalb<br />

sich Akteure existentiell bedroht und zur Verteidigung ihrer Interessen und<br />

Bedürfnisse gezwungen fühlen. Die Wahrsche<strong>in</strong>lichkeit e<strong>in</strong>er gewaltsamen Konfliktaustragung<br />

hängt damit im starken Maße <strong>von</strong> der Fähigkeit der Institutionen ab, <strong>in</strong><br />

spezifischen Handlungskontexten ihre Ordnungspr<strong>in</strong>zipien b<strong>in</strong>dend durchzusetzen.<br />

235


Entwicklung <strong>von</strong> Thesen<br />

Zum Schutz der Ordnung werden rigorose Maßnahmen verlangt. Die Untersuchung<br />

zeigt, dass aufgrund empfundener politischer und sozialer Unsicherheit <strong>von</strong> politischen<br />

Autoritäten stärkere Orientierungs- und Steuerungsleistungen erwartet werden.<br />

Der E<strong>in</strong>druck soll vermittelt werden, dass ausreichend Steuerungs- und Sanktionskapazitäten<br />

vorhanden s<strong>in</strong>d, um effektiv e<strong>in</strong> erwünschtes Ordnungspr<strong>in</strong>zip gegenüber<br />

e<strong>in</strong>em unerwünschten durchzusetzen. Hierzu passt auch der Befund, dass die Effektivität<br />

rigoroser Maßnahmen <strong>von</strong> Befragten mit traditionalistischen E<strong>in</strong>stellungen<br />

höher e<strong>in</strong>geschätzt wird als <strong>von</strong> Befragten mit modernistischen E<strong>in</strong>stellungen. Unter<br />

Berücksichtigung der besonderen Rolle <strong>von</strong> Autoritäten (vgl. These 2) entwickeln<br />

gerade Gesetzesmissachtungen <strong>von</strong> politischen Autoritäten e<strong>in</strong>e dreifache des<strong>in</strong>tegrative<br />

Wirkung: (1) Sie erzeugen oder verstärken die Kluft zwischen Autoritäten und<br />

Bürger. (2) Sie führen die Ger<strong>in</strong>gschätzung der Ordnung vor. (3) Sie erzeugen Unsicherheit<br />

und wirken demoralisierend, da zugleich die E<strong>in</strong>haltung der Gesetze vom<br />

Bürger gefordert wird.<br />

6.4 These 3: Typus politischer Kultur und Konflikt-<br />

bereitschaft<br />

Es wird angenommen, dass Ordnungsvorstellungen e<strong>in</strong>en E<strong>in</strong>fluss auf die Entstehung<br />

und Entwicklung <strong>von</strong> <strong>Konflikten</strong> haben. Konflikte treten auf, wenn die Austragung<br />

<strong>von</strong> Interessengegensätzen Bestandteil der Ordnungsvorstellung ist oder<br />

wenn es zu Interessengegensätzen zwischen Akteuren mit unterschiedlichen Ordnungsvorstellungen<br />

kommt. Bezug nehmend auf den Aspekt der Gewalt als Handlungsoption<br />

(vgl. These 2) wird modernistischen E<strong>in</strong>stellungen eher e<strong>in</strong>e<br />

<strong>in</strong>strumentalistische Handlungslogik und traditionalistischen E<strong>in</strong>stellungen eher e<strong>in</strong>e<br />

Handlungslogik der Angemessenheit zugeschrieben. Bei den hybriden E<strong>in</strong>stellungen<br />

ist zu differenzieren: Während hybrid-opportunistischen E<strong>in</strong>stellungen e<strong>in</strong>e situationsabhängige<br />

Auswahl aus Angemessenheit und Instrumentalität zugestanden wird,<br />

werden hybrid-anomischen E<strong>in</strong>stellungen eher e<strong>in</strong>e <strong>in</strong>strumentalistische Handlungslogik<br />

unterstellt.<br />

Modernistische politische Kultur. Akteure mit e<strong>in</strong>er modernistischen politischen<br />

Kultur weisen e<strong>in</strong>e vergleichsweise hohe Konfliktbereitschaft auf, da sie Konflikte als<br />

notwendige aber auch produktive Bestandteile der Logik der Herrschaftsordnung<br />

wahrnehmen. Zentrale Bed<strong>in</strong>gung ist jedoch, dass zur Bearbeitung dieser Konflikte<br />

236


Entwicklung <strong>von</strong> Thesen<br />

entsprechende Regeln und Verfahren zur Verfügung stehen, an die sich die Akteure<br />

zum<strong>in</strong>dest aus rationalen Gründen zu halten haben.<br />

Traditionalistische politische Kultur. Akteure mit e<strong>in</strong>er traditionalistischen politischen<br />

Kultur h<strong>in</strong>gegen gelten als eher konfliktvermeidend. Dies gilt <strong>in</strong>sbesondere<br />

<strong>in</strong>nerhalb <strong>von</strong> Geme<strong>in</strong>schaften. Zwar ist auffällig, dass <strong>in</strong>formelle Autoritäten häufig<br />

im Zusammenhang mit Problemen und unerfüllten Ansprüchen genannt werden,<br />

doch führt dies nicht zum Konflikt. Obwohl traditionelle Autoritäten Unzufriedenheit<br />

bekunden und auch seitens der Kommunalverwaltung Probleme mit traditionellen<br />

Autoritäten genannt werden, werden ke<strong>in</strong>e Konflikte erkannt. Trotz des ihnen<br />

widerfahrenden Unrechts zeigen sich traditionelle Autoritäten gegenüber den formellen<br />

Autoritäten loyal. Gemäß traditionalistischem Konfliktverständnis haben Bearbeitungsmechanismen<br />

zeremoniellen Charakter, wobei weniger e<strong>in</strong>e tiefe und<br />

umfassende <strong>Analyse</strong> der Konfliktursachen als die Aufrechterhaltung und Wiederherstellung<br />

e<strong>in</strong>er Ordnung <strong>in</strong>tendiert wird. Es ist darum zu vermuten, dass der Erfolg<br />

konfliktvermeidender Strategien e<strong>in</strong>e zum<strong>in</strong>dest partielle Übere<strong>in</strong>stimmung h<strong>in</strong>sichtlich<br />

der Ordnungsvorstellungen der beteiligten Akteure voraussetzt.<br />

Hybrid-opportunistische politische Kultur. Charakteristisch für e<strong>in</strong>e hybride politische<br />

Kultur ist die Geltung <strong>von</strong> mehr als e<strong>in</strong>er Ordnung <strong>in</strong>nerhalb e<strong>in</strong>es Kontextes.<br />

Akteure stehen darum fortwährend vor der Situation, sich für die ‚richtige’, ‚angemessene’<br />

oder auch ‚günstige’ Ordnung zu entscheiden. Es hängt u.a. vom Bildungsniveau<br />

ab, ob derartige Entscheidungssituationen als Dilemma oder als Chance<br />

begriffen werden. Entsprechend situationsabhängig ist auch das Konfliktverhalten<br />

e<strong>in</strong>zuschätzen. Dabei s<strong>in</strong>d drei Aspekte entscheidend: Erstens wird den Akteuren die<br />

pr<strong>in</strong>zipielle Möglichkeit e<strong>in</strong>gestanden, sich e<strong>in</strong>er ihnen nützlichen Konfliktbearbeitungsweise<br />

zu bedienen. Dies umso mehr, je stärker sie sich <strong>von</strong> kontextspezifischen<br />

Ordnungsvorstellungen entfremdet haben. Weil ihre Entfremdungslage sie aus der<br />

Verpflichtung gegenüber bestimmten Regeln und Verfahren der Konfliktbearbeitung<br />

entlässt, besteht hier<strong>in</strong> auch die Gefahr regellosen Konfliktverhaltens. Zweitens wird<br />

damit die Konfliktbearbeitung zu e<strong>in</strong>er Verhandlungssache, d.h. abhängig <strong>von</strong> der<br />

Konstellation der Akteure und ihrer politischen Kultur. Denkbar ist, dass Akteure<br />

mit e<strong>in</strong>er hybriden politischen Kultur e<strong>in</strong>e katalytische Wirkung <strong>in</strong> der Konfliktbeziehung<br />

entfalten. Vier Fälle s<strong>in</strong>d zu beachten: (a) In e<strong>in</strong>em Konflikt mit modernistisch<br />

e<strong>in</strong>gestellten Akteuren käme es demnach zu e<strong>in</strong>er Zunahme <strong>von</strong> <strong>Konflikten</strong>, (b)<br />

während <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Spannungssituation mit traditionalistisch e<strong>in</strong>gestellten Akteuren<br />

237


Entwicklung <strong>von</strong> Thesen<br />

Konflikte bzw. e<strong>in</strong>e Eskalation eher gemieden würde. Jedoch weisen modernistisch<br />

wie traditionalistisch e<strong>in</strong>gestellte Akteure e<strong>in</strong>e erhöhte Normb<strong>in</strong>dung auf, die für<br />

Akteure mit hybrider politischer Kultur <strong>von</strong> Nutzen im S<strong>in</strong>ne e<strong>in</strong>er Handlungsorientierung<br />

se<strong>in</strong> kann. (c) Stehen sich h<strong>in</strong>gegen zwei Akteure mit hybriden E<strong>in</strong>stellungsmustern<br />

gegenüber, muss die Konfliktbearbeitungsweise ausgehandelt werden. In<br />

diesem Fall ist es möglich, dass sich die beteiligten Akteure auf bestimmte Normen<br />

e<strong>in</strong>igen und darüber übere<strong>in</strong>kommen, diese zu achten. Ebenso möglich ist aber auch,<br />

dass der E<strong>in</strong>zelne se<strong>in</strong>en größten Nutzen dadurch erreicht, wenn er sich normmissachtend<br />

um die Realisierung se<strong>in</strong>er Interessen bemüht. (d) Letzteres ist v.a. <strong>in</strong> Interaktionen<br />

zu erwarten, <strong>in</strong> denen sich Akteure mit hybrid-opportunistischen und<br />

hybrid-anomischen E<strong>in</strong>stellungsmustern gegenüberstehen. Entsprechend hoch wird<br />

das aus dieser Konfliktkonstellation resultierende Eskalationspotential e<strong>in</strong>geschätzt.<br />

Drittens wird deutlich, dass es leicht zu e<strong>in</strong>er Überforderung der Akteure kommen<br />

kann. Sowohl die Verständigung über geltende Normen als auch die Aushandlung<br />

der Bearbeitungsweise <strong>von</strong> <strong>Konflikten</strong> s<strong>in</strong>d für Akteure kosten<strong>in</strong>tensiv, ohne dass sie<br />

sich über Ergebnisse und Nutzengew<strong>in</strong>ne sicher se<strong>in</strong> können. Unter solchen Bed<strong>in</strong>gungen<br />

ist es nicht verwunderlich, dass Akteure obstruktive und destruktive Konfliktaustragungsstrategien<br />

bevorzugen.<br />

Hybrid-anomische politische Kultur. Akteure, die sich e<strong>in</strong>er hybrid-anomischen<br />

politischen Kultur zuordnen lassen, folgen ke<strong>in</strong>er verb<strong>in</strong>dlichen Ordnung und verfügen<br />

über ke<strong>in</strong>en orientierenden Regel- und Verfahrenskatalog zur Bearbeitung <strong>von</strong><br />

<strong>Konflikten</strong>. Demgemäß mangelt es ihnen an Kriterien für abweichendes Verhalten<br />

sowie an <strong>von</strong> ihnen anerkannten Sanktionsmaßnahmen. Obwohl <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er anomischen<br />

politischen Kultur gleichwohl die Möglichkeit besteht, dass Akteure e<strong>in</strong>e passive<br />

Haltung e<strong>in</strong>nehmen und mit Rückzug aus konfliktiven Handlungsfeldern<br />

reagieren, wird <strong>Konflikten</strong>, <strong>in</strong> denen anomischen E<strong>in</strong>stellungsmuster dom<strong>in</strong>ieren, das<br />

größte Eskalationspotential beigemessen, zumal aufgrund der Nichtanerkennung <strong>von</strong><br />

Regeln e<strong>in</strong>e konstruktive Bearbeitung am schwierigsten ausfällt. Zusammenfassend<br />

lassen sich Ordnungsvorstellungen nach der Konfliktbereitschaft sowie nach der<br />

Regelb<strong>in</strong>dung bei der Konfliktbearbeitung ordnen:<br />

238


Konfliktbereitschaft<br />

modernistisch traditionalistisch hybridopportunistisch<br />

hoch ger<strong>in</strong>g hoch,<br />

situationsabhängig<br />

Entwicklung <strong>von</strong> Thesen<br />

hybrid-anomisch<br />

hoch<br />

Regelb<strong>in</strong>dung vorhanden vorhanden Verhandlung nicht vorhanden<br />

Tabelle 23: Konfliktbereitschaft und Regelb<strong>in</strong>dung <strong>in</strong> den verschiedenen Typen politischer Kultur<br />

Folglich lassen sich folgende Aussagen bezüglich der Eskalationspotentiale treffen.<br />

E<strong>in</strong> niedriges Eskalationspotential wird dann erwartet, wenn:<br />

� Konflikte gemäß den zugrunde liegenden Ordnungsvorstellungen nicht erwünscht<br />

werden;<br />

� beide Parteien die gleichen Ordnungsvorstellungen teilen;<br />

� e<strong>in</strong>e Veränderung der Ordnung nicht erwünscht wird oder nicht möglich ersche<strong>in</strong>t<br />

und/oder<br />

� die im Konflikt <strong>in</strong>vol<strong>vier</strong>ten Akteure e<strong>in</strong>e hohe Normb<strong>in</strong>dung aufweisen.<br />

H<strong>in</strong>gegen ist dann e<strong>in</strong> hohes Eskalationspotential abzusehen, wenn:<br />

� e<strong>in</strong> Akteur die Aufrechterhaltung se<strong>in</strong>er Ordnung bedroht sieht;<br />

� die Ordnung veränderbar ersche<strong>in</strong>t und so Chancen zur Verbesserung der Bed<strong>in</strong>gungen<br />

zur Befriedigung der Interessen und Bedürfnisse wahrgenommen werden<br />

und/oder<br />

� Akteure <strong>in</strong>folge <strong>von</strong> Entfremdungserfahrungen e<strong>in</strong>e schwache Normb<strong>in</strong>dung<br />

aufweisen.<br />

239


7 Fazit<br />

Fazit<br />

Konflikte existieren, wenn Beobachter solche wahrnehmen. E<strong>in</strong> Ergebnis dieser<br />

Arbeit ist, dass die <strong>Analyse</strong> <strong>von</strong> <strong>Konflikten</strong> <strong>in</strong> zweifacher H<strong>in</strong>sicht subjektiv ist. Die<br />

<strong>Analyse</strong> basiert zum e<strong>in</strong>en auf der Konfliktwahrnehmung der <strong>in</strong>vol<strong>vier</strong>ten bzw. betroffenen<br />

Akteure (Beobachtung erster Ordnung) und zum anderen auf der E<strong>in</strong>schätzung<br />

<strong>von</strong> externen Beobachtern (Beobachtung zweiter Ordnung). Die<br />

Wahrnehmung und Bewertung <strong>von</strong> Beziehungszusammenhängen durch die <strong>in</strong>vol<strong>vier</strong>ten<br />

bzw. betroffenen Akteure basiert auf unwissenschaftlichen, subjektiven und<br />

größtenteils vorbewussten Vorstellungen darüber, was e<strong>in</strong> Konflikt ist, ob Konflikte<br />

vorhanden se<strong>in</strong> dürfen und wie diese zu bearbeiten s<strong>in</strong>d. Diese Vorstellungen s<strong>in</strong>d<br />

e<strong>in</strong>geflochten <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e Gesamtheit der Vorstellungen <strong>von</strong> der sozialen und politischen<br />

Ordnung. Maßgeblich für die Disposition, e<strong>in</strong>en Beziehungszusammenhang als Konflikt<br />

wahrzunehmen und als solchen zu bezeichnen, s<strong>in</strong>d die Vorstellungen <strong>von</strong> sozialen<br />

Zielen (z.B. Harmonie, Frieden, E<strong>in</strong>tracht), den Bed<strong>in</strong>gungen sozialer<br />

Integration (z.B. Konformität) und dem Maß tolerierbarer Divergenz. Hier<strong>in</strong> zeigt<br />

sich, <strong>in</strong>wieweit Konflikte als funktional und kont<strong>in</strong>gent bewertet werden. Dieser kulturellen<br />

E<strong>in</strong>bettung muss die <strong>Analyse</strong> zweiter Ordnung Rechnung tragen. Wissenschaftliche<br />

Konfliktanalysen müssen somit sowohl die Zuverlässigkeit der Angaben<br />

der Befragten als auch das Verständnis des kulturellen Zusammenhangs seitens des<br />

Forschenden voraussetzen. Entsprechend s<strong>in</strong>d auch die <strong>Analyse</strong>modelle an den vorliegenden<br />

Kontext anzupassen, wenngleich dadurch die Vergleichbarkeit der <strong>Analyse</strong>ergebnisse<br />

e<strong>in</strong>geschränkt werden kann. Die Untersuchung zeigt, dass ‚Konflikt’<br />

unterschiedlich aufgefasst wird und somit die Funktionalität und Notwendigkeit<br />

nicht e<strong>in</strong>heitlich bewertet wird. Im Pr<strong>in</strong>zip lassen sich zwei Positionen identifizieren.<br />

<strong>E<strong>in</strong>e</strong>rseits werden Konflikte als notwendige und damit unumgängliche Begleitersche<strong>in</strong>ung<br />

e<strong>in</strong>es Interessenpluralismus gedeutet. Andererseits werden Konflikte als<br />

Ausdruck bestehender Unordnung verstanden, weshalb umgekehrt Ordnung nur<br />

dann besteht, wenn die Situation ‚unter Kontrolle’ ersche<strong>in</strong>t.<br />

Konfliktkonstellationen. Aufgrund des sozialen und politischen Transformationsprozesses<br />

waren strukturell bed<strong>in</strong>gte Konfliktpotentiale zu erwarten. So weisen die<br />

<strong>vier</strong> untersuchten <strong>Kommunen</strong> viele Ähnlichkeiten h<strong>in</strong>sichtlich der vorhandenen<br />

Konfliktkonstellationen auf, die sich <strong>in</strong> erster L<strong>in</strong>ie auf die Interessengegensätze <strong>in</strong>folge<br />

der durch die Kommunalreform verursachten Verschiebung des lokalen<br />

Machtgefüges zurückführen lassen. Durch die E<strong>in</strong>führung der kommunalen Ebene<br />

240


Fazit<br />

hat v.a. die Distriktverwaltung an Machtkompetenzen und Ressourcen e<strong>in</strong>gebüßt. Da<br />

jedoch E<strong>in</strong>zelne auch e<strong>in</strong>en sozialen Statusverlust erleben, be<strong>in</strong>halten die Konflikte<br />

trotz des dom<strong>in</strong>ierenden Interessen- und Verteilungsaspekts auch e<strong>in</strong>e Identitätskomponente.<br />

In den <strong>Konflikten</strong> zwischen den politischen Parteien Frelimo und Renamo<br />

treten die Werte- und Identitätsaspekte stärker <strong>in</strong> den Vordergrund. H<strong>in</strong>gegen<br />

überwiegen Wert- und Identitätsfragen <strong>in</strong> den diffusen Konfliktkonstellationen zwischen<br />

lokaler Bevölkerung und Migranten, zwischen älteren und jüngeren Bevölkerungsgruppen<br />

sowie zwischen den Befürwortern und den Ablehnern der<br />

Modernisierung. Entsprechend werden als Konfliktursachen Machtdemonstration,<br />

die Sicherstellung <strong>von</strong> Ressourcen, Adaptionsprobleme, das Fehlen e<strong>in</strong>er Normb<strong>in</strong>dung<br />

und Faktoren sozialer Identität genannt. In Bezug auf die Bedeutung ökologischer<br />

Ressourcen ist weniger Knappheit oder Degradation denn die Ungleichheit der<br />

Verteilung und des Zugangs als Konfliktursache zu nennen. Stark verbreitet ist Auffassung,<br />

dass sich durch mehr Bildung Konflikte verh<strong>in</strong>dern ließen.<br />

Gewaltpotentiale. Gemäß den <strong>in</strong> der Befragung gemachten Angaben ist der Frieden<br />

auf lokaler Ebene konsolidiert – allerd<strong>in</strong>gs <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er negativen Def<strong>in</strong>ition. Man sieht<br />

sich weit <strong>von</strong> e<strong>in</strong>em Ausbruch kriegerischer Handlungen entfernt. Wie weit entfernt<br />

hängt vom Gewaltbegriff ab: Die Anwendung physischer Gewalt – <strong>in</strong>sbesondere <strong>in</strong><br />

strategischer Form – stellt e<strong>in</strong> Ausnahmefall dar. Die Befragten erkennen den<br />

Schwellenwert der Anwendung physischer Gewalt. Was stärker befürchtet wird ist<br />

die (anomische) physische Gewalt, die <strong>in</strong> der Sogwirkung <strong>von</strong> symbolisch aufgeladenen<br />

Ereignissen (z.B. die politischen Demonstrationen <strong>in</strong> Montepuez) oder als Folge<br />

der steigenden Krim<strong>in</strong>alität gesehen wird. E<strong>in</strong> Gewaltpotential wird vorwiegend <strong>in</strong><br />

Zusammenhang mit arbeitslosen Jugendlichen, traumatisierten und nicht re<strong>in</strong>tegrierten<br />

ehemaligen Soldaten sowie Drogenkonsumenten erkannt. In den wenigen Fällen<br />

<strong>von</strong> Lynchjustiz (Pemba, Manica) wird die Anwendung <strong>von</strong> Gewalt als legitim aufgefasst<br />

und mit der Ineffektivität der zuständigen formellen Institutionen gerechtfertigt.<br />

Die Anwendung struktureller Gewalt kann h<strong>in</strong>gegen <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Vielzahl der Konfliktkonstellationen<br />

festgestellt werden. Offen zutage tritt sie besonders <strong>in</strong> den Obstruktionsstrategien<br />

der Distriktverwaltung gegenüber der Kommunalverwaltung sowie <strong>in</strong><br />

der wechselseitigen Obstruktion und Sabotage <strong>von</strong> Frelimo und Renamo. Besonders<br />

letztere zeichnen sich durch e<strong>in</strong> hohes Eskalationspotential aus, da der leidtragenden<br />

Partei Handlungsoptionen entzogen werden, worauf die Gefahr e<strong>in</strong>er Gewaltreaktion<br />

vergrößert wird. Ähnliches gilt für den systematischen Ausschluss vom politischen<br />

Entscheidungs- und Gestaltungsprozess.<br />

241


Fazit<br />

Auswahl der <strong>Kommunen</strong>. Die bewusste Auswahl der <strong>Kommunen</strong> nach Parteidom<strong>in</strong>anz<br />

und regionalen Kriterien (Frelimo-Dom<strong>in</strong>anz <strong>in</strong> Nordprov<strong>in</strong>z Cabo Delgado<br />

und <strong>in</strong> der Südprov<strong>in</strong>z Inhambane; Renamo-Dom<strong>in</strong>anz <strong>in</strong> der Zentrumsprov<strong>in</strong>z<br />

Manica) unter Berücksichtigung der Größenverhältnisse (Pemba: Großstadt; Catandica,<br />

Manica und Vilankulo: Kle<strong>in</strong>städte) kann folgendes verdeutlichen: In der Großstadt<br />

Pemba ist es weniger zu <strong>Konflikten</strong> <strong>in</strong> der Phase der Kompetenzübertragung<br />

auf die Kommune gekommen als <strong>in</strong> den untersuchten Kle<strong>in</strong>städten, da hier bereits<br />

e<strong>in</strong> Exekutivrat mit partiellen Selbstverwaltungskompetenzen e<strong>in</strong>gerichtet war. Im<br />

Vergleich zu den Kle<strong>in</strong>städten hat die Großstadt Vorteile <strong>in</strong> Bezug auf die Besserqualifizierung<br />

des Verwaltungspersonals sowie auf das höhere Steuere<strong>in</strong>kommen. Allerd<strong>in</strong>gs<br />

s<strong>in</strong>d zur Lösung der Probleme <strong>in</strong> Pemba auch höhere Qualifikationen und<br />

mehr Ressourcen erforderlich. In Vilankulo konnten lokale Entwicklungspotentiale<br />

zugunsten e<strong>in</strong>er effektiven Verwaltung genutzt werden. Catandica weist h<strong>in</strong>gegen den<br />

doppelten Nachteil auf, aufgrund des ländlichen Charakters kaum über F<strong>in</strong>anz- und<br />

Humanressourcen zu verfügen und dennoch vergleichsweise großen Problemen ausgesetzt<br />

zu se<strong>in</strong>. Konflikte mit traditionellen Autoritäten s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> kle<strong>in</strong>eren, ländlichen<br />

<strong>Kommunen</strong> stärker ausgeprägt, spielen aber <strong>in</strong>sgesamt ke<strong>in</strong>e tragende Rolle. E<strong>in</strong><br />

entscheidender Faktor ist die geographische Lage, da sie <strong>in</strong> der Wahrnehmung der<br />

Bevölkerung dafür zu verantworten ist, dass die Kommune bestimmten E<strong>in</strong>flüssen<br />

wie Migration, Modernisierung, Krim<strong>in</strong>alität, AIDS exponiert ist. In den <strong>Kommunen</strong><br />

<strong>in</strong> der Zentrumsprov<strong>in</strong>z Manica erreichen die Konflikte zwischen Frelimo und Renamo<br />

höhere Intensitäten als etwa <strong>in</strong> Pemba oder <strong>in</strong> Vilankulo. In Vilankulo hat die<br />

Renamo kaum Chancen angesichts der e<strong>in</strong>deutigen Frelimo-Dom<strong>in</strong>anz. Hier werden<br />

die zwischenparteilichen Konflikte als ger<strong>in</strong>g ausgeprägt beschrieben. Insofern<br />

sche<strong>in</strong>t die Verteilung der Parteiendom<strong>in</strong>anz e<strong>in</strong>en E<strong>in</strong>fluss auf die lokale <strong>Konflikten</strong>twicklung<br />

zu haben.<br />

Bedeutung <strong>von</strong> Institutionen. Um den soziokulturellen und politischen Kontext<br />

stärker <strong>in</strong> die Konfliktanalyse e<strong>in</strong>zubeziehen, wurde auf <strong>in</strong>stitutionentheoretische<br />

Ansätze sowie auf den <strong>in</strong>terpretativen Ansatz politischer Kulturforschung zurückgegriffen.<br />

Mittels e<strong>in</strong>er <strong>in</strong>stitutionentheoretischen Perspektive konnte die zentrale Bedeutung<br />

<strong>in</strong>stitutioneller Funktionen für die Entstehung und Entwicklung <strong>von</strong><br />

<strong>Konflikten</strong> herausgestellt werden. Als zentrale Funktionen gelten:<br />

� Ordnungs- und Steuerungsfunktion durch Regulation und Verteilung;<br />

� Entlastung durch Normvermittlung und Sanktionierung bei Normverstoß;<br />

242


Fazit<br />

� Reduktion <strong>von</strong> Unsicherheit durch die Stabilisierung <strong>von</strong> Ordnungen und der<br />

Gewährleistung <strong>von</strong> Schutz und<br />

� Integration durch S<strong>in</strong>nproduktion und Vermittlung kultureller Werte.<br />

Anhand dieser lassen sich analytisch die verschiedenen Rollen bestimmen, die Institutionen<br />

als Organisationen <strong>in</strong> <strong>Konflikten</strong> e<strong>in</strong>nehmen können. Institutionen können<br />

<strong>in</strong> <strong>Konflikten</strong> als Akteur, Gegenstand sowie durch ihre Kontextwirkung e<strong>in</strong>bezogen<br />

se<strong>in</strong>. In der Untersuchung wird deutlich, dass Institutionen selten als Konfliktakteur<br />

agieren. Möglicherweise ist dies darauf zurückzuführen, dass es den <strong>in</strong>stitutionellen<br />

Akteuren nicht gel<strong>in</strong>gt, etwa durch das Treffen <strong>von</strong> Absprachen geschlossen zu handeln.<br />

Zwar handeln die Akteure im Namen der Institution, sie können aber nicht den<br />

Organisationsapparat h<strong>in</strong>ter sich vere<strong>in</strong>igen. In Bezug auf Institutionen als Konfliktgegenstand<br />

wurde auf die Strategien der Schwächung und der Eroberung h<strong>in</strong>gewiesen,<br />

mit deren Hilfe Akteure ihre Interessen zu verwirklichen suchen. Im Konflikt<br />

zwischen den Distriktverwaltungen und den Kommunalverwaltungen ist das Handeln<br />

der Distriktverwaltungen am ehesten durch ‚Schwächung zur Eroberung’ zu<br />

beschreiben. Die Distriktverwaltungen versuchen, mittels Machtdemonstration und<br />

Obstruktionsstrategien ihre Machtpositionen gegenüber den Kommunalverwaltungen<br />

auszubauen. Die Kommunalverwaltungen h<strong>in</strong>gegen bemühen sich um die Erhaltung<br />

der ihnen zugewiesenen Kompetenzen, um die Sicherstellung der Ressourcen<br />

der Institution und damit des persönlichen E<strong>in</strong>kommens. Erhaltung ihrer Position ist<br />

ebenfalls das Ziel der <strong>in</strong> <strong>Konflikten</strong> <strong>in</strong>vol<strong>vier</strong>ten traditionellen Autoritäten. Die Versuche<br />

der Renamo, die Kommunalverwaltung <strong>in</strong> Catandica zu sabotieren, s<strong>in</strong>d als<br />

Akt der Schwächung zu verstehen. Ansonsten stehen die Strategien der Renamo eher<br />

für Eroberungsabsichten. Für die Konfliktkonstellationen <strong>in</strong> den <strong>vier</strong> <strong>Kommunen</strong><br />

entscheidend ist der <strong>in</strong>stitutionelle Kontext. Gerade traditionelle und <strong>in</strong>formelle Autoritäten<br />

nehmen e<strong>in</strong>en ‚<strong>in</strong>stitutionellen Zusammenbruch’ wahr und beschreiben die<br />

gegenwärtige Situation als Unordnung. Hier s<strong>in</strong>d vor allem die Unübersichtlichkeit<br />

<strong>in</strong>folge überlappender Zuständigkeiten (z.B. mehrfach erhobene Steuern) oder fehlender<br />

bzw. nicht erfüllter Zuständigkeiten (z.B. Verbrechensbekämpfung) zu nennen.<br />

Wesentlich ist, dass für Teile der Bevölkerung die Veränderungen bedrohlich<br />

wirken, was besonders <strong>in</strong> der Perspektive politischer Kulturforschung klar hervortritt.<br />

Lokale politische Kultur. Die Untersuchung zeigt, dass die vorhandenen Institutionenstrukturen<br />

weitgehend positiv aufgenommen wurden. Wenngleich die Akzep-<br />

243


Fazit<br />

tanz demokratischer Ordnungspr<strong>in</strong>zipien betont wird, füllen die Befragten ‚Demokratie’<br />

<strong>in</strong>haltlich unterschiedlich aus. Mehrheitlich steht Demokratie für Freiheit, aber<br />

auch für ‚zu viel Freiheit’, d.h. für Zügellosigkeit und Unordnung. Auffällig ist, dass<br />

‚Demokratie’ nicht alle<strong>in</strong> auf e<strong>in</strong>e politische Dimension beschränkt bleibt, sondern<br />

als die Gesamtheit der sozialen und politischen Prozesse der Modernisierung begriffen<br />

wird. Darum bevorzugen e<strong>in</strong>ige Befragte e<strong>in</strong>e Art ‚limitierte’ oder ‚kontrollierte’<br />

Demokratie, <strong>in</strong> der <strong>in</strong>dividuelle Freiheiten zugunsten geme<strong>in</strong>schaftsorientierter Konformität<br />

begrenzt werden. Hier<strong>in</strong> äußert sich der hohe Stellenwert <strong>von</strong> Normen und<br />

Werten, denn das Maß der Befolgung <strong>von</strong> Werten und Normen wird als Indikator<br />

dafür gehalten, ob e<strong>in</strong>e Ordnung gilt oder e<strong>in</strong>e Situation als Unordnung zu beschreiben<br />

ist.<br />

Bei der Untersuchung der Ordnungsvorstellungen werden die für die Befragten<br />

wichtigen Bed<strong>in</strong>gungen und Grundpr<strong>in</strong>zipien e<strong>in</strong>er Ordnung erkennbar. So stellen<br />

E<strong>in</strong>heit und normkonformes Verhalten wichtige Elemente e<strong>in</strong>er Ordnung dar. Unordnung<br />

h<strong>in</strong>gegen wird durch bestimmte Problemlagen erzeugt, die wiederum als<br />

Ursache <strong>von</strong> zahlreichen Missverständnissen und <strong>Konflikten</strong> verstanden und darum<br />

negativ bewertet werden. <strong>E<strong>in</strong>e</strong> hierfür angegebene Erklärung ist, dass der Wandel<br />

sich schnell vollzogen hat. Zur richtigen E<strong>in</strong>ordnung der Vorgänge und Ereignisse<br />

fehlt es demnach der Bevölkerung an Wissen und Erfahrung. Dieses Argument wird<br />

für Verwaltungshandeln wie für soziale Bereiche angeführt. E<strong>in</strong> zweiter Erklärungsansatz<br />

für Unordnung gründet auf der Wahrnehmung <strong>von</strong> ‚außen’ kommender Bedrohungen.<br />

Es s<strong>in</strong>d dies etwa der Modernisierungse<strong>in</strong>fluss aus Simbabwe, das aus<br />

sämtlichen Nachbarländern „importierte“ AIDS-Problem (AND/M) oder die Krim<strong>in</strong>alität<br />

aus der Nachbarstadt. Dies verdeutlicht, dass zwischen e<strong>in</strong>er (positiv besetzten)<br />

Wir-Geme<strong>in</strong>schaft und ‚Andere’, die für negativ bewertete Phänomene und<br />

Praktiken verantwortlich gemacht werden, differenziert wird. Vor allem die Wahrnehmungs-<br />

und Bewertungsstrukturen der politischen Parteien zeugen <strong>von</strong> diesem<br />

dualistischen Pr<strong>in</strong>zip. <strong>E<strong>in</strong>e</strong>rseits bietet dies zwar psychosoziale Vorteile wie die Reduktion<br />

der Umweltkomplexität mittels e<strong>in</strong>er sozialen Kategorisierung, e<strong>in</strong> positives<br />

Selbstbild und die Stabilisierung sozialer Identitäten. Andererseits führt diese Wahrnehmungsweise<br />

zu e<strong>in</strong>er Entstehung <strong>von</strong> <strong>Konflikten</strong> bzw. zu e<strong>in</strong>er Verhärtung <strong>von</strong><br />

bestehenden konfliktiven Beziehungszusammenhängen.<br />

Die kommunalen Institutionen weisen nur e<strong>in</strong>en ger<strong>in</strong>gen Institutionalisierungsgrad<br />

auf, so dass ihre Kapazitäten zur Lösung <strong>von</strong> Problemen und Bearbeitung <strong>von</strong> Kon-<br />

244


Fazit<br />

flikten im S<strong>in</strong>ne e<strong>in</strong>er demokratischen Kultur begrenzt s<strong>in</strong>d. Problematisch ist, dass<br />

die E<strong>in</strong>führung demokratischer Pr<strong>in</strong>zipien Konflikte schafft, welche zu bearbeiten<br />

die dafür zuständigen Institutionen noch nicht <strong>in</strong> der Lage s<strong>in</strong>d. Dies bedarf neben<br />

Ressourcen <strong>in</strong>sbesondere an Zeit, um notwendiges Wissen zu sammeln, die Regeln<br />

und Verfahren zu <strong>in</strong>ternalisieren sowie um die nötigen Beziehungen zu etablieren.<br />

Vor allem müssen die kommunalen Institutionen das Vertrauen der Bevölkerung<br />

gew<strong>in</strong>nen.<br />

Die Effektivität der kommunalen Institutionen hängt <strong>in</strong> großem Maße vom Selbstverständnis<br />

der E<strong>in</strong>zelnen als politische Subjekte ab, d.h. welche E<strong>in</strong>stellungen sie<br />

gegenüber Autorität haben und <strong>in</strong>wieweit sie zur politischen Partizipation bereit s<strong>in</strong>d.<br />

Die Erhebung der E<strong>in</strong>stellungen gegenüber Autorität zeigt, dass e<strong>in</strong>e klare Vermittlung<br />

<strong>von</strong> Steuerungs- und Sanktionskompetenzen <strong>von</strong> formellen wie <strong>von</strong> <strong>in</strong>formellen<br />

Autoritäten erwartet wird, die sich beispielsweise <strong>in</strong> Form sachlicher Kompetenz<br />

aber auch <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em rigiden Herrschaftsstil niederschlagen sollten. Problematisch ist<br />

die Autoritätssituation <strong>in</strong>sofern, als dass die traditionellen Autoritäten u.a. aufgrund<br />

des modernisierungsbed<strong>in</strong>gten Bedeutungsverlusts tradierter sozialer Praktiken <strong>in</strong>sgesamt<br />

selbst an E<strong>in</strong>fluss verlieren, die formellen Autoritäten <strong>in</strong> den Kommunalverwaltungen<br />

aber nicht über ausreichend Legitimität verfügen. So zeugen Aussagen wie<br />

„Jeder macht, was er will“ <strong>von</strong> der wahrgenommenen Unordnung und der empfundenen<br />

Orientierungslosigkeit.<br />

Die Bevölkerung zeigt e<strong>in</strong>e ger<strong>in</strong>ge Bereitschaft zur politischen Partizipation, was<br />

nicht bedeutet, dass sie bei Entscheidungs- und Gestaltungsprozessen vernachlässigt<br />

werden will. Vielmehr erwartet sie e<strong>in</strong>e Konsultation <strong>in</strong> wichtigen Angelegenheiten.<br />

Das gilt für zivilgesellschaftliche Organisationen, für traditionelle Autoritäten wie für<br />

politische Parteien. Allerd<strong>in</strong>gs erwarten die Kommunalverwaltungen, dass sich die<br />

Bevölkerung spontan und aktiv e<strong>in</strong>br<strong>in</strong>gt. Zum Teil wird darunter auch das selbstständige<br />

und selbstverantwortliche Lösen <strong>von</strong> Problemen verstanden, für welche die<br />

Kommunalverwaltung ke<strong>in</strong>e Kapazität hat. Insgesamt besteht e<strong>in</strong>e Schwierigkeit<br />

dar<strong>in</strong>, dass für e<strong>in</strong>e Steigerung der Akzeptanz der lokalen Institutionen ebenso wie<br />

für die Entwicklung e<strong>in</strong>er demokratischen Kultur positive Erfahrungen <strong>in</strong>folge e<strong>in</strong>er<br />

aktiven Teilhabe an lokalen politischen Entscheidungs- und Gestaltungsprozessen<br />

erforderlich s<strong>in</strong>d. Politisches Des<strong>in</strong>teresse h<strong>in</strong>gegen kann die bestehende Distanz<br />

zwischen politischer Führung und Bevölkerung erweitern.<br />

245


Fazit<br />

Erklärungsmodell und weitere Forschungsfragen. Die systematische Aufarbeitung<br />

der Aussagen der Befragten ermöglicht die Bestimmung der drei idealtypischen<br />

Grundmuster <strong>von</strong> Ordnungsvorstellungen modernistisch, traditionalistisch und hybrid,<br />

wobei hybrid <strong>in</strong> opportunistisch und anomisch zu differenzieren ist. Diese ermöglichen<br />

die Generierung <strong>von</strong> Aussagen, die zu e<strong>in</strong>em Erklärungsmodell verdichtet<br />

werden können. Hierzu wurden drei Thesen zum Zusammenhang <strong>von</strong> politischer<br />

Kultur, Konfliktbereitschaft, <strong>in</strong>stitutionellem Kontext und Gewalt formuliert:<br />

These 1: Die Anwendung <strong>von</strong> Gewalt ist e<strong>in</strong>e rationale Handlungsoption <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em<br />

<strong>von</strong> Une<strong>in</strong>deutigkeit geprägten <strong>in</strong>stitutionellen Kontext. <strong>Konflikten</strong> geht e<strong>in</strong>e<br />

Normmissachtung voraus.<br />

These 2: Die Missachtung <strong>von</strong> Normen steht für die Ablehnung der sozialen und politischen<br />

Ordnung. Von Institutionen wird die Bewahrung der Ordnung durch rigide<br />

Maßnahmen erwartet.<br />

These 3: Die Konfliktbereitschaft sowie die Regelb<strong>in</strong>dung bei der Bearbeitung <strong>von</strong><br />

<strong>Konflikten</strong> variieren mit dem Typus politischer Kultur.<br />

Diese Thesen s<strong>in</strong>d das Ergebnis verstehender, s<strong>in</strong>norientierter Deutung und formulieren<br />

damit nur Hypothesen über potentielle Kausalbeziehungen, die zur Gew<strong>in</strong>nung<br />

e<strong>in</strong>es gültigen Erklärungsmodells empirisch-statistisch geprüft werden müssen.<br />

Der Rekurs auf <strong>in</strong>stitutionentheoretische Ansätze sowie auf Ansätze politischer Kulturforschung<br />

hat sich bei der <strong>Analyse</strong> <strong>von</strong> <strong>Konflikten</strong> bewährt. Insofern ist e<strong>in</strong>e systematische<br />

Vertiefung der hier angerissenen Themenkomplexe zu begrüßen. Für<br />

wünschenswert erachte ich e<strong>in</strong>e <strong>in</strong>stitutionenanalytische Behandlung formeller und<br />

<strong>in</strong>formeller sozialer wie politischer Institutionen im H<strong>in</strong>blick auf ihre Relevanz für<br />

die Entwicklung und Bearbeitung <strong>von</strong> <strong>Konflikten</strong>. Auch die empirische Untersuchung<br />

des Zusammenhangs <strong>von</strong> <strong>in</strong>stitutioneller Dynamik und <strong>Konflikten</strong>twicklung<br />

ersche<strong>in</strong>t mir aus <strong>in</strong>stitutionentheoretischer Perspektive gew<strong>in</strong>nbr<strong>in</strong>gend. Beide Fragestellungen<br />

ermöglichen e<strong>in</strong>e Anb<strong>in</strong>dung an Untersuchungsdesigns politischer Kulturforschung.<br />

Insbesondere e<strong>in</strong>e systematische Erhebung der auf Institutionen<br />

bezogenen E<strong>in</strong>stellungen, <strong>in</strong> der sowohl die Repräsentanten der Institutionen als<br />

auch die Institutionenadressaten berücksichtigt werden, kann zu Erkenntnissen <strong>in</strong><br />

Bezug auf die Effektivität <strong>von</strong> Institutionen <strong>in</strong> Konfliktsituationen führen. Schließlich<br />

s<strong>in</strong>d die hier aufgeworfenen Fragen zum Zusammenhang <strong>von</strong> Ordnungsvorstellungen<br />

und Konflikt- bzw. Gewaltbereitschaft zu vertiefen. Es s<strong>in</strong>d die<br />

traditionalistischen und modernistischen E<strong>in</strong>stellungsmuster empirisch zu erhärten,<br />

246


Fazit<br />

wobei e<strong>in</strong>e stärkere Berücksichtigung der E<strong>in</strong>stellungen der Bevölkerung sowie der<br />

Verhaltensdimension zu wünschen ist. Damit wird deutlich, dass <strong>in</strong> methodischer<br />

H<strong>in</strong>sicht e<strong>in</strong>e Ergänzung um quantitative Daten <strong>von</strong> großem Nutzen ist.<br />

Praktische Relevanz. Gerade <strong>in</strong> der Konfliktforschung <strong>in</strong>teressiert neben dem wissenschaftlichen<br />

Beitrag <strong>von</strong> <strong>Analyse</strong>n deren Relevanz für die Praxis. Die vorliegende<br />

Arbeit zielt weniger auf die Formulierung praktischer Handlungsanleitungen als auf<br />

die Erfassung relevanter Dimensionen <strong>von</strong> <strong>Konflikten</strong>, die Aussagen über langfristige<br />

Konflikt- und Gewaltpotentiale ermöglichen, jedoch bislang weder ausreichend<br />

noch angemessen berücksichtigt wurden. In der Regel konzentrieren sich Konfliktanalysen<br />

auf stattgefundene Ereignisse und Strukturen und weniger auf schwer zugängliche<br />

Faktoren wie E<strong>in</strong>stellungsmuster und subjektive S<strong>in</strong>nstrukturen. Erst aber<br />

die Berücksichtigung e<strong>in</strong>es verstehenden Ansatzes, der auf die Erfassung des S<strong>in</strong>nzusammenhangs<br />

<strong>von</strong> Handlungen abzielt, lassen sich vollständige Erklärungen für spezifische<br />

Prozessverläufe und Systemzustände f<strong>in</strong>den, auf die steuernd im S<strong>in</strong>ne e<strong>in</strong>er<br />

gewaltarmen Konfliktbearbeitung e<strong>in</strong>gewirkt werden soll.<br />

Allgeme<strong>in</strong>e Zielsetzungen. Auf der Grundlage der Untersuchungsbefunde möchte ich<br />

abschließend auf Zielsetzungen für die Praxis h<strong>in</strong>weisen. Ich sehe e<strong>in</strong> notwendiges,<br />

allgeme<strong>in</strong>es Ziel <strong>in</strong> der Vermeidung <strong>von</strong> Gewalt als rationale Option zur Herstellung<br />

<strong>von</strong> E<strong>in</strong>deutigkeit. Diese resultiert zuallererst aus Situationen sozialer Dilemmata und<br />

<strong>in</strong>dividueller Krisen, welche es darum zu vermeiden gilt. Insofern lassen sich als Unterziele<br />

(a) die Herstellung <strong>von</strong> Sicherheiten bzw. die Reduktion <strong>von</strong> rechtlicher und<br />

politischer Unsicherheit ebenso wie <strong>von</strong> <strong>in</strong>dividueller Verunsicherung sowie (b) die<br />

Bekämpfung <strong>von</strong> des<strong>in</strong>tegrativ wirkenden Phänomenen und Prozessen ableiten.<br />

(a) Die Herstellung <strong>von</strong> Sicherheit zur Vermeidung <strong>von</strong> Gewalt sollte nicht auf Aspekte<br />

öffentlicher Sicherheit und Krim<strong>in</strong>alitätsbekämpfung beschränkt bleiben. Nicht<br />

alle<strong>in</strong> die „Sicherung <strong>von</strong> Sicherheiten“ (KAUFMANN 1973: 57), also die Sicherstellung<br />

bereits rechtlich und gesellschaftlich vere<strong>in</strong>barter Garantien wie Rechtssicherheit<br />

und Systeme sozialer Sicherung, sollte angestrebt werden, sondern auch – hier<br />

liegt das Besondere – die Herstellung <strong>von</strong> Gewissheit auf <strong>in</strong>dividueller Ebene. Hierunter<br />

ist v.a. die <strong>in</strong>stitutionelle Bereitstellung <strong>von</strong> Orientierungsangeboten für <strong>in</strong>dividuelles<br />

und kollektives Handeln zu verstehen. Es liegt also besonderes Interesse<br />

e<strong>in</strong>erseits <strong>in</strong> der Integration des <strong>in</strong>stitutionellen Kontexts und andererseits <strong>in</strong> der<br />

gesellschaftlichen Verankerung <strong>von</strong> Institutionen. Im H<strong>in</strong>blick auf die lokalen demokratischen<br />

Institutionen s<strong>in</strong>d als konkrete Ziele zu nennen: e<strong>in</strong>e ‚gute Institutionen-<br />

247


Fazit<br />

performanz’ 132 als Voraussetzung für gesellschaftliches Vertrauen und Legitimation<br />

sowie die Entwicklung und E<strong>in</strong>übung e<strong>in</strong>er demokratischen Konfliktbearbeitungskultur,<br />

<strong>in</strong> welcher der produktive Charakter <strong>von</strong> <strong>Konflikten</strong> deutlich wird. H<strong>in</strong>sichtlich<br />

traditioneller Institutionen ist vor allem die Anpassung der<br />

Problemlösungskapazitäten und –verfahren an die sich wandelnden Umweltbed<strong>in</strong>gungen<br />

erforderlich. Insgesamt ist für e<strong>in</strong>en <strong>in</strong>tegrierten <strong>in</strong>stitutionellen Kontext zu<br />

sorgen, so dass den handelnden Individuen ausreichend Handlungsorientierung und<br />

kontextuelle Sicherheit geboten wird. Für neu e<strong>in</strong>gerichtete Institutionen bedeutet<br />

dies vor allem e<strong>in</strong>e stärkere Berücksichtigung der lokalen politischen Kultur.<br />

(b) Die vorliegende Arbeit zeigt, dass Gewalt nicht alle<strong>in</strong> politische Ursachen bzw.<br />

Motive hat, sondern auch Folge des<strong>in</strong>tegrativ wirkender Faktoren se<strong>in</strong> kann. Die<br />

Vermeidung der Entstehung anomischer Gewalt ist <strong>von</strong> hoher Bedeutung, da diese<br />

besonders schwer zu kontrollieren ist. Daher ist der Bekämpfung des<strong>in</strong>tegrativ wirkender<br />

Faktoren sowie der Abmilderung ihrer Folgen e<strong>in</strong>e hohe Priorität e<strong>in</strong>zuräumen.<br />

Hier wurde auf die erhebliche Wirkung <strong>von</strong> Krim<strong>in</strong>alität, Traumatisierungen,<br />

AIDS und Drogenkonsum h<strong>in</strong>gewiesen. Es s<strong>in</strong>d die jeweiligen Ursachen- und Wirkungszusammenhänge<br />

und ihre Bedeutung für konfliktrelevante Akteursgruppen zu<br />

analysieren. Besondere Beachtung gebührt e<strong>in</strong>erseits Akteursgruppen, <strong>von</strong> denen e<strong>in</strong><br />

signifikantes Gewaltpotential ausgeht (z.B. ehemalige Soldaten, gegenwärtige Jugendgeneration)<br />

und andererseits diffusen Konfliktkonstellationen wie z.B. dem hier beschriebenen<br />

Generationenkonflikt.<br />

Akteursspezifische Zielsetzungen. Für die <strong>in</strong> der Untersuchung als zentral befundenen<br />

Akteure und Zielgruppen (vgl. Tabelle 18) lassen sich folgende Beispiele gewaltm<strong>in</strong>dernder<br />

Zielsetzungen formulieren:<br />

Die Kommunalverwaltung wie die Distriktverwaltung spielen e<strong>in</strong>e wichtige Rolle bei<br />

der regulierenden und ordnenden Gestaltung des lokalen Kontexts. Insofern gilt es,<br />

ihre Kapazitäten zu steigern, beispielsweise <strong>in</strong> Form e<strong>in</strong>er stärkeren Vermittlung demokratischer<br />

Verwaltungspr<strong>in</strong>zipien und e<strong>in</strong>er kommunalen Vernetzung. Die Kommunalverwaltung<br />

übernimmt besondere Verantwortung bei der Def<strong>in</strong>ition der<br />

lokalen politischen Geme<strong>in</strong>schaft. Angesichts der Konfliktpotentiale, die aus der<br />

Anwesenheit <strong>von</strong> Migranten und ausländischen Investoren resultieren, hat die<br />

Kommunalverwaltung die soziale Integration zu fördern und ausgleichend auf Kon-<br />

132 In Analogie zum Ziel e<strong>in</strong>es Good Governance.<br />

248


Fazit<br />

kurrenzsituationen e<strong>in</strong>zuwirken. <strong>E<strong>in</strong>e</strong> Förderung der Kommune als Identitätsmarker<br />

(z.B. „Wir <strong>in</strong> Pemba“) könnte die Bevölkerung für soziales und politisches Engagement<br />

moti<strong>vier</strong>en und somit zur Steigerung der lokalen Problemlösungskapazitäten<br />

beitragen.<br />

Als Interessenrepräsentanten und Multiplikatoren stehen die politischen Parteien auf<br />

lokaler Ebene <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er entscheidenden Position. Für die Entwicklung e<strong>in</strong>er lokalen<br />

demokratischen Konfliktbearbeitungskultur ist der Ausbau des lokalen Interessenpluralismus<br />

durch die Förderung weiterer politischer Parteien und Initiativen sowie<br />

die Verstärkung des lokalen Bezugs örtlicher Politik zu fördern. Wünschenswert ist<br />

e<strong>in</strong>e Entkopplung der kommunalen Politik <strong>von</strong> nationalen Parteistrategien, so dass<br />

die Vertretung lokaler Interessen und die Lösung lokaler Sachprobleme im Vordergrund<br />

stehen.<br />

Die Polizei ist <strong>in</strong> doppelter H<strong>in</strong>sicht <strong>von</strong> großem Stellenwert. Zum e<strong>in</strong>en prägt sie<br />

das Bild formeller Institutionen <strong>in</strong> der Öffentlichkeit und zum anderen ist sie mit der<br />

empf<strong>in</strong>dlichen Aufgabe der Herstellung <strong>von</strong> Sicherheit betraut. In beiden Aspekten<br />

s<strong>in</strong>d Defizite zu erkennen, so dass die Polizeiarbeit gefördert werden muss, um Krim<strong>in</strong>alität<br />

und Lynchjustiz zu verh<strong>in</strong>dern und das Gewaltmonopol des Staates sicherzustellen.<br />

249


8 Anhang<br />

Manica<br />

Abbildung 2: Die geographische Lage der untersuchten <strong>Kommunen</strong> Pemba, Catandica, Manica und<br />

Vilankulo<br />

250


Pemba Catandica Manica Vilankulo<br />

Strukturdaten/ � Prov<strong>in</strong>z Cabo Delgado (Norden), � Prov<strong>in</strong>z Manica (Zentrum), Grenz- � Prov<strong>in</strong>z Manica (Zentrum), � Prov<strong>in</strong>z Inhambane (Süden)<br />

Geographische Grenzgebiet zu Tansania<br />

gebiet zu Simbabwe<br />

� Grenzgebiet zu Simbabwe<br />

� Küstenstadt<br />

Lage<br />

und Malawi<br />

� Korridorlage an Nationalstraße � Korridorlage an Nationalstraße EN 6 � 20 km abseits der Nationalstraße<br />

� Küstenstadt mit Halb<strong>in</strong>sellage EN 102<br />

(Beira/MZ – Mutare/ZW)<br />

EN 1<br />

Demographie1) � 84.897 EW (1997) auf 83 km² � 24.682 (1997) auf 16 km²<br />

� 42.430 (1997) auf 113 km²<br />

� 16.845 (1997); Ke<strong>in</strong>e Angaben zur<br />

(1010 E/km²), starkes Wachstum (1.542 EW/km²), starkes Wachstum (252 EW/km²), starkes Wachstum Flächengröße<br />

seit 1998<br />

seit 1980<br />

� Wachstum seit 1998<br />

Politische � 6 Beigeordnete, da<strong>von</strong> 2 im Rat<br />

Struktur<br />

� Geme<strong>in</strong>derat mit 31 Sitzen<br />

� Auffällig: ke<strong>in</strong>e Geme<strong>in</strong>depolizei<br />

� 7 régulos bekannt, zum Forschungszeitpunkt<br />

nicht formell anerkannt<br />

� 3 Bürger<strong>in</strong>itiativen2) � 4 Beigeordnete, da<strong>von</strong> 2 im Rat � 4 Beigeordnete, da<strong>von</strong> 2 im Rat � 4 Beigeordnete, alle im Rat<br />

� Geme<strong>in</strong>derat mit 13 Sitzen<br />

� Geme<strong>in</strong>derat mit 13 Sitzen<br />

� Geme<strong>in</strong>derat mit 13 Sitzen<br />

� 2 régulos <strong>in</strong> Catandica bekannt, nur � Hohe Bedeutung traditioneller Auto- � Fehlen e<strong>in</strong>er <strong>in</strong>stitutionellen Verb<strong>in</strong>-<br />

e<strong>in</strong>er formell anerkannt<br />

ritätendung<br />

zwischen traditionellen u. for-<br />

� Renamo –Hochburg<br />

� 10 régulos im Distrikt bekannt, Anzahl mellen politischen Strukturen<br />

zu den<br />

� 13 aktive zivilgesellschaftliche Orga- <strong>in</strong> Manica nicht anzugeben<br />

Kommunalwahlen 1998 (zum Fornisationen bekannt mit Handlungs- � 3 aktive zivilgesellschaftliche Organischungszeitpunkt<br />

bereits aufgelöst) feldern Frauen/Jugend, AIDS, sationen <strong>in</strong> den Handlungsfeldern<br />

Humanitäre Hilfe und Religi-<br />

Infrastruktur, Institutionen, Gesundon/Traditionspflegeheit<br />

u. Frauen<br />

F<strong>in</strong>anzen / � Starker Anstieg der Steuere<strong>in</strong>nah- � Große F<strong>in</strong>anzprobleme, v.a. durch � Fehlende Koord<strong>in</strong>ation mit Steuer- � Haushalt konsolidiert<br />

Lokale Wirtschaft men, dennoch weiterh<strong>in</strong> vom kom- hohe Personalkosten<br />

politik des Distrikts/der Prov<strong>in</strong>z � Steuerpolitik problematisch<br />

munalen Ausgleichsfond abhängig � Potentiale durch Anb<strong>in</strong>dung an die � Potential durch <strong>in</strong>frastrukturelle Lage � Großes touristisches Potential durch<br />

� Entwicklungspotentiale: Fischerei, EN 102 und Grenzhandel<br />

Manicas im Beira-Korridor und das Bazaruto-Archipel<br />

Hafen<strong>in</strong>dustrie, Tourismus<br />

� Langfristiges touristisches Potential Grenzhandel<br />

durch Bergregion Choa<br />

Demobilisierung � 1.411 demobilisierte Soldaten im � 1.586 Demobilisierte <strong>von</strong> Re<strong>in</strong>tegra- � 788 demobilisierte im Distrikt Mani- � 1.276 Demobilisierte nach Kriegsen-<br />

Distrikt <strong>von</strong> Pemba (1996)<br />

tionsprogrammen erfasst<br />

ca <strong>von</strong> Re<strong>in</strong>tegrationsprogrammen de registriert<br />

erfasst<br />

Migration � Rückgang der Zahl der Migranten im � Rückkehr ca. 25.000 Flüchtl<strong>in</strong>ge aus � Starke Migrationsbewegungen im � Rückgang der Zahl der Migranten<br />

Distrikt <strong>von</strong> 17.000 (1992) auf 1.450 Malawi u. Simbabwe <strong>in</strong> den Báruè- Distrikt<br />

<strong>von</strong> ca. 53.000 auf 2.000 (1992 bis<br />

(1994)<br />

Distrikt (1992 bis 1995)<br />

� 23.700 Menschen (13 % der Ge- 1995)<br />

� Ke<strong>in</strong>e statistischen Angaben für die � Kaum Migration der Bevölkerung samtbevölkerung) s<strong>in</strong>d Migranten<br />

aktuelle Situation vorhanden<br />

Catandicas<br />

� Vor allem Flucht nach Simbabwe<br />

Quellen: MAE 1998b; Veröffentlichungen des MAE zu den Distrikten <strong>von</strong> Pemba (URL: www.mae.gov.mz/delgado/ppemba.htm), Báruè (URL: www.mae.gov.mz/manica/pbarue.htm),<br />

Manica (URL: www.mae.gov.mz/manica/pmanica.htm) sowie Vilankulo (URL: www.mae.gov.mz/<strong>in</strong>hamb/pvilanku.htm); eigene Erhebung; 1) Quellen: MAE 1998b und INE, URL:<br />

http://www.<strong>in</strong>e.gov.mz/censo2/02/brochura/02populacao.htm); 2) PRCM, LIVRES DA CIDADE DE PEMBA und ASSOCIAÇÃO CIDADE DE PEMBA PARA A ORDEM. Insgesamt waren <strong>in</strong><br />

Mosambik sechs Bürger<strong>in</strong>itiativen bei den Kommunalwahlen 1998 angetreten.<br />

Tabelle 24: Zusammenstellung wesentlicher Merkmale der untersuchten <strong>Kommunen</strong><br />

251


Pemba<br />

Vilankulo<br />

Catandica<br />

Manica<br />

7.11. – 16.11.<br />

(26 Befragte)<br />

20.9. – 2.10.<br />

(27 Befragte)<br />

6.9. – 13.9.<br />

(27 Befragte)<br />

26.8. – 5.9.<br />

(20 Befragte)<br />

• Bürgermeister<br />

• Bürgermeister<br />

• Bürgermeister<br />

• Bürgermeister<br />

• Geme<strong>in</strong>derat<br />

• Geme<strong>in</strong>derat<br />

• Geme<strong>in</strong>derat<br />

• Geme<strong>in</strong>derat<br />

• Parteivertretung Frelimo, Renamo<br />

• Distriktadm<strong>in</strong>istrator<br />

• Distriktadm<strong>in</strong>istrator<br />

• Distriktadm<strong>in</strong>istrator<br />

• Polizeichef<br />

• Secretários dos bairros<br />

• Polizeichefs<br />

• Polizeichefs<br />

• NGOs (Menschenrechte, AIDS,<br />

• Polizeichefs<br />

• Parteivertretung Frelimo, Renamo<br />

• Parteivertretung Frelimo, Renamo<br />

ländliche Entwicklung)<br />

• Parteivertretung Frelimo, Renamo<br />

• Ehemalige Kombattanten<br />

• NGOs (Menschenrechte, AIDS,<br />

• Religionsführer (Priester, Imam)<br />

• Ehemalige Kombattanten<br />

• NGOs (Menschenrechte, AIDS,<br />

ländliche Entwicklung)<br />

• Prov<strong>in</strong>zverwaltung<br />

• Tourismusvertreter<br />

ländliche Entwicklung)<br />

• Traditionelle Autoritäten<br />

• Religionsführer (Priester, Imam)<br />

• Traditionelle Autoritäten<br />

(régulos)<br />

• Umweltschützer<strong>in</strong><br />

(régulos)<br />

• Presidentes dos bairros<br />

Tabelle 25: Übersicht über die Interviewdurchführung<br />

252


Grundmuster der benutzten Interviewleitfäden<br />

Die folgenden offen gestellten Fragen bilden die Kernstruktur der leitfadengestützten<br />

Interviews. Zwar wurden <strong>in</strong> jeder Befragung sämtliche <strong>in</strong>teressierenden Aspekte behandelt,<br />

im E<strong>in</strong>zelnen erfolgte jedoch e<strong>in</strong>e Anpassung der Leitfäden an die jeweiligen<br />

Befragten <strong>in</strong> Abhängigkeit ihrer funktionalen Rolle <strong>in</strong> der lokalen Politik. Infolgedessen<br />

wurden die verschiedenen Themenkomplexe unterschiedlich gewichtet. Formulierung<br />

und Reihenfolge der angeführten Fragen konnten aufgrund der Dynamik der<br />

Gesprächssituation nicht <strong>in</strong> jedem Fall e<strong>in</strong>gehalten werden. Beispielsweise wurden <strong>in</strong><br />

Interviews manche Fragen weniger „direkt“ formuliert, da e<strong>in</strong>e solche Gesprächsführung<br />

als unhöflich aufgefasst worden wäre. Zudem war es den Befragten freigestellt,<br />

ihnen wichtig ersche<strong>in</strong>ende Themenbereiche ausführlicher zu behandeln. Die Fragen<br />

wurden <strong>in</strong>s Portugiesische übersetzt. In den Interviews mit régulos <strong>in</strong> Manica mussten<br />

die Fragen zudem <strong>in</strong> e<strong>in</strong>en lokalen Dialekt übersetzt werden.<br />

A. Lokale Konflikt- und Gewaltpotentiale<br />

Interessierende Aspekte:<br />

� Lokale Konfliktaustragungskultur<br />

� Prüfung möglicher Ursachen für Konflikte wie z.B. politische Marg<strong>in</strong>alisie-<br />

rung, Ressourcennutzung und -verteilung (v.a. Arbeit, Land, Wasser), sozia-<br />

le Identität (ethnische und religiöse Identität, Migration), des<strong>in</strong>tegrative<br />

Faktoren (v.a. Krim<strong>in</strong>alität, AIDS), illegaler Waffenbesitz<br />

� Wahrgenommene Konflikt- und Gewaltpotentiale<br />

� (Selbst-) Verpflichtung zu e<strong>in</strong>er gewaltarmen Konfliktbearbeitung<br />

1. Können Sie e<strong>in</strong>en lokalen Konflikt nennen, der zurzeit ausgetragen wird?<br />

(> Konfliktverständnis)<br />

2. Welche Akteure s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> diesem Konflikt <strong>in</strong>vol<strong>vier</strong>t?<br />

3. Wie wird der Konflikt ausgetragen?<br />

4. Was wurde zur Lösung des Konfliktes unternommen?<br />

5. Wurde Ihrer Me<strong>in</strong>ung nach der Konflikt gelöst?<br />

6. Würden Sie die Art, wie der <strong>von</strong> Ihnen beschriebene Konflikt bearbeitet<br />

wird, als e<strong>in</strong>e typische Vorgehensweise beschreiben?<br />

7. S<strong>in</strong>d Sie zufrieden mit der Art und Weise, wie der Konflikt bearbeitet<br />

wurde?<br />

253


8. S<strong>in</strong>d Personen oder D<strong>in</strong>ge bei der Austragung des <strong>von</strong> Ihnen genannten<br />

Konfliktes zu Schaden gekommen?<br />

9. (Glauben Sie, dass die lokale Bevölkerung dieser Form der Konfliktaustragung<br />

und –bearbeitung im Allgeme<strong>in</strong>en zustimmt?)<br />

10. (Wird/Wurde versucht, die am Konflikt beteiligten Akteure da<strong>von</strong> abzuhalten,<br />

Gewalt anzuwenden?)<br />

11. Wurden bei der Konfliktaustragung Waffen gebraucht?<br />

12. Was glauben Sie, wie stark s<strong>in</strong>d Waffen vor Ort verbreitet?<br />

13. Unter welchen Umständen lässt sich der Rekurs auf Gewalt <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em<br />

Konflikt rechtfertigen?<br />

14. Was ist Ihrer Me<strong>in</strong>ung nach zu tun, damit Konflikte nicht gewaltsam ausgetragen<br />

werden?<br />

15. Wie würden Sie die gegenwärtige Sicherheitslage <strong>in</strong> dieser Region beurteilen?<br />

16. Worauf führen Sie Ihr Gefühl (der Sicherheit/Unsicherheit) zurück?<br />

17. Was ist Ihrer Me<strong>in</strong>ung am dr<strong>in</strong>gendsten zur Bewahrung/Wiederherstellung<br />

<strong>von</strong> Sicherheit zu tun?<br />

18. (Erachten Sie Krim<strong>in</strong>alität als e<strong>in</strong> Problem <strong>in</strong> dieser Kommune?)<br />

19. Welcher Problembereich könnte Ihrer Me<strong>in</strong>ung nach zu e<strong>in</strong>em gewaltsam<br />

ausgetragenen Konflikt führen?<br />

20. Für wie wahrsche<strong>in</strong>lich halten Sie zurzeit e<strong>in</strong>en Ausbruch e<strong>in</strong>es gewaltsam<br />

ausgetragenen Konfliktes?<br />

B. Kommunalreform<br />

Interessierende Aspekte:<br />

� Institutionelle Arrangements und Konfliktpotentiale<br />

� Handlungsspielräume beteiligter Akteure<br />

� Konflikte zwischen und <strong>in</strong>nerhalb <strong>von</strong> politischen Institutionen (v.a. im<br />

H<strong>in</strong>blick auf Kompetenz- und Mittelverteilung)<br />

� Durchsetzung gg. anderen Ebenen, v.a. im H<strong>in</strong>blick auf Ordnungs- und<br />

Orientierungsfunktion<br />

� Kommunikations- und Interaktionsstruktur zwischen formellen und <strong>in</strong>-<br />

formellen Verwaltungsstrukturen (presidentes dos bairros, régulos) sowie Diffe-<br />

renzierung Strukturen der Kommunalverwaltung und Partei (secretários dos<br />

bairros)<br />

254


21. Wie ist das Verhältnis der Kommunalverwaltung zu höheren Verwaltungsebenen<br />

(Distrikt-, Prov<strong>in</strong>z-, Nationalebene)?<br />

22. Welche Reibungspunkte bestehen?<br />

23. Wie ist das Verhältnis <strong>von</strong> formellen Institutionen (v.a. conselho do município,<br />

assembleia municipal) zu <strong>in</strong>formellen Institutionen (v.a. presidentes dos<br />

bairros, régulos) <strong>in</strong> dieser Kommune?<br />

24. Kommt es zu <strong>Konflikten</strong> zwischen formellen und <strong>in</strong>formellen Institutionen?<br />

25. Wenn ja, warum?<br />

26. (Mit welchen traditionellen Institutionen kooperiert die Stadtverwaltung?)<br />

27. Wie zufrieden s<strong>in</strong>d Sie mit der Wirkungsweise [Ihrer/der Institution] <strong>in</strong><br />

Bezug auf die lokale Politik?<br />

28. Wie f<strong>in</strong>den die unterschiedlichen Interessen der lokalen Bevölkerung Berücksichtigung<br />

<strong>in</strong> der alltäglichen Stadtpolitik?<br />

29. Hat sich das Leben seit der Kommunalreform 1998 eher zum Besseren,<br />

eher zum Schlechteren oder nicht nennenswert verändert? (> Begründung?)<br />

C. Etablierung demokratische Kultur<br />

Interessierende Aspekte:<br />

� Demokratieverständnis<br />

� E<strong>in</strong>stellungen gegenüber demokratischen Werten sowie gegenüber der<br />

Kommunalverwaltung als neue politische Ebene/Institutionen<br />

� Verhältnis der politischen Parteien und Institutionalisierung demokratischer<br />

Werte auf lokaler Ebene<br />

� Orientierungskapazität der Institution<br />

� Vertrauen <strong>in</strong> <strong>in</strong>stitutionelle Strukturen und ihre Rollen<strong>in</strong>haber<br />

30. Was verb<strong>in</strong>den Sie mit ‚Demokratie’ und ‚Demokratisierung’?<br />

31. Wie hat die lokale Bevölkerung die E<strong>in</strong>führung der Kommunalverwaltung<br />

aufgenommen?<br />

32. (Ist es zu Spannungen zwischen der lokalen Bevölkerung und der Kommunalverwaltung<br />

gekommen?)<br />

33. Würden Sie sagen, dass die lokale Bevölkerung der Kommunalverwaltung<br />

vertraut?<br />

255


34. Wie würden Sie das Verhältnis zwischen den politischen Parteien <strong>in</strong>nerhalb<br />

der Kommune beschreiben?<br />

35. Wie würden Sie das Vertrauen der lokalen Bevölkerung <strong>in</strong> die Kommunalverwaltung/<strong>in</strong><br />

die Polizei/<strong>in</strong> die Gerichte e<strong>in</strong>schätzen?<br />

36. (Halten Sie Wahlen für e<strong>in</strong> angemessenes Mittel, das Personal der<br />

Kommunalverwaltung zu bestimmen?)<br />

37. (Wie wichtig ist die personelle Besetzung im H<strong>in</strong>blick auf das Vertrauen<br />

der Bevölkerung <strong>in</strong> die jeweilige Institution?)<br />

38. Im Vergleich zum Vertrauen <strong>in</strong> die Kommunalverwaltung, würden Sie<br />

das Vertrauen der lokalen Bevölkerung <strong>in</strong> die <strong>in</strong>formellen Autoritäten<br />

(régulos, presidentes dos bairros) als größer, kle<strong>in</strong>er oder gleich e<strong>in</strong>schätzen?<br />

39. Welche Eigenschaften sollte e<strong>in</strong>e politische Autorität Ihrer Me<strong>in</strong>ung nach<br />

vere<strong>in</strong>en?<br />

40. Wird die Kommunalverwaltung aufgefordert, <strong>in</strong> Konflikte e<strong>in</strong>zugreifen?<br />

41. Welche Möglichkeiten bestehen für die Stadtverwaltung, <strong>in</strong> Konflikte e<strong>in</strong>zugreifen?<br />

42. (Sollte die Kommunalverwaltung die Möglichkeit haben, hart gegen Störenfriede<br />

und Ordnungsbrecher durchzugreifen?)<br />

256


Internationale Akteure<br />

Donors<br />

NGOs<br />

Investoren<br />

Touristen<br />

Zentralregierung<br />

MPF<br />

MAE<br />

Prov<strong>in</strong>zregierung<br />

Governeur<br />

Direktionen<br />

Distriktadm<strong>in</strong>istration<br />

Adm<strong>in</strong>istrator<br />

Direktionen<br />

Kommune<br />

Formelle Autoritäten<br />

Bürgermeister<br />

Präsident<br />

OppositionsOppositionsparteien<br />

Geme<strong>in</strong>derat<br />

Regierungspartei:<br />

Geme<strong>in</strong>deparlament<br />

Frelimo<br />

Renamo<br />

Verwaltung<br />

Nicht organisierter<br />

Support<br />

Geme<strong>in</strong>depolizei<br />

Organisationen<br />

OMM<br />

OJM<br />

AMODEG<br />

ADEMIMO<br />

Secretários dos bairros<br />

Religionsführer<br />

curandeiros<br />

Geme<strong>in</strong>deführer<br />

Traditionelle<br />

Presidentes dos bairros Autoritäten<br />

Régulos<br />

Chefes tradicionais<br />

Volksgerichte Cabos de terra<br />

Zivilgesellschaft<br />

Assoziationen<br />

NGOs<br />

Informelle Autoritäten<br />

Nicht<br />

organisierte<br />

Bevölkerung<br />

Besondere Gruppen<br />

Jugendliche/Waisen<br />

Frauen<br />

Ältere Generationen<br />

Indische Geme<strong>in</strong>schaft<br />

Weiße Siedler<br />

Abbildung 3: Übersicht über die relevanten Akteure im kommunalen Handlungsfeld (eigene Darstellung)<br />

257


Kommunalwahl 1998<br />

Bürgermeisterwahl Wahl des Geme<strong>in</strong>derats<br />

Kandidaten Anzahl<br />

Stimmen<br />

% Partei Anzahl<br />

Stimmen<br />

% Mandate<br />

Pemba:<br />

Abudo Anza 539 6,92 Frelimo 6.817 100 31<br />

Assubugy Meagy (Frelimo) 6.325 79,74<br />

Manuel Lima Mário 1.058 13,34<br />

Ungültige Stimmen 386 Ungültige Stimmen k.A.<br />

Enthaltungen 413 Enthaltungen k.A.<br />

Gültige Stimmen <strong>in</strong>sg. 7.932 Gültige Stimmen <strong>in</strong>sg. 6.817<br />

Anzahl Stimmberechtigter: 42.337<br />

Wahlbeteiligung: 21 %<br />

Catandica:<br />

José Draiva Chicodo (Frelimo) 2132 100 Frelimo 1.728 100 13<br />

Ungültige Stimmen 144 Ungültige Stimmen 518<br />

Enthaltungen 112 Enthaltungen 140<br />

Gültige Stimmen <strong>in</strong>sg. 2.132 Gültige Stimmen <strong>in</strong>sg. 1.728<br />

Anzahl Stimmberechtigter: 7.318<br />

Wahlbeteiligung: 33 %<br />

Manica:<br />

Moguene Candeeiro (Frelimo) 3.138 100 Frelimo 3.317 100 13<br />

Ungültige Stimmen 124 Ungültige Stimmen 141<br />

Enthaltungen 211 Enthaltungen 316<br />

Gültige Stimmen <strong>in</strong>sg. 3.138 Gültige Stimmen <strong>in</strong>sg. 3.317<br />

Anzahl Stimmberechtigter: 12.463<br />

Wahlbeteiligung: 30 %<br />

Vilankulo:<br />

Suleimane Amugy (Frelimo) 2583 99,98 Frelimo 2.416 100 13<br />

Jordão Mufume 54 0,2<br />

Ungültige Stimmen 372 Ungültige Stimmen 236<br />

Enthaltungen 128 Enthaltungen 383<br />

Gültige Stimmen <strong>in</strong>sg. 2.635 Gültige Stimmen <strong>in</strong>sg. 2.416<br />

Anzahl Stimmberechtigter: 12.608<br />

Wahlbeteiligung: 25 %<br />

Tabelle 26: Ergebnisse der Kommunalwahlen 1998 <strong>in</strong> Pemba, Catandica, Manica<br />

und Vilankulo<br />

258


Kommunalwahl 2003<br />

Bürgermeisterwahl Wahl des Geme<strong>in</strong>derats<br />

Kandidaten Anzahl<br />

Stimmen<br />

% Partei Anzahl<br />

Stimmen<br />

% Mandate<br />

Pemba:<br />

Agost<strong>in</strong>ho Ntuali (Frelimo) 10.230 66,9 Frelimo 9.882 65,5 21<br />

Mussa Incacha (Renamo) 4.421 28,9 Renamo 4.546 30,1 10<br />

Fabião Namiva (unabh.) 650 4,2 PT 357 2,4 0<br />

PIMO 300 2,0 0<br />

Ungültige Stimmen 285 Ungültige Stimmen 335<br />

Enthaltungen 408 Enthaltungen 698<br />

Gültige Stimmen <strong>in</strong>sg. 15.994 Gültige Stimmen <strong>in</strong>sg. 16.118<br />

Anzahl der am 9.12.2003 bei der CNE Stimmberechtigten: 57.252<br />

Wahlbeteiligung: 28 %<br />

Catandica:<br />

Eusébio Gondiwa 2.320 78,8 Frelimo 2.247 78,4 11<br />

(Frelimo)<br />

Verediano Manivete<br />

(Renamo)<br />

623 21,2 Renamo 522 19,6 2<br />

PT 58 2,0 0<br />

Ungültige Stimmen 143 Ungültige Stimmen 68<br />

Enthaltungen 70 Enthaltungen 168<br />

Gültige Stimmen <strong>in</strong>sg. 3.156 Gültige Stimmen <strong>in</strong>sg. 3.063<br />

Anzahl der am 9.12.2003 bei der CNE Stimmberechtigten: 8.800<br />

Wahlbeteiligung: 35 %<br />

Manica:<br />

Moguene Candeeiro 3.550 80,9 Frelimo 3.454 80,0<br />

(Frelimo)<br />

José Nicolau (Renamo) 836 19,1 Renamo 824 19,6 2<br />

PT 89 0,4<br />

Ungültige Stimmen 81 Ungültige Stimmen k.A.<br />

Enthaltungen 67 Enthaltungen k.A.<br />

Gültige Stimmen <strong>in</strong>sg. 4.534 Gültige Stimmen <strong>in</strong>sg. k.A.<br />

Anzahl der am 9.12.2003 bei der CNE Stimmberechtigten: 14.635<br />

Wahlbeteiligung: 31 %<br />

Vilankulo:<br />

Suleimane Amugy 3.220 89,1 Frelimo 3.039 84,9 12<br />

(Frelimo)<br />

Manuel Gulucha (Renamo) 393 10,9 Renamo 378 10,6 1<br />

PIMO 164 4,5<br />

Ungültige Stimmen 217 Ungültige Stimmen 174<br />

Enthaltungen 97 Enthaltungen 166<br />

Gültige Stimmen <strong>in</strong>sg. 3.927 Gültige Stimmen <strong>in</strong>sg. 3.921<br />

Anzahl der am 9.12.2003 bei der CNE Stimmberechtigten: 16.370<br />

Wahlbeteiligung: 24 %<br />

Tabelle 27: Ergebnisse der Kommunalwahlen 2003 <strong>in</strong> Pemba, Catandica, Manica<br />

und Vilankulo<br />

0<br />

11<br />

259


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WELLMANN, Arend (1997): Konflikt, Gewalt und Krieg <strong>in</strong> der „gewaltfreien Konfliktbearbeitung“<br />

– Anmerkungen aus kritischer Perspektive, <strong>in</strong>: Vogt, Wolfgang<br />

R. (Hg.): Gewalt und Konfliktbearbeitung. Befunde – Konzepte –<br />

Handeln, Baden-Baden, 116-130<br />

WEST, Harry G. (1998): ‚This Neighbor is Not My Uncle!’ Chang<strong>in</strong>g Relations of<br />

Power and Authority on the Mueda Plateau, <strong>in</strong>: Journal of Southern African<br />

Studies, 24/1, 141-160<br />

WESTLE, Bett<strong>in</strong>a (1989): Politische Legitimität – Theorien, Konzepte, empirische<br />

Befunde, Baden-Baden<br />

WIESMANN, Ulrich (1992): Soziale Attribution und soziale Identität, Wermelskirchen<br />

WILLET, Susan (1997): Military Spend<strong>in</strong>g Trends And Developments In Southern<br />

Africa: Angola, Zimbabwe, Mozambique And South Africa, Background Studies,<br />

Paper Prepared for the Ottawa Symposium on Military Expenditures <strong>in</strong><br />

Develop<strong>in</strong>g Countries, o.O.<br />

279


Literaturverzeichnis<br />

WIMMER, Andreas (1995): Interethnische Konflikte. E<strong>in</strong> Beitrag zur Integration aktueller<br />

Forschungsansätze, <strong>in</strong>: KZfSS, 47/3, 474-493<br />

WOLLEH, Oliver (2001): Zivile Konfliktbearbeitung <strong>in</strong> ethnopolitischen <strong>Konflikten</strong>,<br />

<strong>in</strong>: APuZ, 20, 26 – 36<br />

YOUNG, Tom (1990): The MNR/Renamo: External and <strong>in</strong>ternal dynamics, <strong>in</strong>: African<br />

Affairs 89/357, 491-509<br />

ZAPF, Wolfgang (1996a): Die Modernisierungstheorie und unterschiedliche Pfade der<br />

gesellschaftlichen Entwicklung, <strong>in</strong>: Leviathan 24, 63-77<br />

ZAPF, Wolfgang (1996b): Modernisierungstheorien <strong>in</strong> der Transformationsforschung,<br />

<strong>in</strong>: PVS-SH 26: Politische Theorien <strong>in</strong> der Ära der Transformation, Opladen,<br />

169-181<br />

ZARTMAN, I. William (1991): Conflict and Resolution: Contest, Cost, and Change, <strong>in</strong>:<br />

The Annals of The American Academy, 518, 11-22<br />

ZICHE, Joachim (1992): Some Critical Aspects <strong>in</strong> Gather<strong>in</strong>g Socio-economic Data <strong>in</strong><br />

Rural Areas of Non-Western Societies, <strong>in</strong>: Reichert, Christoph/Scheuch, Erw<strong>in</strong><br />

K./Seibel, Hans Dieter (Hg.): Empirische Sozialforschung über Entwicklungsländer.<br />

Methodenprobleme und Praxisbezug, Saarbrücken, 307-316<br />

ZIMMERMANN, Ekkart (1993): Erklären <strong>von</strong> Mechanismen der Konfliktregulierung<br />

<strong>in</strong> liberalen Demokratien, <strong>in</strong>: Gabriel, Oscar W. (Hg.): Verstehen und Erklären<br />

<strong>von</strong> <strong>Konflikten</strong>. Beiträge zur nationalen und <strong>in</strong>ternationalen Politik,<br />

München, 63-83<br />

—— (1999): Politische Gewalt: Rebellion, Revolution, Krieg, <strong>in</strong>: Albrecht, Günter/Groenemeyer,<br />

Axel/Stallberg, Friedrich (Hg.): Handbuch soziale Probleme,<br />

Opladen/Wiesbaden, 556-574<br />

ZINTL, Re<strong>in</strong>hard (1998): „Akteurzentrierter Institutionalismus“ – e<strong>in</strong>e Bilanz, <strong>in</strong>: Soziologische<br />

Revue 21/3, 295-299<br />

280


Verwendete Zeitungen:<br />

� AIM, Maputo, mosambikanische Onl<strong>in</strong>e-Nachrichtenagentur, URL:<br />

http://www.poptel.org.uk/mozambique-news/newsletter/~<br />

� DEMOS, Maputo (Wochenzeitung)<br />

� DIÁRIO DE MOÇAMBIQUE, Beira (Tageszeitung)<br />

� DOMINGO, Maputo (Wochenzeitung)<br />

Literaturverzeichnis<br />

� IRINNEWS.ORG, Internetnachrichtendienst des UN Office for the Coord<strong>in</strong>ation<br />

of Humanitarian Affairs, URL: http://www.ir<strong>in</strong>news.org/<br />

� MEDIAFAX, Maputo (Tageszeitung per Fax)<br />

� METICAL, Maputo (Tageszeitung per Fax)<br />

� MOZAMBIQUEFILE, Maputo (Monatszeitschrift)<br />

� NOTÍCIAS, Maputo (Tageszeitung)<br />

� MOL: MOÇAMBIQUE ON-LINE, (Internetzeitung)<br />

� NOTMOC: NOTÍCIAS DE MOÇAMBIQUE, mosambikanischer Onl<strong>in</strong>e-<br />

Nachrichtendienst, URL: http://www.mol.co.mz/notmoc/<br />

� SAVANA, Maputo (Wochenzeitung)<br />

281


Lebenslauf<br />

Nelson M. B. Penedo<br />

Dipl.-Sozialwissenschaftler<br />

Geboren am 02.01.1973 <strong>in</strong> Mettmann<br />

Portugiesische Staatsangehörigkeit<br />

Verheiratet, e<strong>in</strong> K<strong>in</strong>d<br />

1979 – 1983 Grundschulbesuch <strong>in</strong> Hilden und Mettmann<br />

1979 – 1989 Muttersprachlicher Ergänzungsunterricht <strong>in</strong> Portugiesisch<br />

<strong>in</strong> Hilden<br />

1983 – 1992 Konrad-Heresbach-Gymnasium <strong>in</strong> Mettmann<br />

mit Abschluss Abitur<br />

1992 Masch<strong>in</strong>enbaupraktika<br />

Okt. 1992 – März 1994 Studium Masch<strong>in</strong>enbau an der Ruhr-Universität Bochum<br />

April 1994 – Juli 2000 Abschluss Diplomstudiengang Allgeme<strong>in</strong>e Sozialwissenschaft<br />

Allgeme<strong>in</strong>e Soziologie, Allgeme<strong>in</strong>e Politikwissenschaft,<br />

Sozialwiss. Methodenlehre und Statistik,<br />

Sozialpsychologie, Soziologie der Entwicklungsländer<br />

(Gesamtnote: sehr gut)<br />

Diplomarbeit: ‚Die Umsetzung der Agenda 21 <strong>in</strong> Mosambik:<br />

<strong>E<strong>in</strong>e</strong> <strong>Analyse</strong> der H<strong>in</strong>dernisse und Potentiale für e<strong>in</strong>e<br />

Nachhaltige Entwicklung <strong>in</strong> Mosambik.’ (Note: sehr gut)<br />

Februar 2000 Feldforschung <strong>in</strong> Maputo/Mosambik im Rahmen der<br />

Diplomarbeit<br />

April 2001 – Okt. 2004 DFG-geförderte Promotion <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em <strong>in</strong>terdiszipl<strong>in</strong>ären<br />

Graduiertenkolleg an der Ruhr-Universität Bochum zu:<br />

„Konflikt und politische Kultur <strong>in</strong> Mosambik. <strong>E<strong>in</strong>e</strong> <strong>Analyse</strong><br />

<strong>von</strong> <strong>Konflikten</strong> <strong>in</strong> <strong>vier</strong> <strong>selbstverwalteten</strong> <strong>Kommunen</strong>“<br />

Juli – Nov. 2002 Feldforschung <strong>in</strong> <strong>vier</strong> <strong>Kommunen</strong> <strong>in</strong> Mosambik<br />

Gutachtertätigkeit für das GTZ/PDDM-Projekt zu Dezentralisierung,<br />

politische Kultur und lokalen <strong>Konflikten</strong><br />

<strong>in</strong> drei <strong>Kommunen</strong> <strong>in</strong> Mosambik<br />

282


Ich versichere, dass ich die e<strong>in</strong>gereichte Dissertation ohne fremde Hilfe verfasst und<br />

andere als die <strong>in</strong> ihr angegebene Literatur nicht benutzt habe und dass alle ganz oder<br />

annähernd übernommenen Textstellen sowie verwendete Grafiken, Tabellen und<br />

Auswertungsprogramme kenntlich gemacht s<strong>in</strong>d; außerdem versichere ich, dass die<br />

Abhandlung <strong>in</strong> dieser oder ähnlicher Form noch nicht anderweitig als Promotionsleistung<br />

vorgelegt und bewertet wurde.<br />

Essen, 18.10.2004<br />

283

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