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Jens Michaelis - Verwaltungsgericht Freiburg

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<strong>Jens</strong> <strong>Michaelis</strong><br />

Präsident des VG <strong>Freiburg</strong><br />

Sachverhalt<br />

<strong>Verwaltungsgericht</strong>liche Praxis<br />

Veranstaltungsreihe des <strong>Verwaltungsgericht</strong>s <strong>Freiburg</strong><br />

1. Besprechungsfall<br />

24.02.2010<br />

"Der übergangene Pferdebräter“<br />

(Volksfest, Zulassung, Rechtsschutz)<br />

Auf dem Festplatz der Stadt S findet seit jeher der traditionelle Ostermarkt statt. Er<br />

wird von Schaustellern mit Fahrgeschäften, Losbudenbesitzern, Händlern und gast-<br />

ronomischen Einrichtungen vom Wurststand über Süßigkeitenhändler bis hin zum<br />

Bierzelt beschickt.<br />

Aufgrund der Attraktivität des dauerhaft als Volksfest gem. § 69 GewO festgesetzten<br />

Marktes ist im Laufe der Zeit die Zahl seiner Beschicker sowie auch der Bewerber<br />

um einen Marktstand mehr und mehr gewachsen. Seine Organisation auf der Grund-<br />

lage eines so genannten Marktkonzepts der Stadtverwaltung, das in früheren Jahren<br />

auch der Gemeinderat von S billigend zur Kenntnis genommen hatte, band daher<br />

ebenfalls immer mehr Mitarbeiter ein, so dass Anfang 2007 die S-Marketing GmbH,<br />

eine städtische Gesellschaft, mit der Organisation beauftragt wurde.<br />

Der B ist seit einigen Jahren mit einem Imbissstand auf Volksfesten und Jahrmärkten<br />

vertreten; er bietet Erzeugnisse aus Pferdefleisch an. Trotz mehrerer Versuche war<br />

er bislang noch nie zum Ostermarkt zugelassen worden. Auf seine erneute Bewerbung<br />

für den Ostermarkt April 2009 erhielt er noch im Dezember 2008 von einem<br />

Mitarbeiter der S-Marketing die telefonische Auskunft, nach Sichtung der Unterlagen<br />

sämtlicher Bewerber könne er erneut nicht mit einer Zulassung rechnen. Tatsächlich<br />

erhielt der B nur wenig später von der Stadt selbst einen Ablehnungsbescheid, gegen<br />

den er sogleich Widerspruch einlegte. Dieser Widerspruch wurde von der Stadt<br />

unter dem 31. Januar 2009 zurückgewiesen. Sie führt im Wesentlichen aus, ihr<br />

Marktkonzept sehe eine ausgewogene Mischung der unterschiedlichen Standangebote<br />

vor. Die Platzverhältnisse in S erlaubten es mittlerweile nicht mehr, sämtliche<br />

Bewerber zum Markt zuzulassen, so dass eine Auswahl zu erfolgen habe. Dabei be-


- 2 -<br />

diene man sich mit dem Marktkonzept eines ausdifferenzierten Auswahlsystems, das<br />

sämtliche Angebote nach Betriebsart und Attraktivität im Blick auf die festgesetzte<br />

Veranstaltung (vgl. §§ 64 ff. GewO) mit Punkten bewerte. Ob ein Bewerber „bekannt<br />

und bewährt“ sei, spiele gleichfalls eine Rolle. Bei allen Kriterien, die der Auswahl<br />

zugrundegelegt worden seien, habe B nach dem angewendeten Punktesystem zu<br />

wenig Punkte erhalten, um zugelassen werden zu können.<br />

Noch im Februar 2009 hat B Klage erhoben. Er ist der Auffassung, es sei bereits<br />

grundsätzlich rechtlich bedenklich, einzelne Bewerber vom Ostermarkt auszuschließen;<br />

nach Jahren der Nichtberücksichtigung habe er aber jedenfalls jetzt einen An-<br />

spruch auf Zulassung. Weshalb er diese erneut nicht erhalten habe, lasse sich den<br />

Bescheiden nicht entnehmen; sie seien viel zu Allgemein gehalten. Die S-Marketing<br />

sei darüber hinaus nicht befugt gewesen, den Markt zu veranstalten; es gehe nicht<br />

an, dass sie - unstreitig - an die einzelnen Bewerber die Zulassungen zum Markt ver-<br />

sende; die Zulassung sei allein Aufgabe der Beklagten und zwar des Gemeinderats,<br />

der auch über die Zulassungskriterien zu befinden habe; das vorliegende Marktkon-<br />

zept reiche nicht aus. Infolge der bereits erfolgten Zulassungen durch die S-<br />

Marketing sei die Beklagte bzw. der Gemeinderat bei der Frage der Erteilung der Ab-<br />

lehnungsbescheide im Übrigen gar nicht mehr frei. Traditionelle städtische Veranstaltungen<br />

wie der Ostermarkt dürften als öffentliche Einrichtungen darüber hinaus priva-<br />

ten Veranstaltern wie der S-Marketing nicht überlassen werden.<br />

Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten. Sie richte trotz der Mitwirkung der S-<br />

Marketing den Markt aus. Die Frage, wer zum Ostermarkt zugelassen werde, sei vor<br />

Zulassung der einzelnen Bewerber durch die S-Marketing eingehend mit dem OB<br />

besprochen worden. § 70 GewO sehe ein Auswahlverfahren vor. Ihr Marktkonzept<br />

sei in keiner Weise zu beanstanden. Das ergebe sich bereits aus den - zwischenzeit-<br />

lich vorgelegten und im Verfahren zusätzlich ausführlich erklärten - Bearbeitungsbögen<br />

zur Vergabe der Punkte für die einzelnen Auswahlkriterien, denen im Einzelnen<br />

entnommen werden könne, weshalb B nicht zum Zuge gekommen sei. Bei der Vielzahl<br />

der Bewerber sei es unzumutbar, die Ablehnungsbescheide noch ausführlicher<br />

als erfolgt zu gestalten.<br />

Hat die Klage Erfolg?


Lösungsskizze<br />

I. Zulässigkeit der Klage<br />

- 3 -<br />

1. Der Verwaltungsrechtsweg ist vorliegend unproblematisch gegeben, § 40 VwGO.<br />

Das ergibt sich allerdings nicht bereits aus § 70 GewO, da Märkte auch von Privaten<br />

veranstaltet werden können (vgl. im Einzelnen Storr in Pielow, GewO, 2009, § 70<br />

RdNrn. 2, 14, 49 ff.).<br />

2. Klageart: Nach Ablehnung des Antrags auf Zulassung durch die Beklagte kommt<br />

eine Verpflichtungsklage in Betracht, die entweder auf unmittelbare Zulassung zum<br />

Ostermarkt oder - als Minus, wenn eine solche Verpflichtung nicht möglich ist - auf<br />

Neubescheidung gerichtet ist.<br />

Problematisch ist, dass das Klageziel wegen Zeitablaufs nicht mehr erreicht werden<br />

kann; der Ostermarkt 2009 hat bereits stattgefunden. In Betracht kommt daher eine<br />

Fortsetzungsfeststellungsklage, § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO analog (vgl.<br />

Kopp/Schenke, VwGO, 16. Aufl., § 113, RdNr. 109).<br />

3. Da B weiterhin an seiner Absicht festhält, jedenfalls in Zukunft am Ostermarkt teil-<br />

zunehmen, ist das Fortsetzungsfeststellungsinteresse wegen Wiederholungsgefahr<br />

unproblematisch.<br />

4. Die Klage ist auch im Übrigen unproblematisch zulässig<br />

II. Begründetheit der Klage<br />

Die Klage wäre begründet, wenn die Versagung der Zulassung rechtswidrig und der<br />

B hierdurch in eigenen Rechten verletzt gewesen wäre, § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO<br />

analog. Das wäre dann der Fall, wenn B einen Anspruch auf Teilnahme oder zumindest<br />

auf Neubescheidung gehabt hätte.


1. Anspruchsgrundlage:<br />

- 4 -<br />

a) Ein Anspruch auf Teilnahme könnte sich aus § 10 Abs. 2 GemO ergeben; denn<br />

der Ostermarkt ist als langjähriges städtisches Volksfest eine öffentliche Einrichtung,<br />

so dass sich die Zulassung nach dem Kommunalrecht richten könnte.<br />

b) Der Ostermarkt ist aber auch als Markt nach Maßgabe der Gewerbeordnung mit<br />

einer eigenen Zulassungsregelung festgesetzt; die bundesrechtliche Regelung des<br />

§ 70 GewO geht der landesrechtlichen Regelung vor (vgl. VGH Baden-Württemberg,<br />

Beschluss vom 19.07.2001 - 14 S 1567/01 -, Gewerbearchiv 2001, 420 = juris,<br />

m.w.N.; Tettinger/Wank GewO, 7. Aufl., 2004, § 70 RdNrn. 3 f., 5; kritisch Storr in<br />

Pielow, a.a.O., § 70 RdNr. 58.1).<br />

Der Anspruch auf Teilnahme richtet sich mithin nach § 70 GewO.<br />

2. § 70 Abs. 1 GewO begründet als Ausdruck der Marktfreiheit grundsätzlich einen<br />

Anspruch auf Marktteilnahme; Beschränkungen können nur nach Maßgabe der in<br />

der Vorschrift getroffenen weiteren Regelungen verfügt werden.<br />

B gehört zum Teilnehmerkreis im Sinne von § 70 Abs. 1 GewO; dafür, dass er nicht<br />

die allgemeinen Bestimmungen für eine Teilnahme erfüllt, ist nichts ersichtlich.<br />

Ebenso gehört er mit seinem Stand zu einer der Anbietergruppen im Sinne von § 70<br />

Abs. 2 GewO. Danach besitzt er grundsätzlich ein Recht auf Teilnahme.<br />

3. Könnte dem Recht auf Teilnahme § 70 Abs. 3 GewO entgegen gehalten werden,<br />

der den Ausschluss einzelner Teilnehmer erlaubt?<br />

B meint, es sei bereits grundsätzlich rechtlich bedenklich, jemanden von der Teilnahme<br />

auszuschließen.<br />

a) Verstoß gegen Art. 12 Abs. 1 Satz 1 GG?<br />

§ 70 Abs. 3 GemO schränkt die Berufsfreiheit auf der Ebene der Berufsausübung<br />

ein. Eine solche Einschränkung (Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG) ist zulässig, wenn ver-


- 5 -<br />

nünftige Erwägungen des Gemeinwohls dies als zweckmäßig erscheinen lassen.<br />

Solche Erwägungen werden bereits in § 70 Abs. 3 selbst genannt. Insbesondere<br />

dient die Beschränkung der Zahl der Teilnehmer auf die vorhandene Kapazität einem<br />

ordnungsgemäßen Ablauf der Veranstaltung (vgl. auch Tettinger/Wank a.a.O. § 70<br />

RdNrn. 25 m.w.N.; VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 01.10.2009 - 6 S 99/09 -,<br />

juris); dem Gemeinwohl widerspräche, einen Markt ungeregelt ablaufen zu lassen.<br />

b) § 70 Abs. 3 GewO hinreichend bestimmt?<br />

Mangels hinreichender Bestimmtheit der Ermächtigung zum Ausschluss einzelner<br />

Anbieter aufgrund „sachlich gerechtfertigter Gründe“ könnte die Vorschrift gegen das<br />

Rechtsstaatsprinzip, Art. 20 Abs. 3 GG, verstoßen. Der genannte unbestimmte<br />

Rechtsbegriff, der immerhin bereits durch eine Fallgestaltung („insbesondere Platzmangel“)<br />

konkretisiert wird, ist jedoch im Wege der Auslegung bestimmbar und mittlerweile<br />

durch die Rechtsprechung hinreichend bestimmt (vgl. Tettinger/Wank<br />

a.a.O.); ein Ausschluss darf danach nicht willkürlich erfolgen und hat sich sowohl am<br />

Grundsatz der Marktfreiheit als auch am Gleichbehandlungsgebot auszurichten.<br />

4. Ist der Ausschluss von B nach § 70 Abs. 3 GemO zu Recht erfolgt?<br />

a) Die tatbestandlichen Voraussetzungen für den Ausschluss sind erfüllt, weil mangels<br />

ausreichender Standplätze nicht alle Teilnehmer, die die Voraussetzungen erfül-<br />

len, berücksichtigt werden können (vgl. Storr in Pielow, a.a.O., 2009, § 70 RdNrn. 21,<br />

23: Der Veranstalter muss seine Kapazitäten zwar nicht erweitern, um mehr Teilnehmer<br />

aufzunehmen, er muss die vorhandenen Kapazitäten allerdings auch im<br />

Blick auf Art. 12 Abs. 1 GG ausschöpfen).<br />

b) Der Ausschluss steht als „Kann-Bestimmung“ im Ermessen des Veranstalters. Zu<br />

fragen ist daher, ob er hier im Blick auf B sein (Auswahl-)Ermessen fehlerfrei ausgeübt<br />

hat.<br />

aa) Der Maßstab für die Prüfung der Ermessensentscheidung ergibt sich aus § 114<br />

Satz 1 VwGO. Vorliegend muss sich das Ermessen am Grundsatz der Marktfreiheit<br />

und am Gleichheitssatz (siehe oben 3b) orientieren.


- 6 -<br />

bb) Laut Sachverhalt hat sich die Entscheidung am Marktkonzept der Stadtverwal-<br />

tung orientiert. Fraglich ist, ob dieses Marktkonzept, das nach Auffassung der Beklagten<br />

einer gleichmäßigen Ermessensausübung (ermessenslenkend) dienen soll,<br />

eine geeignete Grundlage für die Betätigung des Auswahlermessens ist.<br />

- Wegen der großen Bandbreite möglicher Marktveranstaltungen steht dem Veranstalter<br />

grundsätzlich ein breiter Spielraum für ihre Gestaltung im Allgemeinen wie<br />

auch bei der Auswahl im Einzelnen zu.<br />

- Laut Sachverhalt orientiert sich das Konzept an der Art der Veranstaltung und soll<br />

unter Berücksichtigung der Attraktivität der einzelnen Bewerber eine dem Veranstaltungszweck<br />

entsprechende ausgewogene Beschickung erlauben; berücksichtigt wird<br />

auch der Grundsatz „bekannt und bewährt“. Mit einem solchen Inhalt stellt das Kon-<br />

zept grundsätzlich eine geeignete Auswahlgrundlage dar (vgl. im Einzelnen etwa<br />

VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 27.02.2006 - 6 S 1508/04 -, m.w.N., juris). Da-<br />

von zu unterscheiden ist die weitere - später noch zu prüfende - Frage, ob auch die<br />

im Einzelfall zu treffende Auswahl bzw. - im Falle von B - der Ausschluss rechtmäßig<br />

gewesen ist. Zuvor ist aber zu fragen, ob B zu Recht rügt, die Stadtverwaltung sei für<br />

die Erarbeitung des Marktkonzepts nicht zuständig gewesen:<br />

Das von der Verwaltung erarbeitete und als ermessenslenkende Richtlinie dienende<br />

Konzept wäre dann nicht zu beanstanden, wenn es sich bei der Festlegung allgemeiner<br />

Kriterien für die Vergabe der Marktstandplätze, die i.S. verwaltungsintern bindender<br />

Vorschriften eine gleichmäßige und einheitliche Ermessensausübung ge-<br />

währleisten sollen, um ein Geschäft der laufendenden Verwaltung (§ 44 Abs. 2 Satz<br />

1 GemO) handelte, das vom Bürgermeister bzw. der für ihn handelnden Verwaltung<br />

eigenverantwortlich abgewickelt wird. Das wird wegen der großen rechtlichen und<br />

wirtschaftlichen Bedeutung, die die Veranstaltung von Volksfesten für die Gemeinden<br />

hat, verneint (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 27.08.1990 - 14 S 2400/88 -,<br />

VBlBW 1991, 185; Urteil vom 01.10.2009 a.a.O.).<br />

Die Aufgabe wurde dem Bürgermeister auch nicht durch Gesetz übertragen, vgl. §<br />

44 Abs. 2 Satz 1 GemO.


- 7 -<br />

Handelt es sich um kein Geschäft der laufenden Verwaltung, so ist es Sache des<br />

Gemeinderats, die Grundzüge der Verwaltung zu regeln (§ 24 Abs. 1 Satz 2 GemO).<br />

Dies ist nur dann anders, wenn der Gemeinderat diese Aufgabe dem Bürgermeister<br />

(der Verwaltung) hätte übertragen können und übertragen hat. Eine solche Übertragung<br />

setzt nach Maßgabe des § 44 Abs. 2 Sätze 2 und 3 GemO voraus,<br />

- dass die Aufgabe auch einem beschließenden Ausschuss übertragen werden könn-<br />

te (vgl. § 39 Abs. 2 GemO); dies wäre für die Erarbeitung von „Vergaberichtlinien“<br />

nicht ausgeschlossen (VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 01.10.2009; a.a.O.).<br />

- dass zusätzlich eine solche Übertragung ausdrücklich in der Hauptsatzung der<br />

Gemeinde (vgl. § 4 Abs. 2 GemO) geregelt sein müsste. Dies ist hier nicht ersichtlich.<br />

Damit war der Gemeinderat für die Erarbeitung eines Marktkonzepts zuständig.<br />

Unzureichend ist, dass der Gemeinderat das Konzept der Verwaltung „billigend in<br />

Kauf“ genommen hat. Dies ersetzt nicht die eigenständige Beschlussfassung (VGH<br />

Baden-Württemberg, Urteil vom 27.08.1990).<br />

Ergebnis:<br />

Der Ausschluss des B von der Teilnahme am Ostermarkt war ermessensfehlerhaft,<br />

und daher rechtswidrig, weil die entsprechende Entscheidung auf der Anwendung<br />

des von der (hierfür unzuständigen) Stadtverwaltung erarbeiteten Marktkonzepts beruhte.<br />

Das <strong>Verwaltungsgericht</strong> würde die Feststellung treffen, dass die Ablehnung<br />

des Antrags des B auf Zulassung zum Ostermarkt 2009 der Beklagten rechtswidrig<br />

war (zur entsprechenden Antragstellung vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom<br />

27.02.2006 a.a.O.).


- 8 -<br />

III. Hilfsgutachten (auf der Grundlage, dass der festgestellte Mangel nicht vor-<br />

lag)<br />

1. Formelle Rechtmäßigkeit des Ablehnungsbescheids<br />

a) Zuständigkeit der Stadtverwaltung oder des Gemeinderats von S für den Erlass<br />

des ablehnenden Bescheids?<br />

B ist der Auffassung, wegen der Bedeutung der Sache müsse der Gemeinderat die<br />

Entscheidung treffen. Der Gemeinderat beschließt jedoch nur allgemein die Vergaberichtlinien<br />

(Marktkonzept), die das Verwaltungsermessen im Interesse einer einheitlichen<br />

und gleichmäßigen Handhabung steuern sollen. Die Umsetzung dieser Richtlinien<br />

im Einzelfall vollzieht die getroffene Gemeinderatsentscheidung lediglich. Es<br />

handelt sich damit um ein Geschäft der laufenden Verwaltung (VGH Baden-<br />

Württemberg, Urteil vom 01.10.2009 a.a.O.; BayVGH, Urteil vom 15.03.2004 - 22 B<br />

03.1362 -, juris, RdNr. 33), für das die Stadtverwaltung zuständig ist.<br />

2. Mit seiner Rüge, den Bescheiden lasse sich nicht entnehmen, weshalb er erneut<br />

abgelehnt worden sei, rügt B, die Begründung sei unzureichend:<br />

§ 39 Abs. 1 Satz 2 LVwVfG schreibt die Mitteilung der wesentlichen tatsächlichen<br />

und rechtlichen Gründe vor, die die Behörde, hier die Stadtverwaltung S, zu ihrer<br />

Entscheidung bewogen haben. Darüber hinaus soll nach § 39 Abs. 1 Satz 3 LVwVfG<br />

die Begründung bei Ermessensentscheidungen auch diejenigen Gesichtspunkte erkennen<br />

lassen, von denen die Behörde bei der Ausübung ihres Ermessens ausge-<br />

gangen ist. Danach muss B in die Lage versetzt werden, die Erfolgsaussichten eines<br />

Rechtsbehelfs ausreichend zu beurteilen. Je weiter dabei der der Behörde zugestandene<br />

Ermessensspielraum ist, desto eingehender ist ihre Begründungspflicht (vgl.<br />

Kopp/Ramsauer, VwVfG 10. Aufl. 2008, § 39, RdNr. 26; VGH Baden-Württemberg,<br />

Urteil vom 27.02.2006 - 6 S 1508/04 -, juris).<br />

Vorliegend wurde dem B im Wesentlichen lediglich mitgeteilt, dass mit dem Marktkonzept<br />

eine ausgewogene Mischung der Stände erreicht werden solle und er in<br />

Anwendung des praktizierten Punktesystems weniger Punkte als seine Mitbewerber


- 9 -<br />

erhalten habe. Dem kann nicht entnommen werden, welche konkreten Umstände zu<br />

seiner Schlechterbewertung gegenüber seinen Mitkonkurrenten geführt haben. Eine<br />

substantiierte Stellungnahme in Wahrung seiner Rechte wird ihm hierdurch nicht ermöglicht.<br />

Die gegebene Begründung ist daher unzureichend.<br />

c) Eine Ausnahme vom Begründungserfordernis (§ 39 Abs. 2 LVwVfG) liegt nicht vor.<br />

Insbesondere ist § 39 Abs. 2 Nr. 3 LVwVfG nicht einschlägig, weil es sich trotz möglicherweise<br />

einer Vielzahl von Ablehnungen stets um individuelle Regelungen han-<br />

delt.<br />

d) Ist der Mangel der unzureichenden Begründung nach § 45 LVwVfG geheilt?<br />

aa) Eine fehlerhafte Begründung führt nicht zur Nichtigkeit des Bescheids.<br />

bb) S hat ihre Entscheidung mittlerweile im Klageverfahren ausführlich erläutert. Der<br />

Mangel könnte demgemäß nach § 45 Abs. 1 Nr. 2 LVwVfG geheilt sein.<br />

cc) War die nachträglich gegebene Begründung rechtzeitig, § 45 Abs. 2 LVwVfG?<br />

Der Wortlaut des § 45 Abs. 2 LVwVfG legt die Rechtzeitigkeit nahe; denn das verwaltungsgerichtliche<br />

Verfahren ist noch anhängig. Allerdings hat sich der Verwaltungsakt<br />

- die Ablehnung der Zulassung - durch Zeitablauf erledigt. Erst nach Erledigung<br />

wurde die für die Ablehnung erforderliche Begründung gegeben. Eine solche Nach-<br />

holung ist deshalb nicht mehr möglich, weil § 45 LVwVfG voraussetzt, dass der Verwaltungsakt<br />

noch wirksam ist; dies ist bei einem erledigten Verwaltungsakt nicht der<br />

Fall, vgl. § 43 Abs. 2 LVwVfG. Dies steht mit dem Ziel einer Fortsetzungsfeststellungsklage<br />

in Einklang. Es geht bei ihr nicht um die Aufhebung eines Verwaltungsakts<br />

oder um eine Neubescheidung, für die von Bedeutung wäre, ob ein dem Verwaltungsakt<br />

anheftender formeller Mangel noch beseitigt werden kann, sondern allein<br />

um die Feststellung, ob der (mittlerweile erledigte) Verwaltungsakt - gegebenenfalls<br />

in der Fassung des Widerspruchsbescheids - im Zeitpunkt seiner Erledigung rechtswidrig<br />

war (vgl. auch VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 27.02.2006 a.a.O.,


- 10 -<br />

m.w.N.: „denknotwendig“ keine Heilung; ebenso VGH Baden-Württemberg, Urteil<br />

vom 01.10.2009 a.a.O.).<br />

Ergebnis:<br />

Der Ablehnungsbescheid war formell fehlerhaft, so dass die Feststellung seiner<br />

Rechtswidrigkeit auch aus diesem Grunde zu treffen wäre.<br />

IV. Hilfsgutachten (auf der Grundlage, dass der Ablehnungsbescheid formell<br />

rechtmäßig war).<br />

1. Materielle Rechtmäßigkeit<br />

a) Zu den heranzuziehenden Auswahlkriterien siehe bereits oben II 4b bb). Für eine<br />

eingehende Einzelfallprüfung fehlt es im Sachverhalt an zureichenden Gesichtspunkten.<br />

Maßgebliche Prüfungsgesichtspunkte wären hier zum einen der am Marktzweck<br />

orientierte Gestaltungswille der Stadt im Blick auf diesen Markt und zum Zweiten eine<br />

darauf gegründete nachvollziehbare Bewerberauswahl nach Maßgabe der einzel-<br />

nen Kriterien des Marktkonzepts. Zu weiteren Einzelheiten vgl. etwa VGH Baden-<br />

Württemberg Urteil vom 01.10.2009 a.a.O. mit weiterführenden Hinweisen. Vorlie-<br />

gend soll für die weitere Überprüfung unterstellt werden, dass die konkrete Auswahl<br />

auf der Grundlage eines ordnungsgemäßen Marktkonzepts nicht zu beanstanden<br />

und der Ausschluss der Teilnahme des B grundsätzlich fehlerfrei gewesen wäre.<br />

b) B beanstandet allerdings, dass die S-Marketing bereits für sämtliche ausgewähl-<br />

ten Betriebe Zulassungen ausgesprochen und die Stadt S selbst als Beklagte überhaupt<br />

keinen Einfluss auf die Standvergabe gehabt habe. Damit ist angesprochen,<br />

dass die Beklagte kein Ermessen ausüben konnte, weil sie an bereits erfolgte Zulassungen<br />

durch die S-Marketing gebunden war (vgl. dazu näher Kopp/Ramsauer<br />

a.a.O. § 40 RdNr. 59; VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 01.10.2009 a.a.O.).<br />

aa) In welcher rechtlichen Funktion war die S-Marketing tätig?<br />

- Beliehener?


- 11 -<br />

Dann müsste die Stadt der S-Marketing zur Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben<br />

Hoheitsbefugnisse übertragen haben (durch oder auf Grund Gesetzes, vgl. VGH Baden-Württemberg,<br />

Urteil vom 01.10.2009 m.w.N.); die S-Marketing wäre dann nach<br />

außen wie ein Hoheitsträger aufgetreten.<br />

Vorliegend war die S-Marketing nur mit der Organisation des Volksfestes beauftragt;<br />

eine selbständige hoheitliche Tätigkeit war damit nicht verbunden.<br />

- Verwaltungshelfer?<br />

Der Verwaltungshelfer tritt regelmäßig nicht nach außen auf, sondern ist als Privater<br />

ohne eigene Zuständigkeit und Verantwortung lediglich in den Verwaltungsvollzug<br />

eingeschaltet. Er „hilft“ der Verwaltung (ausführlich Maurer, Allgemeines Verwal-<br />

tungsrecht, 17. Aufl., 2009, § 23 RdNr. 59).<br />

Mit dem Organisationsauftrag erfüllt die S-Marketing eine typisch unterstützende<br />

Verwaltungshelfertätigkeit.<br />

bb) Hätte die S-Marketing die Zulassungen ausschließlich in Eigenregie ausgespro-<br />

chen, könnte sich die Beklagte gehindert gefühlt haben, eine eigenständige Entscheidung<br />

über den Kreis der Teilnehmer zu treffen; der Erlass der Ablehnungsbe-<br />

scheide wäre dann wegen des insoweit maßgebenden Einflusses der S-Marketing<br />

ermessensfehlerhaft gewesen. (Zu unterschiedlichen Fallgestaltungen und der damit<br />

verbundenen Frage, in welchem Umfang eine Gemeinde auf die Wahrnehmung öf-<br />

fentlicher Aufgaben durch einen Verwaltungshelfer Einfluss haben muss vgl. VGH<br />

Baden-Württemberg, Urteil vom 01.10.2009 a.a.O. mit vielen Hinweisen).<br />

Laut Sachverhalt hat die S-Marketing zwar die Zulassungen ausgesprochen; dies ist<br />

allerdings in Absprache mit dem Oberbürgermeister erfolgt. Damit hat der Oberbürgermeister<br />

in eigener Person nicht nur in negativer, sondern auch in positiver Hin-<br />

sicht über den Kreis der Teilnehmer des Volksfestes befunden. Die Ablehnungsbescheide<br />

beruhten daher nicht auf einer vermeintlichen Bindung der zuständigen Verwaltung<br />

an Entscheidungen des Verwaltungshelfers.


Ergebnis:<br />

- 12 -<br />

Bei (unterstellt) ordnungsgemäßem Marktkonzept und formeller Rechtmäßigkeit wäre<br />

der Ablehnungsbescheid zu Recht ergangen; das <strong>Verwaltungsgericht</strong> würde die Klage<br />

abweisen.<br />

Zusatz:<br />

Zur Frage, ob sich eine Gemeinde vollständig aus der Veranstaltung eines traditionellen<br />

Volksfestes, das bislang ausschließlich als kommunale öffentliche Einrichtung<br />

betrieben wurde, zurückziehen und umfassend einem privaten Veranstalter übertragen<br />

könnte, vgl. BVerwG, Urteil vom 27.05.2009, 8 C 10.08, Gewerbearchiv 2009,<br />

484 mit Anm. Schönleiter; juris (verneinend: Die Selbstverwaltungsgarantie begründe<br />

grundsätzlich auch eine Pflicht der Gemeinden zur Wahrung und Sicherung ihres<br />

eigenen Aufgabenbereichs mit der Folge des Verbots einer „materiellen Privatisierung“<br />

eines kulturell, sozial und traditionsmäßig bedeutsamen Marktes, der bislang in<br />

alleiniger kommunaler Verantwortung betrieben wurde) ferner Schoch, Das gemeindliche<br />

Selbstverwaltungsrecht gem. Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG als Privatisierungsver-<br />

bot? DVBl 2009, 1533 f. (mit eingehender und überzeugender Begründung gegen<br />

BVerwG bejahend: Es sei nicht dargelegt, aufgrund welcher normativer Vorgaben<br />

des Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG das Selbstverwaltungsrecht in eine Selbstverwaltungspflicht<br />

umschlage), Ehlers, DVBl 2009, 1456 (ebenfalls ablehnend).

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