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Antrag/Begründung Regierungspräsidium - derWALDSEEer

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<strong>Regierungspräsidium</strong> Tübingen · Postfach 26 66 · 72016 Tübingen<br />

<strong>Regierungspräsidium</strong> Tübingen<br />

Höhere Denkmalschutzbehörde<br />

Konrad-Adenauer-Straße 20<br />

72072 Tübingen<br />

REGIERUNGSPRÄSIDIUM TÜBINGEN<br />

DENKMALPFLEGE<br />

Dienstgebäude Alexanderstr. 48 · 72072 Tübingen · Telefon 07071 757-0 · Telefax 07071 757-3190<br />

poststelle@rpt.bwl.de · www.rp.baden-wuerttemberg.de · www.service-bw.de<br />

Tübingen 16.02.2011<br />

Buslinie 4 · Haltestelle „Königsbergerstr.“ / Buslinie 13 · Haltestelle „Alexanderstr.“<br />

Name Dr. Friedrich Klein<br />

Durchwahl 07071 757-2413<br />

Aktenzeichen 26/Arch<br />

(Bitte bei Antwort angeben)<br />

Bad Waldsee - Reute, Kr. Ravensburg, jungsteinzeitliche Moorsiedlung „Schorrenried“<br />

Eintragung in das Denkmalbuch gem. § 12 DSchG<br />

Anlagen: Ausschnitt nach Top. Karte 1:25000 8024<br />

Planausschnitt nach Flurkarte 1:2500 FK SO 6043<br />

6 Abbildungen<br />

Die Archäologische Denkmalpflege beantragt die Eintragung der jungsteinzeitlichen Moor-<br />

siedlung Bad Waldsee - Reute, „Schorrenried“ nach § 12 DSchG in das Denkmalbuch des<br />

Landes Baden-Württemberg.<br />

<strong>Begründung</strong>:<br />

Die jungsteinzeitliche Moorsiedlung liegt im Jungmoränengebiet westlich von Bad Waldsee<br />

und nördlich Reute auf einem halbinselartigen Torfhorst im „Schorrenried“, einem heute ver-<br />

landeten See. Bereits 1934 wurde die Fundstelle im Zuge von Entwässerungen entdeckt, und<br />

O. Paret nahm erste Ausgrabungen vor. Bohr- und Sondageprogramme sowie Rettungsgra-<br />

bungen wurden 1981-1984 im Rahmen des „Projektes Bodensee-Oberschwaben“ vom Lan-<br />

desdenkmalamt Baden-Württemberg durchgeführt. Aufgrund der dendrochronologischen Da-


- 2 -<br />

ten gehört die Siedlung ins 38. Jahrhundert v. Chr. Die Funde weisen sie der jungneolithi-<br />

schen Pfyn-Altheimer Gruppe Oberschwabens zu.<br />

Die gesamte erschlossene Siedlungsfläche umfasst ca. 6000-7000m 2 , bisher wurden ca. 400<br />

m 2 davon in Sondagen flächig untersucht. Insgesamt wurden 10 Gebäudereste angeschnit-<br />

ten. Es handelt sich um ebenerdige, auf Torf erstellte Gebäude im Siedlungszentrum, im<br />

Überschwemmungsbereich des Ufers jedoch standen abgehobene „Pfahlbauten“. Aus den<br />

verschiedenen Gebäuderesten lässt sich ein Siedlungsplan von bislang 31 Baueinheiten er-<br />

stellen; mit wenigen Ausnahmen sind die Gebäude in genordeten Häuserzeilen angeordnet.<br />

Am nördlichen Siedlungsrand wurde eine Zaunstruktur angeschnitten. In einigen Gebäuden<br />

waren noch die ebenerdigen Holzfußböden, Lehmestriche und Feuerstellen erhalten, in ande-<br />

ren Bereichen waren die Gebäude durch Landwirtschaft, Entwässerung und Erosion bedingt<br />

nur noch über Pfostenstellungen nachweisbar. Am nördlichen Siedlungsrand bestanden of-<br />

fenbar Pfahlhäuser mit abgehobenem Wohnniveau. Besonders hervorzuheben ist das „Ge-<br />

bäude X“, denn hier konnte ein mit gynäkomorphem Relief verziertes Gebäude aufgedeckt<br />

werden. Inwieweit dem Gebäude eine „kultische Funktion“ zugeschrieben werden kann, ist<br />

noch offen.<br />

Das reiche Fundmaterial stammt vor allem aus Abfallhaufen neben den Häusern. Die Kera-<br />

mik ist einheitlich der Pfyn-Altheimer Gruppe zuweisbar. Unter den keramischen Funden sind<br />

nierenförmige Webgewichte, Löffel, der bislang älteste stratifizierte Gusstiegel sowie das<br />

Fragment einer Pintadera, eines Stempels aus Ton hervorzuheben. Zwei verkohlte Textilfra-<br />

gmente gehörten ursprünglich wohl zum gleichen Objekt und wurden im Bereich eines Hau-<br />

ses geborgen. Es handelt sich um leinwandbindige Geflechte aus Rindenstreifen, eines zeigt<br />

eine zwirngebundene Anfangskante. Bedeutend sind die Holzfunde, dabei Gefäße und Gerä-<br />

te. An erster Stelle sind die sogenannten „Schleifen“ zu nennen. Insgesamt sind drei solcher<br />

Gerätschaften im „Schorrenried“ gefunden worden. Das größte ist ein 1,63 m langes Gabel-<br />

holz aus Buche, für das eine Funktion als Transportgerät vermutet wird. Bei den Steingeräten<br />

aus Silex lassen sich 15 verschiedene Rohmaterialgruppen differenzieren. Aufgrund seiner<br />

geographischen Lage, war Reute, „Schorrennried“ in großem Umfang auf Importe angewie-<br />

sen, die aus Bayern und Oberitalien kamen. Unter den Tierknochen ist der hohe Anteil von<br />

Pferdeknochen auffallend.<br />

Besondere Bedeutung kommt den Zeugnissen der frühen Metallurgie zu. Die vollständige<br />

dreinietige Dolchklinge besteht aus Arsenbronze, die erhaltenen Niete aus Kupfer. Ein weite-<br />

res 12 mm langes Stück Kupferdraht (?) wird als Fragment einer ‚Hakenspirale vom Typ


- 3 -<br />

Hlinsko’ verstanden, einer Form die im späten Jungneolithikum von Südosteuropa bis in die<br />

Nordschweiz verbreitet war. Zusammen mit dem Gusstiegel ist hier eine Frühphase der nord-<br />

alpinen Metallurgie belegt, die zudem zeigt, dass Reute in ein überregionales Kupferdistribu-<br />

tionssystem eingebunden war. Besonders wichtig ist hierbei, dass die Funde in Reute stratifi-<br />

ziert und über die dendrochronologischen Untersuchungen auch zuverlässig datiert sind.<br />

Insgesamt ist nur ein kleiner Ausschnitt der Siedlung von Reute bisher archäologisch unter-<br />

sucht worden; die Siedlung zeichnet sich durch Fundreichtum und exzellente Erhaltungsbe-<br />

dingungen aus. Die Vorarbeiten für eine Wiedervernässung sind im Gange.<br />

Die Station ist in die UNESCO Kandidatur „Prähistorische Pfahlbauten rund um die Alpen“<br />

aufgenommen.<br />

Schutzgebiet:<br />

Das Schutzgebiet umfasst in den Gewannen „Schorrenried“ und „Blahe“ die Flurstücke Nr.<br />

292, 304, 305 Teilbereich Nord, 715, 722 Teilbereich Südwest, 724, 727, 738, 739.<br />

Literatur:<br />

(F. Klein)<br />

- O. Paret, Reute. Fundberichte aus Schwaben 8, 1933-35, 39 ff.<br />

- A. Billamboz / H. Schlichtherle, Moor- und Seeufersiedlungen. Die Sondagen 1981<br />

des ‚Projektes Bodensee-Oberschwaben’. Archäologische Ausgrabungen in Baden-<br />

Württemberg 1981 (Stuttgart 1982) 44 ff.<br />

- M. Mainberger, Ausgrabungen im Schorrenried bei Reute (Stadt Bad Waldsee, Kreis<br />

Ravensburg). Archäologische Ausgrabungen in Baden-Württemberg 1982 (Stuttgart<br />

1983) 56 ff.


- 4 -<br />

- M. Mainberger, Die Grabungskampagne 1983 im Schorrenried bei Reute, Stadt Bad<br />

Waldsee, Kreis Ravensburg. Archäologische Ausgrabungen in Baden-Württemberg<br />

1983 (Stuttgart 1984) 59 ff.<br />

- A. Billamboz, Bausteine einer lokalen Jahrringchronologie des Federseegebietes.<br />

Fundberichte aus Baden-Württemberg 17, 1992, 300.<br />

- H. Schlichtherle, Die neolithische Moorsiedlung Oedenahlen Forschungen und Berichte<br />

zur Vor- u. Frühgeschichte in Baden-Württemberg 46 (Stuttgart 1995) bes. 72.<br />

- M. Mainberger, Reute-Schorrenried, die „Pfy-Altheimer Gruppe Oberschwabens“ und<br />

die südlichen Grenzen der Michelsberger Kultur. In: J. Biel / H. Schlichtherle / M.<br />

Strobel / A. Zeeb (Hrsg.), Die Michelsberger Kultur und ihre Randgebiete – Probleme<br />

der Entstehung, Chronologie und des Siedlungswesens. Materialhefte zur Archäologie<br />

in Baden-Württemberg (Stuttgart 1998) 185-190.<br />

- M. Mainberger, Das Moordorf von Reute. Archäologische Untersuchungen in der<br />

jungneolithischen Siedlung Reute-Schorrenried. (Staufen i. Br. 1998).<br />

- M. Mainberger, Sommerschlitten, Ackerrutschen, Pflugschleifen. Rezente radlose<br />

Transportfahrzeuge und die „Schleife“ von Reute-Schorrenried. In: J. Köninger / M.<br />

Mainberger / H. Schlichtherle / M. Vosteen (Hrsg.), Schleife, Schlitten, Rad und Wagen.<br />

Hemmenhofener Skripte 3 (Gaienhofen-Hemmenhofen 2002) 83-92.


- 5 -<br />

Bad Waldsee - Reute, RV, „Schorrenried“ - Grabungssituation


- 6 -<br />

Bad Waldsee - Reute, RV, „Schorrenried“ - Textilreste


- 7 -<br />

Bad Waldsee - Reute, RV, „Schorrenried“ - Holzgefäße


- 8 -<br />

Bad Waldsee - Reute, RV, „Schorrenried“ - Dolchklinge und Rekonstruktion


- 9 -<br />

Bad Waldsee - Reute, RV, „Schorrenried“ - Busenfragment


- 10 -<br />

Bad Waldsee - Reute, RV, „Schorrenried“ - Rekonstruktion der Hüttenbrüste

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