29. Jahrgang Ausgabe 3/2008 - Kirchenkreises Eschwege

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Liebe Leserin, lieber Leser! Der Herbst ist eine besondere Zeit: Die Bäume werden bunt, das Wetter unbeständig. In den Gärten und auf den Feldern wird die Ernte eingebracht – und vielleicht werden bei der einen oder dem anderen von Ihnen Erinnerungen wach an Zeiten, in denen es noch keine Rundballenpresse gab, an Ernte-, Lese- oder Dreschfeste. Aber auch eine andere „Ernte“ wird im Herbst eingebracht: Viele Menschen blicken auf das Jahr zurück und ziehen Bilanz: Was habe ich erlebt? Was ist gut gewesen? Was hat mich belastet? Die Herbstzeit hat aber gerade im Bereich der Kirche noch eine besondere Bedeutung: Das wohl wichtigste kirchliche Fest im Herbst ist der Erntedanktag (05.10.). An diesem Tag machen wir uns bewusst, dass wir viel tun und bewegen, dass letztlich der Erfolg aber nicht (nur) von unseren Bemühungen abhängt, sondern uns geschenkt wird, von Gott, der für uns sorgt. Diese Dankbarkeit führt uns zu Gott – und von ihm zu unseren Mitmenschen. Deshalb ist der September der Monat der Diakonie, in dem wir uns unseren diakonischen Auftrag (Jesus sagt: Was ihr für einen Menschen in Not Gutes tut, das tut ihr für mich) bewusst machen. Deshalb informiert diese Ausgabe über Johann Hinrich Wichern, den „Erfinder“ der Diakonie. Mit der Diakoniesammlung bringen wir unsere Dankbarkeit gegenüber Gott und unser Wissen um unsere Verantwortung für Menschen in Not zum Ausdruck. Mit diesen herbstlichen Gedanken grüßt Sie Ihr Redaktionsteam des Gemeindebriefes Impressum / Spendenkonten Impressum: Kirche im Ringgau - Gemeindebrief Herausgeber: Die Evangelischen Kirchengemeinden im Ringgau Redaktion: Pfr. Kai Uwe Schröter, Pfrin. Katrin Schröter (Datterode), Pfrin. Andrea Kaiser (Netra), Pfr. Dirk Panke (Renda) Schlussredaktion: K.U. Schröter Versand: K.U. Schröter, Am Kirchrain 14, 37296 Ringgau–Datterode Druck: Druckerei Hellwig, Oberlandstraße 16, 37269 Eschwege Finanzierung: Durch Spenden und Sponsoren Zuschriften, Beiträge und Leserbriefe bitte an die zuständigen Pfarrämter schicken. "Der Gemeindebrief - Kirche im Ringgau" erscheint viermal im Jahr in allen Ortsteilen der Gemeinde Ringgau (Datterode, Grandenborn, Lüderbach, Netra, Renda, Rittmannshausen und Röhrda) sowie in Herleshausen-Altefeld (Kirchspiel Renda). Unsere Spendenkonten: Kirchenkreisamt Eschwege/Gemeindebrief "Kirche im Ringgau"/ KiKa Ev. Gemeindeverband Nordringgau/Spende Sparkasse Werra – Meißner (BLZ 522 500 30) Kto. 13 508 Ev. Kreditgenossenschaft Kassel (BLZ 520 604 10) Kto. 1 200 100 Postgiro Frankfurt/M. (BLZ 500 100 60) Kto. 85 933-601 Raiffeisenbank Eschwege (BLZ 522 603 85) Kto. 2 432 200 - 2 -
Angedacht – Johann Hinrich Wichern Was macht eine Person zu einer Persönlichkeit? Was macht einen Menschen zu einer beeindruckenden Gestalt, zu einem Charakter, zu dem man aufblickt? Reichtum und Schönheit – so viel ist klar – reichen dafür nicht aus. Berühmtheit, herausragende Leistungen? Schon eher. Allerdings fällt mir auch aus meinem Bekanntenkreis die eine oder andere beeindruckende Persönlichkeit ein – ganz ohne Berühmtheit. Und was jemanden für mich zu einer beeindrucken Persönlichkeit macht, ist dann doch gar nicht so schwer zu sagen: Meist liegt es daran, dass bei solchen Menschen Reden und Handeln zusammenpasst, übereinstimmt, sich entspricht; eben dass man lebt, was man sagt. Wer in der Bibel liest, der merkt ganz schnell: Auch Jesus Christus ist so ein Mensch gewesen: eine beeindruckende Persönlichkeit. Er hat nicht einfach nur große Reden gehalten. Schon gar nicht hat er Wasser gepredigt und Wein getrunken. Nein, er hat seinen Worten auch Taten folgen lassen. Für das, was er sagte, stand er auch mit seinem Leben ein. Er hat von Gottes Liebe zu den Menschen gesprochen. Und er hat diese Liebe gelebt, indem er sich selbst Menschen liebevoll zugewandt hat. So konnten sie Gottes Liebe am eigenen Leib erfahren. Gottes Liebe am eigenen Leib erfahren und erfahrbar werden lassen: Das ist eine entscheidende Dimension des christlichen Glaubens. Die Apostelgeschichte erzählt im 6. Kapitel: Weil die Apostel mit dem Predigen, mit der mündlichen Weitergabe des Evangeliums so viel zu tun hatten, dass Ihnen für anderes daneben kaum Zeit blieb, darum hat schon die erste christliche Gemeinde in Jerusalem sieben Armenpfleger bestellt, die sich um die ganz leibliche Not armer und bedürftiger Gemeindeglieder kümmerten. Das Predigen, von Gott reden und hören, ist wichtig. Aber es darf nicht nur beim Predigen bleiben; Gottes Liebe muss auch leiblich erfahrbar sein. Zum Prüfstein für die Predigt des Evangeliums von der Liebe Gottes in der christlichen Gemeinde wird darum, wie sie sich der ganz realen unterschiedlichsten Nöte der Menschen in ihrem Leben annimmt. Die Armenpfleger in der Jerusalemer Gemeinde hießen auf Griechisch Diakone. Und so leitet sich auch unser Wort „Diakonie“ aus dem griechischen Wort für „dienen“ bzw. „Dienst“ ab. In der Geschichte der Kirche hat es immer wieder Menschen gegeben, die diesen leiblichen Dienst der Kirche, die konkret helfende, spürbare Zu- Glauben hat damit zu tun, Gottes Liebe am eigenen Leib zu erfahren. - 3 - wendung zu den Menschen hochgehalten haben – oft gegenüber einer Mehrheit in der Kirche, die vergessen hatte, wie wichtig die Diakonie als eine grundlegende und sichtbare Gestalt des christlichen Glaubens ist. Elisabeth von Thüringen, an deren 800. Geburtstag im vergangenen Jahr erinnert wurde, war einer dieser Menschen. In diesem Jahr ist es Johann Hinrich Wichern, der vor 200 Jahren in Hamburg das Licht der Welt erblickte und im 19. Jh. der evangelischen Kirche grundlegende Impulse für eine diakonische Arbeit vermittelte, die noch heute wirksam sind. Lesen sie darüber auf den folgenden Seiten, im Monat September, wo Konfirmanden und andere Helfer aus unseren Gemeinden an den Haustüren klingeln und die traditionelle Diakonie-Sammlung der evangelischen Kirchen durchführen. Auch sie erinnern damit daran, dass christlicher Glaube nicht nur im Wort, sondern auch in der zupackenden, helfenden Tat besteht. JOHANN HINRICH WICHERN UND SEIN WERK „In der Ecke ein Haufe Stroh, darüber ein Strohsack und Lumpen, unter den Lumpen ein 73jähriger Mann, an der Brustkrankheit entsetzlich krank; dass er kaum sprechen konnte, ohne Wäsche, ohne Kopfkissen – ein Bild des Entsetzens und herzzerschneidenden Jammers. Die Frau (39 Jahre alt), nur mit einem Katun-Leibchen und Katun-Rock bekleidet, und schier nichts weiter auf dem Leibe – ohne Wäsche und alle Unterkleider und jene katune Bedeckung zum Teil noch zerlumpt, so dass das bloße Fleisch heraussah. Ebenso ein großgewachsenes Mädchen (Marie, 13 Jahre) und ein großer Bengel (Louis, 23 Jahre) und zwei Knaben, Heinrich 8 Jahre und August 10 Jahre, und Naucks 5 Jahre. Alle ohne Wäsche, blasse Gestalten, klappernd vor Hunger und Frost. Die Lippen strömen über von Klagen über ihren Jammer, alle sprachen zugleich. Die 13jährige Marie saß auf dem Boden und schabte einen rasengrünen Apfel auf einer Scherbe und setzte das dem kranken Vater vors Bette. Feuer hatten sie nicht mehr auf dem Herd gehabt seit langer Zeit. Hier galt es zu retten und helfen ohne Ansehen der Person, aber wie?“ – Der Mann, der diese trostlose Milieubeschreibung 1832 in seiner Schrift Hamburgs wahres und geheimes Volksleben abliefert, hat mit seinen 24 Jahren gerade sein
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