Statistischer Halbjahresbericht 1/2010 - Erfurt

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16 Statistischer Halbjahresbericht 1/2010 Aufsätze Das politische Partizipationsverhalten der Erfurter Bürger Sebastian Pätzold, Student der Friedrich-Schiller-Universität Jena im Fach Politikwissenschaft (gekürzte Fassung der Praktikumsarbeit) Vorbemerkung In der Wohnungs- und Haushaltserhebung 2008 wurden die Erfurter über ihr Interesse und ihre Beteiligung an der Kommunalpolitik befragt. Allgemein hatten fünf Fragen dieser Umfrage das Interesse und die Anteilnahme am politischen Geschehen zum Inhalt. Die Fragen acht und neun erkundeten das Interesse, während die Fragen zehn und elf direkt auf das Interesse an der Arbeit des Stadtrates abzielten, wobei auch ganz konkret gefragt wurde, Was ist politische Partizipation? Partizipation „meint Beteiligung i. S. von Teilnahme wie Teilhabe“. 1 Unter politischer Partizipation versteht Kaase alle Handlungen, „die Bürger freiwillig mit dem Ziel unternehmen, Entscheidungen auf den verschiedensten Ebenen des politischen Systems zu beeinflussen“ 2 . Diesem Verständnis von politischer Partizipation nach haben politische partizipatorische Handlungen folgende Merkmale: sie sind beobachtbare Aktivitäten, sie erfolgen freiwillig, sie beziehen sich auf Politik, sie werden mit dem Ziel vollzogen, „mittelbar oder unmittelbar Einfluss auf Entscheidungen im politischen System auszuüben“. Politisches Interesse und politische Information Politische Partizipation setzt Informiertheit voraus. Wie hoch ist der Anteil der Erfurter Bürger, die ein Interesse am kommunalpolitischen Geschehen bekunden? Durch die Frage acht sollte dessen Größe umrissen werden, denn für eine aktive Teilnahme am kommunalpolitischen Leben stellt es quasi die Basis dar. Im Ergebnis obiger Umfrage zeigt sich, dass mehr als ein Viertel (27 Prozent) der Befragten sich regelmäßig über das kommunalpolitische Geschehen in Erfurt informiert und somit als ein aktiver Beobachter eingeschätzt werden kann. Allerdings hat auf der anderen Seite mehr als jeder Zweite (55 Prozent) eine größere Distanz zum politischen Geschehen in Erfurt. Sie informieren sich nach eigenem Bekunden nur unregelmäßig über das politische Geschehen. Kein Interesse an der Kommunalpolitik haben 12 Prozent der Befragten und wie die Bürger ihre Interessen vom Stadtrat vertreten fühlten. Darüber hinausgehend wurde mit der Frage zwölf ermittelt, wie die befragten Erfurter ausgewählte Formen politischer Beteiligung beurteilen und ob sie sich auf die jeweilige Art schon einmal an der Politik beteiligt hatten und wenn nicht, ob sie sich vorstellen könnten, dies in Zukunft zu tun. Insgesamt geht es um die politische Partizipation der Bürger Erfurts. Nicht zur politischen Partizipation zählen folglich Handlungen politisch kommunikativer Art (z. B. Lesen der Zeitung), politisch unterstützender Handlungen wie das Zahlen von Steuern sowie der „berufsmäßigen Beteiligung an politischen Entscheidungen“. Ebenfalls nicht unter diese Bezeichnung politischer Partizipation wird politische Gewalt gezählt. Auch Begriffe wie „politische Beteiligung“, „Bürgerbeteiligung“, „bürgerschaftliches Engagement“ bezeichnen politische Partizipation. 3 sechs Prozent beantworteten diese Frage nicht. Das Interesse am politischen Geschehen in Erfurt steigt mit dem Lebensalter, wie die Abbildung 1 auf der nächsten Seite zeigt. Neben dem Alter sind aber auch die Qualifikation und das Haushaltsnettoeinkommen des Befragten von Bedeutung. Besonders ehrenamtlich engagierte Erfurter Bürger sind an dem politischen Geschehen in ihrer Gemeinde interessiert. Sie informieren sich regelmäßiger als der durchschnittliche Erfurter. Das Bedürfnis nach Informationen über die Kommunalpolitik steigt mit der Zahl an Ehrenämtern, die ein Befragter begleitet. Informieren sich nur 32 Prozent der Befragten mit einem Ehrenamt regelmäßig über Kommunalpolitik, so sind es unter den Bürgern mit drei oder mehr Ehrenämtern rund 37 Prozent. 1 Schultze, Rainer-Olaf, Partizipation, in: Nohlen, Dieter (Hrsg.), Kleines Lexikon der Politik, S. 398-400, hier S. 398. Hervorh. des Verfassers. 2 Kaase, 1997, S. 160, zit. n. Gabriel/Völkl, S. 528. 3 Vgl. Gabriel/Holtmann, Handbuch Politisches System der Bundesrepublik Deutschland, S. 457-573, hier S. 528.
Statistischer Halbjahresbericht 1/2010 17 Aufsätze Abbildung 1: Informationsbeständigkeit über die Kommunalpolitik in Erfurt Gesamt weiblich männlich 18 bis 24 Jahre 25 bis 34 Jahre 35 bis 44 Jahre 45 bis 54 Jahre 55 bis 64 Jahre 65 Jahre und älter 500 bis unter 1.000 € 1.000 - 1.500 € 1.500 - 2.000 € 2.000 - 2.500 € 2.500 - 3.000 € 3.000 - 3.500 € 3.500 € und mehr niedrige Qualifikation mittlere Qualifikation höhere Qualifikation höchste Qualifikation städtisch Plattenbau dörflich Die Frage nach der Regelmäßigkeit der Information über Kommunalpolitik in Erfurt kann zwar eine Antwort auf das Informationsverhalten, konkret über die Regelmäßigkeit der Information liefern, jedoch misst sie nicht den Grad an Informiertheit des befragten Bürgers. Von den insgesamt 1.392 Befragten beant- Abbildung 2: Interesse an der Arbeit des Stadtrates Gesamt weiblich männlich 18 bis 24 Jahre 25 bis 34 Jahre 35 bis 44 Jahre 45 bis 54 Jahre 55 bis 64 Jahre 65 Jahre und älter 500 bis unter 1.000 € 1.000 - 1.500 € 1.500 - 2.000 € 2.000 - 2.500 € 2.500 - 3.000 € 3.000 - 3.500 € 3.500 € und mehr niedrige Qualifikation mittlere Qualifikation höhere Qualifikation höchste Qualifikation städtisch Plattenbau dörflich regelmäßig unregelmäßig überhaupt nicht keine Angaben 0% 20% 40% 60% 80% 100% worteten 1.372 die Frage, ob sie sich für die Arbeit des Stadtrates interessierten. Davon gaben 34 Prozent an, sie interessierten sich dafür, was der Stadtrat macht. Wenig bzw. kein Interesse für die Aktivitäten des Stadtrates haben rund 17 Prozent der befragten Bürgerinnen und Bürger- interessiere mich teils/teils interessiere mich nicht keine Angaben 0% 20% 40% 60% 80% 100%
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